Wie der Zufall so spielt: Zu einem Text von Oswald Spengler, den ich auf Facebook eingestellt hatte, verlinkte ein Kommentator zu diesem Video auf dem Youtube-Kanal von "Emperor Caligula". Videos zu politisch-gesellschaftlichen Themen schaue ich mir freilich ungern an. Ich präferiere gedruckte Texte, mit denen ich mich geistig besser auseinandersetzen kann. Zum Glück ist der Vortrag aber auch in "gedruckter" Form online (dort unter dem Titel "Zehn Gründe, warum unsere westliche Zivilisation untergeht").
Sehr selten übernehme ich fremde Texte vollständig in meinen Blog (hier besonders interessant ein Text zur Wählerkorruption). Aber vorliegend konnte ich nicht widerstehen.
Inhaltlich sagt mir der Autor zwar nichts Neues. Aber die konzise Art, WIE er das Dekadenzproblem der abendländischen Zivilisation beschreibt, ist derart packend, dass ich mit meinen extrem begrenzten Möglichkeiten ein wenig zur Verbreitung beitragen will.
Der anonyme Autor hat dieser Veröffentlichung zugestimmt. Ebenfalls mit Zustimmung des Anonymus habe ich gegenüber dem Originaltext einige geringfügige Korrekturen (Schreib- und Grammatikfehler, wenige Ergänzungen und Änderungen) vorgenommen.
Unter dem nachfolgenden Originaltext von Anonymus habe ich eine Nachbemerkung, u. a. zur Klärung meiner eigenen Positionen, angehängt.
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Dass die Prognosen des Untergangs immer wieder belächelt werden, hängt mit der Parabel vom gekochten Frosch zusammen. Es heißt, erhöht man die Temperatur eines im Wasser sitzenden Frosches sehr langsam, bliebe er darin, bis er tot sei. Unabhängig davon ob das stimmt, ist es ein erhellendes Bild für unsere Lage. Ein Untergang in Zeitlupe ist etwas, dessen sich die Menschen nicht sehr leicht bewusst werden. Der vulgäre Typus erwartet den Untergang mit Donnerknall und Getöse, und missdeutet das Ausbleiben desselben als Zeichen der Sicherheit. Der Verfall wird aber sofort sichtbar, wenn man sich aus der Froschperspektive erhebt und die Entwicklung aus der Distanz betrachtet.
Das Grundproblem vor dem Untergang der Zivilisation zu warnen
liegt darin, dass die Masse heute die Kultur als Natur missversteht, sie
betrachtet den zivilisatorischen Zustand des Jetzt als natürliche Gegebenheit,
sie verstehen nicht, dass unsere ganze Kultur etwas ist, das Menschen unter
Mühen und oft großen Opfern errichteten und nur ebenso aufrecht erhalten werden
kann. Der heutige Mensch ist ein Barbar, der die Zivilisation bloß geerbt hat,
dem aber die kulturellen Fähigkeiten, diese aufrecht zu erhalten, abhanden
gekommen sind. Er lebt als kultureller Barbar inmitten einer Zivilisation, und
glaubt sie sei selbst existierende Natur, die ohne jede Voraussetzungen
weiterbestehe. Mit ähnlicher Apathie muss es den Römern des 5. Jahrhunderts
unvorstellbar gewesen sein, dass das
„Ewige Rom“ plötzlich verschwinden könne.
Dass der Untergang der westlichen Zivilisation nicht mit einem
Knall von einem Tag auf den anderen geschieht, bedeutet weder, dass
katastrophale Ereignisse ausbleiben müssen, noch dass der spätere Zustand nicht
großes Elend bedeutet. Die wenigen Denker der Zukunft werden dies im Rückblick
scharf erkennen, oder eher, sie werden es am Rande des Bewusstseins ahnen, so
wie jene 10.000 Römer, die im Mittelalter in den Ruinen der einstigen
Zwei-Millionen Metropole Rom lebten, und nur ahnten, dass sie die geringeren
Epigonen viel größerer Ahnen gewesen waren. Das physisch Geschaffene
verschwindet nicht von heute auf morgen: die großen Städte, das Endstadium
jeder untergehenden Kultur, die totale Verstädterung, in dem der ahistorische,
seelenlose Stadtbarbar haust. An den Rändern ist die Zukunft absehbar: die
Banlieus von Paris, die Ghettos von Amerika, das Malmö und Marxloh, das
Neukölln von Berlin: von dort breitet sich der barbarische Verfall her aus. Am
Ende werden auch die Oasen der reichen Weißen gestürmt werden, es ist eine
Illusion zu glauben, die Barbaren außerhalb der Zäune werden sich endlos
abhalten lassen, wenn sich die kulturtragenden Schichten immer mehr
verkleinern.
Zivilisation heißt, dass es Normen gibt, welche für alle bindend
gelten, dass Menschen durch ein intellektuelles Abstraktum, eine
Zusammenstellung von Ideen als Gemeinschaft zusammen gehalten werden. Kultur
heißt, wenn diese Zivilisation als Ganzes eine positive, aufbauende Ausrichtung
in der kulturellen Produktion hat, dass es Fortschritt zu reicheren, tieferen,
profunderen Produkten der Kultur gibt. Zivilisation ist die Fähigkeit einer
Kultur, die Normen dieser Ordnung überall durchzusetzen, bzw. sie kulturell zu
vermitteln, so dass sie als zweite Natur, als Identität erscheinen. All das ist
heute in immer schnellerem Verfall begriffen. Die Existenz von Gesetzen und
Regierungsapparat täuscht über den Verfall hinweg, es suggeriert eine Ruhe,
eine Ordnung, die unter der Sichtlinie stark erodiert. Solange es eine
Regierung, solange es Gesetze gibt, denkt man, kann der Untergang ja nicht so
nahe sein. Und darin liegt der Irrtum. Regierungen und Gesetze sind nur der
letzte, höchste Ausdruck der Idee der Zivilisation, einer lebendigen Kultur,
einer Gemeinsamkeit von Normen und Vorstellungen.
Das Gegenteil von Zivilisation ist die Barbarei. Der Barbar
zeichnet sich durch den Tribalismus aus; er hat keine allgemeine Moral, keine
verbindlichen Normen, er kennt nur das Wohl seines Clans, seiner Sippe. Das ist
weithin der Menschentypus, welcher in großen Massen nun nach Europa wandert.
Turkvölker, Araber, Nordafrikaner. Schon Südeuropa ist von jeher stark in der
Clan- und Sippenmoral verhaftet gewesen. Dem wirkten die nördlichen Staaten
jahrhundertelang zivilisatorisch entgegen. Fast ausschließlich aus jenen
nördlichen Staaten kam die ganze intellektuelle und kulturelle Produktivität,
die technischen und sozialen Neuerungen. So groß wie die Rolle Italiens und
Griechenlands in der Antike gewesen ist, so verschwindend ist sie in der
Geschichte der letzten 300 Jahre. Nun überborden die barbarischen Kulturen
wieder einmal die zivilisierten; Schuld daran ist nicht der böse Wille der
Barbaren, sondern der Verfall der Überlebensfähigkeit der Zivilisierten. Es hat
wenig Sinn, auf die bösen Horden der Barbaren zu schimpfen, wenn der eigene
Wille, die eigene Fähigkeit Zivilisation zu erschaffen, erlischt. Wenn man den
Zerfall von den Anzeichen her ansieht, so wie ein Arzt oder ein Detektiv nach
Hinweisen und Symptomen sucht, ergibt sich ein erschreckend klares Bild. Der
Zerfall ist praktisch schon unumkehrbar.
(1) Unfähigkeit der Demokratie auf Krisen zu reagieren
Der für sich mithin entscheidende Punkt, warum ich den Untergang für unausweichlich halte, ist die systematische Unfähigkeit unseres demokratischen Liberalismus überhaupt mit Krisen umzugehen. Das ist eben nicht eine Frage der Individuen, also etwas, das man durch die Wahl neuer Politiker ändern könnte. Welche Person an der Macht ist, ist völlig irrelevant geworden, eben weil der Fehler hier im System selbst liegt. Dahinter steht keine böse Absicht. Im Gegenteil, das Böse, mit dem wir es hier zu tun haben, ist nicht als Gegenteil des Guten zu verstehen, sondern als dessen irrationale, totale Übersteigerung. Man hat ein Gut genommen, und es ins Unendliche, ins Wahnhafte, übertrieben. Diese Einsicht wird uns an vielen Stellen begegnen, dass wir es nämlich nicht mit grundsätzlich schlechten Ideen zu tun haben, sondern mit total übersteigerten, und eben das macht die Kritik so schwer: man kann Menschen kaum vermitteln, dass eben gerade Liberalismus, Freiheit und Transparenz sie in den Untergang führen. Nicht, weil es schlechte Ideen seien, sondern weil man sie als Fetisch auf den Altar gestellt hat, als absolute, einzige Werte, bar jeden Gleichgewichts und immun gegen alle Kritik. Es ist die Tyrannis der Gutmenschen: Wir sind in einer reinen Gesinnungsethik gefangen, wir haben Dinge a priori für gut erklärt, und blenden die Folgen von Entscheidungen komplett aus. Wir haben gar keine Vorstellung davon, dass Freiheit und Wohlstand etwas ist, das erst geschaffen werden muss, bevor man es verteilen kann. Es ist der böse Satz von Maggie Thatcher, dass das Problem mit dem Sozialismus ist, dass einem irgendwann das Geld anderer Leute ausgeht. Darin liegt das ganze Dilemma der Wohlstandskinder begriffen: was verteilt werden soll, muss auch da sein; und das betrifft kulturelle Ressourcen genauso wie materielle. Ich komme darauf noch zurück.
