I. Strukturierte Gesamtbetrachtung
· Hayeks Buch und Methodik
· Die Struktur von Hayeks Wettbewerbs-Währungssystem
- Die Technik der Preisstabilisierung bei Hayek
· Hayeks zentraler Denkfehler: individuelles Agieren nicht auf systemische Folgewirkungen überprüft
· Selbstreferentielles Geldsystem wäre ptolemäische Revolution der Ökonomie
· Probleme mit den Warenkörben: De-Flexibilisierung der relativen Preise und Schwierigkeit der mengenmäßigen Korb-Komposition
· Die Geldschöpfung in der Hayek-Welt ist KEIN Markt!
· Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? Emissionsbanken, „Schmarotzerbanken“, Vollgeldsystem
· Hayeks Eiertanz um die Geldmengentheorie
· Konkurrenz, Wahlfreiheit, Nutzerfreundlichkeit: Des Marktes schöner Schein
· Diktatur des Monetariats: Schlaraffenland für Schmarotzer?
II. Detailüberlegungen und Nebenaspekte
· Trick 17 mit Selbstüberlistung: Preisstabilität durch Kursmanipulation?
· Preissteigerungen: angebots- oder nachfrageseitige Erstursache?
· (Schein-)Probleme bei Leistungsstörungen und Ausscheiden von Emittenten aus dem Markt
· Anmerkungen zu weiteren Einzelpunkten
· Schlussbemerkungen
I. Strukturierte Gesamtbetrachtung
Unter dem Titel “Denationalisation of Money -The Argument Refined. An Analysis of the
Theory and Practice of Concurrent Currencies” hat Friedrich August von Hayek, Wirtschaftsnobelpreisträger des
Jahres 1974, einen Vorschlag für ein Parallelwährungssystem
(Konkurrenzwährungssystem) erarbeitet, dessen Ziel eine bis auf minimale
Schwankungen praktisch absolute Geldwertstabilität ist:
„The purpose of this scheme is to impose upon
existing monetary and financial agencies* a very much needed discipline by
making it impossible for any of them, or for any length of time, to issue a
kind of money substantially less reliable and useful than the money of any
other.”
* [d. h. auf die Zentral- und
Geschäftsbanken, die gegenwärtig beide Geld schöpfen; allerdings hat seine
Kritik hauptsächlich die Zentralbanken als Instrumente der Regierungen im
Visier.]
Erstmalig ist der Text im Oktober 1976 erschienen; eine
zweite, revidierte und erweiterte Fassung im Februar 1978. Ich zitiere hier
nach der 3. Auflage vom Oktober 1990, mit einer neuen Einführung herausgegeben
von THE INSTITUTE OF ECONOMIC AFFAIRS,
London, als „Hobart Paper (Special)“,
Nr. 70.
Vorangegangen war ein Aufsatz Hayeks vom Februar 1976 u. d. T. „Choice in Currency. A WAY TO STOP INFLATION“, wo es zunächst darum ging, dass die Bürger die freie Auswahl bei der Verwendung der verschiedenen bereits bestehenden nationalstaatlichen Währungen haben sollten.
„The problems it [sein
Reformvorschlag] raises are evidently
also still much too little understood even by the experts for anyone to make a
confident prediction about the precise consequences of such a scheme”
schreibt Hayek auf S. 26, und bezieht
an dieser Stelle wohl auch sich selber noch ein. Im Verlauf seines Textes
glaubt er freilich, sich seiner Sache sicher zu sein. Diese
Entwicklung beschreibt er im Vorwort zur 2. Auflage (S. 16):
I have ….. let stand the difference
between the more tentative tone at the beginning which ….. gradually changes to
a more confident tone as the argument proceeds. Further thought has so far only
still more increased my confidence both in the desirability and the
practicability of the fundamental change suggested.
Schauen wir uns an, ob diese
Selbstsicherheit tatsächlich gerechtfertigt ist.
Was die Methodik angeht (die in einem ausführlichen Artikel
der Wirtschaftswoche über Hayek als „methodologische Mikroökonomie“ bezeichnet wird), ist sein Herangehen mir durchaus
sympathisch (und mathematische Methoden sind mir ohnehin Hekuba):
“I stand ….. outside the
Keynes-monetarists controversy: both are
macro-economic approaches to the problem, while I believe that monetary theory
neither needs nor ought to employ such an approach, even if it can hardly
wholly dispense with such an essentially macro-economic concept.
Macro-economics and micro-economics
are alternative methods of dealing with the difficulty that, in the case of
such a complex phenomenon as the market, we never command all the factual
information which we would need to provide a full explanation. Macro-economics attempts to overcome
this difficulty by referring to such magnitudes as aggregates or averages which
are statistically available. This gives us a useful approximation to the facts,
but as a theoretical explanation of
causal connections is unsatisfactory and sometimes misleading, because it
asserts empirically observed correlations with no justification for the belief
that they will always occur. The alternative micro-economic approach which I prefer relies on the construction of
models which cope with the problem raised by our inescapable ignorance of
all the relevant facts by 'reducing the scale' by diminishing the number of
independent variables to the minimum required to form a structure which is
capable of producing all the kinds of movements or changes of which a market
system is capable. It is, as I have tried to explain more fully elsewhere [30],
a technique which produces merely what I have called 'pattern' predictions but
is incapable of producing those predictions of specific events which macro-economics
claims, as I believe mistakenly, to be able to produce. (S. 79/80, Anm. 3)
Dass es mit den Prognoseleistungen
der Makroökonomik, jedenfalls des Mainstreams, tatsächlich nicht weit her ist,
hat die US-Immobilienkrise 2007/2008 ff. gezeigt. Und mit Denkmodellen arbeite auch ich. Wichtig ist dabei freilich, dass
man das rigoros tut – und nicht einfach
mit dem (selbst-)kritischen Denken aufhört, wenn man einen Volltreffer gelandet
zu haben glaubt. Im Zweifel kennzeichne ich meine Überlegungen als vorläufige Arbeitshypothese; in
meinem Blott „Deutschland darf nicht aus dem Euro austreten!“ habe ich sogar ‚mitten im Galopp‘ gemerkt,
dass ich das falsche Pferd reite - und meine anfänglichen Überlegungen im
Verlauf des Textes revidiert.
An dieser rigorosen Hinterfragung
auch der eigenen Überlegungen fehlt es in Hayeks Vorschlag zu einer Reform
unseres gegenwärtigen Geld(schöpfungs)systems, der leider absolut unbrauchbar
ist.
John Maynard Keynes schreibt in der Einleitung zu seinem klassischen
Werk “The General Theory of Employment, Interest, and Money” aus dem Jahr 1936 selbstkritisch:
„It is astonishing what foolish things one
can temporarily believe if one thinks too long alone, particularly in economics
(along with the other moral sciences), where it is often impossible to bring
one's ideas to a conclusive test either formal or experimental. In this book,
even more perhaps than in writing my Treatise on Money, I have depended on the
constant advice and constructive criticism of …..”. (S. 2 des “Preface”, nicht paginiert.)
Legt man diesen Maßstab an, dann muss Hayek intellektuell bei
der Abfassung seines Vorschlags zur Geldsystem-Reform ziemlich einsam gewesen
sein; jedenfalls scheint er sein vorliegend analysiertes Werk ohne solche
kritische Begleitung durch Fachgenossen verfasst zu haben. Im Detail ist eine
ganze Reihe von Hayeks Behauptungen kritikwürdig; aber es gibt einen zentralen Denkfehler, der bei
einem Ökonom seines Ranges schwer verständlich ist und der seine sämtlichen sonstigen
Überlegungen von vornherein komplett wertlos macht.
Bevor ich diese Behauptung substantiiere und beweise will ich
für diejenigen, die seine Schrift nicht kennen, seine Ideen zusammenfassen.
Technische Vorbemerkungen
·
Soweit ich nachfolgend Hayeks Überlegungen in eigene
Denkmodelle umsetze oder sie auf diese Weise nachprüfe, arbeite ich mit der
Annahme, dass lediglich zwei Währungen
miteinander konkurrieren. Dabei steht „DM“
für die Altwährung (von der „Altbank“
geschöpft) und „Neumark“ (auch: NM) für die neue Währung (emittiert von
der „Neubank“).
·
Hervorhebungen (Fettung)
in den Zitaten stammen, soweit nicht anders erwähnt, von mir.
Die Struktur von Hayeks Wettbewerbs-Währungssystem
Auf der sozusagen strukturorganisatorischen
Ebene will er das Ziel einer weitestgehenden Preisstabilität durch eine
Konkurrenz verschiedener „Emissionsbanken“ („issuing banks“) erreichen, die sämtlich ihre
jeweils eigenen (miteinander konkurrierenden) Währungen herausgeben. Neben
privaten Emissionsbanken sollen die bisherigen staatlichen Zentralbanken weiterhin
als Geldemittenten zugelassen bleiben. (S. 25: „The scheme would, to all intents and
purposes, amount to a displacement of the national circulations only if the
national monetary authorities misbehaved” und “… assuming a sensible policy, there is no reason why most of the existing
currencies should not continue to be used for a long time”.)
Das jedoch nur als gleichberechtigte Akteure, ohne irgendwelche
Privilegien. Der Markt soll von allen ggf. entgegenstehenden regulativen
Fesseln befreit werden; dann können die Wirtschaftssubjekte selber eine der
verschiedenen umlaufenden Währungen (also der alten staatlichen oder der neuen
privaten) für ihre Geschäfte auswählen, und ganz besonders für ihre
Ersparnisse. (Vgl. dazu S. 17, Vorwort zur 2. Auflage: “… in the field of money I do not want to prohibit government from doing anything except
preventing others from doing things they might do better.”)
Hayek hält es für
selbstverständlich, dass im Konkurrenzkampf auf die Dauer nur diejenigen
Währungen überleben werden, welche maximale Preisstabilität garantieren ( „… it is my thesis that the public would select from a number of competing private
currencies a better money than
governments provide“ – S. 66; „I
believe that, once the system had fully established itself and competition had
eliminated a number of unsuccessful ventures, there would remain in the free
world several extensively used and very similar currencies” – S. 126). Diese Stabilität bezieht sich zwar direkt
lediglich auf einen Warenkorb, den jede Emissionsbank nach ihrer Markteinschätzung
mit dem Ziel zusammenstellt, den Marktteilnehmern das ihren Wünschen oder
Bedürfnissen bestmöglich entsprechende Angebot zu machen (S. 48: „Experience ….. would gradually show which
combination of commodities constituted the most desired standard at any time
and place.“). Im Ergebnis soll es dadurch auch zu einer weitgehenden
Kaufkraftstabilität des Gesamtsystems kommen, also alle Währungen, die den
Konkurrenzkampf und eventuelle Anfangsschwierigkeiten überleben, stabil bleiben:
“The purpose of this scheme is to
impose upon existing monetary and financial agencies a very much needed
discipline by making it impossible for
any of them, or for any length of time, to issue a kind of money substantially less reliable and useful than
the money of any other. As soon as the public became familiar with the new
possibilities, any deviations from the straight path of providing an honest money would at once lead to the
rapid displacement of the offending
currency by others.” (S. 23) (Ein moralisierender
Begriff wie „honest“ in einer Analyse
von Marktmechanismen erscheint eher problematisch. Und das gilt noch mehr für
Hayeks Brandmarkung von Wettbewerbern, die mehr absetzen und/oder billiger
verkaufen wollen, als „offender“, d.
h. als Übeltäter.)
Wie er sich den technischen
Ablauf von Währungsemission und vor allem der (jeweils individuellen)
„Geldpolitik“ vorstellt, erläutert er auf den Seiten 46 ff. und 59 ff..
Hier zunächst der Text von Seiten 46/47 zu den
Emissionsmodalitäten:
“… [I] describe how I would proceed if I were in
charge of, say, one of the major Swiss joint stock banks. ….. I would announce
the issue of non-interest bearing
certificates or notes, and the readiness to open current cheque accounts, in terms of a unit
with a distinct registered trade name such as 'ducat'. The only legal obligation I would assume would
be to redeem these notes and deposits on
demand with, at the option of the holder, either 5 Swiss francs or 5 D-marks or 2 dollars per ducat. This
redemption value would however be intended only as a floor below which the
value of the unit could not fall because I would announce at the same time my intention to regulate the quantity of
the ducats so as to keep their (precisely defined) purchasing power as nearly
as possible constant. ….. And I would announce that I proposed from time to
time to state the precise commodity equivalent in terms of which I intended to
keep the value of the ducat constant, but that I reserved the right, after
announcement, to alter the composition of the commodity standard as experience
and the revealed preferences of the public suggested.
….. though it seems neither necessary
nor desirable that the issuing bank legally commits itself to maintain the
value of its unit, it should in its loan contracts specify that any loan could be repaid either at the
nominal figure in its own currency, or by corresponding amounts of any other
currency or currencies sufficient to buy in the market the commodity equivalent
which at the time of making the loan it had used as its standard. Since the bank would have to issue its currency
largely through lending, intending borrowers might well be deterred by the
formal possibility of the bank arbitrarily raising the value of its currency,
that they may well have to be explicitly reassured against such a possibility.
These certificates or notes, and the
equivalent book credits, would be made
available to the public by short-term loans or sale against other currencies.
The units would presumably, because
of the option they offered, sell from
the outset at a premium above the value of anyone of the currencies in which
they were redeemable. …..
The sale (over the counter or by auction) would initially be the chief form of issue of the new currency.
After a regular market had established itself, it would normally be issued only
in the course of ordinary banking business, i.e. through short-term loans.”
Versuchen wir, aus Hayeks etwas verschlungener Darstellung
die wesentlichen Elemente seiner Emissionsstrategie herauszudestillieren:
1. Die Emissionsbank
soll die neue Währung anfänglich durch Ankauf von alten (oder, wie man auch
sagen könnte: durch Umtausch gegen alte) Währungen emittieren.
2. Sie verpflichtet
sich, ihre emittierten Banknoten und die bei ihr getätigten Einlagen auf Verlangen
jederzeit zu einem fixen Kurs in eine von mehreren bereits bestehenden
(staatlichen) Währungen umzutauschen, wobei der Besitzer der neuen Währung sich
bei einem evtl. Rücktausch die ‚Rücktauschwährung‘ frei aussuchen kann.
Hier lauert bereits ein mögliches und
ggf. gigantisches Problem für die Emissionsbank. Sie könnte bei evtl. Rücktauschwünschen
ja nicht unterscheiden, welches Geld sie durch Umtausch oder Kreditgewährung in
Umlauf gebracht hat: Das sieht man dem Geld nicht an. Und die neue Währung soll
nur anfänglich durch Umtausch emittiert werden; auf Dauer jedoch weitestgehend
nur noch über Kredite. Sie müsste also u. U. weitaus mehr rücktauschen, als sie
an Fremdwährungen Vorrat hat (in der Gesamtsumme und/oder in der gewünschten
Zusammensetzung).
Die somit ggf. erforderlichen Ankäufe
von Fremdwährungen am Geldmarkt würden ihre eigene Währung abwerten (und die
Rücktauschwährung aufwerten): Das würde ihre Kaufkraft mindern und sie dadurch (aus
Hayeks Sicht und wohl auch real) unattraktiv machen. Und falls (gegen Hayeks
Erwartungen) die oder eine der Altwährungen schon vorher aufgewertet hätten,
dann müsste die Bank, um die nicht vorrätige Rücktauschwährung aufzukaufen,
sogar noch mehr eigenes Geld drucken – und damit die Kaufkraft der eigenen
Währung noch mehr entwerten.
(Und angesichts der von Hayek
erwarteten und befürworteten Knapphaltungsstrategie ist es sogar fraglich, ob
eine benötigte Währung überhaupt am Markt verfügbar wäre!)
Die Nicht-Unterscheidbarkeit des aus
Währungsumtausch respektive Kreditvergabe (und ebenso des früher oder später) geschöpften
Geldes übersieht Hayek anscheinend; jedenfalls will er eine Rücktauschpflicht bloß
anfänglich („initially“) vorschreiben: “Initially
the issuing bank would of course be under a legal obligation to redeem its
currency in terms of the other currencies against which it was at first issued.”
(S. 50/51)
Seine Bemerkung in der zugehörigen Anm.
1 „… selling against other currencies
would give it assets likely to depreciate“ gilt natürlich nicht nur für den
dort von ihm beschriebenen Spezialfall, sondern (unter seinen eigenen Annahmen)
auch für die anfängliche Geldemission durch Fremdwährungsankauf. Die Emissionsbank
müsste in eigener Währung bilanzieren („such
a bank would of course keep its accounts in terms of its own currency“ – S.
50), und Fremdwährungen mit dem jeweiligen Wechselkurs buchen. Dadurch könnte
die Emissionsbank rasch überschuldet sein.
Nehmen wir an, die Emissionsbank
bringt 1 Mio. Neumark durch Ankauf von 1 Mio. DM in Verkehr (hat also pari umgetauscht).
Dann hätte sie im Soll 1 Mio. Neumark (Geld wird von den Notenbanken ja als Verbindlichkeit
gegen die Geldhalter verbucht) und auf der Habenseite ebenfalls 1 Mio. Neumark
(1 Mio. DM im Bestand zum aktuellen
pari-Tauschkurs umgerechnet). Fällt nun der DM-Kurs auf 50%, hat die
Emissionsbank im Haben nur noch 500.000,- Neumark (1 Mio. DM zum abgewerteten
50%-Tauschkurs). Damit wäre sie bilanztechnisch überschuldet und müsste nach
geltendem Recht Insolvenz anmelden. In Anm. 1 S. 49 beschreibt
Hayek selbst eine solche Lage: “… [an] increase
of the value of the notes issued by a bank in terms of other concurrent
currencies might produce a situation in
which the aggregate value of its outstanding notes (plus its liabilities
from other sources) would exceed its
assets.”
Da jede Emissionsbank freilich ihre
eigene Zentralbank ist, kann sie niemals pleitegehen (solange ihr Geld am Markt
akzeptiert wird). Sie kann die Bilanz also einfach ‚mit einem Federstrich‘ (durch
einen objektiv wertlosen Ausgleichsposten im Haben) „ausgleichen“. Auch das ist
ein gewaltiger Unterschied zu normalen Marktvorgängen: Kein anderes Privatunternehmen
hat eine solche (Selbstbedienungs-)Möglichkeit. Im Übrigen darf man bezweifeln,
dass derartige Buchungstricks dem öffentlichen Vertrauen in die Solidität des
Emittenten dienlich wären.
3. Hayek ist sich
ziemlich sicher, dass die Emissionsbank ihre neue Währung mit einem Aufschlag
an das Publikum verkaufen könnte. Das stelle ich mir am Beispiel so vor:
Einleger E liefert 1.100,- DM ab und erhält eine Gutschrift über 1.000,-
Neumark. Die Bank verpflichtet sich, diese jederzeit in 1.000,- DM zurückzutauschen.
Somit hat sie 100,- DM (oder 10%) Rohgewinn gemacht. Da sie jedoch nicht in DM bucht, sondern in ihrer eigenen Währung (‚Neumark‘),
kann bzw. wird sie weitere 100,- Neumark emittieren (und damit z. B. ihre
Angestellten bezahlen): „The issuing bank could ….. keep in cash a 100 per cent reserve of the
currencies in terms of which it had undertaken to redeem its issue and still
treat the premiums received as freely available for general business.” (S. 49). Sie hatte ja 100,- DM aus
dem Kursaufschlag für die Einleger übrig behalten und dadurch eine Deckung in
Fremdwährung auch für ihre „Über-Emission“. (Diese Differenz wieder an den
Markt zu bringen, ist – vorheriges Gleichgewicht von Geldversorgung und
Güterangebot + Sparen angenommen - auch deshalb sachgerecht, weil sonst die
entsprechende Kaufkraft fehlen würde.)
Hier halten wir kurz inne und
bilanzieren, wie es jetzt am Markt insgesamt mit Geldmenge* und Kaufkraft
aussieht: Neue Kaufkraft (Neumark) wurde bis jetzt ausschließlich durch den
Umtausch von bereits am Markt vorhandener Kaufkraft (DM) geschaffen. Ich gehe
dabei davon aus, dass die Kaufkraft einer Neumark anfänglich einer DM entspricht.
Wir hätten also im Grunde einen gespaltenen
Kurs: Bei der Güter-Kaufkraft 1 : 1, bei der ‚Geldkaufkraft‘ in der neuen
Währung 1,1 : 1,0. Dass sich bei dieser Sachlage Marktteilnehmer finden, die
aus reiner Euphorie für die neue Währung sozusagen einen ‚Hoffnungsvorschuss‘
bezahlen würden (selbst wenn er deutlich niedriger wäre als die hier zwecks
Anschaulichkeit angesetzten 10%), halte ich für eine äußerst fragwürdige
Annahme. Wenn aber die neue Emissionsbank keinen
Aufschlag erzielen kann, macht sie zunächst einmal keine Gewinne. Wie lange sie
eine eventuelle Durststrecke durchhalten würde, hinge von ihrem Eigenkapital
ab. Insoweit fragt es sich, wie viel Kapital Anleger für ein Geschäft zu
investieren bereit wären, dessen Erfolgsaussichten, vorsichtig formuliert, nicht
von vornherein offensichtlich sind. (Die Emission mit Geldverleihen statt mit
Umtauschen zu beginnen ist praktisch unmöglich, weil die Kreditnehmer keinerlei
Gewähr für deren Akzeptanz am Markt hätten. Offenbar aus diesem Grund lässt
Hayek die Emission ja auch mit dem Eintauschen alter Währung beginnen, und gibt
eine Rücktauschgarantie.)
* Hayek bestreitet, dass es in seinem
System eine Geldmenge gibt (S.
76/77). Warum diese Sichtweise falsch ist, werde ich weiter unten zeigen.
4. Nehmen wir
jedoch im Sinne von Hayek an, dass unsere ‚Neubank‘ sich erfolgreich am Markt
etablieren konnte und nunmehr die weitere Geldemission im Kreditwege erfolgt.
Dann haben wir ein weiteres Problem
insofern, als diese Bank Geld nur kurzfristig
verleihen soll. Die Kurzfristigkeit (kritisch gesagt: Kurzatmigkeit) der
Geldpolitik (jeder einzelnen Emissionsbank) ist ein zentrales und unabdingbares
Element im Hayekschen Konkurrenzwährungssystem, weil die Emissionsbanken die
Geldmenge rasch verknappen müssten,
sobald die Kurse ihrer jeweiligen Referenz-Warenkörbe aus einer bestimmten
(engen) Bandbreite nach oben ausbrechen. („To achieve its announced aim of maintaining
the purchasing power of its currency constant, the amount would have to be promptly adapted to any change of
demand, whether increase or decrease” - S. 49.)
[Einschub: Auch bei Ausbrüchen aus
dem Zielkorridor nach unten sollen
die Banken gegensteuern. Dazu müssten sie die Geldmenge (rasch) auszuweiten.
Geld (auch nur als Kredit) zu vergeben dürfte freilich i. d. R. markttechnisch
deutlich einfacher sein, als es den Besitzern - vorfristig - abzunehmen. Deshalb
untersuche ich diese Variante nicht näher.]
Geld nur auf kurze Fristen zu
verleihen ist natürlich kein Problem für die Bank; wohl aber für diejenigen Schuldner, die den Kredit für
längere Zeiträume benötigen. Und das dürften nicht wenige sein
(Hypothekenkredit, Investitionskredit, Schiffshypotheken, Ratenkredite für
Konsumenten, Kredite an staatliche Stellen ….). Die gesamte Volkswirtschaft (bzw. zunächst einmal
Hayeks Modell) steht also vor dem Problem, woher die Akteure ggf. benötigte
längerfristige Kredite überhaupt bekommen können. Zwar sieht Hayek auch Banken
ohne eigene Geldemission vor; diese sollen jedoch reine Finanzintermediäre
sein, welche Einlagen ihrer Kunden verleihen, ohne (nennenswerte) eigene
Geldschöpfung betreiben zu können: „the
secondary issuer [would be forced] to
practice something very close to '100 per cent banking‘ “. (S. 65; vgl.
auch unten.) Das wäre ein Vollgeld-System, aber ohne eine an den Interessen der
Gesamtwirtschaft orientierte
Zentralbank im Hintergrund.
Mindestens ebenso gravierend ist ein anderes Problem, das
Hayek nicht bedacht hat, obwohl es dabei um sein Kernanliegen der
Preisstabilität geht: Anders als die Geldschöpfung durch Umtausch bereits vorhandenen Geldes (‚Fremdwährung‘) erhöht eine Geldschöpfung durch
Kreditvergabe die Geldmenge in System (soweit dieser Effekt nicht durch
gleichzeitige Tilgungen kompensiert wird). Im Modell kann man zwar mit der
Annahme arbeiten, dass sich die Kreditnachfrage dann lediglich von den
‚Altbanken‘ auf die Neubank verlagern würde. Aber kann man sich dessen sicher
sein? Ebenso gut könnte die Kreditnachfrage insgesamt steigen. Denn nach Hayeks
eigener (plausibler) Annahme ist es ja gerade das Ziel der konkurrierenden Emissionsbanken,
ihrer jeweiligen Währung eine möglichst weite Verbreitung zu verschaffen („These banks [die Emissionsbanken] will ….. be vying for the use of their issue
by the public … . – S. 46. „…
successful competitors might well make considerable inroads on its circulation“
– S. 49. “… if we assume that issuers of
currency continually compete with one another for additional users of their
currency …” – S. 77). Und dafür müssen sie natürlich mehr Geld an den Markt bringen.
Sein Modell baut auf also zwei beinahe
selbstwidersprüchlichen Annahmen zur Motivation bzw. Strategie der
Emissionsbanken auf:
·
Einerseits sollen sie (wie für Unternehmer normal) von
dem Wunsch beseelt sein, ihr Geld möglichst weit zu verbreiten, also möglichst
viel von ihrer ‚Ware Geld‘ herzustellen und zu verkaufen (umzutauschen) bzw. zu
verleihen.
·
Zugleich geht
Hayek aber davon aus, dass die Wirtschaftssubjekte partout inflationsfreies
Geld haben wollen (z. B. S. 66 „… it is
my thesis that the public would select
from a number of competing private currencies a better money than governments provide“, S. 74: „The
reason why people will tend to prefer a currency with a value stable in terms
of commodities will thus be that it will help them to minimise the effects of the unavoidable
uncertainty about [individual] price movements“ und S. 101:
„The public would prefer a currency whose purchasing power it could expect to
be stable“.) Preisstabilität
sollen (und könnten) die Emissionsbanken jedoch nur durch eine Strategie der
relativen Knappheit erreichen, also indem sie die Geldversorgung des Marktes
gerade nicht an den Wünschen und
Bedürfnissen der potentiellen Kreditnehmer ausrichten, sondern starr (man
könnte auch sagen: quasi-automatisiert) an Preisindizes für je nach Bank individuell
zusammengestellte Warenkörbe (oder auch für verschiedene Banken mehr oder
weniger identisch: vgl. den Einschub „The
possibility of a multiplicity of similar currencies“ S. 127/128).
·
Zuspitzend zusammengefasst ergibt sich daraus das
Paradox, dass die Bank (nach Hayek) möglichst wenig Geld auf den Markt bringen
darf, um möglichst viel von ihrem Geld auf den Markt bringen zu können. [Schemenhaft
blitzt diese Widersprüchlichkeit in Hayeks eigenen Ausführungen auf: „The expectation of stability will
evidently affect the liquidity of a particular kind of money”
(S. 57/58). Jedenfalls
verstehe ich diese Passage dahin gehend, dass er bei den Geldmengen eine Knapphaltungsstrategie
der Emittenten bzw. Verknappungseffekte fordert oder erwartet.]
Ohnehin bezweifle ich, dass
Kreditnehmer ihren Kredit ausgerechnet in einer Währung aufnehmen würden, von
der die Marktteilnehmer (in Hayeks Modell) eine Aufwertung erwarten, obwohl sie
bei einer oder mehreren der Konkurrenzwährungen, insbesondere bei den alten
staatlichen Währungen, mit Abwertungen rechnen. (Auf S. 63 sagt
er selber: „… people will no doubt be
very eager to borrow a currency offered at a lower rate of interest“ und
auf S. 68: “…...it would clearly not be to the
advantage of borrowers to borrow in it [in an
appreciating currency].) Hayek will Kreditnehmer zwar rechtlich bzw.
vertraglich gegen Veränderungen in der Zusammensetzung des Referenz-Warenkorbes
durch die Bank absichern, aber (selbstverständlich) nicht gegen Kaufkraft- und
Wechselkursschwankungen überhaupt. Ein Kreditnehmer, der seine Einnahmen
hauptsächlich in DM erzielt, wäre indes schlecht beraten, wenn er einen Kredit
in Neumark aufnehmen wollte: Von dieser müsste er in Hayeks Modell eine Aufwertung
befürchten, d. h. er müsste damit rechnen, bei Kreditfälligkeit (ggf. viel)
mehr von seinen DM-Einnahmen in Neumark umtauschen zu müssen, als es der
Kursrelation bei der Kreditaufnahme entsprach. Zwar dürfte das entscheidende
Kriterium für die Auswahl des Kreditgebers (unter denjenigen, die überhaupt zur
Kreditvergabe bereit sind) der Realzins sein.* Doch sollten - weil Hayek der
‚Neumark-Neubank‘ eine Politik des relativ knappen Geldes unterstellt - die
Zinsen bei Neuemittenten zumindest nicht niedriger liegen als bei der
‚DM-Altbank‘.
* In der Einführung zur 3. Auflage behauptet Prof Geoffrey E.
Wood: “It [inflation] does of course redistribute between
borrowers and lenders” (S. 20). Das ist jedoch keineswegs zwingend. Ob der
Anleger (Sparer) einen Verlust macht, richtet sich insoweit ausschließlich nach
dem Realzins, den er erhält. In gewisser Weise sagt Hayek das
sogar selbst, wenn er auf S. 124 (offenbar zustimmend) erklärt: „… banks have usually claimed that they have
more or less succeeded in bringing their assets through even a galloping
inflation”. Wenn das
zutrifft, dann müssten sie auch die Einlagenseite durch die Inflationen
gebracht haben. Was in der Tat theoretisch überhaupt kein Problem ist: Die
Kreditzinsen müssen einfach nur so hoch sein, dass auch die Einlagezinsen real
positiv sein können.
Die Technik der Preisstabilisierung bei Hayek
Alle vorgenannten Einwände gegen Hayeks Annahmen sind
gewichtig, aber noch nicht der oben erwähnte massive Denkfehler. Der findet
sich auf den Seiten 59 ff., wo es um die Technik der Geldwertsicherung in
Hayeks Konkurrenzwährungswelt geht:
If, as we shall provisionally*
assume, the aim of the issuing bank is to keep
constant the aggregate price in terms of its currency of a particular
collection of commodities it would, by
regulating the amount of the currency in circulation, have to counteract any
tendency of that aggregate price to rise or fall.
(S. 59)
The issuing bank will have two methods of altering the volume of its
currency in circulation: it can sell
or buy its currency against other currencies (or securities and possibly some commodities); and it
can contract or expand its lending
activities. In order to retain control over its outstanding circulation, it
will on the whole have to confine its lending to relatively short-time contracts so that, by reducing or temporarily stopping new lending,
current repayments of outstanding loans would bring about a rapid reduction of
its total issue. (S. 59) …..
In practice, many or even most of the
commodities in terms of which the currency is to be kept stable would be
currently traded and quoted chiefly in terms of some other competing currencies
….. . The bank would therefore have to
look to the effect of changes in its circulation, not so much directly on the
prices of other commodities, but on the rates of exchange with the currencies
against which they are chiefly traded. Though the task of ascertaining the
appropriate rates of exchange (considering the given rates of exchange between
the different currencies) would be complex, computers would help with almost
instantaneous calculation, so the bank would know hour by hour whether to
increase or decrease the amounts of its currency to be offered as loans or for
sale. Quick and immediate action
would have to be taken by buying or selling on the currency exchange, but a
lasting effect would be achieved only by altering the lending policy. ….. (S. 60)
“The basis of the daily decisions on its lending policy (and its sales and
purchases of currencies on the currency exchange) would have to be the result of a constant calculation provided by a
computer into which the latest information about commodity prices and rates of
exchange would be constantly fed as it arrived.” (S. 60)
[* Diese Annahme wird im weiteren
Text von Hayek bekräftigt. Das “provisionally”
bedeutet also lediglich, dass sie an dieser Stelle noch nicht näher untermauert
ist und nicht etwa, dass er sie später revidieren wollte.]
Das ganze Preisstabilisierungsverfahren läuft somit auf einen
einzigen Trick hinaus: Die eigene
Währung gegen die anderen aufzuwerten. Dafür muss natürlich die
Marktversorgung mit der eigenen Währung verknappt werden. Dass das technisch
(alternativ oder kombiniert) auf zwei
Wegen geschehen kann (durch Verkauf von gehorteter Fremdwährung gegen eigene
Währung und durch Kreditrestriktionen), spielt in diesem Zusammenhang keine
Rolle: Im Theoriedesign seines Wettbewerbs-Währungssystems stellt Hayek Preisstabilität über gesteuerte Wechselkursänderungen her.
Die Kreditgewährung soll (auf indirektem Wege, eben über
gezielt herbeigeführte Wechselkursänderungen) ausschließlich auf die
Stabilisierung der Güterpreise ausgerichtet sein. (Was aber natürlich nur bei
einer isolierten Betrachtung des einzelnen Emittenten darstellbar ist; im
System und damit in der Realität kann das gar nicht funktionieren: s. u..)
Hayek lässt offen, ob ggf. erforderliche Kreditbeschränkungen
absolut sein sollen oder lediglich relativ. Jedoch schließt er einen
Kreditgewährungsstopp zumindest nicht aus: „… reducing or temporarily stopping new lending“ (S. 59) und auf S. 61
fordert er, die Bänker müssten „contract
or tighten controls, i.e. restrict loans by making them dearer or being more selective“.
Absolute Kreditrestriktionen wären natürlich die absolute
Katastrophe für alle, die Kredite dieser Währung benötigen: Sie müssten unter
diesem Geldregime jederzeit damit rechnen, ihre in der jeweiligen Währung
kontrahierten Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen zu können. Aber auch dann,
wenn man eine Kreditmengensteuerung nur über den Preis (den Kreditzins)
annimmt, hätten die Kunden (nach Hayeks - falscher, hier aber zugestandener -
Annahme) zwar Sicherheit bei den Güterpreisen (primär nur eines bestimmten
Warenkorbs, jedoch soll sich – oberflächlich plausibel - die Kaufkraftstabilität
durch das gleichgerichtete Verhalten aller Emissionsbanken auf das gesamte Preisniveau
ausdehnen). Doch wäre der Preis, den die Wirtschaftssubjekte für die Stabilität
der Güterpreise zu entrichten hätten, eine extreme Instabilität der Geldpreise.
Und zwar einerseits in Gestalt von fluktuierenden Kreditzinsen. Und
andererseits, soweit sie Einnahmen (bzw. bei deflationärer Entwicklung:
Ausgaben) in anderen Währungen haben, in Form von Wechselkursschwankungen. Je
nach Verbreitung und Gebietskonkurrenz der Währungen könnten Unternehmer, die
bislang nicht im Traum daran dachten, Exporteure zu sein (z. B. der
Rechtsanwalt oder Arzt, der seine Gebühren kassieren will), sich gezwungen sehen,
plötzlich ‚Außenhandel‘ betreiben zu müssen. Was ihr Geschäft mit einer völlig
neuen Komplexitätsdimension belasten würde.
Außervertragliche Probleme mit
der ‚richtigen’ Währungs-Wahl, die der Geldverwendung eine weitere neuartige
Komplexitätsdimension einfügen würden, beschreibt Hayek auf S. 40: In non-contractual payments such as damages
or compensations for torts, the courts would have to decide the currency in
which they have to be paid, and might for this purpose have to develop new
rules; but there should be no need for special legislation.”
Für mich ist schwer vorstellbar, dass ein solche Unübersichtlichkeit
in der monetären Dimension für die Wirtschaftssubjekte attraktiv sein könnte –
oder dass eine moderne
Volkswirtschaft (im zersplitterten Deutschland der Zeit bis um 1800 wurden ja
tatsächlich in vielen Territorien unterschiedliche Währungen verwendet) damit
überhaupt eine befriedigende volkswirtschaftliche Stabilität erreichen könnte.
Als weiterer Aspekt kommen Marktstörungen durch Spekulanten
in Betracht. Hayek erwähnt die Spekulation lediglich als einen potentiell
hilfreichen Faktor für die Banken: “…
speculation would come to its [the
bank’s] aid and relieve it of the
necessity to take precipitate steps to assure absolute stability“ (S. 62). Das ist auch deshalb ausgesprochen
naiv, weil Hayek von einer maximalen Transparenz einerseits und
Regelgebundenheit andererseits des Bankenhandelns ausgeht. Die Spekulanten hätten
also alle benötigten Informationen, um den Reaktionen der Banken auf Änderungen
im Preisniveau ihres jeweiligen Warenkorbs zuvorkommen oder gar (z. B.
Hedgefonds mit entsprechender Kapitalausstattung) spekulative Angriffe gegen
eine Bank zu fahren, indem sie deren Warenkorbpreis manipulieren. Und an
Knappheitsengpässen könnten Spekulanten einerseits prächtig verdienen und
andererseits z. B. die Wirkungen restriktive Geldpolitik einer Emissionsbank
noch verschärfen. Folglich wären in der Hayek-Welt Turbulenzen ohne Ende zu
erwarten.
Die totale Währungskonkurrenz in seinem System steigert
dessen Komplexität im Vergleich zur gegenwärtigen partiellen Währungskonkurrenz
erheblich: Gleichberechtigte Parameter für alle Stabilisierungsaktionen sind die
Güterpreise (jedoch in Gestalt von Warenkorbpreisen mit einem überschaubaren
Inhalt) auf der einen und die Wechselkurse auf der anderen Seite, während bislang
die Zentralbanken vorrangig auf die (Verbraucher-)Preisstabilität abstellen und
die Außenwechselkurse in deren Geldpolitik eine zwar bedeutende aber letztlich
doch nachgeordnete Rolle spielen.
Besonders problematisch ist Hayeks Überlegung, den Emissionsbanken
auch den Ankauf von Waren mit ihrer Währung zu erlauben:
“… it can sell or buy its currency against other currencies or …..
possibly some commodities”
Damit hätte die Bank “Willkürgeld“
geschöpft: Sie gibt wertloses Papier hin, und bekommt werthaltige Güter im
Austausch. Ohne dass sie ihr „Papiergeld“ (hier einschl. Buchgeld gedacht)
jemals wieder einlösen müsste, würde oder auch nur könnte. Mit dieser realwirtschaftlichen
„Selbstbedienung“ von Emissionsbanken am Gütermarkt wäre einer Inflation Tür
und Tor geöffnet.
Sollte etwa gar die Absicht dahinter stecken, den
Emissionsbanken eine aktive bzw., von der Realwirtschaft her betrachtet,
manipulative Rolle an den Rohstoffmärkten zuzugestehen oder aufzudrängen, dann
wäre das ebenso schlimm: Die quasi-Spekulantenrolle der Banken würde die
realwirtschaftlichen Preissignale (zeitweise) unterdrücken oder verfälschen!
Hayeks zentraler Denkfehler: individuelles Agieren nicht auf systemische
Folgewirkungen überprüft
Den Pferdefuß oder das K. o.-Kriterium für Hayeks
Gedankengebäude ist meiner bisherigen Beweisführung zwar bereits zu entnehmen;
explizit benannt habe ich ihn allerdings noch nicht. Zuvor noch
eine Textpassage von S. 61:
The effect of this contraction or
expansion on commodity prices would be chiefly indirect through the rates of exchange with the currencies
in which these commodities were chiefly traded, and direct only with regard to
commodities traded chiefly in ducats.
Oben hatte ich gesagt, dass Hayek „Preisstabilität über gesteuerte Wechselkursänderungen herstellt“. Das ist in
der Tat sein Ziel; realisierbar wäre dieser
Kernmechanismus seines Währungs-Reformmodells indes nicht. Dass sein famoser Selbstregelmechanismus wegen
Selbstwidersprüchlichkeit nicht umsetzbar ist verschleiert er vor sich selbst,
indem er das Verhalten einer einzelnen Emissionsbank quasi im luftleeren Raum
modelliert. Er vergisst (hier, obwohl er sie auf S. 95 oben selber beschreibt!)
die Folgewirkungen, die ein nach seiner Vorstellung agierendes Preisstabilitätsmanagement
zwangsläufig im Gesamtsystem nach
sich ziehen muss.
Dort kommt es nämlich zu folgenden Kettenreaktionen (die ich
hier nur für das Inflationsszenario modelliere; bei Deflation würden sie in
umgekehrter Weise eintreten):
1. Emissionsbank A
stellt Bandbreitenüberschreitung ihres Warenkorbpreises fest und reagiert mit
Verknappung ihrer Geldmenge.
2. Dadurch wertet
ihre Währung auf; spiegelbildlich sinkt der Kurs der anderen Währungen.
3. Es ist
unwahrscheinlich, dass die Geldverknappung einer einzigen Währung sehr schnell über Nachfrageänderungen auf die
Warenkorbpreise durchschlagen würde (diese also wenigstens insoweit sinken
würden, als ihre Marktpreise – z. B. an einer Warenbörse - in der A-Währung
notiert werden). Jedoch verbilligt sich der Referenzwarenkorb automatisch
unmittelbar mit der und durch die Abwertung der anderen Währungen.
4. Das
Korbpreisniveau, umgerechnet in A-Währung, wäre also (im unterstellten
Idealfalle) wieder auf den alten Stand gedrückt.
Hier endet Hayeks Analyse – und damit sitzt er einem
Denkfehler auf, der bei einem Wirtschaftswissenschaftler seines Ranges eigentlich
völlig unverständlich ist.
Denn damit blendet er aus, wie sich die Effekte der A-Bank-Aktion
im System fortpflanzen (und potenzieren) würden:
5. Wenn man bei den
Emissionsbanken B, C, D eine gleichmäßige Abwertung unterstellt, würden die
Preise des jeweiligen Warenkorbes in deren Währungen insoweit steigen, als seine
Komponenten in der A-Währung notiert werden. Und dadurch natürlich auch in der
Summe.
6. Die engen
Toleranzgrenzen würden sicherlich schnell überschritten. Somit müssten, um ihre
eigene (zwar „weiche“, aber aus Wettbewerbsgründen lt. Hayek unbedingt
einzuhaltende) ‚Preisstabilitätsgarantie‘ zu bewahren, auch diese Banken
aufwerten. Darauf weist er auf S. 95 sogar selber hin: “This [die Preisstabilisierungspolitik
der Konkurrenz] would soon force any less
provident issuers of competing currencies to put a stop to a slide in the value
of their currency in either direction if they did not wish to lose the issue
business altogether or to find the value of their currency falling to zero.“
Hätte er hier auf seine
(generell) etwas gespreizte Ausdrucksweise und den moralisierenden Seitenhieb „less provident“ verzichtet und einfach
aber präzise formuliert „…. then the
competitors in their turn would have to appreciate or depreciate their currency
” wäre ihm die Undurchführbarkeit seiner Ideen wahrscheinlich aufgegangen.
7. Bei einer
Umsetzung dieser Ideen wäre das Ergebnis dasselbe, als wenn bei einer
Massenpanik alle Menschen gleichzeitig denselben Ausgang stürmen: Niemand gelangt
an sein Ziel. Die Menschen erreichen nicht das Freie; die Banken nicht die
angestrebte Preisstabilisierung. Hayeks Reformvorschlag kann nicht
funktionieren, weil er eine logische Unmöglichkeit voraussetzt: Dass nämlich im
Ernstfall alle Währungen mehr oder weniger gleichzeitig abwerten (bzw. ggf.
aufwerten) könnten.
8. Stattdessen würde
die gesamte Volkswirtschaft Schaden nehmen, weil sich die
Geldmengenkontraktionen im Aufwertungswettlauf der Geldemittenten potenzieren
würden.
9. Vielleicht wäre
Hayeks Ziel der Geldstabilität dadurch erreicht: Weil sich am Ende die gesamte
Geldversorgung dramatisch verknappt, müssten die Preise massiv einbrechen. Das
würde allerdings Deflation bedeuten, die Hayek (zu Recht) ebenfalls vermeiden
will. Doch wäre sie die unvermeidliche Folge, wenn man versuchen würde, seinen todsicheren
Geldsystemtipp in die Realität umzusetzen.
Zwar muss man dem Autor sein Eingeständnis (Einleitung, S.
13) zugutehalten
“… that I am ….. very much aware that
I have only scratched the surface of the complex of new questions and that I am
still very far from having solved all the problems which the existence of
multiple concurrent currencies would raise. Indeed, I shall have to ask a
number of questions to which I do not know the answer; nor can I discuss all
the theoretical problems which the explanation of the new situation raises.”
Das kann aber nur für diejenigen Überlegungen gelten, die
noch nicht ausgereift sind. Den hier aufgezeigten Denkfehler kann das also
nicht entschuldigen, denn was schon in der Grundannahme falsch ist, wird auch
bei weiterem Nachdenken nicht richtiger.
Bei einer Betrachtung aus größerem gedanklichem Abstand wirkt
Hayeks selbstreferentieller Preisstabilisierungsmechanismus wie ein surrealistischer
Albtraum. Der er, wenn umgesetzt, für die Wirtschaft auch tatsächlich wäre.
