Samstag, 1. Februar 2014

Eine Geldhortung gibt es nicht


vom August 2013 schreibt Prof. Ulrich van Suntum u. a. (Hervorhebungen von mir):
 
"the merits of such a 'hidden' parallel currency shall be briefly stated: 
  •  The savers in the respective country (here: Germany) are widely protected against suffering from Euro-inflation.
  •  This in turn is quite probable to increase (real) savings and to decrease pure hoarding, which in turn decreases the capital market interest rate and thereby increases real investment."
 In meinem vorliegenden Blott geht es nicht um den (unrealistischen) Vorschlag von Prof. van Suntum, den € durch eine Parallelwährung (in Gestalt eines "Hart-Euro") in den soliden Ländern zu verdrängen. (Für Interessierte habe ich meine diesbezügliche Kritik am Ende angehängt.) Es geht auch nur am Rande um die o. a. Textpassage.
Sondern darum, dass es eine Geldhortung nicht gibt.
Was aber nicht bedeutet, dass es keine Geldhortung gibt.


Die scheinbare Paradoxie löst sich über die Wortbetonung auf:
EINE Geldhortung gibt es nicht!
Dieser Blott schließt damit an eine Reihe anderer Einträge an, die mit dem gleichen "Trick" arbeiten:
 Mein "Trick" ist überall derselbe: Die Betonung. Zu lesen ist jeweils: "EINE ..... gibt es nicht".

Was "Hortung" bzw. "horten" bedeutet, wissen wir alle:  Man legt etwas in den Keller, Kartoffeln, Salz, Konservendosen usw., um es irgendwann später zu verbrauchen.
Abstrakt gesprochen entzieht man dem Markt Waren, indem man sie aufkauft, und weglegt (also insbesondere nicht - zeitnah - konsumiert). Diese Waren kann dann auch niemand sonst verwenden (verbrauchen).
Das ist bei Geld anders: Geld kann ein Dritter, nämlich als Kreditnehmer, zwar ebenfalls nicht ver-, aber doch wenigstens ge-brauchen.

"Sparen" im umgangssprachlichen Sinne bedeutet, kein oder weniger Geld auszugeben (jedenfalls solange man nicht dem Werbelockruf erliegt "Spar dich reich").

Im volkswirtschaftlichen Sinne bedeutet Sparen "nicht konsumieren":
"Unter privater Ersparnis ..... versteht man das Gesamteinkommen einer Volkswirtschaft, dem die Steuern ... und der Konsum ... abgezogen wurden"
definiert das Wikipedia-Stichwort.
Bei dieser Art von "Sparen" kann man also durchaus Geld ausgeben: Nur eben nicht für Konsum, sondern für Investitionen.
Wer genügend Geld hat, der kann sich tatsächlich "reich sparen", indem er Geld ausgibt: Nämlich für seine Ersparnisse Immobilien, Maschinen, Aktien usw. kauft.
In diesem Falle ist das Geld natürlich ausgegeben, also für den Sparer (hier als Investor) "weg". Aber der besitzt nunmehr dauerhafte Sachwerte.

Es gibt jedoch noch einen anderen Weg, sich (theoretisch wenigstens) "reich zu sparen", bei dem das Geld NICHT "weg" ist: Das Verleihen des Geldes an andere. In erster Linie verleihen wir unser Spar-Geld an Banken (indem wir es dort auf einem Konto lassen bzw. "anlegen"), aber auch an den Staat (Staatsanleihen), an Firmen (Firmenanleihen) oder, an Private (als Direktverleih in der Praxis sehr selten).

"Sparen" im volkswirtschaftlichen Sinne kann man also sowohl durch das Ansammeln von Geld, wie aber auch durch dessen Ausgeben (Investieren).

