Die Welt hat wahrscheinlich nicht darauf gewartet - dass auch ich mich zur Finanzkrise äußere. Dies um so weniger, als ich die Vorgänge ohnehin nicht verstehe.
Aber "Blog" ist ja nicht umsonst die Abkürzung von Web-Log: ein öffentliches Logbuch der eigenen Wahrnehmungen und Gedanken.
Daher hier, mehr "pro memoriam" für mich selbst als für die Welt, einige ungeordnete Notizen zur weltweiten Krise.
Die Politik lügt uns die Hucke voll wenn man uns erzählt, dass hauptsächlich die Amis Probleme haben.
Es mag ja zutreffen, dass die Probleme ihre Ursache in den USA haben. Jedoch sind "die europäischen Banken im Schnitt deutlich höher verschuldet ... als ihre Konkurrenten in den USA. Der sogenannte Leverage-Faktor, eine Maßzahl, die die gesamten Verbindlichkeiten eines Unternehmens mit seinem Eigenkapital vergleicht, liegt in Europa bei 35, in den USA im Schnitt dagegen nur bei 20." So jedenfalls nach einer Analyse von Merrill Lynch, die Jürgen Röder in dem Handelsblatt-Artikel "Historischer Crash" vom 29.08.08 zitiert.
Und kaum verkündeten Steinbrück und Merkel bei verschiedenen Gelegenheiten, dass Europa seine Hausaufgaben gemacht habe und dass die USA ihre Probleme allein lösen müssten, krachte es in Deutschland bei der Hypo Real Estate Holding AG in München. Berichte dazu: "Bund und Banken retten Dax-Konzern vor dem Aus" (FAZ.Net); "Der Bund garantiert 27 Milliarden" (Zeit) oder "Verspekuliert. Staat kommt Hypo Real Estate zu Hilfe" (Handelsblatt). Gleichfalls sehr informativ: "Es sind längst keine normalen Zeiten mehr" (FAZ v. 29.09.08). [Bei "Spiegel Online" gibt es im Anschluss an den Bericht auch eine Chronologie der Finanzkrise; hier ebenfalls eine Chronologie, bei T-Online. Anonyme Blogs sind mir eigentlich suspekt; der "Politprofiler" ist so einer. Trotzdem sind die beiden Einträge zur Chronologie der Finanzkrise vielleicht von Interesse: Teil I; Teil II. (Erg. 14.08.11: Mittlerweile sind auch Teil 3 -2010- und Teil 4 -2011- online.)
Ebenfalls eine Zeitschiene der Entwicklung der Finanzkrise von März 2005 ("warning signs") bis Februar 2008 (der Artikel datiert vom 29.02.2008, ist also aus damaliger Perspektive zugleich eine Vorhersage, weil schon diese Chronologie eine Verschlimmerung der Krise andeutet) bietet ein Paul Lamont auf der (britischen) Webseite "Market Orcacle" unter der Überschrift "Credit Crisis Timeline - From Foreclosures To Bank Failures".] (Mehr zum Thema Finanzmarktkrise in Europa siehe unten.)
Nachtrag 28.10.08:
Eine sehr ausführliche Darstellung der Krisenentwicklung in 2007/2008 (naturgemäß mit Schwerpunkt auf Deutschland) bringt der Artikel "Chronik. Finanzkrise: Vom Immobilienboom zum Börsen-Crash" von Jörg Stroisch, Henrik Jeimke-Karge und Mario Brück in der Wirtschaftswoche vom 27.10.2007. Besonders nützlich sind darin auch die Links zu den seinerzeitigen Berichten in der WiWo.
Aktuelle Artikel der Wirtschaftswoche zum Thema finden sich auf deren Webseite unter dem Täg "Finanzkrise".
21.01.09: Die Zeit Online bietet eine etwas andere "Chronik der Krise" an: "Wir zeigen anhand dreier zentraler Indizes, wie sich die Krise ausbreitete: Der Case-Shiller-Index (Monatswerte) repräsentiert die Preise am US-Immobilienmarkt. Der Dow Jones (Tagesschlusskurse) steht stellvertretend für die Weltbörsen, die Rate des BIP-Wachstums in der EU (Quartalsdaten) für einen wichtigen Teil der Weltwirtschaft. Entlang der einzelnen Kurven finden Sie ausgewählte Analysen, Reportagen und Hintergrundberichte, die zum jeweiligen Zeitpunkt in der ZEIT und auf ZEIT ONLINE erschienen sind und in denen sich der Verlauf der Wirtschaftskrise spiegelt."
Ich frage mich allerdings, ob Rettungsaktionen wie bei den Banken bei produzierenden Unternehmen nicht als (Beihilfe zur) Insolvenzverschleppung geahndet würden.
(Nachtrag 30.9.08: "Steinbrück hatte am Montag gesagt, das Risiko für den Bund sei „nahe Null“. Die HRE selbst stelle Sicherheiten, deren Wert am Montag mit 42 Milliarden Euro beziffert wurde. Laut Bundesbank und Bafin ist dies aber der Nominalwert der Sicherheiten, ihr Marktwert betrage zur Zeit nur 15 Milliarden Euro. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Bund als Hauptbürge für den 35 Milliarden Euro schweren Rettungskredit an die HRE einspringen muss, ist damit höher" erfahren wir im FAZ-Artikel "Berlin und die Finanzkrise. 'Wir geben Sicherheit'" von Günter Bannas, v. 30. September 2008.
Das könnte darauf hindeuten, dass die Bank überschuldet ist - wenn jemand 35 Milliarden braucht und nur 15 Mrd. an Sicherheiten stellen kann. Eine Überschuldung jedoch würde den Vorstand einer AG juristisch zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichten. Und wer einem überschuldeten Unternehmen in Kenntnis der Überschuldung Kredite gewährt, könnte wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung belangt werden. Hoffentlich haben die Verantwortlichen eine gute Haftpflichtversicherung. Denn falls die Bank irgendwann doch zusammenbrechen sollte, würden clevere Gläubiger die Frage der Insolvenzverschleppung sicherlich von ihren Anwälten prüfen lassen.
[Aktuell geht es allerdings eher darum, dass die Steuerzahler sanieren und die Aktionäre der eigentlich insolvenzreifen Firmen -trotz aktuell hoher Kursverluste- letztlich profitieren. Mehr dazu unten im Nachtrag vom 29.10.08]
[Nachtrag 16.11.08: Die Regierung hat das Problem betr. Insolvenzverschleppung natürlich auch erkannt und flugs den § 19 Abs. 2 der Insolvenzordnung dahin gehend geändert, dass eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne dann nicht vorliegt, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist - vgl. den ausführlichen Artikel in dem Blog "Blick Log" vom 16.10.08.]
Im übrigen finde ich es (und das ist, ganz unabhängig von der aktuellen Finanzkrise, schon seit längerem meine Meinung) unbefriedigend, dass ggf. die Gläubiger ein Unternehmen sanieren (Stichwort: "Insolvenzplan") und die Eigentümer in solchen Fällen relativ ungeschoren davon kommen.
Ich sehe es als einen fundamentalen Konstruktionsfehler des Insolvenzrechts (auch schon des alten Konkursrechts) an, dass insolvente Kapitalgesellschaften bzw. Gesellschaften ohne eine natürliche Person als Haftende (d. h. dass die Rechtspersonen selbst) nicht in die Hände der Gläubiger (vertreten durch die Insolvenzverwalter als Sachwalter der Gläubiger) übergehen. Die Insolvenzverwalter könnten den Sanierungsgewinn dann zum Nutzen der Gläubiger zur Konkursmasse ziehen, indem sie die Geschäftsanteile nach erfolgter Sanierung an den Markt bringen würden. Statt dessen werden die Gläubiger durch allerlei juristische Folterinstrumente (wie etwa die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung generös ausgeweiteten Anfechtungsrechte der Insolvenzverwalter gegen Zahlungen vor der Insolvenzeröffnung) "geschwitzt" und gezwungen, die Sanierung maroder Unternehmen zu subventionieren. Das sah zu Zeiten der Konkursordnung mit ihrer stärkeren Betonung der Gläubigerrechte etwas anders aus, aber auch das Firmenrettungsrecht (bzw. Gläubigerbenachteiligungsrecht) haben wir in unserem Monkeysee Monkeydo-Land von Amerika abgeguckt (während die ihr allerdings noch großzügigeres Moratorien-Insolvenzrecht mittlerweile etwas verschärft haben).
Zurück aber zur Finanzkrise: Da schaut es in anderen Ländern Europas sieht nicht besser aus. Einen Überblick gibt Stefan Schultz im Spiegel Online vom 29.09.08 u. d. T. "KREDITKLEMME. Europas Steuerzahler müssen Milliarden für Bankenkrise zahlen."
Hier möchte ich auch meinen Kommentar zum FAZ-Kommentar v. 26.09.08 "Kurzer Triumph der Marktkritiker" von Heike Göbel abspeichern:
"Heike Göbels Versuch, den derzeitigen hypertrophen und parasitären Kapitalmarkt mit der Geld- und Kreditversorgung der ungezählten Bedürfnisse der Kunden zu rechtfertigen ist naiv. Die sozialistische Alternative zum Markt ist nicht verlockend, aber zu suggerieren, dass das Renditerennen der Finanzmärkte den Sozialstaat finanzieren könnte, ist dumm oder perfide. Die Finanzwirtschaft hat sich weitestgehend von der Realwirtschaft entkoppelt; die Transaktionen der Derivatewirtschaft dienen nur peripher den Bedürfnissen der Realwirtschaft und die große Zahl der Beschäftigten im Finanzsektor (nicht nur die Spitzenverdiener) saugt realen Reichtum aus der Wirtschaft, ohne Gegenwert zu produzieren. Sie spielen ein Money-Spiel, und wir zahlen dafür. (Das dürfte z. B. auch mindestens z. T. erklären, wieso Produktivität und Bruttosozialprodukt steigen, bei den Arbeitenden aber davon nichts ankommt.) Wer begreift, was sich dort entwickelt hat? Ich nicht, Frau Göbel will es gar nicht wissen. War es Wachstum oder Wucherung? Wie kommt es, dass man die durch eine Kapitalstopfmast (Greenspan, Bernanke) ausgelöste Krise jetzt mit erneuter Kapitalschwemme bekämpfen muss? Das System ist frag-würdig - aber jetzt geht mir leider der Zeichenvorrat aus." [Die Kommentarfunktion auf der Webseite von FAZ.Net lässt nur eine begrenzte Zeichenmenge zu.]