(Vgl. zu diesem Abschnitt auch unten bei den
Detailüberlegungen das Kapitel „Trick 17
mit Selbstüberlistung: Preisstabilität durch Kursmanipulation?“)
Selbstreferentielles Geldsystem wäre ptolemäische Revolution der Ökonomie
Will man die tiefere Ursache für die praktische
Untauglichkeit auf einer abstrakten Ebene benennen, dann kann man Hayeks
Vorgehen vergleichsweise als eine ptolemäische Revolution der Ökonomie deuten.
Während bislang Geldversorgung und Preise um die Zentralsonne
der Realwirtschaft kreisten, soll durch die Umorganisation des Geldsystems das gesamte
Sonnensystem des menschlichen Wirtschaftshandelns um die Erde einer (relativ)
fixen Geldmenge rotieren. Eine Geldmengenanpassung soll nur noch zum Ausgleich
von Änderungen des Sozialprodukts und des Hortverhaltens zulässig sein.
Relative Preisänderungen bleiben zwar möglich und sind lt. Hayek in einer
Marktwirtschaft unverzichtbar. Aber Steigerungen des gesamten Preisniveaus
werden sofort mit Geldverknappung bestraft und ausgebremst. (Umgekehrt will er
Deflationen durch Geldmengenausweitung stoppen, aber dieses Problem dürfte
weitaus seltener auftreten.)
Es sollte einleuchten, dass es nicht wirklich eine gute (und
schon gar keine geniale) Idee ist, die Wirtschaft in das Prokrustesbett einer
derart starren Geldversorgung einzupferchen. Es ist verräterisch, wenn er selber
(zwar in etwas anderem Zusammenhang) von einem „benevolent dictator“ spricht (S. 117/118). (Auch sonst war Hayeks
politisches Denken und Handeln, trotz seines liberalen Wollens, nicht völlig frei von gewissen Neigungen
zu autoritären Regimen.) Denn sein Geldmengenkorsett ist die Benevolenzdiktatur
einer starren, quasi-automatischen Geldmengensteuerung, die nicht auf die
Anforderungen der Realwirtschaft geeicht ist, sondern nur angeblich den
Bedürfnissen der Unternehmen, tatsächlich jedoch den Interessen der
Geldbesitzer (bzw. genauer: der Geldhorter) dient. In der Umsetzung würde es zu einem Tummelplatz für
Spekulanten sowie für Berater, welche die Aufgabe hätten, die jeweilige
Währungsposition für Unternehmen und große Geldbesitzer zu optimieren. Anders
gesagt: Das Hayeksche Geldsystem wäre u. a. auch ein Konjunkturprogramm für unproduktive
Bürokraten.
Sein System ist kein Wettbewerb von Marktanbietern im
geläufigen Sinne; es ist eine Karikatur von „Markt“, bei dem ein
Anbieter-Oligopol die Geldmenge festlegen würde. Und zwar nach Hayeks eigenen
Vorstellungen nicht aufgrund der
Nachfrage, sondern ausschließlich mit dem Ziel, den Preis für einen bestimmten
Warenkorb (dessen Bestückung und relative Zusammensetzung die Emissionsbanken
selber bestimmen!) in einer engen Bandbreite zu halten. (Veranschaulicht
hat er das Verfahren in der Grafik „Table II“ auf S. 61; vgl. dazu S. 62: „From the point of view of the issuing banks
it would probably be desirable to allow a
small, previously-announced, tolerance or standard of deviation in either direction.“). Ein kleiner Kreis von Vorständen
privater und, soweit sie im Wettbewerb bestehen, auch staatlicher (S. 17)
Banken würde die Geldversorgung der gesamten Volkswirtschaft beherrschen. Und
zwar (so jedenfalls Hayeks Vorstellung) nicht mit dem unmittelbaren Ziel, ein
optimales Funktionieren (insbesondere eine optimale Auslastung!) der
Realwirtschaft zu erreichen, sondern einzig zu dem Zweck, einen bestimmten
Warenkorb, und in der Konsequenz einer Summe von Warenkörben, stabil zu halten.
(Wobei Hayek davon ausgeht, dass sein Geldsystem auch eine stabile
Realwirtschaft garantiert. Was ich freilich bezweifle.)
Wenn Hayek schreibt (S. 94): “The profits from the issuing business (which amounts to borrowing at zero
interest) will be very large and it does
not seem probable that very many firms can succeed in it” dann zeigt er
damit, dass nicht einmal er selber sein System als Markt im üblichen Sinne
betrachtet. Denn wenn ein Geschäft hohe Profite abwirft, sollte man doch
erwarten, dass sich viele Wettbewerber dort tummeln? Das würde über
Preiskonkurrenz (Kreditzinsen) die Gewinne senken und die Geldnachfrage stimulieren;
damit wären jene Zusammenhänge hergestellt, wie sie den üblichen
Marktmechanismen entsprechen und derzeit auch am Geldmarkt bestehen und.
Bei Hayek kann und darf dieser normale Markt-Mechanismus aber
nicht funktionieren (auf S. 63 tadelt er sogar ausdrücklich den Wettbewerb über
niedrige Kreditzinsen), weil die Zinsen nicht als direkte Reaktion auf die
Kreditnachfrage festgesetzt werden sollen, sondern das Geld (außer bei
Deflation) generell knapp und damit die Preise stabil halten sollen. Dass
er von relativ hohen Kreditzinsen ausgeht, lässt sich auch seiner Bemerkung S.
89 entnehmen: „… occasional disturbances
….. cannot be wholly excluded until the
public has learnt rapidly to reject
tempting offers of cheap money.” Und noch krasser auf S. 94: “Money is the one thing competition would not
make cheap, because its attractiveness rests on it preserving its 'dearness'.”
So ist es nicht verwunderlich, dass sogar nach Hayeks eigener
Vorstellung der Wettbewerb extrem verkümmern würde, zu einer bloßen Karikatur
von ‚Markt‘:
“Competition between the issuing
banks would concentrate on the avoidance of even minor fluctuations of their
value in terms of these commodities, the degree of information provided about
their activities, and various additional services (such as assistance in
accounting) offered to their customers.” (S. 127)
Wie bei derartigen Wettbewerbsbeschränkungen “successful competitors ….. considerable
inroads on its circulation [den
Umlauf der Konkurrenzwährungen]“ (S. 49) machen, d. h. der Konkurrenz
Marktanteile abjagen können sollen, ist mir schleierhaft.
Hayek leugnet, dass sein System eine quasi-automatische
Geldmengenbegrenzung beinhaltet. In der Auseinandersetzung mit Überlegungen von
Milton Friedman schreibt er:
“Milton Friedman, and recently many
others, have urged a monetary rule ….. so that the growth of money is steady
and predictable. But why do we need to regulate our suppliers of money? .....
regulation of an industry - by government, regulatory agency, or rule - can be
defended only if the industry is not regulated by competition. In general,
competition will deliver the best attainable outcome. Why not in money? That is
the question addressed in this Paper; and the answer is that competition in the
supply of money will produce that desired outcome, just as it does in other
economic activities.” (S. 21)
Und
auf S. 81:
„As regards Professor Friedman's
proposal of a legal limit on the rate at which a monopolistic issuer of money
was to be allowed to increase the quantity in circulation, I can only say that I would not like to see what would happen
if under such a provision it ever became known that the amount of cash in
circulation was approaching the upper limit and that therefore a need for
increased liquidity could not be met.
Tatsächlich erwartet Hayek selber aber genau das, bzw. wäre
dies das Umsetzungsergebnis seiner Ideen: eine regelbasierte* Geldmengenanpassung.
Nur dass die „Regel“ hier keine sanktionsbewehrte Vorschrift des Staates ist,
sondern eine von den Marktmechanismen bzw. den Kundenwünschen (wie Hayek sie
sich vorstellt) erzwungene gleichgerichtete Geldmengenpolitik der
Emissionsbanken. Es ist ihm offenbar entgangen, dass die
Eintrittswahrscheinlichkeit einer Situation, in der „a need for increased liquidity could not be met“, bei seinen
eigenen Vorschlägen sehr viel größer ist als bei denjenigen von Friedman. Denn
in der Hayek-Wellt sollen die Emissionsbanken die Geldmenge ja ausdrücklich
anhand von Veränderungen im Preisniveau
regulieren; die Geldnachfrage der Wirtschaft ist kein Kriterium.
Anders gesagt: Eine gesteigerte Geldnachfrage soll ausschließlich zum Ausgleich von vermehrten Geld-Haltewünschen (Sparwünschen) des Publikums befriedigt werden (S. 88/89: „The wish of each individual to have a larger share of his resources in a very liquid form can be taken care of by additions to the total stock of money.“). Daneben soll auch bei einer Warenkorb-Deflation die Geldversorgung der Wirtschaft erhöht werden.
Anders gesagt: Eine gesteigerte Geldnachfrage soll ausschließlich zum Ausgleich von vermehrten Geld-Haltewünschen (Sparwünschen) des Publikums befriedigt werden (S. 88/89: „The wish of each individual to have a larger share of his resources in a very liquid form can be taken care of by additions to the total stock of money.“). Daneben soll auch bei einer Warenkorb-Deflation die Geldversorgung der Wirtschaft erhöht werden.
[Das kann man auch als Kausalzusammenhang modellieren: 1) Höhere Sparquote führt zu Deflation 2) Diese fungiert als Signal an die Banken,
die Geldmenge zu erhöhen.]
* Hayek bestreitet, dass die Geldpolitik der Emissionsbanken
in seinem System ein quasi-automatisiertes Steuerungsverhalten zur Folge haben
würde:
„The dealings of an issue bank in
other currencies would ….. never be a
purely mechanical affair (buying and selling at constant prices) guided
only by the observed changes in the purchasing power of the other currencies;
nor could such a bank undertake to buy any other currency at a rate
corresponding to its current buying power over the standard batch of commodities;
but it would require a good deal of judgement effectively to defend the
short-run stability of one's own currency, and the business will have to be guided in some measure by prediction of the
future development of the value of other
currencies.” (S. 65/66)
Nur erwähnen will ich an dieser Stelle die Problematik der
„Marktsignale“. Was genau soll das Bankenhandeln steuern? Andere Textstellen
erwecken den Eindruck, dass (erst) Änderungen der Warenkorb-Preise
geldmengenrelevante Aktivitäten der Emissionsbanken auslösen sollen. Hier
dagegen muss man vermuten, dass nach Hayeks Vorstellung auch allgemeine Daten
des Geldmarktes und der Realwirtschaft für die Geldmengenpolitik herangezogen
werden sollen. Also z. B. Geldmengenänderungen der Konkurrenz, Lohnabschlüsse,
Produktivitätsentwicklung usw.. Solche Methoden würde sich freilich schon
bedenklich an Zustände annähern, die Hayek in anderen Zusammenhängen zweifellos
als ‚sozialistische Marktsteuerung‘ verteufeln würde.
Anstatt die Bedürfnisse der Realwirtschaft bei der
Geldversorgung zu berücksichtigen, behindert sein System die Kreditnachfrage
nach Kräften: Die Emissionsbanken sollen Kredite i. d. R. nur kurzfristig
vergeben. Andere Banken, die Geschäfte in den Währungen der Emissionsbanken
betreiben, sieht er beinahe als Systemschmarotzer an, die er gerade noch
dulden, jedoch in keinster Weise fördern möchte:
“….. the unavoidable appearance of
what one may call parasitic currencies,
i. e. the pyramiding of a superstructure of circulating credit through other
banks carrying cheque accounts and perhaps even issuing notes in the denomination
of the currency of the original issuer, would interfere with the issuer's control over the value of his own currency.
So long as such parasitic issues were clearly labeled as debts to be paid in
the currency of the issuer it is difficult to see how this could be or should
be prevented by law.
Clearly not all banks would wish to issue, or probably could issue, a
currency of their own.
Those that did not would have no choice but to accept deposits and grant
credits in terms of some other currency, and would prefer to do so in the best currency
available.” (S. 65)
Hayek erkennt also, dass seine Emissionsbanken die Stellung
von (konkurrierenden) Zentralbanken hätten, und dass sich darunter eine weitere
Schicht von Banken ausbilden würde, deren Stellung den gegenwärtigen
Geschäftsbanken entspräche. (Vgl. auch S. 58: “Although we shall frequently refer to the
agencies issuing currency simply as 'banks', this is not meant to imply that
all banks will be issuing money.”) Diese Geschäftsbanken (oder ‚Sekundärbanken‘) sollen Kredite weitgehend
nur noch als Vollgeld-Kredite vergeben:
“….. though private issuers will have
to tolerate the appearance of parasitic circulations of deposits and
notes of the same denomination, they ought not to assist but rather
restrain it by making it clear in advance that they would not be prepared to
provide the notes needed to redeem parasitic
issues except against 'hard cash', i.e. by sale against some other reliable
currency. By adhering strictly to this principle they would force the secondary issuer to practice something very close
to '100 per cent banking'. So far as there would still be limited fiduciary
parasitic issues they would have to be kept in circulation by a policy which
assured that their value was never questioned. Though this policy might limit the circulation and thus the profit of the
original issuer, it should not seriously impair his ability to keep the
value of his currency constant.” (S. 65)
In Hayeks eigener Formulierung stellt sich das, was ich als
seine „ptolemäische Revolution“ kritisiere, wie folgt dar:
No currency … can remove the rigidity
of some prices which has developed. But it can make impossible the policies which
have assisted this development by making it necessary for those who hold prices
rigid in the face of a reduced demand to accept the consequent loss of sales. The whole difference of approach between
the dominant 'Keynesian' school and the view underlying the present exposition
rests in the last resort on the position taken with regard to the phenomenon of
rigid prices and wages. Keynes was largely led to his views by his belief
that the increasing rigidity of wages was an unalterable fact which had to be accepted
and the effect of which could be mitigated only by accommodating the rate of
money expenditure to the given rate of wages. ….. I have maintained ever since
that such an adaptation of the quantity of money to the rigidity of some prices
and particularly wages would greatly extend the range of such rigidities and
must therefore, in the long run, entirely destroy the functioning of the
market. (S. 96)
Es stellt sich dann natürlich die Frage, warum ausgerechnet
die Rigidität der Löhne die Marktmechanismen gefährden sollte – und nicht etwa
die von ihm heftig propagierte Rigidität der
Geldpreise. (Außerdem erkennt der letzte Satz, der ja zweifellos auch für
seine Parallelwährungswelt Gültigkeit beansprucht, wiederum die
Geldmengentheorie an, die er in seinen abstrakten Erörterungen für sein System
negiert!)
Dass er auch selber eine Preisrigidität propagiert, ist Hayek
zweifellos gar nicht bewusst: eine Rigidität
des Geldpreises nämlich. Der Preis des Geldes, den ich hier meine, ist der Kreditpreis
(Zins und Tilgung).
Dass der Zinssatz „der Preis des Geldes“ ist (egal, ob als Kaufpreis oder als Mietpreis verstanden, wie in David Friedmans Blogpost „The Price of Money and Other Errors“), ist ebenso banal – wie falsch.
Dass der Zinssatz „der Preis des Geldes“ ist (egal, ob als Kaufpreis oder als Mietpreis verstanden, wie in David Friedmans Blogpost „The Price of Money and Other Errors“), ist ebenso banal – wie falsch.
Falsch deshalb, weil damit fast
immer gemeint (und noch öfter verstanden) wird, dass der Nominalzins der Geldpreis sei.
Tatsächlich jedoch ist der Preis (und das heißt umgekehrt: sind die Kosten!)
des Geldes durch den REALzins determiniert.
Die Folgen,
die daraus bei einer größeren wirtschaftlichen Krise erwachsen, hat Irving
Fisher in seinem
klassischen Aufsatz (später auch zum Buch erweitert) „THE
DEBT-DEFLATION THEORY OF GREAT DEPRESSIONS“ beschrieben.
Den Inhalt referiert das Wikipedia-Stichwort „Schuldendeflation“ wie
folgt: „Eine Schuldendeflation liegt vor,
wenn ein Preisverfall (Deflation) zu sinkenden Nominaleinkommen führt. Da
die nominale Höhe der Schulden und der geschuldeten Zinsen unverändert bleibt,
führt die Schuldendeflation zu einer Erhöhung der realen Schuldenlast. Dies
kann zu einer Deflationsspirale führen: die Erhöhung der realen Schuldenlast
verursacht die Insolvenz einiger Schuldner. Dies führt zu einer Verringerung
der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und somit zu einer weiteren Verringerung
der Preise (Verschärfung der Deflation). Dies wiederum führt zu noch weiter
fallenden Nominaleinkommen und damit zu einer noch stärkeren Erhöhung der
realen Schuldenlast. Dies führt zu weiteren Insolvenzen und so weiter. Es gibt
eine starke empirische Validität, dass die Schuldendeflation eine wesentliche
Ursache der Weltwirtschaftskrise war.“
Im Modell
dargestellt, könnte das so aussehen:
·
Ausgangszustand: Unternehmen
verkauft Ware zu 110 GE, davon sind 10 GE Gewinn. Die Produktionskosten betragen
100,- GE und setzen sich wie folgt zusammen: 30 GE Vorbezug von anderen
Unternehmen; 30 GE Löhne; 30 GE Zins + Tilgung sowie 10 GE Abschreibung.
·
Änderung Depression: Alle
Preise fallen auf die Hälfte; die Fa. muss die Waren für 55 GE verkaufen. Um
überhaupt noch Arbeit zu haben, verzichten auch die Arbeitnehmer auf ihren
halben Lohn. Dann sieht die Kalkulation des Unternehmens wie folgt aus: 15 GE
Vorbezug, 15 GE Löhne und (weil ja auch die Wiederbeschaffungskosten gesunken
sind) nur noch 5 GE Abschreibung. Macht zusammen 35 GE. Was aber NICHT gefallen
ist, sind die Kreditkosten. Die bleiben bei 30 GE, so dass die Fa. zu 55 GE
verkauft, was sie mit Kosten von 65 GE produziert. Mithin macht sie 10 GE
Verlust – und würde auf Dauer natürlich pleitegehen.
Hayek wäre
sicherlich empört über den Vorwurf, dass er die Geldpreise starr halten wollte.
Aber das wäre ein Missverständnis. Natürlich würde auch er für solche
Situationen eine Zinssenkung vorsehen – bei Neuverträgen. Eine
Herabsetzung der Zinsen, oder gar eine Minderung der Hauptforderung, für laufende
Kreditverträge käme ihm nicht entfernt in den Sinn.
In
Arbeitsverträge einzugreifen, damit hat Hayek (und haben die „Austrians“) freilich
nie ein Problem: Wenn wo was fehlt, dann soll halt der Pöbel den Gürtel enger
schnallen. Aber gewiss nicht die Geldbesitzer: Deren Interessen sind absolut
sakrosankt.
Probleme mit den Warenkörben: De-Flexibilisierung der relativen Preise
und Schwierigkeit der mengenmäßigen Korb-Komposition
Hayek will zwar das Preisniveau insgesamt stabilisieren. Relativ
zueinander dürfen und müssen die Einzelpreise jedoch weiterhin schwanken, um
ihren Informationswert für Marktprozesse zu behalten: „“… the unpredictability of particular future prices, inevitable in a
functioning market economy …” (S. 72) und „… the function of prices is precisely to
communicate, as rapidly as possible, signals of changes of which the individual
cannot know but to which his plans must be adjusted.“ (S. 86)
Auch hier macht Hayek den Fehler, diese (richtige) Überlegung
nicht auf sein Gesamtsystem ‚hochzurechnen‘. Denn was soll dort aus Hayeks
Sicht idealer Weise passieren?
·
Jede einzelne Emissionsbank hält ihren eigenen
Referenz-Warenkorb preisstabil. (“The
whole matter appears to be very simple and straightforward so long as we assume that all the competing banks try
to control their currencies with the aim of keeping their values in some sense
constant.” – S. 62)
·
Damit bleibt aber zugleich das gesamte Preisgefüge, d.
h. die unterschiedlichen Warenkörbe gegeneinander, stabil; Schwankungen der
Korbpreise gegeneinander sind dann nicht mehr möglich. Wenn also z. B. die
E-Bank einen Korbpreis für Energie stabilisiert, und die M-Bank einen solchen
für Metalle, muss auch das gesamte Preisniveau relativ stabil bleiben. (S.
63: „… so long as the currencies are
almost instantaneously exchangeable against one another at a known rate of
exchange, the relative prices of commodities in terms of them will also remain
the same.“) Womit
keine Verschiebungen zwischen dem Korb-Preisniveau von Energien und dem von
Metallen mehr möglich wären.
Solche Verzerrungen führen nach Hayek zu Störungen bei der Ressourcenallokation (S. 86):
But the current prices of particular
commodities or groups of commodities
can also be positively misleading if they are caused by non-recurring events,
such as temporary inflows or outflows of money to the system. For such apparent changes in demand from a
particular direction ….. systematically channel productive efforts into
directions where they cannot be maintained. The most important recurrent
misdirections of the use of resources of this sort occur when, by the creation
(or withdrawal) of amounts of money, the funds available for investment are
increased substantially above (or decreased substantially below) the amounts
currently transferred from consumption to investment, or saved.
Hayek denkt hier zwar nur an echte ‚Übernachfrage‘ (bzw.
‚Unternachfrage‘), d. h. an eine Fallgestaltung, in der eine gewissermaßen
‚künstliche‘, durch ‚Gelddrucken‘ erzeugte Nachfrage das Angebot übersteigt
(bzw. sie – aus anderen Gründen - unterschreitet). Real muss man sich sein
Inflationsszenario wohl so vorstellen, dass in eine voll ausgelastete
Wirtschaft weitere Geldmengen injiziert und dort (nicht gehortet, sondern)
ausgegeben werden.
Das ändert aber nichts daran, dass auch bei ihm die
Verzerrung der Korbpreise gegeneinander künstlich herbeigeführt wird und
Investoren verleiten kann, Güter des einen Korbes zu kaufen und Güter eines
anderen Korbes zu verkaufen, und zwar ausschließlich dadurch, dass die ‚echten‘
Preissignale (reales Angebot und Nachfrage am Gütermarkt) durch
Preisstabilisierungsmaßnahmen von Emissionsbanken verzerrt werden.
Ein anderes Problem ist die mengenmäßige Zusammensetzung der Warenkörbe. Also ob man die Preise
von z. B. 1 t Roheisen + 1 t Rohöl 1 t
Weizen aufaddiert, oder aber die Zusammensetzung entsprechend dem Verhältnis
der aktuellen Absatzmengen gewichtet. Dann müsste man z. B. 1 t Roheisen + 2 t
Rohöl + 3 t Weizen für den Referenzkorb-Preis zugrundelegen. Insoweit ist
weniger die Ausgangslage bedeutsam als vielmehr der Umgang mit Verschiebungen
im relativen Verbrauch der einzelnen Güter zueinander. Solche Änderungen können
nämlich z. B. die Preise in die Höhe treiben, obwohl die Preise sinken.
Was zunächst merkwürdig klingt, wird an einem Modell, dessen
realer Hintergrund uns allen leidvoll vertraut ist, rasch einsichtig: einem
Strom-Warenkorb.
1. Eine kWh Atomstrom
soll 5 ct kosten, eine kWh Solarenergie 25 ct.
2. Der „Mix“ im
gesamten Stromverbrauch bestehe aus 1.000 kWh Atomstrom (= 50 €) und 100 kWh
Solarstrom (= 25,- €) = 75,- € Gesamtkosten bzw., auf 1 kWh umgerechnet, ca. 6,8 ct.
3. Der Preis für
Solarenergie fällt auf 20 ct.
4. Einige
Atomkraftwerke werden abgeschaltet. Der Stromverbrauch bleibt mit 1.100 kWh
unverändert; die Lücke wird durch Solarenergie (zu dem auf 20 ct gesunkenen
Preis) ausgefüllt. Nehmen wir an, dass nunmehr 600 kWh Atomstrom (= 30,- €) und
500 kWh Solarstrom (= 100,- €) verbraucht werden. Dann sind unsere
Gesamtausgaben, trotz gesunkener
Solarstrompreise, auf 130,- € angestiegen. Und der Durchschnittspreis pro
kWh beläuft sich nunmehr auf 130,- € : 1.100 kWh = ca. 11,8 ct!
5. Um ein
Gegenbeispiel zu konstruieren, bei dem der ein Strompreis fällt, und dennoch
der Durchschnittspreis steigt, variieren wir Ziff. 4 wie folgt: Die Kosten für
Atomstrom sollen auf 7 ct steigen (Solarenergie bleibt auf 20 ct). Der
Verbrauchsmix ändert sich jedoch wieder zu demjenigen in Ziff. 2. Dann haben
wir 70,- € Atomstrom (1.000 x 0,07 €) + 20,- Solarstrom (100 x 0,20 €) = 90,- €
oder ca. 8,2 ct im Durchschnitt.
Also, im Vergleich mit Ziff. 4, einen ‚trotz
Preissteigerung gefallenen‘ Preis.
In einem nicht
gewichteten Korb hätte der Durchschnittspreis pro kWh anfänglich 15 ct
betragen (5 + 25 : 2). Nach der Preissenkung für Solarstrom wäre der ungewichtete ‚Durchschnittspreis‘ auf
12,5 ct gefallen (5 + 20 : 2). Real ist aber (im Szenario Ziff. 4) der Strom
für die Verbraucher deutlich teurer geworden. Und umgekehrt, in Ziff. 5, ist
der Strom billiger geworden, obwohl der Preis für Atomstrom um 2 ct oder 40%
gestiegen ist!
Passt man im Szenario Punkt 4 die Indexberechnung nicht an
die geänderten Verbrauchsmengen an, sondern belässt diese auf dem früheren
Niveau (Ziff. 2), dann würde sich ein rechnerischer Gesamtpreis von 70,- €
ergeben (50,- Atomstrom plus – jetzt preisreduziert – 20,- Solarstrom). Bezogen
auf die kWh würden unsere Berechnungen nunmehr einen auf ca. 6,4 ct (von 6,8 ct
aus Szenario Ziff. 2) gefallenen Preis anzeigen. Obwohl doch, wie wir gesehen
haben, die Ausgaben der Verbraucher bei unveränderter Verbrauchsmenge auf Basis
der aktuellen Gewichtung in Wahrheit
nunmehr gemittelt 11,8 ct pro kWh betragen!
Man mag einwenden, dass es sich wegen der Substituierbarkeit
von Strom um einen Sonderfall handele; bei einem Metall-Warenkorb können die
Verwender Kupfer nicht einfach durch Eisen ersetzen. Aber auch dort kann es,
durch neue Technologien, schwankende Vorratshaltung und sogar Moden
(Edelmetalle als Schmuck!) zu signifikanten Änderungen der Verbrauchsrelationen
kommen. Der Rohölverbrauch kann durch sparsamere Motoren und Heizungen, durch
kleinere Autos oder einen milden Winter gesenkt werden, so dass es zumindest
denkmöglich ist, dass die Verbraucher trotz höherer Ölpreise weniger dafür
ausgeben müssen.
Hier wird deutlich, dass Hayeks System, wo die Böcke als
Gärtner arbeiten sollen (d. h. die Emissionsbanken dürfen ihre eigenen
Warenkörbe nach Belieben festsetzen und verändern) für Otto Normalverbraucher
noch weitaus undurchschaubarer ist als die Geldpolitik der Notenbanken, wie wir
sie kennen. Und manipulationsanfälliger sowieso.
Aber selbst wenn man vorsätzliche Manipulationen ausschließt
und den privaten Emissionsbanken den besten Willen unterstellt, können sich
allein schon aus der Häufigkeit solcher Anpassungen gewaltige Unterschiede bei
den Auswirkungen im Geldwesen (Wechselkurse, Kreditzinsen) ergeben. Und natürlich
auch aus rein technischen Aspekten der statistischen Erfassung, etwa der Frequenz
und der zeitlichen Verzögerung, sowie der Weitergabe der Informationen von den
Statistikämtern an die Öffentlichkeit (und damit auch die Banken).
Spekulanten hätten ihre Freude an einem derart
undurchsichtigen Gestrüpp; der biedere Bürger eher nicht. Verlierer (und zu
irgendeinem Zeitpunkt verliert zwangsläufig jeder bei diesem Spiel!) in diesem Gewoge
andauernder Kurs- und Zinsschwanken würden diese für sie undurchschaubaren ‚Machenschaften‘
als ein Betrugssystem ansehen, das die Banken eingerichtet haben, um die Bürger
kräftig abzocken zu können.
Mit den oben genannten Problemen, inwieweit Preisindizes
überhaupt aussagekräftig sind und welche man für die Geldpolitik heranziehen
soll, muss sich natürlich auch das gegenwärtige System des Geldmanagements
durch Zentralbanken herumschlagen. Nur verschärfen sich die Schwierigkeiten
enorm, wenn man für die Geldmengensteuerung anstelle eines breiten
Verbraucherpreisindex‘ einen kleinen Korb von Rohstoffpreisen zu Grunde legt.
Schon oben hatte ich gezeigt, dass wir es bei der
Geldemission nach Hayeks Vorstellungen nicht mit einem Markt im üblichen Sinne
zu tun haben. Denn während dort der Wettbewerb zum Angebot möglichst vieler
Güter zu möglichst niedrigen Preisen führt, sollen konkurrierende Emittenten
möglichst wenig Geld zu eher hohen Preisen (Zinsen) anbieten, um die
Güterpreise stabil zu halten.
Das Problem der Unternehmen in einem solchen „Markt“ sieht
Hayek auch selber und fragt sich, auf welchem Gebiet da überhaupt noch ein
Wettbewerb möglich wäre:
A
competition the chief merit of which is that it keeps the products of the
competitors dear
raises various interesting questions. In what will the suppliers compete once
they have established somewhat similar reputations and trust for keeping their
currencies stable? (S. 94)
Seine im Anschluss daran geäußerte Vermutung, dass die
Emissionsbanken den Unternehmen ein Outsourcing ihrer Buchhaltungen anbieten
würden (und die darin eingeschlossene Erwartung, dass die Unternehmen diese
Dienstleistung gerne annehmen) überzeugt mich in beiden Punkten nicht.
Allerdings zeigt sie, dass Hayek selber von einer gesteigerten Komplexität
seines Konkurrenzgeldsystems gegenüber dem jetzigen (und damaligen) Zustand
ausgeht, denn was sonst sollte Unternehmen bewegen, eine Kernfunktion ihrer
Tätigkeit an Außenstehende zu übertragen? Damit würden
sie sich zugleich an einen Währungsemittenten binden („…services to the enterprises basing
their accounting on a bank's currency would be likely to become the chief
weapon of competition …” - S. 94), was einen Wechsel erschwert. Das kann Hayek eigentlich nicht
wünschen und die Unternehmen noch weniger. Weshalb sie sich auch kaum auf diese
Weise an eine Bank binden würden. Hier zeigt sich also ein innerer Widerspruch
in seinem Denken. Wenn (wie er behauptet) die erleichterte Buchhaltung der
zentrale Nutzen des Konkurrenzwährungssystems für Unternehmen darstellt, würde
sich kein rational agierender Wirtschaftsteilnehmer insoweit unter die Fittiche
seiner jeweiligen Emissionsbank flüchten (müssen). Vielleicht hat Hayek ja
selber eingesehen, dass sein System die Komplexität der Geldgeschäfte für die
Marktteilnehmer in Wahrheit enorm steigern würde.
Unternehmen erwarten von ihrer Hausbank keinen
Buchhaltungsservice, sondern vor allem einen verlässlichen Kreditgeber, der zur
Stelle ist, wenn man Geld braucht.
Doch da wären sie in der Hayek-Welt an die falschen geraten,
denn das Emissionsverhalten soll sich nicht etwa an den Wünschen der
eigentlichen Geld’käufer‘, also der Kreditnehmer, orientieren, sondern
ausschließlich an den Interessen der Sparer. Deren Identität mit den Interessen
aller anderen Wirtschaftsteilnehmer unterstellt Hayek mit einem Argument, das extrem
konstruiert wirkt. Man darf es wohl als Indiz für seine eigene unbewusste
Unsicherheit in dieser Sache werten, dass er auf S. 69 in unterschiedlichen
Formulierungen gleich viermal dieselbe Phantasiebehauptung vorträgt:
·
… the decisive factor that would create a
general preference for a currency stable in value would be that only in such a currency is a realistic
calculation possible”;
·
“… the chief task of accounting, to ensure that the stock of capital of
the business is not eaten into and only true net gains shown as profits
available for disposal by the shareholders, can be realised only if the value of the unit of account is
approximately stable”;
·
“… why successful
economic calculation is possible only with a stable value of money” und
·
„… effective
capital maintenance and cost control is possible only if accounts are kept in a
unit that in some sense remains tolerably stable”.
Wäre eine erfolgreiche Bilanzierung wirklich nur mit einer
absolut kaufkraftstabilen Währung möglich, dann hätte es angesichts der
Geldentwertung (Tabelle S. 136/137 seines Buches) zumindest im Zeitraum 1950 –
1975 weltweit keinerlei erfolgreiches unternehmerisches Handeln geben können.
Ebenfalls völlig marktfern ist es, wenn zwar gigantische
Gewinne anfallen und dennoch nur wenige Firmen in der Lage sein sollen, sich an
diesem (sogenannten) Markt zu tummeln (s. o.).
Ich vermute, dass viele von Hayeks Adepten (er selber nicht) sich
den Geldschöpfungsmarkt genau wie den Gütermarkt vorstellen. Bei letzterem ist
die Qualität dem einzelnen Objekt inhärent, und die Verbraucher haben (im
Prinzip) die freie Auswahl. Für die Geldherstellung in der Hayek-Welt indes
würden völlig andere Qualitätsdeterminanten gelten: Dem (kreditgeschöpften)
Geld als konkretem Objekt bzw. Anspruch (Bargeld oder Kontoguthaben) wohnt niemals
eine unveränderliche Qualität inne. Und die freie Auswahl wäre für die
Wirtschaftssubjekte selbst bei Hayeks Konkurrenzwährungen faktisch stark
eingeschränkt: Weil es für den Einzelnen mit erheblichen Kosten verbunden wäre,
aus der Reihe zu tanzen.
Ein Hemd mag eine mehr oder weniger
gute oder schlechte Qualität haben: Wenn es einmal produziert wurde, ändert sich daran nichts
mehr. Bei der ‚Ware Geld‘ dagegen hat die Qualität (i. S. von
Kaufkraftstabilität verstanden) keinerlei Zusammenhang mit dem konkreten
‚Produktionsvorgang‘ der je individuellen Geldschöpfung (durch Währungsumtausch
oder Kredit). Es gibt keinerlei Kriterien, nach welchen man das in jedem
Einzelfall herausgegebene Geld (Bargeld oder Guthaben) als gut (wertstabil)
oder schlecht (instabil, insbesondere inflationär) beurteilen könnte.
Vielmehr kann die Qualität je nach früherer, gegenwärtiger
und zukünftiger gesamter
Geldschöpfungsmenge ständig variieren (und damit hat jeder Geldbesitzer im
Konkurrenzwährungssystem ein ständiges Wechselkursrisiko). Diese Abhängigkeit
ist zudem keineswegs auf die Geldpolitik des einzelnen Emittenten beschränkt,
sondern hängt außerdem von der Geldmengenemission der Konkurrenten ab. Das
sieht Hayek wohl auch selber so wenn er formuliert, dass : „…
the user of a stable currency cannot
escape the effects of the distortion of the price structure by the inflation
(or deflation) of a widely used competing currency.“ (S. 89)]
Und noch nicht einmal die Geldemissionsmenge (bei
Konkurrenzwährungen die gesamte Summe aus nominalen Beträgen zu jeweiligen
Umtauschwerten oder Kaufkraftrelationen) allein bestimmt das Preisniveau und
damit die Geldqualität. Sogar die sich wandelnden Entscheidungen
der Nutzer über die Verwendung ihres Geldes beeinflussen den Geldwert: “A stable price level ….. demands ….. that
the quantity of money (or rather the aggregate value of all the most liquid
assets) be kept such that people will not reduce or increase their outlay for
the purpose of adapting their balances to their altered liquidity preferences.” (S. 81)
Solche Abhängigkeiten der Qualität von zukünftigen
Ereignissen gibt es bei anderen Marktangeboten praktisch nicht. Folglich haben wir
es in der Hayek-Welt nicht mit einem normalen Markt zu tun, auf den man
lediglich die sonst gültigen Regeln und Erwartungen übertragen müsste, um vergleichbare
Resultate zu erhalten.
Im Modell kann man sich z. B. folgende Entwicklung
vorstellen, die für den Gütermarkt typische und erwünschte Marktprozesse
widerspiegelt, die man jedoch am Geldmarkt als Fehlentwicklung verdammen müsste
(wenn man Hayeks Modell für gut und machbar hält):
1. Im
Ausgangsszenario ist der Markt mit genau der richtigen Geldmenge (100% = 100
Geldeinheiten - GE) versorgt. (Die Wechselkurse spielen in meinem Denkmodell
keine Rolle. Soweit diese von der Parität abweichen, sind die GE als Ergebnis
einer Umrechnung zu verstehen. Wenn also z. B. das Geld der A-Bank doppelt so
teuer wäre wie das der anderen, wären die 40 GE in meinem Modell das Ergebnis
einer Umrechnung aus 20,- nominal emittierten A-Mark.)
2. Die
Emissionsbanken sind an den 100 GE wie folgt beteiligt:
a. A-Bank 40 GE
b. B-Bank 30 GE
c. C-Bank 20 GE und
d. D-Bank 10 GE.
3. Nun tritt eine
Veränderung dergestalt ein, dass die Geldmenge um 10 Einheiten zunimmt. Konkret
kann das dadurch geschehen sein, dass eine oder mehrere Banken die Geldemission
gesteigert haben, oder dass ein oder mehrere neue Wettbewerber hinzugekommen
sind. (Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Geldmenge zwar nicht absolut,
aber doch relativ gestiegen wäre: Ein Ent-Sparen der Geldbesitzer könnte die
„genau richtige“ (= inflationsneutrale) Geldmenge auf 90 GE abgesenkt haben.)
4. Gehen wir hier
einfach davon aus, dass (bei sonst unveränderten Verhältnissen) eine E-Bank als
neuer Wettbewerber in den Markt drängt und 10 GE emittiert hat. Somit haben wir
nunmehr 110,- GE = 110% der inflationsneutralen Geldmenge. Die dadurch
entstehende Über-Nachfrage führt wahrscheinlich zu Preissteigerungen, bis
Güter- und Geldmenge wieder im Lot sind. Nach Hayeks Vorstellungen müssten nun
die anderen Banken (und eigentlich auch der neue Emittent selber) ihre eigene
Geldmenge reduzieren, um ihre jeweilige Währung aufzuwerten und damit die
Preissteigerung (in der Eigenwährung) zu neutralisieren. Lassen wir beiseite,
dass ein Aufwertungswettbewerb schon rein logisch unmöglich ist bzw. zur
Katastrophe führen würde, dann müssten nach Hayek die bisherigen
Emissionsbanken Marktanteilsverluste hinnehmen (bzw. sogar aktiv darauf
hinarbeiten), um in diesem merkwürdigen „Markt“ das „Richtige“ zu tun.*
Die Folgen einer nominalen Geldmengensteigerung kann man
allerdings sehr unterschiedlich modellieren. Nehmen wir an, die DM-Bank hätte
20% Marktanteil und würde ihre Geldemission nun um 50% steigern. Durch diese
zusätzliche Nachfrage nähme Aldi statt 100 GE täglich jetzt 110 GE ein.
·
Dann könnten die reagieren, indem sie ihre Preise
generell um 10% steigern, also inflationieren. Die verkaufte Warenmenge wäre
wieder auf dem alten Niveau, aber der Gewinn wäre gestiegen. Die Inflation
beträfe ALLE Währungen. (Eine Preissteigerung exklusiv für Kunden, die in DM
bezahlen, scheidet aus, weil die Preise z. B. in Neumark kalkuliert werden und
andere Währungen zum jeweiligen Wechselkurs angenommen werden.)
·
Es könnte aber auch sein, dass Aldi sich mit der
Umsatzsteigerung zufrieden gibt. Jedoch müssten sie, wenn sie in Neumark
bilanzieren, abends statt 20 DM-GE nunmehr 30 DM-GE in Neumark umwechseln.
Dadurch würde der DM-Kurs wahrscheinlich fallen und sich für die Kunden deren
Kaufkraft beim Aldi entsprechend verringern. Am Ende würden dann vielleicht
30,- DM nicht mehr kaufen als ursprünglich 20,- DM.
·
Alternativ kann man sich vorstellen, dass Aldi mehr DM
an seine Lieferanten bezahlen muss, als er bisher in dieser Währung eingenommen
hat. Er hätte also bislang andere Währungen in DM umtauschen müssen, das wäre
tendenziell aufwertend für die DM gewesen. Wenn dieser Bedarf jetzt wegfällt,
würde die DM tendenziell abwerten. Inwieweit das tatsächlich passiert, hängt
(auch beim vorigen Szenario) natürlich u. a. wesentlich vom Gesamtvolumen des
DM-‚Devisenmarktes‘ ab.
·
Schließlich kann Aldi von Neumark auf DM umsteigen.
Dann müsste die Neubank ihre Geldmenge reduzieren, weil ihr Nutzerkreis kleiner
geworden wäre.
Jedenfalls gibt es grundsätzlich ZWEI Möglichkeiten, wie sich
eine nominale Geldmengensteigerung (im Sinne einer ‚Überemission‘) einer
Währung auf das System auswirken kann:
·
Bei unveränderten Wechselkursen durch Preiserhöhung.
Die kursgewichtete Geldmenge wäre dann gestiegen.
·
Bei einem entsprechend proportionalen Kursverfall der
überemittierten Währung (im Beispiel: DM) bliebe die kursgewichtete Geldmenge
unverändert.
Wenn man die “Geldmenge“ im Parallelwährungssystem korrekt
als eine kursgewichtete definiert,
dann gilt also, dass Geldmengensteigerungen auch dort (ceteris paribus) zu
Preissteigerungen führen (und umgekehrt).
Wird die Geldmengenausweitung einer Währung durch einen
entsprechenden Kursverfall (dieser oder einer anderen Währung) kompensiert,
dann ist lediglich die nominale Geldmenge gestiegen, aber nicht die (allein
relevante) Systemgeldmenge (kursgewichtete Geldmenge).
Bei den o. a. Szenarien mit einem Kursverfall der DM könnte
man spotten, dass die Strafe „genau den Richtigen getroffen“ habe. Aber darf
man als Anhänger einer freien Marktwirtschaft einer expandierenden
Emissionsbank ein falsches Handeln vorwerfen? Hayek verfällt
in diese moralisierende Tonart: “As soon
as the public became familiar with the new possibilities, any deviations from
the straight path of providing an honest
money would at once lead to the rapid displacement of the offending currency by others” (S. 23).
Doch wer ist der ‘offender’, also der Übeltäter? Der neue oder
der expandierende alte Marktanbieter hoffentlich nicht, denn Hayek ist doch für
freie Märkte? Die anderen (egal, ob sie ihr Geldangebot nun reduzieren oder
nicht), sind erst recht keine ‚offender‘, sondern die Platzhirsche. Denen ist
aber in einer Marktwirtschaft kein bestimmter Marktanteil garantiert. Ebenso
wenig kann man postulieren, dass z. B. die A-Bank mit ihren 40% Marktanteil
diesen zu Gunsten neuer oder alter Wettbewerber reduzieren müsse, weil er
unverschämt hoch sei. Die Problematik dieses Sachverhalts für Hayeks
Gedankengebäude resultiert daraus, dass sein System eben kein Markt ist, wo jeder Anbieter möglichst viel verkaufen will –
und das auch tun darf. („Darf“ im ökonomischen Sinne; rechtlich ist auch im
Hayek-Geldsystem den Banken eine beliebige ‚Produktionssteigerung‘ nicht
verwehrt.)
Diese Problematik unterschlägt er, wenn er auf S. 24 die
Schöpfung von Basisgeld quasi als Ausweitung der sonstigen Gewerbefreiheit
hinstellt: „The suggested extension of the free trade in money to
free trade in banking. Zwar zeigt er an anderer Stelle, dass er sich in
mancher Hinsicht der Unterschiede von Geld’produktion‘ und Güterproduktion
durchaus bewusst ist: “Money is the one
thing competition would not make cheap, because its attractiveness rests on it
preserving its 'dearness'.” (S. 94). Aber letztlich setzt er sich mit den
Folgen für die Anwendbarkeit seiner Ideen und für den freien Wettbewerb nicht
auseinander. Im Grunde ist sein Geldsystem statisch und wettbewerbsfeindlich;
Newcomer oder Etablierte mit aggressiven Marktstrategien wären Störer. Und das
nicht nur für die Konkurrenten, wie in regulären Märkten, sondern Störer im
(und potentielle Zer-Störer des) System(s)!
Es gibt also viele gute Gründe dafür, die Geldherstellung nicht
einfach den normalen Marktprozessen zu überlassen: Weil die hier gar nicht
wirken können und dürfen, wenn man Inflationsfreiheit durch Knapphaltung
erreichen will. Hayek ist daher sowohl naiv als auch überheblich, wenn er meint,
nach all seinen etwas beschränkten Vorgängern nun den Stein der Weisen gefunden
zu haben (S. 51):
„It
has for so long been treated as a self-evident proposition that the supply of
money cannot be left to competition that probably few people could explain why. As we have seen, the explanation appears
to be that it has always been assumed that there must be only one uniform kind
of currency in a country, and that competition meant that its amount was to be
determined by several agencies issuing it independently [also
im gegenwärtigen 2-stufigen Bankensystem].”