Allerdings gibt es beim Ansammeln von Geld wiederum zwei verschiedene Wege mit unterschiedlichen Folgen für die Wirtschaft (wie auch, aber das interessiert hier weniger, für den Sparer selber):
  • "Horten" im engeren Sinne, wobei das Geld dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird. Eine klassische Veranschaulichung dafür ist "Geld unterm Kopfkissen"; eine zeitgemäßere wäre der Tresor, in dem Dagobert Duck seine Goldstücke sammelt. In beiden Fällen trägt das Geld natürlich keine Zinsen, weil es ja an niemanden ausgeliehen wurde. (Heutzutage scheint es allerdings Formen von Geldhortung zu geben, bei denen das Geld unproduktiv angelegt wird, aber trotzdem (reiche) Früchte trägt; dazu unten mehr.) (Nur) für diese Form der Hortung gilt die Definition im Wirtschaftslexikon.co, wonach Geldhortung ein "Prozess der Ansammlung von Bargeld [ist], das damit dem Geldkreislauf entzogen wird".
  • Verleihen des Geldes. Dazu gehört (für unser Alltagsverständnis etwas ungewöhnlich) die Geldanlage auf der Bank: Wer sein Geld bei einer Bank "spart", der leiht ihr Geld, der gibt seiner Bank einen Kredit. Und kann er sein Geld insbesondere an Staaten oder Firmen auch direkt  verleihen. Für den Verleih seines Geldes erhält er üblicher Weise Zinsen, und idealtypisch (aber in der Realität keineswegs immer!) "arbeiten" die Kreditnehmer mit dem geliehenen Geld in der Weise, dass sie es in die Wirtschaft investieren.
Wenn van Suntum hofft, dass eine Umsetzung seines Vorschlages dazu führen wird
"[to] increase (real) savings and to decrease pure hoarding",
dann spricht er über Geld, dass die Sparer nicht selber investieren, sondern das sie entweder sozusagen "unters Kopfkissen legen", oder eben verleihen.

Die spannende Frage für mich ist, wie van Suntum sich das Horten ("pure hoarding") in einer modernen Wirtschaft vorstellt. Denn tatsächlich legt heutzutage so gut wie niemand sein Geld unters Kopfkissen. Und was man im Portemonnaie oder daheim "aufbewahrt", ist im Verhältnis zur gesamten Geldmenge eine zu vernachlässigende Größe.

Es müsste also Mechanismen geben (oder zumindest müsste Prof. van Suntum deren Vorhandensein unterstellen), bei denen Geld, obwohl es (a) in die "Finanzindustrie" eingeführt  bzw.  (b) sogar ausgegeben wird, dennoch nicht für die Realwirtschaft zum Tragen kommt.
Ich selber habe als solche Mechanismen in Verdacht:
  • zu a) die "Derivatewirtschaft" oder die "reinen Finanzmärkte" (vgl. Blotts "Kipper, Wipper, Notenbanken" vom 09.01.2009 und "Neuartige Buchgeldschöpfung im Finanzsystem als Ursache der Finanzmarktkrise: Heureka oder Denkfehler?" vom 25.02.09) und
  • zu b) das, was ich "Serailmärkte" genannt habe (vgl. Blott "Die Ökonomie der Artos-Phagen: Warum eine eigentumsbasierte Geldwirtschaft (im Basismodell) nicht dauerhaft funktionieren kann"). Mein "Serailmarkt" ist wohl mit dem identisch, was Christopher Mensching in seinem Aufsatz "Geldhortung als Nachfrageausfall in der Stromgrößensphäre" (2004) im Anschluss an den deutsch-Amerikanischen Nationalökonomen L J. Johannsen als "schädigendes Sparen" beschreibt. Bei dieser Sparform wird das Geld zwar ausgegeben, aber nicht für Konsum (von neuen Gütern) und nicht als produktive Investition, sondern für bereits vorhandene Güter (Immobilien, Kunstwerke, Antiquitäten; auch Fabriken und bereits zirkulierende Aktien - also keine Neuemissionen - rechnet Mensching dazu, der das Ganze als "Bestandsgrößensphäre" bezeichnet). Ein Problem wird das, wie Mensching richtig feststellt, natürlich erst dann, wenn große Geldmengen mehr oder weniger dauerhaft in diesen - nach meiner Terminologie - "Serailmärkten" verbleiben, und nicht von dort zwischendurch immer wieder in die laufende Produktion der Realwirtschaft (bei Mensching: "Stromgrößensphäre") zurück wandert. Hier (wie auch bei der Geldhortung im engeren Sinne) stellt sich allerdings die Frage, ob nicht die Geldschöpfung durch die Notenbanken und/oder die Buchgeldschöpfung der Geschäftsbanken solche "Fehlallokationen" von Geld durch eine gesteigerte Geldschöpfung kompensieren kann.