Ebenfalls rätselhaft ist mir, weshalb einerseits die Krise durch eine übermäßige Geldversorgung der Finanzmärkte durch die Notenbanken (jedenfalls die US-amerikanische Notenbank) verursacht worden sein soll (bzw. wurde; an der Richtigkeit dieser Diagnose habe ich nämlich keine Zweifel), andererseits aber als Heilmittel weitere Spritzen derselben Droge verabreicht werden (Notenbanken pumpen Geld in Kapitalmarkt).
Und wieso verbilligt sich eigentlich das Geld nicht (wieso sinken die Zinsen nicht), wenn die Notenbanken jetzt noch mehr Moneten ins System pressen? Wo verstecken Geldeigentümer bzw. Geldbesitzer ("Finanzintermediäre") das Geldkapital?
Aufschlussreich sind einige Zahlenangaben in dem FAZ-Artikel "Die langfristigen Folgen" von Christian von Hiller (26.09.08).
"Rund die Hälfte des kumulierten Verlustes - 263 Milliarden Dollar - entfällt allein auf die amerikanische Bankbranche entfällt allein auf die amerikanische Bankbranche bei einem Kapital von zusammen 184 Milliarden Dollar."
Staunen darf wer geglaubt hat, dass die europäische Vorsicht und Aufsicht klüger gewesen seien (was uns die Politik, aber auch die Medien, häufig suggerieren): "Auf 235 Milliarden Dollar beläuft sich bisher laut Bloomberg der Verlust der europäischen Banken, dem ein Kapital von insgesamt 164 Milliarden Dollar gegenüber steht.."
Aber wer war wirklich weise?
"Allein die asiatischen Geldhäuser sind von der Finanzkrise kaum betroffen: Ihren Verlust beziffert Bloomberg auf 24 Milliarden Dollar bei einem Kapital von 22 Milliarden Dollar." [22 Mrd. Kapital kommt mir wenig vor für die asiatischen Banken. Vermutlich liegt ein Druckfehler vor! Leider gibt Hiller den Titel seiner Quelle nicht an, aber das ist ja eine ganz allgemeine Unsitte des Zeitungsjournalismus.]
Dass nicht die Europäer ein Rettungspaket über 700 Milliarden schnüren müssen, ist erstaunlich, denn hier erfahren wir (wie ähnlich in dem eingangs zitierten Handelsblatt-Artikel) Erschreckendes über die Schuldenrelationen im Euroland [kleine grammatische Korrekturen von mir]:
" „Bisher blieben die europäischen Banken von den Krämpfen verschont, die das amerikanische Finanzsystem plagen“, heißt es in einer Analyse des Centre for European Policy Studies (CEPS). „Das ist erstaunlich, kommen die führenden Banken Europas doch auf einen Verschuldungshebel (oft von mehr als 30, manchmal bis zu 50), der unter den gegebenen Marktkonditionen als ein Desaster im Wartestand bezeichnet werden muss.“ "
Aber was nicht ist, kann ja noch werden. [Anm. v. 16.11.08: Inzwischen haben Deutschland und zahlreiche andere europäische Staaten ja längst ihre Bankenrettungspakete.]
Interessante Überlegungen zum amerikanischen Rettungsplan für das Bankensystem bzw. überhaupt zu den Möglichkeiten, Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Ansätze bietet der FAZ-Artikel "Ein Rettungsplan für lebendige Tote?" von Peter Coy vom 26.09.2008. Doch soll man die Klugheit deutscher Journalisten nicht vor dem Artikelende loben. Dort nämlich erfährt man: "Peter Coy ist Wirtschaftsredakteur bei Business Week. Text: Business Week Online." (Trotzdem Dank an die FAZ, dass sie uns diesen Text zugänglich gemacht hat.)
Wir lesen derweil mal einige ältere Artikel aus unseren "Favoriten" nach, z. B.:
- "Wider die Mär von den effizienten Finanzmärkten" von Norbert Häring (Handelsblatt 26.06.06);
- "Gefährliche Kreditgeschäfte" von Michael Maisch (Handelsblatt 19.12.06) über den Handel mit Credit Default Swaps - CDS.
- "Immobiliengesellschaften finden nicht schnell genug geeignete Objekte für Investitionen. Auslandsfonds schwimmen im Geld" von Reiner Reichel (HB 01.10.05)
- "Kurzsichtige Entscheidungen. Im Teufelskreis der Finanzmärkte" von Dirk Heilmann (HB 07.11.06)
- "Spekulative Blasen. Liquidität als Risikofaktor" von Udo Rettberg (HB 21.02.2006)
- "Innovative Investments. Die Angst vor Blasen wächst" von Udo Rettberg (HB 22.09.2006) (Einleitungstext: "Noch meiden Ökonomen das Wort „Rezession“ bei der Zukunftsbeschreibung der Weltwirtschaft. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Eintritt, wird größer. Zudem schüren die hohe[n] Investitionen in Alternative Investments die Bedenken der Experten.")
- "Credit Suisse. Bedächtiger Stratege beschert Traumrenditen" von Oliver Stock (HB 01.12.2005).
Ergänzung vom 30.09.08:
Dem u. g. FAZ-Artikel "Warum Finanzkrisen ..." verdanke ich den Hinweis auf und Link zu der ebenfalls dort publizieren Analyse "Immobilienmarkt. Weltweite Immobilienblase bedroht Konjunktur und Rentenmärkte". Über den oder die Autor(in) erfahren wir lediglich "Text: @mho mit Material von AFP". Das Datum der Veröffentlichung wird aber verraten: 02. August 2005! Mein Ausrufungszeichen bezieht sich auf Passagen wie diese (mit der Zwischenüberschrift "Gefühl wie in der 'New Economy' "):
"Experten warnen mittlerweile vor einer weltweiten Immobilienblase, deren Platzen auch die Konjunktur erschüttern könnte. ... Schon warnt die Notenbank vor einer exzessiven Risikoaufnahme auf den Kreditmärkten als Resultat einer trügerischen Sicherheit."
Oder jene (im Rückblick) noch hellseherische:
"Zu allem Überfluß haben die Ökonomen diesmal rechtzeitig gewarnt. Denn dies alles ist seit Jahren bekannt. Doch die Tatsache, daß die Blase bislang nicht geplatzt ist, verführt viele Anleger zu der Annahme, daß sie dies auch nie tun wird. Sie verhalten sich wie der Fensterputzer, die aus dem 40. Stock fiel und bei jedem Stockwerk sagte: 'Bis jetzt ist noch nichts passiert'."
Wer noch immer keine Gefahr sah, hätte hier hinhören sollen:
"Bei einem Preisverfall könnten viele überschuldete Investoren ihre Kreditraten nicht zahlen, müßten im schlimmsten Fall ihre Immobilien unter Wert verkaufen, und Banken blieben vielfach auf ihren Forderungen sitzen. „Die Situation gleicht mehr und mehr einer Blase“, warnt auch John Llewellyn von der Investmentbank Lehman Brothers [ausgerechnet von denen!]. Selbst eine Rezession im Falle eines Preissturzes schließt er nicht aus."
Schon am 10.03.05 hatte ein(e) andere(r) Autor(in) die Parole ausgegeben: "Kritischer Blick auf amerikanische Finanzwerte".
Und bereits am 30.01.2005 informierte Benedikt Fehr in "Das billige Geld treibt die Immobilienpreise" über "Spekulative Übertreibungen". Auszug:
"Auf der anderen Seite droht sich das Problem immer weiter aufzubauen: So hat das immer noch niedrige Zinsniveau in Amerika dazu beigetragen, daß dort im vergangenen Jahr knapp 2 Millionen Eigenheime gebaut wurden; der höchste Zuwachs seit 1978 war dabei zusehends spekulativ getrieben. Zudem wechselten 6,7 Millionen Eigenheime den Besitzer, das vierte Rekordjahr in Folge. Wie sich dem jüngsten Kommuniqué der amerikanischen Notenbank Fed entnehmen läßt, nehmen bei der Fed die Sorgen zu, daß es auf diesem Markt zu spekulativen Übertreibungen gekommen ist."
Erg. 19.11.08:
Es geht über die o. a. Warnungen hinaus, fällt aber vor deren Hintergrund nicht total aus dem Rahmen, wenn der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Nouriel Roubini dann im September 2006 vor einer schweren Finanzkrise und Wirtschaftskrise gewarnt hat. In dem Artikel "Dr. Doom" von Stephen Mihm in der New York Times vom 15.08.2008 lesen wir darüber:
"On Sept. 7, 2006, Nouriel Roubini, an economics professor at New York University, stood before an audience of economists at the International Monetary Fund and announced that a crisis was brewing. In the coming months and years, he warned, the United States was likely to face a once-in-a-lifetime housing bust, an oil shock, sharply declining consumer confidence and, ultimately, a deep recession. He laid out a bleak sequence of events: homeowners defaulting on mortgages, trillions of dollars of mortgage-backed securities unraveling worldwide and the global financial system shuddering to a halt. These developments, he went on, could cripple or destroy hedge funds, investment banks and other major financial institutions like Fannie Mae and Freddie Mac."
Vielleicht hat damals deshalb niemand auf die Warnungen gehört, weil Ähnliches schon im Jahre 2002 geäußert worden war. Z. B. bei der FAZ in einem Gastkommentar von John F. Wasik, Bloomberg News: "Am US-Immobilienmarkt droht die nächste Blase zu platzen" (11. November 2002 ). Einleitung:
"Die Lage in einigen regionalen amerikanischen Immobilienmärkten weist ähnliche Überhitzungserscheinungen auf wie beim Nasdaq-Index im März des Jahres 2000. Hier hat sich die nächste Blase gebildet, die kurz vor dem Platzen steht. Wenn die flaue Investitionstätigkeit und die schwachen Konsumausgaben die US-Wirtschaft weiter nach unten ziehen, werden die Immobilienpreise ins Rutschen geraten."