Mit seiner unmittelbar anschließenden Bemerkung (ebenfalls S.
51)
“It is, however, clearly not
practicable to allow tokens with the same name and readily exchangeable against
each other to be issued competitively, since nobody would be in a position to control their quantity and therefore
be responsible for their value”
verwirft er das gegenwärtige System einer Geldschöpfung im
Zusammenspiel von Zentralbank (Basisgeld) und Geschäftsbanken (Bankengeld). (Noch
direkter auf S. 91: „… a most unfortunate
hybrid system in which responsibility for the total quantity of money was
divided in a fatal manner so that nobody was in a position to control it
effectively“.) Eine
absolute Geldmengenkontrolle gibt es heutzutage in der Tat nicht; aber die wäre
wegen der nötigen Elastizität der Geldversorgung auch absolut marktwidrig und
systemgefährdend. Und eine gewisse ‚weiche‘ Geldmengenkontrolle via Leitzinsen
haben die Zentralbanken sehr wohl. (Was auch Hayek so sieht: “… central banks must, to prevent matters from getting
completely out of hand, try deliberately to forestall developments they can
only influence but not directly control” – S. 101.)
Auf S. 81 fordert Hayek
Elastizität, allerdings nicht mit dem Blick auf die Geldnachfrage, sondern auf
das Kontrollinteresse der Emittenten: “Keeping
the quantity of money constant does not assure that the money stream will
remain constant, and in order to make the volume of the money stream behave in
a desired manner the supply of money
must possess considerable elasticity.”) Hier muss man auch fragen, ob das
‚Geldmengenmanagement‘ der Banken nach Hayeks Vorstellung über harte
Kreditrestriktionen erfolgen soll, oder ausschließlich über Zinsänderungen.
Irritierend ist auf jeden Fall seine Kontrollobsession, die allen normalen
Marktfunktionen widerspricht.
Ausdrücklich behandelt er den expansiven Wettbewerb auf S. 62
ff. („Would competition disrupt the
system?“).
Dabei ist es erschreckend marktwidrig (wenngleich in seinem
eigenen Denkmodell nur folgerichtig), wenn Hayek Konkurrenzvorgänge, die den
Gütermarkt überhaupt erst zu einem „Markt“ im gängigen Sinne machen, am
Geldschöpfungsmarkt verurteilt (S. 63):
There will of course always be a strong temptation for any bank to try and
expand the circulation of its currency by lending cheaper than competing
banks; but it would soon discover that, insofar as the additional lending is
not based on a corresponding increase of saving, such attempts would inevitably
rebound and hurt the bank that
over-issued.”
Und
“Money is the one thing competition would not
make cheap, because its attractiveness rests on it preserving its 'dearness'.”
(S. 94)
Auf welche Weise soll in der Hayek-Welt überhaupt noch eine
Ausweitung der Marktanteile oder der Markteintritt neuer Wettbewerber möglich
sein? Jedenfalls nicht mit den zentralen uns vom Gütermarkt her vertrauten
Konkurrenzmethoden. Deswegen erwartet auch Hayek selber einen Wettbewerb nur
mit eher unwichtigen Zusatzdienstleistungen, wie der Übernahme der Buchführung
für die Unternehmen durch die Banken.
Und welche Bank wäre denn in unserem obigen
‚Überemissionsmodell‘ überhaupt diejenige, die „overissued“ hat? Bei ihm die, die den Preis gesenkt hat; aber wie
sonst soll sich z. B. ein neuer Wettbewerber einen Platz an der Sonne
verschaffen? Würde Hayek, dieser leidenschaftliche Verfechter einer freien
Marktwirtschaft, von VW die Drosselung der Produktion verlangen, weil Toyota
mehr Autos in den Markt drückt? Und die Autokäufer durch die Begrenzung des
Gesamtangebots daran hindern wollen, so viele Autos zu kaufen, wie sie möchten?
Dieser Vergleich mit einem echten
Anbieterwettbewerb erhellt hoffentlich, welch eine perverse Karikatur von
„Markt“ das Hayeksche Geldschöpfungssystem darstellt.
Auf diese Kritik hätte er vielleicht erwidert, dass die alten
und neu hinzukommende Banken eben austesten müssen (und dürfen), welche Währung
das Publikum am liebsten hält, bzw. welche Währung in welcher Menge.
Doch widerspräche das zum einen
das seiner oben zitierten eigenen Erwartung eines nur noch auf Randbereiche
reduzierten Wettbewerbs („Competition
between the issuing banks would concentrate on the avoidance of even minor
fluctuations of their value in terms of these commodities, the degree of
information provided about their activities, and various additional services
(such as assistance in accounting) offered to their customers.” - S. 127)
Und zum anderen wäre das Ganze ein höchst instabiles System,
das jeden Interessenten abschrecken müsste, zum ‚first mover‘ zu werden (weil
er ein kurzfristiges Verschwinden jeder neuen Währung als Möglichkeit
einkalkulieren müsste). Damit wären jedoch hohe Marktzutrittshürden für neue
Wettbewerber etabliert; jedem Marktwirtschaftler sollte angesichts eines
derartigen Pseudo-Marktes das Grausen kommen. Für die Profiteure, d. h. für die
Anteilseigner der Emissionsbanken, wäre es dagegen die Lizenz zum Geld drucken.
Das sieht auch Hayek selber so (S. 94):
“Though even very large profits of the successfully established issuers of
currency would not be too high a price for a good money, they would inevitably
create great political difficulties. Quite apart from the inevitable outcry
against the profits of the money monopoly, the real threat to the system would
be the cupidity of Ministers of Finance who would soon claim a share in them
for the permission to allow a currency to circulate in their country, which
would of course spoil everything.”
Da bei der Geldschöpfung ein Wettbewerb in den
Kerndisziplinen Preis und Menge nicht stattfinden soll, würde es sich aus
meiner Sicht anbieten, die Geldscheine auf einem Drittel der Fläche mit einem
Warnhinweis zu versehen: „Achtung: Beim
Geld fügt echter Wettbewerb Ihnen und den Personen Ihrer Umgebung schweren
Schaden zu“. J
Natürlich hätten die Wirtschaftssubjekte in der Realität auch
keineswegs die freie Wahl, welche Währung sie verwenden möchten:
·
Händler usw.
müssten dasjenige Geld akzeptieren, was ihre Kunden in der Tasche haben (das
erwartet auch Hayek: „Shopkeepers ….., so
long as they know they can instantaneously exchange any currency at a known
rate of exchange against any other, would be only too willing to accept any
currency at an appropriate price.” – S. 67) – oder auf das Geschäft
verzichten.
·
Arbeitnehmer müssten jedenfalls dort, wo es keine
Kollektivverträge gibt, eine Bezahlung in derjenigen Währung akzeptieren, die
der Arbeitgeber auswählt.
·
Aber auch bei Kollektivverträgen würden die
Arbeitgeber darauf bestehen, das Arbeitsentgelt in derjenigen Währung auszuzahlen,
in der sie (voraussichtlich) ihre Haupteinnahmen haben.
·
Mieter müssten in der vom Vermieter bestimmten Währung
bezahlen.
·
Natürlich lassen sich auch bei Dauerschuldverhältnissen
alle Währungsvereinbarungen ändern. Aber das geht zum einen nicht schnell, und
zum anderen setzt es das Einverständnis beider
Seiten voraus. Theoretisch könnten die Vertragsparteien zwar auch insoweit Abweichungen
vereinbaren; diese würden allerdings in aller Regel zu Gunsten der stärkeren
Partei ausfallen. Die Rechtsprechung würde solche Vereinbarungen zweifellos als
sittenwidrig einstufen, weil sie den wirtschaftlich Schwächeren benachteiligen
und ihm ein ggf. hohes (Wechselkurs-)Risiko aufbürden. Jedenfalls sollte
deutlich geworden sein, welch ein immenses Streitpotential die Parallelität
verschiedener Währungen in sich birgt.
·
Ebenso hätte der Staat die Entscheidungshoheit darüber,
in welcher Währung die Bürger ihre Steuern und Abgaben leisten müssen, und er
selber bezahlen will. (Das akzeptiert auch Hayek: „A
government must
of course be free to determine in
what currency taxes are to be paid and to make contracts in any currency it
chooses“ – S. 40.)
Ein Markt wie alle anderen ist das Geldsystem auch deshalb
nicht, weil seine Signale anderer Natur sind.
Wenn sich bei Schuhen die Sohle löst, dann weiß der Kunde,
dass hier wohl ein ungeeigneter Klebstoff verwendet und/oder die Sohle schlecht
angenäht war. Und kauft diese Marke nicht mehr.
Wenn jemand seinen Arbeitsplatz wegen einer
Geldmengenkontraktion verliert, dann sieht, hört, riecht, schmeckt oder fühlt
er das nicht. Der Ökonom mag ihm das erklären; verstehen wird das kaum jemand.
Sogar die Ökonomen selber haben das, für die Great Depression, ja lange Zeit
nicht verstanden und einige, darunter die Austrians, verstehen es bis heute
nicht.
Die verstehen auch nicht, woher die „stickiness“ der Preise
(darunter insbesondere der Löhne) kommt und dass die Menschen gute Gründe
haben, ihre jeweiligen Positionen zu verteidigen.
Zum einen rührt die fehlende Verzichtsbereitschaft daher,
dass die Wirtschaftssubjekte den Zusammenhang zwischen Geldmengenverknappung
und (potentiellem) Jobverlust (bzw. Forderung auf Lohnverzicht) überhaupt nicht
nachvollziehen können. Wäre unsere Wirtschaft eine sozialistische und würde,
nur mal angenommen, die Zentralbank der Firma monatlich eine bestimmte
Lohnsumme überweisen, dann wüssten die Arbeitnehmer oder könnten zumindest
unmittelbar einsehen, dass sie nicht mehr 100% Lohn bekommen können, wenn die
Zentralbank nur noch 50% der gesamten Lohnsumme überweist.
Für eine Marktwirtschaft könnte man zwar einen ähnlichen
Wirkmechanismus modellieren: Wenn die Firma nur noch reduzierte Kredite
bekommt. Aber woher weiß der Arbeitnehmer, dass das wegen bewusster
Geldverknappungspolitik der Banken geschieht? Und wird er das innerlich
akzeptieren, dass die Bank keinen Kredit mehr ausreicht, obwohl die Umsätze
unverändert sind?
Ein indirekter Kanal wäre ein Absatzeinbruch. Für den kommen
zahlreiche Erklärungen in Betracht: Modeänderungen, bessere oder billigere
Produkte der Konkurrenz usw. Die Erklärung „Geldmengenkontraktion“ ist für den
individuellen Horizont einfach zu abstrakt, um begriffen zu werden. Das
einzige, was die Arbeitnehmer begreifen können, ist: „Die wollen mir was
wegnehmen, jetzt heißt es kämpfen“.
Und kämpfen muss er schon deshalb, weil er ja selber ständig
Zahlungen leisten muss, für Güter, deren Preis nicht gefallen ist: Mieten,
Kreditzinsen, Lebensmittel usw. Es hilft ihm bei Lidl an der Ladenkasse nicht
weiter, wenn ihm ein Ökonom erklärt: „Also, wenn du heute auf 50% deines Lohnes
verzichtest, und alle anderen auch, dann sinken die Preise entsprechend und
dann kannst du dir am Ende genauso viel wie jetzt kaufen“.
Und ebenso wenig hilft es dem Unternehmer, der seine Preise
senken soll, aber zunächst noch unveränderte Kosten hat (und mit den
Kreditzinsen sogar Kosten, die sich definitiv nicht ändern werden).
Langfristig sind wir alle tot; aber bis dahin müssen wir
bezahlen, heute, morgen, übermorgen. Auf dem Papier sind
Geldmengenkontraktionen kein Problem: Dann müssen halt Löhne und Preise ebenso
fallen, und schon passt alles wieder. Aber ganz abgesehen davon, dass die
Propagandisten solcher Forderungen die Geldpreise selbstverständlich ausnehmen
(Zinsen, und erst Recht Tilgungen, aus laufenden Krediten werden von diesen
Kreisen nie als Problem erwähnt), ist es eben die Ungleichmäßigkeit der Änderungen,
die den Menschen gewaltige Probleme macht. Und sie dazu bringt (bzw. zwingt),
sich zunächst einmal gegen Absenkungen so lange und so heftig zu wehren, wie es
eben geht.
Werden im Krieg die Lebensmittel knapp, und werden sie
deshalb nur noch auf Marken zugeteilt oder die Rationen gesenkt, dann ist das
eine Form von Marktgeschehen, welche die Menschen begreifen können. Ebenso,
wenn eine Fluglinie bestreikt wird und sie deshalb nicht in Urlaub fliegen
können, oder ein Automobilhersteller bestreikt und sich dadurch die
Lieferfristen für ihr Auto verlängern.
Beim Geldwesen (das so ziemlich alle Laien und nicht wenige
Ökonomen ohnehin als eine Art von – faulem - Zauber ansehen) ist diese
Nachvollziehbarkeit für die Zusammenhänge von Vorgängen auf der Makroebene
(Geldmengenverknappung) mit denen der Mikroebene (Firmenpleite usw.) nicht
gegeben; das versteht einfach niemand. Geld wird ja auch nicht zugeteilt; das
muss man sich, in einer Marktwirtschaft, sowohl erarbeiten als auch erkämpfen.
Weil die Menschen beim Geld die Zusammenhänge weder verstehen
noch „brav“ darauf reagieren können (indem sie sozusagen in der Schlange
warten, bis sie ihre Zuteilung bekommen) ist es ausgesprochen naiv, brutal und
sogar gemeingefährlich, die gesamte Wirtschaft auf eine rigide Geldmengendiät
zu setzen, wie Hayek das vorschwebt. (Allerdings würden in der Realität die
Emissionsbanken wohl ohnehin rasch vom Pfad der Tugend abkommen, und so kräftig
wie möglich expandieren, also die Geldproduktion steigern. Und die Menschen
eher eine maßvolle Inflation hinnehmen, als leere Portemonnaies, oder massive
wirtschaftliche Verwerfungen.)
Aus meinen Befunden i. S. ‚Geldschöpfung + Markt‘ kann man
unterschiedliche Schlussfolgerungen herleiten:
·
dass die Marktgesetze für den Prozess der Geldschöpfung
nicht greifen oder
·
dass eine Geldschöpfung im Wettbewerb zwar eigenen
Marktgesetzlichkeiten unterliegt, aber trotzdem prima – und besser als das
bisherige zweistufige Geldschöpfungssystem aus Zentral- und Geschäftsbanken -
funktionieren würde.
So oder so ist jedenfalls festzustellen, dass unser bisheriges
Wissen über die Funktionsweise von Märkten die Spezifik eines
Geld-Wettbewerbssystems nicht
erklären kann. Die Darlegungs- und Beweislast, welchen besonderen Mechanismen
ein Wettbewerbs-Geldsystem unterliegt und welche Auswirkungen diese historisch
total neue Marktstruktur auf Motivation und Möglichkeiten von Anbietern und
Abnehmern hätte, liegt damit bei den Verfechtern eines solchen Systems.
Zumindest F. A. Hayeks Arbeit wird dieser Anforderung nicht einmal ansatzweise gerecht.
Seine Argumentation ist nicht weniger inkonsistent und undurchdacht wie diejenige
aller anderen „monetary cranks“ (Geldsystemphantasten oder Geldsystemspinner), gegen die er selber wettert.
Wobei noch anzumerken ist, dass beispielsweise Silvio Gesell und andere
Unterkonsumtionstheoretiker zumindest auf der richtigen Fährte waren und
realwirtschaftliche Probleme (Krisen durch Nachfrageschwäche) zu lösen
versuchten. Hayek behauptet zwar, dass allein schon die Kaufkraftstabilität des
Geldes größere Konjunkturausschläge verhindern würde:
·
Sehr
allgemein bereits auf S. 28: “… a
reliable money that will not periodically upset the smooth flow of the economy
….“.
·
Entschiedener
S. 99: „in the kind of competitive money
system we are here contemplating, a general deflation will be as impossible as
a general inflation.“
·
Und schließlich
S. 130: „The abolition of the government
monopoly of money ….. [would also be]
the much needed cure for ….. the recurrent waves of depression and unemployment
…“.
Aber sein System dient zunächst einmal eindeutig den
Interessen der Geldbesitzer. Seine Behauptungen, wonach die
Realwirtschaft profitieren würde (z. B. „If
the public understood what price in
periodic inflation and instability it pays for the convenience of having to
deal with only one kind of money ….. it would probably find it very excessive.
For this convenience is much less important than the opportunity to use a reliable money that will not periodically
upset the smooth flow of the economy …”. (S. 28)“), sind angesichts der o. a. Befunde (knappes
Geld, hohe Zinsen, schwankende Wechselkurse) nicht überzeugend.
Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? Emissionsbanken,
„Schmarotzerbanken“, Vollgeldsystem
In seiner Bibliographie erwähnt Hayek den amerikanischen „Austrian“ Murray Rothbard (S. 143, Nr.
52); allerdings nicht dessen Schrift "The Case for a 100 Percent
Gold Dollar"
(ursprünglich erschienen 1962). Rothbard (der eine Golddeckung fordert), spricht
sich mit nachvollziehbarer Begründung gegen einen totalen, aber auch gegen ein
in der Teilnehmerzahl begrenzten freien Währungswettbewerb aus (meine
Hervorhebungen):
"Logically, the ultimate in freely fluctuating fiat moneys is a
different money issued by each and every individual. We have seen that this could not come about on the free
market. But suppose that this came about by momentum from the present
system or through some other method. What then? Then we would have a world chaos indeed, with “Rothbards,”
“Yeagers,” “Joneses,” and billions of other individual currencies freely
fluctuating on the market. I think it would be instructive if some economist
devoted himself to an intensive analysis of what such a world would look like.
I think it safe to say that the world
would be back to an enormously complex and chaotic form of barter and that
trade would be reduced to a virtual standstill. For there would no longer
be any sort of monetary medium for exchanges. Each separate exchange would
require a different “money.” In fact, since money means a general
medium of exchanges, it is doubtful if the very concept of money would any longer apply. Certainly the indispensable economic
calculation provided by the money and price system would have to cease, since
there would no longer be a common unit of account. This is a serious and
not farfetched criticism of fiat-money proposals, because all of them introduce
some of this chaotic element into the world economy. In short, fluctuating fiat moneys are disintegrative
of the very function of money itself. If every individual had his own
money, the disintegration of the very existence of money would be complete; but
national — and still more regional and
local — fiat moneys already partially disintegrate the money medium. They
contradict the essence of the monetary function”.
Eine Atomisierung des Währungssystems
will auch bzw. erwartet Hayek nicht: “Clearly
not all banks would wish to issue, or probably could issue, a currency of their
own.” (S. 64; auch
für sein Modell geht Hayek also von einem irgendwie 2-stufigen Bankensystem
aus.) Während „fluctuating fiat moneys“
- Parallelwährungen - die Essenz seiner Vorschläge sind.
Seine Emissionsbanken könnten (rein technisch) (Basis-)Geld
nach Belieben schöpfen; wären also genau das, was heute die Zentralbanken
(Notenbanken) sind.
Die Geschäftsbanken will er dagegen an die kurze Leine nehmen.
Eine Schöpfung von Bankengeld soll weitestgehend unterbunden werden, denn
“…
the pyramiding of a superstructure of
circulating credit through other banks carrying cheque accounts and perhaps
even issuing notes in the denomination of the currency of the original issuer,
would interfere with the issuer's control over the value of his own currency.”
(S. 64)
Um den Emissionsbanken eine rigide Kontrolle über Geldmenge
zu sichern, sollen sie den Geschäftsbanken keinerlei Unterstützung gewähren:
“ ….. though private issuers will have to tolerate the appearance of
parasitic circulations of deposits and notes of the same denomination, they ought not to assist but rather
restrain it by making it clear .in advance that they would not be prepared
to provide the notes needed to redeem parasitic issues except against 'hard
cash', i.e. by sale against some other reliable currency. By adhering strictly
to this principle they would force the
secondary issuer to practice something very close to '100 per cent banking'.
(S. 65)
Seine Überlegungen laufen also auf ein Vollgeld-System hinaus, in dem es nur ‚echtes‘ Geld (i. S. v. Basisgeld, nicht von werthaltigem Warengeld) gäbe: Das von der/den Zentralbank(en) geschöpfte Basisgeld und ‚loanable funds‘, die von den Anlegern ausdrücklich zur Kreditvergabe bestimmt werden. (Aus diesen müssten bei ihm die längerfristigen Kredite kommen. Das wäre allerdings, streng genommen, das Ende der Fristentransformation durch die Geschäftsbanken: Eigentlich können Kredite dann nur noch fristenkonform mit der Einlagedauer vergeben werden. Wobei ich stark bezweifle, dass die Anleger ihr Geld für länger als ein Jahr festlegen würden. Hypothekenkredite usw. mit einer vieljährigen Laufzeit könnten dann kaum vergeben werden. Allerdings könnten und würden sich Unternehmen (wie in der angelsächsischen Welt schon jetzt), aber auch Banken, Kredit in diesem Geldregime wahrscheinlich über sehr lang laufende Anleihen beschaffen (müssen). Die Anleger könnten diese zwar nicht kündigen, jedoch an der Börse wieder in Geld ‚umtauschen‘. Eine Alternative für Banken wären auch die Collateral Debt Obligations (CDOs). Die sind zwar durch die US-Immobilienkrise ziemlich in Verruf gekommen. Wenn allerdings das Risiko der darin gebündelten Kredite bei den Banken bleiben und ständig in der Bilanz abgebildet würde, sollte diese Form der Kreditverbriefung eigentlich genauso problemlos funktionieren wie unsere deutschen Pfandbriefe.
Es fragt sich auch, wer überhaupt die nur kurzfristigen
Kredite überhaupt nachfragen würde, die von den Emissionsbanken ausgereicht
werden. Im aktuellen System sind das die Geschäftsbanken (im Verhältnis zur
Zentralbank). Indes hätten die in Hayeks hü-hott Geldmengenkontrollsystem keine
Verwendung für derartige „Zentralbankkredite“, weil sie sich nicht darauf
verlassen können, diese bei Bedarf prolongieren oder revolvieren zu können. Sie
könnten Kredite weitestgehend nur aus Kundeneinlagen vergeben (die außerdem
noch fristenkongruent sein müssten!). Und die Wirtschaft wird auch nur sehr
begrenzt kurzfristige Kredite nachfragen.
Jedenfalls ist auch das Bankensystem in Hayeks wunderbarer
neuer Geld-Welt weit weg vom Markt, wie wir ihn kennen und wo die Geldmenge (u.
U. zwar in einem Spannungsfeld mit der Geldpolitik der Zentralbank) weitgehend
von der Nachfrage determiniert und durch die Geschäftsbanken besorgt wird („endogene Geldschöpfung“).
Ich persönlich halte nichts vom „Vollgeld“. Aber nachdem Hayeks Vorstellungen auf
ein derartiges System hinauslaufen wäre es sehr viel logischer, dieses über
eine einzige (nationale, weltweite
oder wie auch immer gebietsmäßig abgegrenzte) Zentralbank zu organisieren,
anstatt über mehrere Konkurrenzbanken, die ihrer Geldpolitik jeweils nur einen
kleinen Ausschnitt des Preisgeschehens (und damit eine eng begrenzte
Perspektive) zu Grunde legen, deren Folgewirkungen jedoch das gesamte
Wirtschaftssystem auszubaden hätte.
Anstatt dass mehrere Emissionsbanken jede für sich (und zudem
noch im Ergebnis alle gegeneinander!) täglich hektisch an den Wechselkursen,
den Kreditmengen und den Zinsen herumschrauben, würde sich die „Monetative“ an einem breiten Preisindex
(wahrscheinlich genau wie jetzt die Zentralbanken an den Verbraucherpreisen)
orientieren und danach die Geldmenge und letztlich die Wirtschaft steuern. Und
das behutsam anstatt panisch mit täglichen Eingriffen, deren Effekte gar nicht
kontrollierbar wären, weil sie (wie jede Geldpolitik) erst mit Verzögerung
wirken.
Hayek würde wahrscheinlich entgegnen, dass diese Monetative
früher oder später unter die Räder der Regierungen geraten würde. Aber die
absolute politische Unabhängigkeit fordern auch zeitgenössische
Vollgeld-Apostel: Als Vierte Gewalt soll neben Legislative, Exekutive und Judikative
die „Monetative“
treten. Man kann natürlich bezweifeln, dass ein solches Arrangement von Dauer
wäre. Doch ich bin absolut sicher,
dass Hayeks Konkurrenzwährungssystem eine noch weitaus kürzere Lebensdauer
hätte. Wenn nämlich die Wirtschaftssubjekte (wahrscheinlich schon innerhalb
weniger Tage) erst einmal gemerkt hätten, in welch ein marktwidriges
Geldmengengefängnis sie dieses angebliche Marktgeld steckt, würden sie rebellieren.
Und nicht einmal die Deutschen würden eine Bahnsteigkarte kaufen, bevor sie
Revolution machen. J
Während Hayek an den meisten Stellen seines Buches den Staat,
und insbesondere das demokratische System (das es nicht lassen kann,
Wählerwünsche mit der Notenpresse zu finanzieren) für die Geldmengenvermehrung
und die Inflation verantwortlich macht, weist er auf S. 91 dem dualen
Banksystem und dem (ihm offenbar verwerflich erscheinenden) Wunsch nach „cheap credit“ die Schuld zu (meine
Hervorhebung):
“The ultimate victory of the advocates of the
centralization of the national note issue was, however, in effect softened by a
concession to those who were mainly interested in the banks being able to
provide cheap credit. It consisted
in the acknowledgement of a duty of the privileged bank of issue to supply the
commercial banks with any notes they needed in order to redeem their demand
deposits - rapidly growing in importance. This decision, or rather recognition
of a practice into which central banks had drifted, produced a most unfortunate
hybrid system in which responsibility
for the total quantity of money was divided in a fatal manner so that nobody was in a position to control it
effectively.” (S.
91)
Dreht man die Logik des letzten Satzes um dann ergibt sich,
dass ausgerechnet der Marktradikale Hayek eine straffe Kontrolle über die
gesamte Geldmenge verlangt. Dass diese Kontrolle bei ihm in den Händen mehrerer
konkurrierender ‚Zentralbanken‘ liegen soll, macht die Sache nicht besser –
sondern ökonomisch noch weitaus verheerender. Und ändert nichts daran, dass
sich die Einzelmaßnahmen genau wie bei einer einheitlich denominierten
Geldmenge zu einer systemischen Gesamtwirkung aufaddieren (bzw. bei ihm sogar:
hochschaukeln) würden.
Der Marktfreund Hayek muss wohl einen ziemlichen Brass auf
die Geschäftsbanken gehabt haben, wenn er sie als Parasiten ansieht (in seinem
System; im Umkehrschluss aber offenbar auch schon gegenwärtig?):
Would parasitic currencies prevent control of currency value? A more difficult
question, the answer to which is perhaps not so clear, is how far the
unavoidable appearance of what one may call parasitic currencies, i. e. the
pyramiding of a superstructure of circulating credit through other banks
carrying cheque accounts and perhaps even issuing notes in the denomination of
the currency of the original issuer, would interfere with the issuer's control
over the value of his own currency. So long as such parasitic issues were clearly labeled as debts to be paid in the
currency of the issuer it is difficult to see how this could be or should be
prevented by law. (S 64)
Die Formulierung „… the
pyramiding of a superstructure of circulating credit …“ deutet darauf hin,
dass er die derzeitige Form der (Banken-)Geldschöpfung für ein Pyramidenspiel
(Wikipedia: Schneeballsystem) hält. Was es natürlich nicht ist. Aber die Geldschöpfung durch die
Geschäftsbanken scheint ihm verhasst zu sein.
“… the concept
of the quantity of money of a country or territory has strictly no meaning in such a system [of “concurrent currencies”] since we can add the quantities of the
different monies in circulation only after we know the relative value of the different
units.” (S. 45)
Was will uns der Meister damit sagen? Das „strictly“ ist linguistisch eine
Einschränkung: ‚Im engeren Sinne gilt die Geldmengentheorie zwar nicht, im
weiteren Sinne aber doch‘. Und der Hinweis darauf, dass man die Menge der
verschiedenen Währungen sehr wohl addieren kann, aber natürlich unter
Berücksichtigung der Wertunterschiede, spricht dafür, dass er die Gültigkeit
dieser Theorie letztlich doch auch für sein System akzeptiert.
Auch die folgende Passage kann man nur verstehen i. S. v. ‚Die
Geldpolitik der einzelnen Banken reguliert zugleich die Geldmenge im Gesamtsystem‘:
„…
one could trust the issuing banks to make
every effort to achieve [Preisstabilität für ihre eigene Währung] ….. the issuing institution could achieve this
result by regulating the quantity of its
issue …..and (d) such a regulation of the quantity of each currency would
constitute the best of all practicable methods of regulating the quantity of media of exchange for all possible purposes.“
(S. 52)
Doch auf S. 80 bezeichnet er sie als gänzlich unbrauchbar für
ein Parallelwährungssystem:
Where I·differ from the majority of
other 'monetarists' and in particular from the leading representative of the
school, Professor Milton Friedman, is that I regard the simple quantity theory
of money, even for situations where in a given territory only one kind of money
is employed, as no more than a useful rough approximation to a really adequate
explanation, which, however, becomes wholly
useless where several concurrent distinct kinds of money are simultaneously in
use in the same territory.
Ausführlich behandelt er die Frage auf S. 76 ff:
The usual assumptions of monetary
theory, that there is only one kind of currency, the money, and that there is no sharp distinction between full
money and mere money substitutes, thus disappear. So does the applicability
of what is called the quantity theory of the value of money - even as a rough approximation
to a theoretically more satisfactory explanation of the determination of the value
of money, which is all that it can ever be. (S. 76)
Natürlich gibt es im Konkurrenzwährungssystem mehr als eine
Währung; daraus folgt aber nicht, dass die Währungen nicht als Geld-Gesamtheit
in mehr oder weniger gleicher Weise wirksam werden könnten, wie eine Monopolwährung.
Völlig unklar ist mir, wieso durch die Einführung eines
Parallelwährungssystems die scharfe Trennung zwischen Geld im engeren Sinne und
Geldsubstituten entfallen sollte. Solange man die Währungen gegeneinander
umtauschen kann, sind sie allesamt vollgültiges Geld.
[S. aber unten, zu S. 77: „There will be different demands …“,]
The quantity theory presupposes, of
course, that there is only one kind of money in circulation within a given
territory, the quantity of which can be ascertained by counting its homogeneous
(or near-homogeneous) units. But if the
different currencies in circulation within a region have no constant relative
value, the aggregate amount in circulation can only be derived from the
relative value of the currencies and has no meaning apart from it. (S. 76/77.)
Das ist natürlich richtig. Aber sobald die Währungen kaufkraft-
oder wechselkursgewichtet (welche der beiden Umrechnungsoperation
Gesamtgeldmenge am besten erfasst, lasse ich offen) addiert sind, ergeben sie
eben doch wieder eine Geldmenge. Und
das nicht nur auf dem Papier: Sie wirken
auch als eine Geldmenge. So könnte
man etwa einen Kredit, den die eine Emissionsbank verweigert, bei einer anderen
aufnehmen. Wenn dagegen alle gemeinsam ihr Geldangebot verknappen, wären
Kredite nirgends mehr erhältlich.
“A theory which is of use only in a
particular situation, even if it happened to prevail during a long period,
evidently suffers from a serious defect. Though we are apt to take it for
granted, it is by no means of the essence of money that within a given
territory there should exist only one kind, and it is usually true only because
governments have prevented the use of other kinds. Even so, it is never fully
true because there are always significant differences in the demand for
different forms of money and money substitutes of varying degrees of liquidity.”
(S. 77)
Das alles liegt total neben der Kernfrage, ob er die
Geldmengentheorie auch für sein System anerkennt oder nicht. Denn dass die
Geldmengentheorie unter der (expliziten oder stillschweigenden?) Annahme einer
Monopolwährung konzipiert wurde beweist in keinster Weise, dass sie nicht auch
auf ein Parallelwährungssystem anwendbar wäre.
There will be different demands for
the different kinds of currency; but since these
different currencies will not be perfect substitutes, these distinct
demands cannot be added up into a single sum. (S. 77)
Und
“My fundamental objection to the adequacy of
the pure quantity theory of money is that, even with a single currency in
circulation within a territory, there is, strictly speaking, no such thing as
the quantity of money ….. This objection becomes of decisive importance, of
course, when we contemplate different concurrent currencies.” (S. 81)
Hier fragt sich
·
wie sich eine Nachfrage nach Geld in der Praxis äußert
bzw. überhaupt äußern kann und
·
warum die unterschiedlichen Währungen sich nicht
gegenseitig perfekt vertreten können, also keine „perfect substitutes“ füreinander sein sollen.
Um meine anschließenden Betrachtungen vorwegzunehmen: Hayek
selbst geht davon aus, dass seine Konstruktion uns ein mehr oder weniger
perfektes Geldsystem bescheren würde. Das kann natürlich nur dann eintreten,
wenn sich (nach einer evtl. etwas chaotischen Einführungszeit) alle
Emissionsbanken perfekt verhalten. Weil die Geldnutzer im Wettbewerb nach Hayek
schlechtes Geld auf längere Sicht ablehnen würden, kann es überhaupt keine
inflationären oder deflationären Währungen geben. Mit einer gegenteiligen
Annahme würde man eine Kernannahme seines Modells negieren. Es wäre irrational
ein unerprobtes System einzuführen, wenn wir nicht selber davon überzeugt
wären, dass im Wettbewerb nur das (in Hayeks Sinne) beste Geld überleben würde.
Wenn aber alle Währungen mehr oder weniger gleich gut sind, sind sie
selbstverständlich perfekte Substitute
füreinander. Falls er oben sagen wollte, dass die Währungen nicht
beliebig gegeneinander eintauschbar sind, stände das auch im Widerspruch zu S.
63: „It is true that, so long as the
currencies are almost instantaneously exchangeable against one another at a
known rate of exchange, the relative prices of commodities in terms of them
will also remain the same.“ Wenn es keine jederzeitige Umtauschbarkeit (natürlich zu
schwankenden Kursen) gibt, dann wären scheinparadoxe Situationen
vorprogrammiert, in denen ‚Geldbesitzer ohne Geld dastehen‘: Wenn sie die
‚falsche‘ (am Markt nicht akeptierete) Währung in Händen halten. Würde man also
Hayeks o. a. Aussage ernst nehmen, wonach „these
different currencies will not be perfect substitutes“, dann könnte man sein
ganzes Modell in die Tonne treten. Aber nicht nur an dieser Stelle vermisse ich
bei ihm eine rigorose Stringenz und stelle fest, dass er sich Sachverhalte so
herrichtet, wie er sie für den jeweils anstehenden Argumentationszusammenhang
braucht. Unbekümmert darum, ob das in anderen Systemzusammenhängen Sinn macht,
oder überhaupt logisch möglich ist.
Wenn man DM besitzt, jedoch eine Verbindlichkeit in Neumark hat,
muss die jederzeitige Umtauschbarkeit gewährleistet sein. Ein vollständiges Wettbewerbssystem
wäre dann gegeben, wenn Wirtschaftssubjekte permanent die Wahlfreiheit hätten,
welche Währung sie für diese oder jene Transaktion benutzen möchten. Aber auch
in einem System, in welchem die eigene Währungswahl durch die Entscheidungen
anderer eingeschränkt ist, muss zumindest ein Umtausch jederzeit möglich sein.
„But if we assume that issuers of
currency continually compete with one another for additional users of their
currency, we cannot also assume, as the quantity theory can
assume with some justification with respect to a currency of a single
denomination, that there exists a fairly
constant demand for money in the sense that the aggregate value of the total
stock will tend to be approximately constant (or change in a predictable
manner with the size of the population, the gross national product, or similar
magnitudes). (S. 77)
“… if we assume that issuers of
currency continually compete with one
another for additional users of their currency” kann ich nur so verstehen, dass er
von ständigen Expansionsbestrebungen der Emissionsbanken ausgeht, also vom
Kampf um Marktanteile durch Produktionsausweitung, wie er auf normalen Märkten üblich
ist. Zwar ist eine individuelle Ausweitung auch ohne Änderung der aggregierten
Geldmenge möglich, nämlich durch den Eintausch fremder Währungen. Aber Hayek
unterstellt ja anscheinend selber, gegen die Geldmengentheorie gerichtet, für
sein System eine Geldmengenausweitung. Außerdem verdienen die Banken am
Umtausch nur eine bescheidene Wechselgebühr und riskieren sogar Verluste, falls
die angekauften Fremdwährungen abwerten.
Auch seine Erwartung auf S. 94, wonach sich der Wettbewerb
der Emissionsbanken über das Angebot zusätzlicher Dienstleistungen –
Outsourcing der Buchhaltung der Unternehmen an die Banken – vollziehen würde, steht
der Annahme einer Geldmengenänderung nicht entgegen. Dass der Wettbewerb nicht
über den Preis laufen soll ändert nichts am unternehmerischen Ziel der
Emissionsbanken, den eigenen Währungsbereich auszuweiten. Und im Erfolgsfalle
nichts am Ergebnis, dass die eigene Geldmenge am Markt vergrößert würde.
Ansonsten verstehe ich nicht, was Hayek uns hier sagen will. Dass
Änderungen des Sparverhaltens auch Geldmengenänderungen bedingen können (und
müssen), erkennt hoffentlich auch die Friedmansche Geldmengentheorie. Und
dieser Zusammenhang gilt für Monopolwährungen genauso wie für sein Geldsystem.
Auf jeden Fall scheint er hier stillschweigend zu unterstellen,
dass die (gewichtete) Summe der Einzelwährungen höchst instabil wäre. Es gibt
jedoch keinen Grund, warum in seiner Welt die ‚Systemgeldmenge‘ nicht
einigermaßen konstant sollte. Tatsächlich wäre ein ständiges starkes Schwanken
sogar fatal für das Funktionieren seiner Konstruktion.
Am 10.02.2015, lange vor der jetzigen Lektüre von Hayeks „Entnationalisierung des Geldes …..“ (so der Titel
der deutschen Buchausgabe; besser hieße es wohl: „Entstaatlichung des Geldes“ oder „Privatisierung
der Geldschöpfung“), hatte ich in meinem Blott „Eine Geldmenge gibt es nicht“ eine Unterscheidung vorgenommen zwischen
·
Geldeinheitenmenge und
·
Geldkaufkraftmenge (oder Geldwertmenge).
Diese Differenzierung kommt mir hier zuhanden. Für ein
Konkurrenzwährungssystem müssten wir sie eigentlich noch um eine 3. Kategorie ergänzen,
nämlich die „wechselkursgewichtete
Geldmenge“. Da aber Hayek die Umtauschkurse auf längere Sicht offenbar als
weitgehend übereinstimmend mit den Kaufkraftrelationen sieht, unterstelle ich
hier, dass die Wechselkurse den Kaufkraftverhältnissen entsprechen.
Im Modell hätten wir dann z. B. folgende Konstellationen:
1. Ausgangsszenario:
10 DM + 10 Neumark ergeben bei pari Kurswert 20 Geldeinheiten = 20 Kaufkrafteinheiten.
2. Variante:
DM-Inflation (2 DM = 1 Neumark); sonst unverändert. Somit hätten wir zwar nach
wie vor 20 Geldeinheiten im System, aber nur 15 Kaufkrafteinheiten.
3. Um einen
Preisverfall mit den entsprechenden negativen Folgen zu verhindern, müssten wir
10 DM oder 5 Neumark ins System pumpen.
Egal, wie man es dreht und wendet: Wenn Hayeks Konstrukt überhaupt
funktioniert, dann tut es das im Ergebnis selbstverständlich ebenso mit EINER
(System-)Geldmenge, wie jedes Einheitswährungssystem auch.
Tatsächlich schreibt er auf S. 36:
“… we know today that it is possible to control the quantity of a currency so as to prevent significant fluctuations in its purchasing power.”
Dort geht es zwar um staatlich emittiertes Geld; aber warum das für sein System nicht gelten soll, hat er nicht überzeugend dargelegt und seine gegenteilige ‚Beweisführung‘ steht, wie oben gezeigt, im Widerspruch zu seinen sonstigen Annahmen.
Auch der Kausalzusammenhang, den er auf S. 64 herstellt (wenn
eine Bank überemittiert, sollen die anderen ihre Geldmenge einschränken, um die
Preise stabil zu halten), geht implizit von einer (kaufkraft- bzw. kursgewichteten) Systemgeldmenge aus:
“… it would not be possible for a bank to
pull down the real value of other
currencies by over-issue of its
currency - certainly not if their
issuers are prepared, so far as necessary, to counter such an attempt by temporarily curtailing their issues.”
„….. the bank would have to issue its
currency largely through lending …..” (S.47).
Wenn der größte Teil der emittierten Geldmenge nicht durch
Umtausch einer Alt-Währung erfolgen würde, sondern kreditär, dann würde durch
die Einführung des Konkurrenzgeldes die Systemgeldmenge (die verschiedenen
Währungen unter Berücksichtigung der Umtauschkurse zu einer Geldmenge addiert) steigen
(sofern die Kredite in der Altwährung nicht entsprechend abnehmen). Denn durch
Bankkredite wird ja Geld (und damit Kaufkraft) geschöpft, während beim Umtausch
lediglich eine am Markt bereits vorhandene Kaufkraft in einer anderen Währung
denominiert wird. Die Geldmengentheorie kümmert sich nicht darum, ob Hayek sie
für sein Geldschöpfungssystem akzeptiert oder nicht: Ihre (hier: negative) Wirkung
würden die Teilnehmer seines Experiments sehr rasch zu spüren bekommen.
„A real difficulty could arise if a sudden
large increase in the demand for such a stable currency, perhaps due to some
acute economic crisis, had to be met by selling large amounts of it against
other currencies. The bank would of course have to prevent such a rise in the
value and could do so only by increasing its supply. But selling against other
currencies would give it assets likely to depreciate in terms of its own
currency. It probably could not increase its short-term lending very rapidly,
even if it offered to lend at a very low rate of interest-even though in such a situation it would be safer to
lend even at a small negative rate of interest than to sell against other
currencies.“ (Anm.
1, S. 50/51)
Hayek schlägt hier vor, dass die Neubank bei einer heftigen
Nachfrage nach ihrer Währung diese nicht durch Verkauf gegen alte Währung
befriedigen soll, sondern durch Kreditvergabe, notfalls zu Negativzinsen.
Dabei übersieht er, dass eine solche Geldschöpfung die
umlaufende Systemgeldmenge massiv („large
amounts“) ausweiten würde, weil die alten Währungen ja nicht eingetauscht
werden und somit im Markt bleiben. Sie könnten auch nicht im Kurs fallen (und
dadurch die gewichtete System-Geldmenge verringern). Die Neubank müsste nämlich
in diesem Falle, wo Kursänderungen nicht durch Kaufkraftänderungen bedingt
wären, sondern lediglich durch veränderte Währungspräferenzen, auf
Kursstabilisierung der Konkurrenz-Währungen hinarbeiten. Das jedenfalls wäre der
Ausgangsstand; auf Dauer käme es in diesem Szenario wegen der stark erweiterten
Gesamtgeldmenge natürlich zu Preissteigerungen. In welchen Währungen (oder in
allen) ist nicht vorhersehbar; somit auch nicht, welche Emittenten welche
anderen Währungen abzuwerten versuchen müssten.
Auf jeden Fall würde sich auch hier rasch erweisen, dass für
die Preisentwicklung tatsächlich die GesamtgeldWERTmenge entscheidend wäre.
“It seems to me to be fairly certain that
(a) a money generally expected to
preserve its purchasing power approximately constant would be in continuous
demand so long as the people were free to use it,
(b) …..
(c) the issuing institution could
achieve this result by regulating the quantity of its issue, and
(d) such a regulation of the quantity
of each currency would constitute the best of all practicable methods of regulating the quantity of media of
exchange for all possible purposes.” (S. 52)
Im Punkt d) geht Hayek eindeutig davon aus, dass die
unterschiedlichen Währungen sich ökonomisch wie eine Gesamt-Geldmenge auswirken
(was sie in der Tat auch sind).
“Though the popular tendency in
economics to accept only statistically testable theories has given us some useful
gross approximations to the truth, such as the
quantity theory of the value of money, they have acquired a quite
undeserved reputation. The idea
discussed in the text makes most quantitative formulations of economic theory
inadequate in practice. To introduce sharp distinctions which do not exist
in the real world in order to make a subject susceptible to mathematical
treatment is not to make it more scientific but rather less so. (S. 57, aus Anm. 1)
In dieser Passage steht er der Geldmengentheorie zwar
kritisch gegenüber. Die angeführten Gründe sind aber allgemeiner Natur;
betreffen also die Theoriegeltung generell, nicht die Anwendbarkeit spezifisch
auf sein System. Und vermutlich hat er Recht damit, dass es unmöglich ist, auf
mathematischem Wege die (Un-)Richtigkeit seiner Überlegungen zu beweisen. Aber
so viel lässt sich aus der Geldmengentheorie doch auch für die Hayek-Welt
ableiten, dass (bei unverändertem Hortungsverhalten und Warenangebot) Erhöhungen
der Systemgeldmenge (gewichtete Geldmenge, also nicht unbedingt mit der
nominalen identisch!) grundsätzlich auch Preissteigerungen zur Folge haben (soweit
die preistreibenden Elemente von der Nachfrageseite kommen – also die Kunden
und/oder der Staat mehr kaufen) oder mit diesen parallel gehen (wenn die
Geldmengenausweitung eine Folge von angebotsseitigen Kostensteigerungen ist –
also z. B. bei über die Produktivitätssteigerung hinausgehenden
Lohnsteigerungen).