Fassen wir einmal zusammen, welche Formen des volkswirtschaftlichen Sparens es gibt, dann haben wir -2- Obergruppen.
Davon lässt sich die eine (das "Geldsparen" im umgangssprachlichen Verständnis, das in allen denkbaren Fallgestaltungen zugleich eine Geldhortung i. w. S. ist) je nach Aufbewahrungsart von der Wirkung her in Hortungsformen mit unterschiedlicher Schädlichkeit unterteilen.

Ganz allgemein kann man sich die bereits oben aufgeworfene Frage stellen, ob bzw. in welchen Fällen und in welchem Umfang nicht die Geldschöpfung durch die Notenbanken und/oder die Buchgeldschöpfung der Geschäftsbanken solche "Fehlallokationen" von Geld durch eine gesteigerte Geldschöpfung kompensieren kann. So dass ein gesamtwirtschaftlich "falsches" Sparen vielleicht gar nicht derart negative Auswirkungen hätte wie erwartet. (Kreditgewährung aus Geldschöpfung ersetzt evtl. dem Markt entzogenes Spargeld.)
Und in welchen Fällen das  NICHT, oder nur vorübergehend, möglich ist (Kredit kann fehlendes "Eigengeld" wohl nicht auf Dauer ausgleichen!)
Diese Mechanismen  werde ich hier nicht tiefer untersuchen. Wichtig scheint es mir jedoch, sie bei einschlägigen Debatten immer im Hinterkopf zu haben.


I. Sparen durch Geldausgeben (Kauf von produktiven oder nicht produktiven Sachwerten)
  1. Käufe in der Stromgrößensphäre (nützlich). Das ist sicherlich der Regelfall, doch gibt es auch einen Sonderfall:
  2. Sparen durch Käufe in der Bestandsgrößensphäre (potentiell schädlich, sofern das Geld längere Zeit dort verbleibt: Meine "Serailmärkte" usw., s. o.)

II. Sparen im volkstümlichen Sinne (Nichtausgeben des überschüssigen Geldes).

Insofern, als das Geld nicht ausgegeben wird, handelt es sich um einen Hortungsvorgang.
Der sich jedoch von der Warenhortung dadurch unterscheidet, dass Geld aus dem Eigentum des einen (Geldeigentümer) grundsätzlich von einem anderen (Geldbesitzer, Kreditnehmer) genutzt werden kann.
Diese Gruppe zerfällt in verschiedene Hortungsformen, die sich danach unterscheiden, ob bzw. mit welchem Ergebnis für die Realwirtschaft das gesparte Geld (als Kredit) für die Wirtschaft verfügbar ist:
  1. = Bargeldhortung: Kopfkissen, Tresor usw. Das so gehortete Geld ist dem Geldkreislauf definitiv entzogen. Frage jedoch, ob nicht eine Kompensation durch Geldschöpfung (auf der Ebene der Notenbank oder der Geschäftsbanken) erfolgen kann.
  2. Verleihen des Geldes (im Prinzip also eine Einspeisung des Geldes in den Wirtschaftskreislauf, allerdings mit sozusagen "minderer Qualität", weil nicht als Nachfrage - für den Empfänger: "Eigengeld" -, sondern nur als Geldverleih/Kredit). Darin als Sonderform:
  3. Verwendung des Geldes (durch entsprechende Verfügung des Eigentümers selber - Derivatekauf usw. - oder "eigenmächtig" durch die Finanz"industrie" selber) innerhalb einer (mutmaßlichen) Sphäre der "reinen Finanzwirtschaft". (Da van Suntum sicherlich nicht von einer Bargeldhortung ausgeht, müsste er unterstellen, dass die vorliegende Hortungsform des Geldumlaufs in einer reinen Finanzwirtschaftssphäre tatsächlich existiert; ergänzend oder alternativ denkt er vielleicht auch an die oben von mir identifizierten "Serailmärkte" als Stätten für die Hortung von Geld. Dass aber das Sparen i. S. von Nichtausgeben des Geldes per se in jedem Falle bereits ein Hortungsvorgang ist, kommt ihm wohl nicht in den Sinn. Bzw. das glaubt er, und die Mainstream-Ökonomie allgemein, wohl nicht.)
Jenseits der Frage nach dem "Hortungsgrad" erscheint mir für ein umfassendes Verständnis der Zusammenhänge von Geld- und Realwirtschaft und der möglichen Gefährdung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine weitere Unterteilung bei Ziff. II.2 geboten (speziell mit Blick auf die US-Immobilienkrise und die anschließende weltweite Finanzkrise!): Nämlich abhängig davon, in welche Wirtschaftssphäre* das Geld verliehen wird (darauf hat natürlich der Sparer i. d. R. keinen Einfluss, sofern er das Geld nicht direkt verleiht): 
* (Außer Investoren und Konsumenten könnte man noch den Staat aufführen. Aber auch bei dem geht das Geld ja entweder in die konsumtive oder die investive Sphäre.)
  • An Investoren oder
  • An Konsumenten (zu denen aus meiner Sicht auch und ganz besonders die Immobilienbauer zu rechnen sind!)
Die Mainstream-Wirtschaftswissenschaft stellt nach meinem Eindruck nur darauf ab, ob "Geld in der Wirtschaft" ist.
Deshalb gibt sich etwa Prof. van Suntum auch damit zufrieden, wenn "echte Ersparnisse" "(real savings") vorhanden sind, die dann, wie er offenbar glaubt, automatisch zu Zinssenkungen führen ("decrease the capital market interest rate" - was in der Tat wahrscheinlich ist), aber zugleich auch die Investitionen steigern ("increases real investment)".