Das wesentliche Dilemma der modernen Medien-Demokratie aber ist
quasi die Unregierbarkeit. Der Mensch ist umstellt von Mauern seiner
Erwartungshaltung und hat einen Grad der Inflexibilität erreicht, in der keine
Krise mehr bewältigt werden kann. Er will individuell sein und Pazifist, er will
Wohlstand für alle und Bleiberecht für jeden, er will keine schlimmen Bilder im
Fernsehen und keine politischen Veränderungen; dieser Menschentyp wird nur
durch das Wollen bestimmt, und ihm ist nichts mehr zuzumuten. Durch unsere
Vorstellung der totalen Transparenz der Politik, findet heute auch nichts mehr
auf der Hinterbühne statt, sondern jeder Satz, jede Geste, jedes private
Gespräch von Politikern oder Intellektuellen, findet heute im grellen Licht der
Medien unter dauernder Beobachtung statt. Wir haben die totale Be- und
Durchleuchtung des politischen Betriebes, und unter diesem schroffen Licht
verendet alle Nuance, welche für Politik so wichtig wäre. Solange die
Gesellschaft das Glück hat, in Zeiten von Frieden und Prosperität zu leben, so
lange geht das gut. Man verwaltet eben den Status Quo. Man regiert durch
Nicht-Handeln. Das geht so lange, bis man auf Krisen stößt, die ein „Weiter
so“, eigentlich nicht zulassen. Wie gelähmt die Medien-Demokratie ist, zeigte
sich in der Eurokrise, die ja keinesfalls gelöst ist, sondern bloß aus den
Schlagzeilen heraus. Man war vollkommen unfähig auf die Krise zu reagieren und
saß wie das hypnotisierte Kaninchen vor der Schlange da. Noch heute ist es so.
Die Politik hat nur Maßnahmen versprochen, sie angekündigt. Wir wollen, wir
beabsichtigten, wir müssten, wir planen. Das ist die verräterische Wortwahl der
Machthaber heute: sie reden, als wären sie Opposition und nicht Regierung. Man
scheut jede konkrete Festlegung, weil man sofort den scharfen Gegenwind der durch
die Medien aufgepeitschten Öffentlichkeit in Form dieser oder jeder Lobby
fürchtet, bis Politik heute dahin gekommen ist, außer Forderungen und
Verkündungen, gar nichts mehr zu tun, es sei denn die über Jahre verschleppte
Not erzwingt hier und da die einzelne sehr kleine Maßnahme. Politik wird nicht
mehr mit dem Ziel betrieben, Probleme zu lösen, sondern mit der Absicht, die
Probleme aus den Schlagzeilen der Medien heraus zu bringen.
Wir haben hier also drei Probleme zu konstatieren. Erstens, die
totale Beleuchtung des politischen Betriebs durch die Medien zerstört die
notwendigen Hinterbühnen, in welcher Politik spielerisch angedacht werden kann.
Es kann sich nichts mehr entwickeln, weil von vornherein in der Beleuchtung des
Werdenden alles Neue sofort minderwertig erscheint. Allegorisch gesprochen ist
es so, als würden Menschen keine Kinder mehr bekommen, weil diese nicht als
perfekte Erwachsene zur Welt kommen. Mit dieser Vorstellung wird jede Änderung
im Keim erstickt. Politik erstarrt so in der Verfestigung des Status Quo.
Zweitens, die Medien sind selbst eine Macht geworden, sie sind nicht mehr
bloßer Berichterstatter der Ereignisse, sondern Auguren, Priester und
Interpreten der Ereignisse; sie scharen ihre Claqueure hinter sind, und dies
umzingelt die Politik und beraubt sie zunehmend jedes Handlungsspielraumes.
Schlimmer noch, Menschen von Charakter mit all ihren Ecken und Kanten, haben
gar keine Chance zum Aufstieg mehr, und so kommen eben nur minderwertige
Verwaltungspygmäen zu Ämtern. Drittens, das lange Leben in der
Wohlstandsgesellschaft hat einen hypersensiblen Menschentypus hervorgebracht,
der in der Krise unfähig ist, jedwede Härte zu dulden, wodurch Politik nicht
mehr in der Lage ist, in der Demokratie das mithin richtige zu tun, und nur noch
beschwichtigen und vertagen kann. Diese allgemeine Ausführung ist nun
aufzuschlüsseln.
Der heutige Massenmensch ist in nie dagewesener Weise ein Gefangener der Gegenwart. Er hat überhaupt keine Vision für eine Zukunft mehr, und hat sich komplett von seiner Geschichte abgeschnitten. Er sitzt wie auf einer Zeit-Insel des Jetzt, ohne Ausweg in die Zukunft oder die Vergangenheit. Was er als Vorzug geltend macht, der Pragmatismus, ist eigentlich keine Freiheit, sondern ein Gefängnis. Er hat sich von Zukunft und Vergangenheit abgeschnitten und sitzt nun fest im bloßen Re-Agieren auf die Ereignisse. Dass für uns alle Visionen tot sind, muss kaum ausgeführt werden. Es ist allseits klar zu beobachten. Fatal ist es aber als Wirkung, weil wir damit suspekt geworden sind gegenüber jeder höheren Warte. Symptomatisch sind unsere politischen Kämpfe. Sie werden allesamt aus der Froschperspektive ausgefochten: 3% mehr oder weniger Mehrwertsteuer, Rente mit 65 oder doch mit 67, gesetzliche Regelungen für Glühbirnen, Bananenkrümmungen und Duschköpfe. Über den SINN solcher Systeme an sich, die größere Zielrichtung, kann und darf gar nicht mehr diskutiert werden. Es ist vollkommen unmöglich geworden, grundsätzliche Änderungen auch nur ernsthaft zu diskutieren. Der Systemwechsel ist das Tabu, weil er eben eine höhere Warte erzwingen würde, die Sicht über das Klein-Klein des Pragmatismus hinaus, und das eben würde erfordern: eine klare Weltanschauung, eine Ausrichtung, die Vorstellung von einem ganzen System, eine Vision der Zukunft eben. An dessen Stelle sind Zynismus und Nihilismus getreten. Der Hofnarr wurde zum König gemacht, der Spötter zum Herrscher. Der Menschentyp, für den alles Erhabene, Höhere und Edle nur Thema des Spottes und der Ironie ist. Alle sind heute Ironiker. Die Negierung aller Werte, alles Seelengehaltes, ist so unsere zweite Natur geworden, dass gar keine Vision mehr aufkommen kann, welche uns in eine Zukunft führen könnte, und eben dadurch sind wir im Pragmatismus nicht freier geworden, sondern Gefangene des Status Quo.
Dies gilt aber genauso, vielleicht noch schlimmer, für die
Vergangenheit. Jahrtausende war die Vergangenheit für die Menschen Wurzel und
Quelle, Erbe und Herkunft; etwas, aus dem sie schöpfen konnten. Menschen
schauten zurück, und betrachteten die Taten und Schöpfungen der Väter und
Mütter als Verpflichtung und als Geschenk. Die Ahnen schufen eine Gesellschaft,
die die Jungen erbten und bewahren bzw. weiterentwickeln wollten. Die heutige
Perspektive ist nicht nur ahistorisch, sonder geradezu anti-historisch. Das
Vergangene gilt uns prinzipiell als das Schlechte. Das etwas früher einmal so
oder so gehandhabt wurde, ist heute Einspruch genug einen Vorschlag komplett zu
desavouieren. Rückwärtsgewandt ist der schlimmste Vorwurf in der Moderne. Schon
das Wort, Moderne, ist verräterisch. Eigentlich ist es ein Unwort, denn jede
Epoche müsste sich selbst die Moderne nennen, es bezeichnet ja bloß eben das,
was gerade Mode ist; wir Jetzigen begreifen uns gar nicht anders als eben die
Jetzigen, das was gerade Mode ist. An die Stelle von Inhalt ist der bloße
Formalismus getreten. Da wir weder eine Vision für die Zukunft haben, noch eine
Inspiration aus der Vergangenheit dulden, sind wir eben leer geworden: unsere
Zeit ist nur die Moderne, das was eben jetzt da ist, und von dem Status Quo
fort zu gehen uns als unerträglich und unzumutbar erscheint, so dass wir eben
Gefangene der Gegenwart sind.
Schlimm daran ist vor allem, die totale Ausblendung der Einsicht,
dass der Status Quo, in den wir so verliebt sind, nicht Natur ist, also etwas
das von allein entstanden ist und ohne jeder Voraussetzung weiter existiert.