[Einschub:
Hayek allerdings führt alle
Preissteigerungen auf ein Überangebot an Geld zurück: „I agree that all inflation is
what is now called 'demand-pull' inflation, and that there is, so far as
the economic mechanism is concerned, no
such thing as a 'cost-push' inflation - unless one treats as part of the
economic causation the political decision to increase the quantity of money in
response to a rise of wages which otherwise would cause unemployment.” (S.
79)]
“A stable price level ….. demands …..
that the quantity of money (or rather
the aggregate value of all the most liquid assets) be kept such that people
will not reduce or increase their outlay for the purpose of adapting their
balances to their altered liquidity
preferences.” (S. 81)
Dieses Zitat stammt aus einem Zusammenhang, in dem Hayek
zwischen absoluter und kaufkraftwirksamer Geldmenge unterscheidet und (zu
Recht) darauf hinweist, dass die absolute Geldmenge schwanken kann (und zur
Stabilhaltung von Preisen und Produktion sogar schwanken muss), wenn sich,
ceteris paribus, das Hortungsverhalten der Wirtschaftssubjekte ändert (vgl. ausführlich
mein folgendes Kapitel „Diktatur des
Monetariats: Schlaraffenland für Schmarotzer?“).
Dieser Zusammenhang lässt sich aber nicht auf eine einzelne
Währung beschränken: Wenn die DM-Nutzer mehr Scheine unters Kopfkissen legen,
dann kann zwar der DM-Emittent seine Geldmenge ausweiten. Aber ebenso gut
könnte der Neumark-Emittent in die Bresche springen. (Und natürlich gilt er in
gleicher Weise bei einer Einheitswährung.)
Das sieht Hayek an
dieser Stelle auch selber so, indem er “the quantity of money” gleichsetzt mit “the aggregate value of all the
most liquid assets“. Jedenfalls kann ich mir unter „all
the most liquid assets“ bei ihm nichts anderes als die Summe der
Konkurrenzwährungen vorstellen.
“….. most unfortunate hybrid system in which responsibility for the total quantity of
money was divided in a fatal manner so that nobody was in a position to
control it effectively.” (S. 91)
Diese Kritik an einem System, wo (angeblich) niemand an einem
Hebel sitzt, um die gesamte Geldmenge zu kontrollieren, bezieht sich zwar auf
die Einheitswährungssysteme. Aber Hayek legt nirgends überzeugend dar, dass nicht
auch in seinem Parallelwährungssystem die verschiedenen Währungen in der
(gewichteten) Summe als Gesamt-Geldmenge,
als „total
quantity of money“ auf die
Wirtschaftstätigkeit und das Preisniveau wirken würden.
Dogmatisch begründet Hayek seine Ablehnung der
Geldmengentheorie mit dem vermeintlich adäquateren „Cash balance approach“. Die Darstellung in dem Aufsatz
„Cash Balance Approach: Explanation,
Superiority and Criticism“ sieht mir stark nach „Kopfkissensparen“ von Bargeld aus [„The community’s total demand of money
balances constitutes a certain proportion of its annual real national income
which the community seeks to hold in the form of money (liquid cash).”] Aber einen wesentlichen Unterschied
zur Geldmengentheorie kann ich aus diesem recht abstrakten Text nicht erkennen;
da müsste man wahrscheinlich tief in die Feinheiten der beiderseitigen
Argumente einsteigen. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass auch der Cash Balance
Approach keine starre Geldmenge unterstellt, sondern je nach Hortungsverhalten
einen fluktuierenden Geldschöpfungsbedarf anerkennt. Zumindest sehe ich nicht,
dass eine solche Annahme im Widerspruch zur Geldmengentheorie stehen würde.
Und tatsächlich lese ich in
dem o. a. Artikel: “To this extent the
approach is similar to Fisher’s, but the
emphasis is on want to hold, rather than on have to hold. This is the basic
difference between the Cambridge monetary theory and Fisher’s framework.” Solche Subtilitäten erinnern mich freilich
unangenehm an den berüchtigten Scholastikerstreit um die Anzahl der Engel auf einer
Nadelspitze.
Hayeks eigene Ausführungen S. 77 – 79 machen mich ebenso wenig
schlauer (d. h., ich kann mir kein Denkmodell daraus bilden). Was
er als Beispiel aufführt:
„There may be little demand for (but large
supply of) depreciating currencies, there will, we hope, be an equality of
demand and supply for stable currencies (which is what will keep their values
stable), and a large demand for (but little supply of) appreciating currencies“
(S. 77/78)
ist eine abstrakte Konstruktion, die seinen ganzen sonstigen
Behauptungen widerspricht, d. h. real bei ihm gar nicht vorkommen dürfte. Denn
danach dürfte es früher oder später gar keine (stärker) ab- oder aufwertenden
Währungen geben, weil seine privaten Emissionsbanken jede für sich ihre eigenen
Indizes preisstabil halten und damit zugleich auch das gesamte Geldsystem
stabil bleibt. DAS ist ja doch das (von ihm für realistisch gehaltene) Ziel
seiner Vorschläge; einen „large supply of
depreciating currencies“ kann es bei ihm auf Dauer gar nicht geben, weil er
andererseits unterstellt, dass solche Geldemittenten über kurz oder lang aus
dem Markt verdrängt würden. (Sogar im gleichen Satz erwartet er ja, dass es „little demand“ für solche Währungen
geben würde und auf S. 66 schreibt er: „…
it is my thesis that the public would
select from a number of competing private currencies a better money than governments provide“.)
Hilfreich für mich ist der Wikipedia-Eintrag unter der etwas
abweichenden Bezeichnung „Cambridge equation“:
„The Cambridge equation
formally represents the Cambridge cash-balance theory, an alternative
approach to the classical quantity
theory of money.
Both quantity theories, Cambridge and classical, attempt to express a
relationship among the amount of goods produced, the price level, amounts of
money, and how money moves. The
Cambridge equation focuses on money demand instead of money supply. The theories
also differ in explaining the movement of money: In the classical version,
associated with Irving Fisher, money moves at a fixed rate and serves only as a
medium of exchange while in the Cambridge approach money acts as a store of
value and its movement depends on the desirability of holding cash.”
Aber der bestätigt gerade, was mir ohnehin klar war: Dass es
sich auch dabei um eine Geldmengentheorie handelt („Both quantity theories, Cambridge and classical …..“).
Deswegen lässt sich auch aus
der Cash-balance-Version der Geldmengentheorie nicht logisch herleiten, dass „There would ….. be no single quantity the
magnitude of which could be said to be decisive for the value of money.”
Es mag ja zutreffen, dass “The cash balance approach directs attention
to the crucial causal factor, the individuals' desire for holding stocks of
money” während die “velocity of
circulation” für sich genommen einen geringeren Erklärungswert hat, solange
man nicht auch auf das Hortungsverhalten abstellt.
Aber das alles hat nichts mit dem entscheidenden Punkt zu
tun, dass auch beim Konkurrenzgeld Mengen- und Kaufkraftänderungen der
Einzelwährungen die anderen Währungen und die Wirtschaftsleistung beeinflussen
und die wirtschaftliche Wirkung einer (gewichteten) Systemgeldmenge entfalten.
(Wobei hier offen bleiben kann, ob bei einem Auseinanderklaffen die
Wechselkurse oder die Kaufkraftrelationen der determinierende Faktor für die
Gesamtwirkung aller Währungen wären.)
Und wieso der Cash balance approach besser als die Geldmengentheorie (von Irving Fisher oder Milton
Friedman) geeignet sein soll zu erklären, dass Geldmengenänderungen das
Preisniveau nicht gleichmäßig anheben, sondern einzelne Preise mehr als andere (so
verstehe ich seine Ausführungen auf S. 78 Abs. 2), bzw. was diese Theorien
überhaupt mit solchen Details zu tun haben, erschließt sich mir nicht. (Vgl.
dazu auch Ziff. 7 des Aufsatzes „13 Criticisms faced by the Cash
Balance Approach to the Quantity Theory of Money“.)
Jedenfalls: Falls Hayek mit seiner Kritik an der
Geldmengentheorie sagen wollte, dass sein System sich nicht
mathematisch-formelhaft darstellen lässt, dann hat er zweifellos Recht.
Unrecht hat er wenn er behaupten wollte, dass die
verschiedenen Währungen in ihren je eigenen Monaden existieren können und
nicht, genau wie die Einheitswährung, letztlich doch als eine einheitliche
Geldmenge wirken.
Insgesamt machen seine einschlägigen Überlegungen Seite 76
ff. auf mich allerdings ohnehin mehr den Eindruck von ‚Was ich schon immer mal sagen wollte‘, als den einer zielführenden
Argumentation für die Durchführbarkeit und die Überlegenheit seines
Geldschöpfungssystems.
“If increases or decreases of the quantity of money never exceeded the
amount necessary to keep average prices approximately constant, we would come
as close to a condition in which investment approximately corresponded to
saving as we are likely to do by any conceivable method.” (S. 87)
An dieser Stelle stellt Hayek ganz selbstverständlich auf die
Geltung der Geldmengentheorie auch für sein System ab.
Im Übrigen sehe ich nicht, wie man die hier behauptete
(ungefähre) Identität zwischen „saving“
i. S. v. Geldsparen (anders kann es nicht gemein sein) und Investitionsausgaben
mit dem von ihm mehrfach erwähnten „desire
of the public to hold ….. currency“ v. S. 59 in Übereinstimmung bringen
kann. Denn „saving“ steht an dieser Stelle für das Ausgeben von Geld (für Investitionszwecke, aber das ist hier
unerheblich), während beim „Halten“ von Geld in seiner Argumentation gerade das
Nicht-Ausgeben entscheidend ist: Je
mehr von einer Währung die Nutzer ‚bunkern‘ (also weder für Konsum noch für
Investitionen ausgeben!), desto mehr davon kann die Bank (kaufkraftneutral)
emittieren. (Vgl. auch unten im Kap. „Diktatur
des Monetariats …“ meine Erörterungen zum „Kopfkissensparen“.)
“… so long as good and bad currencies
circulate side by side, the individual cannot wholly protect himself from the
harmful effects of the bad currencies by using only the good ones in his own
transactions. Since the relative prices
of the different commodities must be the same in terms of the different
concurrent currencies, the user of a stable currency cannot escape the effects
of the distortion of the price structure by the inflation (or deflation) of
a widely used competing currency”. (S. 89)
Auch hier legt er implizit die Gültigkeit der
Geldmengentheorie zu Grunde.
Mein zusammenfassender Eindruck von Hayeks Diskursstrategie
zu diesem Punkt ist der, dass er abstrakt
die Gültigkeit der Geldmengentheorie für sein Modell ablehnt. Während seine konkreten Modellüberlegungen sie immer
wieder stillschweigend anerkennen.
Ich könnte mir vorstellen, dass dahinter (bewusst oder
unbewusst) die Furcht steht, dass man sein System sozusagen als ein
‚aufgesplittetes‘ (und damit unnötig verkompliziertes) Zentralbanksystem einstufen
könnte. Genau wie ich (rein argumentativ; real halte ich nichts davon) im
vorigen Kapitel könnten auch andere auf die Idee kommen, an die Stelle seines
hochkomplizierten (und wegen innerer Widersprüchlichkeit von vornherein zum
Scheitern verurteilten) Parallelwährungssystems einfach eine wirklich
unabhängige Zentralbank („Monetative“)
zu setzen. Vielleicht will er sein System gegen solche Vereinfachungen
immunisieren, indem er einen Fundamentalunterschied behauptet, der real nicht
existiert.
“It is, of course, taken for granted here
that the average prices in terms of a currency can always be controlled by
appropriate adjustments of its quantity. Theoretical analysis and experience seem
to me alike to confirm this proposition.” (S. 95)
Auch hier bestätigt Hayek die Anwendbarkeit der
Geldmengentheorie auch für sein System. An dieser Stelle zwar nur für jede
einzelne Währung (bzw. eine Alleinwährung); weil er aber im 1. Satz auf
derselben Seite („Neither a general increase …“ – S. 95;
Hervorhebung im Original) davon ausgeht, dass die Wettbewerbswährungen das
Preisniveau auch insgesamt stabilisieren würden, bestimmt auch dort die
(System-)Geldmenge die Kaufkraftstabilität.
“There neither would exist a
definable quantity of money of a nation or region …” (S. 101)
Ist, wie oben gezeigt, falsch. Selbstverständlich addieren
sich die einzelnen Geldmengen in ihrer gesamtwirtschaftlichen Wirkung zu einer
(kaufkraft- oder wechselkursgewichteten, das sei dahingestellt)
Gesamtgeldmenge. Von einer solchen geht Hayek, wie ebenfalls oben gezeigt, an
zahlreichen Stellen ja auch selber aus.
“the lending for investment purposes
of all the banks together, if it was not to drive up the price level, could not
exceed the current volume of savings …..“ (S. 107)
Diese Aussage macht nur dann Sinn, wenn man (zutreffend)
unterstellt, dass die Summe der verschiedenen Währungen wie eine einheitliche
Geldmenge wirkt.
Darüber, inwieweit sich eine echte Parallel-Währungskonkurrenz
in seinem System entwickeln würde (d. h. auf welchen räumlichen und/oder
Nutzer-bezogenen Ebenen Währungen voraussichtlich exklusiv bzw. parallel
genutzt werden) macht Hayek zwar keine unmittelbar widersprüchlichen, aber doch
sehr unterschiedlich nuancierte Angaben. Und zwar abhängig davon, welchen
Sachverhalt er gerade in den Vordergrund rücken und dem Leser schmackhaft
machen möchte.
“If the public understood what price in
periodic inflation and instability it pays for the convenience of having to
deal with only one kind of money in ordinary transactions, and not occasionally to have to contemplate the
advantage of using other money than the familiar kind, it would probably find
it very excessive. For this convenience is much less important than the
opportunity to use a reliable money that will not periodically upset the smooth
flow of the economy …”. (S. 28)
Die Probleme, die ein Parallelwährungssystem vorhersehbar für
die Geldnutzer mit sich bringen würde, verharmlost Hayek durch die Annahme,
dass diese nur gelegentlich („occasionally“)
mit anderen Währungen als denjenigen ihrer üblichen Verwendung in Berührung
kämen. (Also nach dem Motto: ‚Alles wie jetzt, nur besser‘.) Das beißt sich indes
mit seiner Annahme einer echten Konkurrenz (die auch eine Gebietskonkurrenz
sein müsste) sowie echter Freiheit des individuellen Nutzers bei der
Währungsverwendung.
“It would ….. be possible ….. to have
a variety of essentially different monies. They could represent not merely
different quantities of the same metal, but also different abstract units
fluctuating in their value relatively to one another. In the same way, we could
have currencies circulating concurrently
throughout many countries and offering
the people a choice.” (S. 32)
Im Gegensatz zur vorherigen Passage suggeriert Hayek an
dieser Stelle, dass die Währungskonkurrenz sich tatsächlich in der parallelen
Verwendung mehrerer Währungen im gleichen Gebiet niederschlagen würde. Und behauptet,
dass die Nutzer nach Belieben zwischen den Währungen auswählen könnten. (Also
wie in einem Laden zwischen Schuhen verschiedener Marken: ‚Heut kauf‘ ich
diese, morgen jene …‘). Eine echte Parallelität würde jedoch die Komplexität des
Geldsystems für die Nutzer enorm erhöhen. Und echte Wahlfreiheit hätte bei Transaktionen
in aller Regel nur der wirtschaftlich stärkere Teil.
„The threat of the speedy loss of their whole business if they failed to meet
expectations ..... would provide a much stronger safeguard than any that could
be devised against a government monopoly.” (S. 48)
Hayeks Konkurrenzgeldsystem kann nur dann in der von ihm
erhofften Weise funktionieren, wenn das Publikum das Angebot von weniger
wertstabilem Geld sofort sanktioniert. Das funktioniert schon auf normalen
Märkten nicht, wo Anbieter die Verbraucher auf jede erdenkliche legale (und
manchmal sogar illegale) Weise manipulieren und täuschen. Dasselbe würde
natürlich auch auf dem Geld-Markt passieren, aber dort gibt es außerdem eine
Besonderheit, die Hayek verschweigt: Die enormen Anpassungsprobleme, welche ein
Währungswechsel für die Wirtschaftssubjekte mit sich bringen würde. Buchhaltung
und abgeschlossene Verträge müssten umgestellt werden (in Verhandlungen mit den
Vertragspartnern, die möglicher Weise genau entgegengesetzte Interessen haben),
für die in dieser Währung aufgenommenen Kredite würde noch das alte Geld
benötigt und für die Auswahl der neuen Währung müssten Informationen eingeholt
und Überlegungen angestellt werden.
The effective competition between
different currencies would probably be largely confined to inter-business use,
with retail trade following the decisions about the currency in which wages and
salaries were to be paid. (S. 52, Forts. Anm. 1 von S. 51)
Das steht in einem tendenziellen Widerspruch zu anderen (und
sicherlich realistischeren) Passagen, wo Hayek generell die Herausbildung einer
Gebietsdominanz der Währungen erwartet (z. B. S. 126: „In various large regions one or two of them would be dominant …“). Die
Annahme einer regional vorherrschenden Währung steht zwar auch hier erkennbar
im Hintergrund, soweit es um Arbeitsentgeltempfänger und Einzelhandel als
Geldnutzer geht. Aber wenn die produzierenden Unternehmen ihre Einnahmen in
anderen Währungen erzielen würden, als sie an Löhnen auszahlen müssten (und die
Einzelhändler in anderen Währungen einkaufen, als sie von den Kunden
hereinbekommen) würde das die Komplexität ihrer Arbeit steigern und nicht
gerade zur buchhalterischen Sicherheit beitragen. (Exportunternehmen haben
diese Situation zwar auch heute schon und kommen damit klar; ebenso die
importierenden Einzelhändler. Aber zugleich haben sie einen bürokratischen
Mehraufwand und ein Wechselkursrisiko, die es im gegenwärtigen System bei
Transaktionen innerhalb des Währungsraumes nicht gibt. Und die folglich
allen Geldverwendern erspart bleibt, die Geschäfte nur innerhalb des
Geltungsbereichs der jetzigen Monopolwährung abwickeln.) Auch hier ist seine
Botschaft: Kein Problem, für die allermeisten Menschen ändert sich im Alltag
gar nichts. Und die steht in einem Spannungsverhältnis zur angeblichen
Wahlfreiheit, die ihrerseits Voraussetzung eines intensiven Anbieterwettbewerbs
ist.
“…
firms [Einzelhandelsunternehmen] would immediately be credited with the
equivalent in the currency in which they kept their accounts.” (S. 68)
So einfach wäre das nicht. Denn es geht nicht um
Buchungsvorgänge, sondern um das Umwechseln von Geld in eine andere Währung.
Für den Umtausch
·
müsste a) die gewünschte Währung überhaupt verfügbar
sein. Uns erscheint das (wenn wir an Devisenmärkte denken) als
selbstverständlich; in Hayeks Knappwährungswelt ist es das aber keineswegs.
(Und selbst in unserem System kam es während der Finanzkrise offenbar zu
Engpässen bei der Devisenbeschaffung, die erst durch Swap-Abkommen zwischen der
EZB und der Fed überwunden werden konnten.)
·
würden b) natürlich Gebühren anfallen, und die Wechselkurse
würden schwanken.
“The chief demand for holding would probably
be for the currency in which people expected to have to pay debts.” (S. 68)
Genau! Und das richtet sich, soweit die Schulden aus Bankkrediten
bestehen, danach, in welcher Währung man bei Hayeks Knappheitszenario überhaupt
einen solchen (geldschöpfenden) Kredit bekommen kann (die von Hayek geforderte
Knapphaltung des Geldes schränkt also die Wahlfreiheit der Kreditnehmer ein).
In anderen Fällen, etwa bei Dauerschuldverhältnissen, hängt es von den vertraglichen
Vereinbarungen ab. Und bei diesen bestimmt i. d. R. der wirtschaftlich stärkere
Partner die Erfüllungswährung.
“Wage- and salary-earners would probably also
discover that it was advantageous to conclude collective bargains in average
raw material prices or a similar magnitude, which would secure for earners of
fixed incomes an automatic share in an increase of industrial productivity.”
(S. 75)
Der Arbeitgeber würde in der Währung bezahlen, in welcher die
Masse seiner Einnahmen anfällt. Anders ginge es in der Praxis kaum. Und in der
Theorie auch nicht: Schließlich sollte doch die Kalkulationssicherheit für die
Unternehmen der entscheidende Vorteil seines Systems sein? Anders als Hayek
seine Leser glauben machen will, hätten die Arbeitnehmer faktisch also gar
keine Wahlfreiheit, in welcher Währung sie gerne bezahlt werden möchten.
The concurrent circulation of several
currencies might at times be slightly
inconvenient, but careful analysis of its effects indicates that the advantages
appear to be so very much greater than the inconveniences that they hardly
count in comparison, though unfamiliarity with the new situation makes them
appear much bigger than they probably would be. (S. 111)
Das “slightly”
dürfte arg untertrieben sein.
For the vast majority of people the
appearance of several concurrent currencies would merely offer them
alternatives; it would not make necessary any change in their habitual use of
money. (S. 121)
Durchdenkt man Hayeks Modell streng logisch, dann ist, wie
schon vorstehend gezeigt, die Wahlfreiheit sehr begrenzt: Man muss diejenige
Währung akzeptieren, die man angeboten bekommt – oder auf das Geschäft
verzichten.
Das folgt daraus, dass sämtliche einzelnen Währungen in
Hayek-System (auch wenn er seinen Lesern etwas anderes weismachen will) Teil
einer einzigen gemeinsamen Geldmenge sind. Diese soll aber knapp gehalten
werden, d. h. den Bedarf in etwa genau abdecken. Wenn das so ist, können nicht
größere Gruppen mal eben von der einen zur anderen Währung übergehen. Hier
stehen wir wieder vor dem zentralen Paradox in Hayeks Geldsystem, wo die Banken
ihre Währung so attraktiv (preisstabil) machen sollen, dass jeder sie haben
will. Was aber nur dadurch möglich ist, dass sie sie knapp halten – und
folglich nicht jeder jede Währung bekommen kann.
“Retail merchants would soon be
offered by the banks the appropriate
calculating equipment which would relieve them of any initial difficulties in
management or accounting. Since the
issuer of the money they used would be interested in supplying assistance,
they would probably discover they were better served than before.” (S. 121)
1) “calculating
equipment”: Es geht keineswegs einfach um eine Rechenoperation: Die
verschiedenen Währungen, die ein Einzelhändler (oder auch jeder andere
Unternehmer) einnimmt, müsste er in diejenigen Währung(en) umtauschen, in der
er seine Verbindlichkeiten bezahlen muss (und den Rest, also den Gewinn, in eine
von ihm selber bevorzugte Währung). Falls sich keine (mehr oder weniger)
Gebietsmonopole für die einzelnen Währungen herausbilden, müsste jeder mit
ständig schwankenden Wechselkursen leben. Das werden auf kurze Frist vielleicht
keine starken Schwankungen sein, aber eben doch kleine unverhoffte
Zusatzgewinne oder Zusatzverluste. Was der Einzelhändler mittags für 1,- DM
verkauft (beim Gleichstand zur Neumark), bringt ihm abends beim Eintauschen auf
der Bank vielleicht 1,01 oder 0,99 Neumark. Und dazu muss er natürlich noch
Wechselgebühren entrichten. Da er im Zweifel lieber einen etwas größeren Puffer
einbaut, werden sich die Waren für die Kunden verteuern. Und natürlich auch
wegen der (im Vergleich zur Einheitswährung) parasitären (unproduktiven, aber natürlich
notwendigen) Geldwechselmärkte.
2) Auch hier geht Hayeks bei den Tauschvorgängen
stillschweigend von einer beliebigen Verfügbarkeit aller Währungen aus, obwohl
er deren Angebot doch knapp halten will.
3) Schon möglich, dass die Unternehmer der Bank dankbar
wären, wenn sie ihnen Unterstützung im Währungsdschungel gewährt: Das tun
Banken ja auch jetzt, im Handel mit dem Ausland. Nur wäre diese Unterstützung
(für inländische Transaktionen) bei einer Einheitswährung gar nicht nötig
gewesen. Die Banken würden für die Unternehmer also Probleme lösen, die es ohne
Hayeks Konkurrenzgeldsystem gar nicht gäbe.
“… there would be no important
necessary changes in the conduct of business or unavoidably difficult
adaptations.” (S. 121)
Falsch. Weil die Währungen nicht beliebig verfügbar wären
(sie sollen ja knapp gehalten werden) und wegen der ständigen
Wechselkurschwankungen wären die Unternehmen mit Schwierigkeiten konfrontiert,
die sie heute (abgesehen vom Außenhandel) überhaupt nicht haben.
Only because people could freely
choose which currency to use for their different purposes would the process of
selection lead to the good money prevailing. (S. 122)
Dieser Satz enthält zwei Behauptungen:
- Dass die Wirtschaftssubjekte tatsächlich die freie Auswahl
unter den Konkurrenzwährungen haben.
Freie Wahl wäre aber für die allermeisten Wirtschaftssubjekte
so illusorisch wie die politische Mitbestimmung in einer Demokratie: Jeder ist
im Geflecht von Lieferanten-, Kunden-, Arbeits- und Kreditbeziehungen von den
Entscheidungen anderer determiniert. Und nicht einmal als Sparer hätte er
(immer) die freie Wahl: Wenn nämlich die Emissionsbank seiner Wahl ihm den
Umtausch seines Geldes in ihrer Währung verweigert, weil es gerade nicht in
ihre Preisstabilisierungsstrategie passt.
- Dass das „gute“ (also nach Hayek das beinahe absolut
wertstabile) Geld in seinem System vorherrschend wäre. Das steht im Einklang
mit seinen Schlussfolgerungen an anderen Stellen. Hayek erwartet, dass
überhaupt nur wertstabile Währungen überleben können, und nur in diesem Falle
macht sein System überhaupt (wenigstens theoretisch) Sinn.
Nachtrag 09.02.2017
Zur Bedeutung von "Netzwerkeffekten" (d. h. zur Frage, inwieweit die eigene Währungswahl durch die Entscheidungen anderer determiniert wird) vgl. den Aufsatz "Hayek versus Friedman: Concurrent Currencie" von Finbar Feehan-Fitzgerald. Der belegt empirisch am Beispiel von Somalia, dass Menschen u. U. selbst stark abwertende Währungen verwenden, wenn und weil die anderen Mitglieder der eigenen Gemeinschaft dasselbe tun.
Nun kann man die Verhältnisse in Somalia sicherlich nicht auf hochentwickelte Industriestaaten übertragen. Eine andere Währung muss man ja erst einmal bekommen: Durch Leistungsbilanzüberschüsse (ggf. auch durch Piraterie), Kredite oder Geschenke (Entwicklungshilfe). Geschenke und Kredite wird den Somaliern niemand geben, Leistungsbilanzüberschüsse werden sie auch kaum erwirtschaften. Der Autor reklamiert auch keine Allgemeingültigkeit.
Aber die Abhängigkeit des Einzelnen von der Entscheidung der anderen Währungsnutzer (oder, wie man auch sagen könnte, der Grad seiner Einbettung in eine Währungsgemeinschaft) ist, wie ja auch ich oben (auf mehr theoretischer Basis) ausgeführt hatte, schon sehr hoch.
“The expected value of a currency
will, of course, not be the only consideration that will lead the public to
borrow or buy it. But the expected value
will be the decisive factor determining how much of it the public will wish to
hold, and the issuing bank will soon discover that the desire of the public to hold its currency will be the essential
circumstance on which its value depends.” (S. 59)
Und
To assure the constancy of the value
of its currency the main consideration would have to be never to increase it beyond the total the public is prepared to hold
without increasing expenditure in it so as to drive up prices of
commodities in terms of it; it must also never
reduce its supply below the total the public is prepared to hold without
reducing expenditure in it and driving prices down. (S.
59/60)
Und
„The crucial point it [die
Emissionsbank] must keep in mind will be
that, to keep a large and growing amount
of its currency in circulation, it will be not the demand for borrowing it
but the willingness of the public to
hold it that will be decisive.” (S. 62)
Grundsätzlich verstehe ich diese Passagen so, dass die Emissionsbanken
ihre Geldpolitik am Sparverhalten ihrer jeweiligen Währungsnutzer ausrichten
sollen: Die Geldmenge muss so bemessen sein, dass sie weder mehr noch weniger als
vorher (wohl bei mehr oder weniger voller Kapazitätsauslastung der Wirtschaft) ausgeben.
Aber wirklich in allen Einzelheiten (also so, dass ich sie in ein Modell
umsetzen könnte) verstehe ich Hayeks präzise Vorstellung hier nicht. Wenn die
Wirtschaft expandiert, braucht sie natürlich auch mehr Geld (und das brauchen
nicht die Sparer, sondern die Konsumenten!). Eine starre Prozentregelung, etwa
im Sinne von „wenn mehr/weniger als 10% der Geldmenge gespart werden, muss
diese reduziert/gesteigert werden“ fordert er jedenfalls nicht; eine solche
wäre auch kaum sinnvoll. Wahrscheinlich geht Hayek davon aus, dass das
„Marktsignal“ für die Banken über die Preise kommen würde, also nicht über
statistischen Daten zur Sparquote.
Soviel ist aber auf jeden Fall klar, dass die Geldpolitik
sich (direkt oder, wohl eher, indirekt durch Reaktion auf Preissignale) an der
Sparquote orientieren soll bzw. von ihr determiniert würde: Wird viel gespart,
kann die Geldmenge erhöht werden; wird wenig gespart, muss sie reduziert
werden.
Diese grundsätzlich richtige Überlegung ist nichts anderes
als eine keynesianische (oder friedmansche) Geldpolitik (auch wenn Hayek bei
dieser Charakterisierung sicherlich im Dreieck gesprungen wäre).
Allerdings sind das „Halten“ von Geld einerseits und die
ökonomische und die moralische Bewertung des „Geldhaltens“ andererseits ein
weites Feld. Wenn wir Hayeks Aussagen zu diesem Punkt nicht intensiv
hinterfragen kann es sein, dass wir uns ein Verständnis wesentlicher Aspekte
des Geldwesens verbauen.
Oberflächlich betrachtet sind Hayeks obige Aussagen (die
meine nachfolgenden Zusammenfassungen hoffentlich korrekt wiedergeben)
·
‚Entscheidend
für den Wert [bzw. die Wertstabilität]
einer Währung ist, wie viel Geld das Publikum in dieser Währung halten [sparen] will‘ sowie
·
‚Die
Emissionsbank darf die Geldmenge nie über das Niveau hinaus steigern, bei dem
die Wirtschaftssubjekte mehr Geld ausgeben‘ und
·
‚Die
Emissionsbank darf die Geldmenge nie unter das Niveau absenken, bei dem die
Wirtschaftssubjekte weniger Geld ausgeben‘
rein deskriptiver Natur. Sie erscheinen beinahe tautologisch;
denn wenn die Menschen mehr Geld
(über den Produktionszuwachs hinaus) ausgeben, müssen die Preise ja steigen
(sofern die Produktionskapazitäten vorher voll ausgelastet waren; davon geht
Hayek offenbar aus.)
Und umgekehrt müssen sie sinken, wenn die Nachfrage zu
gegebenen Preisen geringer ist als das Angebot. Aber bei einer Überschau von Hayeks Geldreformplan muss man konstatieren,
dass dieser in Wahrheit für die Interessen der Geldbesitzer maßgeschneidert ist
– und keineswegs für Wirtschaft.
Die Begründung, mit der Hayek auf S. 69 gleich viermal in
unterschiedlichen Formulierungen belegen will, dass die Realwirtschaft ohne
eine beinahe absolut kaufkraftstabile Währung gar nicht funktionieren kann, ist
an den Haaren herbeigezogen:
„…
only
in such a currency is a realistic calculation possible” und “… the chief task of accounting, to ensure
that the stock of capital of the business is not eaten into and only true net
gains shown as profits available for disposal by the shareholders, can be realised only if the value of the
unit of account is approximately stable.” und “… why successful economic
calculation is possible only with a stable value of money” und „… effective
capital maintenance and cost control is possible only if accounts are kept in a
unit that in some sense remains tolerably stable”.
Das ist nachweislich falsch. Und die mehrfache
unsubstantiierte Wiederholung ist ein Indiz dafür, dass Hayek sich der
Dürftigkeit seiner Behauptung durchaus bewusst ist
Wären unternehmerischer Erfolg und realistisches Bilanzieren
wirklich von rigider Preisstabilität abhängig, dann hätte es in der
Weltgeschichte nur wenige Jahre gegeben, in denen überhaupt ein normales „kapitalistisches“
Wirtschaften möglich gewesen wäre.
Und wie ich oben gezeigt habe, würden in Hayeks Geld-Welt die
Kreditverknappung, potentiell heftig schwankende Kreditzinsen und schwankende
Wechselkurse zwischen den Konkurrenzwährungen den Unternehmern weitaus mehr zu
schaffen machen, als eine (maßvolle) Inflation. Freilich hat die englische
Wirtschaft auch Preissteigerungen von 24,2% überstanden, wie sie im Jahr 1975 auftraten (und die deutsche 1923
sogar eine Hyperinflation). Hayek hatte vorher lange in Großbritannien gelebt;
es ist zu möglich, dass die Debatte um die hohe Inflationsrate dort seinerzeit
heftig war, und dass er diese in den Zeitungen von seinem damaligen Aufenthaltsort Salzburg noch verfolgt hat. (In Deutschland war
die Inflationsrate Anfang der 70er Jahre bis auf ca. 8% geklettert; auch dieser absolut eher geringe
Prozentsatz dürfte, vor dem Hintergrund der leidvollen Erfahrungen mit
Hyperinflation, bei uns im Lande scharfe Kritik ausgelöst haben.) Vielleicht
war das der Hintergrund für Hayeks Sinneswandel; jedenfalls hatte er in den
30ern jede künstliche Preisstabilisierung abgelehnt (vgl. S. 16/17 in „Cranks, Heretics and Macoreconomics in the 1930s“ von Robert W. Dimand.) Allerdings
kann man beide Positionen durchaus auf einen gemeinsamen Nenner bringen: In der
jeweiligen ökonomischen Lage hat Hayek beständig die Interessen der
Geldbesitzer vertreten. Diese waren in der Deflation der 30er durch Forderungen
nach Reflation „bedroht“ und im Zeitpunkt der Abfassung seines Buches tatsächlich
durch die damals hohe Inflationsrate. Der Aufsatz „Hayek’s Monetary Theory and Policy: A Note on Alleged Inconsistency” von Martin Komrska und Marek Hudík scheint
auf den ersten Blick auf eine gewisse Übereinstimmung mit meiner Sicht
hindeuten: „Hayek’s allegedly
inconsistent transformation from a critic to an advocate of price level
stabilization is explained by a change of issues under his focus, rather than
by a change in his positive views.“ Tatsächlich ist er jedoch der (wenig
überzeugende) Versuch, eine unmittelbare Kontinuität von Hayeks Vorstellungen
zur Geldpolitik durch die Jahrzehnte zu behaupten. Andererseits ist deren
Darstellung („… he leaves the question
how to eliminate the business cycle and starts to focus on the question how to
eliminate inflation” – S. 9) letztlich sehr wohl mit meiner in Einklang zu
bringen Denn ich postuliere sozusagen eine Meta-Stabilität seiner Gedankengänge
die darin besteht, dass Hayek in der jeweiligen wirtschaftsgeschlichen
Situation immer die Interessen der Geldbesitzer vertreten hat. Nur eben gegen
unterschiedliche „Bedrohungen“. Und die Forderung auf eine reflationierende Bekämpfung
der weltweiten Depression („Great Depression“) war eben in den 30ern aktuell,
die Realität einer hohen Inflation in den 70ern.
Hayeks Obsession mit der Geldentwertung (von der er gar eine
„destruction of our civilisation“
befürchtet – S. 84) ist wohl eher lebensgeschichtlich als solide ökonomisch
begründet. Österreich hatte nach dem 1. Weltkrieg zwar nicht entfernt eine Hyperinflation
wie Deutschland 1922/1923 (obwohl während des Krieges die österreichische höher lag). Doch auch die reichte aus, um
die Sparvermögen in den Nachkriegsjahren zu vernichten („Die Lebenshaltungskosten erreichten bis Sommer 1922 das 14.000fache der
Vorkriegszeit.“).
Davon, und von hoher Besteuerung, war auch seine Familie betroffen. Der
kanadische Professors Harold Chorney beschreibt diesen lebensgeschichtlichen
Hintergrund von Hayeks Denken in seinem als Blogpost veröffentlichten
vorläufigen Arbeitspapier “The American Presidential Election: Hayek
versus Keynes Revisited“ (22.03.2013): “In addition to
these intellectual influences of Wicksell, Mises and Böhm-Bawerk, Hayek was profoundly affected ….. by the peculiar circumstances of Vienna
during his youth. The
Austrian socialists had come to power in 1919. As in Germany under Weimar the
problem of post war hyper inflation reared its ugly head. Many of the wealthy classes including Hayek’s own
family suffered a dramatic erosion of their life savings and wealth. As
Dostaler puts it ‘He live [recte
“lived”?] through the
insecurity, the political crisis and the fear of an uprising from the extreme
left’. The Viennese social democratic
municipal administration had resorted to heavy taxation to finance worthwhile
housing projects. But in the polarized circumstances of the 1920s these
projects aroused resentment among the more affluent classes. Hayek was deeply affected by these events
and the construction of his theory of cycles based on the erosion of savings
through excessive monetary expansion easily took root. It was perhaps for this
reason that Hayek so vehemently disagreed with Keynes about the role of saving
in the economy.”)
Objektiv (d. h. egal, ob beabsichtigt oder nicht) steht er
jedenfalls auch mit seiner Forderung nach teurem Kredit auf der Seite der
Geldbesitzer:
„the public [will learn to] … reject tempting offers of cheap money”
(S. 89)
“Money is the one thing competition would not
make cheap, because its attractiveness rests on it preserving its 'dearness'.”
(S. 94)
“the ever-present pressure for cheap money” (S. 108,
kritisch gemeint)
“The ultimate victory of the advocates of the centralization of the national note issue was, however, in effect softened by a concession to those who were mainly interested in the banks being able to provide cheap credit.” (S. 91)
“The ultimate victory of the advocates of the centralization of the national note issue was, however, in effect softened by a concession to those who were mainly interested in the banks being able to provide cheap credit.” (S. 91)
“Billiger Kredit”
ist für ihn offenbar per se etwas Verwerfliches. Was die Geldhorter sicherlich
auch so sehen, denn mit den Kreditzinsen fallen ja auch ihre Einlagezinsen. Die
Wirtschaft dagegen wäre mit einer maßvollen Inflation bei niedrigen
Kreditzinsen sicherlich besser bedient als mit absoluter Preisstabilität bei hohen
Kreditzinsen.
Es liegt mir fern, das Geldsparen grundsätzlich zu verteufeln;
umgekehrt ist es jedoch keineswegs immer eine Tugend. Nachdem wir oben gesehen
hatten, dass Hayeks Geldsystem ein Bombengeschäft für Spekulanten und
realwirtschaftlich unproduktive Berater wäre (und für die Emissionsbanken
sowieso), entpuppt sich sein angeblich den Unternehmensinteressen dienender
Plan auch noch als eine Goldgrube für Geldhorter. Relativ zu Arbeitnehmern und Unternehmern sind Rentier-Sparer eben
doch Schmarotzer: Wer „sein Geld für sich
arbeiten lässt“ der lässt in Wahrheit andere
Menschen für sich schaffen. Das tun die Unternehmer zwar auch; doch die tragen
immerhin ein Marktrisiko. Die Geldhorter dagegen nicht. Deren einziges Risiko
ist die Inflation, und dagegen will Hayek sie absichern – und zusätzlich noch
mit hohen Sparzinsen beglücken, indem er (wenn auch anders begründet), die
Kredite knapp hält.
Soweit zur wertenden Dimension der „Geldhortung“.
Die weitere Frage ist, ob seine Aussage „the desire of the public to hold its currency will be the essential
circumstance on which its value depends“ (die ich übersetze mit: „Entscheidend für den Wert [bzw. die
Wertstabilität] einer Währung ist, wie
viel Geld das Publikum in dieser Währung halten [sparen] will‘) überhaupt ökonomisch richtig
ist.
Meine eigenen Überlegungen dazu haben sich in zunächst drei
(aber letztlich vier) Analysestufen entwickelt; entsprechend will ich sie hier
präsentieren.
1. Analysestufe:
„Kopfkissensparen“ (Wie
Hayek sich die Sache mutmaßlich vorgestellt hat)
·
Ausgangslage: Es wird kein Geld gespart
·
Gütermenge 100 WE (Wareneinheiten)
·
Geldmenge 100 GE (Geldeinheiten)
Das Geld geht vollständig in die Realwirtschaft, wird also
vollständig nachfragewirksam. Die Geldmenge ist damit optimal auf die
Bedürfnisse der Wirtschaft abgestimmt; es kommt weder zu Inflation noch zu
Deflation.
Nun tritt eine Änderung ein, die Hayek auf S. 104/105 wie
folgt beschreibt:
“To provide a medium of exchange for people
who want to hold it until they wish to
buy an equivalent for what they have supplied to others is a useful service
like producing any other good. If an
increase in the demand for such cash balances is met by an increase of the
quantity of money (or a reduction of the balances people want to hold by a
corresponding decrease of the total amount of money), it does not disturb the
correspondence between demand and supply of all other commodities or services.”
Und ähnlich bereits auf S. 88/89:
“ … what would happen if at one time most
members of a community wished to keep a much larger proportion of their assets
in a highly liquid form than they did before. ….. such needs of all individuals
could be met not only by increasing the value of the existing liquid assets,
money, but also by increasing the amounts they can hold. The wish of each individual to have a larger share of his resources in
a very liquid form can be taken care of by additions to the total stock of
money.”
Ins Modell umgesetzt, behandelt er also folgendes Szenario:
·
Die Wirtschaftssubjekte sparen 10 GE; die anderen
Parameter bleiben unverändert.
·
Hier muss die Geldmenge auf 110 GE steigen, damit das
Transaktionsniveau in der Realwirtschaft unverändert bleiben kann.
Diese Überlegungen wären dann (zumindest im Denkmodell)
richtig, wenn das gesparte Geld der Wirtschaft entzogen würde (also,
visualisiert, in früheren Zeiten das Geld ‚unters Kopfkissen legen‘.). Tatsächlich
ist das aber natürlich nicht der Fall; vielmehr werden die Ersparnisse der
einen zu Krediten der anderen. (Davon gehe ich jedenfalls auf der nachfolgenden
2. Analysestufe aus; beim dritten Denkschritt gebe ich diese Annahme teilweise wieder
auf.)
2. Analysestufe: „Transfersparen“ (Was Hayek mutmaßlich nicht berücksichtigt
hat)
· Die Geldsparer tragen ihr Geld zur Bank;
· Die Geldsparer tragen ihr Geld zur Bank;
·
diese kann davon Kredite vergeben.
Das „davon“ ist
vielleicht erläuterungsbedürftig. Im gegenwärtigen System hängt die Kreditmenge bekanntlich nicht
direkt von den Spareinlagen ab, auch wenn es einen indirekten Zusammenhang gibt. Das kann aber unberücksichtigt
bleiben; wir bewegen uns gedanklich ja in der Hayek-Welt. Auch dort ist die
Bankenstruktur zweistufig: Sie zerfällt in Emissionsbanken und (nach seiner
Meinung „parasitäre“) ‚Sekundärbanken‘ (meine Bezeichnung). Anders als jetzt
stehen Hayeks Emissionsbanken bei der Kreditvergabe in Konkurrenz zu seinen
Sekundärbanken. Bei ihm vergeben also beide
Stufen des Bankenwesens Kredite direkt an private Kreditnehmer.
Die Emissionsbanken sollen freilich seiner Meinung nach
(geldschöpfende) Kredite lediglich kurzfristig vergeben, während er für die
Sekundärbanken erwartet, dass sie weitestgehend nur Vollgeld-Kredite vergeben
können.
Man darf annehmen, dass die Emissionsbanken auch bei den
Spareinlagen mit den Sekundärbanken konkurrieren würden, denn nur aus den
Kundeneinlagen könnte das Bankensystem überhaupt längerfristige Kredite
vergeben. (Diese Einlagen darf man sich freilich nicht als Sparkonten denken:
die würden auch nur kurzfristige Kredite ermöglichen, weil kaum ein Sparer sein
Geld über mehrere Jahre festlegen würde. Sondern als Anleihen, Pfandbriefe oder
CDOs, die sämtlich an der Börse handelbar sein müssten, um für die Anleger
liquide zu sein.)
Die für das derzeitige System als falsch erwiesene „loanable
funds“-Theorie wäre für Hayeks System weitgehend gültig:
·
Die Emissionsbanken brauchen Kundeneinlagen für
längerfristige Kredite, die sie nach Hayeks Meinung nicht aus Geldschöpfung
finanzieren sollen, um nicht die kurzfristige Geldmengenkontrolle zu verlieren.
·
Die Sekundärbanken benötigen sie, weil die
Emissionsbanken für sie nicht als „lender of last resort“ fungieren sollen.