Diese Annahme, dass das Geldkapital automatisch seinen Weg in die investive Sphäre nehmen wird, sofern nur die Kreditzinsen niedrig genug sind, ist wohl der zentrale Irrglaube der Mainstreamökonomen, den sich diese vielleicht noch nicht einmal bewusst machen.
(Auf einer derartigen stillschweigenden - und leider unzutreffenden - Unterstellung basieren auch die Vorschläge von Prof. Hans-Werner Sinn für eine partielle Umstellung der Rentenfinanzierung vom Umlageverfahren auf das Kapitaldeckungsverfahren; vgl. meine Kritik auf meiner Webseite "Rentenreich" aus dem Jahr 2004.) 

Für ein Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge, aber insbesondere für eine Erklärung der tieferen Ursachen hinter der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise, sowie aber auch der Ungleichgewichte in den internationalen Leistungsbilanzen, erscheint mir die Feststellung wichtig, dass alle Sparvorgänge, die nicht durch Käufe (speziell von Ausrüstungsinvestitionen) erfolgen (die also nicht als Nachfrage des Sparers selber in Erscheinung treten) mehr oder weniger intensive Formen von "Geldhortung" sind.

Zur Klarstellung sei hier noch darauf hingewiesen, dass es nicht zwangsläufig nur die Reichen sind, die durch ein "Über-Sparen" die Wirtschaft in die Krise treiben können.
Auch große Ansammlungen kleiner Kapitalien - deutsche "Sparer" (im umgangssprachlichen Sinne) und insbesondere Vorsorgesparer ("Riester", Pensionsfonds, speziell in der angelsächsischen Welt) haben den gleichen Effekt.
In welchem Bereich mehr gehortet wird, weiß ich nicht; das ist eine Frage, die man nicht durch Denkmodelle (und schon gar nicht ideologisch) lösen kann, sondern nur durch empirische Untersuchungen.



Jedenfalls bleibt festzuhalten, dass es eben doch einen wesentlichen Unterschied macht, ob die Wirtschaftssubjekte mit "Eigengeld" (den Begriff bei mir habe ich hier näher erklärt) einkaufen gehen (können), oder ob sie nur noch auf Pump leben müssen.

