Mein unten wiedergegebener Leserkommentar entspricht im Text (mit zwei oder drei nebenschlichen Korrekturen) dem Kommentartext auf der Facebook-Seite. (Der ist auf 8.000 Zeichen begrenzt; im Blog ist mein Kommentar etwas weitschweifiger.)
Was ich vorliegend als Überschrift setze, stand nicht im Fokus meiner Beschäftigung mit dem Fricke-Text. Diesen Eindruck hatte ich schon lange, weil die Kommentare der FTD zur Finanzkrise fast immer eine 'Verhaftung' des deutschen Steuerzahlers und/oder Staatsfinanzierung durch die EZB fordern.
Aber erst bei "Symptom Staatsschulden" ist das für mich konkret am Text als Argumentationsstrategie sichtbar geworden. Eine Strategie, für die mir nur Begriffe wie "perfide" oder "hinterhältig" einfallen.
Ich will das jetzt nicht im Detail aufdröseln; wen es interessiert, der muss sich das schon selbst - mit Hilfe meines u. g. Kommentars - aus dem Fricke-Text heraussuchen.
Selber lesen macht schlau, und wenn Sie es im Fricke-Text ebenfalls entdecken, wird Sie das eher überzeugen, als wenn sie sich von mir vielleicht "überredet" fühlen.
Jedenfalls ist klar zu erkennen, dass Thomas Fricke einerseits auf die Banken schimpft (und damit den populären Diskurs bedient, den er sonst gerne als "Stammtisch" diskreditiert), dass aber andererseits seine Forderungen im Ergebnis auf eine Rettung (auch) der Banken (wie natürlich auch der Staaten) hinauslaufen. Und das bewerte ich persönlich als eine bewusste (desinformatorische, propagandistische) Kommunikationsstrategie, ganz gewiss bei einem Mann mit der Intelligenz eines Herrn Fricke.
Text meines Leserkommentars zu Thomas Fricke, "Symptom Staatsschulden":
Mit großem
Schwamm tragen Sie Zusammenhänge auf, nur um den deutschen Steuerzahler an die
Hammelbeine zu kriegen. Weil das ach so böse Finanzsystem ja leider doch
gerettet werden muss.
Irland
eröffnet: dort war ja die Staatsverschuldung tatsächlich erst durch die Bankenrettung
explodiert.
Auch für
Spanien passen die Zahlen, oberflächlich betrachtet, zu Ihrer Deutung.
Wo liegt ihr
Denkfehler (oder ihr bewusstes Desinformationsmanöver: das können nur Sie
selber wissen!)?
Sie begründen
"die" Krise so:
"Der
Kern der Krise ist nach aller Wahrscheinlichkeit das Platzen einer Finanz- und
Kreditblase, deren logischer Schluss darin lag, dass es eine Menge Leute gab,
die 2007 ziemlich hoch verschuldet waren oder sich dank hochspekulierter
Vermögenswerte nur reich fühlten. Als das aufflog, versuchten alle, ihre
Schulden zurückzuzahlen, und da sind – zum Glück – die Staaten eingesprungen,
weil so viel kollektiver Ausgabenverzicht rasch in die Depression führt."
"Die"
europäische Staatsschuldenkrise gibt es nicht. Ein Kollege von Ihnen hatte vor
ca. 1 - 2 Monaten richtig darauf hingewiesen, dass die Schwierigkeiten in jedem
Problemland andere Ursachen haben. Sie dagegen unterstellen, dass alle Länder (außer
Griechenland?) die Staatsverschuldung aus Gründen der Konjunkturförderung
hochgetrieben, also explizit oder implizit keynesianische Konjunkturförderung
betrieben haben.
Für Ökonomen
(ich bin keiner) sollte das unschwer verifizierbar sein. Bringen Sie einschlägige
Daten oder Links zu Arbeitspapieren (Sie wären ja wohl kaum der einzige Ökonom,
der solche Zusammenhänge bemerkt hätte). Bis dahin unterstelle ich substanzlose
Spekulation.
Es gab nicht
"EINE" Finanz- oder Kreditblase. Wir hatten eine Immobilienblase in
den USA und haben (zeitversetzt, und ohne inneren Zusammenhang) eine solche in
Spanien. Dass die Spanier in den Jahren 2008 ff. hektisch versucht hätten, ihre
Hypotheken zurückzuzahlen, stimmt nicht. Die Immobilienboom-Konjunktur in
Spanien konnte nicht nachhaltig sein. Der Staat kann den Zusammenbruch eines
solchen Booms nicht ausgleichen (die USA mit ihrem als Weltreservewährung privilegierten
Dollar sind ein Sonderfall). Selbst wenn also der spanische Staat das versucht
hätte oder hat, wäre es kein ökonomisch tragfähiges Modell gewesen, sondern
eben - "bitterböse Schulden".
Die spanische
Staatsverschuldung ist ja, was sie ausblenden (sonst müssten Sie die u. a.
Zusammenhänge einräumen!), sogar geringer als unsere deutsche.
Im Vergleich
zu Deutschland sind dort die Staatsschulden nicht wegen ihrer prozentualen Höhe
"bitterböse", sondern wegen der STRUKTURELL labilen Wirtschaftslage. Die
Finanzmärkte trauen Spanien - anders als Deutschland - eine Rückzahlung nicht
zu, weil die spanische Wirtschaft keine Überschüsse für Zins und Tilgung
erwirtschaftet. Die von den USA ausgehende 'internationale' Finanzkrise spielt eine
(Neben-)Rolle. Nicht über eine 'harte' Kausalität, sondern psychologisch über
ein (zu Recht!) geschärftes Risikobewusstsein der Finanzakteure.