Da mag sich ausgewirkt haben, was ich in der Rohstofffrage als "Jericho-Effekt" bezeichne: lange Zeit haben die Warner zu früh Alarm gegeben; wenn dann die Katastrophe kurz bevorsteht, mag ihnen niemand mehr zuhören.
Ergänzung 23.07.2009
Dean Baker, Nationalökonom und Co-Direktor des "Center for Economic and Policy Research" (CEPR; ein US-amerikanischer Think Tank, der in der Wikipedia als “progressive” beschrieben wird und nach meinem Eindruck der dortigen Demokratischen Partei sehr nahe steht). Über Dean Baker berichtet der Wikipedia-Eintrag, dass er als erster Wirtschaftswissenschaftler die Preisblase am US-Immobilienmarkt identifiziert habe:
“Basing himself on house-price data-sets produced by the US government and Yale economist Robert Shiller, Baker was the earliest economist to point out the bubble in the US housing market in 2002, and one of the few economists to correctly predict that the collapse of this bubble would lead to recession.” Sein „Briefing Paper “The Run-up in Home Prices: Is It Real or Is It Another Bubble?” ist beim CEPR online abrufbar. Ärgerlich ist das Fehlen eines Datums in der Kurzstudie selber. Nur auf der Verlinkungsseite zum Text erfahren wir, dass es vom August 2002 datiert, also noch deutlich vor dem o. a. FAZ-Kommentar von F. Wasik.
In dem “Executive Summary” heißt es u. a. (meine Hervorhebungen):
“In the last seven years [also schon bis 2002!] home purchase prices have risen nearly 30 percent more than the rate of inflation. This run-up in housing prices has increased housing wealth by more than $2.6 trillion compared to a situation in which home prices had just kept place [recte wohl: pace] with inflation. This is an average of more than $35,000 of additional wealth for each of the nation’s 73.3 million homeowners. This paper examines whether the increase in home prices can be grounded in fundamental economic factors, or whether it is simply a bubble, similar to the stock market bubble. The paper notes:
1) There has been no clear upward trend in housing costs relative to other items in the post-war period. In general, housing prices move in step with the overall rate of inflation. This means that the recent spurt in housing prices is a departure from the prior history. …………
4) Current demographics suggest that the housing share of consumer expenditures should be falling for the foreseeable future, as the baby boom cohort approaches retirement. Two thirds of the run-up in home prices is attributable to a rise in the price of buying a home relative to the cost of renting a home, as shown in Figure 1. This is what would be expected if there is a housing bubble, since it suggests that families are buying homes in large part as an investment rather than primarily as a place to live. A sharp slowdown in the rate of inflation in rental cost index in the last six months, and a record high rental vacancy rate, suggests that demand for rental housing is lagging, which could precipitate the collapse of the bubble .”
Ganz so schnell, wie von Baker erwartet, kam der Kollaps dann zwar nicht; aber jetzt ist er um so heftiger da. Also: es gab Vorwarnungen, spätestens bereits seit dem Jahr 2002, und insgesamt offenbar nicht zu knapp.
(Schön wäre es, wenn meine Besucher/innen diese Linkliste in ihren Kommentaren ergänzen würden!)
Nachtrag 26.10.08
Paul Krugman, unorthodoxer amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und diesjähriger Nobelpreisträger, prognostizierte (bzw., weil er schon damals einen Preisverfall sah: diagnostizierte) die Immobilienkrise bereits am 8 August 2005 in seinem Kommentar "That Hissing Sound" in der New York Times. Auszüge daraus:
"This is the way the bubble ends: not with a pop, but with a hiss. Housing prices move much more slowly than stock prices. There are no Black Mondays, when prices fall 23 percent in a day."
Krugmann begründet dann detailliert, weshalb diejenigen irren, die seinerzeit die Immobilienkrise leugneten. Er spricht von einem geteilten Markt mit einem relativ geringen Preisanstieg in den Gebieten des Mittleren Westens, wo noch genügend Platz für Hausbauten ist, und den "Zoned zone areas", den dicht besiedelten Küstengebieten mit knappem Bauland und starken Preisansteigen:
"In the nation as a whole, housing prices rose about 50 percent between the first quarter of 2000 and the first quarter of 2005. But that average blends results from Flatland metropolitan areas like Houston and Atlanta, where prices rose 26 and 29 percent respectively, with results from Zoned Zone areas like New York, Miami and San Diego, where prices rose 77, 96 and 118 percent."
Interessant auch seine Informationen über die Abhängigkeit der Scheinblüte der US-Wirtschaft von der Preisspirale bei den Immobilien:
"Meanwhile, the U.S. economy has become deeply dependent on the housing bubble. The economic recovery since 2001 has been disappointing in many ways, but it wouldn't have happened at all without soaring spending on residential construction, plus a surge in consumer spending largely based on mortgage refinancing. Did I mention that the personal savings rate has fallen to zero?
Now we're starting to hear a hissing sound, as the air begins to leak out of the bubble. And everyone - not just those who own Zoned Zone real estate - should be worried."
Den Hinweis auf den Artikel von Paul Krugman zur Immobilienkrise verdanke ich dem Blott "Thesen zur Finanzkrise: Wie sehr hängen wir an Klischees?" von einem gewissen Ali Arbia, zu dem ich dort auch einen Kommentar verfasst habe.[Erg. 18.09.11: Im vorliegenden Zusammenhang dürfte zum prognostischen Versagen der Wirtschaftswissenschaft auch der -lange- Artikel "How Did Economists Get It So Wrong?" von Paul Krugman in der N. Y. Times vom 02.09.09 interessieren; ich habe ihn aber nur angelesen.]
Aus meiner Sicht noch weitaus gravierender als die Krugman-Prognose von 2005 ist jedoch ein Link unter dem Krugman-Kommentar zu "Related Articles", und zwar "ECONOMY SHOWS SIGNS OF STRAIN FROM OIL PRICES" vom 17.08.2005 (Verfasserangabe: "By JAD MOUAWAD AND DAVID LEONHARDT; JENNIFER BAYOT AND VIKAS BAJAJ CONTRIBUTED REPORTING FROM NEW YORK FOR THIS ARTICLE AND JEREMY PETERS FROM DETROIT.")
Dieser Bericht bestätigt mich in meiner Auffassung, dass die "Finanzkrise" oder "Finanzmarktkrise" nicht oder jedenfalls nicht allein mit dem theoretischen Instrumentarium der Finanzwissenschaft zu erfassen ist, sondern zumindest teilweise als Ergebnis einer (sich abzeichnenden) Ressourcenverknappung (Peak Oil, Ölfördermaximum, Buntmetalle, Agrargüter usw.) verstanden werden muss.
Und diese wird alle traditionellen Rezepte eines geldpolitischen Krisenmanagements scheitern lassen. Denn der nächste Boom bringt die nächsten Preisexplosionen bei Rohstoffen und saugt den Konsumenten das Geld aus den Taschen, egal, wie oft Milton Friedmans Jünger den Hubschrauber aufsteigen lassen und Geldscheine in die Menge werfen.
Richtig schlimm wird es für uns, wenn die Rohstoffpreise explodieren, ohne dass die Wirtschaft brummt. Dann ist die Ressourcenverknappung Wirklichkeit geworden, die bislang nur als Knappheitserwartung die Marktpreise hochjagte. Und das wird auch ohne Konjunkturaufschwung nicht mehr lange dauern.
Nachtrag 06.11.2008
"Die Düstermänner raten zum Ausstieg aus den Börsen", ein Handelsblatt-Beitrag von Ingo Narat vom 10.11.2006 lässt jedenfalls indirekt erkennen, dass schon damals zahlreiche Warner unterwegs waren.
Noch interessanter ist sein Beitrag "Asien: Risiken Reloaded" vom 20.12.2006, weil er hier nicht nur die Energieknappheit (Rohöl) als Risiko (an erster Stelle) identifiziert, sondern auch die soziale Frage:
"Die Vertreter der Finanzwelt verdienen übrigens prächtig in der risikoreichen Welt. Investmentbanker streichen exorbitante Boni ein. Sie werden damit Teil eines neuen globalen Risikos: der zunehmend ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung. Während sich die oberste Spitze der Reichen in praktisch allen Teilen der Welt immer weiter vom Durchschnitt absetzt, leiden die Vertreter aus den durchschnittlichen und unteren Einkommensschichten unter realen Lohnverlusten.
Anleger müssen ihre Liste der globalen Risiken erweitern. Eine sich öffnende Einkommens- und Vermögensschere könnte in sozialen Unruhen münden. Die Folgen für die Finanzmärkte wären offensichtlich. In einem vergifteten sozialen Klima würden die Kurse nicht gedeihen. Aber dieses Thema wird erst Übermorgen Schlagzeilen machen."
[Beide Artikel hatte ich bereits früher in meinem Blott "Fridolin Dachs, Adam Riese und die Zeithorizonte der Dax-Generation" verlinkt.][Anm. 16.11.08: Zur Kapitalkonzentration bei den Wohlhabenden als Krisenfaktor vgl. jetzt meinen Blott "Yes, we know! Zumindest könnten wir die eigentlichen Gründe für die neue Weltwirtschaftskrise kennen".]
Nachtrag 07.11.2008
Ebenfalls in die Kategorie der Krisenvorhersagen gehört der Artikel "Ein Meilenstein auf dem Weg zum finanziellen Ruin der USA" von Marc Faber in der Welt Online vom 29.10.2005.
Nachträge 08.10.08
Ich bin nicht gerade ein Fan der Falun-Gong-Zeitschrift "Epoch Times" (s. a. Blott "Wie mich die Außerirdischen beim Pizzaessen erwischten"). Trotzdem scheint mir beim flüchtigen Drüberlesen der Artikel "Hyperinflation. Vom Ende allen Fiat-Geldes" von Dipl.Ing. Walter K. Eichelburg, Wien, in derEpoch Times Deutschland vom 08.02.2007 (!) einige bemerkenswerte Vorauss-Sichten zu enthalten.
