Sonntag, 29. August 2010

Wenn des Pawlows Hunde lüllen. Zur Lexikographie des deutschen Politiker-Wortschatzes in der Debatte um Thilo Sarrazin, Deutschland schafft sich ab


Die prägnanteste Beobachtung zu dem, was ich hier mal ganz grob als "Sarrazin-Debatte" etikettieren will, kam aus des Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse. Mitten in der Mark Brandenburg wunderte sich die in Potsdam erscheinende Märkische Allgemeine am 27.08.10 (meine Hervorhebung):
"MIGRATION: Thilo Trotzig. Bundesbanker Thilo Sarrazin löst allseits Empörung aus – nur worüber, sagen die Empörten nicht".

Dieses Phänomen hatte ich an anderer Stelle bereits als "Asymmetrie in der Debatte" apostrophiert (Kommentar Canabbaia, 27. August 2010 - 20:28).
Den gleichen Eindruck hat die Soziologin Necla Kelek gewonnen. In ihrem FAZ-Artikel "Integrations-Debatte. Ein Befreiungsschlag" vom 31.08.2010 schreibt sie dazu (meine Hervorhebungen):
"Ich würde gern eine inhaltliche und keine moralische Debatte über Sarrazins Thesen führen. Keiner seiner Kritiker hat bisher inhaltlich auf die Vorschläge reagiert, geschweige denn seine Thesen widerlegt. ... Der Eindruck drängt sich auf, hier solle eine überfällige Debatte mit den bewährten Begriffen wie Rassismus und Populismus kontaminiert werden. ... Bei einigen Politikeräußerungen habe ich den Eindruck, hier werde ein deutscher Haider oder Geert Wilders oder das Erstarken der NPD herbeigeredet. ... Der Sozialdemokrat Thilo Sarrazin (hier eine Serie mit Aufnahmen von ihm) und sein Buch taugen zu diesem Feindbild nicht ... "
Auch Olaf Henkel hat das Phänomen notiert (und erkannt, dass hier nicht zuletzt auch die Meinungsfreiheit auf dem Spiel steht), wenn er auf TheEuropean unter "Sarrazin und die Meinungsfreiheit. Spieglein, Spieglein in der Buchhandlung" am 01.09.10 schreibt: "Auffallend bei der Debatte ist nämlich, dass noch keiner gesagt hat, Sarrazin lüge. Offensichtlich hat man Schwierigkeiten, die von ihm vorgelegten Fakten zu widerlegen. Es scheint bequemer, die Person auseinanderzunehmen; ein bei uns inzwischen klassisches Muster."
Dieselbe Wahrnehmung bei Henryk M. Broder im Interview "Sarrazin spricht aus, was andere ahnen" vom 29.08.2010: "Ich finde es absolut bedenklich, dass eine ganze Gesellschaft querbeet durch die Parteien und Verbände über einen Mann herfällt und nicht einmal den Ansatz von Bereitschaft zeigt, sich mit dem auseinanderzusetzen, was er schreibt." Und auf die Interviewer-Frage "Es ist ja auffällig, dass der so genannte Stammtisch auf Seiten Sarrazins ist, während fast alle Politiker empört aufschreien. Wie erklären Sie das?" präzisiert Henryk M. Broder für den Politikbereich: "Das ist ja nicht nur in diesem Fall so. Wir haben eine zunehmende Kluft zwischen der Basis und den Eliten. Ich beobachte seit Jahren, dass das einfache Volk klüger ist, als die Politiker, die in seinem Namen sprechen. Das haben Sie in ganz vielen Bereichen. Die Leute ahnen, dass was schief geht."
Und auch im Ausland wundern sich manche über den Umgang von Deutschlands Partei-Dinos mit Sarrazin: "Thilo Sarrazin und der Krieg der Korrekten" titelt Jürg Dedial seinen Kommentar vom 01.09.2010 in dem Qualitätsblatt der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Einleitung: "Deutschland empört sich über den vorlauten ehemaligen SPD-Politiker Sarrazin. Dabei sollte es froh sein, dass es noch solch kritische Stimmen gibt." Auszüge: "... hat sich unseres Wissens bis jetzt keine dieser führenden politischen Figuren ernsthaft mit den tiefer liegenden Fragen auseinandergesetzt, die Sarrazin schon seit längerer Zeit aufwirft. Dabei ist die Politik die eigentliche Adressatin von Sarrazins Streitschrift. ... er fragt, wie angesichts der von ihm gebrandmarkten und kaum widerlegten Tendenzen, bei denen die Integration nur eines der Probleme darstellt, das wirtschaftliche, politische und soziale Gewebe der deutschen Nachkriegsdemokratie überleben kann. Dies sind Fragen, um deren Beantwortung Deutschland nicht herumkommt. Die grosse Gefahr liegt darin, dass die Politik (einmal mehr) nicht erkennt, wie sie an einem breiten Unbehagen und Misstrauen in weiten Teilen der Bevölkerung vorbeiagiert. Man kann sich in Empörung und Entrüstung ergehen; aber man darf dabei nicht blind werden."


