Samstag, 7. Mai 2016

AfD und NATO: Patriautismus ist das Gegenteil von Patriotismus!


Vor das Kloster Monte Cassino hatten die Götter die Stadt gesetzt. Die erst mussten die von Süden andrängenden Alliierten erobern, wenn sie den Klosterberg erstürmen wollten. Ein vorbereitendes Bombardement verwandelte den Ort in einen rauchenden Trümmerhaufen; die Angreifer glaubten, leichtes Spiel zu haben. Doch aus den gräulichen Ruinen erhoben sich feldgraue Soldaten und leisteten erbitterten Widerstand: Letztlich vergeblich. Die deutschen Kriegsgefangenen wurden nicht auf die Rheinwiesen verbracht (wäre ja auch etwas weit gewesen), sondern von alliierten Militärpsychologen untersucht. Welche überhaupt nicht begreifen konnten, wie Menschen ein derartiges Bombardement in völliger geistiger Gesundheit überstehen konnten.

Tempi passati: Auch auf diesem Gebiet hat sich der zivilisatorische Fortschritt bei uns eingenistet, und endlich kehren nun auch die deutschen Soldaten aus Kriegen genauso traumatisiert zurück, wie diejenigen anderer westlicher Nationen.

 Das ficht die NATO-aversen Einzelkämpfer in unseren Reihen aber nicht an. Da steht jemand auf unserem AfD-Parteitag auf und verkündet, dass Deutschland keinen Schutz durch Verbündete braucht: In wenigen Jahren stellen wir eine Armee auf, die besser ausgerüstet ist, als die Amerikaner.

Wen interessiert es, wie sich ein solches Bramarbasieren für unsere Partner in den Nachbarländern anhören mag? Oder was man in Washington und Moskau darüber denken wird? Insoweit den "richtigen" Autisten (Asperger-Syndrom) vergleichbar, können sich auch Patriautisten nicht in andere Menschen - bzw. hier: in Menschen anderer Völker - hineinversetzen. Wie die denken, fühlen und, vor allem, voraussichtlich reagieren werden, ist den Patriautisten Hekuba.
So muss das schon 1914 gewesen sein, als die Deutschen glaubten, dass der Liebe Gott sich selbstverständlich exklusiv auf ihre Seite schlagen würde.
1939 war wohl nur die Führung patriautistisch; das Volk wusste noch, was ein Krieg gegen die ganze Welt bedeutet.

Inzwischen haben einige Deutsche viele außenpolitische Lektionen, die wir aus der Geschichte von 1914 und 1939 gelernt haben sollten, schon wieder vergessen. Da musste sogar unser alter politischer Leitwolf Alexander Gauland aufs Podium steigen und mit aller Entschiedenheit feststellen, dass die NATO heute für uns das Äquivalent zu Bismarcks damaligem Rückversicherungsvertrag mit Russland ist: Ein unverzichtbares Element unser Sicherheit in einer Welt, in der Deutschland nur ein Fliegenschiss auf dem Globus ist.

Nicht, dass die Patriautisten Krieg wollten. Wollten ja auch 1914 nicht alle. Da ist man halt so reingeschlittert ….. . Geschichte wiederholt sich nicht. Aber sie reimt sich. Die Chancen, dass es uns wieder dreckig ginge wenn wir wieder alleine in der Welt stünden, stehen nicht schlecht, wobei ein Konflikt diesmal nicht notwendig militärischer Natur sein muss.
Immerhin wollen die Meisten unser Land wenigstens gut gerüstet halten; verteidigen wollen sie es freilich erst an der eigenen Grenze. Hätte der polnische König Johann III. Sobieski 1683 die gleiche Einstellung gehabt, dann sprächen wir alle heute Türkisch. Und über die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, müssten wir uns auch keine Gedanken mehr machen.

Aber, so erzählen uns die Friedensgläubigen: Wir sind doch ausschließlich von friedlichen Freunden umgeben? Und Krieg gibt es in unserer Weltgegend ja sowieso keinen mehr. Piraten vor Somalia, eine potentielle Eroberung Saudi-Arabiens durch den Iran, mit der Folge einer fast totalen Kontrolle der weltweiten Rohöl-Versorgung: Für Polit-Autisten ist das alles räumlich und zeitlich ganz weit weg.