Hier ein weiterer Artikel von Walter K. Eichelburg: "Ein Jahr Finanzkrise" vom 07.07.2008.
Später, vom 23.01.08, aber rückblickend ebenfalls sehr pikant ist der Artikel "Bernanke im Flugsimulator" in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).
Dieser Artikel kritisiert eine Leitzinssenkung ex post. "Bernankes Hubschrauber stottert" in der ARD Boerse vom 12.12.2007 schildert die Risiken und Probleme ex ante.
Gegenüber Patentrezeptlern bin ich skeptisch; aber einfach um den Horizont zu erweitern, sollte man sich vielleicht auch mal einige unorthodoxe Seiten ansehen (z. B. die hier verlinkten).
"Die Immobilienkrisen: Nicht nur die auf Risikokredite spezialisierten Hypothekenbanken, sondern alle Investoren und Unternehmen an den amerikanischen Finanzmärkten werden vom Sturm erfasst" ist ein "Auszug GEAB N 13 (18. Mars 2007)". Ich habe die Webseite nicht näher analysiert; es scheint sich um eine Art von kostenpflichtigem Börsenbrief zu handeln. Auch den Artikel habe ich nur überflogen; jedenfalls ist es interessant, dass man auch hier die Immobilienkrise anscheinend schon Anfang 2007 vorhergesehen hat.
Nachträge 16.11.2008
"Banker weg, wir brauchen eine Revolution!" titelt die FAZ ein Interview mit dem als "Risikoforscher" apostrophierten Nassim Nicholas Taleb. Dieser habe die Finanzkrise bereits seit langem vorhergesehen: "Seit 2002 hat Nassim Nicholas Taleb, Autor des Buchs „Der Schwarze Schwan“, auf die Krise gewartet".
Vgl. dazu auch die Rezension "Was schiefgehen kann, geht auch irgendwie schief" seines Buches und insbesondere den Beitrag von Frank Schirrmacher v. 01.11.08 "Krisentheorie. Da staunte der Truthahn".
Ei da schau her: sogar Alan Greenspan war unter den Warnern! "US heading for house price crash, Greenspan tells buyers" berichtete "The Times" vom 27.08.2005(!!) (meine Hervorhebungen):
"WALL STREET shuddered yesterday after Alan Greenspan, the United States’ central banker, warned American homebuyers that they risk a crash if they continue to drive property prices higher.
He said that the US house-price spiral had become an economic imbalance, threatening stability like the country’s trade gap or its budget deficit.
In a pre-retirement speech to fellow central bankers at Jackson Hole, Wyoming, Mr Greenspan said that people were investing in houses as if they were a one-way bet, not allowing for the risk of price falls. He said “history had not dealt kindly” with investors who kept ignoring risks.
The Federal Reserve Chairman’s warning, his strongest yet, sent share prices falling on Wall Street ... ."
Nachtrag 24.11.2008
Bereits im Jahre 2004 hatte das FBI vor kriminellen Machenschaften im Zusammenhang mit dem Hypothekenmarkt gewarnt, erfahren wir aus dem Handelsblatt-Artikel "Kaum Agenten gegen Wirtschaftskriminelle. FBI von der Finanzkrise kalt erwischt" vom 19.10.2008. Das lässt vermuten, dass kriminelle Machenschaften ganz erheblich zu dem entstanden Schaden beigetragen haben. Das FBI gibt sich wohl kaum mit Kleinkram ab, und die Kriminellen dürften nach dem Jahr 2004 kaum eingeschlafen sein. [Ergänzung 04.01.2009: Einzelheiten über den Betrug mit Hypotheken kann man z. B. im "2007 Mortgage Fraud Report" des Federal Bureau of Investigation, also des FBI, nachlesen.]
Nachtrag 02.12.2008
Nachtrag 02.12.2008
Prof. Max Otte hatte schon im Jahre 2006 (Anfang 2006?) das Buch "Der Crash kommt" publiziert, in dem er (soweit ich den Buch-Besprechungen und Kunden-Rezensionen entnehme) eine große Krise prognostiziert und die Schwachstellen des Finanz- und Wirtschaftssystems anscheinend ziemlich präzise identifiziert hatte. Allerdings wird das Buch in den Amazon-Kundenrezensionen sehr unterschiedlich beurteilt. Auch seine Aktivitäten als Finanzberater unter der Firma ("IFVE GmbH") werden z. B. in dieser Forendiskussion eher kritisch bewertet.
Nachtrag 05.12.08
Heute habe ich den Spiegel-Artikel "US-ABSCHWUNG. Ben Bernanke und das Rezessionsphantom" vom 30.01.2008 entdeckt. Der enthält eine Reihe von Feststellungen, die auch im Rückblick interessant sind:
"Kräftig, aber zu spät: Die amerikanische Notenbank hat den Leitzins erneut deutlich gesenkt - eine Rezession kann sie damit wohl nicht mehr verhindern, analysiert Volkswirt Willi Semmler. Einiges spricht aber dafür, dass die Wirtschaftskrise moderat verlaufen könnte. ..... zeichnet sich auf den Märkten ab, dass die Renditen auf private Firmenanleihen nicht fallen, sondern steigen. Investoren scheuen weiterhin das Risiko. Kredite könnten daher eher teurer werden ... . Das Ausmaß der Krise belegen mehrere Indizien. So hat sich Arbeitslosenrate nach Zahlen der US-Regierung im Dezember von 4,5 auf 5 Prozent erhöht. Die Konsumausgaben der Bürger stagnieren, die Einzelhandelsverkäufe im Weihnachtsgeschäft lagen so niedrig wie seit sieben Jahren nicht mehr. Im vierten Quartal 2007 legte die US-Wirtschaft nur noch um 0,6 Prozent zu – die niedrigste Rate in fünf Jahren. ..... Die subprime-Krise, die den Banken und Investmentfirmen schon ungefähr 100 Milliarden Verluste eintrug, setzt sich in den verschiedensten Bereichen fort – durch die Verteuerung von Kreditaufnahmen."
Im Kapitel "Die tieferen Ursachen der Rezession" erfahren wir:
"Die nächsten Schwierigkeiten könnten im Kreditkartengeschäft auftreten. Die gesamte Kreditkartenverschuldung in den USA summierte sich Ende 2007 auf über 940 Milliarden Dollar – rund acht Prozent mehr als Ende 2006. Nun werden Rückzahlungen verschoben, und schon 2007 mussten 820.000 Haushalte Insolvenz anmelden. Ein weiteres Indiz für die Notlage der privaten Haushalte: Die Autokäufe - lange Zeit vom Kreditboom angeheizt – beginnen zu stagnieren."
Besonders erhellend sind die anschließenden Absätze (meine Hervorhebungen):
"Dabei ist die Immobilienkrise nur der unmittelbare Auslöser der Wirtschaftskrise. ... Die gegenwärtige US-Wirtschaftskrise folgt einem typischen Verlauf für Wirtschaftsabschwünge, der durch die Liberalisierung des Finanzmarktes seit den achtziger Jahren noch ausgeprägter wurde. Ähnliche Phasen von Krise und Ernüchterung sind auch in anderen Ländern – zuletzt meist Schwellenländern - aufgetreten, die eine Lockerung staatlicher Regulierungen und in der Folge zunächst einen euphorischen Aufschwung mit Übertreibungen und Spekulationsblasen erlebt haben.
Überaus typisch ist auch, dass ein Aktienmarktboom Hand in Hand mit einer Überexpansion des Kreditmarktes und des Immobiliensektors ging. Eine ganz ähnliche Abfolge von Boom and bust, wie jetzt in den USA, war 1991 in den USA und in Schweden und ab 1992 in Japan zu beobachten – dort währte die Wirtschaftskrise ein ganzes Jahrzehnt lang. Die Überexpansion im Immobilienbereich brachte den Banken enorme Verluste.
Insofern war der US-Abschwung absehbar und ist tatsächlich auch seit Jahren vorhergesagt worden. Er ist aber ein paar Jahre später eingetreten als von vielen Beobachtern erwartet. "
Als Grund für die "Verzögerung" gibt Willi Semmler die niedrige Zinsrate der Fed an, sowie Unterstützung von außen:"Das Wirtschaftswachstum seit 2003 wurde maßgeblich durch Schwellenländer wie China und Indien gestützt ... . Anders als in früheren Konjunkturzyklen kam also dieses Mal die Dritte Welt der ersten zur Hilfe. Dieser Effekt dauert an – und könnte dazu beitragen, dass die drohende US-Rezession vergleichsweise milde ausfallen könnte. So stehen die Ölländer und andere Wachstumsregionen bereit, in den USA zu investieren.."
So konnte oder musste man das damals wohl sehen; mittlerweile sieht die Welt der Wirtschaft ganz anders, finsterer nämlich, aus.
Nachtrag 21.01.09
"Hypothekenbanken. Gefährliche Geldmaschinen" schrieb Heike Buchter in DIE ZEIT bereits am 15.04.2004 über Fannie Mae und Freddie Mac.
Erg. 13.03.09: Thomas Fischermann berichtete in DIE ZEIT, 34/2006 über "Das Ende des Booms":
"Weil der Wert ihrer Häuser stieg, saß vielen Amerikanern der Geldbeutel locker. Jetzt droht ein Absturz am Immobilienmarkt und damit die Rezession."
Und wie prophetisch klingt im Rückblick der Satz:
"Einig sind sich fast alle Experten, dass die Antwort [auf die Frage, ob es zu einem Crash kommt oder nur eine 'geordnete Anpassung' - Zitat Bernanke - vorlag] in 12 bis 18 Monaten vorliegen wird so lange dauert nämlich üblicherweise eine Korrektur der Preise am Immobilienmarkt, und die konjunkturellen Folgen dürften dann sichtbar werden."
Am 01.03.2007 meldete sich Heike Buchter noch einmal aus den USA: "Immobilien. Der Albtraum vom eigenen Haus":
"Viele Hypotheken in den USA erweisen sich als zu riskant. Banken zittern – und mit ihnen die Finanzmärkte."