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Einige Texte, die ich im Zusammenhang mit Internet-Recherchen [bei der Suche nach "money hoarding" hat Google mir übrigens andauernd eine Werbung für "Leichenfundort Reinigung - 24 Std‎." eingeblendet ;-) ] zu dem vorliegenden Blott fand, und die für das Thema einschlägig sind oder sein könnten (ich habe noch nicht alle gelesen):
  • "Geldhortung: Die tickende Zeitbombe" von Marco Maier vom 06.12.2013. Eigentlich bringt Maier hier zwei ganz verschiedene Informationen, die sicherlich zusammenhängen, aber vom Autor nicht logisch verknüpft wurden: Die enorme Geldmengenausweitung der EZB seit 2002 [die anderswo Parallelen hat: Die Fed z. B. hat die Geldmenge schon lange vorher kontinuierlich ausgeweitet] und die Unterkonsumtionsproblematik, die letztlich ja auch jenes Problem ist, um das es bei der Betrachtung von Geldhortungsvorgängen eigentlich geht. Insoweit schreibt er richtig: "Bedenkt man den Umstand, dass viele Euroländer seit 2008 in einer wirtschaftlichen Krise stecken, und die Menschen aufgrund stark steigender Arbeitslosenraten zunehmend ihre Ersparnisse aufbrauchen, kann sich das Geld beinahe nur noch bei den "oberen 20%" ansammeln. Der Rest leidet überwiegend an realen Einkommensverlusten durch die Inflation, die kalte Progression, sowie diversen Steuererhöhungen. Wenn jedoch die "unteren 80%", die für etwa 70% der Konsumausgaben verantwortlich sind, immer weniger Geld zur Verfügung haben, während die finanzielle Oberschicht ihre Vermögenszuwächse nur zu einem geringen Teil wieder in den Konsum fließen lassen, wird es problematisch. Der sinkende Binnenkonsum führt zu einer geringeren Investitionsqoute im Euroraum. Jene Menschen die also Geld horten und investieren könnten, bunkern es lieber in Finanztitel, oder investieren in Ländern mit wachsendem Konsum. Damit fließt jedoch nur ein Teil des Geldes zurück in den Wirtschaftskreislauf, während die steigende Kapitalbasis weiterhin ihre Rendite aus dem Kreislauf pumpt."
  • "AP IMPACT: Families hoard cash 5 yrs after crisis" Dieser Artikel vom 06.10.2013  liefert Informationen über eine zunehmende Hortung (und Risikoscheu) in den 10 größten Volkswirtschaften der Welt nach der Lehman-Pleite im Herbst 2008.
  • "A Solution to the Problem of Corporate Money Hoarding" vom 08.08.2013. Allzusehr ist unser Bild vom "Sparen" von der Vorstellung einer Aktivität natürlicher Personen beherrscht. Tatsächlich sind es aber nicht zuletzt Unternehmen, die ihre Einnahmen "sparen" (anstatt sie zu reinvestieren), und die dadurch Probleme schaffen: "At the core of the non-recovery in America’s economic crisis is the stockpiling of enormous sums of untaxed cash—totaling almost $1.5 trillion at the end of last year—by corporations that refuse to invest in new businesses and projects that would serve the public good, Alejandro Reuss, an instructor at the Labor Relations and Research Center at UMass-Amherst, writes at The Washington Spectator." Der dieser "Rezension" zu Grunde liegende (ausführlichere) Artikel "How Do We Force Cash Hoarders to Invest? Tax Them" datiert vom 12.06.2013 und wurde von Alejandro Reuss verfasst.
  • "Geldhortung als Nachfrageausfall in der Stromgrößensphäre" von Christopher Mensching (2004, im Anschluss an Arbeiten von L. J. Johannsen aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg) (s. a. oben im Text)
  • "The Imperial Roman Economy, Hoarding, Gresham's Law and All That" von Historia. Dieser Artikel über die Hortung von Münzgeld, aber mehr noch über die Geldentwertungen in der römischen Kaiserzeit, führt einem auch sehr eindrucksvoll vor Augen, dass und weshalb die Ausgabe von Münzen eine Besteuerung ist.