Unsere liberale, individualistische Demokratie ist kein Produkt des Zufalls und
schon gar keine naturgegebene Sache, sondern durch viel Arbeit und
Opferbereitschaft erschaffen worden. Zivilisation ist die Ausnahme, das
Sonderbare und Seltene, das nur durch viele Bedingungen überhaupt entstehen
konnte. Man hat heute keinen Sinn dafür, dass die Schaffung dieser Zivilisation
Vorbedingungen hatte, die wir charakterlich und intellektuell gar nicht mehr
erfüllen, und dass man nicht darum herum kommt, die Folgen seiner Handlungen zu
bedenken. Man stellt nur Wohlstandsforderungen, und die Frage, woher die Ressource
kommen soll, empfindet die Masse als Zumutung, als Tabu. Man stellt Rechte auf,
ohne zu fragen zu welchen Bedingungen diese überhaupt verwirklicht werden
können. Schon danach zu fragen gilt als Verrat. Der moderne Mensch will eben
nun einmal ein Haus haben. Dass er dafür einen Platz braucht, dass er Stein und
Holz als Material zur Verfügung haben muss, und endlich, dass es Handwerker
braucht, die die technischen Fähigkeiten besitzen, ein Haus zu bauen, eben
davon will er nichts wissen. Er stellt eben nur Forderungen an Rechte, die man
haben soll. Man kann beispielsweise aus Gesinnungsethik heraus postulieren, es
dürften ohne jede Begrenzung Millionen Migranten nach Deutschland kommen. Wo
aber Millionen leer stehender und bezahlbarer Häuser stehen, das schon zu
fragen, ist unmöglich. Ich will weil ich so empfinde, und jede Nachfrage wird
zur Kritik an der eigenen Existenz stilisiert. Für diese Geisteshaltung gibt es
ein Wort. Infantil. Die Massen sind wie Kinder geworden. Wie für das Kind ist
dem Massemenschen Gefühl und Wille Grund genug dafür, dass etwas richtig ist.
Ich will es, also muss es so sein, und jede Kritik an der Machbarkeit oder den
Folgen des eigenen Tuns wird als grundsätzliche Bedrohung der eigenen Existenz
empfunden.
Einher damit geht auch ein erheblicher intellektueller Verfall. Es erscheint einem kurios, da wir heute scheinbar ein so hohes Wissen besitzen, wenn wir etwa an die allgemeine Schulbildung früherer Generationen denken, so könnte man zu dem Schluss kommen, dass wir heute die wissendsten und intellektuell höchst-stehenden Menschen sein müssten, und eben genau das ist nicht der Fall. Wir sind gebildete Idioten. Was macht Bildung aus? Im Unterschied zum bloßen Wissen erfordert Bildung Anwendbarkeit, einen Bezug zu den Fakten und die Berücksichtigung des Gesamtbildes. Es ist eben mehr als bloße Information. Solche Intellektuellen gibt es heute wie damals, aber sie sind nur in so kleinen Nischen zu finden, dass sie gesellschaftlich keine Rolle mehr spielen. Auch das ist Kennzeichen einer neuen Barbarei. Gefragt ist der Techniker, der keine Systemfrage stellt, sondern nun das umsetzt, was ihm als Aufgabe gestellt wurde. Das ist in den letzten 500 Jahren der westlichen Geschichte durchaus ein Novum. Von Martin Luther aus, über Kant und bis in die 1960er mit Adorno oder Dutschke: nur heute sind die kritischen Geister seltsam stumm geworden. Oder besser, sie sind ausgestorben. Nein, natürlich gibt es noch kritische Intellektuelle. Aber sie sind unbekannt, in gesellschaftlichen Nischen. Einen echten kritischen Intellektuellen macht aus, dass er den gesellschaftlichen Status Quo hinterfragt, dass er intellektuelle Grenzen überschreitet, und letztlich natürlich, dass er Gehör findet, also einen gewissen Status besitzt. Selten waren Philosophie, Geschichte und Soziologie, Lehren des „Blicks aus der höheren Warte“ weniger angesehen wie heute. Man stellt heute lieber Kulturtechniker ein. „Das war jetzt nicht die Frage“, ist die Kritik, die kritischen Denkern entgegen schallt.
Das Grundproblem ist, dass wir vor allem in Deutschland einen sehr
starken linken Zeitgeist haben. Da genügt ein Blick auf eine beliebige Debatte
im Bundestag. Keinerlei Opposition in irgendeiner Grundfrage. Stattdessen,
gruselige Einigkeit, Zeichen eines geistigen Verfalls. Wenn der geistige
Widerspruch an sich schon Verdacht erregt, sind intellektuell karge Zeiten
angebrochen. Das war von jeher das Zeichen einer geistig verarmten Kultur, wenn
sie keinen Widerspruch mehr duldete. Seltsam mutet an, dass es heute unter der
Herrschaft des links-liberalen Zeitgeistes keinen konservativen Widerspruch
mehr gibt. Es gibt zwar genug geistreiche konservative Intellektuelle, allein
ihre Wirkungsreichweite ist sehr bescheiden. Ganz anders als unter umgekehrten
Vorzeichen 1968, als der Zeitgeist konservativ war und ihn die linken
Intellektuellen herausforderten. Die Dutschkes und Adornos fanden großes Gehör,
es entfachten sich über alle Themen hinweg Debatten. Heute ist das auf
unheimliche Weise anders: Herausforderer wie Sarrazin werden peinlich
totgeschwiegen und ostentativ ausgeladen. Man spricht allenfalls über sie,
nicht mit ihnen. Das war umgekehrt in den angeblich konservativen Zeiten der
1950er und 60er anders. Die linke Intellektuelle wurde vom konservativen
Establishment zur Diskussion eingeladen und erhielt wohlwollende
Fernseh-Plattformen. Dergleichen Grandezza herrscht von der Seite des
links-liberalen Establishments gegen die konservativen Kritiker heute nicht
vor.
Stattdessen herrscht eine Debatten-Kultur unter dem Vorzeichen der
„Political Correctness“ vor, die von vornherein das zu Debattierende
beschränkt. So wird von Anfang an festgelegt, was überhaupt hinterfragt werden
darf, und damit wird durch den Prozess jede wirkliche Überraschung
ausgeschlossen. Das System hat sich komplett gegen Kritik immunisiert, indem
sich der Mainstream nicht einfach als andere Sicht darstellt, sondern als „das
Gute“, in einer sehr befremdlichen Weise selbst sakrosankt erklärt. Wir sind
die Heiligen, wer anderer Meinung ist als wir, ist Ketzer, Höllengeburt oder in
neudeutsch: Nazi. Die Nazikeule beendet jede unerwünschte Nachfrage. Damit
wurde schon manche Karriere vernichtet; beweisen muss man den Vorwurf nicht.
Sein Ausspruch setzt Vorwurf und Beweis schon in eins, wie damals in der
Hexenverfolgung. Schuldig per Verdacht, und die Last der Widerlegung liegt beim
Beschuldigten. Erfolgreich widerlegen konnte das im Öffentlichen Schauprozess
niemand. Wem einmal das Brandmal des „Nazi“ auf die Stirn gebrannt wurde, dem
hört im öffentlichen Diskurs ohnehin keiner mehr zu. Wenn man Essays oder
Artikel von dermaßen gebrandmarkten teilen will, schallt einem gleich entgegen:
„von dem lese ich nichts, man weiß doch was das für einer ist.“ Man hat sich
intellektuell in seiner Fluchtburg eingemauert. Kritisches Denken ist da nicht
erwünscht. Eine Gesellschaft ohne Querdenker aber geht auf Schussfahrt, und
wenn der Mainstream links ist, dann ist eben der einzige Weg, kritisch neu zu
denken, rechts, und eben das kann der Mainstream nicht dulden, der um ein
vielfaches unduldsamer und rigider ist, als es weiland der konservative
Mainstream in den 50ern und 60er gewesen ist.
Wenn man sich außerhalb Europas bewegt, und Menschen fragt, was sei
das typische Merkmal der westlichen Kultur sei, wird einem allenthalben das
Wort „Individualismus“ entgegen schallen. Was im Empfinden der anderen Kulturen
durchaus als Vorwurf und Kritik gemeint ist, nicht als Kompliment, wie wir es
empfinden. Man hat Gott und Vaterland vom Sockel gestoßen und das Individuum
auf dieses Podest gehoben. Das Resultat ist eine Gesellschaft bar jeden
Zusammenhaltes, die völlig unfähig ist, auf Krisen zu reagieren, weil wir alles
durch die Brille der individuellen Zumutungen betrachten. Es gibt eben kein
historisches Erbe, welches wir als Gemeinschaft als Verpflichtung ansehen und
auch keine zukünftige Vision, welche wir als Aufgabe ansehen. Jedes
gemeinschaftliche Band, jede überzeitliche Verbindlichkeit, gilt uns als Last,
als das Unzumutbare. Entsprechend ist auch unser ganzes individualistisches
Schul- und Erziehungssystem ausgerichtet. Herangezüchtet wird der
Konsum-Individualist, das einsame Ego. War früher in der mythischen Welt und
noch in der Romantik, alles beseelt, der Stein, der Wald, der Fluss, alles
lebendig und seelenhaft, mit Tiefe und Geschichte, so ist heute selbst der
Mensch nur noch „Material“. Er soll ökonomischer Zigeuner sein, bar jeder
Heimat, jeder Verwurzelung, auch jeder Bande, hat er heute hier morgen dort zu
arbeiten, er hat gar keine Arbeit mehr, er ist nur ein Gerät, ein Einzelteil
das eingesetzt wird, wie es die Maschine des Kapitalismus eben erfordert. Es
ist der Fluch der totalen Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse, dass
Menschen einander nur noch durch die Brille der Kosten-Nutzen Rechnung ansehen.