Nachtrag 22.02.2009
Unter der Überschrift "City faces meltdown if debt crisis hits" berichtete Edmund Conway, Economics Editor der britischen Zeitung "Telegraph" am 30.07.2006 über den "Financial Stability Report" der Bank of England vom Juli 2006. In einem Eintrag in seinem Blog vom 30.12.08 "Definitive proof that the Bank of England saw the financial crisis coming" kommt Conway darauf zurück und gibt jetzt auch Links an. Der einschlägige Text der BoE-Studie findet sich auf S. 28 der pdf-Datei (S. 26 der Dokumentenpaginierung):
"The commercial property sector has been a source of substantial credit losses for UK banks in the past, with write-offs tending to be more cyclical than on other corporate exposures. Exposures to UK commercial property companies(1) accounted for only 2.4% of the major UK banks’ total assets at the end of 2005, but these exposures are highly concentrated among lenders. Despite having recently slowed, the annual growth rate of lending by the major UK banks to the UK commercial property sector remains strong, at around 13% in March 2006 (Chart 2.4). Moreover, for the second consecutive year, margins and interest cover on property lending have fallen while average LTV ratios have risen.(2) Speculative office development has also been increasing rapidly and there is some concern about potential oversupply from around 2009.(3)"
Conways Überschrift, wonach bewiesen sei, dass die britische Zentralbank die Krise kommen sah, relativiert sich allerdings, wenn er aus dem Bericht zitiert: "... such an outcome is very unlikely". Sowie zusammenfasst: "... it said the financial system remained extremely healthy".
Insoweit verzerrt seine Überschrift den Inhalt und die Botschaft der Nationalbank-Studie. Korrekt müsste man titeln: "BoE hält Finanzsystem für gesund, hat allerdings Krisenrisiken für Ausnahmesituationen identifiziert".
Aber mit einer solchen Feststellung kann man natürlich keine Sensationen machen und keine Hatz auf jene vermeintlich Schuldigen einleiten, die scheinbar offenkundige Risiken nicht rechtzeitig beachtet haben. [Nicht, dass ich die in Schutz nehmen will; nur müssen für mich Vorwürfe sauber begründet sein.]
Interessante Lektüre ist es aber allemal; schade, dass mir die Zeit zum Lesen des ganzen Reports - oder besser noch, auch der vorangehenden und der folgenden - fehlt.
Nachträge 10.03.2009
Einen ganz anderen Aspekt der (großenteils unterbliebenen oder unterlassenen) Krisenprognose beleuchtet eine beiläufige Bemerkung in dem (auch sonst vorzüglichen) Bericht von Michael Lewis vom April (sic!) 2009 [d. h. zur Veröffentlichung im Aprilheft vorgesehen?] im Magazin "Vanity Fair" über den Aufstieg und Fall des Finanzsektors in Island: "Wall Street on the Tundra" (meine Hervorhebung):
"One of the hidden causes of the current global financial crisis is that the people who saw it coming had more to gain from it by taking short positions than they did by trying to publicize the problem."
Frühe Propheten des Immobilienmarktzusammenbruchs waren auch Sylvain Raynes, Joshua Rosner, und Christopher Whalen. Vgl. dazu den Fortune-Bericht "Prophets of the credit crisis" vom 11.07.2008.
Links zu den dort erwähnten Studien von Rosner: "Housing In the New Millennium:
A Home Without Equity Is Just a Rental With Debt" vom 29.06.2001 und "How Resilient Are Mortgage Backed Securities to Collateralized Debt Obligation Market Disruptions?" aus dem Februar 2007.
Nachtrag 08.04.2009 / geä. 06.06.2010
Hier fand ich (u. d. T. "Historische Krisenanalyse und Voraussage der aktuellen Krise") die Linkspur zu einer dreiteiligen Serie "In Denial of Crisis" von David Jensen (Vancouver, Kanada) aus dem Juni 2005 (!!), in der anscheinend die Krise schon vorhergesagt wird. Ich hatte mir den Text ausgedruckt und habe ihn mittlerweile auch gelesen; er ist außerordentlich anregend und informativ, doch fehlt mit jetzt leider die Zeit, meine Textanmerkungen hier auszubreiten.
Titel der und Links zu den -3- Teilen der Studie von David Jensen:
1) "In Denial of Crisis: Part I": "An Economy Undermined by Failures of the Monetary System, the Concentrated Media, and Political Will" (20.06.2005)
2) "In Denial of Crisis: Part II": "Central Banks and Their 'Elastic' Currency"
3) "In Denial of Crisis: Part III": "Failures".
Nachtrag 27.04.2009
Faszinierende Lektüre bietet, zumal 'with the benefit of hindsight', der Blog "The Great Depression of 2006" von "Jim in San Marcos, California". Seit Mai 2006 erzählt er seinen Lesern haarklein, was mit dem Immobilienboom und dann mit der Wirtschaft passieren würde (und nunmehr passiert ist). Erstaunlich: jeder hätte es (spätestens) zu diesem Zeitpunkt wissen können, dass wir auf eine Depression zusteuern. Aber niemand wollte offenbar hinhören, oder es glauben. Das Motto seines Blogs lautet:
"Its a place undefined in time, a location that no one would ever willingly travel to. Are we there yet? The answer is yes. But its going to take two or three years for the reality to sink in."
Sounds really scary. Or rather: it should have scared people, especially those in charge of things. But, obviously, their only is the next election campaign. And our's is the next day.
Nachträge 24.07.09
Über den frühzeitigen Warner William White, der in einer hochrangigen Funktion bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ / Bank for International Settlements - BIS) in Basel tätig war, berichten Beat Balzli and Michaela Schiessl in der internationalen, d. h. englischsprachigen Ausgabe des SpiegelOnline vom 08.07.2009 u. d. Überschrift "THE MAN NOBODY WANTED TO HEAR. Global Banking Economist Warned of Coming Crisis":
"William White predicted the approaching financial crisis years before 2007's subprime meltdown. But central bankers preferred to listen to his great rival Alan Greenspan instead, with devastating consequences for the global economy."
Auf Deutsch findet man es jedenfalls hier:
"Aus dem Spiegel 28/2009 vom 6. Juni 2009." "Der Mann, der zu viel wusste":
"Jahrelang war William White Chefökonom eines ebenso einflussreichen wie
verschwiegenen Zirkels, denn die BIZ in Basel gilt als die Bank aller
Notenbanken. Vehement warnte er die Währungshüter vor der kommenden
Krise. Doch die ignorierten seine Analyse."
Einer interessanten Frage im Zusammenhang mit den 'Krisenpropheten' geht Dirk Bezemer von der Universität Groningen in seiner Studie "No One Saw This Coming": Understanding Financial Crisis Through Accounting Models" vom 16.06.09 nach. Er tritt zunächst der Auffassung entgegen, dass (so gut wie) niemand die Krise prognostiziert habe und fragt dann: Gab es Kriterien, welche den [gar nicht so wenigen - vgl. auf S. 9 die Übersicht "Table 1: Anticipations of the Housing Crisis and Recession"] frühzeitigen Warnern gemeinsam waren?
Seine Antwort, zusammengefasst im "Abstract" (meine Hervorhebung):
"This paper presents evidence that accounting (or flow-of-fund) macroeconomic models helped anticipate the credit crisis and economic recession. Equilibrium models ubiquitous in mainstream policy and research did not. This study identifies core differences, traces their intellectual pedigrees, and includes case studies of both types of models. It so provides constructive recommendations on revising methods of financial stability assessment. Overall, the paper is a plea for research into the link between accounting concepts and practices and macro economic outcomes."
Nachtrag 07.09.2009
Am 27.03.2008 ist der Comstock Special Report "How We Got Into This Mess!" erschienen. Wohltuend nüchtern, ohne die ideologischen Untertöne mancher Webseiten, und (nach meinem Gefühl) sauber mit Zahlen (und Schaubildern) belegt, zeigt der oder zeigen die namentlich nicht genannten/r Autor(en) auf, wie es zu der Krise kommen musste, wobei sie allerdings damals noch hofften, das uns das Schlimmste erspart bleiben würde:
"The period of cleansing is called a recession, but if the government and Fed continue to interfere and maybe postpone it again, the recession might turn into a depression. Let's hope the Fed and the Administration realize what is inevitable soon, or it could really get nasty!!!" heißt es am Schluss. Well, nasty it got indeed, aber für diesen dornigen Weg waren m. E. die Weichen im März 2008 längst unabänderlich gestellt, keine Art von Fed-Politik hätte damals die große Krise doch noch abwenden können.
Die Autoren sehen es als Fehler an, dass die Fed unter Alan Greenspan in 2001 - 2003 mit ihrer damaligen Niedrigzinspolitik eine Rezession und eine damit einhergehende Rückführung der Schuldenlast und Erhöhung der Sparquote verhindert und die Preise für Wertpapiere und Vermögenswerte (nicht zuletzt auch der Wohnimmobilien) auf einem bereits damals überhöhten Niveau stabilisert habe.
Auch die sonstigen Artikel auf der Webseite "Comstock Partners, Inc." erscheinen interessant. (An die momentan viel beschworenen "green shoots" glaubt man dort nicht; hier ein informativer Research-Bericht zum Thema Überschuldung.)
Nachtrag 26.12.09
Zur Krisen-Prognose-Literatur gehört vermutlich auch das (marxistische?) Theorieheft PROKLA 134 aus dem Jahr 2004 u. d. T. "Die kommende Deflationskrise?".
Nachtrag 31.01.2010
Nachtrag 31.01.2010
Am 04.10.2006 erschien auf der Handelsblatt-Internetseite ein Interview (Marietta Kurm-Engels) mit Stephen Roach, Chefvolkswirt der Investmentbank Morgan Stanley, u. d. T. „It's not the time for complacency“. Auszüge (meine Hervorhebungen):
"With a record US current account deficit still holding at 6.6% of US GDP in mid-2006 and with the price differential between risky assets (i.e., corporate credit and emerging market debt) and riskless assets (i.e., sovereign bonds) at historic lows, this is hardly a time for complacency. Overly accommodative central banks have pushed the global liquidity cycle to excess -- in effect, funding the resilience of the global financial system with cheap money. With central banks now seeking to normalize monetary policies, that excess liquidity will get withdrawn -- posing a much more challenging climate for world financial markets and the global economy. A turn in the global liquidity cycle is precisely the time when we should be worrying the most.