  • Amüsant im Artikel "Extreme wealth hoarding is antisocial, but could help the planet" die (leider im wesentlichen zutreffende) Feststellung: "The modern economy works like an old-fashioned pinball machine with money being bounced around the wider economy, but always gravitating down into the pockets of a few extremely wealthy billionaires. That money is then locked away for good. [Auf welche Weise das genau geschieht untersucht mein vorliegender Blog-Eintrag.] ..... Since the day the first human decided to take by forcing the wheat fields which his fellow villagers had worked for the benefit of the group, wealth accumulation has been the backbone of our past and present civilisations. The problem with this type of system is when you upscale this strategy into modern times, surplus grain becomes large-scale hoarded wealth, of which has been extracted from the economy and made inaccessible to the rest of society. ..... When the world’s governments say there is no money, what they actually mean is, there is less money filtering its way through the general population. Like the pinball analogy, the wealth exists, but isn’t made available by the extremely wealthy." [Den darin verlinkten "Guardian"-Artikel habe ich nicht gelesen. Im übrigen kann man, was die Idee des Artikels angeht, den Reichtum der Super-Reichen in die Rettung unseres Planeten zu investieren - letztlich, auch auf dem Weg in die erhoffte Nachhaltigkeit und Klimaneutralität, auch nur durch eine Steigerung der Güterproduktion! - auch zu ganz anderen Ergebnissen kommen: Dass nämlich gerade die VERHINDERUNG einer gesteigerten Produktion unseren Planeten - vorübergehend - ein wenig entlastet. Vgl. dazu meinen Aufsatz: Nur die totale Entfesselung des Kapitalismus rettet unsere Umwelt!  Nur ist das ein wenig angenehmer Weg für eine Menschheit, welche die Illusion kultiviert, man könne den Kuchen aufessen und trotzdem noch behalten.]
  •  
  • Ganz allgemein zur Unterkonsumtionstheorie (und gegen die Wirtschaftstheorie der Neoklassik) ein brillanter Artikel "Under-Consumption and the Accumulation Motive" von Thomas I. Palley. Leider undatiert; schätzungsweise von 1990 (letztes Literaturzitat aus diesem Jahr). Interessant auch insofern, als er eben nicht eine Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008 ff. darstellt, sondern das Thema ganz abstrakt erörtert.
  •  Dagegen datiert die Dissertation "Systems, Social Order, and the Global Debt Crisis" von John Hamilton Bradford vom August 2010 und damit aus der Zeit nach der Krise (bzw. dem Krisenausbruch, denn vorbei ist die wohl kaum). Ich selber habe daraus (von einer anderen Webseite) bislang lediglich das Kapitel "Under-Consumption and Over-accumulation" gelesen. Allerdings erscheint mir, wenn ich die einleitende Zusammenfassung ("Abstract") lese, die Dissertation insgesamt höchst spannend zu sein: "Part I examines the global rise of both public and private debt and its recent
    manifestations in the US housing bubble and the financial panic of 2007-8. A review of the most popular theories of the debt crisis is provided, including an explication of securitized banking and economic theory. The underlying condition of increasing ecological and energetic scarcity is accorded central significance in the broad trajectory of world growth and debt, Part II explicates systems theories of social order and the social significance of markets. The theories of Niklas Luhmann, Talcott Parsons, Mario Bunge, Anthony Giddens, and Jürgen Habermas are evaluated with respect to their theories of social order and crisis. A central finding is that, although declining rates of exergy production inhibit the global economic recovery as measured by conventional economic tools, this fact is not likely to be widely recognized. A central theme of Part II is how social systems handle uncertainty, risk, and to what extent complex social systems can be regulated normatively by the public sphere. As global society becomes increasingly interconnected and dependent upon the depletion of material and energy resources, the communication channels that facilitate the self-understanding of modern society at the same time proliferate, becoming increasingly disconnected and self-referential. Luhmann‟s systems theory is used to explain why collective recognition and action is at once rendered more necessary and increasingly unlikely given the complexity of global society that Earth‟s terrestrial stock of nonrenewable energy resources has engendered
    ." Über diesen Aspekt hatte ich selber schon im Jahr 2008 einen Blogeintrag verfasst
    "Finanzmarktkrise, Finanzkrise? Nein: Rohstoffkrise! Notenbanken, Geldpolitik und Konjunkturpakete sind deshalb am Ende".