Man könnte also sagen, dass es "eine" Debatte gar nicht gibt, sondern dass hier momentan -2- Diskursstränge nebeneinander her laufen:

Dienstag, 17. August 2010

Runter von der Rampe, Adolf! oder: Schwarze Schand für unser Land: Duisburgs OB Sauerland!

Den Sachverhalt, der mich zu meinem nachfolgenden Blott veranlasst hat, erläutert z. B. der Pottblog, und zwar wie folgt (Auszug aus dem heutigen Artikel "Adolf Sauerland (CDU), Duisburgs Oberbürgermeister, mahnt Blog wegen der Veröffentlichung von Loveparade-Gutachten ab"):
"Auf mindestens eine Anfrage zur Veröffentlichung der Anlagen reagierte die Stadt Duisburg bis dato nicht. Insofern ist es meiner Meinung nach Xtranews hoch anzurechnen, dass sie die ihnen anonym übermittelten Informationen über das Gutachten und seine Anhänge veröffentlicht haben. Doch dies scheint der Stadt Duisburg und ihrem Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nicht gut gefallen zu haben:
So berichtet Xtranews im oben verlinkten Artikel:
Leider ist uns heute per einstweiligen Verfügung des Landgerichtes Köln untersagt worden, die Dokumente zu veröffentlichen. Antragsteller ist die Stadt Duisburg vertreten durch Adolf Sauerland. Man beruft sich auf § 97 UrhG
Wenn es der Stadt Duisburg, wenn es dem Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU), wirklich um Aufklärung gingen würde – dann sollten sie meiner Meinung nach schnellstens das komplette Gutachten mitsamt allen Anlagen veröffentlichen.
"



Aus Zeitmangel beschränke ich mich hier im Wesentlichen auf eine Wiederholung meines Kommentars auf der Webseite von xtranews (leicht verändert):


Canabbaia sagt:
17. August 2010 um 20:15

Ich erlaube mir, meinen ursprünglich hier http://www.xtranews.de/2010/08/16/loveparade-gutachten-die-sache-mit-den-fluchtwegen/comment-page-1/#comment-3328 eingestellten Kommentar an dieser Stelle zu wiederholen.
Denn man kann gar nicht vehement genug gegen diese Sauerei ankämpfen!

Ich bin kein Freund des politischen Kopfjägertums.

Samstag, 7. August 2010

Loveparade-Massenunglück: Eine Brücke zum Schuldverständnis

Eine Brücke, deren Tragkraft auf 2 t ausgelegt ist, kracht mit tödlicher Sicherheit zusammen, wenn ein 10-Tonner drüber donnert.

Die Kombination von Zu- und Abgang bei der Duisburger Loveparade hatte nicht mit der gleichen physikalischen Zwangsläufigkeit den Tod zahlreicher Menschen durch ein Erdrücktwerden (oder Zertretenwerden) zur Folge.

Wahrheit, Lüge, Rechtsgutachten: Zwischenbericht UNTERSUCHUNG DES VERWALTUNGSHANDELNS AUF SEITEN DER STADT DUISBURG ANLÄSSLICH DER LOVEPARADE


Das Zwischengutachten vom 03.08.2010 der beiden Duisburger Rechtsanwälte Dr. Ute Jasper und Andreas Berstermann aus der Anwaltskanzlei IS HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK hat mich voll überzeugt - davon, dass die Stadtverwaltung das Massenunglück bei der Liebesparade durch fahrlässiges Verwaltungshandeln mit verursacht hat.

Meine Bewunderung für das Anwaltsteam ist beinahe grenzenlos. Unter schwierigsten Bedingungen - Akten beschlagnahmt, extrem knappe Zeit - haben sie die ihnen von der Stadt Duisburg entgegengebrachte Erwartung, die Stadtverwaltung von der Verantwortung freizusprechen und die Öffentlichkeit zu desinformieren, in beispielhafter Weise erfüllt.
Das Anwaltsgespann Dr. Ute Jasper und Andreas Berstermann, bzw. die Anwaltskanzlei IS HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK, kann ich nur jedem wärmstens ans Herz legen - der Dreck am Stecken, oder etwas zu verbergen hat.