Nachtrag 06.06.2010
"With a record US current account deficit still holding at 6.6% of US GDP in mid-2006 and with the price differential between risky assets (i.e., corporate credit and emerging market debt) and riskless assets (i.e., sovereign bonds) at historic lows, this is hardly a time for complacency. Overly accommodative central banks have pushed the global liquidity cycle to excess -- in effect, funding the resilience of the global financial system with cheap money. With central banks now seeking to normalize monetary policies, that excess liquidity will get withdrawn -- posing a much more challenging climate for world financial markets and the global economy. A turn in the global liquidity cycle is precisely the time when we should be worrying the most.
With the demographic clocking ticking louder and louder at just the time when returns on traditional investments have declined, looming unfunded pension and retirement obligations have led to an extraordinary imbalance between assets and liabilities. Yield-hungry investors have, as a result, moved further and further out on the risk curve - increasing their allocation to higher yielding assets such as commodities, emerging markets, and what we have traditionally called “junk bonds.” In some segments of these traditionally riskier asset classes, the fundamentals have undoubtedly improved. But I am worried that yield-seeking investors have become indiscriminant in their appetite for yield and assessment of risk - not differentiating the secure investments from the weak ones in riskier asset classes and, as a result, lulling themselves into a false sense of security. .....
HB: The dangers of global imbalances have been stressed for many years. Nothing has happened. Aren’t the risks in this context exaggerated?
R: The problem has been serious but the consequences have not been - at least not so far. The world has bought time for two reasons: the excesses of the global liquidity cycle and the need for surplus savers to keep their currencies weak in order to maintain export competitiveness. As noted above, the world’s major central banks are now attempting to withdraw excess liquidity. At the same time, the world’s major surplus savers - China, Japan, and Germany are hard at work attempting to stimulate internal demand. That would tend to absorb their excess saving - leaving less foreign capital to send to saving-short America. .....
The so-called “global saving glut” theory argues that a consumer-led US economy is doing the rest of the world a favor by absorbing excess saving. I think this notion is preposterous. From America’s point of view, the implications are most worrisome - namely a wealth-dependent consumption model that requires low interest rates to push up asset values and subsidize debt service on equity that is extracted from those assets. A key risk is that asset appreciation begets an asset bubble that then pops - putting tremendous pressure on over-extended US consumers. That is a very real threat today as the US housing bubble now bursts. From the point of view of America’s creditors - especially poor developing economies - the risks are equally disconcerting. The financiers of the US spending binge subject themselves to dollar over-weights in their foreign exchange reserve portfolios - leaving them with low-yielding returns, risk of a fiscal hit in the event of dollar depreciation, and excess liquidity for those countries like China who cannot effectively sterilize all their purchases of dollars. ..... There is no “new paradigm” explanation that adequately explains away these growing risks. .....
Overly indebted, saving-short American households pose a major risk to the US and global economy. Household sector debt service hit a record 13.9% of disposable personal income in early 2006. The fact that debt burdens are so high in an historically low interest rate climate is all the more disconcerting. .....
A reluctance of officials to sound the alarm out of fear of investor “herding” has created a new moral hazard in world financial markets. .....
Global financial stability is very much linked to the state of balance on the real side of the global economy. In that regard, the world has a very serious problem with a striking imbalance in the mix of global saving - the United States does none of it (at least insofar as net national saving is concerned) and several developing and developed economies do too much of it (especially China, Japan, and Germany). .....
The US needs to save more and the surplus savers need to save less. In the US, that spells serious government budget deficit reduction and some form of a consumption tax."
Die Probleme waren also längst bekannt, aber niemand wollte den Spielverderber spielen. Und die amerikanische Regierung und (mehr noch) Notenbank tun alles, damit die US-Konsumenten und die Regierung um Gottes willen nicht zu sparen anfangen. Das alles macht die aktuelle Vorhersage des "Krisenpropheten" Max Otte recht wahrscheinlich: „Die Welt steht kurz vor dem Crash“ (Focus-Interview vom 30.11.09).Nachtrag 06.06.2010
Auf jeden Fall in die vorliegende Sammlung von Krisenwarnungen gehört der Artikel "Working Class Households and the Burden of Debt" aus der (amerikanischen, undogmatisch-marxistisch orientierten) Zeitschrift "Monthly Review" vom May 2000. Die Verteilungsfrage ist schließlich bei der Ursachenanalyse der Verschuldung oder gar Überschuldung sowie bei Überlegungen zur Krisenbekämpfung nicht ganz unwichtig. (Autorenangabe: "By The Editors", also Harry Magdoff und John Bellamy Foster).
Nachträge 18.09.2011
Dem Leserkommentator "genauer" verdanke ich den Hinweis auf einen Warren Brussee. Der hatte ein Buch "The Second Great Depression. Starting 2007, Ending 2020" geschrieben. Erschienen ist dieses Buch bereits im März 2005. Über das Buch und den Autor erfahren wir bei Amazon (meine Hervorhebungen):
"Product Description
Warren Brussee, der auch einen Blog betreibt (auf welchem er insbesondere die Prognosen in seinem Buch aktualisiert) hat auch mehrere andere Bücher geschrieben. Über das vorliegende Buch erfahren wir von einem Amazon-Kundenrezensenten:
"This book has three parts. In the first part, the author uses government data and charts to show how the consumer is building up debt at a rapid pace. The author believes that this can not go on forever, and eventually the consumer will have to slow his spending, which will dramatically slow the economy."In den beiden weiteren Teilen geht es dann wohl um Strategien zur Vermögenswahrung bzw. Alterssicherung; diese Teile sind anscheinend umstritten. "Monty" z. B. schreibt hier in einer mir sehr informativ erscheinenden Buchbesprechung:
The "argument is presented in 85 pages. What follows the initial painting of the situation and expected outcome is much less valuable in my opinion. ..... Still, I admire the author and his work and recommend those first 85 pages."
Hier ein Interview, allerdings vom Mai 2007. Damals prognostizierte er (zutreffend) weitere Preisrückgänge für Einfamilienhäuser in den USA:
"Between 1940 and 2000, the median price of homes increased an average of 2.3% above inflation every year (probably mainly due to homes getting larger). Between 2000 and 2005, home prices went up in excess of 8.4% per year in addition to the 2.3% historical increase, for a total of 49% over the expected historical increase. Now, in 2006, homes went down almost 6% (including inflation). Homes would have to drop an additional 25% to be back at the expected value of homes based on their historical 2.3% yearly increase. And, since homes were being built to satisfy the increased demand of the last few years, there are too many homes for the reduced number of qualified buyers that will be standing after the crash. This makes it likely that homes will fall even MORE than 25%. In other words, we have only seen the tip of the housing crash iceberg!"
Der Autor hat sein o. a. Buch inzwischen unter einem neuen Titel aktualisiert. Darüber informierte er in seinem Blog u.d.T. "Mid-September 2008 Update of “The Second Great Depression” " (meine Hervorhebung):
"Starting today, “The Second Great Depression” will no longer be published. It will be replaced by “The Great Depression of Debt” which will be available in December. The new book is just an updated version of the first book. John Wiley & Sons, the new publisher, insisted on the new title so it wouldn’t be confused with the earlier book."
Der vollständige neue Titel lautet: "The Great Depression of Debt: Survival Techniques for Every Investor". Dazu gibt es - außer natürlich den Amazon-Leser-Rezensionen - hier eine (undatierte) Besprechung:
"The first few chapters establish the inevitability of the current crisis and establishes the propensity to live beyond one's income as the root cause. Mr.Brussee's crystal ball for the markets predicts continuing turmoil, with depression bottoming out by 2012 or 2013 and he expects USA to fully recover only by 2020 though there will be several apparent recoveries as the depression marches down its path. ..... He lays great store on increasing spending on renewable and clean energy sources. ..... This book should be regarded as two books rolled into one. The first book covers what I have described above: The reasons for the mess which exists today, future scenario building exercise and a prescription of medicines that need to be delivered to recover from the era of past excesses. The author thereafter moves into a completely different arena. He attempts to define an investment strategy focused on inflation protection and a depression survival guide complete with retirement savings charts."
"The Merriman Market Analyst (MMA)", ein Finanzastrologe, behauptet von sich, die Krise, allerdings in eher vager Form für die Jahre 2008 - 2012 (oder sogar bis 2015) aufgrund der seltenen astrologischen Sternenkonstellation eines "cardinal climax" [was immer das sein mag] vorausgesehen zu haben.
Nachtrag 20.12.2012
Nachträge 18.09.2011
Dem Leserkommentator "genauer" verdanke ich den Hinweis auf einen Warren Brussee. Der hatte ein Buch "The Second Great Depression. Starting 2007, Ending 2020" geschrieben. Erschienen ist dieses Buch bereits im März 2005. Über das Buch und den Autor erfahren wir bei Amazon (meine Hervorhebungen):
"Product Description
This frightening book shows how massive consumer debt will trigger the next depression, starting in 2007. With interest rates increasing, savings rates near zero and debt at its maximum, people will be pushed over their debt limit, causing the depression.
About the Author
Warren Brussee spent 33 years at GE as an engineer, plant manager, and engineering manager. He earned his engineering degree at Cleveland State University and attended Kent State towards his EMBA. The author has written two other books, Statistics for SIX SIGMA Made Easy and All About Six Sigma". Warren Brussee, der auch einen Blog betreibt (auf welchem er insbesondere die Prognosen in seinem Buch aktualisiert) hat auch mehrere andere Bücher geschrieben. Über das vorliegende Buch erfahren wir von einem Amazon-Kundenrezensenten:
"This book has three parts. In the first part, the author uses government data and charts to show how the consumer is building up debt at a rapid pace. The author believes that this can not go on forever, and eventually the consumer will have to slow his spending, which will dramatically slow the economy."In den beiden weiteren Teilen geht es dann wohl um Strategien zur Vermögenswahrung bzw. Alterssicherung; diese Teile sind anscheinend umstritten. "Monty" z. B. schreibt hier in einer mir sehr informativ erscheinenden Buchbesprechung:
The "argument is presented in 85 pages. What follows the initial painting of the situation and expected outcome is much less valuable in my opinion. ..... Still, I admire the author and his work and recommend those first 85 pages."