Daher können sie lt. Hayek (wie auch plausibel) Kredite im Wesentlichen nur im
Vollgeld vergeben, also aus ausdrücklich dafür bestimmten und – mindestens -
fristenkongruenten Einlagen.
Wie auch immer: Auf jeden Fall verwandeln sich die
Ersparnisse der einen in Kredite für die anderen und werden auf diesem Wege
dann doch (rasch) wieder nachfragewirksam. Wenn ich keinen Denkfehler gemacht
habe (langsam wird die Sache unübersichtlich J ), dann war die 1. Analysestufe
falsch. Sie geht davon aus, dass gespartes Geld ganz vom Markt verschwindet;
tatsächlich bleibt es aber in der Wirtschaft. Dass es dies nur in Form von
Kredit tut und nicht als eigene Nachfrage der Geldbesitzer, ist für unser
Denkmodell jedenfalls auf dieser Stufe unerheblich.
Wahrscheinlich muss man in ein wirklich aussagekräftiges
Modell noch die Zeitabläufe einbauen; das übersteigt aber meine eigenen
Modellbau-Fähigkeiten bei weitem.
So, wie es vorliegend aussieht, scheint (auf dieser
Analysestufe) Hayeks in der 1. Stufe plausible Annahme aber wiederlegt zu sein,
dass die Sparhöhe einen Unterschied bei der Geldmenge machen würde: Es gibt
hier kein absolutes Sparen, sondern lediglich eine Verlagerung der Güternachfrage
von Geldeigentümern zu Kreditnehmern.
3. Analysestufe: „Kopfkissen
redivivus“ (Was –
heute zumindest - im Geldwesen wirklich
Sache ist)
Wenn ich hier von „Sparen“ rede, dann meine ich das Ansammeln
(‚Horten‘) von Geld. (Zur Problematik eines unspezifisch verwendeten
Sparbegriffs vgl. meinen Blott „Mit dem Rüssel auf dem Boden: Der Sparbegriff in der
Volkswirtschaftslehre als Hirngeburt intellektueller Ameisenbären“ vom 09.02.2014.)
Die modernen Vulgäraustrians (und dazu rechne ich alle, Fachleute wie Laien, die sich
heutzutage als Anhänger der „Österreichischen Schule“ in den Wirtschaftswissenschaften
bezeichnen) fordern häufig, dass Geld erst gespart worden sein müsse, bevor sich
jemand etwas damit kaufen dürfe.
Aber auch Hayek scheint unterbewusst
dieser Meinung anzuhängen, wenn er sagt “… it
is really a crime like theft to enable some people to buy more than they have earned by [hier wäre statt “by” wohl
deutlicher: “and/or”] more
than the amount which other people have at the same time foregone to claim”
(S. 105)
Also: Es sei ein Verbrechen, wenn jemand mehr kaufen dürfe,
als er entweder selber verdient habe und/oder als andere ihm gleichzeitig [vorher
nicht???] von der ihnen gehörenden Kaufkraft abgetreten hätten [als Kredit oder
Geschenk]. Offenbar ist ihm entgangen, dass nach dieser Ansicht JEDE kreditäre
Geldschöpfung ein krimineller Akt wäre; es dürfte überhaupt keinen
(geldschöpfenden) Primärkredit mehr geben, sondern ausschließlich (vorhandenes
Geld verleihenden) Sekundärkredit. Denn die Bank ist ja nicht „other people“ und hat nicht auf eine
Geld- bzw. Kaufkraftmenge verzichtet, sondern sie schafft diese mit einem
Federstrich aus dem Nichts.
Diese Denkweise rührt vermutlich vom (werthaltigen) Warengeld
her (Goldgeld). Die kreditäre Geldschöpfung ist den Warengeld-Anhängern und
offenbar auch Hayek immer noch unheimlich; quasi der monetäre Sündenfall der
Moderne. Wobei man sich dieses Goldgeld auch noch als Vollgeld vorstellt, das
es historisch zumindest in der Moderne real nie gegeben hat. Es wird verdrängt
(nicht von Hayek), dass auch schon im vielgelobten Goldstandard die große Masse
des Geldes kreditär geschöpftes Buchgeld und somit nicht durch Goldvorräte gedeckt war. Das wäre heute, angesichts der
geänderten Zahlungsgewohnheiten, noch weitaus mehr der Fall.
Hayek kritisiert den Goldstandard wegen der auch dort praktizierten
Buchgeldschöpfung durch die Geschäftsbanken als mängelbehaftet (S. 108):
„… the imperfection of the international monetary system which the gold
standard with a superstructure of
deposit money ”.
Allerdings zieht er ihn unserem Fiatgeldsystem entschieden vor:
“The compulsion to maintain a fixed rate of
redemption in terms of gold or other currencies has in the past provided the only
discipline that effectively prevented monetary authorities from giving in to
the demands of the ever-present pressure for cheap money. ….. It is a
discipline that has proved too weak to prevent governments from breaking it.
Yet, though the regulations achieved by those automatic controls were far from ideal
or even tolerably satisfactory, so long
as currencies were thus regulated they were much more satisfactory than
anything the discretionary powers of governmental
monopolies have ever achieved for any length of time.” (S. 109)
Sein eigenes System findet er
freilich „Better even than gold - the
'wobbly anchor'.“ (S. 109/110).
Im Prinzip würde er zwar einem
Goldstandard immer noch den Vorzug gegenüber einem von den Regierungen
(Zentralbanken) gesteuerten totalen Fiatgeldsystem geben: „Though gold is an anchor - and any
anchor is better than a money left to the discretion of government - it is
a very wobbly anchor.“ (S. 110)
Aber er ist (anders als diejenigen, die heute noch immer
Goldgeld oder ‚goldgedecktes Geld‘ was immer sie sich darunter vorstellen mögen
– fordern) Realist: „There just is not
enough gold about. An
international gold standard could today mean only that a few countries
maintained a real gold standard while the others hung on to them through a gold
exchange standard.” (S. 110; auf derselben Seite erwägt er auch die
Gelddeckung durch einen breiten Korb an physisch deponierten Rohstoffen, den er
jedoch wegen der hohen Lagerkosten verwirft).
Nun ist es zwar grundsätzlich richtig, dass die sozusagen
‚vorauswirkende‘ kreditäre Geldschöpfung jedenfalls im Denkmodell zu massiven
Verwerfungen führen kann. Lässt man die Bonität der Kreditnehmer und
regulatorische Anforderungen an die Banken (Eigenkapital!) einmal beiseite,
sind der Kreditgeldschöpfung kaum Grenzen gesetzt. So kann es theoretisch
passieren, dass am Markt 100 Wareneinheiten (WE) verfügbar (und mit 100 Geldeinheiten
– GE - ausgepreist) sind. Wenn dann jedoch 200 GE nachfragewirksam werden,
müssten die Preise sich verdoppeln.
Im Detail hat allerdings das, was bei der globalen
Gegenüberstellung recht einfach erscheint (doppelte Geldmenge : gleicher
Gütermenge = doppelte Preise) sehr unterschiedliche Verteilungswirkungen.
Nehmen wir an, dass die Konsumenten und die Investoren jeweils 100 GE erhalten
haben, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten: Dann könnten entweder die
Konsumenten oder die Investoren den Markt leergekauft haben (unser sehr grobes
Modell unterstellt also eine vollständige Substituierbarkeit beider
Güterkategorien). Und diejenige Seite, die „am Ende des Tages“ die 100 GE noch auf
den Konten hätte, hätte sie (in diesem Falle allerdings zwangsweise) gespart. (Real
war ein solches Geschehen z. B. im Zweiten Weltkrieg, wo die Deutschen normal
verdienten und die Preise eingefroren waren, es jedoch ‚nichts‘ zu kaufen gab.
Die Zwangsersparnisse der Bürger hat damals der Staat ‚investiert‘; freilich
eher unproduktiv in Waffen.)
Aber im Normalfall, wie wir ihn aus den Jahrzehnten nach dem
II. WK kennen, gleichen sich Konsum, Investition, Kredite und Geldsparen und
Entsparen, also letztlich Angebot und Nachfrage, irgendwie aus. Auf welche
Weise das im Detail vor sich geht, dürfte auch für die Volkswirtschaftslehre
noch eines der großen Mysterien des Marktes sein. Fakt ist jedenfalls, DASS
sich diese Bewegungen ohne größere Krisen in politisch ruhigen Zeiten irgendwie
austariert haben.
[Einschub: Ein echter Marktwirtschaftler
sollte diesen Sachverhalt eigentlich freudig akzeptieren und nicht versuchen,
das Geldsystem so umzukrempeln, dass es für den kleinen Horizont selbst
hochintelligenter Individuen fassbar wird. Dass die Austrians, einschl. Hayek, das atmende Geldsystem unserer
Marktwirtschaft auf der Basis ihrer eigenen Verständnisgrenzen rational
rekonstruieren und vor allem beschränken wollen, ist einer der
Fundamentalwidersprüche in ihrem pseudo-marktwirtschaftlichen Denkgebäude.]
Wie auch immer: Ein freiwilliges Sparen in einem ‚normalen‘ Umfang ist volkswirtschaftlich unschädlich. Als ‚normal‘ ist jenes Volumen anzusehen, bei dem das Sparen nicht zu einer Unterauslastung der Wirtschaft führt. (Vermutung: Das könnte eine ungefähre Balance von Sparen und Entsparen voraussetzen.)
Geht man vom Überlegungsstand unserer 2. Analysestufe
(„Transfersparen“) aus, dann kann es allerdings überhaupt nicht zur
Unterauslastung kommen; jedenfalls solange nicht, wie die beiden Kreditformen
(die mithilfe der Ersparnisse generierten
– Geld schöpfenden - Primärkredite und die aus
den Ersparnissen gewährten – Geld transferierenden – Sekundärkredite) auf eine
entsprechende Nachfrage treffen.
Nun verzeichnen wir allerdings schon seit einigen Jahrzehnten
einen Anstieg der Geldmenge, der weit über die realwirtschaftlichen Zuwächse
hinausgeht. Und trotzdem haben wir keine massive Inflation; jedenfalls nicht
bei den Verbraucherpreisen. Stellt sich die Frage, auf welche Weise dieses
monetäre ‚Überangebot‘ absorbiert oder ggf. sogar neutralisiert wird?
Das eine ‚Ventil‘ könnten die ‚Asset“-Preise sein. Ich kenne
die einschlägigen Daten nicht und weiß nicht, ob und auf welche Weise man sie
überhaupt ermitteln könnte. Indes nehme ich an, dass auch der Anstieg der
Asset-Preise nicht so hoch war, dass er den gesamten Geldmengenzuwachs (in
diesem Bereich inflationär) absorbiert hätte.
Im Sinne einer Arbeitshypothese nehme ich an, dass es eine
Art ‚reiner Finanzsphäre‘ gibt, wo diese Gelder abseits von der Realwirtschaft
kreiseln (und wo ständig neue „Finanzprodukte“
gehandelt werden). (Vgl. dazu den Aufsatz „Geldhortung als Nachfrageausfall in der Stromgrößensphäre“ von Christopher Mensching aus dem
Jahr 2004 sowie meinen letzten einschlägigen Blott „Eine Geldhortung gibt es nicht“ vom 01.02.2014 und die dort
verlinkten vorangegangenen Beiträge.)
Man kann diesen gegen die Realwirtschaft relativ
abgeschotteten reinen Finanzmarkt als eine Art Notwehr ‚des Marktes‘ gegen das
Geldüberangebot deuten. Oder, umgekehrt, von einer „Kapitalüberakkumulation“ ausgehen, die sich sozusagen ihre eigene Spielwiese
geschaffen hat.
Meine Vermutung ist (mit John Maynard Keynes, der im letzten
(24.) Kap. seiner „General Theory …“ eine entsprechende Entwicklung für unsere Zeit prognostiziert hatte),
dass die Reichen heute derartig viel Geld verdienen, dass sie es nicht mehr
konsumieren können. Anderseits können sie aber auch nicht alles in die
Realwirtschaft investieren; u. a. auch deshalb nicht, weil die Akkumulation des
Geldes bei ihnen den potentiellen Konsumenten (‚Armen‘) das Geld für Käufe
entzieht.
[Einschub: Die
Wirtschaftswissenschaft kennt diese Deutung des Geschehens unter dem Begriff „Unterkonsumtionstheorie“. Ich spreche
von „Überakkumulation(stheorie)“,
weil das Entscheidende bei diesem Phänomen die Ansammlung und das
Nicht-Ausgeben des Geldes bei den Hortern ist. In die Realwirtschaft könnte es
sowohl für Konsum wie für Investitionen fließen; der Begriff „Unterkonsum“ suggeriert
fälschlich, dass eine Vollauslastung nur durch Steigerung der Konsumausgaben möglich
sei.]
Die Überakkumulation, also das ‚Schwimmen im Geld‘ ist
natürlich ein Ergebnis unserer produktionstechnischen Möglichkeiten, die einen
gewissen Überfluss (und Überdruss) schaffen bzw. ermöglichen. Wenn man das
Eigentum an Produktionsmitteln soziologisch-utilitaristisch als
gesellschaftliche Ausdifferenzierung einer „Investorenrolle“ interpretieren
will, dann könnte man sagen, dass die Eigentümer ihr Geld „veruntreuen“, indem
sie es der Realwirtschaft entziehen und in die reine Finanzsphäre abdriften
lassen. Geht man aber davon aus, dass es in der Realwirtschaft hauptsächlich
inflationierend wirken würde, könnte man ihnen umgekehrt dankbar sein.
Letztlich stehen wir vor einer Art „Henne-Ei-Problem“, dass
ich hier auf sich beruhen lassen will.
Allerdings deutet z. B. die Niedrig- und Negativzinspolitik
der Europäischen Zentralbank darauf hin, dass ihre Geldpolitik mit aller Gewalt
einen durch Geldmangel bedingten Nachfragemangel in der Realwirtschaft
auszugleichen versucht, dass sie sich also bemüht, die ‚Abwanderungsverluste‘
von Hortgeld in die reine Finanzsphäre auszugleichen.
[Einschub: Die gegenwärtige
Geldpolitik der EZB sieht mir dem folgenden Anti-Deflationsrezept von Hayek (für
sein System) verdammt ähnlich:
“… in the kind of competitive money
system we are here contemplating, a general deflation will be as impossible as
a general inflation. Experience seems
indeed to have shown that, in conditions of severe uncertainty …… even very low
rates of interest cannot prevent a shrinking of a bank's outstanding loans.
What could a bank issuing its own distinct currency do when it finds itself in
such a situation, and commodity prices in terms of its currency threaten to
fall? ….. the bank would presumably be driven to buy interest-bearing securities and thereby put cash into the hands of
people looking for other investments as well as bring down the long-term rates of interest, with a similar effect. (S. 81)]
Diese ‚Kreditstopfmast‘ der EZB ist, sofern es auf der
anderen Seite große Geldhorte gibt, insofern problematisch, als das von seinen
Eigentümer aus der Wirtschaft ‚abgezweigte‘ (Hort-)Geld deren ‚Eigengeld‘ ist,
mit dem sie niemandem zur Rückzahlung verpflichtet sind. Obwohl es andererseits
ursprünglich (unter Mitwirkung) von einem Kreditnehmer geschaffen wurde, der
dieses Geld irgendwann wieder benötigt, um seiner Tilgungspflicht zu genügen. (Er
muss etwas verkaufen, um seine realwirtschaftlichen „Vorschusskauf“ zu
kompensieren. Die alternative Möglichkeit, den Kredit zu revolvieren, führt zur
Ponzi-Finanzierung.)
Während die EZB mit ihren immer neuen Krediten zugleich immer
neue Tilgungsverpflichtungen schafft. (Ein solches System lässt sich auf
längere Sicht wohl tatsächlich nur noch durch eine „Ponzi-Finanzierung“ stabilisieren, wie wir sie bei den Staatsschulden ja längst
haben. Ob das auf Dauer gutgeht, ist eine spannende Frage ….)
[Einschub: Im Zusammenhang mit den
vorliegenden Überlegungen zum ‚Über‘-Sparen (‚Zuvielsparen‘) ist darauf
hinzuweisen, dass es die Probleme nur noch verschärft, wenn man die breite
Masse zwingt, noch mehr zu sparen. Konkret gilt das für Forderungen, die
Altersvorsorge vom Umlageverfahren auf das Kapitaldeckungsverfahren
umzustellen. (Wegen der Einzelheiten meiner Kritik verweise ich den Täg „Rentenfinanzierung“ in meinem Canabbaia-Blog und, sehr ausführlich, meine
Webseite „Rentenreich“
aus dem Jahr 2004.)]
Doch zurück zu Hayeks Überlegungen,
welche Rolle die ‚Geldhalter‘ bei der Stabilität einer Währung spielen („… the desire of the public to hold its
currency will be the essential circumstance on which its value depends“).
(Ich denke, dass diese Aussage ganz allgemein gelten soll und nicht nur für
sein Parallelwährungssystem gedacht ist; aber darauf kommt es hier nicht an.)
Wie wir oben gesehen haben, gibt es ZWEI Möglichkeiten bzw.
Formen des, sagen wir, „Zurücklegens von Geld“ mit unterschiedlichen
Folgewirkungen für die Wirtschaft:
·
Das, was ich „Transfersparen“
genannt habe. Dabei wird das Geld von anderen
ausgegeben, denen es im Kreditwege zur Verfügung gestellt wurde.
·
Und das ‚Kopfkissensparen‘, das man vielleicht als „Horten“ (im engeren Sinne) bezeichnen
sollte, bei dem das Geld gar nicht für die Realwirtschaft verfügbar ist.
Es liegt auf der Hand, dass eine Geldmenge nur dann ohne
inflationäre Wirkungen über eventuelle Zuwächse der Gütermenge hinaus vermehrt
werden kann, wenn das zusätzliche Geld irgendwo ‚stillgelegt‘ wird; so sieht
das auch Hayek: „If an increase in the
demand for such cash balances is met
by an increase of the quantity of money ….., it does not disturb the
correspondence between demand and supply of all other commodities or services.”
(Wobei freilich die Bargeldhortung – “cash
balances” – heute, aber auch schon zu seinen Lebzeiten, keine nennenswerte Rolle
mehr spielt bzw. gespielt hat!) Stillzuliegen ist freilich nicht der Sinn von
Geld als ‚Blut‘ im ‚Blutkreislauf‘ der Wirtschaft; daher gibt es keinen Grund,
‚Stilleger‘ auch noch zu belohnen. Von daher ist es äußerst befremdlich, wenn ausgerechnet
ein Wirtschaftswissenschaftler das Geldsystem so konzipieren will, dass Kredite
knapp und teuer sind und die Preise um jeden Preis stabil gehalten werden (also
im Ergebnis die Realzinsen hoch sind).
Die Lasten der hohen Realzinsen tragen dann nämlich die
Unternehmer (zusätzlich zu ihrem Risiko!), sowie die Arbeitnehmer. Während sich
die (wie ich hier mal drastisch sagen muss: ) Geldsäcke den Bauch halten und
ins Fäustchen lachen (würden). Gegen ‘klassisches’ Sparen („hold it until they wish to buy [something]“)
ist nichts einzuwenden. Aber diese Vorstellung aus der Perspektive von Otto
Normalerbraucher traf wohl schon zu seiner Zeit nur teilweise zu. Bei der
gegenwärtigen galoppierenden Kapitalakkumulation bei den Begüterten ist sie
gottvoll naiv und wäre bei heutigen Autoren dreiste Augenwischerei). [Für ein jahrzehntelanges
Vorsorgesparen ist eine derartig biedere Vorstellung von Geldsparen ebenfalls inadäquat;
aber das begreifen nicht nur „Austrians“ nicht.]
Auch heute hebt die Rhetorik der vulgärösterreichischen
Bewegung den „hart arbeitenden Unternehmer“ verbal in den Himmel. Während real
sämtliche Pläne zur Änderung des Geldsystems bei genauerem Hinschauen einzig
und allein den Geldbesitzern (bzw. Goldbesitzern) nützen würden. Also
denjenigen, die im Vergleich zu Unternehmern und Arbeitnehmern tendenziell eher
die Stellung als Schmarotzer im Wirtschaftsleben haben. Das muss von Hayek
nicht so gewollt gewesen sein; aber auch in seinem Plan klaffen Rhetorik und
Realität in dieser Weise auseinander.
Wenn meine Annahme richtig ist, dass die derzeitige lockere Geldpolitik
(mit extrem niedrigen Zinsen) der Zentralbanken die Abwanderung von Hortgeld
(in die „reinen“ Finanzmärkte) kompensiert, dann würden wir gerade die
„Kopfkissen redivivus“-Situation aus Analysestufe 3 hautnah erleben.
Denkbar ist freilich auch, dass „die Pferde nicht saufen
wollen“, also die Kreditnachfrage gesunken ist. Doch auch das könnte kausal von
einem Über-Sparen bzw. einer ‚Unter-Nachfrage‘ herrühren.
4. Geld sparen OHNE Geld „auf die hohe Kante“ zu legen. Oder:
Wenn die Pferde nicht mehr saufen wollen.
Auch an die hier zu behandelnde Fallgestaltung, bei der die
Wirtschaftssubjekte „sparen“, indem sie (in der Summe) die alten Kredite tilgen
und neue nicht mehr (im gleichen Umfang) nachfragen akzeptiert Hayek als
wirtschaftsgeschichtliche Realität:
“Experience seems indeed to have shown that,
in conditions of severe uncertainty or alarm about the future, even very low
rates of interest cannot prevent a shrinking of a bank's outstanding loans.”
(S. 99)
Allerdings scheint sie mir in einem gewissen Widerspruch zu
einer weiteren Passage auf derselben Seite zu stehen:
„There would of course be no
difficulty in placing additional money at a time when people in general want to
keep very liquid.“
Wie auch immer: Diesen Sachverhalt haben wir in der
„US-Immobilienkrise“ 2007 ff. konkret erlebt. Ich erinnere mich noch an
entsetzte Kommentare, weil die überschuldeten Haushalte plötzlich begannen ihre
Schulden (per Saldo) abzubauen, anstatt sich noch tiefer in den Schuldensumpf
zu versenken. Da musste der Staat ran, was er, mit Hilfe der Fed, ja auch
fleißig gemacht hat. Mittlerweile brummt die amerikanische Wirtschaft wieder –
und vermutlich ist auch die Überschuldung der Amerikaner wieder auf dem alten
Niveau. Vielleicht sogar höher; jedenfalls sprudeln die Bankengewinne schon wieder wie
Springquellen. (Und also
demnächst „da capo“ mit der Finanzkrise?)
Die relativen Preise hatten sich (und sind noch immer?) durch
den US-Immobilienboom massiv verzerrt (etwa die Arbeitsstunden, die ein
durchschnittlicher Arbeitnehmer für einen Hauskauf aufwenden muss). Man kann
diesen Sachverhalt als Bestätigung der allgemeinen Kritik Hayeks an solchen
Preisverzerrungen werten:
„Its [der Quantitätstheorie] chief defect in any situation seems to me to
be that by its stress on the effects of changes in the quantity of money on the
general level of prices it directs all-too exclusive attention to the
harmful effects of inflation and deflation on the creditor-debtor relationship,
but disregards the even more important and harmful effects of the injections
and withdrawals of amounts of money from circulation on the structure of relative prices and the
consequent misallocation of resources
and particularly the misdirection of investments which it causes. (S. 80)
Andererseits fragt es sich, ob die amerikanische Wirtschaft
ohne den Immobilienboom eine Vollauslastung erreicht hätte. Unter der
Überschrift „Finanzkrise: Haben die Banken zu viel Kredit vergeben?“ hatte ich diese Fragestellung bereits
in meinem Blogpost vom 30.06.2014 abgehandelt. Jedenfalls gibt es (was
grundsätzlich auch Hayek so sieht) keinen Grund, dass sich die relativen Preise
nicht ändern dürften. Wer will
darüber entscheiden, was von solchen Änderungen noch „Markt“ und was
„künstlich“ (durch die lockere Kreditversorgung) bewirkt ist? Welchen Verlauf
hätte die wirtschaftliche Entwicklung in den USA genommen, wenn die Banken bei
den Immobilienkrediten deutlich restriktiver verfahren wären? Hätten sich dann
andere Branchen besser entwickelt, oder wäre es zur Rezession bzw. Depression
gekommen? Wer hätte dann die Kredite aufgenommen, um welche Güter nachzufragen?
Oder, im Rahmen des Hayek-Systems gedacht: Hätten die Emissionsbanken bei ihm
in der konkreten Situation die Geldmenge zurückgefahren? Obwohl doch (vermute
ich; das wäre noch zu verifizieren) etwa die Rohstoff-Preise nicht gestiegen
sind? Und somit die ‚Signalgeber‘ in der Hayek-Welt, die Warenkorb-Preise,
keinen Handlungsbedarf angezeigt hätten?
Doch zurück zur allgemeinen Thematik: Diesen 4. Punkt habe
ich eingefügt um den möglichen Missverständnis vorzubeugen, dass das „Halten“
von Geld (Pkt. 1 bis 3) den Sparbegriff voll ausschöpfen würde. Natürlich kann
man bestreiten, dass die Nichtaufnahme von (neuen) Krediten überhaupt ein
„Sparen“ darstellt. Eventuelle derartige terminologische Einwände würden jedoch
verkennen, dass es in einer sinnvollen Debatte um die realwirtschaftlichen Auswirkungen eines bestimmten
‚Monetärverhaltens‘ der Wirtschaftssubjekte gehen muss. Und aus dieser
Perspektive ist die ‚Kreditscheu‘ identisch mit dem ‚Kopfkissensparen‘.
Ohne Einbeziehung auch dieser Form von Sparverhalten sind
keine validen Aussagen allgemeiner Art über die Zusammenhänge von Geld- und
Realwirtschaft möglich.
Um aber noch einmal auf das Kapitelthema zurückzukommen; hier
zeigt eine Bemerkung auf der S. 83, gegen wen sein Geldsystem in Wahrheit
gerichtet ist: Gegen die Arbeitnehmer!
„It seems to me ….. like any other
attempts to accept wage and price rigidities as inevitable and to adjust monetary
policy to them ….. to be one of those steps apparently dictated by practical
necessity but bound in the long run to
make the whole wage structure more and more rigid and thereby lead to the destruction of the market economy.”
Und auf S. 95 heißt es:
“If government did not increase the
quantity of money such a rise in the wages of a group of workers would not lead
to a rise in the general price level but simply to a reduction in sales and
therefore to unemployment.”
Auf S. 96 sind auch Preissteigerungen
einbezogen, die nichts mit Lohnsteigerungen zu tun haben:
“It is … worth considering … what would
happen if a cartel or other monopolistic organisation, such as a trade union,
did succeed in substantially raising the price of an important raw material or
the wages of a large group of workers, fixing them in terms of a currency which
the issuer endeavours to keep stable. In such circumstances the stability of the price level in terms
of this currency could be achieved only by the reduction of a number of other
prices. If people have to pay a larger
amount of money for the oil or the books and printed papers they consume, they
will have to consume less of some other things.”
Wie sich auch aus anderen Passagen seines Textes (z. B. S. 95/96)
ergibt, soll eine rigide Geldmengenkontrolle die Preise insgesamt stabil
halten. Was natürlich bedeutet, dass beim Steigen der einen Güterpreise andere (im
jeweiligen Referenzwarenkorb der Bank!) fallen müssen.
Nehmen wir als Beispiel einen ÖPNV-Güterkorb, bei dem die
Preise für Busfahrten aufgrund höherer Ölpreise gestiegen sind. Dann müssten zum
Ausgleich die Löhne der Busfahrer gesenkt werden, oder die Preise für
Bahnfahrten (und damit, sofern die Bahn keine ausreichenden Gewinnpuffer hat,
auch die Löhne der Bahnarbeitnehmer).
Hayeks Behauptung, dass sein
Geldmengenkorsett auch für die Arbeitnehmer vorteilhaft wäre („Wage- and salary-earners would probably also
discover that it was advantageous to conclude collective bargains in average
raw material prices or a similar magnitude, which would secure for earners of fixed
incomes an automatic share in an increase of industrial productivity” – S.
75), ist also pure Propaganda. Sein eigentliches Ziel ist es, die “rigide” Lohnstruktur aufzubrechen: Preisstabilität
ist alles, die Belange der Arbeitnehmer sind nichts.
[Einschub: Hayeks schönes neues
Geldsystem erweist sich als eine klassenkämpferische Ideologie. Im strengen
Sinne ist es zwar ‚nur‘ eine Ideologie zum Wohle der Geldbesitzer, die
potentiell nicht nur die Arbeitnehmer benachteiligt, sondern ebenso die
Unternehmer (Kreditknappheit, ggf. Zwang zur Preissenkung). Ich habe allerdings
keinen Zweifel, dass Hayek sich auf die Seite auf die Seite der Unternehmer
schlagen würde, wenn sich in der praktischen Umsetzung seines Modells
Funktionsprobleme ergeben würden.
Perfekt (jedenfalls auf den ersten
Blick) ist das Paradies für Geldbesitzer natürlich erst im Deflationsszenario. Einer
seiner Nach-Folger im Geiste (an Geist eher nicht) ist Philipp Bagus, der es an
in Spanien zum Professor gebracht hat. Der liefert auch für
Aufwertungs-Spekulanten eine (scheinbare) Lösung, indem er die Auswirkungen von Deflationen grotesk
verniedlicht.]
Zurück zu Hayeks Preiskorb-Stabilisierung. Die ist, wie die
obigen Beispiele gezeigt haben sollten, genau das, was er ansonsten ablehnt: Eine
Verzerrung von relativen Preisen. Und diese Verzerrung stellt die Verlierer
(Arbeitnehmer der Bus- und/oder Bahnbetriebe; es kann aber auch die Bahnunternehmer
treffen, wenn die noch Luft bei den Gewinnen haben) sogar noch schlechter als
eine Inflation.
Wenn im gegenwärtigen Geldsystem eine Branche (Arbeitgeber
und/oder Arbeitnehmer, das spielt hier keine Rolle) ‚einen Schluck aus der
Pulle‘ nimmt, dann haben alle diejenigen in der gesamten Volkswirtschaft
weniger, welche die Produkte dieser Branche kaufen.
Im Hayek-Regime dagegen bekommen die Wirtschaftssubjekte
(Arbeitnehmer und Unternehmer) seiner jeweiligen ökonomischen Korb-Sektoren
insgesamt einen Kuchen vorgesetzt
und müssen sich um die Stücke balgen. Was der eine ggf. mehr bekommt, geht zu
Lasten seiner ‚Korbgenossen‘. Alle anderen Wirtschaftsteilnehmer sind davon
abgeschottet.
Um aber diese Abschottung zu bewerkstelligen, presst Hayeks
Aufwertungswettlaufsystem [dass dieses real gar nicht funktionieren kann, lasse
ich hier wie auch an anderer Stelle beiseite] die Korbgenossen in eine gesamtschuldnerische
Haftung: Nicht alle anderen
bezahlen die höheren Busfahrpreise, sondern (im Ergebnis) alleine die Arbeitnehmer (und/oder evtl. die Arbeitgeber) der Bus-
und/oder Bahnunternehmen. (Konkret zahlen natürlich alle Kunden die höheren Busfahrpreise, doch werden sie entweder bei
den Bahnfahrpreisen entsprechend entlastet oder, wenn die Ölpreissteigerung
durch eine Lohnsenkung der Busfahrer kompensiert wird, bleiben die
Busfahrpreise sogar unverändert.) Die Belastung durch die von Hayek geforderten
Lohn- oder Gewinnverzichte (zum Ausgleich für Lohn- oder Preissteigerungen an
anderer Stelle) ist bei den ‚Haftungsgenossen‘ folglich selektiver (es trifft
nur bestimmte Gruppen) und (als Konsequenz daraus) bei den Betroffenen weitaus
höher im Vergleich zur individuelle Belastung der Kunden bei Preiserhöhungen im
gegenwärtigen System.
Wenn DAS keine Preisverzerrung willkürlichster (und
unverschämtester) Art ist, dann weiß ich’s nicht. Und alles nur, damit die
GELDPREISE (der Geldwert) unverändert bleiben – also zum Wohle der
Geldbesitzer!
In anderem Zusammenhang verurteilt Hayek inflationär bedingte
Preisverzerrungen wieder und wieder; z. B. schreibt er auf S. 82:
Everybody knows of course that
inflation does not affect all prices at the same time but makes different
prices rise in succession, and that it therefore changes the relation between
prices - although the familiar statistics of average price movements tend to
conceal this movement in relative Prices.
Auf der Basis seiner Konjunkturtheorie [in groben Umrissen
dargestellt z. B. in dem auch sonst interessanten Papier “Slaves of the defunct: the epistemic
intractability of the Hayek–Keynes debate” von Scott Scheall] befürchtet er
Fürchterliches von der Verzerrung der relativen Preise:
“What is in the long run even more
damaging to the functioning of the economy and eventually tends to make a free market system unworkable is the effect of this
distorted price structure in misdirecting the use of resources and drawing
labour and other factors of production (especially the investment of capital)
into uses which remain profitable only so long as inflation accelerates.”
Und um, wie er meint, Schaden von der Wirtschaft abzuwenden
und am Ende sogar die Freie Marktwirtschaft zu retten, ersinnt (oder richtiger:
erspinnt) er ein System, das die Zusammenhänge KÜNSTLICH komplett verzerrt und
mit einem freien Markt allenfalls noch den Namen gemein hat.
Clever ausgedacht hat er sich das Ganze schon; den Trick mit
der Haftungsgemeinschaft der Korbinsassen habe ich erst durchschaut, nachdem
ich mich tagelang intensiv schreibend mit seiner Geldsystemphantasterei
beschäftigt hatte.
Trick 17 mit Selbstüberlistung: Preisstabilität durch Kursmanipulation?
1. “The issuing
bank could ….. keep in cash a 100 per cent reserve of the currencies in terms
of which it had undertaken to redeem its issue and still treat the premiums
received as freely available for general Business.
2. But once
these other currencies had, as the
result of further inflation, substantially
depreciated relative to the ducat [Hayeks
fiktive Beispielwährung; bei mir: „Neumark“],
the bank would have to be prepared, in
order to maintain the value of the ducat, to buy back substantial amounts of
ducats at the prevailing higher rate of exchange.
3.
This means that it would have to be able rapidly to liquidate
investments of very large amounts indeed. These investments would therefore
have to be chosen very carefully if a temporary rush of demand for its currency
were not to lead to later embarrassment when the institution that had initiated
the development had to share the market with imitators. Incidentally, the
difficulty of finding investments of an assured stable value to match similar
obligations would not be anything like as difficult for such a bank as we are
considering as present-day bankers seem to find it: all the loans made in
its own currency would of course represent such stable assets.”
(S. 49/50)
Das ist eine zumindest für mich schwierige Passage, die ich
zwecks leichteren ‚Aufdröselns‘ in eine Aufzählung umgewandelt habe (der Originaltext
ist durchgehend.)
Punkt 1) ist klar. (Oben hatte ich ihn in der Weise
konkretisiert, dass die Neubank in Höhe des von den Anlegern gezahlten
Überschusses in Altwährung ebenfalls ihre Neumark ausgibt und damit ihre
Angestellten bezahlt).
Den zweiten Absatz muss ich mir im Denkmodell
veranschaulichen, um seinen Sinn (hoffentlich) zu begreifen.
·
Ausgangslage ist bei mir ein pari-Wechselkurs Neumark
(die ich hier für Hayeks Dukaten als Neuwährung einsetze) zu DM sowie eine
Kaufkraft von 1,- DM (und ebenso 1,- Neumark) für ein Kilo Eisen.
·
Die Altwährung inflationiert. Wir setzen also nunmehr
einen Preis von 2,- DM für ein Kilo Eisen.
Wenn sich das im Wechselkurs bereits niedergeschlagen hätte,
müsste man nunmehr 2,- DM für eine Neumark bezahlen, womit die Kaufkraft der
Neumark unverändert stabil wäre: 1,- NM = 2 DM = 1 Kilo Eisen. In diesem Falle
gäbe es freilich keinen Grund für die Neubank, am ‚Devisenmarkt‘ zwecks
Aufwertung ihrer NM zu intervenieren.
Hayeks Szenario, in welchem die „DM depreciated relative to the
Neumark” (seine Währungsbegriffe hier in meine Modellbegriffe
übersetzt) führt also offensichtlich in die Irre, wenn man sich unter dem
Sachverhalt „die DM hat im Verhältnis zur
Neumark deutlich abgewertet“ einen KURSverlust der DM vorstellt.
Vielmehr muss man hier, um seinen Gedankengang zu verstehen, zwei Abwertungsformen unterscheiden:
·
Kaufkraftabwertung und
·
Wechselkursabwertung.
Hayek denkt offenbar an eine Fallgestaltung, bei der die DM
zwar an KAUFKRAFT verloren hat, sich aber die Wechselkurse noch nicht an diesen Wertverlust angepasst
haben („the prevailing higher rate of
exchange“). Nur dann macht seine Annahme überhaupt Sinn, dass die Neubank
selber durch Markteingriffe die Kaufkraftabwertung
der DM in eine Wechselkursabwertung
der DM (bzw. eine entsprechende Aufwertung der NM) übertragen (könne und) müsse
(„buy back substantial amounts of ducats
in order to maintain the value [= Kaufkraft] of the ducat“ – die Satzteile aus Hayeks o. a. Formulierung habe
ich hier zur Verdeutlichung umgekehrt).
(Nur) solange der Wechselkurs noch auf pari steht, verdoppelt
sich der Eisenpreis auch in Neumark - und eben das muss die Neubank verhindern,
weil sie den Benutzern ihres Geldes Preisstabilität versprochen hat.
Abstrakt formuliert: Soweit die Wechselkurse Änderungen der
Kaufkraft noch nicht – voll – widerspiegeln, müssen die Banken ‚Kurspflege‘
betreiben (bzw., wenn man das kritisch sehen will: die Kurse manipulieren).
Um also den Eisenpreis (und damit auch den Warenkorbpreis) in
ihrer eigenen Währung stabil zu halten, muss nach Hayeks Vorstellung die
Neubank den Wechselkurs der DM von 1 : 1 auf 2 (DM) zu 1 (Neumark)
runterprügeln. Dafür hat sie (alternativ oder kumuliert) zwei Möglichkeiten:
·
Den direkten
Weg, DM aus den eigenen Beständen auf den Markt werfen, um die eigene Währung
zurückkaufen („to buy back substantial
amounts of ducats“). Das ist die einfachere und verlässlichere Variante,
aber möglicher Weise hat die Neumark nicht genügend Fremdwährung. Wenn sie
ursprünglich z. B. 1 Mio. Neumark gegen 1 Mio. DM umgetauscht hätte müsste sie
jetzt, um ihre 1 Mio. Neumark wieder aus dem Verkehr zu ziehen, zwei Mio. DM aufbringen. Im Detail
würde dieser Mechanismus allerdings etwas anders funktionieren: Die Rückkäufe
der Neubank an Eigenwährung verknappen die Neumark-Restbestände im Markt; die
Verkäufer würden immer mehr DM verlangen, um ihre Neumark herzugeben. Da sich
die Wechselkurse also nicht auf einen Schlag ändern würden, sondern gleitend im
Zeitverlauf, stünden sie erst am Schluss der Operation bei 2 : 1. Somit müsste
die Neubank nicht wirklich 2 Mio. DM für die Rückkäufe aufwenden, sondern
irgendwo zwischen 1 und 2 Mio. DM. Aber, wie gesagt: Sie hat ja nur 1 Mio. DM
im Tresor, also allemal nicht genug. (Sofern sie für diese Operation ihre gesamten Reserven einsetzen müsste.
Diese Annahme ist natürlich kein zwingender
Bestandteil von meinem oder von Hayeks Modell, muss also nicht eintreten.)
·
Indirekt kann sie ihre eigene Geldmenge am Markt verknappen („rapidly
… liquidate investments of very large amounts“), indem sie Kredite
verweigert (harte Restriktion) oder verknappt (‚hart‘ durch Rationierung oder
‚weich‘ über höhere Kreditzinsen). (Eine andere, bei Hayek nicht
berücksichtigte, Möglichkeit wäre eine Erhöhung der Einlagenzinsen; dieser Weg der
Geldmengenreduktion wäre allerdings noch indirekter und schlechter
kontrollierbar.) Diejenigen Wirtschaftssubjekte, die DM haben aber
(insbesondere wegen vertraglicher Verpflichtungen) Neumark benötigen, müssten
dann mehr DM für die Neumark hinlegen, weil diejenigen Marktteilnehmer, die
noch Neumark besitzen, aufgrund der Knappheit höhere DM-Beträge für die Neumark
verlangen würden. Dazu müssten allerdings die Knappheitssignale relativ schnell
den Markt erreichen, was die Neubank durch eine entsprechende Kommunikation („wir wünschen uns einen Kurs von 2 : 1“)
wohl auch erreichen könnte. (Und buchungstechnisch würde sie dabei gigantische
Verluste machen, die sie möglicher Weise nur durch „Gelddrucken“, also
tendenziell inflationär, ausgleichen könnte!)
Hayek verschleift diese beiden Sachverhalte, wenn er unter
der o. a. Ziff. 3 sagt „This means that it [die
Emissionsbank] would have to be able
rapidly to liquidate investments …“. Denn
für einen Rückkauf der eigenen Währung benötigt sie Fremdwährung. Diese kann
sie jedoch nicht aus der Auflösung von Investitionen gewinnen; dadurch kann sie
lediglich ihr eigenes Geldangebot im Markt verknappen – was ja auch der Sinn
des indirekten Weges ist. (Nach Hayeks Vorstellung, die man indirekt aus der
Feststellung: „... all the loans made in
its own currency would ….. represent such stable assets” erschließen kann,
soll das Marktangebot von NM tatsächlich durch Kreditrestriktionen gedrosselt
werden.)
In der Passage „These
investments would therefore have to be chosen very carefully if a temporary
rush of demand for its currency were not to lead to later embarrassment when
the institution that had initiated the development had to share the market with
imitator” verstehe ich nicht, welchen Zusammenhang die Notwendigkeit einer
sorgfältigen Anlageauswahl (die sich m. E. ohnehin vorrangig nur auf die
Kurzfristigkeit beziehen kann) mit den von einem Nachahmer dieses
Geschäftsmodells der Emissionsbank („imitator“)
drohenden Gefahren haben sollte. Allerdings dürfte das für meine Argumentation
eher bedeutungslos sein.
Legt man unser alltägliches Funktionsverständnis von
Wechselkursen (hergeleitet aus den Vorgängen an den Devisenmärkten) zu Grunde, dann
ist die Bedeutungsverschiebung von „depreciated“
in Hayeks Modell ausgesprochen merkwürdig. Schließlich haben wir doch in der
Euro-Debatte immer wieder gehört „Hätten
die Griechen noch ihre eigene Währung, dann könnte diese abwerten und dadurch
die dortigen überproportionalen Preissteigerungen ausgleichen; weil sie aber im
Euro sind, müssen sie ihre Preise durch Deflation senken.“
Die Frage ist also, warum bei Hayek nicht schon der
‚Devisenmarkt‘, an dem beide Währungen gehandelt werden, den Kaufkraftverlust
der DM ausgeglichen, also diese Währung entsprechend abgewertet hat?
Auch hier stoßen wir wieder auf eine Anomalie, die Hayeks
Modell vom Markt, wie wir ihn kennen, unterscheidet.
Bei den Griechen (usw.) vollzog sich die interne Preisbildung
in Landeswährung. Der DM-Eisenpreis in Hayeks Modell (und meiner
Ausformulierung) ist aber lediglich ein Notierungskurs am Rohstoffmarkt, ebenso
wie heute die Rohölnotierung in US-Dollar. Die Eisenerz-Bergarbeiter werden
vielleicht in verschiedenen anderen Währungen bezahlt oder, hypothetisch, sogar
in Neumark. Nehmen wir an, die Teuerung sei durch entsprechende
Lohnzugeständnisse an die Arbeitnehmer zustande gekommen. Dann trägt die DM als
Währung daran genauso wenig ein Verschulden, wie es dem USD (bzw. der Fed)
anzulasten ist, wenn die Scheichs das Rohölangebot drosseln und die Preise
hochtreiben.
Trotzdem sinkt natürlich für uns der Rohölpreis, wenn der USD
im Verhältnis zum Euro (bzw. früher zur DM) abwertet (und steigt im
entgegengesetzten Falle). Aber entsprechend verteuern sich auch unsere
Ausfuhren in die USA. Deshalb wäre es wohl zum Scheitern verurteilt, wenn die
Bundesbank versuchen würde, den Dollarkurs ganz bewusst runterzuprügeln, damit
sich das Rohöl für Deutschland verbilligt. (Ganz abgesehen davon, dass die
Scheichs den Ölpreis dann wahrscheinlich noch weiter steigern würden, um die „terms
of trade“ mit uns wieder zu verbessern, also billiger an unsere Mercedesse zu
kommen.
Auch Hayeks (ohnehin nicht durchführbare: s. o.) „Lösung“,
die Neubank solle doch kurzerhand den Wechselkurs der DM drücken, ist nur eine
scheinbare. Ursache der Preissteigerung war ja (in meinem Denkmodell) die
Lohnerhöhung der Bergarbeiter. Auf der realen Ebene (und nicht auf der von
faulen Tricks) betrachtet, gibt es in diesem Falle nur zwei Möglichkeiten, das Gesamtpreisniveau stabil zu halten:
·
Entweder müssen die Löhne der Bergarbeiter wieder
runter
·
Oder andere
Wirtschaftsteilnehmer müssen ihre Preise (oder Löhne) senken.