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Anm. 1.: Den Währungsplan van Suntums habe ich auf seiner Facebook-Seite kritisiert. Den dortigen Text wiederhole ich hier: 
1) Ich weiß nicht, ob Eisler bei Veröffentlichung seiner Idee i. J. 1932 schon der Geldschöpfungsmechanismus der Geschäftsbanken bekannt war (habe gelesen, dass der erst um 1930 erkannt worden sein soll). Denn der (wie ich vermute, auch schon von ihm vorgeschlagene) "Ankauf" von Weicheuros gegen Harteuros durch die Zentralbank läuft m. E. auf eine gigantische Vermehrung der ZB-Geldmenge (also des "high powered money") hinaus. Weil die Finanzintermediäre die Notenbank ja nicht nur mit ZBG bezahlen werden, sondern eben auch mit Giralgeld. 
2) Sie wollten u. a. auch untersuchen, wer bei Ihrem Vorschlag verliert (S. 8 oben der von mir vorgenommenen Paginierung: "... benefits, who suffers from the invention of a parallel currency?"
Insoweit beschränken Sie sich aber auf die Feststellung, dass bei der Notenbank Verluste entstehen [wenn diese Alteuro in Harteuro tauschen, also im Ergebnis mehr Alteuro rausrücken muss, als sie selber ursprünglich erhalten hat].
Das ist mir zu formalistisch: Wer gleicht die Notenbankverluste aus? Insoweit gibt es nur 2 Möglichkeiten: Steuerzahler - oder Notenbank selber durch Gelddrucken (= Inflation).
Was dann aber bedeutet, dass entweder der Steuerzahler oder die Inflationsgeschädigten (wer immer das sein mag) für die Besitzstandswahrung der Geldkapitalbesitzer herangezogen werden. Da ich kein Kapitalbesitzer bin, kann ich mich mit dieser Aussicht eher weniger anfreunden.
3) Sie gehen implizit davon aus, dass gesteigerte Ersparnisse sich automatisch in produktive Investitionen umsetzen. Genau das war aber bei den diversen Immobilienkrisen nicht der Fall (weswegen Ben Bernanke ja auch kritisch über die "savings glut" gesprochen hatte). Kann m. E. auch nicht der Fall sein, weil aufgrund der gestiegenen Ersparnisse die Nachfrage wegbricht. (Diese Debatte wird ja schon seit langem, u. a. auch im Zusammenhang mit der Rentenfinanzierung - UV vs. KDV - geführt; auch von mir schon in 2004: http://www.beltwild.de/rentenreich.htm).
 4) Sie schreiben "it is also argued that the intentional invention of a weak currency has never been proved successful in history". Nun kann man aber die Schaffung einer harten Parallelwährung für die alte (dann: Weich-)Währung durchaus auch als "absichtliche Erfindung/Einführung" einer Weichwährung verstehen.
5) Auch bezüglich der Notwendigkeit für die Wirtschaftssubjekte, überhaupt "Cash" zu verwenden, haben sich die Zeiten seit 1932 doch gewaltig geändert. Die Scheckkarten usw. würden es m. E. erlauben, fast vollständig bargeldlos zu zahlen - und eben in Harteuro (welche die Verkäufer vermutlich verlangen würden.
6) Wann wird angepasst: Monatlich / jährlich / bei Auszahlung (Harteuro von Bank an Kunden und parallel von BuBa an Bank) zeitanteilig?
7) "Schnittstellenproblem": Unsicherheit für Kreditnehmer, der "Weicheuro" (Alteuro) einnimmt, den Kredit aber in Harteuro tilgen muss: Wie soll der kalkulieren, da er doch die Entwertung nicht vorhersagen kann? Wenn er (wie zu erwarten) "im Zweifel mehr" verlangt, haben wir im System einen inflationären Rückkoppelungsmechanismus eingebaut.
8) Zinssatz (S. 6 meiner Paginierung, letzter Absatz): "If the ECB's interest rate on Euro reserves is positive .....": Nominal oder real? (Wenn nur nominal, verstehe ich auf der Folgeseite in Abs. 2 nicht, wieso "savers are benfited by a real interest rate ... always above zero".)
Und was bedeutet es für die Kreditnehmer, falls tatsächlich an Einleger von Harteuro immer ein positiver Realzins gezahlt werden soll? Entsprechend hoch (bzw. noch höher) müssten dann ja auch deren Kreditzinsen sein.
 