Unter dieser Brille sind die Menschen zu vereinsamten Single-Gesellschaft
verkommen, die letztlich sogar das Primäre, ihre eigene biologische Reproduktion
nicht mehr erreicht. Die Deutschen haben 2015 die niedrigste Geburtenrate der
Welt. Ein Volk, das das nicht als Alarmsignal ersten Ranges begreift, hat den
Knall nicht gehört.
Man kann die Gegebenheit unserer Kulturstufe, was die Verfassung
des Individuums betrifft, nur als einen Zustand der Hypersensibilität
bezeichnen. Selten waren Menschen so dünnhäutig, nahmen ihre persönliche
emotionale Erregung so schnell als Argument für Verbote und Tabus. In den USA,
die uns in vielem ohnehin Vorreiter sind, kann man dies besonders in den
Bildungseinrichtungen beobachten, an sich Orte des freien Denkens, des
Diskurses um die Zukunft. Die Bildungseinrichtungen in den USA igeln sich
dagegen ein, alles unter dem Vorzeichen einer gefühlten Unzumutbarkeit. Dort
reicht die Bemerkung, mit dieser Debatte fühle ich mich unwohl, um sie komplett
vom Campus zu verbannen. Nichts ist mehr zumutbar. Eine freie Gesellschaft aber
definiert sich geradezu auf das Recht, anderen etwas zuzumuten, Anstoß zu
erregen und Dinge zu sagen, die anderen unerfreulich sein mögen. Und eben dies
wird durch eine antiseptische Gefühlsdiktatur nun immer mehr unterbunden.
Auch die deutsche Politik ist davon immer mehr ein Sklave. Als die
Kanzlerin vor einiger Zeit bei einer Diskussion ein arabisches Mädchen zum
Weinen brachte, war das der mediale Supergau. Weinende Kinder in den Medien
zerstören heute zielsicher jede rationale Debatte. Wo man weinende Kinder
bringen kann, da geht jede Argumentation verloren, und man ergibt sich in einer
gefühlsduseligen Verblödung. Alles wird darauf reduziert, dass der Zuschauer
keine unschönen Bilder mehr sehen muss. Politik generiert sich seitdem darauf,
nur keine hässlichen Bilder mehr in den Medien zu erzeugen. Harte Maßnahmen
werden damit komplett unmöglich. Die Politik ist in einem Kerker des
Gutmenschentums gefangen, welches alle emotionale Unbill von den infantilen
Massen fern halten muss. Schon die Debatten über derlei Themen erscheinen einer
Mehrheit heute als unerträgliche Zumutung. Vieles darf gar nicht diskutiert
werden, weil schon das zur Sprache bringen Menschen sich unwohl fühlen ließe.
Gefühl als Einspruch, der Terror der Hypersensiblen.
Das ist es, was man dem Gutmenschen vorwerfen muss: eben dass er
ein Gutes gesinnungsethisch festlegt, und darauf pfeift, welche Folgen das
haben wird. Etwas bedroht seine Empfindsamkeit, und schon das ist Grund genug,
etwas ohne Debatte, ohne Nachdenken, ohne Abwägen der Alternativen und
Konsequenzen sofort umzusetzen. Die emotionale Befindlichkeit, der moralische
Imperativ, überbietet jedes Verlangen nach Ratio. In der Regel haben dann die
Folgen des eignen Wohlfühlens andere auszubaden. Und das wird nirgendwo
deutlicher, wie im übersteigerten Pazifismus.
(6) Übersteigerter Pazifismus
Das ist eine Erscheinung, die in Deutschland besonders virulent
ist, aber auch in anderen westlichen Ländern erheblichen Einfluss hat.
Natürlich ist einem Pazifisten auf den ersten Blick nur schwer etwas
vorzuwerfen. Allzu leicht handelt man sich den Vorwurf ein, Krieg zu
verherrlichen. Die Kehrseite ist aber, dass es in der Geschichte eben das Böse
durchaus gibt, dass es Mächte gibt, denen nicht gut zuzureden ist, und mit
denen man nicht verhandeln kann. Unsere ganze freie Gesellschaft ist ein
Resultat blutiger Kämpfe gegen Tyrannen, die ihre Macht nie selbst aufgeben
wollten. Sei es der Freiheitskampf der amerikanischen Kolonisten, der innere
Kampf der französischen Revolution bis hin zur gewaltsamen Niederwerfung von
Hitler-Deutschland: Freiheit wurde nicht durch Lichterketten und Debatten
errungen. Gerade wir Deutschen sollten uns darüber im Klaren sein, dass Krieg
sehr wohl als Ultima Ratio in Betracht gezogen werden muss, weil Hitler eben
nicht weg gebetet wurde, sondern mit vielen Opfern in einem Krieg besiegt
werden musste. Krieg als Antwort kategorisch auszuschließen bedeutet hingegen
nur, sich zum willigen Opfer von Tyrannei und Terror zu machen.
Natürlich soll niemand den Krieg verherrlichen. Kriege machen
niemand groß, um Meister Yoda zu zitieren. Sie sich als Ultima Ratio offen zu
halten, ist aber die Pflicht aller freien Gesellschaften. Freiheit basiert eben
auf dauernder Wachsamkeit, sie wurde oft unter blutigen Opfern errungen, und
derlei Opfer der Vorfahren sollte den entsprechenden Respekt erhalten. Es ist
sehr wohlfeil, die von anderen erkämpfte Wohlstandsgesellschaft als Normalität
anzunehmen, und von dem gemachten Bett aus den Vergangenen Blutrünstigkeit
zuzurufen, wie dies heute traurige Mode geworden ist. Wir sind nur frei und
leben in relativ hohem Wohlstand, wegen der Opfer und Entbehrungen der
Vorangegangenen! Unsere Generationen kennen keinen Kampf, keine Opfer, keine
Entbehrungen, wie sie die Väter und Mütter kannten, die Generation um
Generation unsere westliche Welt aufbauten und oft genug verteidigten. Welche
Hybris, welche Undankbarkeit muss in einer Generation vorherrschen, diesen
Opfern nur mit überheblichem Spott und Verachtung gegenüber zu treten? Und
alles unter der falschen Flagge des angeblichen Pazifismus! Wer das Eigene
nicht mehr genug Wert schätzt, es kommenden Generationen zu erhalten, auch
unter Einsatz des eigenen Lebens, wenn es sein muss, der ist weder der
Freiheiten noch des Wohlstandes würdig, und ist eigentlich nur mit dem Begriff
des Degenerierten zu bezeichnen, Menschen die Freiheiten genießen, die sie
selbst nicht bereit wären, zu verteidigen.
Man kann nicht anders als es als kulturelle Erkrankung ansehen,
bedingt durch sehr lange Perioden des Wohlstandes und des Friedens. Nun mag man
jedem Menschen dies gönnen, allein, die Geschichte beweist immer wieder aufs
Neue, dass solche langen Perioden des Friedens ein Menschengeschlecht
erschaffen, welche diesen Zustand als selbstverständlich und unabänderlich
ansehen, und ihn in der Regeln eben dadurch leichtfertig verspielen.
Eine Familie ist eine Gesellschaft en miniature. Hierin übt sich
alles, was später im Großen in der Gesellschaft wichtig ist: Loyalität und
Gemeinsinn, gerechtes Teilen, faire Autorität, gemeinsame Identität. Selbst da
wo Familien schief gehen, lernen die Menschen daraus. Man hat zu Recht zu allen
Zeiten gesagt, dass die Familie das Urbild aller menschlichen Gemeinschaft ist,
von welcher alles andere nur abgeleitet ist, bis hinauf zum Staate selbst. Umso
mehr muss der Zerfall der Familie als Kern-Institution der Gesellschaft
erschüttern und beunruhigen. Kein Zeichen ist für und an sich genommen dermaßen
alarmierend, wie apathisch und ignorant die moderne Kultur dem Zerfall der
Familie gegenübersteht. Zu allen klügeren Zeiten hätte man dies als Alarmsignal
ersten Ranges begriffen. Heute tut man es als Bagatelle ab, gleichsam eines
Wetterwechsels. Man behauptet, an die Stelle würden heute eben
Wahlgemeinschaften treten. Und eben darin liegt der grundlegende Irrtum.