Wozu brauchen wir Kraftwerke? Der Strom kommt doch aus der Steckdose?
Wozu brauchen wir Deiche? Man kann doch Sandsäcke aufschichten, wenn die große Flutwelle kommt?

Wozu brauchen wir Verbündete? Bündnisse kann man doch schließen, wenn die Bedrohung akut ist? Freilich: Verbündete haben nicht den Ehrgeiz, UNS zu verteidigen. Sondern das Bedürfnis, sich ggf. VON UNS verteidigen zu lassen. Wer also Deutschland erst an den eigenen Grenzen verteidigen will, kann daher schon rein logisch keine Bündnisse abschließen.

Ein offenbar junger Facebook-Freund meinte, ich sei ein altes Fossil und verstehe die Welt nicht mehr.
Gesagt hat er es allerdings höflicher: Ich wäre in der Welt des Kalten Krieges sozialisiert worden; die damaligen Gefahren gebe es jetzt nicht mehr.

Mein grundsätzlicher Einwand gegen solche juvenilen Aussagen ist, dass ein Mensch mit 70 in der Tat historisch und politisch sozialisiert ist, wenn er sich lebenslänglich u. a. auch mit diesen Feldern beschäftigt hat. Ein Mensch mit 30 ist in diesem Sinne eben noch NICHT sozialisiert.

Dazu fällt mir Titel und (auch wenn ich es nicht gelesen habe) Inhalt des Buches "Dieses Mal ist alles anders: Acht Jahrhunderte Finanzkrisen" ein ("This Time is Different: Eight Centuries of Financial Folly"). Dass, wie darin beschrieben wird, allzu viele Menschen aus der Finanzgeschichte nichts lernen, gilt für die Politik im Allgemeinen und die Außenpolitik im Besonderen leider genauso. Und so war es ja auch bei Kaiser Wilhelm, der den Rückversicherungsvertrag nicht verlängern zu müssen glaubte, sondern sich auf Deutschlands schimmernde Wehr verlassen zu können wähnte. Einfach mal in der Wikipedia nachlesen.

Natürlich existiert die UdSSR nicht mehr; das ist sogar mir schon aufgefallen. Dafür drohen heute andere Gefahren, beispielsweise Islamismus und Piraterie. Und zukünftig können völlig unerwartete und anders geartete Probleme auftreten, insbesondere bei der Rohstoffversorgung. Denn, wie gesagt, Bedrohungen für ein Land müssen heutzutage keineswegs immer (unmittelbar) militärischer Natur sein.
Und was die Rest-UdSSR, also Russland, angeht: Natürlich würde uns der liebe Onkel Putin nieeeeemals ein Leides tun. Doch wer garantiert uns, das ihm nicht ein böser Diktatur Nitup nachfolgt?

Daher, Mitbürger: Werft einen realistischen Blick auf die Welt, bevor ihr über Deutschland und die Bündnisfrage redet. Deutschland ist weder stark, noch ist es ungefährdet. Und un-beneidet sind wir ohnehin nicht.

Vertrauen - in eine friedliche Zukunft - ist gut. Aber Vorsorge für alle Wechselfälle - durch Mitgliedschaft in einem Verteidigungsbündnis - ist definitiv besser!

(Und was gar nicht geht, ist eine hanebüchene Überschätzung der eigenen Stärke. Diese Nummer haben wir nun schon zweimal erfolglos durchgezogen. Da klatsche ich nicht nach einem da capo.)



ceterum censeo 

Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand vom 07.05.2016

1 Kommentar:

  1. Eine gute Argumentation, den Parteitag in Stuttgart habe ich ähnlich empfunden als es um die Natofrage ging. Auch unsere militärische Situation sehe ich genauso. Allerdings stimme ich unserem Parteivize Gauland auch zu, dass die Nato von innenheraus verändert werden muss und zwar zurück zu einem Verteidigungsbündnis. Wobei der Oberbefehl auf dem Kontinent liegen sollte und nicht jenseits des Atlantik.

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