9) Ihre Berechnungen kann ich mangels Mathematikkenntnissen nicht nachvollziehen. Ich weiß damit auch nicht, welche Folgen das hat, aber ich halte die Annahme (S. 10 meiner Paginierung), dass im Fiat-Geldsystem irgend jemand Geld ohne Kreditaufnahme in Umlauf bringen kann, für unzutreffend. Ausnahmen gibt es zwar:
- Staat via Münzregal;
- Geldfälscher
- Staatsfinanzierung a fonds perdu durch Notenbank.
Aber die sind tendenziell sämtlich inflationär. Wie auch logisch, weil sie nicht gedeckt sind.
Lässt man also diese (heute, in den entwickelten Ländern) "Exoten" beiseite, gibt es keinerlei "initial Equipment with cash Euro for the economy", das nicht als Kredit (wenngleich natürlich in Vor-Euro-Zeiten) entstanden wäre. Geld, zumindest Fiat-Geld, muss durch Kredit entstehen, weil erst die Rückzahlungspflicht den "Erstgeldempfänger" dazu zwingt, seinerseits eine Leistung in die Volkswirtschaft zurückzuspeisen. Die Rückzahlungspflicht ist also im Ergebnis die Deckung für die umlaufende Geldmenge (näher hier http://beltwild.blogspot.de/2013/03/einen-kredit-gibt-es-nicht-zur.html in meinem Blog).
Und auch "cash which is created by spending the ECB's profits" ist kein Geld, das nicht durch Kredit generiert worden wäre.
Wäre es anders, hätten diejenigen Recht, die behaupten, dass Kredite + Zinsen nicht ohne Vermehrung der Geldmenge getilgt werden können. Das ist natürlich falsch (wie ich grade selber an einem Denkmodell nachvollziehen konnte: http://beltwild.blogspot.de/2014/01/das-ebakeba-modell-von-geldschopfung.html).
Ansonsten, was Ihre Analyse der inhärenten Entwicklungstendenzen der Eurozone angeht (downhill, insbesondere für die soliden Länder), stimme ich natürlich voll und ganz zu. (Und, obwohl AfD-Mitglied, auch ziemlich resigniert.) 
Nachtrag 29.01.2014
Einlagen bei Banken sind nicht durch die Notenbank gedeckt, sondern durch die von den Banken vergebenen Kredite.
Daher kann ich mir die vorgeschlagene Parallelwährung nur so vorstellen, dass die Notenbank allenfalls anfänglich die Werthaltigkeit der Einlagen garantiert (d. h. bei Auszahlung von Einlagen durch die Bank den Kaufkraftverlust "drauflegt").
Im Übrigen müssten aber die Kredite für das Wertversprechen "gutsagen".
Heißt: Die Bank müsste alle Neukredite als Hart-€ vergeben.
Die Schuldner müssten also zusätzlich zu den normalen Zinsen versprechen, den Kaufkraftverlust im Tilgungszeitpunkt "draufzulegen".
(Nur so kann übrigens die Mark Banco funktioniert haben, für die es ja 1619 keine Zentralbankgarantie gab.)
Heißt aber praktisch: Die Schuldzinsen müssten STEIGEN!
Was ja auch logisch ist:
- Sinn des Modells ist es, die aktuell negativen realen Habenzinsen positiv zu machen, was eine Erhöhung bedeutet.
- Und weil Habenzinsen nicht vom Lieben Gott bezahlt werden, sondern von den Schuldnern, müssen (mit entsprechendem Abstand der Differenz für die Bank) auch die Kreditzinsen entsprechend steigen.
Ansonsten müsste man diese Zinsen von den Zentralbanken bezahlen lassen. Weil es dafür keinen Gegenwert gibt, wäre das die reine Gelddruckerei.
Deren inflationäre Folgen könnte man lediglich dadurch verhindern, dass die Steuerzahler den Notenbanken diese Beträge ersetzen (d. h. der durch die ungedeckte Geldschöpfung der Zentralbanken geschaffene Geldüberhang würde durch Besteuerung wieder abgeschöpft). Womit, wie ich oben schon sagte, dann der Steuerzahler den Kapitalbesitzer subventioniert hätte.
Worüber ich definitiv "not amused" wäre!
http://de.wikipedia.org/wiki/Sparen#Volkswirtschaftliche_Ersparnis



ceterum censeo
Zerschlagt den €-Gulag
und den offensichtlich rechtswidrigen Schlundfunk der GEZ-Gebühren-Gier-Ganoven! 

Textstand vom 12.02.2014. Gesamtübersicht der Blog-Einträge (Blotts) auf meiner Webseite http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm.
Für Paperblog-Leser: Die Original-Artikel in meinem Blog werden im Laufe der Zeit teilweise aktualisiert bzw. geändert.

1 Kommentar:

  1. Völlig richt - da gibt es eine Menge Verwirrungen um Sparen und Investieren - und gemeint sind oft völlig unterschiedliche Sachverhalte.

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