Die Gesellschaft, der Staat, die Nation, das sind Gemeinschaften
mit denen wir auf Gedeih und Verderb schicksalhaft verbunden sind. Nur und
allein aus dieser Vorstellung der Unausweichlichkeit können Menschen in einer
staatlichen Gemeinschaft anfangen ethisch verantwortlich zu handeln. Wenn man
die Staatsbürgerschaft, die Nation, die Heimat dauernd wechseln könnte wie
Unterwäsche, würde es überhaupt keine wirkliche ethische Verpflichtung geben,
weil man nur in der Zeit des Gedeihens treu wäre, und als kühler Kosten-Nutzen
Rechner allzu bald das Weite suchte, wenn es eben schlecht geht. Und genau das
ist die Familie eben NICHT. Ich kann mir weder andere Eltern noch andere Kinder
oder Geschwister suchen. Freunde mögen kommen und gehen, aber niemand steht
einem so nah, wie das eigene Blut. Das ist das ursprüngliche Band, auf welches
wir immer wieder zurück geworfen werden, das einzig verlässliche und
wahrhaftige. Umgekehrt verletzt uns keine gebrochene Freundschaft auch nur
annähernd so tief und dauerhaft wie eine dysfunktionale Familie. Freunde stehen
nie auch nur annähernd auf den gleichen Stand wie die Familie. Das ist in
unserer Zeit, da wir die konsumistische Auswahl
des Individuums für ein gottgegebenes Anrecht halten, natürlich eine
Zumutung. Familie lehrt uns, mit einer unabänderlichen Gemeinschaft zu Recht zu
kommen. Ich kann mir eben keine andere Familie suchen. Ich MUSS mich mit der,
die ich habe, arrangieren, und erst darin, im Umgang mit solch etwas
unerbittlichem, unabänderlichen, kann sich Charakter bilden. Gibt es ein
Hintertürchen, durch das ich entkommen kann, werden alle Tugenden schief.
Deshalb ist der Verfall der Familien so ein Alarmsignal: weil es
das Heraufkommen eines Menschentypus kennzeichnet, der aller Loyalität, aller
Notwendigkeit und aller Schicksalshaftigkeit ledig geworden ist. Der nichts
kennt außer seiner schrankenlosen individuellen Befriedigung. Schon eine
Zweierbeziehung ist immer mehr Menschen eine unerträgliche Arbeit geworden, von
Kindern und Familie ganz zu schweigen. Man hat keine charakterliche Eignung
mehr, in ein langfristiges Glück zu investieren, man will Spaß jetzt, sofort
und ohne Bedingungen. Ohne Bedingungen lässt sich aber nur zweierlei
erschaffen: das Wertlose, Oberflächliche, oder eben das, für das andere statt
unser die Mühe hatten. Beides sind keine Voraussetzung für den Bestand einer
Kultur.
An die Stelle tritt heute die Spartanische Ideologie: die
Verwaltung der Kinder durch den Staat. Eine Gesellschaft, bei der der Begriff
der Mutter ein Schimpfwort geworden ist, hat sich von allem Menschlichen
grundlegend entfremdet. Heute herrscht die böse Ideologie vor, dass der Staat
die Kinder besser erziehen kann. Wie oft habe ich von alten Linken die dumme
Floskel gehört, dass Kinder asozial würden, wenn sie nicht frühzeitig
gemeinschaftlich in Staatlichen Anstalten erzogen würden, sondern allein in der
Kernfamilie aufwüchsen. Ich habe diese Leute immer zurück gefragt, ob sie sich
selbst denn als asozial ansähen, weil sie ganz „altmodisch“ in einer Kernfamilie
aufwuchsen? Wie sehr Menschen die eigene Erfahrung, das eigene Erleben
verdrängen zugunsten einer eingetrichterten Ideologie, selbst gebildete
Menschen, erschrickt mich immer wieder. Schlimmer noch, es ändert an ihrer
Sicht nicht einmal etwas. „Aber dennoch“, ist dann stets das letzte Wort. Wenn
die Realität, selbst das eigene Erleben hinter der Ideologie zurück stehen
muss, dann gibt es keine Hoffnung mehr. Wer wie ich mit einer glücklichen
Familie aufwuchs, der weiß, dass dies ein Schatz ist, ein Reichtum, den tausend
Kita-Kräfte und die besten Elite-Schulen niemals aufwiegen können. Es ist auch
letztlich eine intellektuelle Hybris: zu glauben, etwas besser regeln zu
können, als hunderttausende Jahre menschlicher Familiengeschichte.
(8) Nihilistische Kunst
Ich will mich hier nicht darauf einlassen zu diskutieren, was Kunst
sein sollte oder was nicht. Worauf aber hinzuweisen ist, wie sich die
Definition der Kunst verändert hat, und was dies für eine Gesellschaft
bedeutet. Kunst, im weitesten Sinne des Wortes, also alle Kulturindustrie
inbegriffen, ist immer ein Zeichen für den seelischen Zustand einer
Zivilisation ersten Ranges. So wie man am äußeren Habitus, der Wohnung, der
Einrichtung, der visuellen Ordnung eines Menschen auf diesen schließen kann, so
ist die Kunst und Kulturindustrie ein Zeichen für den Charakter einer
Gesellschaft, einer Epoche.
Kunst zeichnete sich Jahrtausende durch den elitären Charakter des
Könnens aus, welches das überragende Moment der Kunst war. Es galt als umso
besser, je tiefer und weiter die Fähigkeiten des Künstlers waren; man hatte
also einen recht hohen Grad an Messbarkeit darin, Kunst von Schund
unterscheiden zu können. Das Neue baute auf dem Alten auf, setzte es organisch
wachsend fort und entwickelte sich natürlich aus diesem weiter. Menschen
schauten in die Kunstwerke, die Architektur, die Musik und die Literatur der
Vergangenheit und nutzten diese als Inspiration, als Quelle. Anspruch und
Elite, Können und technische Meisterschaft formten das Bestreben der Schaffenden.
Heute hat man diese Werte komplett aus dem Fenster geworfen. An die
Stelle des Könnens ist das bloße Wollen getreten. Jeder kann alles sein, nur
weil er will. Das ist ohnehin das Merkmal unserer Epoche, in der Castingshows
und Selbstverwirklichungs-Bücher große Mode sind. Ich muss nichts können, ich
brauche nur ein Publikum. Es stellt die Idee der Kunst auf den Kopf! Für den
echten Künstler, d.h. aus unserer Sicht den der Vergangenheit, denn in der
Gegenwart gibt es keine Kunst mehr, für den echten Künstler war das Publikum
immer eine Nebensache, oft eher das Störende. Der Künstler schuf Visionen der
Zukunft oder Reflexionen der Vergangenheit. Und da haben wir wieder die
destruktive Wirkung der Befangenheit in der Gegenwart. Kunst heute greift nicht
ins Zukünftige, schöpft nicht aus dem Vergangenen, außer als Bruch und
Verachtung, und steht so isoliert und wurzellos, visionslos als einzelnes Ding.
Daher der überragende Eindruck fast aller modernen Kulturproduktion als etwas totem,
seelenlosen. Es schwebt ohne Wurzel und ohne Zukunft im Nichts, und ist
eigentlich der Ausdruck des tiefen Nihilismus unserer ganzen Kultur. Alles ist
uns wertlos geworden, nichts hat einen Wert an sich, und so kann unsere Kultur
und Kunst gar nicht anderes ausdrücken, als eben die andauernde Zerstörung
aller Werte. Wie den Alten die Kunst als das Wahre, Gute und Schöne galt, so
hat die Moderne Kunst – schon das Wort ist contradictio in adiecto - einen Todeskrieg allem Schönen, allem Wahren
und allem Streben nach Gutem angesagt. Moderne Kunst gibt es nur als
Verneinung, als Pose der Abwehr, der Zerlegung in die Einzelteile. Nur in der
Musik hat sich eine gewisse Echtheit erhalten können, gar zu unerträglich wäre
hier das Pendant zum modernen Theater, Film oder zur modernen Malerei. Man
stelle sich die Kakophonie der Geräusche vor! Den Versuch, in der Musik einen
ähnlichen „Krach“ als moderne Kunst der Musik zu etablieren hat es gegeben, in
den 1920ern, einer Gipfelzeit der Dekadenz. Er ist kläglich gescheitert, zu
dominant war das Bedürfnis nach Harmonie in der Musik. In der Malerei, im
Theater und weithin in der Architektur ist der Triumph der Kakophonie dagegen
gelungen. Hier hat man es erreicht den Menschen das Hässliche, Chaotische und
Tote als das eigentlich Richtige vorzumachen.
Der Mensch lebt heute in Städten nie dagewesener Hässlichkeit und
Monotonie. Bedenkt man, dass wir heute unvergleichliche Mittel hätten uns in
schönen Städten anzusiedeln, wird die ganze seelische Kargheit der Heutigen sichtbar.
Sie produzieren keine Ästhetik, weil sie in ihren Seelen nichts finden außer
Leere und Ödnis. Die Mythen der Vergangenheit, die Visionen der Zukunft, alles
Bewegungen der Seelen einst, beides ist heute tot. Die Kunst spricht nicht mehr
zu uns. Sie ist bloß Sekret einer persönlichen Befindlichkeit, bar aller
überzeitlichen Bedeutung. Fugen von Bach, Kathedralen des Mittelalters, Gemälde
von Rembrandt, Gedichte von Goethe, Stücke von Shakespeare – das ist Kunst die
Jahrhunderte und Jahrtausende Geltung behält, eben weil sie überzeitlich wahr,
schön und gut sind. Schon die Produktion vom letzten Jahr oder Jahrzehnt sagt
uns dagegen überhaupt nichts mehr. Dass wir Bauwerke errichten, Musik
komponieren oder Literatur verfassen, welche den Menschen noch in 500 Jahren
etwas sagen wird, dass sie mit Ehrfurcht und Staunen betrachten, so wie wir die
Werke der Alten, davon sind wir Ewigkeiten entfernt.