Auf diese letztere Lösung läuft Hayeks System hinaus: Die
starre Systemgeldmenge würde verhindern, dass auch die anderen
Wirtschaftsteilnehmer ihre Preise bzw. Löhne erhöhen. Wenn sie Waren im
bisherigen Umfang absetzen wollten, müssten sie ihre Preise sogar senken, weil
jetzt die Eisenminenarbeiter einen größeren Teil der Geldmenge in den Fingern
haben und alle anderen entsprechend weniger. (So jedenfalls in der Theorie. Da
sich Geldmangel in der Praxis nie gleichmäßig bemerkbar macht, würde die
Realität wahrscheinlich ganz anders aussehen: Einige Unternehmen könnten ihre
Arbeitnehmer nicht mehr bezahlen und würden pleitegehen oder schließen. Not und
Elend würden sich ausbreiten wie in der „Great Depression“ von 1929 ff.).
Wie immer bei den Preisen, geht es
also auch hier um die Verteilung:
1. Soll ich den
Bergarbeitern ihre Beute lassen, und anderen etwas wegnehmen?
2. Oder soll ich
den anderen erlauben, im Verteilungskampf gleichfalls ihre Preise zu erhöhen
(und so am Ende u. a. auch den nominalen Lohnzuwachs der Bergarbeiter wieder
ein wenig abzuschmelzen)?
Hayek präferiert die erste Variante, will also die Wirtschaft
ins Prokrustesbett der starren Geldmenge fesseln. Ich bevorzuge die zweite,
weil sie der Dynamik von Marktwirtschaft und marktwirtschaftlichen
Verteilungskämpfen gemäßer ist.
An anderer Stelle stellt Hayek die Zusammenhänge allerdings
so dar, dass der Markt bereits von sich aus (also ohne Kursmanipulation oder,
freundlicher formuliert, ohne ‚Kurspflege‘ seitens der Neubank) die
überemittierte Währung auch wechselkursmäßig abwertet. Nur ist sein
Ausgangspunkt dort ein anderer: Während er bei seinen Überlegungen S. 49/50 die
Kaufkraftverschlechterung einer Währung an den Anfang stellt, ist es hier die
Überemission. Freilich ist eine solche überhaupt nur dadurch zu definieren und
daran zu erkennen, dass die Preise steigen (und die Wechselkurse der
Konkurrenzwährungen). Letztlich geht es also in beiden Fällen um den gleichen
realen Sachverhalt; inwieweit Hayeks unterschiedlichen Annahmen kompatibel
sind, ist mir unklar.
There will of course always be a
strong temptation for any bank to try and expand
the circulation of its currency by lending cheaper than competing banks;
but it would soon discover that, insofar
as the additional lending is not based on a corresponding increase of saving,
such attempts would inevitably rebound and hurt the bank that over-issued.
While people will no doubt be very eager to borrow a currency offered at a
lower rate of interest, they will not want to hold a larger proportion of their
liquid assets in a currency of the increased issue of which they would soon
learn from various reports and symptoms. It is true that, so long as the
currencies are almost instantaneously exchangeable against one another at a
known rate of exchange, the relative prices of commodities in terms of them
will also remain the same. [Das ist genau das Ausgangsszenario in seiner Darstellung S.
49/50, wie ich es oben untersucht habe.] Even on the commodity markets the prices of those commodities (or, in
regions where a high proportion of the demand is expressed in terms of the increased
currency, prices in terms of all currencies) will tend to rise compared with
other prices. But the decisive events will take place on the currency exchange.
At the prevailing rate of exchange the
currency that has increased in supply will constitute a larger proportion of
the total of all currencies than people have habitually held. Above all,
everybody indebted in the currencies for which a higher rate of interest has to
be paid will try to borrow cheap in order to acquire currencies in which he can
repay the more burdensome loans. And all the banks that have not reduced their
lending rate will promptly return to the bank that lends more cheaply all of
its currency they receive. The result must be the appearance on the currency
exchange of an excess supply of the overissued currency, which will quickly
bring about a fall in the rate at which it can be exchanged into the others.
And it will be at this new rate that commodity prices normally quoted in other
currencies will be translated into the offending currency; while, as a result
of its over-issue, prices normally quoted in it will be immediately driven up.
The fall in the market quotation and the rise of commodity prices in terms of
the offending currency would soon induce habitual holders to shift to another
currency. The consequent reduction in the demand for it would probably soon
more than offset the temporary gain obtained by lending it more cheaply. If the
issuing bank nevertheless pursued cheap lending, a general flight from the
currency would set in; and continued cheap lending would mean that larger and
larger amounts would be dumped on the currency exchange. We can confidently
conclude that it would not be possible for a bank to pull down the real value of
other currencies by over-issue of
its currency - certainly not if their
issuers are prepared, so far as necessary, to counter such an attempt by temporarily curtailing their issues. (S. 63/64)
Auch das ist, zumindest für mich, eine schwierige Passage,
die ich nicht auf Anhieb in ein Denkmodell umsetzen kann. Versuchen wir also,
Hayeks Gedankengang in ein Schritt-für-Schritt-Denkmodell umzubauen um dann
hoffentlich klarer zu sehen.
1. Ausgangslage:
Kurse und Preise im Gleichgewicht; Systemgeldmenge ist genau richtig.
2. Altbank will
Marktanteile ausweiten und senkt Kreditzins; Neubank zieht nicht mit.
3. Wie nicht anders
zu erwarten, gelingt die Ausweitung des Marktanteils, und zwar in der Form,
dass die Systemgeldmenge insgesamt expandiert, mit einem jetzt höheren
relativen Anteil der Altbankwährung. Wenn als das Ausgangsniveau der beiden
Geldmengen 50 DM : 50 NM gewesen wäre (kursgewichtete Systemgeldmenge 100), und
die Altbank 10 DM mehr emittiert, dann hätten wir eine Systemgeldmenge von 110
mit Anteilen von 60 DM zu 50 NM (bei anfänglich unverändertem Umtauschkurs 1 :
1.)
Erster Einschub: Um dieses Ergebnis zu erreichen, haben wir
eine stillschweigende Annahme gemacht (und diese muss, als Ausgangspunkt –
später soll ja die Neubank ihren Marktanteil reduzieren - auch bei Hayek
unterstellt werden): Dass nämlich die Geldmenge der Neubank unverändert bleibt,
also sich nicht etwa entsprechend (von 50 auf 40) gesunken ist. Denn dann hätte
sich die Kreditnachfrage lediglich von NM auf DM verlagert. Anders gesagt: Um
die Geldmenge von 100 auf 110 Geldeinheiten auszuweiten, muss die Kreditvergabe
(und als Voraussetzung dafür die Kreditnachfrage) im Gesamtsystem um 10 GE gestiegen sein.
Hayeks Aussage, dass „people will no doubt be very eager to borrow
a currency offered at a lower rate of interest” ist als solche natürlich korrekt. Nur gibt sie keine Antwort auf die
Frage, ob sich die Kreditnachfrage lediglich verlagern oder aber insgesamt
ausweiten würde. Weil aber die Kreditnehmer in der Hayek-Welt ansonsten an der
kurzen Leine gehalten werden ist seine stillschweigende Annahme, dass
zusätzliche Angebote die Gesamt-Kreditnachfrage steigern und damit die
Systemgeldmenge erhöhen würden, realistisch.
4. Jeder gibt die
zusätzlichen DM gerne aus (dafür borgt man sich ja schließlich Geld). Aber
niemand hält es gern lange: Die DM werden weitergereicht wie eine heiße
Kartoffel (während die NM fleißig gehortet werden).
5. Aber warum ist
das so? Hayek meint, dass „various
reports and symptoms“ den Geldbesitzern signalisieren würden, dass die DM
überemittiert hat. „Reports“ ist
klar: Die Geldmengenstatistik zeigt eine Erhöhung an und auch, von wem sie
kommt. Solche Informationen sind Signale für Spekulanten; sie sind aber für den
einzelnen Nutzer keine Marktsignale im engeren Sinne. Anders ist das bei den „symptoms“: Das wären nachteilige, spürbare
(und der DM offenkundig zuzurechnende) Änderungen im ökonomischen Umfeld der
einzelnen Wirtschaftssubjekte, welche diese zum Handeln veranlassen würden. [Würden
Wirtschaftssubjekte generell bereits auf lediglich abstrakte Informationen
anspringen, dann hätten wir beim Don-Draghi-Drucker-Euro schon längst eine
Hyperinflation!] Tendenziell bedeutet mehr Nachfrage natürlich höhere Preise,
zumal wir ja im Ausgangsszenario ein Gleichgewicht von Geldangebot und
Güterangebot unterstellt hatten. Realistisch ist auch Hayeks Annahme, dass es
auch bei seinen Konkurrenzwährungen keine vollständige Konkurrenz geben würde
(wie bei Hemden, Hosen, Automobilen usw.), sondern sich regionale oder
Wirtschafts-sektorale ‚Zonen‘ herausbilden würden, in denen eine Währung vorherrschend
wäre. Somit sollte eigentlich die Nachfrage in den DM-Sektoren zunächst stärker
anziehen als in den NM-Sektoren. Die nächste Frage ist dann natürlich, ob diese
Mehrnachfrage sich überhaupt vorwiegend auf die in der ‚DM-Zone‘ hergestellten
Produkte beziehen oder aber hauptsächlich die ‚Importe‘ aus der NM-Zone anschwellen
lassen würden. Wäre das der Fall, dann würden sogar eher die NM-Preise steigen;
der Markt würde also, was den Verursacher (die überemittierende Altbank)
betrifft, genau die falschen Signale aussenden: Obwohl die DM überemittiert
wurden, würden in diesem Falle die Preissteigerungen bei den NM-Gütern anfallen.
6.
Die letzte Annahme geht allerdings von unveränderten
Wechselkursen aus. Tatsächlich müssten jedoch die DM erst einmal umgetauscht
werden, um NM-Güter damit einkaufen zu können. (Oder der Empfänger würde sie
eintauschen, weil er seine eigenen Verpflichtungen in NM erfüllen muss.) Wir
hätten also am ‚Devisenmarkt‘ jetzt ein verstärktes Angebot an DM (bei
unveränderter Nachfrage), was tendenziell zu einer Aufwertung der
konkurrierenden NM führen müsste. Womit dann am Ende doch die Preise in DM
steigen. Von daher hätte Hayek Recht wenn er sagt, dass “the decisive events will take place on the
currency exchange”.
7. Zugleich
erwartet Hayek, dass DM-Kredite jetzt auch von den Akteuren in der „NM-Zone“
nachgefragt werden. (So jedenfalls glaube ich es modellkorrekt
umzusetzen, wenn er sagt: „… everybody
indebted in the currencies for which a higher rate of interest has to be paid
will try to borrow cheap in order to acquire currencies in which he can repay
the more burdensome loans.”) Das allerdings nicht, um damit einkaufen zu gehen [wieso eigentlich
nicht???] sondern um NM-Kredite zu tilgen. Wozu die DM natürlich ebenfalls in
NM umgetauscht werden müssten und damit tendenziell die NM aufwerten würden.
8. Also, um die
Effekte von ‚Importen‘ aus der NM- in die DM-Zone und die Verlagerung der
Kreditnachfrage von NM auf DM (zwecks Tilgung von NM-Krediten)
zusammenzufassen: Die NM würden aufwerten. Damit wäre allerdings die Flucht der
Kreditnehmer aus der NM in die DM sinnlos, weil die Schuldner dann zwar
geringere Zinslasten hätten, aber statt ursprünglich z. B. 100,- jetzt 110,- DM
leihen müssten, um einen 100,- NM-Kredit zu tilgen.
Zweiter Einschub: An dieser Stelle wird deutlich, wie sehr
die ganzen Modellannahmen (Hayeks und meine) hinken.
Alle Entwicklungen werden als „Hauruck“-Änderungen
dargestellt, während sie sich in wirklichen Leben gleitend vollziehen. (Dort
würde auch der Akzeptanzverlust einer Währung wahrscheinlich sehr, sehr viel
länger dauern, als Hayek sich das vorstellen mag.)
In der Zwischenzeit würden jedoch gegenläufige Entwicklungen
wirksam; z. B. würden die NM-Zonen-Bewohner wahrscheinlich mehr DM-Güter
einkaufen, wenn ihre Währung aufgewertet, die ‚Importe‘ also billiger wären.
Dafür müssten sie aber NM entsparen, und auf jeden Fall
müssten sie DM eintauschen. Das würde die DM tendenziell auf- und somit ihre
eigene NM abwerten. (Alternativ könnten sie auch DM-Kredite aufnehmen und damit
DM- oder NM-Güter kaufen; das würde umgekehrt die DM ab- und die NM aufwerten,
in welche die DM ja erst einmal umgetauscht werden müssten, um in dieser Zone
einzukaufen.)
Umgekehrt könnten die DM-Nutzer die Lust am Einkaufen
verlieren, wenn in ihrer alles teurer wird. Unter Berücksichtigung der
Umtauschverluste (zuzüglich Gebühren, die bei Hayek gar nicht vorkommen, aber
natürlich von den Banken verlangt werden würden und betriebswirtschaftlich auch
müssten) kämen sie dann vielleicht sogar besser dabei weg, Kredite in NM
aufzunehmen. (Falls sie diese bekommen: Die Neubank soll ihr Geld nach Hayek ja
knapp halten!)
Weitere Effekte wären:
·
die tendenzielle Senkung der Produktionskosten durch
niedrigere Kreditzinsen.
·
Eine tendenziell sinkende Güternachfrage, weil die
Emissionsbank, ihre Aktionäre und/oder ihre Einleger ja weniger einnehmen
würden. Bzw., wenn man den Blick ausweitet: Eine Verlagerung der Güternachfrage
von denjenigen, bei denen sich niedrigere Kreditzinsen als Einnahme-Minderungen
niederschlagen (Einleger und/oder Bankeigentümer) auf die Kreditnehmer, denen
wegen geringerer Zinskosten mehr Geld zur anderweitigen Verwendung bleibt
(quasi-‚Einnahmensteigerung‘).
· Paradoxer Weise kann man sich sogar ein Szenario vorstellen, in welchem sinkende Zinsen zu steigenden Ersparnissen führen würden: Vorsorgesparer müssten, um später einen gleich hohen Versorgungsstandard zu erreichen, mehr Geld zurücklegen. (Spannende Frage, ob wir nicht gerade momentan angesichts der Niedrigzinspolitik der EZB exakt einen solchen Sachverhalt erleben?)
· Paradoxer Weise kann man sich sogar ein Szenario vorstellen, in welchem sinkende Zinsen zu steigenden Ersparnissen führen würden: Vorsorgesparer müssten, um später einen gleich hohen Versorgungsstandard zu erreichen, mehr Geld zurücklegen. (Spannende Frage, ob wir nicht gerade momentan angesichts der Niedrigzinspolitik der EZB exakt einen solchen Sachverhalt erleben?)
·
Nicht zuletzt wäre auch eine Ausweitung der DM-Zone zu
Lasten der NM-Zone denkbar. Währungsmäßige „Grenzbetriebe“, die wesentliche Teile ihrer Einnahmen
und/oder Ausgaben in DM haben, aber bisher in NM gebucht hatten, könnten auf DM
umstellen. Damit würde das Güterangebot in der NM-Zone schrumpfen und in der
DM-Zone wachsen. Eine solche Entwicklung ist auch deshalb sehr plausibel, weil
die Betriebe nicht nur an billigeren Krediten interessiert wären, sondern
zunächst einmal daran, überhaupt
Kredite zu bekommen. Wenn die DM-Kreditzinsen gesenkt werden, dann müssen auch
die Kredite großzügiger vergeben werden; eine Senkung der Kreditzinsen macht
für die Altbank ja nur dann Sinn, wenn sie ihren Marktanteil erweitern will.) Bei
Hayek soll jedoch die „gute“ Emissionsbank (bei mir also die Neubank) täglich
an ihrer Geldemission herumschrauben. Weil sich diese ständige Feinsteuerung nicht
am selbstdeterminierten Geldbedarf der Wirtschaft (Stichwort „endogene
Geldmenge“) orientieren soll, sondern an Preisindizes, erinnert sie eher an
planwirtschaftliche Elemente als an Marktwirtschaft. Diese manische Fixierung
auf die ‚genau richtige‘ Geldmenge wäre wahrscheinlich allein schon deshalb zum
Scheitern verurteilt, weil sie für die Wirtschaftssubjekte enorme
Unbequemlichkeiten und Restriktionen bedeuten würde. (Z. B. könnte der
NM-Betrieb u. U. nicht investieren, weil er keinen Kredit, oder den nur zu
prohibitiven Zinsen, bekommt. Während er im DM-Geldregime neue Maschinen kaufen
und die Produktion ausweiten kann – und damit zugleich auch die Gütermenge in
der DM-Zone insgesamt.) Vom zeitlichen Nachhinken und der Überlagerung
unterschiedlicher (ggf. gegenläufiger) Maßnahmen ganz abgesehen, die jegliche
sicheren Aussagen über Kausalzusammenhänge verunmöglichen würden. Hayeks
Feinsteuerungs-Vorstellungen sind der Komplexität des Geldwesens schlicht
inadäquat; insoweit kann nur eine Globalsteuerung (einigermaßen) erfolgreich
sein. Und tatsächlich war ja die Performance der Notenbanken in der Zeit nach
Hayeks Buch nicht schlecht.
9. "... all
the banks that have not reduced their lending rate will promptly return to the
bank that lends more cheaply all of its currency they receive”
würde bedeuten, dass die Neubank die bei ihr eingewechselten DM schnellstens an
die Altbank zurückgibt. Hayek
nimmt an anderer Stelle an, dass die Banken Fremdwährung stets zum geltenden
Kurs umtauschen würden. Das funktioniert natürlich nur so lange, wie die
Altbank überhaupt noch NM-Fremdwährung in ihren Tresoren hat. Um den Abfluss zu
stoppen (also Umtauscher abzuschrecken) müsste sie die NM ständig verteuern,
also ihre eigene DM abwerten.
10. Eigentlich ist
es erfreulich, wenn durch Importe mit fallenden Preisen in einem Land alles
billiger wird. Aber Deflation will Hayek auch nicht zulassen. Also müsste die
Neubank mehr NM emittieren, um die konkurrierende DM wieder aufzuwerten. In der
Realität käme es natürlich drauf an, welche Entwicklung am Markt die Nase vorn
hätte: Die Preissteigerungen in DM oder der Kursverfall der DM. Oder anders
gesagt, welche Abwertung sich schneller entfalten würde: Die
Kaufkraftentwertung (Preissteigerungen) oder die Wechselkursentwertung. Wenn
freilich Kaufkraftentwertung und Wechselkursverfall im Gleichschritt
marschieren [1 Kilo Eisen kostet jetzt 2,- (statt 1,-) DM, aber dafür bekommt
man für eine NM auch 2,- (statt 1,-) DM], dann besteht allerdings kein
Interventionsbedarf.
11. Mir fehlt die
Phantasie, um die unzähligen möglichen Folgewirkungen durchzudeklinieren.
Generell gilt aber auch (und gerade) für das Geldwesen und seine Wechselwirkung
mit der Realwirtschaft: „Erstens kommt es
anders, zweitens als man denkt“. Ich glaube auch nicht, dass irgend ein
Einzelner das könnte (selbst wenn er nicht Laie ist, wie ich es bin, sondern
studierter Volkswirt), da müsste man ein Team dransetzen, und das nach dem
Vorbild der katholischen Heilungssprechungsprozesse mit einem „advocatus
diaboli“, also einer Person mit der Aufgabe, jede Behauptung anzuzweifeln und
einen Gegenbeweis zu erbringen. Gläubige, zu denen jedenfalls beim Geldwesen
auch Hayek gehört, picken sich immer nur diejenigen Informationen heraus und
basteln sich immer nur diejenigen Szenarien zusammen, die ihre Sicht der Dinge
zu bestätigen scheinen.
12. „The fall in the
market quotation and the rise of commodity prices in terms of the offending currency
would soon induce habitual holders to shift to another currency.” Eine verstärkte Nachfrage würde die
Fremdwährung aufwerten. Weil es sich in diesem Falle nicht um einen Effekt
handelt, der unmittelbar aus der Änderung von Güterpreisen herrührt (sondern
aus geänderten Währungspräferenzen), müsste sich die Neubank in Hayeks Modell
dem entgegenstellen. Ohnehin bedeutet „habitual
holders” ja nichts anderes als Geldsparer. Auf diese Weise sparen kann man
jedoch nur, indem man das Geld bei Banken (hier: der Neubank) einzahlt. Womit
sich für die Neubank aber die Frage stellt, in welcher Höhe und zu welchen
Zinssätzen sie diese Einlagen überhaupt annehmen will. Viele Einlagen
einzusammeln, aber wenig Kredite zu vergeben, ist kein Geschäftsmodell, von dem
eine Bank auf Dauer gut leben kann. Sie müsste also u. U. die Einlagenzinsen
senken, was ihre Währung für Sparer weniger attraktiv machen würde.
13. “We can
confidently conclude that it would not be possible for a bank to pull down the
real value of other currencies by over-issue of its currency-certainly not if
their issuers are prepared, so far as necessary, to counter such an attempt by temporarily curtailing their issues.” Ob die Geldmengenreduzierung der angegriffenen
Währung eine lediglich temporäre wäre, ist sehr die Frage. Ich vermute eher,
dass sie auf Dauer Marktanteile verlieren würde: Beispielsweise deshalb, weil
ihre Geldverknappung einen selbstverstärkenden Effekt haben könnte.
14. Eine bei Hayek
fehlende, real aber sehr wahrscheinliche Alternative will ich noch erwähnen:
Die Möglichkeit nämlich, dass eine der Emissionsbanken ihre Position ausbaut,
indem sie das anbietet, wonach der Markt geradezu schreien würde: Längerfristige
Kredite. Ich könnte mir vorstellen, dass Häuslebauer oder Unternehmen lieber 5%
Kreditzinsen mit 10jähriger Festschreibung bezahlen würden, als 4,0% mit nur
2jähriger Zinsbindung der Bank. Und auch der Staat braucht natürlich eine
längerfristige Planungssicherheit, als die Kurzfristkredite (Dauer???) von
Hayeks Emissionsbanken bieten würden. Bei diesem Szenario könnten die
Emissionsbanken die Geldmenge immer noch steuern, nämlich über die
Einlagezinsen. Das wäre allerdings weitaus weniger präzise als über
Kreditzinsen bzw. Kreditrationierung.
Letztlich ähneln diese ganzen Überlegungen (bei Hayek wie bei
mir) einem Schachspiel: Einige wenige Züge weit kann man die Wirkung der
eigenen Entscheidung vorausberechnen (d. h. die daraus folgenden
Alternativszenarien noch überschauen); wirkliche Sicherheit für den Ausgang des
Spiels kann man jedoch nicht gewinnen. Nur ist die Wirtschaft weit
komplexer als das Schachspiel, weil die Interessen der einzelnen Akteure teils
identisch und teils gegensätzlich sind, sich jederzeit ändern können, die Ergebnisse
konkreter Maßnahmen gegenläufig sein und Rückkopplungs- und
Antizipationseffekte dämpfend oder verstärkend wirken können.
Dass Hayek sein System schon selber nicht mehr voll
überblickt hat zeigt sich auch daran, dass er einen identischen oder jedenfalls
eng zusammenhängenden Sachverhalt so unterschiedlich darstellt, bzw.
unterschiedliche Folgen erwartet (S. 49/50 vs. 63/64), wie ich sie im
vorliegenden Kapitel näher aufgeschlüsselt habe.
Preissteigerungen: angebots- oder nachfrageseitige Erstursache?
Möglicher Weise kann man die Vorstellungen, die hinter den
beiden im vorigen Kapitel dargestellten Szenarien Hayeks liegen, so
interpretieren (und kompatibel machen):
1. Das
„Interventionsszenario“ mit der (zunächst nur: ) Kaufkraft-Abwertung könnte
durch angebotsbedingte Preissteigerungen ausgelöst worden sein. Dann hätte z.
B. die „Gier“ von Unternehmern und/oder Arbeitnehmern die Preise in die Höhe
getrieben, ohne dass sich die Systemgeldmenge
verändert hätte.
2. Im
„Marktszenario“ ist seine Darstellung eindeutig: Eine der Wettbewerbsbanken
versucht, ihren Marktanteil auszuweiten und drückt daher (mit niedrigeren
Zinsen oder auf andere Weise) mehr Kredite und damit mehr Geld in den Markt.
Die Preissteigerung ist also durch die (bei zunächst unveränderten
Wechselkursen) erhöhte Systemgeldmenge und die (bei unverändertem
Sparverhalten) erhöhte Nachfrage bedingt.
Wenn allerdings in der Variante
Ziff. 1 nicht eine erhöhte Geldmenge die Preissteigerung induziert hat,
dann wäre die von Hayek erwartete Reduzierung der Geldmenge katastrophal. Die
Annahme war ja, dass vor der Preissteigerung genau die richtige
Systemgeldmenge im Markt war. Wenn jetzt die Firma „Goldgrube“ (und/oder deren Arbeitnehmer) durch Preiserhöhungen mehr
vom volkswirtschaftlichen „Kuchen“ in ihre Taschen leiten, dann müssen ja bereits
bei unveränderter Geldmenge die anderen ihre Preise senken, damit die
Wirtschaft auf dem vorherigen Niveau weiterarbeiten kann (also die gleiche
Menge an realwirtschaftlichen Geschäften abwickeln wie vorher).
Senkt die für diesen Sektor „zuständige“ Emissionsbank (d. h.
diejenige, die ‚Goldgruben-Produkte‘ in ihrem Referenz-Warenkorb hat) die
Geldmenge und sinkt dadurch die Systemgeldmenge, dann muss es zwangsläufig zur
Deflation kommen. [Real wohl auch zur Depression; aber ich will hier Hayeks
offensichtlicher Grundannahme folgen, dass die Preise flexibel reagieren würden.]
Die verknappte Geldmenge hätte schon auf dem alten Preisniveau für die alte
Transaktionsmenge nicht ausgereicht; nach einem teilweisen Preisanstieg, reicht
sie erst recht nicht mehr.
Weil aber in Hayeks System die anderen Banken sofort
nachziehen müssten, und sich dadurch die Geldmengenkontraktion potentieren
würde, wäre ein wirtschaftlicher Zusammenbruch vorprogrammiert.
In der realen Welt würde sich für die Wirtschaftsteilnehmer
und insbesondere die Banken also die Frage stellen, ob die Preissteigerungen
angebots- oder nachfrageseitig bedingt waren. Als unmittelbare Signale des
Marktes erscheinen sie wohl in jedem Falle nur über höhere Preise. Ob die
„Gier“ die Geldmenge getrieben hat, oder das erhöhte Geldangebot die Gier, das
wäre möglicher Weise schwierig festzustellen.
(Schein-)Probleme bei Leistungsstörungen und Ausscheiden von Emittenten
aus dem Markt
Hier stellt Hayek Überlegungen an, die von der Sache her
völlig unverständlich sind und die den (nicht zuletzt auch juristischen) Nutzen
des Geldes, ein in sich selber ruhender Maßstab zu sein, komplett entwerten
würden:
After the development of a widely
preferred common standard of value the courts would in most cases have no difficulty
in determining the approximate magnitude of the abstract value intended by the
parties to a contract for the value of such and such an amount of a widely
accepted unit of currency. If one currency in terms of the value of which a contract
had been concluded seriously depreciated beyond a reasonable range of
fluctuation, a court would not allow the parties to gain or lose from the
malpractice of the third party that issued the currency. They would without
difficulty be able to determine the amount of some other currency or currencies
with which the debtor was entitled and obliged to discharge his obligation. (S. 128)
Nur in zwei Fällen kann ich eine Notwendigkeit erkennen, dass
die Erfüllungs-Währung von den Gerichten festgelegt wird:
1) Bei außervertraglichen Zahlungspflichten. Dort würde
die Frage der „richtigen“ Währung die Gerichte tatsächlich mit bisher
unbekannten Problemen konfrontieren (und damit ebenfalls die Komplexität des
Systems steigern). Diese Fallgestaltung erscheint, an anderer
Stelle, auch bei Hayek: In
non-contractual payments such as damages or compensations for torts, the courts
would have to decide the currency in which they have to be paid, and might for
this purpose have to develop new rules; but there should be no need for special
legislation.” (S. 40)
“If a private issuing bank ceased to
operate and was unable to redeem its
issue, this currency would presumably become valueless and the holders
would have no enforceable claim for compensation. But the courts may decide
that in such a case contracts between third parties in terms of that currency,
concluded when there was reason to expect it to be stable, would have to be
fulfilled in some other currency that came to the nearest presumed intention of
the parties to the contract.” (S. 41)
Dass bei Kaufkraftänderungen die Gerichte berechtigt und
verpflichtet sein sollten, eine andere Erfüllungswährung festzulegen als die in
den Verträgen vereinbarte, wäre schön für die Gläubiger und potentiell eine
Katastrophe für die Schuldner. Auf jeden Fall würde die bisherige
Rechtssicherheit verschwinden; Schuldner könnten sich nicht mehr auf die
Gültigkeit der Verträge verlassen, soweit es um die vereinbarten Währungen
geht. Das kann ja wohl nicht sein. Hier zeigt sich aber nicht nur, mit welchen
Risiken die Währungsnutzer in seinem System u. U. konfrontiert wären. Vielmehr
tritt auch an dieser Stelle wieder Hayeks skandalöse Parteinahme für diejenigen
zutage, die Geld (haben oder, hier) zu bekommen haben: Deren Interessen will er
mit allen Mitteln schützen, und sei es auch um den Preis einer totalen
Rechtsunsicherheit in diesem Bereich.
Ausgesprochen seltsam ist Hayeks Befürchtung, dass eine ihre
Tätigkeit einstellende Emissionsbank „unable
to redeem its issue“ sein könnte. Sein System sieht ja gerade keine Gold- oder Goldstandard-Währung
vor (die er, wie oben gezeigt, zwar für besser hält als Regierungs-emittiertes Fiatgeld,
aber für schlechter als sein Konkurrenzgeld). Auch ‚sein‘ Geld wäre typologisch
Fiat-Geld (ungeachtet seiner definitorischen Verrenkungen S. 111). Fiat-Geld
ist aber gerade dadurch definiert, dass es nichts
einzulösen („redeem“) gibt. Wenn ich
100,- € bei der Bundesbank einreiche, dann bekomme ich allenfalls (sofern der
alte beschädigt ist) einen neuen Geldschein. Wenn Kunde und die Bundesbank das
vereinbaren, dann kann Sie den Gegenwert in einer fremden Währung auszahlen.
Verpflichtet ist sie dazu jedoch nicht. Ich vermute stark, dass auch hier (vgl.
analog oben zur Passage S. 105: „buy more
….. than the amount which other people have at the same time foregone to claim”)
die Warengeld-Denke aus Hayeks Unterbewusstsein ihm die Vorstellung einer
Einlösepflicht eingehaucht hat. Die dann vorliegend zu der Idee mutiert wäre,
dass jede Emissionsbank imstande sein müsse (bzw. verpflichtet wäre), ihr Geld
gegen eine andere Währung umzutauschen. Aber insoweit
hatte er ja (wie schon oben in anderem Zusammenhang – kritisch - besprochen),
lediglich eine anfängliche
Umtauschpflicht vorgesehen: “Initially the issuing bank would of course be under a
legal obligation to redeem its currency in terms of the other currencies
against which it was at first issued.” (S. 50/51).
Es sollte auch einleuchten, dass ein Umtausch der gesamten
von einer Bank emittierten Geldmenge in andere Währungen nicht möglich ist und
nicht vorgeschrieben werden kann.
Wenn neue Emittenten versuchen würden oder verpflichtet
wären, auch denjenigen Teil der von ihnen emittierten Geldmenge in andere
Währungen umzutauschen, der nicht durch Eintausch, sondern durch
Kreditgewährung in den Markt gekommen ist, dann müssten sie sich im Ernstfalle
diesen Teil der benötigten Fremdwährungen durch Ankauf an der ‚Devisenbörse‘
beschaffen. Sie müssten also eigenes Geld ‚drucken‘, um die für den Umtausch
benötigte Fremdwährung anzukaufen. Aber wenn die Geldbesitzer diese Währung
ohnehin loswerden wollen (indem sie sie beim Emittenten in andere Währungen
eintauschen), dann würde auch am ‚Devisenmarkt‘ niemand die neue Währung mehr
annehmen. (Schon gar nicht, wenn bekannt wird, dass die Neubank den Betrieb
einstellen will.). Die Neubank könnte sich die für Umtauschforderungen (in der
Art eines „bank runs“) benötigte Fremdwährung also faktisch gar nicht
beschaffen. Weshalb es auch keine Tauschpflicht geben kann, oder diese nur auf
dem Papier stünde, im Eintrittsfalle jedoch nicht realisierbar wäre. Aber
solange ihr Geld an Markt akzeptiert wird, kann sie sich dieses nach Lust und
Laune bzw. nach Bedarf jederzeit selber ‚drucken‘ – genau so, wie auch
gegenwärtig jede ‚alte‘ Zentralbank. An anderer Stelle erkennt
Hayek das sogar selber:
“The outstanding notes and deposits of such a
bank are not claims on it in terms of some other unit of value; it determines
itself the value of the unit in terms of which it has debts and claims and
keeps its books. This ….. is precisely what practically all central banks have
been doing for nearly half a century - their notes were of course redeemable in
precisely nothing.” – S. 50. )
Jedenfalls sollte eine „Einlösung“ der Neumark kein
grundsätzliches Problem sein. Denn seinen Wert erhält dieses Geld ja durch die
Unterlegung entweder mit Fremdwährung oder mit Krediten. (Zur mikroökonomischen
Deckung von Geld bei der kreditären Geldschöpfung vgl. z. B. meinen Blott „Warum Fiatgeld notwendig ‚Schuldgeld‘ sein muss: Ein Kredit kommt niemals
allein - sondern immer im Doppelpack!“)
Soweit sie via Währungstausch oder Kredit emittiert wurde
(anders wäre es bei Willkürgeld!), kann die ‚Neumark‘ gar nicht wertlos
werden. Denjenigen Teil ihrer Emission, den die Neubank nicht gegen eigene
Fremdwährungsvorräte eintauschen kann, benötigen Marktteilnehmer zur Erfüllung
von Verbindlichkeiten. Der (wie ich ihn nenne) „Erstgeldempfänger“, also derjenige, der als ‚ursprünglicher
Kreditnehmer‘ das Geld sozusagen in Zusammenarbeit mit der Emissionsbank
überhaupt erst in die Welt gebracht hat, muss seine Schulden später mit eben diesem
Geld tilgen. Anders wäre es nur dann, wenn die Kreditnehmer kollabieren würden
und ihre Schulden bei der Emissionsbank nicht tilgen könnten. Eine solche
Situation kann aber nur bei einer großen Wirtschaftskrise eintreten – oder bei
massiver Misswirtschaft seitens der Neubank (vorsätzliche oder fahrlässige
Kreditvergabe an nicht kreditwürdige Schuldner).
An dieser Stelle zeigt sich, dass F. A. Hayek die Mechanismen
und die Ratio der kreditären Geldschöpfung nicht vollständig verinnerlicht hat:
Dass es nämlich gerade die Entstehung von Fiatgeld aus Kredit ist, welche diesem eine realwirtschaftliche Deckung gibt.
Und gleichzeitig für eine fortdauernde Nachfrage nach diesem Geld sorgt, bis
alle solventen „Erstgeldempfänger“ ihre Kredite getilgt haben.
Die 2. Hälfte der o. a. Passage über die Leistungspflicht in
untergegangenen Währungen („But the
courts …”) ist unproblematisch: Verträge, die vorher in einer später
untergegangenen Währung abgeschlossen wurden, müssen natürlich (soweit die
Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben) auf eine noch existierende
Währung (oder einen Währungskorb) umgestellt werden und das, wenn sich die
Parteien nicht einigen können, selbstverständlich durch die Gerichtsbarkeit.
Anmerkungen zu weiteren Einzelpunkten
Mit seinen folgenden Überlegungen nimmt Hayeks hellseherisch
das Debakel der Europäischen Währungsunion (EWU) und der Europäischen
Zentralbank (EZB) vorweg. Obwohl sie nicht direkt zu meiner Thematik gehören
habe ich sie zur Erheiterung derjenigen Leser hier eingestellt, die meine
eurettungskritische Einstellung teilen:
“Though I strongly sympathise with
the desire to complete the economic unification of Western Europe by completely
freeing the flow of money between them, I have grave doubts about the
desirability of doing so by creating a new European currency managed by any
sort of supra-national authority. Quite apart from the extreme unlikelihood
that the member countries would agree on the policy to be pursued in practice
by a common monetary authority (and the practical inevitability of some
countries getting a worse currency than they have now), it seems highly
unlikely, even in the most favourable circumstances, that it would be
administered better than the present national currencies. Moreover, in many
respects a single international currency is not better but worse than a
national currency if it is not better run. It would leave a country with a
financially more sophisticated public not even the chance of escaping from the
consequences of the crude prejudices governing the decisions of the others.
The advantage of an international authority should be mainly to protect a
member state from the harmful measures of others, not to force it to join in
their follies.“ (S. 24)
„It would … be possible … to have a
variety of essentially different monies. They could represent … different
abstract units fluctuating in their value relatively to one another.“ (S.
32)
Und
“The
bank would … have to prevent such a rise in the value.” (S. 50, Anm. 1)
Und
„By referring to different kinds of
money we have in mind units of different denomination whose relative values may fluctuate against one
another.“ (S. 55/56)
Irritierend und dem Verständnis von Hayeks Text abträglich
ist die Verwendung des identischen Begriffs „value“ für zwei völlig verschiedene Sachverhalte: Kurswert (in den
vorliegenden Beispielen) und (in der Regel) Kaufkraftwert. Man muss sich also
immer fragen, welchen „Wert“ er an der jeweiligen Stelle überhaupt meint.
„With variable exchange rates ….. the
inferior quality money would be valued at a lower rate“ (S. 42)
Diese Aussage steht in einem gewissen Widerspruch zu Hayeks
sonstiger Annahme, dass die Emittenten von Währungen mit Anspruch auf höhere
Qualität die Kaufkraftstabilisierung mit aktiver Wechselkurspolitik betreiben
müssten. Nach dieser Passage würde der Markt das von selbst besorgen.
Andererseits stellt sich hier die Frage, was bei Hayek überhaupt die tiefere Ursache
einer „inferior quality“ sein soll. Letztlich wohl, dass die Kunden mit dieser
Währung ‚zu viel einkaufen gehen‘ und ‚zu wenig davon unters Kopfkissen legen‘.
Nun lässt sich freilich „zu viel einkaufen“ objektiv nur als
Relation von Systemgeldmenge zu Gesamtgütermenge bestimmen. Im Konkurrenzwährungssystem
gibt es für die ‚richtige‘ Emissionsmenge der Einzelwährungen keine objektive
Determinante; der limitierende Faktor wäre lediglich die (letztlich nicht
rational begründbare) Akzeptanz der jeweiligen Währung bei den
Wirtschaftssubjekten.
Hayek würde wohl entgegnen, dass in seiner
Parallelwährungswelt die Bereitschaft der Banken zu einer
kaufkraftstabilisierenden Geldmengenpolitik der objektiv bestimmende Faktor für
die Wertschätzung einer Währung wäre. Insoweit ist es folgerichtig,
wenn sich seine eigene Definition der jeweils optimalen Währungsmenge („The amount required of any currency will
always be that which can be issued or kept in circulation without causing an
increase or decrease of the aggregate (direct or indirect) price of the 'basket'
of commodities supposed to remain constant“ - S. 89) lediglich auf das
Preisniveau bezieht, nicht auf davon unabhängige ökonomische Daten (also
insbesondere nicht auf irgendeine Gütermenge).
Denn hinter der bei ihm jeweils konkret erforderlichen
Geldmengenpolitik steht eben kein realwirtschaftliches Kriterium (wie bei den
Monopolwährungen die Relation Geldmenge zu Gütermenge plus ‚Kopfkissensparen‘),
sondern letztlich nur das Gefühl (und das daraus resultierende Verhalten) der
Nutzer, dass diese oder jene Währung irgendwie besser ist. Ein solches Gefühl
kann man den Wirtschaftssubjekten auch durch massive Werbung (Propaganda) einimpfen,
und genau die würden wir im Hayek-System erleben. Nutznießer des Hayek-Geldes
wäre also auch die Werbebranche und damit ein weiterer unproduktiver Wirtschaftszweig
(neben Spekulanten, Geldwechslern und Buchhaltern: Branchen, die es zwar alle
schon gegenwärtig gibt, die aber bei ihm mächtig aufblühen würden).
“… Gresham's law will apply only to
different kinds of money between which a fixed rate of exchange is enforced by
Law” (S. 42)
Diese Annahme ist zu eng formuliert. Das Greshamsche Gesetz (grob: Verdrängung von gutem durch
schlechtes Geld) würde auch dann wirksam werden, wenn die Wirtschaftssubjekte
die zukünftige Wertentwicklung einer Währung schlechter einschätzen als die
einer anderen. Sie würden dann die „gute“ Währung horten und für Zahlungen nach
Möglichkeit die „schlechte“ verwenden. Das sagt
Hayek sogar selber (S. 43): „With
variable exchange rates, however, the inferior quality money would be valued at
a lower rate and, particularly if it threatened to fall further in value,
people would try to get rid of it as quickly as possible.“) Es spielen also nicht nur die
gegenwärtigen Wertrelationen eine Rolle, sondern auch die Erwartungen der
Marktteilnehmer über zukünftige Entwicklungen bei den Wechselkursen bzw. der
Kaufkraft.
In dem bei Hayek unmittelbar
anschließenden Satz (noch S. 42) „The
selection process would go on towards whatever they regarded as the best sort
of money among those issued by the various agencies, and it would rapidly drive out money found
inconvenient or worthless” habe ich Probleme mit seiner Behauptung, dass
das gute (wertstabile) Geld das schlechte „schnell“ verdrängen würde. Bei Hyperinflationen (die er als
Beispiel anführt) ist das sicherlich der Fall. Bei der ‚normalen‘ schleichenden
Geldentwertung jedoch nicht. Es ist ja eben nicht so, wie Hayek weitestgehend
(freilich nicht immer) unterstellt, dass alle Wirtschaftsteilnehmer
gleichermaßen an einem stabilen Geld interessiert wären. Denjenigen, die ihr
Geld rasch wieder ausgeben (etwa Arbeitnehmern und Sozialleistungsempfängern)
ist eine langsame Geldentwertung gleichgültig bei ihrer „Währungsentscheidung“ (wenn
sie überhaupt die freie Wahl hätten!), weil sie nicht messbar davon betroffen
sind. Und Schuldner haben natürlich ein lebhaftes Interesse daran, in der
abgewerteten Währung zu bezahlen und würden (zu Recht) auf entsprechenden
früheren Abmachungen bestehen.
Vor allem aber müssten die „Erstgeldempfänger“, die einen
Kredit beim Geldemittenten aufgenommen haben, diesen in den ‚verschwindenden‘
Währung zurückzahlen. Die also noch längere Zeit umlaufen könnten und würden. (Die
Tilgungspflicht begründet eben einen fundamentalen Unterschied zwischen dem
heutigen Fiatgeld und dem zu Greshams Zeiten umlaufenden Warengeld!)
“I would announce [für die
Markteinführung einer neuen Konkurrenz-Währung] the issue of non-interest bearing certificates or notes [also von Banknoten], and the readiness to open current cheque accounts, in terms of a unit with a distinct registered trade name such
as 'ducat'.” (S. 46)
Ich denke nicht, dass die Banknoten einer neuen Währung einen
größeren Absatz finden würden. Schon gar nicht, wenn die Käufer dafür einen
Aufschlag bezahlen müssten. Denn Bargeld hält man in aller Regel ja nur, um es
rasch wieder auszugeben. Und dass jemand für 110,- DM 100,- Neumark kaufen
würde, um sich dann Waren im Wert von 100,- DM zu kaufen, ist wohl eher
unwahrscheinlich.
Anders könnte es, rein theoretisch, bei den „cheque accounts“ aussehen, also bei den
Depositen. Wenn das Publikum Aufwertungsphantasien bezüglich der Neumark hat
(bzw. einen raschen Kaufkraftverfall der DM fürchtet), könnte ein Wechsel Sinn
machen (wobei die Aufschläge ja auch nicht so hoch sein müssen, wie ich das
hier im Beispiel angenommen habe). Allerdings würde ein rational agierender
Investor nicht nur die zukünftig erwarteten Wertrelationen in den Blick nehmen,
sondern auch die Verzinsung seiner Anlage. „Non-interest
bearing” bezieht sich nur auf die Banknoten; bei den Depositen würden
Investoren die Höhe der Habenzinsen von Alt- und Neu-Emittent vergleichen, und
mit der erwarteten relativen Wertentwicklung zu einem Gesamtszenario von
Gewinn- oder Verlusterwartungen verbinden.