Hier ein Interview, allerdings vom Mai 2007. Damals prognostizierte er (zutreffend) weitere Preisrückgänge für Einfamilienhäuser in den USA:
"Between 1940 and 2000, the median price of homes increased an average of 2.3% above inflation every year (probably mainly due to homes getting larger). Between 2000 and 2005, home prices went up in excess of 8.4% per year in addition to the 2.3% historical increase, for a total of 49% over the expected historical increase. Now, in 2006, homes went down almost 6% (including inflation). Homes would have to drop an additional 25% to be back at the expected value of homes based on their historical 2.3% yearly increase. And, since homes were being built to satisfy the increased demand of the last few years, there are too many homes for the reduced number of qualified buyers that will be standing after the crash. This makes it likely that homes will fall even MORE than 25%. In other words, we have only seen the tip of the housing crash iceberg!"
Der Autor hat sein o. a. Buch inzwischen unter einem neuen Titel aktualisiert. Darüber informierte er in seinem Blog u.d.T. "Mid-September 2008 Update of “The Second Great Depression” " (meine Hervorhebung):
"Starting today, “The Second Great Depression” will no longer be published. It will be replaced by “The Great Depression of Debt” which will be available in December. The new book is just an updated version of the first book. John Wiley & Sons, the new publisher, insisted on the new title so it wouldn’t be confused with the earlier book."
Der vollständige neue Titel lautet: "The Great Depression of Debt: Survival Techniques for Every Investor". Dazu gibt es - außer natürlich den Amazon-Leser-Rezensionen - hier eine (undatierte) Besprechung:
"The first few chapters establish the inevitability of the current crisis and establishes the propensity to live beyond one's income as the root cause. Mr.Brussee's crystal ball for the markets predicts continuing turmoil, with depression bottoming out by 2012 or 2013 and he expects USA to fully recover only by 2020 though there will be several apparent recoveries as the depression marches down its path. ..... He lays great store on increasing spending on renewable and clean energy sources. ..... This book should be regarded as two books rolled into one. The first book covers what I have described above: The reasons for the mess which exists today, future scenario building exercise and a prescription of medicines that need to be delivered to recover from the era of past excesses. The author thereafter moves into a completely different arena. He attempts to define an investment strategy focused on inflation protection and a depression survival guide complete with retirement savings charts."
"The Merriman Market Analyst (MMA)", ein Finanzastrologe, behauptet von sich, die Krise, allerdings in eher vager Form für die Jahre 2008 - 2012 (oder sogar bis 2015) aufgrund der seltenen astrologischen Sternenkonstellation eines "cardinal climax" [was immer das sein mag] vorausgesehen zu haben.
Nachtrag 20.12.2012
Schnell noch eintragen; letzte Chance vor dem morgigen Maya-Weltuntergang! ;-)
Im Jahre des Herrn 2005, am 12.12., veröffentlichte ein Blog den Artikel "How Debt Money Goes Broke" eines gewissen Steven Lachance. Über dessen Hintergrund erfahren wir: "... financial translator based in Tokyo. Over the last decade, he has worked for major European and Japanese investment banks, including Deutsche Bank Group, Commerzbank, Nikko Solomon Smith Barney, and Mizuho Securities."
Hoch interessant bezüglich der Verschuldungsproblematik (u. a. bestreitet er die Ben-Bernanke-Geschichte vom globalen "savings glut", der angeblich die USA überschwemmt habe) und, auch wenn er eine Krise nicht explizit prognostiziert, im Grunde eine Vorhersage der bevorstehenden Krise. Wenige Tage später, am 23.12.2005, heißt es dann in seinem Artikel "The Fed's Turn to Fail":
"With interest rates in a cyclical uptrend since the benchmark 10-year Treasury bottomed at 3.09% on 16 June 2003, interest charges are accelerating. Meanwhile, annual debt growth remains robust at $3 trillion, but the rate of increase is subsiding. Given that about half of this debt growth stems from mortgage financing, the nascent slowdown in the US housing market suggests debt growth is poised to slow substantially. A crossover of interest charges and debt growth appears likely during the next 24 months."
Und in der Tat brach ja die Finanzkrise im August 2007 tatsächlich aus (nicht erst im September 2009 bei der Lehman-Insolvenz). Damals gelang es allerdings den Notenbanken, die Krisensymptome zu unterdrücken; der Schwelbrand hat sich allerdings weitergefressen. Und, weil die Notenbanken noch immer versuchen, fundamentale Probleme mit ihre Palliativmitteln zu "bekämpfen", wird sich in nicht allzu ferner Zukunft der Schwelbrand noch einmal zu einer richtigen Glut entfachen. Wann und aus welchem Anlass kann niemand sagen; aber dass es zum großen Krach kommt, halte ich für gewiss.
Nachtrag 01.08.2014
Nachtrag 08.02.2015
Kehren wir von den 'Vorhersage-Links' zurück zur aktuellen Situation:
Nachträge 30.09.08
"China. Die neue Geldmacht" von Frank Sieren, © DIE ZEIT, 25.09.2008 Nr. 40, informiert über die Aktionen und die Haltung der chinesischen Notenbank und Regierung. (Eine weitere Geld-Weltmacht dürfte Saudi-Arabien sein. Ich habe nicht recherchiert, ob auch über deren finanzielle Aktivitäten oder Manöver aktuelle Artikel im Netz stehen.)
Der Artikel "Warum Finanzkrisen unvermeidlich sind" von Martin Hock (Faz.Net 30.09.08) ist nicht uninteressant; hauptsächlich verlinke ich ihn hier aber deshalb, weil am rechten Rand eine Spalte mit Links zu zahlreichen Artikeln über historische Finanzkrisen steht [u. a. auch über die Technologie-Blase, aber die bräuchte ich eigentlich nicht zu lesen: den Neuer-Markt-Hype habe ich 'live' mitgemacht oder präziser: miterlitten ;-)]
Philip Faigle kritisiert in der ZEIT ONLINE v. 29.9.2008 (18:34) unter "Finanzkrise. Ende der Arroganz" ähnlich wie ich (siehe oben) die (zumindest früher gezeigte) Überheblichkeit der deutschen Politik:
"Das geplante Rettungspaket für die Hypo Real Estate ist eine Niederlage für Finanzminister Peer Steinbrück. Er schalt das Krisenmanagement der USA. Jetzt ist er selbst bloßgestellt."
Immer interessant ist der Wirtschafts-Blog "Herdentrieb" der "fünf Hirten des Blogs, Robert von Heusinger, Uwe Richter, Dieter Wermuth, Fabian Lindner und Lucas Zeise", z. B. aktuell der Beitrag "Von Financial Engineers und Betrügern" (Dieter Wermuth, 25.09.08).
Mit "Keine sichere Bank" beschreibt Thomas Hammer auf ZEIT Online v. 30.09.08 die Situation der europäischen Banken.
Unter "Kapitalismus. Pleite der letzten Utopie" sind jeweils mehrere kurze Kommentare von Jens Jessen, Evelyn Finger und Thomas Assheuer zur Finanzmarktkrise zusammengefasst. Nun ja: wenn man die Geschichte der Finanzmarktkrisen verfolgt (s. o.), dann hat der Kapitalismus diese bisher noch immer überlebt. Wenn ihm eines Tages etwas den Garaus machen wird, dann wird dies nach meiner Einschätzung die Erschöpfung der Rohstoffe sein.
Trotzdem sind diese Meinungen eine durchaus interessante Lektüre. Insbesondere spricht Jens Jessen unter "Versagen oder Systemzwang" eine Frage an, die auch mich umgetrieben hatte:
"Es gibt eine dilemmatische Frage, der die Beteiligten der Krise mit Hartnäckigkeit ausweichen, obwohl von ihr die zukünftige Akzeptanz des Kapitalismus abhängen wird. Hat das Individuum versagt oder das System?"
Ein Gedankenexperiment verhilft uns zur richtigen Antwort.
Nehmen wir an, der Vorstand einer großen Bank hätte im Jahre 2005 (s. o.) die Warnungen vor einer Immobilienblase, insbesondere in den USA, ernst genommen und alle Kapitalanlagen gemieden bzw. Ausleihungen unterlassen, welche durch einen solchen Kollaps gefährdet sein könnte: der hätte nicht mehr viele Anlagemöglichkeiten gehabt. Nicht nur hätte er keine Immobilienkredite in Amerika vergeben bzw. amerikanische Kreditpakete aufkaufen können. Er hätte nicht einmal mehr Geld an andere Banken verleihen dürfen; schließlich können die, wie geschehen, ja ebenfalls pleite gehen. Da wäre die Rendite seines Unternehmens mit Sicherheit äußerst mager gewesen, wenn es nicht sogar Verluste geschrieben hätte. Und einen derartigen Kurs hätte seine Bank 3 Jahre lang durchstehen müssen: nicht nur seine Aktionäre hätten einen solchen Vorstand in der Luft zerrissen, auch die Gewerkschaften hätten ihn wütend als Arbeitsplatzvernichter beschimpft (so wie sie jetzt vermutlich in die andere Richtung schimpfen). Man sieht, das hätte niemand durchhalten können. Der Systemfluss zwingt die Fischlein (und im Verhältnis zur Macht des Systems ist auch der mächtigste Bankvorstand nichts als ein ganz, ganz kleiner Fisch) zum Mitschwimmen. Dass dabei am Ende alle über die Wupper gehen, weiß niemand und glaubt niemand in einer solchen Situation.
[Anm. v. 16.11.08: In dem o. g. Gespräch "Banker weg, wir brauchen eine Revolution!" mit der FAZ (FAZ.net 13.11.08) bestätigt der amerikanische Risikoforscher Nassim Nicholas Taleb meine o. g. Meinung: "Wenn eine Bank sich geweigert hätte, mit Subprimes, mit minderwertigen Darlehen, zu handeln, hätte sie zumachen können. Analysten hätten sie heruntergestuft, weil sie weniger Profit als die Konkurrenz machte".]