Was Kunst soll, darüber will ich nicht befinden, ich sehe aber
wohl, was Kunst kann und wie sie wirkt, und als solche muss sich auch Kunst der
generellen Kritik stellen, hier ist sie nicht frei vom Urteil, wie kein
menschliches Tun vor Kritik immun sein darf. Und hier wäre doch zumindest die
Frage zu stellen, wozu führt es, wenn Kunst dermaßen einen Kult des Nihilismus
betreibt? Wenn die Menschen hier in unserer westlichen Kultur quasi
systematisch der Hoffnung beraubt und von ihren kulturellen Wurzeln entfremdet
werden, also wie lange man einem solch destruktiven Tun unter dem Diktat des
Liberalismus zusehen darf? Wo ist der Punkt erreicht, an dem die Wirkung der
Kulturindustrie auf die Gesellschaft so negativ wird, dass wir dem ansonsten
hohen Gut der Freiheit der Kunst Einhalt gebieten müssen? Diese Frage wird sich
der sogenannte „moderne“ Kunstbetrieb spätestens dann stellen müssen, wenn der
Zusammenbruch keinen wirtschaftlichen Überfluss mehr erzeugt, und die ganze modernen Künstler
gezwungen sein werden, nutzbringender Arbeit nachzugehen. Die Abrechnung
erzwingt der Zugsamenbruch am Ende ohnehin unvermeidlich. Die Kommenden werden
fragen, was hat eigentlich die Kunst dagegen getan, den Zusammenbruch der
Zivilisation zu verhindern? Die Antwort wird wohl sein, dass der Kaiser nackt
ist, es sich aber in Gegenwart des Kaisers keiner sich getraut es zu sagen.
Die Geschichte wird es glatt bügeln. Unsere Schundkultur werden sie
ebenso vergessen, wie alle Niedergangsprodukte, während sich der Mensch der
Zukunft nur des Wahren erinnern wird.
(9) Ethnische Auflösung
"Wenn ich mir die Orte und Länder in Europa anschaue, in denen es die größten Probleme gibt, könnte man zu dem Schluss kommen, hier handele es sich nicht um ein religiöses Problem, sondern um ein ethnisches." Ich schicke dieses Zitat von Josef Schuster, dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden voran, weil es als Schlaglicht das ganze Elend der westlichen Kultur in dieser Frage beleuchtet.
Es ist die Folge unserer kompletten Ausblendung der Wurzeln, unsere
ahistorische Sicht, welche eine zutiefst widernatürliche Sichtweise darstellt.
Menschen sind Teil ihrer Kultur, ihres Volkes und ihrer Ethnie. Die Ethnie ist
eben nichts Zufälliges im Sinne von etwas, das marginal sei und keinerlei
Bedeutung habe. Dahinter liegt die Betrachtung des Menschen als losgelöstem
Atom, ohne jede Bindungen, ohne Geschichte und ohne über-individuelle
Identität. Das ist nur einfach eine falsche Vorstellung vom Menschen, es ist
eine zutiefst inhumane Erwartung, dass der Mensch sich eben nur als total
unverbindliches einzelnes Ding verstehe, als Konsument und Maschinenteil. Die
Ethnie zu der wir gehören prägt uns alle tief; sie ist die Erweiterung des
Begriffs der Familie, die Schicksalsgemeinschaft. Multikulturelle
Gesellschaften haben die westlichen Menschen in der ganzen modernen Geschichte
verlockt, verheißen sie doch Freiheit von Bindungen, Pflichten und
Verantwortung. Der Einzelne steht dann nur noch für sich selbst. In dieser
Suppe von Atomen sind dann in der Vorstellung alle mit allen kompatibel, weil
sie sich als Individuen aller nicht-individuellen Eigenschaften entledigt haben
sollen. Das ganze hat nur einen Haken: es klappt nicht. Über-Individuelle
Eigenschaften zu bilden ist die Natur des Menschen. Man kann das wohlfeil als
Rassismus geißeln; ändern wird es am Naturell des Menschen nichts, und was
taugt ein Wolkenkuckucksheim-Ideal, das mit der menschlichen Natur selbst in
Widerspruch liegt?
Natürlich haben alle Gesellschaften zu allen Zeiten ethnische
Fremde aufgenommen und haben sich dadurch kulturell bereichert. Das
Schreckgespenst der Abschottung, das die Apologeten des Multikulti so gerne
zitieren, ist eine Fabel. Es hat nie Abschottung gegeben und das wird es auch
nie. Zwischen den Extremen der vorgestellten Abschottung und dem Niederreißen
aller Schotten aber muss es ein Gleichgewicht geben. Man kann es im Kleinen sehen.
Kein Verein, keine kleine Gruppe und auch keine Firma würde einen andauernden,
unkontrollierten Zustrom Fremder überleben. Jeder, der in einer Gruppe, einer
Partei, einer Firma, nach neuen Mitgliedern sucht, wird nur ein überschaubares
Kontingent hereinlassen, und dann die Tore dicht zu machen, bis jene sich in
die Gemeinschaft und ihre Gepflogenheiten einfügen, und diejenigen, die das
Einfügen verweigern, würde jede Gemeinschaft ausschließen und wieder zurück schicken.
Die Alternative wäre nämlich, dass die Gemeinschaft selbst gesprengt wird. Das
ist für jede kleine Gruppe, jede Partei, jede Firma, eine überlebensnotwendige
Sicherung. Nur in den westlichen Staaten handhaben wir dies nicht so. Das
Gegenbeispiel ist, dass es in der Geschichte nicht eine einzige Nation gab,
welcher das Zusammenleben von multi-Ethnien jemals gelang, außer es gab wie in
Russland oder China eine klar dominierende Ethnie, hier die Russen, dort die
Han-Chinesen. Alle anderen Versuche multi-ethnischer Nationen sind entweder
zerfallen, oft unter erheblicher Gewalt, oder leben mit massiven Verwerfungen,
wie die USA mit ihrer Ghetto-Gesellschaft. Wo die Leitkultur nicht mehr genug
Bindekraft besitzt, da streben die Teilgesellschaften auseinander und genau das
passiert, was die Barbarei von der Zivilisation unterscheidet: Normen verfallen
und verlieren ihre allgemeine Gültigkeit: Tribalismus setzt ein, die Sippen-
und Clanmoral.
Es gibt einen wissenschaftlich klar erwiesenen Zusammenhang: Gesellschaften sind umso sozialer und sicherer, je ethnische homogener sie sind. Dies um eines intellektuellen Popanz', einer Kopfgeburt willen, preiszugeben, sehe ich als einen Irrsinn ersten Ranges an.
(10) Soziale Überbevölkerung
Ich habe es schon lange als eine reichlich seelenlose Ansicht betrachtet, Überbevölkerung erst dort anzusiedeln, wo Menschen nichts mehr genug zu Essen haben. Es verrät die ganze Verachtung des kapitalistischen, atheistischen, nihilistischen Materialismus, dass er Menschen nur als Versorgungsfall betrachtet. Genauso ist in Deutschland unsere soziale Versorgung, sei es von Arbeitslosen im Hartz-Fall, sei es im Mindestlohn oder für die Sozialrente. Dem Mensch wird ein warmes Zimmer zugesprochen so wie eben Dasein mit Wasser und Brot. Die soziale Versorgung ist expressis Verbis eben das: Sicherung des Daseins, nicht des Lebens. Der Unterschied ist eine Nuance, und doch steht zwischen beiden ein Abgrund, Leben als Dasein, als Ding versus Leben als Entfaltung der Seele. Die Rechte der Armen sind eben nur Wasser und Brot. Ein soziales Leben, das eben im Kapitalismus kostet, darauf gibt es keine Rechte.
Wenn wir nun in Deutschland 80 Millionen Menschen haben, aber de
facto um die 7 Millionen Menschen arbeitslos sind, also keine Arbeit finden,
die sie trägt, sollte man dann nicht von einer ökonomischen Überbevölkerung
reden? Immerhin kann man rein wirtschaftlich argumentieren, dass wir 7
Millionen zu viele sind. Da wäre also schon die Frage anzuhängen: wieso holen
wir dann immer Leute her? Wenn ganz augenscheinlich ohnehin nicht Arbeit für
alle da ist? Sollte man nicht erst einmal die vorhandene Arbeit auf alle
verteilen, die schon da sind? Migranten der letzten Jahrzehnte inbegriffen?