“I would announce at the same time my
intention to regulate the quantity of the ducats so as to keep their (precisely
defined) purchasing power as nearly as possible constant.” (S. 46)
Das kann, wie wir oben gesehen haben, schon rein logisch
nicht funktionieren. Hayek stellt sich das, was nach seiner Meinung ALLE
(erfolgreichen) Geldemittenten tun müssten und tun würden, ausschließlich für
den Einzelfall vor. Wenn aber der einzelne Emittent seine Geldmenge reduziert,
wertet er (tendenziell) seine Währung auf – und die anderen ab. Mit diesen
Abwertungen würden aber die Güterpreise in den anderen Währungen steigen, so
dass diese ihre Geldmenge ebenfalls zwecks Preisstabilisierung verknappen und
somit aufwerten müssten. Womit dann die Wechselkursmanipulation des ‚first
movers‘ wieder zunichte gemacht wäre. Hätte er sein Denkmodell auch auf die
Reaktionen der anderen „Player“ erstreckt, wäre ihm die Undurchführbarkeit
bewusst geworden.
Nimmt man gleichwohl an, dass alle Emittenten nach seinen
Vorstellungen handeln, dann hätte die sozusagen im Gleichschritt erfolgende
Geldmengenreduktion aller Währungen
eine die Wirtschaftsaktivität erstickende Wirkung und die Preise müssten
dramatisch einbrechen. Anders als bei den Wechselkursänderungen wären die
Marktreaktionen jedoch nicht schnell genug, als dass die Banken sie kurzfristig
nach ihren Wünschen manipulieren könnten. Die Wirkung (und damit die
Handlungssignale für die Banken im Hayek-Modell) würde jeweils erst mit
Verzögerung eintreten und könnte dann rasch in eine katastrophale Deflation
einmünden.
(Und bei weitgehend „sticky
prices“ wäre ohnehin eine Rezession oder Depression die zwangsläufige Folge
einer auch nur relativen Geldmengenverknappung, d. h. einer stabilen
Geldmenge und sektoralen Preisanstiegen.)
“I would announce that I proposed from time
to time to state the precise commodity equivalent in terms of which I intended
to keep the value of the ducat constant, but that I reserved the right, after
announcement, to alter the composition
of the commodity standard as experience and the revealed preferences of the
public suggested.” (S.
46)
Die Referenz-Warenkörbe können also in ihrer Zusammensetzung
verändert werden.
“…it seems neither necessary nor desirable
that the issuing bank legally commits itself to maintain the value of its unit
…”. (S. 47)
Keine rechtliche (juristische) Verpflichtung zur Erhaltung der Wertstabilität.
Keine rechtliche (juristische) Verpflichtung zur Erhaltung der Wertstabilität.
“…
the issuing bank … should in its loan
contracts specify that any loan could be repaid either at the nominal figure in
its own currency, or by corresponding amounts of any other currency or
currencies sufficient to buy in the market the commodity equivalent which at
the time of making the loan it had used as its standard.” (S. 47)
Wie ich oben bereits gesagt hatte, verpflichtet sich die
Emissionsbank mit einer solchen Regelung nicht
dazu, für die Rückzahlung einen Kaufkraft-Wert zu akzeptieren, wie er bei
Kreditabschluss bestand (also nicht
zur Kaufkraft-Indexierung der Kreditforderung zu Gunsten des Kreditnehmers).
Diese Klausel schützt den Kreditnehmer lediglich vor denjenigen Aufwertungen
einer Währung, die durch Änderungen beim Referenz-Warenkorb eingetreten sind
(vgl. den Folgesatz: „…intending
borrowers might ….. be deterred by the ….. possibility of the bank arbitrarily
raising the value of its currency“).
„….. the bank would have to issue its
currency largely through lending …..” (S.47).
Diese hier nur beiläufige Bemerkung Hayeks ist, wie wir
bereits oben gesehen haben, sehr wichtig. Denn wenn der größte Teil der
emittierten Geldmenge nicht durch Umtausch einer Alt-Währung erfolgen würde,
dann hätte die Neubank die DM auch nicht im Tresor, könnte sie also nicht
rücktauschen – wozu sie aber nach Hayeks Meinung zumindest anfänglich
verpflichtet sein sollte.
Und die Systemgeldmenge (die verschiedenen Währungen unter
Berücksichtigung der Umtausch- oder Kaufkraftkurse zu einer Geldmenge addiert)
würde steigen, weil durch Kredite Geld geschöpft wird, während bei Umtausch
lediglich eine am Markt bereits vorhandene Kaufkraft in einer anderen Währung
denominiert wird. Letzteres kann bei Nationalwährungen zwar trotzdem zu einem
riesigen Problem werden (denken wir an die gescheiterten Bemühungen der
Schweizer Notenbank, den Franken wechselkursstabil zu halten); in Hayeks Modell
einer vollständigen Währungskonkurrenz müssen wir einen bloßen Umtausch bereits
geschöpfter Kaufkraft (Geld) aber zunächst einmal als neutral unterstellen.
Schließlich hätte die Neubank bei kreditärer Geldschöpfung
auch keine Fremdwährungen im Tresor, gegen die sie nach Hayeks Meinung
zumindest anfänglich zum Eintausch verpflichtet sein soll („Initially the issuing bank would ….. be
under a legal obligation to redeem its currency in terms of the other
currencies against which it was at first issued“ – S. 50: Das beißt sich
mit der Vorstellung einer vorwiegend kreditären Geldschöpfung der
Neuemittenten.).
“These certificates or notes, and the
equivalent book credits, would be made available to the public by short-term
loans or sale against other currencies.” (S. 47)
Unter “book credits”
sind hier offenbar Guthaben zu verstehen, die keineswegs zwangsläufig durch
Kreditgewährung entstanden sind. Diese Guthaben können ebenso aus dem Eintausch
von Fremdwährungen wie aus der Gewährung von - kurzfristigen - Krediten
herrühren. (Wobei im letzteren Falle das Geld kaum auf den Konten der
Kreditnehmer stünde – die es nur kurz bzw. bei Kontokorrentkrediten gar nicht
dort lassen würden – sondern auf denen der Begünstigten, also der ‚Verkäufer‘.)
Die Kurzfristigkeit der Kredite wäre ein enormes Problem für
die Realwirtschaft; in Hayeks Modell ist sie freilich unverzichtbar, damit die
Emittenten Geldmenge rasch ändern können. (Ein Beispiel für die Schwierigkeiten,
die sich aus einer „ptolemäischen Revolution“ des Geldsystems ergeben, das den
Anforderungen der Realwirtschaft ziemlich gleichgültig gegenübersteht.)
“These certificates or notes, and the
equivalent book credits, would ….. presumably ….. sell from the outset at a
premium above the value of anyone of the currencies in which they were
redeemable. And, as these governmental currencies continued to depreciate in
real terms, this premium would increase.” (S. 47)
Die Pflicht des Neuemittenten, sein Geld jederzeit in die
alte Währung zurückzutauschen (vgl. S. 50 „Initially
… legal obligation …“) gilt juristisch zum ursprünglichen Kurswert. Bei
Kursverfall der Altwährung wäre diese Rechtspflicht schon deshalb kein Problem,
als niemand sie einfordern würde. Bei Kursanstieg würde es dagegen eng für die
Neubank. Das gilt jedenfalls dann, wenn man eine Umtauschpflicht zum jeweiligen
Kurswert unterstellt. Soll diese Eintauschpflicht dagegen nur beschränkt auf
den ursprünglichen Wechselkurs gelten, dann träten Probleme auf, wenn dieser
Kurs schon in der Anfangsphase geschwankt hätte. Es würde schwierig, zwischen
Geld, das am 01.01. emittiert wurde und solchem vom 01.02. zu unterscheiden.
Bei Bargeld könnte man das Datum aufdrucken (das aber nicht mit dem Ausgabetag
am Schalter identisch wäre). Bei Buchgeld, das durch die Bankenwelt
vagabundiert, wäre eine Feststellung des Emissionsdatums praktisch unmöglich.
Und soweit eine Datierung technisch möglich ist, hätten die
umlaufenden Tranchen von ein und derselben Währung einen unterschiedlichen
Wert. Was die Verhältnisse für die Nutzer weiter komplizieren würde und kaum
akzeptanzfördernd wäre.
“… a bank could certainly maintain the value of its notes even though it
could never buy back all the outstanding ones.” (S. 49, Anm. 1)
Vom Einzelfall her gesehen mag das so sein. Weil aber in
Hayeks System alle Banken gleichzeitig durch denselben Ausgang rennen, nämlich
alle (mehr oder weniger) gleichzeitig gegeneinander aufwerten müssten, könnte
in Wahrheit keine einzige der Emissionsbanken ihren Wechselkurs zu den
Wettbewerbern so gestalten, dass die Güterpreise in ihrer eigenen Währung
stabil wären.
„A real difficulty could arise if a sudden
large increase in the demand for such a stable currency, perhaps due to some
acute economic crisis, had to be met by selling large amounts of it against
other currencies. The bank would of course have to prevent such a rise in the
value and could do so only by increasing its supply. But selling against other
currencies would give it assets likely to depreciate in terms of its own
currency. It probably could not increase its short-term lending very rapidly,
even if it offered to lend at a very low rate of interest-even though in such a
situation it would be safer to lend even
at a small negative rate of interest than to sell against other currencies.“
(Anm. 1, S. 50/51)
Hayek schlägt hier vor, bei einer heftigen Nachfrage nach der
neuen Währung diese nicht durch Verkauf gegen alte Währung zu emittieren (weil
mit deren Abwertung gerechnet werden muss). Um aber dennoch eine Aufwertung zu
verhindern, soll die Neubank durch Kreditvergabe, notfalls auch zu
Negativzinsen, ihre Geldmenge am Markt steigern.
Dazu ist zunächst anzumerken, dass das Abwertungsrisiko der
Fremdwährung bei jeder Geldemission durch Umtausch lauert, also die hier
befürchteten Verluste auch schon bei der anfänglichen Emission drohen (und
folglich ein Argument gegen eine solche wären).
Vor allem aber würde die von Hayek geforderte kreditäre
Geldschöpfung die umlaufende Gesamt-Geldmenge massiv („large amounts“) ausweiten: Die umlaufenden Gelder der alten
Währungen würden nominal vollumfänglich im Markt bleiben. Da die
Geldmengenausweitung der Neubank im Kreditwege auch (jedenfalls zunächst und
als solche) keine Auswirkungen auf die Kurse der Altwährungen hätte, bliebe
ihre Menge auch real unverändert.
Und wenn es doch zum Kursverfall der Altwährungen am
‚Devisenmarkt‘ käme, müsste die Neubank selber auf eine Kursstabilisierung
durch Aufwertung der Konkurrenz-Währungen hinarbeiten. (Weil die Kursänderungen
ja nicht durch Kaufkraftänderungen bedingt wären, sondern lediglich durch
veränderte Währungspräferenzen.)
[Übrigens sollte uns das „lend
… at a … negative rate“ erschreckend bekannt vorkommen.]
“It seems to me to be fairly certain that
(a) a money generally expected to
preserve its purchasing power approximately constant would be in continuous
demand so long as the people were free to use it,
(b) …..
(c) the issuing institution could
achieve this result by regulating the quantity of its issue, and
(d) such a regulation of the quantity
of each currency would constitute the best of all practicable methods of
regulating the quantity of media of exchange for all possible purposes.” (S. 52)
zu a) Das ist sehr die Frage, ob sich ein solches Geld
wirklich allgemeiner Akzeptanz erfreuen würde. Wie ich oben bereits
sagte, haben Kreditnehmer tendenziell eher kein
Interesse an kaufkraftstabilem Geld. Aber letztlich entscheidet bei Einlegern
und Kreditnehmern die Erwartung des ‚Endergebnisses‘. Das aber ergibt sich erst
aus der Verbindung von Zinshöhe einerseits und Kaufkraftentwicklung
andererseits. Die Unternehmen haben vor allem Interesse an einem Geld, das
überhaupt (und zudem für die jeweils gewünschten Kreditfristen) verfügbar ist. Ansonsten
würden die Wirtschaftssubjekte Gefahr laufen, Verpflichtungen in der jeweiligen
Währung nicht erfüllen zu können. Wenn man bei einer Währung mit starken Schwankungen
bei der Verfügbarkeit bzw. beim Preis (Kreditzinsen) rechnen muss, wird man
sich eher nicht für diese entscheiden. Genau diese Schwankungs-Risiken sind im
Hayek-System aber extrem hoch.
zu c) Nein; keiner der konkurrierenden Emittenten kann
Preisstabilität erreichen, weil er (im mutmaßlich vorherrschenden tendenziellen
Inflationsszenario) dafür seine Währung gegenüber den anderen aufwerten müsste.
Die anderen müssten aber genau dasselbe tun – und das ist eine logische
Unmöglichkeit. Allenfalls könnte es zu einer Senkung der Gesamtgeldmenge kommen
und dadurch zur Dämpfung der Wirtschaftstätigkeit und in der Folge dann auch zu
sinkenden Warenkorb-Preisen. Welche Verheerungen eine solche brachiale
Geldpolitik allerdings in der Realwirtschaft anrichten würde: Das möchte ich
mir (um Hayeks Äußerung zu Friedmans Vorschlag eines Limits für die
Geldmengensteigerung zu variieren – „I
would not like to see …“ S. 81) lieber nicht ausmalen!
zu d) Hier geht Hayek eindeutig davon aus, dass die
unterschiedlichen Währungen sich ökonomisch wie eine Gesamt-Geldmenge auswirken
(was sie in der Tat auch sind).
The appearance and increasing use of
the new currencies would, of course,
decrease the demand for the existing national ones and, unless their volume was
rapidly reduced, would lead to their depreciation. (S. 53)
sowie
aus dem Abschnitt „Preventing rapid
depreciation of formerly exclusive currency“ (S. 121/122):
“… once the displacement of the
hitherto exclusive currency by new currencies had commenced, it would be
rapidly speeded up by an accelerating depreciation that would be practically
impossible to stop by any of the ordinary methods of contracting the
circulation. Neither the government nor the former central banks would possess
the reserves of other currencies or·of gold to redeem all the old money the
public would want to get rid of as soon as it could change from a rapidly
depreciating currency to one it had reason to believe would remain stable.” (S. 122)
Eine solche Entwertung der bisherigen Währung ist in keinster Weise zwingend, und sie ist nicht einmal wahrscheinlich:
·
Soweit die Neubank ihre NM durch Umtausch (= Ankauf)
von DM emittiert, wird sie diese im Tresor behalten, also aus dem Verkehr
ziehen. Zum Ersten, weil sie lt. Hayek einer Rücktauschpflicht unterliegt. Zum
Zweiten, weil ihre eigene Währung auf diese Weise gedeckt ist: Währungen, die
durch Eintausch anderer (kreditgeschöpfter) Währungen an den Markt kommen, sind
selber indirekt kreditgeschöpft. Und zum Dritten, weil die Neubank doch lt.
Hayek einen Preisverfall ihres Referenz-Warenkorbs verhindern muss (dessen
Preise, ebenfalls aus Hayeks Argumentation abzuleiten, wahrscheinlich
mindestens teilweise in der alten Währung notiert wären). Folglich müsste die
Neubank selber die andere Währung durch Stützungskäufe aufwerten, wenn diese zu
stark fällt.
·
Die System-Geldmenge bleibt bei Währungsemission durch
Umtausch unverändert (solange sich die Wechselkurse nicht ändern; sonst bliebe
sie nur nominal, aber nicht real gleich).
·
Soweit die Neubank ihre NM durch Kreditgewährung
herausgibt, wäre in einem ersten Szenario zu erwarten, dass die Kreditnachfrage
nach DM entsprechend schrumpft: „increasing
use of the new currencies” suggeriert, dass sich die Kreditnachfrage
lediglich von der DM auf die NM verlagern würde.
·
Schließlich bleibt, was Hayek offenbar komplett
übersehen hat, die Nachfrage nach der alten Währung auch deshalb erhalten, weil
diese kreditär in Umlauf gebracht wurde. Spätestens zum Tilgungszeitpunkt
benötigen die ‚Erstgeldempfänger‘ (Kreditnehmer) diese Währung, um ihre
Verbindlichkeiten begleichen zu können. [Sozusagen ein „automatic stabilizer“ für die Altwährung. J]
Nicht von
vornherein auszuschließen ist allerdings, dass die Kreditsuchenden insgesamt mehr Kredite aufnehmen
würden, z. B. an DM unverändert im alten Umfang und jetzt darüber hinaus
weitere in Neumark. Oder sie würden die Kreditaufnahmen in DM zwar
zurückfahren, aber nicht im selben Ausmaß wie sie NM-Kredite aufnehmen. Das
hätte (solange die Über-Emission nicht durch Wechselkursänderungen
neutralisiert würde, sich also die reale Systemgeldmenge vermindern würde) Inflation
zur Folge, aber jedenfalls keinen Nachfrageeinbruch nach der alten Währung.
Objektiver Verursacher der Inflation
wäre derjenige
Emittent, der die Geldmenge über das bisherige Niveau hinaus steigert;
vorliegend also die Neubank. Das
würde freilich noch nicht bedeuten, dass nur in Neumark notierte Güter im Preis
steigen könnten; wahrscheinlich würde das gesamte Preisniveau ansteigen (die
Einzelpreise natürlich unterschiedlich). Auf S. 89
scheint mir Hayek genau dasselbe zu sagen: “… the user of a stable currency cannot escape the effects of the
distortion of the price structure by the inflation (or deflation) of a widely
used competing currency.” Das steht allerdings im Widerspruch zu seiner grundlegenden Annahme, wonach
jeder Währungsemittent die Kaufkraft seiner Währung – durch
Wechselkursmanipulation - unabhängig von den anderen regulieren kann.
Nicht
ausschließen kann ich, dass unterschiedliche Sparneigungen der jeweiligen
Währungsnutzer zu einem unterschiedlich hohen Kaufkraftverlust führen würden. Aber
derartige Verästelungen vermag ich nicht mehr zu überschauen. Ohnehin wäre es
nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast Aufgabe der Befürworter von
Konkurrenzwährungen, die vermeintliche Überlegenheit ihres Systems durch
Aufzeigen von plausiblen Szenarien nachzuweisen.
“The
papers would probably print a table daily, not only of the current rates of
exchange between the currencies but also of the current value …”
(S. 53/54)
Diese Bemerkung zeigt, dass Hayek Differenzen in den
Relationen von Wechselkurs und Kaufkraft („value“) für möglich hält und solche
erwartet.
“Nothing would be more feared by the bankers
than to see the quotation of their currency in heavy type to indicate that the
real value had fallen below the standard of tolerance set by the paper
publishing the table.” (S. 54)
Das mag schon sein. Aber, wie gesagt: Durch
Wechselkursmanipulationen kann sich zwar eine einzelne Bank diesem
Kaufkraftverfall ihrer Währung entziehen. Aber das nur so lange, wie die
anderen nicht dasselbe versuchen. Dann ist Schluss mit lustig, weil nicht alle
gleichzeitig durch denselben Notausgang rennen können. Oder es kommt zum
Zusammenbruch der Realwirtschaft, weil alle gleichzeitig ihre Geldmengen
verknappt haben. Die Preise würden dann wohl tatsächlich fallen; aber
erfreulich wäre dieses Ergebnis für die Wenigsten.
“I have always found it useful to explain to
students that it has been rather a misfortune that we describe money by a noun,
and that it would be more helpful for the explanation of monetary phenomena if
‘money' were an adjective describing a property which different things could
possess to varying degrees. 'Currency'
is, for this reason, more appropriate, since objects can 'have currency' to
varying degrees and through different regions or sectors of the population.”
(S. 56)
Das ist zweifellos richtig, und auf jeden Fall erklärt er an
dieser Stelle, warum er lieber den Begriff „currency“
verwendet als das Wort „money“ (s. a.
S. 58).
Unter dem Zwischentitel “Pseudo-exactness,
statistical measurement, and scientific truth” macht Hayek hier einige
Bemerkungen, die zwar zu meiner Analyse seiner Überlegungen allenfalls einen
entfernten Bezug haben, jedoch zu wichtig sind, um sie mit Stillschweigen zu
übergehen:
Here we encounter a difficulty we
frequently meet in our efforts to explain the ill-defined phenomena of economic
life. In order to simplify our exposition of what are very complex interconnections
that otherwise would become difficult to follow, we introduce sharp distinctions where in real life different attributes
of the objects shade into each other. A similar situation arises where we
try to draw sharp distinctions between such objects as commodities and
services, consumers' goods and capital goods, durable and perishable,
reproducible and non-reproducible, specific and versatile, or substitutable and
non-substitutable goods. All are very
important distinctions but they can become very misleading if, in the popular
striving for pseudo-exactness, we treat these classes as measurable quantities.
This involves a simplification which is perhaps sometimes necessary but always
dangerous and has led to many errors in
economics. Though the differences
are significant, this does not mean we can neatly and unambiguously divide
these things into two, or any other number of, distinct classes. We often do,
and perhaps often must talk as if this division were true, but the usage can be
very deceptive and produce wholly erroneous conclusions.
(S. 57)
Und ergänzend in der Anm. 1 (S. 57):
It is a practice particularly
congenial to statisticians, the applicability of whose techniques frequently
depends on using it. Though the popular tendency in economics to accept only
statistically testable theories has given us some useful gross approximations
to the truth, such as the quantity
theory of the value of money, they have acquired a quite undeserved
reputation. The idea discussed in the
text makes most quantitative formulations of economic theory inadequate in
practice. To introduce sharp distinctions which do not exist in the real
world in order to make a subject susceptible to mathematical treatment is not
to make it more scientific but rather less so.
In dieser Passage scheint er die Geldmengentheorie als
Bewertungselement für sein Geldschöpfungssystem abzulehnen. Und sicher hat er
Recht damit, dass es unmöglich sein dürfte, auf mathematischem Wege die
(Un-)Richtigkeit seiner Überlegungen zu beweisen. Aber so viel lässt sich aus
der Geldmengentheorie doch auch für die Hayek-Welt ableiten, dass (bei
unverändertem Hortungsverhalten) Geldmengensteigerungen grundsätzlich auch
Preissteigerungen zur Folge haben (wenn die preistreibenden Elemente von der
Nachfrageseite kommen – also die Kunden und/oder der Staat mehr kaufen) oder
mit diesen parallel gehen (wenn die Geldmengenausweitung eine Folge von
angebotsseitigen Kostensteigerungen ist – also z. B. bei über die
Produktivitätssteigerung hinausgehenden Lohnsteigerungen).
„We must not, of course, assume that people
will at once act rationally in a new situation.” (S. 66)
Unter „rational“ versteht Hayek offenbar, dass sich die
Menschen sofort von der bisherigen staatlichen Währung ab- und neuen
Privatwährungen zuwenden sollen. Tatsächlich wäre das jedoch hochgradig
irrational, weil sie weder die längerfristigen Auswirkungen eines Wechsels abschätzen
könnten noch wüssten, ob der Anbieter ihre Erwartungen erfüllen kann und will. Tatsächlich
wäre das neue System für seinen Start sogar darauf angewiesen, dass es irrationale
„Trendkäufer“ gäbe, sie sich sozusagen ‚ins kalte Wasser stürzen‘ und allein
durch den Medien- und Werbehype zu einem Wechsel bewegen lassen würden. Und
weil es anfänglich mangels Erfahrungswerten keinerlei Rationalitätskriterien
für die Beurteilung neuer Währungsanbieter gibt, ist auch seine Behauptung sinnlos,
dass
“…
people would soon discover what rational
consideration could have told them at once.” (S. 66/67)
“All holders of cash, that is, everybody, would prefer an appreciating
currency …” (S. 68)
Solange die Geldentwertung sich im Rahmen hält ist es den
allermeisten Bargeldbesitzern herzlich gleichgültig, wie sich ihre Währung
entwickelt. Die große Mehrheit gibt ihr Geld rasch wieder aus; von einer
aufwertenden Währung haben lediglich Sparer einen Nutzen. Nur eine galoppierende Inflation wollen auch diejenigen
nicht haben, die ‚von der Hand in den Mund leben‘: Sozialleistungsempfänger und
große Teile der Arbeitnehmerschaft.
“… though they would all in the short
run either lose or gain from changes in the value of the currency on their
borrowing or lending business, they would probably all soon discover that these
losses or gains were merely temporary and tended to disappear as soon as
interest rates adapted themselves to expected price movements.” (S. 68)
Das ist eine extrem realitätsferne Sicht auf das menschliche
Verhalten. Das sucht immer kurzfristig
seinen Vorteil; die Vertröstung ‚heute hast du als Kreditnehmer hohe Zinsen
gezahlt; vielleicht sparst du morgen Geld und bekommst dann auch gute
Habenzinsen‘ wird kaum jemanden überzeugen.
Ohnehin ist nicht jeder heute Schuldner und morgen
Geldbesitzer; Hayeks System ist eindeutig auf die Interessen der Reichen
zugeschnitten, während die Armen mit hohen Kreditzinsen gerupft und mit
reißerischen Versprechungen sediert werden. [Bei den vulgärösterreichischen Phantasiegeldsystemen unserer Tage ist das noch weit
ausgeprägter der Fall. Nicht, dass ich hinter denen zynische
Propagandastrategien vermute: Teils ergibt sich das so, und teils ist dort einfach
blanke Dummheit am Werke.]
Und schließlich passen sich die Zinsen mitnichten „von selber an erwartete Preisänderungen an“;
vielmehr sollen nach seinen eigenen Vorstellungen die Banken ja täglich und
stündlich daran herumschrauben, sobald der Zielkorridor der Richtpreise
verlassen ist. (Und wohl schon vorher: „The dealings of an
issue bank in other currencies would ….. never be a purely mechanical affair“
– S. 65/66.)
“Monetary management cannot aim at a
particular predetermined volume of circulation, not even in the case of a
territorial monopolist of issue, and still less in the case of competing
issues, but only at finding out what quantity will keep prices constant. No
authority can beforehand ascertain, and only the market can discover, the
'optimal quantity of money'. It can be provided only by selling and buying at a
fixed price the collection of commodities the aggregate price of which we wish
to keep stable.” (S. 81)
Zu Hayeks Gunsten will ich annehmen, dass er den letzten Satz
falsch formuliert hat. Denn nach dem ganzen sonstigen Text sollen die Banken die
Preise ja nicht als Rohstoffhändler manipulieren, sondern über
Wechselkursmanipulationen und Geldmengenänderungen.
Gemeint ist also mit „it can be provided“ wohl nicht die Preisstabilität selber (bzw.,
streng grammatikalisch genommen, die optimale Geldmenge), sondern die
Marktinformation darüber. Der Satz meint also wohl: ‚Nur wenn der Preis des
Rohstoffkorbes unverändert geblieben ist, war genau die richtige Geldmenge am
Markt.‘
Im Übrigen ist der Absatz eine Binsenweisheit. Allerdings
besagt er auch, abstrakt formuliert, dass man immer erst im Nachhinein erkennen
kann, ob die Geldmenge richtig bemessen war oder nicht. Und somit die
Emissionsbanken, die in ihrer Geldmengenpolitik ja auf Korbpreisänderungen
reagieren sollen, der Entwicklung zwangsläufig immer hinterher hinken.
Seine Formulierung „finding out what quantity will keep prices constant” müsste
also richtig lauten: “… has kept prices constant”. Was natürlich bedeutet, dass private
Emissionsbanken vor derselben Unsicherheit stehen wie die gegenwärtigen
Zentralbanken.
Nur haben die Zentralbanken den Vorteil, dass sie die
Geldmenge einheitlich steuern und ihnen (in einer geschlossenen
Volkswirtschaft) keine anderen Akteure ins Handwerk pfuschen (bei der Schöpfung
von BASISgeld). Genaue Entwicklungen kann niemand vorhersehen; aber für eine einzige allein zuständige Stelle
sind die zukünftigen Entwicklungen (einschließlich der Schöpfung von
Bankengeld) leichter abschätzbar und steuerbar als für einen Haufen, bei dem
ggf. alle gegen alle agieren, und gegenseitig ihre die Aktionen neutralisieren
oder verstärken und damit ihre Ziele zunichte machen oder katastrophal
potenzieren würden.
Genau wie das jetzt die
Zentralbanken machen, sollen auch Hayeks Emissionsbanken proaktiv handeln;
allerdings nicht in der Vorausschau von Güterpreisen, sondern von
Wechselkursen: „… it would require a good
deal of judgement effectively to defend the short-run stability of one's own
currency, and the business will have to be guided in some measure by prediction of the future development of the
value of other currencies.“ (S. 66). Nur hätten es die Emissionsbanken, anders als eine Zentralbank,
mit mehreren ‚Playern‘ zu tun. Das steigert nicht nur die Komplexität: Weil sich
alle gegenseitig ins Handwerk pfuschen könnten (und würden), könnte der einzelne
Emittent letztlich überhaupt nichts mehr verlässlich (d. h. mit berechenbarem Effekt)
steuern.
Different people or enterprises will
evidently be interested in the prices of different commodities. And the aggregate prices of different
collections of commodities would of course move differently. (S.
74)
Diese Aussage kann ich nicht
nachvollziehen. Denn schließlich prognostiziert Hayek an anderer Stelle eine
Preisstabilität für sein System insgesamt: „Neither
a general increase nor a general decrease of prices appears to
be possible in normal circumstances so long as several issuers of different
currencies are allowed freely to compete without the interference of
government.” (S. 95;
zum vollständigen Absatz unten mehr.) Und sein ganzer Vorschlag zur Einführung eines
neuen Geldsystem beruht ja auf seiner Erwartung, das dieses das gesamte Preisniveau
stabiler halten würde als das gegenwärtige (zu seiner Zeit).
„… what would happen if … most members of a community wished to keep
a much larger proportion of their assets in a highly liquid form than they did before. Would this not justify, and even require, that the value of the most
liquid assets, that is, of all money, should rise compared with that of
commodities? The answer is that such
needs of all individuals could be met not only by increasing the value of
the existing liquid assets, money, but also by increasing the amounts they can hold. The wish of each individual to have a larger share of his resources in
a very liquid form can be taken care of by additions to the total stock of
money.“ (S. 89)
Und
“To provide a medium of exchange for
people who want to hold it until they
wish to buy an equivalent for what they have supplied to others is a useful
service like producing any other good. If an
increase in the demand for such cash balances is met by an increase of the
quantity of money ….., it does not disturb the correspondence between
demand and supply of all other commodities or services.” (S. 104/105)
Was er hier diskutiert, ist in meinen Augen eine brandheiße
Kiste.
Hayek beschreibt eine Situation, wo die Wirtschaftssubjekte
mehr Geld zu sparen wünschen. Diesem Wunsch könne auf zwei unterschiedlichen
Wegen Rechnung getragen werden:
·
Durch Aufwertung des Geldes, realwirtschaftlich also
durch eine Deflation. Da er diese an anderer Stelle ebenso ablehnt wie
Inflation, muss man ihn auch hier (obwohl er es zumindest in der Passage S. 89
nicht ausdrücklich sagt) so verstehen, dass er (vielleicht ein Zugeständnis an
die keynesianische Sicht der Zusammenhänge zwischen Geldwesen und Realwirtschaft? Vgl. z. B. Keynes, GT S. 210 bzw. hier: "AN act of individual saving means — so to speak — a decision not to have dinner to-day. But it does not necessitate a decision to have dinner or to buy a pair of boots a week hence or a year hence or to consume any specified thing at any specified date. Thus it depresses the business of preparing to-day’s dinner without stimulating the business of making ready for some future act of consumption. It is not a substitution of future consumption-demand for present consumption-demand, — it is a net diminution of such demand.") die Alternative befürwortet, nämlich
·
eine Ausweitung der Geldmenge.
Wenn ich seine Überlegungen richtig verstehe, dann lassen sie
sich zu der Aussage zusammenfassen:
Eine Steigerung der Geldmenge ist insoweit unschädlich, als sie lediglich
den (temporären) Entzug von Geld aus dem Wirtschaftskreislauf kompensiert.
Und aus dem „useful
service“ sowie aus anderen Stellen im Buch (‚keine Deflation‘) darf man m.
E. ergänzen, dass (auch) Hayek einen Ersatz dieser dem Wirtschaftskreislauf
entzogenen Geldmengen für erforderlich hält.
Allerdings ist er auf dem falschen Dampfer, wenn er sich das
so vorstellt, dass das zusätzlich geschöpfte Geld den Sparern zugute kommen
müsse oder würde („increasing the amounts
they can hold“ und „provide a
medium of exchange for people who want to hold it“).
Im Modell würde das Ganze ja so aussehen:
Der Unternehmer Dagobert D. hatte seine nach eigenem Konsum
verbleibenden Gewinne bisher reinvestiert. Doch ab sofort hört er damit auf und
stapelt das Geld im Tresor (oder trägt es auf die Bank). Dieses Geld fehlt
nicht ihm (die ihm zufließenden Beträge bleiben unverändert), sondern der
Wirtschaft. Das Geld ist durch einen Kredit ‚in die Welt gekommen‘, somit
benötigt es der „Erstgeldempfänger“ (Kreditnehmer) benötigt eines Tages wieder,
um seine Schulden zu tilgen.
Würde man die Dinge einfach laufen lassen, würden die
Kreditnehmer insolvent und die Wirtschaft würde zusammenbrechen (vgl. die Great
Depression 1929 ff., deren unmittelbare Ursache eine Geldmengenkontraktion
war. (Ob ‚Unterkonsum‘ oder ‚Überakkumulation‘ die tieferen Ursachen waren, wie
einige vermuten und auch ich für
möglich halte,
spielt hier keine Rolle). Letztlich würden auch die Bankeinleger ihr Geld
verlieren, weil die Banken es verliehen haben und von den Kreditnehmern nicht mehr
zurück bekommen.
Um diese Folgen zu verhindern, müssen die Währungsemittenten (bei
Monopol- wie bei Parallelwährungen gleichermaßen) dem Wirtschaftskreislauf also
gewissermaßen ‚frisches Blut‘ injizieren. Das bedeutet freilich, dass sie mehr
Kredite vergeben müssen. Von denen Dagobert D. (wenn auch dieses Geld bei ihm landet)
aber möglicher Weise erneut einen Teil bunkert. Die Kredite wären also
zunehmend „Ponzi-finanziert“, Zins und Tilgung könnten nicht mehr aus regulären
Einnahmen der Kreditnehmer bezahlt werden, sondern nur noch aus immer wieder
neuen (und noch höheren) Krediten. Die Bonität der Schuldner würde also in der
Summe (wie auch immer sich das im Einzelfall äußern mag) ständig schlechter.
Als „brandheiße Kiste“
bezeichne ich diese Problematik deshalb, weil wir heute m. E. in genau dieser
Situation stehen (die Keynes im Kap. 24 seiner „General Theory …“
bereits prognostiziert hatte). Den ganzen Problemkomplex habe ich bereits oben
erörtert und muss ihn hier nicht weiter vertiefen.
“The benefit of a stable course of the
economic activities which, we shall argue, the use of a stable money would
produce, would ….. be achieved only if
the great majority of transactions were effected in stable currencies. Such
a displacement of most bad money by good
would, I believe, come about fairly soon, but occasional disturbances of
the whole price structure and in consequence of general economic activity
cannot be wholly excluded until the
public has learnt rapidly to reject tempting offers of cheap money.” (S. 89)
Diese Passage zeigt, dass Hayek von (nach eventuellen
Anfangsturbulenzen) einer mehr oder weniger universellen (und relativ
schnellen) Verbreitung der guten Währungen und einer Verdrängung der aus seiner
Sicht schlechten ausgeht. Soweit er in seinem Text Szenarien mit einem
dauerhaften Fortbestand „schlechter“ Währungen entwickelt, um bestimmte
Sachverhalte zu beweisen, ist das unglaubwürdig und steht im Widerspruch zu
seinen sonstigen Annahmen. Es wäre ja auch sinnlos, ein System einzufordern,
von dessen benevolenter Wirkung er nicht einmal selber voll überzeugt wäre.
Neither
a general increase nor a general decrease of prices appears to
be possible in normal circumstances so long as several issuers of different
currencies are allowed freely to compete without the interference of government. There will always be one or more
issuers who find it to their advantage to regulate the supply of their currency
so as to keep its value constant in step with the aggregate price of a bundle
of widely used commodities. This would soon force any less provident issuers of
competing currencies to put a stop to a slide in the value of their currency in
either direction if they did not wish to lose the issue business altogether or
to find the value of their currency falling to zero. (S. 95; das hier in Majuskeln gesetzte
“general” ist im Originaltext durch
Kursivschrift hervorgehoben.)
Diese Passage belegt, dass Hayek als Ergebnis seines
Geldsystems eine Stabilität des
Gesamtpreisniveaus erwartet (während relative Preisschwankungen weiterhin
möglich sein sollen). Zwangsläufig damit
verbunden wäre eine Stabilität der Wechselkurse.
Das ist zwar nur folgerichtig, denn ansonsten wäre sein
ganzes Modellbasteln sinnfrei. Aber weil er in einzelnen Zusammenhängen auch
andere Möglichkeiten durchspielt (abwertende und aufwertende Währungen) ist der
Nachweis wichtig, dass Hayek im Grunde (nachdem sich das System eingespielt
hat) von einem stabilen Gesamtpreisniveau und stabilen Umtauschkursen ausgeht.
In dem vollständigen
2. Absatz (das obige Zitat ist lediglich ein Auszug) geht Hayek nach meinem
Verständnis mit Friedman (ohne diesen zu erwähnen) darin einig, dass
Preisänderungen immer eine Folge von Geldmengenänderungen sind. [Auf S. 98
unten benennt er natürliche Knappheit als Ausnahme.] Es gebe keine
‚cost-push‘-Inflation. („…in the strict sense, there is simply
no such a thing as a 'cost-push' inflation” – S. 95.)
Das ist keine hinreichend präzise Aussage über den zugrunde
liegenden Sachverhalt, wie er ihn beschreibt. Kausal für (z. B.) Lohnerhöhungen
ist nie eine Geldmengenänderung. Oder anders gesagt: Eine Geldmengenänderung schlägt
sich nie unmittelbar in Lohnerhöhungen nieder. Sondern Lohnerhöhungen haben (nach
Hayek, und wohl auch zutreffend) einen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus zur
Folge, weil „die Regierung“ [tatsächlich das zweistufige Bankensystem; die
Zentralbank/“Regierung“ - muss dabei nur dann mitwirken, wenn die Geschäftsbanken
zur Geldmengenausweitung zusätzliches Basisgeld benötigen] die Geldmenge nach
oben hin anpasst.
Eine kausale Beschreibung wäre die Annahme, dass es die
ERWARTUNG einer Geldmengenausweitung (quasi eines „Bailouts“) ist, welche die
Gewerkschaften sowohl ermutigt als auch es ihnen ermöglicht, überhöhte
Lohnforderungen zu stellen.
Oder (enger an Hayeks Aussage angelehnt): Sektorale
Preissteigerungen (z. B. durch Lohnsteigerungen induziert) haben nur deshalb
nicht die (für Preisstabilität erforderlichen) kompensierenden Preissenkungen
in anderen Bereichen zur Folge, weil die Geldmenge entsprechend angepasst wird.
Trotzdem bleibt bei der Ursachenforschung zwischen angebots-
und nachfrageinduzierter Inflation zu unterscheiden. Nicht zuletzt hinsichtlich
der notwendigen Stabilisierungsmaßnahmen ist etwas anderes, ob Lohnsteigerungen
oder eine Übernachfrage (aufgrund zu lockeren Kredits) zu Preissteigerungen
führt (z. B. bei Immobilien). Im ersten Falle würde es ausreichen, die
Geldmenge stabil zu halten, um andere Anbieter zu Preissenkungen zu zwingen.* Die
Geldmenge dürfte dann, bei Strafe einer Deflation, auch gar nicht gesenkt
werden, weil sie vorher ja genau richtig war. (Nur) bei einer
geldmengeninduzierten Inflation müsste (und dürfte) die Geldmenge gesenkt
werden.
*[Einschub: Diese Schlussfolgerungen
bewegen sich in Hayeks Modellrahmen. Tatsächlich könnte die Realwirtschaft bei
starrer Geldmenge und sektoraler Preiserhöhung auch mit einem sinkenden
Güterangebot reagieren (z. B. durch insolvenzbedingtes Ausscheiden von
Marktanbietern). Dann könnte es passieren, dass die Einzelpreise selbst bei
unveränderter Geldmenge steigen. Stabil bliebe in diesem Falle lediglich das, was
man vielleicht als ‚Güterpreismenge‘ (Einzelpreise mal gesamter Güterumsatz) bezeichnen
könnte. Wir hätten dann also Inflation inmitten einer Depression. Das ist freilich
eine abstrakte Überlegung; ob es so etwas real jemals gegeben hat, weiß ich
nicht. Andererseits hatten wir bisher ja auch noch nie ein
Konkurrenzwährungssystem nach Hayeks Vorstellungen.].
Die folgende Passage von S. 95/96
If
government did not increase the quantity of money such a rise in the wages of a
group of workers would not lead to a rise in the general price level but simply
to a reduction in sales and therefore to unemployment. It is, however, worth considering …
what would happen if a cartel or other monopolistic organisation, such as a
trade union, did succeed in substantially raising the price of an important raw
material or the wages of a large group of workers, fixing them in terms of a
currency which the issuer endeavours to keep stable. In such circumstances the stability
of the price level in terms of this currency could be achieved only by the
reduction of a number of other prices. If
people have to pay a larger amount of money for the oil or the books and
printed papers they consume, they will have to consume less of some other
things”
inspiriert mich zu folgenden alternativen Szenarien, welche die
Auswirkung von Preissteigerungen näher beleuchten. (Dabei lasse ich den die
Problematik noch verschärfenden Sachverhalt der „Haftungsgemeinschaft“ der
„Korbgenossen“, der in Hayeks Modell eintreten würde – s. o. – außen vor):
Wir denken uns eine Wirtschaft von 6 Personen. Einer ist
Bauer, die anderen heißen Otto Normalverbraucher (oder „Produzent“) und
produzieren andere Güter.
1.
Ausgangskosten Otto Normalverbraucher: Automobil 100,-
GE; Bekleidung 100,- GE; Lebensmittel 100,- GE, Wohnen 200,- GE. Summe = 500,- GE
2.
Änderung: Preisverdoppelung bei den Lebensmitteln (wg.
Knappheit); Einkommen der Bauern verdoppeln sich. Dann gibt es im Modell zwei
Alternativen:
a.
Otto pfiff bereits vorher finanziell auf dem letzten
Loch; dann muss er seine Ausgaben umschichten, also bei anderen Positionen
sparen. Z. B.: Automobil 50,- GE; Bekleidung 50, GE; Lebensmittel 200,- GE;
Wohnen 200,- GE = Summe unverändert 500,- GE wie im Ausgangsszenario. (Die
Geldmenge bleibt unverändert.)
b.
Otto kann seine Ausgaben steigern; dann neues
Ausgabentableau: Automobil 100,- GE; Bekleidung 100,- GE; Lebensmittel 200,- GE; Wohnen 200, GE = Summe 600 GE. (Ob sich die Geldmenge ändern muss hängt davon ab, ob er
die Ausgabensteigerung aus Mitteln finanziert, die er früher sparen konnte oder
aber aus Lohnerhöhungen bzw., als Unternehmer, aus eigenen Preiserhöhungen.)
Geht man von unelastischen Produktionsverhältnissen aus (bei
denen höhere Nachfrage nicht durch Produktionssteigerungen aufgefangen werden
kann), dann ergibt sich:
·
Das Zurückstecken der Produzenten in 2a) läuft darauf
hinaus, dass nunmehr der Bauer 500,- GE mehr an Kaufkraft zur Verfügung hat.
Die kann er ohne inflationäre Folgen in jenen Bereichen ausüben, wo die
Produzenten ihre Ausgaben reduziert haben. Das heißt er kann sich für 250,- GE
mehr an Bekleidung kaufen hat 250,- GE mehr für Ausgaben rund ums Auto zur
Verfügung. Man kann diesen Sachverhalt aber auch moralisch-kritisch bewerten
und würde ihn dann z. B. so formulieren: Der Bauer fährt eine fette Beute von
500,- GE in seiner Scheuer ein.
·
Denkbar ist aber auch, dass der Bauer seine nunmehr
zusätzlichen 500,- GE gar nicht ausgeben, sondern sparen möchte. Dann müsste,
um die Auslastung der Wirtschaft aufrecht zu erhalten, diese Mehr-Ersparnis in
Gestalt von Krediten an die Produzenten transferiert werden:
a.
Beim „Transfersparen“
(s. o.) müsste das durch Sekundärkredite geschehen (unveränderte Geldmenge).
b.
Beim „Kopfkissensparen“
(s. o.) müsste sogar nach Hayeks eigenen Vorstellungen die Mehr-Ersparnis durch
eine Steigerung der Geldmenge ausgeglichen werden. D. h. den Produzenten müsste
ebenfalls im Kreditwege (jedoch durch geldschöpfende Primärkredite) ermöglicht
werden, die höheren Lebensmittelkosten zu bezahlen, ohne ihren sonstigen Konsum
einzuschränken.
[Einschub: In beiden Fällen wäre die
vollumfängliche Aufrechterhaltung der Produktion auf Pump ein Sachverhalt, wie
ihn Colin Crouch als „Privatised Keynesianism“ beschrieben hat. (Aufgrund der zwangsläufigen Bonitätsverschlechterung
der Kreditnehmer eine höchst problematische Sache, wie sich etwa beim
US-Immobiliencrash gezeigt hat!)]
·
Das Szenario 2b) scheint auf Preissteigerungen
hinauszulaufen (sofern man, wie wir das hier tun wollen, auch für den Bauern
die volle Ausgabe der Mehreinnahme postuliert); von einer inflationären Wirkung
geht auch Hayek aus ( „… have to consume
less of … other things“ – S. 96). Doch ist ein solches Ergebnis keineswegs zwingend. Entscheidend ist,
ob die Produzenten ihre Ausgabensteigerungen (um insgesamt 500,- GE) aus
Mitteln finanzieren, die sie vorher gespart haben, oder aber aus eigenen Lohn-
bzw. Preiserhöhungen.
a.