Das bedeutet,
dass (um Ihre Sätze vom Kopf auf die Füße zu stellen) 'unsere Kanzlerin seit
zwei Jahren zu verhindern sucht, dass durch Gelddrucken und deutsche Schuldenübernahme
an Symptomen kuriert wird, statt tiefere Ursachen der (Struktur-)Krise zu
beheben. Das würde nämlich die Krankheit verschlimmern - und auf die Deutschen
jetzt und immerdar (ewigliche Transferunion) zurückschlagen.'
Was Spanien
bekommen hat, war durchaus verdient [genau wie Greenspan-Amerika!]. Zu lange
hat es sich in der Konjunktursonne eines spekulativ finanzierten
Immobilienbooms gesonnt. Diesen hätte es - unabhängig von der Geldpolitik - administrativ
bremsen müssen und können (Beleihungsgrenzen usw.!), andere Wirtschaftszweige dagegen
fördern bzw. durch Deregulierung ‚entfesseln‘.
Dass
Politiker diese Kausalitäten evtl. verkennen, macht Ihr Rezept des fröhlichen
Gelddruckens nicht tauglicher. Angelsächsische Stimmen flüstern uns die
Gelddruckerei nicht aus Nächstenliebe ein. Die wollen ihre Kredite sichern, aber
vor allem - teilweise schon erfolgreich! -, die Währungskonkurrenz schwächen!
Sicher:
Irving Fishers Debt-Deflation Theory of Great Depressions erscheint schlüssig. Sie
ist aber erkennbar das Werk eines Spekulanten, und würde letztlich (wie von Greenspan
bereits praktiziert) eine fortdauernde Inflationierung erfordern.
Was Sie über
die italienischen Staatsschulden konkret behaupten wollen, ist mir unklar. Wenn
ich aber Ihre Einschränkung "im Langjahresvergleich" lese, wittere
ich windige Argumente.
Die
Steigerung der Schulden begründen sie rein spekulativ damit, dass
"Banken
mit Steuergeldern gerettet werden mussten, Regierungen gegen die drohende
Depression Konjunkturpakete auflegten und Wachstumsverluste für neue Löcher in
Staatshaushalten sorgten":
Wo sind die
Fakten für Italien? Dessen Banken waren schrottpapierfrei (Draghi ist halt
cleverer als Weber).
Doch war die Schuldenlast
des Staates schon längst zu hoch, und die italienische Regierung hat sie in
guten Jahren nicht abgebaut. Verständlich, dass die Finanzmärkte es ihr in
schlechten Zeiten noch weniger zutrauen.
Auch in
Italien sind die Rigiditäten noch größer als bei uns (vom maroden Mezzogiorno
ganz abgesehen). Wenn reichliche Geldgaben ein hübsches Strohfeuer entfachen,
haben Reformer nichts mehr zu lachen. Der nächste Knall kommt dann bestimmt.
Über Portugal
schweigen Sie: passen dort die Daten nicht?
Für Griechenland
passen die Fakten keinesfalls. Drum verlegen sie sich auf Mystifikation:
"Da war
Griechenland eher die Ausnahme von der Regel. Und selbst dort gilt, dass die
große Explosion erst danach kam - und es auch noch andere Gründe geben muss,
warum sich die Krise anschließend so verselbstständigt hat."
Guess what: Verdammt
spät merkten die Finanzmärkte, dass das Land überschuldet war. In der
Diskussion waren die Probleme spätestens Anfang 2009 (im Februar 2009 schrieb
ich einen Blog-Eintrag "Lässt Klingklax sich klaglos beklauen? Keine Euro-Anleihen zur Rettung der Mittelmeer-Länder! Keine deutschen Steuergelder gen Süden senden!").
Merkwürdig,
dort nach "anderen" Gründe suchen: Das Land war pleite, ganz einfach!
Gewiss ein valider Grund für die Finanzintermediäre, den Sack zuzumachen!
Wieso lenken
Sie bei Gr. immer hartnäckig von den wahren Problemen ab:
"Und da
trifft es als Erste die, die das schwächste Glied in der Kette sind: Sagen wir
Griechenland. Was den Schein erhält, die Schulden, die es dort tatsächlich
gibt, seien die Ursache - und von den wahren Ursachen ablenkt. Die Bank dankt"
und fragen
uns Deutsche, ob wir die totale Haftung wollen? Die Pleite als Ablenkung von
den „wahren Ursachen“ der Insolvenz? Perfide, wie Sie uns deutschen
Steuerzahlern die von Ihnen propagierte Haftungsunion als Heldenkampf gegen die
bösen Banken andrehen wollen!
Sollten Sie dennoch
Ihre Position guten Glaubens vertreten und letztlich eine Inflationierung für
ökonomisch erforderlich halten, hätte ich tatsächlich Schwierigkeiten, Sie zu
widerlegen. Denn (auch?) ich sehe als tieferen Grund "der" Krise
(aber gewiss nicht der griechischen!) die (wohl schon von Keynes antizpierte)
Konzentration von Kapital, das weder konsumiert noch investiert werden kann. [Vgl.
meinen Blog-Eintrag „Die Ökonomie der Artos-Phagen (Artosphagen): Warum eine eigentumsbasierte Geldwirtschaft (im Basismodell) nicht dauerhaft funktionieren kann“].
Falls Sie
diesen Hintergrund zwar denken, aus sozusagen politischen Gründen aber verschweigen,
würden Sie sich allerdings als Teil eines Manipulationssystems begreifen, nicht
als Teil eines diskursiven Erkenntnissystems. Und dann könnte niemand eine
ERKENNTNISFÖRDERNDE Diskussion mit Ihnen führen.
ceterum censeo
Europa ja, Albtraum
nein!
Euro ja,
Fremdschulden nein!
Freunde ja,
Kostgänger nein!
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