Und dann ist da eine psychologische bzw. anthropologische
Perspektive: ist das dicht gedrängte Leben in einem Land wie Deutschland mit 80
Millionen Menschen nicht sowieso eine seelische Zumutung? Wenn man
international nach den glücklichsten Ländern forscht, wird man immer
feststellen, es sind Länder die dünn besiedelt sind. Metropolen dagegen sind
immer der Moloch der Kriminalität gewesen, zu allen Zeiten. Dicht an dicht geht
die Seele des Menschen kaputt. Der Mensch ist anthropologisch für die
Kleingruppe geschaffen, für das Dorf, die Kleinstadt. Das ist das natürliche
Soziotop des Menschen, nicht die wimmelnde, dichte Masse der Großstadt. Darin
ist er ein Niemand, ein Treibgut des Allerlei und des Einerlei, wo er
wochenlang tot in der Wohnung liegen kann, bis es die Nachbarn am Geruch
merken. Dichte macht alle Säugetiere aggressiv. Ratten fangen an, sich
gegenseitig tot zu beißen, wenn die Dichte zu hoch wird. Menschen reagieren mit
sozialer Aggression. Der Stresspegel wird schlicht zu hoch. Im dicht
besiedelten Deutschland gibt es auch keine Fluchtpunkte. In keinem Wald, keinem
Park, keiner Gegend entkommt man den Menschenmassen. Dass die Bevölkerung
Norwegens, Kanadas oder Australiens viel entspannter ist, hängt zu einem
Gutteil auch damit zusammen, dass man einander gegebenenfalls entkommt. In Deutschland
kann man am Wochenende in keinen Wald gehen, ohne alle paar Augenblicke Leuten
zu begegnen. Das ist psychosoziale Überbevölkerung. Deutschland könnte seine
Bevölkerung locker auf 60 oder 40 Millionen reduzieren, um wieder Raum und Luft
zum Atmen für die Seele zu bekommen. Hier zu hohe Dichte erst anzusetzen, wo
Leute einander umbringen oder nichts mehr zu Essen haben, ist eine Zumutung,
und ein Beweis für den Triumph des Nihilismus über das Leben in der westlichen
Kultur.
Zu diesen zehn Bereichen ließe sich viel mehr sagen. Ich will es
bei diesen Andeutungen belassen. Wir haben einen Zerfall in Zeitlupe, und darum
nehmen ihn viele nicht wahr; man will nicht glauben, dass das Gemachte, die
Kultur, eben keine Natur ist, nichts, dass einem garantiert wurde. Wenn es nur
zwei oder drei grundlegende Bereiche gäbe, die so tief in einer Krise sind,
dann wäre noch ein gewisses Maß an Hoffnung angebracht. Das Maß der schieren
Verleugnung der Krisen in diesen Bereichen macht aber kaum Hoffnung auf eine Lösung.
Die Masse wird die Probleme von vornherein gar nicht wahrhaben wollen, ja sich
nicht einmal auf die Diskussion, die Möglichkeit der Krise einlassen. Man
mauert sich im Glauben an den Status Quo ein. Wie sagte Oswald Spengler am Ende seines
Buches? Wir haben nicht die Wahl, dies oder jenes zu wollen, sondern das
Notwendige zu tun oder gar nichts. Es war ein Satz, gegen den ich lange
rebelliert habe, aber am Ende gestehen muss, dass er wohl stimmt.
SOURCES:
·
Adrian
Karatnycky, fellow of the Atlantic council, President of the NGO „Freedom House”
reviewing the 2001 survey „Muslim Countries and the Democracy Gap“ quote:
“democracy has been significantly more successful in monoethnic societies
than in ethnically divided and multiethnic societies.“
·
„Why are
welfare states in the US and Europe so different? What do we learn?”, 2006 by
Alberto Alesina and Edward Glaeser quote: „Europe is a continent filled with
homogeneous countries. In many cases, homogeneity is a result of a concerted
and often bloody work on the part of central government to build a national
identity. As a result of this homogeneity, the opponents of the welfare state
have found it difficult to demonise the poor as being members of some hated minorities.
In this way, homogeneity made redistribution easier and more natural”.
·
„The
Downside of Diversity“, The Boston Globe by Michael Jonas, 2007
·
„E Pluribus Unum:
Diversity and Community in the Twenty-first Century“, 2006 by Robert Putnam
(Harvard University) „his 2000 book on declining civic engagement -- has
found that the greater the diversity in a community, the fewer people vote and
the less they volunteer, the less they give to charity and work on community
projects. In the most diverse communities, neighbors trust one another about
half as much as they do in the most homogenous settings. The study, the largest
ever on civic engagement in America, found that virtually all measures of civic
health are lower in more diverse settings.“
· „Fremdeln
in der Vielfalt“, WZB, Susanne Veit, Psychologin, 2012 „Insgesamt zeigen
die Ergebnisse der beiden Experimente, dass ethnische Heterogenität in einer
Gesellschaft den sozialen Zusammenhalt schwächt. Dies betrifft nicht nur die
Wahrnehmung, also das geäußerte Vertrauen in die Nachbarn, sondern auch das
tatsächliche Verhalten von Bewohnern heterogener Nachbarschaften. Das geringere
Vertrauen von Bewohnern heterogener Nachbarschaften scheint somit zumindest
zum Teil gerechtfertigt zu sein.“
---------------------------------------
Nachbemerkung:
"So groß wie die Rolle Italiens und Griechenlands in der Antike gewesen ist, so verschwindend ist sie in der Geschichte der letzten 300 Jahre" heißt es im Text.
Hierzu möchte ich anmerken, dass in der Tat Süditalien fast keine Rolle in der nachantiken abendländischen Kulturgeschichte gespielt hat. Aber Italien insgesamt (konkret: Mittel- und Norditalien) hat durchaus auch in der Zeit seines sozialen und wirtschaftlichen Niedergangs noch beachtliche Beiträge geleistet. Auf Anhieb fallen mir Alessandro Volta, Enrico Fermi und Gugliemo Marconi als Naturwissenschaftler und Techniker ein; sowie zahlreiche Komponisten, insbesondere die heute noch berühmten italienischen Opernkomponisten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts (Bellini, Donizetti, Rossini, Verdi, Puccini ...). Außerdem Schriftsteller (davon auch einige aus Süditalien).
"Nihilistische Kunst". Mit Kunst kenne ich mich nicht aus; zur Rechtfertigung meines Banausentums kann ich mich sogar auf Oswald Spengler berufen, der die abendländische Kunst für einen Bereich hält, der nur Spezialisten zugänglich ist. :-)
'Multikulti in den USA' bzw. allgemein ethnische Diversität in Nationalstaaten: Sicher gibt es in den USA Probleme zwischen verschiedenen "Ethnien". Gleichwohl GIBT es eben die
USA als Nation - und ebenso die Schweiz. Freilich sind beide Fallgestaltungen nicht auf Deutschland oder andere Länder übertragbar:
- Die USA sind kein Sozialstaat in unserem Sinne. (Ein gewisses Maß an) Integration ist dort unvermeidlich, wenn man überhaupt überleben will. Und natürlich kommen Einwanderer nicht mit falschen Erwartungen dort hin (jedenfalls nicht betr. Sozialleistungen) und wissen von vornherein, dass sie dort "liefern" müssen. Die Größe des Landes und die weniger dichte Besiedelung spielenatürlich ebenfalls eine (positive) Rolle.
- In der Schweiz leben die verschiedenen Ethnien relativ abgegrenzt voneinander, haben sich aber in einer langen gemeinsamen Geschichte (und die Abgrenzung zu weniger erfreulichen Epochen, die ihre jeweiligen "Mutterländer" durchmachen
- mussten) gut "zusammengerauft".
Doch sind die großen Städte andererseits eben auch die Zentren der Kulturschöpfung. Ohne diese Populationsverdichtungen gäbe es wohl keine Hochkulturen. Es ist sicherlich auch kein Zufall, dass heutzutage in der Datentechnik die Musik im "Silicon Valley" spielt, einer historisch vermutlich beispiellosen Verdichtung von Höchstqualifizierten. (Und dass die Unterhaltungsindustrie weitestgehend in Hollywood konzentriert ist.)
Allerdings teile ich die Meinung von "Anonymus", dass unser krampfhaftes Bemühen in Deutschland um eine Steigerung der Population (sei es durch Einwanderung, sei es durch Geburtenförderung) Wahnsinn ist und dass eine Reduzierung der Population sehr viel sinnvoller wäre. Hier erscheint "die Natur" wieder einmal weiser als wir Menschen, die wir mit wahnsinnig viel Steuergeldern "gegenhalten" wollen.
Nachtrag 18.01.2018
Diese kleinen Einschränkungen sind jedoch Kikikram angesichts der luziden Problemanalyse des Verfassers.
Insbesondere kann aus meiner Sicht nach der Lektüre dieser Ursachenbeschreibung eigentlich kein vernunftbegabter Mensch unsere Misere mehr verschwörungstheoretisch "erklären" wollen (Bilderberger, Illuminaten, NWO .....).
Auch der Kritik an unserem hypertrophierten Pazifismus stimme ich voll zu. Dieser zeigt sich, leider, auch in meiner eigenen Partei, der AfD, wenn dort davon die Rede ist, wir müssten unsere Grenzen doch nicht am Hindukusch oder in Mali verteidigen.