Wenn sie ihre Sparquote reduzieren, dann sollte das im
Prinzip die Kreditmenge reduzieren und damit letztlich auf andere Nachfrager
(Konsumenten oder Investoren) durchschlagen. Bei dieser Variante wäre Hayeks
Annahme letztlich gültig, wonach bei unveränderter Geldmenge die Mehreinnahme des
einen durch Ausgabeverzicht eines anderen kompensiert werden muss. Nur dass es
u. U. auch ganz andere, ursprünglich
scheinbar nicht betroffene Wirtschaftsteilnehmer sein könnten, welche (wg.
Kreditverknappung) ihre Nachfrage – nach Konsum- oder Investitionsgütern –
reduzieren müssten. [Einschub: Die hier ins Spiel gebrachten weiteren
Wirtschaftssubjekte, die früher die Ersparnisse der Produzenten als Kredit
erhalten hatten, sowie die Ausdehnung der Überlegungen auch auf Investitionen
überschreitet eigentlich die Grenzen meines Modells. Aber einerseits entspricht
diese ‚Grenzverletzung‘den realen Gegebenheiten. und andererseits erinnert sie
daran, dass ALLE wirtschaftswissenschaftlichen Denkmodelle nichts als dürftige
Reduktionen der in ihrer Komplexität für uns nicht unmittelbar vollständig
erfassbaren, weil hochkomplexen ökonomischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit
sind.]
b.
Wirklich spannend ist aber die „Inflationsvariante“
unseres Modells.
Ursprünglich hatten wir eine Geldmenge von (6 x 500,- GE = ) 3.000,- GE im
System. Von der nehmen wir an, dass mit ihr 3.000 Wareneinheiten (WE)
umgeschlagen worden seien. Diese Warenmenge bleibt unverändert (keinerlei
Produktionselastizitäten). Jedoch erhöht sich die Geldmenge nunmehr um jene
500,- GE, welche die Produzenten zusätzlich an den Bauern ‚abdrücken‘ müssen.
Wir haben also nunmehr folgende Systemparameter:
-
Warenmenge 3.000 (wie auch immer definierte) Einheiten
(WE)
-
Geldmenge erhöht auf 3.500,- GE, die sich verteilt auf
den Bauern (1.000,- GE statt ursprünglich 500,- GE) und die 5 Produzenten, die
unverändert je 500,- GE (insgesamt also 2.500,- GE) zur Verfügung haben.
Hatten wir ursprünglich ein Verhältnis von 1 : 1 zwischen
Geld- und Wareneinheiten, so beträgt die Relation nunmehr (gerundet) 1,17 GE zu
1 WE (3.500,- GE : 3.000 WE). Die Güterpreise müssen also von 1,- GE auf 1,17
GE pro Wareneinheit steigen, damit Angebot und Nachfrage wieder ausbalanciert
sind.
Um die Verteilungswirkung
dieser Inflation zu berechnen, müssen wir die Kaufkraft der einzelnen Wirtschaftssubjekte
(bzw. pauschalierend des Bauern einerseits und der Produzenten andererseits)
ermitteln; dazu teilen wir die jeweils verfügbaren Geldmittel durch 1,17.
Dann ergibt sich für jeden „Produzenten“ eine Kaufkraft
von 427,35 GE (500,- GE : 1,17).
(Sie haben zwar jeder jetzt 600,- zur Verfügung; aber die gegenüber dem
Anfangsstand zusätzlichen 100,- leiten sie quasi nur an den Bauern durch; ihre
sonstigen Ausgaben (inkl. der ursprünglichen 100,- für Lebensmittelkosten), auf
die es hier ankommt, belaufen sich nach wie vor auf 500,- GE.
Der Bauer hat
jetzt ‚brutto‘ 1.000,- GE; aber auch seine Kaufkraft
verringert sich durch die Teuerung. ‚Netto‘ beläuft sie sich auf 1.000,- : 1,17
= 854,70 KE (Kaufkrafteinheiten).
Machen wir die Probe: 5 Produzenten x 427,35 KE = 2.136,75 KE
+ 854,70 KE des Bauern = 2.991,45 KE. Tatsächlich sollten es 3.000,- KE sein;
der Unterschied erklärt sich aus Rundungsdifferenzen (ganz präzise hätte ich
nur durch 1,1666666… teilen dürfen); bei genauer Berechnung kämen wir
sicherlich exakt auf 3.000,- KE.
Der Unterschied zum Szenario einer rigiden
Geldmengenbegrenzung liegt (moralisch-kritisch betrachtet) darin, dass die
‚Beute‘ des Bauern geschrumpft ist; durch
die Inflation musste er automatisch einen Teil seiner Preiserhöhung wieder an
seine ‚Opfer‘ zurückgeben.
Die unterschiedlichen Verteilungsfolgen (im Modell; die
Realität kann zumindest ex ante niemand
adäquat abbilden) ohne Inflation und (in
Klammern) mit Inflation stellen sich wie folgt dar:
·
Produzenten 400,- KE (427,35 KE)
·
Bauer 500,- KE (354,70 KE) (hier ist nur der Zuwachs
an Kaufkraft berücksichtigt).
Mein Modell bildet die reale Realität genauso wenig exakt ab,
wie alle anderen Modelle auch. Und es lässt sich beliebig in alle möglichen
Richtungen variieren. (Z. B. könnten die Produzenten ihre eigenen Preise so
erhöhen, dass sie dem Bauern seine „Beute“ wieder abjagen, oder er sogar noch weniger
Kaufkraft als vorher hat.)
Aber, entscheidend: Es wirft ein Schlaglicht auf reale
ökonomische und soziale Zusammenhänge, die bei Hayek nicht einmal entfernt
aufscheinen. Nämlich die Tatsache, dass eine Unterdrückung von Inflation nicht
nur die Geldhalter begünstigt, sondern auch die (um Hayeks moralisierenden
Sprachgebrauch von den Emissionsbanken mal auf eine andere Gruppe von
Wirtschaftssubjekten zu übertragen: ) „offenders“
(hier also die Preistreiber) völlig ungeschoren davonkommen lässt, und somit alle
anderen zu wehrlosen Opfern macht.
Ich glaube nicht, dass Hayek eine
wirtschaftswissenschaftliche Rechtfertigung für ein derartiges Ergebnis hat.
Wie ich auch nicht glaube, dass er objektive Kriterien benennen kann, um
zwischen irgendwie ‚natürlichen‘ (und damit in seinem Sinne wohl zugleich
‚gerechtfertigten‘) und ‚künstlichen‘ (‚nicht gerechtfertigten‘) Änderungen der
relativen Preise zu unterscheiden.
“Depriving government of the power of thus
[durch Erhöhung der Geldmenge] counteracting
the effects of monopolistically enforced increases in wages or prices by
increasing the quantity of money would place the responsibility for the full use
of resources back to where it belongs: where the causally effective decisions
are taken-the monopolists who negotiate the wages or prices. We ought to
understand by now that the attempt to combat by inflation the unemployment caused by monopolistic actions
of trade unions will merely postpone the effects on employment to the time
when the rate of inflation required to maintain employment by continually
increasing the quantity of money becomes unbearable.” (S. 98)
“Actions of trade
unions” also von den Gewerkschaften ausgehandelte oder erzwungene
Lohnsteigerungen (ob „monopolistic“ oder
nicht, kann hier dahingestellt bleiben; Bedingung ist aber natürlich, dass sie
zu Preiserhöhungen führen), führen (in dem von Hayek hergestellten
Kausalzusammenhang) dadurch zu Arbeitslosigkeit, dass die Geldmenge starr
bleibt. Seine Position ist also, kritisch gesehen: ‚Die Arbeitnehmer [als Kollektiv] sollen selber dafür büßen, wenn sie dem
Unternehmer Lohnerhöhungen [über die Produktivitätssteigerung hinaus] abtrotzen.‘ Er rechtfertigt
dieses Ergebnis mit der Behauptung, dass Inflation selbst in kleiner Dosierung
(S. 96: „All inflation is so very
dangerous precisely because many people, including many economists, regard a
mild inflation as harmless and even beneficial“) fürchterliche Folgen habe:
„… an adaptation of the quantity of money
to the rigidity of some prices and particularly wages would greatly extend the
range of such rigidities and must therefore, in the long run, entirely destroy
the functioning of the market.“ (S. 96).
In Wahrheit würde jedoch, wie ich oben bei der Detailanalyse
zu einer Passage von S. 95/96 demonstriert habe, ein durch ein monetäres
Prokrustesbett erzwungener Lohnverzicht (oder erzwungene Preisreduktionen)
anderer Anbieter bzw. Sektoren die relativen Preise künstlich verzerren.
“Not
all changes in the general level of prices are caused by changes in the
quantity of money, or its failure to adapt itself to changes in the demand for
holding money; and only those
brought about in this manner can properly be called inflation or deflation.
It is true that there are nowadays unlikely to be large simultaneous changes in
the supply of many of the most important goods, as happened when variations in
harvests could cause dearths or gluts of most of the main foodstuffs and
clothing materials. And, even today, perhaps in wartime in a country surrounded
by enemies or on an island, an acute scarcity (or glut) of the products in
which the country has specialised is perhaps conceivable. At least if the index number of commodity prices that guided the issue
of the currency in the country were based chiefly on national prices, such a
rule might lead to changes in the supply of currency designed to counteract
price movements not caused by monetary factors.” (S. 98/99)
1. “can properly be called inflation or
deflation”: Es gibt hier kein “properly”,
also keine nach irgendwelchen ewigen Regeln gültige Bestimmung der Begriffsinhalte.
Wenn man (wie die „Österreicher“ das wohl tun) mit Inflation und Deflation Geldmengenänderungen bezeichnen will,
dann kann man Preiserhöhungen ohnehin nicht mit diesen Begriffen belegen,
sondern muss sie spezifizieren zu „Preis“(-inflation bzw. –deflation).
Bezeichnet man aber Preisänderungen mit den Allgemeinbegriffen, dann ist es
egal, wie es zu den Preisänderungen gekommen ist.
2. Ob Änderungen
des Preisniveaus kausal durch Geldmengenänderungen zustande kommen oder
umgekehrt ist eine ganz andere Frage als die, ob durch Stabilhaltung der
Geldmenge das Preisniveau stabil gehalten werden kann. Allerdings spielen
insoweit wohl die Erwartungen der
Wirtschaftsteilnehmer die wesentliche Rolle. (Vgl. dazu oben meine
Detailerörterung zu S. 95.)
3. Der letzte, wie
ein Wollknäuel verwickelte Satz ist, für mich zumindest, schwer zu verstehen
(z. B. „such a rule“: welche?).
Allgemein geht es in dem ganzen Abschnitt wohl um Preiserhöhungen, die durch
eine natürliche Verknappung zustande
kommen. (Ein anderes Beispiel wären gestiegene Produktionskosten, die nicht
Lohnsteigerungen bedingt sind. Also z. B. eine Kostensteigerung bei der
Rohölförderung, wenn das Zeug aus dem Meer geholt werden muss.) Was soll ich
mir unter „changes in the supply of
currency designed to counteract price movements not caused by monetary factors”,
die Hayek anscheinend befürwortet oder zumindest nicht von vornherein ablehnt,
vorstellen? Nahe liegend wäre es, an einen Ausgleich dieser „natürlichen“
Preissteigerungen durch eine entsprechende Geldmengenerhöhung zu denken. Aber
mit welcher Begründung? Die Gütermenge steigert man auf diese Weise nicht; und
bei einer absoluten Hungersnot (also einer knappheitsbedingten; es gibt ja auch
solche, wo die Menschen lediglich zu arm sind, sich das vorhandene Getreide zu
kaufen) kann auch mehr Geld nicht mehr Getreide beischaffen. Bei dieser Passage
bleibt mir schlicht rätselhaft, was uns der Dichter damit sagen wollte bzw. wie,
wenn er in der erörterten Weise zu verstehen ist, sich das stimmig in sein Modell
einfügen ließe.
Für den Fall einer Deflation (deren Gefährlichkeit er, anders
als manche schlichter gestrickten Epigonen, durchaus sieht) erwartet er
folgende Reaktionen
“the bank would presumably be driven to buy interest-bearing securities and
thereby put cash into the hands of people looking for other investments as well
as bring down the long-term rates of interest, with a similar effect. An
institution with a very large circulation of currency might even find it
expedient to buy for storage quantities
of commodities represented in the index that tended to fall particularly
strongly in price.” (S.
99)
Der Ankauf von “securities”
durch die Emissionsbanken entspricht natürlich dem, was die Fed, die EZB und
andere Zentralbanken als Geldpolitik des „quantitative
easing“ betreiben oder betrieben haben. Soweit es sich bei den Sicherheiten
um Anleihen handelt, habe ich damit keine Probleme (grundsätzlicher Natur).
Ein starkes Stück ist allerdings sein Vorschlag, die
Emissionsbanken sollten bei einem massiven Preisverfall in ihren Referenz-Rohstoffkörben
die entsprechenden Rohstoffe ankaufen. Das wäre zunächst einmal eine künstliche
Verzerrung der relativen Preise. Schlimmer ist aber, dass das auf diese Weise
emittierte Geld nicht kreditgeschöpft wäre, sondern Willkürgeld: Die Banken drucken
sich Scheine und gehen damit einkaufen! (Vergleichbar hatte 1923 die Reichsbank
dem deutschen Staat Scheinchen gedruckt, damit der ‚für lau‘ einkaufen konnte.)
In einem Deflationsszenario führt das zwar (zumindest anfänglich) nicht zu
Inflation und erscheint insoweit als ungefährlich. Aber die Banken würden, wenn
sie die Rohstoffe billig einkaufen und später, beim Konjunkturaufschwung,
teurer verkaufen, gigantische „windfall profits“ machen. Das
gäbe sicher einen ‘Aufstand’, und zwar zu Recht!
“under such a system [Konkurrenzwährungen]
what is known today as monetary policy
would neither be needed nor even possible. The issuing banks, guided solely by
their striving for gain, would thereby serve the public interest better than
any institution has ever done or could do that supposedly aimed at it. There neither would exist a definable
quantity of money of a nation or region, nor would it be desirable that the
individual issuers of the several currencies should aim at anything but to make
as large as possible the aggregate value of their currency that the public was
prepared to hold at the given value of the unit.” (S. 101)
Selbstverständlich gäbe es auch in seinem System eine Geldmengenpolitik.
Zwar keine zentral gesteuerte, aber eine individuelle jeder einzelnen
Emissionsbank für sich (also präzise: mehrere Geldmengenpolitiken nebeneinander
– und, wie oben gezeigt, zumindest beim Aufwertungswettlauf sich in der Wirkung
gegenseitig aufhebend). Die aber natürlich auf alle anderen Emittenten und auf
die Gesamtwirtschaft durchschlagen würde, und die in ihrer Auswirkung auf die
Wirtschaft einer Geldmengensteuerung durch eine Zentralbank entspräche. (Nur
dass deren Folgen wohl extrem chaotisch wären, weil es bei Hayek keine Instanz
gibt, die das Gesamtinteresse der Wirtschaft an einer verlässlichen
Geldversorgung im Auge behält.)
Entsprechend gäbe es sehr wohl eine „definable quantity of money of a nation or region“: Die gewichtete
Addition der dort umlaufenden Einzelwährungen.
The supposed chief weakness of the
market order, the recurrence of periods of mass unemployment, is always pointed
out by socialists and other critics as an inseparable and unpardonable defect
of capitalism. It proves in fact wholly to be the result of government
preventing private enterprise from working freely and providing itself with a
money that would secure stability. (S. 101)
Ich denke eher, dass das Konkurrenzwährungssystem in
kürzester Zeit im Chaos enden würde. Und die Arbeitslosigkeit an die Decke
gehen würde. [Wie ich überhaupt von seiner Konjunkturtheorie, soweit ich davon
etwas mitbekommen habe – z. B. S. 104 seine Kritik am „cheap money“ -, nicht überzeugt bin. Das erscheint mir alles
intellektuell gewaltsam zusammengebastelt, und nicht geduldig aus empirischen
Beobachtungen hergeleitet.]
“The need for such an institution
[Zentralbank] is, however, entirely due
to the commercial banks incurring liabilities payable on demand in a unit of
currency which some other bank has the sole right to issue, thus in effect
creating money redeemable in terms of another money. This, as we shall have still to consider, is indeed the chief cause of
the instability of the existing credit system, and through it of the wide
fluctuations in all economic activity.” (S. 105/106)
Also ist doch nicht die Zentralbank als solche an der
Instabilität des Kreditsystems Schuld, sondern das zweistufige Bankensystem mit
dem Zusammenspiel von Notenbank und Geschäftsbanken?
[Beiläufig: „Instabilität“ heißt auch „Markt“; stabil – und halbtot – sind sozialistische Systeme. Sein scheinbar flexibles, in seinen Mechanismen aber extrem rigide konstruiertes Konkurrenzgeldsystem wäre extrem instabil – und marktzerstörend.]
[Beiläufig: „Instabilität“ heißt auch „Markt“; stabil – und halbtot – sind sozialistische Systeme. Sein scheinbar flexibles, in seinen Mechanismen aber extrem rigide konstruiertes Konkurrenzgeldsystem wäre extrem instabil – und marktzerstörend.]
“It might still be argued that central banks
are necessary to secure the required 'elasticity' of the circulation. ….. The
manner in which elasticity of supply and stability of value of the money can be
reconciled is a genuine problem, and it will be solved only if the issuer of a
given currency is aware that his business depends on so regulating the quantity
of his currency that the value of its unit remains stable (in terms of
commodities). If an addition to the quantity would lead to a rise of prices, it
would clearly not be justified, however urgently some may feel that they need
additional cash-which then will be cash to spend and not to add to their
liquidity reserves. What makes a currency a universally acceptable, that is
really liquid, asset will be precisely. that it is preferred to other assets
because its buying power is expected to remain constant.” (S. 106)
Die notwendige Elastizität der Geldversorgung definiert Hayek
hier ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Preisstabilität; die Wünsche
der Marktteilnehmer, die zudem gegenläufig sind (Geldbesitzer vs. Kreditnehmer)
spielen keine Rolle. Ausgerechnet bei der Geldversorgung hätten sie sich also
in diesem Bereich freiwillig einer Benevolenzdiktatur privater Banken
unterworfen: Sehr unwahrscheinlich, dass sie ein solches Joch lange tragen
würden.
Und dass eine stabile Währung „universally acceptable“ ist nützt wenig, wenn man sie nicht
bekommen kann. Wird aber zur Katastrophe, wenn man sie braucht (etwa zur Vertragserfüllung) – und nicht bekommt.
What is necessarily scarce is not
liquidity but buying power - the command over goods for consumption or use in
further production, and this is limited because there is no more than a given
amount of these things to buy. So far as people want more liquid assets
solely to hold them but not to spend them, they can be manufactured without
thereby depreciating their value. But if people want more liquid assets in
order to spend them on goods, the value of such credits will melt between their
fingers. (S 106)
Hier weist Hayek darauf hin, dass Geld, was gespart wird (m.
E. allerdings nur beim „Kopfkissensparen“
– s. o.) dem realwirtschaftlichen Kreislauf entzogen wird und deshalb problemlos
entsprechend mehr Geld in Umlauf gebracht werden kann [und muss!]
Was er hier nicht adressiert, ist der Fall einer möglichen
Unterauslastung der Wirtschaft, also brach liegende Kapazitätsreserven. In
diesem Falle kann mehr Geld tatsächlich mehr Güter hervorbringen: “there is no more than a given amount of
these things to buy” gilt nur bei Vollauslastung (wenn man es versteht i. S.
v. „there cannot be more than a given
amount of these things to buy“).
With the central banks and the
monopoly of the issue of money would, of course, disappear also the possibility
of deliberately determining the rate of interest. The disappearance of what is
called 'interest policy' is wholly desirable. The rate of interest ….. ought to
record the aggregate effects of thousands of circumstances affecting the demand
for and supply of loans which cannot possibly be known to anyone agency. (S. 106/107)
Tatsächlich würde die Zinspolitik natürlich NICHT
verschwinden: Sie würde sich lediglich auf die (wenigen) konkurrierenden
Emissionsbanken verlagern. Wir hätten also ‚Zinspolitiken‘
statt Zinspolitik. Und wenn er meint, dass „The
rate of interest ….. ought to record
the aggregate effects of thousands of circumstances” dann steht das für sein
Modell im Widerspruch zu Forderungen an anderen Stellen, dass sich die
Zinspolitiken der Emissionsbanken allein an der Stabilhaltung ihres jeweiligen
Referenzwarenkorbpreises orientieren sollen.
Offenbar meint er, dass eine Zentralbank nicht die nötigen
Informationen haben kann, um einen irgendwie „richtigen“ Zins festzulegen. Das steht
im Widerspruch dazu, dass die wenigen Emissionsbanken seines Systems ihrerseits
Zinspolitik machen sollen (um die Preise zu stabilisieren). Denn auf welche geheimnisvolle
Weise sollten die genauere oder vollständigere Informationen haben? In Wirklichkeit
würden sie sogar noch mehr im Nebel stochern als Zentralbanken, weil sie nicht nur
die Marktdaten berücksichtigen sondern obendrein das Verhalten der anderen, gleichberechtigten
‚Mitspieler‘ antizipieren müssten.
Ohnehin gibt es im 2-stufigen Bankensystem nicht „den“
(Kredit-)Zins: Schon die Zentralbank verleiht Gelder nach bestimmten Kriterien
zu (leicht) unterschiedlichem Zins, und die Geschäftsbanken erst Recht.
Des Weiteren ist zu
berücksichtigen, dass Hayek für Regionen oder Staaten eine gewisse Dominanz
einzelner Währungen erwartet (S. 116: „Nor
would I be surprised to find that in large areas only one currency was
generally used in ordinary dealings …“;
S. 126: „In various large regions
one or two of them would be dominant …“). So dass wir auch in seinem System am Ende wieder bei
der Zinspolitik (oder richtiger: Geldpolitik) der guten alten (Monopol-)Notenbanken
angelangt wären. Nur dass die Kohle, praktischer Weise, dann private Taschen
füllt.
“The whole idea that the rate of interest
ought to be used as an instrument of policy is entirely mistaken, since only competition
in a free market can take account of all the circumstances which ought to be
taken account of in the determination of the rate of interest.” (S. 107)
Das steht natürlich im Widerspruch zu seiner Forderung, dass
die Emissionsbanken eine Geldpolitik (über Kreditverknappung oder ~verteuerung
= Zinspolitik) betreiben sollen, um die Referenzwarenkorbpreise stabil zu
halten. Es gibt in Hayeks System (auf der Ebene der Emissionsbanken!) auch gar nicht
„all the circumstances“ (oder, wie oben:
„thousands of circumstances“),
sondern ausschließlich die Stabilität der Korbpreise. Und damit
selbstverständlich für jede Emissionsban eine Zinspolitik (es sei denn, er wolle
die Kreditmenge direkt steuern, also ggf. knallhart rationieren).
“… the lending for investment
purposes of all the banks together,
if it was not to drive up the price level, could not exceed the current volume
of savings (and conversely, if it was not to depress the price level, must not
fall short of the current volume of savings) by more than was required to increase
aggregate demand in step with a growing volume of output.“ (S.
107)
Zunächst bestätigt Hayek hier unfreiwillig, dass er die
Geldmengentheorie eben doch sehr wohl auch für sein System anerkennt („all banks together“).
“lending for investment purposes” – Für diese
Einschränkung sehe ich keinen Grund; m. E. gilt Hayeks ‚Gleichung‘ (wenn
überhaupt) für Konsumentenkredite ebenso (hat er die gar nicht auf dem Schirm?).Die Geldschöpfung aus dem Nichts ist Hayek offenkundig unheimlich: Kredite sollen nur insoweit vergeben werden, als ihnen Ersparnisse gegenüberstehen. (Bei wachsenden Wirtschaften kommen für ihn – wie ja auch logisch - noch jene Kredite hinzu, die benötigt werden, um ein Wachstum überhaupt zu ermöglichen.) (Übrigens kann die Kreditmenge, sicherlich auch für Hayek, durchaus kleiner sein als die Sparmenge – Stichwort „Kopfkissenparen“: nur eben nicht größer.) Konsequent wäre dann die Forderung nach einem echten Vollgeldsystem. Hayek allerdings fordert ein „100 per cent banking“ (S. 65 und 123; engl. „full reserve banking“ – FRB) lediglich für die Sekundärbanken. Sein System ist jedoch so angelegt, dass die Emissionsbanken auch (oder sogar hauptsächlich?) das direkte Kundengeschäft betreiben – und somit in Konkurrenz zu den Sekundärbanken stehen (vgl. z. B. S. 123, wo er – plausibel - vermutet, dass die Geschäftsbanken das gesamte Kontokorrent-Geschäft an die Emissionsbanken verlieren würden, die keine Gebühren dafür erheben müssten). Woraus für den vorliegenden Zusammenhang folgt, dass die Emissionsbanken, die das Geld ja aus dem Nichts schöpfen, nicht in sein (rudimentäres) Vollgeldsystem einbezogen sind. Wahrscheinlich geht er davon aus, dass über den Mechanismus der Warenkorb-Preissignale verhindert wird, dass die Kreditmenge die Menge der Ersparnisse übersteigt. Und daher auch ohne Vollgeldsystem Kredite nur aus gesparten Geldern vergeben werden. Aber, wenn er doch von der Richtigkeit seiner ‚Gleichung‘ überzeugt ist: Warum dann nicht auch die Kreditvergabe der Emissionsbanken auf genau dieselbe Weise steuern? (Was, ich wohlgemerkt, keineswegs fordere, sondern lediglich als logische Konsequenz aus seinem Satz ableite.)
Much as all historical experience
appears to justify the deep mistrust most people harbour against paper money,
it is well founded only with regard to money issued by government. Frequently the term 'fiat money' is used as
if it applied to all paper money, but the expression refers of course only to
money which has been given currency by the arbitrary decree or other act of
authority. Money which is current only
because people have been forced to accept it is wholly different from money that
has come to be accepted because people trust the issuer to keep it stable.
Voluntarily accepted paper money therefore ought not to suffer from the evil
reputation governments have given paper money. (S. 111)
Dass Hayeks Geld kein
Fiatgeld wäre, ist falsch. Hier geht es ihm nicht um Erkenntnisgewinn; das ist (wie
der letzte Satz auch sehr deutlich zeigt) reine Propaganda.
Genauer: Ein Autor ist natürlich frei, seine Begriffe zu
definieren. Hayek hätte also legitimer Weise für sich selber festlegen können,
dass er nur kreditgeschöpftes Regierungsgeld als Fiatgeld bezeichnen will,
nicht aber von privaten Banken geschöpftes. Die Frage ist dann freilich, worin
der objektive Unterschied beider Geldformen liegt und ob eine solche
Umbenennung erkenntnis- oder kommunikationsfördernd ist.
„Fiatgeld“ dient im allgemeinen Sprachgebrauch zur Abgrenzung
von Warengeld. Warengeld muss mit großem Arbeitsaufwand produziert werden, und
hat (soweit einigermaßen vollwertig ausgemünzt) einen Tauschwert in sich.
Fiatgeld („Papiergeld“
sagt Hayek anschaulich; das Buchgeld ist dabei selbstverständlich
eingeschlossen) kann (heutzutage) per Knopfdruck elektronisch in beliebiger
Menge produziert werden. Das gilt für ‚Hayek-Geld‘ nicht anders als für
‚Staatsgeld‘; von daher macht es auch keinerlei Unterschied, ob die
Wirtschaftsteilnehmer weitgehend eine einzige Währung benutzen müssen oder
(mehr oder weniger) frei zwischen verschiedenen Konkurrenzwährungen auswählen
können. Beide Geldsorten werden durch Konvention (vielleicht das Staatsgeld
auch mit einem gewissen Maß von Zwang) akzeptiert und beide können
inflationiert werden. Dass private Anbieter das, wie Hayek meint, nicht tun
würden ändert nichts daran, dass sie es in gleicher Weise tun könnten
wie Zentralbanken usw. Und das liegt daran, dass beide Geldarten in gleicher
Weise hergestellt werden. Nach Herstellungsart und intrinsischer Wertlosigkeit sind
beide gleich; der einzige Unterschied liegt im (staatlichen oder privaten)
Emittenten. Das aber rechtfertigt es nicht, von zwei Geldarten zu sprechen; eine solche Unterscheidung bringt
keinen Erkenntnisgewinn.
[Einschub: Ein derartiger Begriffsrealismus
(oder terminologischer Propagandismus) wie hier bei Hayek scheint mir
charakteristisch für die „österreichische“ Schule der Wirtschaftswissenschaften
zu sein; jedenfalls begegnet man ihm in der Debatte mit „Austrians“ auch beim Inflationsbegriff: ‚Inflation ist
Geldmengenausweitung, nicht Preissteigerung‘ heißt es dann. Was natürlich
genauso Unfug ist. Fakt ist einfach, dass die Austrians den Begriff anders
definieren. Neue Erkenntnisse bringt das nicht; das hat die rein
propagandistische Funktion, jede Preisinflation als Folge von Geldmengeninflation
hinzustellen, bzw. jede Geldmengenausweitung negativ zu konnotieren. Eine
„Wissenschaft“, die auf derartige Mätzchen angewiesen ist, ist keine. Sondern
eine Sekte, die sich, wie religiöse Sekten auch, manchen gängigen
Begriffsinhalten verweigert und Worte mit eigenen Inhalten neu bestimmt. Weil
die allermeisten Menschen (und in der alltäglichen Konversation vielleicht wir
alle) Begriffsrealisten sind, kann man nicht wenige mit solchen Tricks
verschaukeln.]
“There is no better case for preventing
the decrease of the quantity of money circulating in a region or sector of a
larger community than there is for governmental measures to prevent a decrease
of the money incomes of particular individuals or groups - even though such
measures might temporarily relieve the hardships of the groups living there. It
is even essential for honest government that nobody should have the power of
relieving groups from the necessity of having to adapt themselves to unforeseen
changes, because, if government can do
so, it will be forced by political necessity to do so all the time.” (S. 114/115)
Mussten auch Sie beim Lesen dieser Zeilen schmunzeln? Nein?
Dann helfe ich Ihnen auf die Sprünge: EZB – Griechenland – „Club Med“: So gesehen, klingen die vorstehenden
Zeilen geradezu prophetisch, nicht wahr? J
[Einschub: Mein allererster Blott zum
Thema meinen Griechenlandrettung datiert übrigens vom 20.02.2009 –
weit mehr als ein Jahr bevor es soweit war. (Er richtet sich gegen
Bailout-Forderungen, mit welchen die Kapitalgauner also schon lange vorher
begonnen hatten, Öffentlichkeit und Politik medial weichzukochen.) Titel: „Lässt Klingklax sich klaglos beklauen? Keine
Euro-Anleihen zur Rettung der Mittelmeer-Länder! Keine
deutschen Steuergelder gen Süden senden!“]
“A good money, like good law, must
operate without regard to the effects that decisions of the issuer will have on
known groups or individuals.” (S. 117)
Das hört sich unparteiischer an, als es in Wahrheit ist. Es erinnert
mich fatal an den berühmten Ausspruch von Anatole
France über die „… majestätische Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie
Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot
zu stehlen“. Denn Hayeks Geldsystem ist (auch wenn er vorgibt, auf diese
Weise die Volkswirtschaft zu optimieren oder gar zu retten) in Wahrheit für die
Geldbesitzer maßgeschneidert.
Davon abgesehen, ist diese Forderung auch ausgesprochen
undemokratisch (unmittelbar im Anschluss an das o. a. Zitat stellt er
Überlegungen über einen hypothetischen „benevolent
dictator“ an) und gesellschaftlich primitiv gedacht. Ein absolut
„richtiges“ Gesetz gibt es nicht; selbstverständlich muss man die Auswirkungen
von Gesetzen auf einzelne Gruppen (manchmal vielleicht sogar einzelne
Individuen) im Auge haben und die Regelungen entsprechend konstruieren und ggf.
anpassen.
Zur obigen Passage passt auch
eine entlarvende Formulierung auf S. 119: „Under
the prevailing form of unlimited
democracy, in which government has power to confer special material
benefits on groups, it is forced to buy the support of sufficient numbers to
add up to a majority.“
Völlig falsch ist es natürlich nicht, dass in Demokratien die
Regierungen dazu neigen, das Volk mit ‚Geschenken‘ zu bestechen, und das dieses
sich auch sehr gerne korrumpieren lässt. (Vgl. dazu auch meinen Blott – ein
Fremdtext - „Vom
Kardinalfehler zum Kardinalproblem - Die Bestechlichkeit des Wählers in der
westlichen Welt“ aus dem
Jahr 2011.)
“The currencies issued by any
surviving government banks would often themselves be driven more and more to
accept and even to seek payment in currencies other than those issued by a
favoured national institution.” (S. 127)
Ich vermute, dass die ersten vier Worte zu streichen sind (wie
ich es hier gemacht habe). Ansonsten wüsste ich nicht, welchen Sinn der Satz
machen sollte. Aber auch dann kann ich mir nicht wirklich vorstellen, welchen
Sachverhalt und welche Motivation Hayek im Auge hat.
"[Wenn das Regierungsmonopol für die Geldschöpfung erst einmal abgeschafft sein
wird, gehe ich davon aus, dass] … justice requires debts to be paid in terms
of the units of value which the parties to the contracts intended and not in what government
says is a substitute for them. (The exception
is where the contract explicitly provides for a stated number of tokens rather
than for a value expressed in terms of an amount of tokens.) After the
development of a widely preferred common standard of value the courts would in
most cases have no difficulty in determining the approximate magnitude of the
abstract value intended by the parties
to a contract for the value of such and such an amount of a widely accepted
unit of currency. If one currency in
terms of the value of which a contract had been concluded seriously depreciated beyond a reasonable range
of fluctuation, a court would not allow
the parties to gain or lose from the malpractice of the third party that issued
the currency. They would without
difficulty be able to determine the
amount of some other currency or currencies with which the debtor was entitled
and obliged to discharge his obligation.” (S. 128)
In ihrem (nicht paginierten) Papier „Der seltsame Fall des Dr. Hayek und Herrn von Hayek“ diagnostizieren Mark Lindley und James Farmelant auf S. 25 pdf „… eine gewisse intellektuelle Korrosion durch das Alter.“ Das muss man wohl auch für seine vorliegenden Überlegungen so sehen, die sein System vollends ins Chaos stürzen und die Funktion von Währungsvereinbarungen in Verträgen (die üblicher Weise explizit oder implizit auf das jeweilige gesetzliche Zahlungsmittel abstellen) partiell entwerten würden.
Wie stellt sich Hayek das eigentlich vor, dass die Währungen, in der Verträge abgeschlossen wurden, mal eben durch Gerichtsbeschluss geändert werden, wenn die Kaufkraft der Währung verfallen ist? Für Gläubiger ist das natürlich eine prima Sache; Schuldner würden ggf. massiv dabei verlieren. Wenn in Verträgen eine bestimmte Währung festgelegt wird, dann ist in dieser zu erfüllen. Ansonsten käme es zur totalen Unsicherheit und zu Rechtsstreiten ohne Ende. (Dasselbe würde gelten, wenn in der Hayek-Wirtschaft Verträge etwa gar nicht mehr auf Geld, sondern auf wie auch immer determinierte Kaufkraft-Einheiten abgeschlossen werden würden.)]
In ihrem (nicht paginierten) Papier „Der seltsame Fall des Dr. Hayek und Herrn von Hayek“ diagnostizieren Mark Lindley und James Farmelant auf S. 25 pdf „… eine gewisse intellektuelle Korrosion durch das Alter.“ Das muss man wohl auch für seine vorliegenden Überlegungen so sehen, die sein System vollends ins Chaos stürzen und die Funktion von Währungsvereinbarungen in Verträgen (die üblicher Weise explizit oder implizit auf das jeweilige gesetzliche Zahlungsmittel abstellen) partiell entwerten würden.
Wie stellt sich Hayek das eigentlich vor, dass die Währungen, in der Verträge abgeschlossen wurden, mal eben durch Gerichtsbeschluss geändert werden, wenn die Kaufkraft der Währung verfallen ist? Für Gläubiger ist das natürlich eine prima Sache; Schuldner würden ggf. massiv dabei verlieren. Wenn in Verträgen eine bestimmte Währung festgelegt wird, dann ist in dieser zu erfüllen. Ansonsten käme es zur totalen Unsicherheit und zu Rechtsstreiten ohne Ende. (Dasselbe würde gelten, wenn in der Hayek-Wirtschaft Verträge etwa gar nicht mehr auf Geld, sondern auf wie auch immer determinierte Kaufkraft-Einheiten abgeschlossen werden würden.)]
“As a result, even the complete collapse of
one currency would not have the disastrous far-reaching consequences which a
similar event has today. Though the holders of cash, either in the form of
notes or of demand deposits in a particular currency, might lose their whole
value, this would be a relatively minor disturbance compared with the general
shrinkage or wiping out of all claims to third persons expressed in that
currency. The whole structure of long-term contracts would remain unaffected,
and people would preserve their investments in bonds, mortgages and similar forms
of claims even though they might lose all their cash if they were unfortunate
to use the currency of a bank that failed.“ (S. 128/129)
Hayek nimmt hier ausschließlich die Gläubigerperspektive ein; dass eine gerichtliche Neu-Denominierung der vertraglich vereinbarten Erfüllungswährung für den Schuldner eine Katastrophe sein könnte, kommt ihm nicht in den Sinn – oder ist ihm gleichgültig.
Hayek nimmt hier ausschließlich die Gläubigerperspektive ein; dass eine gerichtliche Neu-Denominierung der vertraglich vereinbarten Erfüllungswährung für den Schuldner eine Katastrophe sein könnte, kommt ihm nicht in den Sinn – oder ist ihm gleichgültig.
Die Fairness gebietet es, die Anm. 3 auf S. 132/133 in eine
Betrachtung von Hayeks Überlegungen einbeziehen:
It has been said that my suggestion
to 'construct' wholly new monetary institutions is in conflict with my general
philosophical attitude. But nothing is further from my thoughts than any wish
to design new institutions. What I
propose is simply to remove the existing obstacles which … have prevented the
evolution of desirable institutions in money. Our monetary and banking
system is the product of harmful restrictions imposed by governments to
increase their powers. They are certainly not institutions of which it can said
they have been tried and found good, since the
people were not allowed to try any alternative. To justify the demand for freedom of development in this field it was
necessary to explain what consequences would probably result from granting such
freedom. But what it is possible to
foresee is necessarily limited. It is one of the great merits of freedom
that it encourages new inventions, and they are in their very nature
unpredictable. I expect evolution to be much more inventive than I can possibly
be. Though it is always the new ideas of comparatively few which shape social
evolution, the difference between a free and a regulated system is precisely
that in the former it is people who have the better ideas who will determine
developments because they will be imitated, while in the latter only the ideas
and desires of those in power are allowed to shape evolution. Freedom always creates some new risks.
All I can say is that if I were responsible for the fate of a country dear to
me I would gladly take that risk in the field I have been considering here.”
Und dazu von S. 134:
Und dazu von S. 134:
“What is now urgently required is not
the construction of a new system but the prompt removal of all the legal
obstacles which have for two thousand years blocked the way for an evolution
which is bound to throw up beneficial results which we cannot now foresee.”
Der Vorwurf, dass Hayek sich mit seinem Entwurf eines neuen Geldsystems
als Konstrukteur betätigt (und damit in einen Widerspruch zu seiner sonstigen
marktevolutionären Philosophie gerät), stammt von Milton Friedman (vgl. S. 16:
„I have … inserted … a reply to a comment
by Milton Friedman …). Zum Inhalt:
1. Sicherlich
sollte der Staat den Bürgern erlauben, auch andere Währungen zu benutzen; aber
ebenso hat er natürlich das Recht, die an ihn abzuführenden Zahlungen in einer
ganz bestimmten Währung zu verlangen. Wahrscheinlich gab es zu Hayeks Zeit noch
Restriktionen für die Verwendung ausländischer Währungen im Inland. Ich
vermute, dass diese heute zum Großteil weggefallen sind. Und ebenso, dass ich
bei Aldi völlig legal mit Dollar, Kaurimuscheln oder mit Buchenblättern
bezahlen dürfte – wenn man die dort annehmen würde. Für ggf. noch bestehende
Restriktionen gegen private Währungen sehe ich keinen Grund. Freilich glaube ich
nicht, dass sich diese (ggf. nach Aufhebung letzter Beschränkungen) durchsetzen
würden. Auf jeden Fall ist, wie ich oben gezeigt habe, das
Kaufkraft-Stabilisierungskonzept von Hayek undurchführbar, weil
selbstwidersprüchlich. Parallelwährungskonzepte stecken, wie ich zu meinem
Leidwesen selber entdecken musste, ganz allgemein voller Tücken; die
entdeckt man freilich nur, wenn man auch die eigenen Ideen kritisch betrachtet,
und sie nicht als Heilsideen versteht, mit denen man die Menschheit um jeden Preis
missionieren müsste.
2. Richtig ist,
dass man die möglichen Folgen von Systemänderungen VORHER durchdenken muss –
soweit wir das können. Jedenfalls ist ein Hinweis in der Art ‚der Markt wird es
schon richten‘ oder ‚das kann man vorher nicht wissen, das muss man dem
Findungsprozess der Marktkräfte überlassen‘ eine faule Ausrede für
Denkfaulheit. Hayek drückt sich, anders als manche seiner Epigonen, nicht vor dieser Aufgabe. Sein Hinweis,
dass unsere prognostischen Fähigkeiten zwangsläufig beschränkt sind, ist
berechtigt. Andererseits stelle ich als Ergebnis meiner Analyse fest, dass man
doch sehr viel mehr vorhersehen kann, als Hayek das tut. Wenn man sein System
nicht mit den Augen der Liebe betrachtet, sondern kritisch, quasi als
„advocatus diaboli“.
Schlussbemerkungen
Inhaltlich, das lässt sich (wenn man seine Vorschläge verstanden, d. h. Schritt für Schritt gedanklich nachvollzogen hat) leider nicht leugnen, gehört Hayek mit diesem Aufsatz zu jener Personengruppe, die er selber mehrfach kritisiert: den „cranks“, also den (Geldsystem-)Spinnern. (Zu seiner Kritik vgl. z. B. S. 14: „The demand for the freedom of the issue of money will at first, with good reason, appear suspect to many, since in the past such demands have been raised again and again by a long series of cranks with strong inflationist inclinations.“)
Immerhin bewegt sich der größte Teil seines Buches auf einem so
hohen Niveau gedanklicher Anspannung und arbeitet mit einer solchen Fülle von
wirtschafts- bzw. geldgeschichtlichen Informationen und Überlegungen, dass die
Auseinandersetzung damit auch dann einen intellektuellen Gewinn bringt, wenn
man sich seiner Denkfehler bewusst wird und zudem erkennt, dass seine Argumente
(objektiv; ihm selber war das sicherlich nicht bewusst und war nicht explizit
gewollt) die Interessenlage der Geldhorter widerspiegeln.
Was man ansonsten zu Hayeks Entlastung anführen kann, hat der
ehemalige Chefvolkswirt der Bundesbank und später der Europäischen Zentralbank
(EZB), Prof. Otmar Issing, in seinem Vortrag „Hayek – currency competition and European monetary union“ vom 27.05.1999 so formuliert: „The monograph has to be seen against the
background of decades of worldwide inflation.“ (Issing hat zu diesem Thema auch
einen Aufsatz “Hayek’s Suggestion for Currency Competition: A Central Banker’s View” verfasst, den ich jedoch nicht
gelesen habe.)
Weitere Werke von Friedrich August Hayek habe ich nicht
gelesen. Aber welche Meriten auch immer er auf anderen Feldern der
Volkswirtschaftslehre haben mag: Seine vorliegend untersuchten Vorschläge sind
nicht mit hinreichender Gründlichkeit durchdacht und wertlos bzw. würden die
Wirtschaft ruinieren, wenn man sie umsetzen wollte.
Vergleiche zum vorliegenden Thema auch meinen Blott Irrige Grundannahmen in der Gelddebatte (09.09.2014)
Nachtrag 05.03.2017
Auch für die vorliegende Erörterung von Belang ist eine Debatte, die ich momentan gerade mit dem Münsteraner Volkswirtschafts-Professor Alexander Dilger in dessen Blog führe, und zwar in den Kommentaren zu seinem Blogpost "Niederlande lassen Euroausstieg offiziell untersuchen vom 27.02.2017. Dort geht es zwar spezifisch um die Frage, ob die Einführung einer Parallelwährung ein gangbarer Weg hin zu einem Euro-Ausstieg ist oder nicht. Aber letztlich ist damit irgendwo auch ganz allgemein die Funktionalität von Parallelwährungen tangiert.
Nachtrag 14.08.2020
Vgl. zum vorliegenden Zusammenhang auch meinen Blott "Wie die 'Facebook-Libra' die Geldmenge steigern würde" vom 19.06.2019. Diese Währung soll genau so entstehen, wie Hayek sich das damals vorgestellt hatte: Durch Ankauf bereits bestehender Währungen. Ob den Planern der Text von Hayek bekannt war und ob dieser als Blaupause gedient hat, weiß ich aber natürlich nicht.
Textstand 14.08.2020
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