Gewiss kann man an Sinn und Zweck dieses oder jenes Auslandseinsatzes deutscher Truppen Zweifel haben, nicht zuletzt auch in Afghanistan. Aber es ist eine gefährliche politische Blindheit zu glauben, wir müssten uns (und könnten uns überhaupt noch) erst dann verteidigen, wenn der Islamismus bereits an den eigenen Landesgrenzen steht. Dann, Freunde, ist es längst zu spät!
Nachtrag 28.01.2018
Für ein vertieftes Verständnis dieser Passage aus dem obigen Text:
"Ein Untergang in Zeitlupe ist etwas, dessen sich die Menschen nicht sehr leicht bewusst werden. Der vulgäre Typus erwartet den Untergang mit Donnerknall und Getöse, und missdeutet das Ausbleiben desselben als Zeichen der Sicherheit"
empfiehlt sich vielleicht eine Lektüre des Essays "Blindflug durch die Welt" von Harald Welzer vom 29.12.2008 auf Spiegel Online. Eine Kostprobe daraus:
"Zunächst mal, dass Ereignisse, die die Nachwelt als historische betrachtet, in der Echtzeit ihres Entstehens und Auftretens nur selten als solche empfunden werden. Man wundert sich im Nachhinein darüber, dass Franz Kafka am Tag nach der deutschen Kriegserklärung an Russland lapidar in sein Tagebuch eintrug: "Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. - Nachmittag Schwimmschule." Die Schockwellen, die in modernen, differenzierten Gesellschaften von einem initialen Katastrophenereignis auslaufen, treffen die einzelnen Funktionsbereiche und Betroffenen eben zu unterschiedlichen Zeiten, weshalb eine soziale Katastrophe selten von den Zeitgenossen erkannt, sondern erst später von Historikern festgestellt wird. Bis die, die anfangs vermeintlich nur Zuschauer am Rand der Arena waren, dann nach und nach selbst erwischt werden, hat sich die Welt schon erheblich verändert und mit ihr das, was man für normal oder unnormal hält."
Abschließend mein obligater Blogschluss:
ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der
ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand vom 28.01.2018
Die Antwort auf die Frage, ob „die Prognosen des Untergangs immer wieder belächelt werden“ (**) oder nicht, ist ziemlich unbedeutend, weil es gerade dann, wenn etwas in modernen (mittlerweile spätmodernen) Zeiten belächelt wird, als sicher gelten kann, daß die Belächler einen Grund zum Belächlen haben, der selbst ziemlich belächelnswert ist.
AntwortenLöschenDanke für den Text. Allein schon der Titel gefällt mir gut: „Gutmenschen sind die schlaffe Kraft, die Gutes will, doch Böses schafft“ (**). Man merkt, daß es hierbei auch und vielleicht besonders um etwas Goethesches geht, und gegen Goethe kann man nun wirklich nichts haben (obwohl man zugeben, muß, daß Nihilisten auch das noch hinkriegen).
Die Amerikanisierung, die wir gerade im europäischen Abendland (das europäische Abendland ist Westeuropa) erleben, bedeutet das, was es auch für Amerika bedeutet hat: Vernichtung der Einheimischen (in Nordamerika [früher] „Indiander“ genannt), Durchmischung mit den absolut kriegerisch, überfallartig und freibeuterisch umhermordenden Eroberern, die zudem sehr viel reproduktionsfreudiger, weil eroberungswilliger sind als die Einheimischen. Wie sollen die Einheimischen sich dagegen noch wehren? Und doch, in der antik-apollinischen Kultur sah während der römischen „Revolutionen“ und „Bürgerkriege“ (133-30) auch alles danach aus, als würde sie in der Anarchie versinken, bevor derjenige kam, der später „Augustus“ („der Erhabene“) genannt werden sollte, und sie in ein „goldenes Zeitalter“ führte, indem er eine Synthese aus einem Überlieferungsmuß und einem offenbar unveränderbaren Zeitgeist herbeiführte, was von der Herrschaftsform her gesehen nur über eine Mischung aus Monarchie (Cäsarismus als Kaisertum [nicht wie vorher als Willkürherrschaft]) und eine Untermischung aus (Resten der) Aristokratie und Demokratie möglich war. Diese Mischform bzw. eine durch Monarchie bestimmte Mischform, die zuvor eine durch Aristokratie beherrschte Mischform gewesen war, war es, die Rom und durch Rom auch die gesamte antik-apollinische Kultur noch einige Jahrhunderte Aufschub ermöglichte, bevor sie dann tatsächlich untergehen sollte.
Einige eher kleinere Kritikpunkte hätte ich da noch:
AntwortenLöschen1.) * Schuld = Verfall. Schuld könnten die Fremden, die Eroberer, nicht haben, wohl aber die Einheimischen: diese Aussage ist falsch; denn entweder gibt es beim Verfallsprozeß keine Schuldigen oder auf beiden Seiten Schuldige. Wenn man das anders beurteilt, macht man sich selbst zu dem barbarischen Zivilisationisten, der hier - meistemns mit Recht - unterstellt wird.
2.) * Politik = Staatspolitik. Diese Gleichung ist nur noch zu einem mittlerweile winzig gewordenen Prozentsatz richtig. Politik wird nicht mehr vom Staat, sondern vom Geld, von Privatmännern bestimmt. Diese Privatmänner investieren in Institutioen, die als Lobbyisten den Staat unter Druck setzen - bestechen (!) -, so daß der keine andere Wahl mehr hat. Der Geist denkt, das Geld lenkt. Das Problem des Verschwindens des Staates wird noch nicht als ein solches erkannt, weil der Staat weder richtig verstanden noch für das gehalten wird, wofür er einmal unter erheblich mühsamer Vorarbeit enstanden ist.
3.) * Zivilisation = Gutes bzw. Nichtbarbarisches. Das war noch nie und ist auch heute nicht wahr. Die Zivilisation einer Kultur wurde zwar unter erheblich großen Anstrengungen erreicht, war aber denjenigen, die sich anstrengten, nicht oder nur teilweise als das bekannt, was sie vor allem bedeutet: Zerfall, Zersetzung, Zertrümmerung und Vernichtung der Kultur. Die Zivilisation ist die Verneinung der Kultur, obwohl sie ihr angehört (nämlich: als Nihilismus). Zwar hat die Zivilisation auch eine gute Seite (es wäre ja auch gar nicht anders möglich), doch die wird ja gerade nach und nach abgebaut, weil anders die Kultur insgeamt gar nicht abgebaut werden kann, denn dieser Abbau ist der Sinn von Zivilisation: der Untergang.
4.) * Konservativ = rechts. Diese Gleichung ist komplett falsch. Allein schon aufgrund der Vokabel „rechts“, die erst in der Moderne bzw. Zivilisation (siehe unter 3.)) als politische Vokabel aufgekommen ist, kann man zwischen dem Konservativen und dem Rechten nur bedingt Gemeinsamkeiten erkennen. Sie kommen geschichtlich (beim Konservativen müßte man sogar sagen: evolutiv) aus zwei völlig anderen Situationen. Das Konservative spielte schon bei dem ersten Lebewesen dieser Welt eine Rolle. Die Genetik ist konservativ. Rechts steht für die Bevorzugung des Unterschiedes, und zwar ganz im Gegensatz zum Linken, das für die Bevorzugung des Gleichen (Ununterscheidbaren) steht, was es im Leben gar nicht geben kann, weshalb dasLinke ja auch für das Falsche steht. Das Gegenteil des Konservativen ist das Antikonservative.
Zur Bedeutung der „Mode“ noch eine Buchempfehlung: Peter Sloterdijk, „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“, 2014.
Die Deutschen haben bei weitem nicht „die niedrigste Geburtenrate der Welt“ (**). Außerdem geht es bei der abendlänischen Kultur, dem Abendland, nich tnur um Deutschland und um die Frage, ob am deutschen Wesen die Welt genesen soll oder nicht. Essteht viel zu viel auf dem Spiel, als daß man sich erlauben könnte, von nur einer der abendländischen Nationen das Hdeil zu erwarten, indem man immer nur auf sie schaut, um zu erkenen, was mit dem Westen isngesamt los ist. Das klappt nicht (mehr). Die einzige Nation, die dafür, wenn auch nur teilweise, in Frage kommt, ist die der Vereinigten Staaten von Amerika. Das kann man auch an der „Amerikanisierung“ des gesamten Abedlandes, ja der gesamten Welt erkennen. Dollar und andere Anglizismen (ja, der Dollar ist auch ein Anglizismus!) sind so offensichtlich, daß nur Dummheit und Verblendung - natürlich durch Medien, nicht nur durch die offiziellen, denn Menschen selbst sind auch Medien - sie nicht wahrnehmen können.
AntwortenLöschen-------------------------------------------------------------------------------
Trotzdem insgesamt ein guter Text. Danke.
Danke für Ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Text, Alf.
AntwortenLöschenDer ist allerdings, wie ich eingangs sagte, nicht von mir; den habe ich lediglich übernommen.
Aber Ihre Kritik hat schon ihre Berechtigung. In der Tat sind z. B. manche negativen Entwicklungen (Buntfanatismus) bei uns in D. aus den bekannten historischen Gründen zwar besonders ausgeprägt; aber letztlich fahren auch wir auch insoweit nur im Schifflein der abendländischen Kultur stromab .....