Nachtrag 01.10.08
Im Jahre des Herrn 2005, am 12.12., veröffentlichte ein Blog den Artikel "How Debt Money Goes Broke" eines gewissen Steven Lachance. Über dessen Hintergrund erfahren wir: "... financial translator based in Tokyo. Over the last decade, he has worked for major European and Japanese investment banks, including Deutsche Bank Group, Commerzbank, Nikko Solomon Smith Barney, and Mizuho Securities."
Hoch interessant bezüglich der Verschuldungsproblematik (u. a. bestreitet er die Ben-Bernanke-Geschichte vom globalen "savings glut", der angeblich die USA überschwemmt habe) und, auch wenn er eine Krise nicht explizit prognostiziert, im Grunde eine Vorhersage der bevorstehenden Krise. Wenige Tage später, am 23.12.2005, heißt es dann in seinem Artikel "The Fed's Turn to Fail":
"With interest rates in a cyclical uptrend since the benchmark 10-year Treasury bottomed at 3.09% on 16 June 2003, interest charges are accelerating. Meanwhile, annual debt growth remains robust at $3 trillion, but the rate of increase is subsiding. Given that about half of this debt growth stems from mortgage financing, the nascent slowdown in the US housing market suggests debt growth is poised to slow substantially. A crossover of interest charges and debt growth appears likely during the next 24 months."
Und in der Tat brach ja die Finanzkrise im August 2007 tatsächlich aus (nicht erst im September 2009 bei der Lehman-Insolvenz). Damals gelang es allerdings den Notenbanken, die Krisensymptome zu unterdrücken; der Schwelbrand hat sich allerdings weitergefressen. Und, weil die Notenbanken noch immer versuchen, fundamentale Probleme mit ihre Palliativmitteln zu "bekämpfen", wird sich in nicht allzu ferner Zukunft der Schwelbrand noch einmal zu einer richtigen Glut entfachen. Wann und aus welchem Anlass kann niemand sagen; aber dass es zum großen Krach kommt, halte ich für gewiss.
Nachtrag 01.08.2014
Ein weiterer Autor, der die Immobilienkrise vorhergesehen hat, ist der Wirtschaftswissenschaftler Michael Hudson. Gestützt auf Aussagen von Alan Greenspan aus dem Jahr 2005 (wie oben?) schrieb er den Artikel "the new road to serfdom. An illustrated guide to the coming real estate collapse", der im Mai 2006 im Harper's Magazine veröffentlicht wurde.
Nachtrag 08.02.2015
Frappierend ist eine Passage aus dem Interview des (verstorbenen) "Austrian" Roland Baader in dem Interview „Wir werden wieder das Beten lernen“ aus dem Jahr 2005:
"Smart Investor: Haben Sie eine Vorstellung, wann unser Wirtschaftssystem zu Bruch gehen könnte?
Baader: Seriöse Analysen zeigen eine kumulative Spitze mehrerer negativer Trends im Jahr 2008, jedenfalls für die USA. Das muß aber nicht heißen, daß es erst dann – ja noch nicht einmal, daß es schon dann „mulmig“ wird."
Interessant wäre es zu wissen, um welche Analysen es sich handelt.
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Kehren wir von den 'Vorhersage-Links' zurück zur aktuellen Situation:
Nachträge 30.09.08
"China. Die neue Geldmacht" von Frank Sieren, © DIE ZEIT, 25.09.2008 Nr. 40, informiert über die Aktionen und die Haltung der chinesischen Notenbank und Regierung. (Eine weitere Geld-Weltmacht dürfte Saudi-Arabien sein. Ich habe nicht recherchiert, ob auch über deren finanzielle Aktivitäten oder Manöver aktuelle Artikel im Netz stehen.)
Der Artikel "Warum Finanzkrisen unvermeidlich sind" von Martin Hock (Faz.Net 30.09.08) ist nicht uninteressant; hauptsächlich verlinke ich ihn hier aber deshalb, weil am rechten Rand eine Spalte mit Links zu zahlreichen Artikeln über historische Finanzkrisen steht [u. a. auch über die Technologie-Blase, aber die bräuchte ich eigentlich nicht zu lesen: den Neuer-Markt-Hype habe ich 'live' mitgemacht oder präziser: miterlitten ;-)]
Philip Faigle kritisiert in der ZEIT ONLINE v. 29.9.2008 (18:34) unter "Finanzkrise. Ende der Arroganz" ähnlich wie ich (siehe oben) die (zumindest früher gezeigte) Überheblichkeit der deutschen Politik:
"Das geplante Rettungspaket für die Hypo Real Estate ist eine Niederlage für Finanzminister Peer Steinbrück. Er schalt das Krisenmanagement der USA. Jetzt ist er selbst bloßgestellt."
Immer interessant ist der Wirtschafts-Blog "Herdentrieb" der "fünf Hirten des Blogs, Robert von Heusinger, Uwe Richter, Dieter Wermuth, Fabian Lindner und Lucas Zeise", z. B. aktuell der Beitrag "Von Financial Engineers und Betrügern" (Dieter Wermuth, 25.09.08).
Mit "Keine sichere Bank" beschreibt Thomas Hammer auf ZEIT Online v. 30.09.08 die Situation der europäischen Banken.
Unter "Kapitalismus. Pleite der letzten Utopie" sind jeweils mehrere kurze Kommentare von Jens Jessen, Evelyn Finger und Thomas Assheuer zur Finanzmarktkrise zusammengefasst. Nun ja: wenn man die Geschichte der Finanzmarktkrisen verfolgt (s. o.), dann hat der Kapitalismus diese bisher noch immer überlebt. Wenn ihm eines Tages etwas den Garaus machen wird, dann wird dies nach meiner Einschätzung die Erschöpfung der Rohstoffe sein.
Trotzdem sind diese Meinungen eine durchaus interessante Lektüre. Insbesondere spricht Jens Jessen unter "Versagen oder Systemzwang" eine Frage an, die auch mich umgetrieben hatte:
"Es gibt eine dilemmatische Frage, der die Beteiligten der Krise mit Hartnäckigkeit ausweichen, obwohl von ihr die zukünftige Akzeptanz des Kapitalismus abhängen wird. Hat das Individuum versagt oder das System?"
Ein Gedankenexperiment verhilft uns zur richtigen Antwort.
Nehmen wir an, der Vorstand einer großen Bank hätte im Jahre 2005 (s. o.) die Warnungen vor einer Immobilienblase, insbesondere in den USA, ernst genommen und alle Kapitalanlagen gemieden bzw. Ausleihungen unterlassen, welche durch einen solchen Kollaps gefährdet sein könnte: der hätte nicht mehr viele Anlagemöglichkeiten gehabt. Nicht nur hätte er keine Immobilienkredite in Amerika vergeben bzw. amerikanische Kreditpakete aufkaufen können. Er hätte nicht einmal mehr Geld an andere Banken verleihen dürfen; schließlich können die, wie geschehen, ja ebenfalls pleite gehen. Da wäre die Rendite seines Unternehmens mit Sicherheit äußerst mager gewesen, wenn es nicht sogar Verluste geschrieben hätte. Und einen derartigen Kurs hätte seine Bank 3 Jahre lang durchstehen müssen: nicht nur seine Aktionäre hätten einen solchen Vorstand in der Luft zerrissen, auch die Gewerkschaften hätten ihn wütend als Arbeitsplatzvernichter beschimpft (so wie sie jetzt vermutlich in die andere Richtung schimpfen). Man sieht, das hätte niemand durchhalten können. Der Systemfluss zwingt die Fischlein (und im Verhältnis zur Macht des Systems ist auch der mächtigste Bankvorstand nichts als ein ganz, ganz kleiner Fisch) zum Mitschwimmen. Dass dabei am Ende alle über die Wupper gehen, weiß niemand und glaubt niemand in einer solchen Situation.
[Anm. v. 16.11.08: In dem o. g. Gespräch "Banker weg, wir brauchen eine Revolution!" mit der FAZ (FAZ.net 13.11.08) bestätigt der amerikanische Risikoforscher Nassim Nicholas Taleb meine o. g. Meinung: "Wenn eine Bank sich geweigert hätte, mit Subprimes, mit minderwertigen Darlehen, zu handeln, hätte sie zumachen können. Analysten hätten sie heruntergestuft, weil sie weniger Profit als die Konkurrenz machte".]
Nachtrag 01.10.08
Nun haben wir bereits eine "Debatte über europäischen Bankenrettungsplan".
Nachträge vom 04.10.08
Ich hatte oben von einem "hypertrophen und parasitären Kapitalmarkt" gesprochen. Das könnte dahin gehend missverstanden werden, dass ich den Akteuren (und den Beobachtern -also etwa der Politik-) unterstelle, sie wüssten, dass das und was am gegenwärtigen Finanzsystem parasitär ist. Ich fürchte indes, dass die Lage so einfach nicht ist. Zwar halte ich dafür, dass 90% der derzeitigen Bankprodukte überflüssig sind. Doch glaube ich auch, dass auch für diesen Bereich dasselbe kluge Bonmot gilt, das irgend jemand vor langer Zeit mit Bezug auf die Werbung geprägt hat: "90% sind überflüssig - man weiß nur nicht, welche 90%".
Aus diesem Grund sind regulierende Eingriffe nicht einfach und nicht unproblematisch: was einerseits das Risiko begrenzt, kann andererseits die Chancen (auch den gesellschaftlichen Nutzen) mindern.
Es ist ja nicht so, dass das Finanzsystem durchgängig versagt hätte. Jahrelang ist Amerika wirtschaftlich gut damit gefahren, und die Welt vielleicht auch. Hätte man eher schärfer reguliert - wie wäre die Entwicklung dann verlaufen? Wir wissen es nicht, und können es leider auch nicht experimentell testen.
"Finanzkrise. Eine Krise, ja und? Krisen sind Lehrmeister, denn die offene Gesellschaft findet immer Lösungen" von Christoph Keese, Chefredakteur "Welt am Sonntag" und WELT ONLINE vom 08.10.2008: hört sich rotzig an, der Titel, aber der Aufsatz enthält doch einige bedenkenswerte Überlegungen, z. B.:
"Nicht Derivate sind das Teufelszeug, sondern der Wahnsinn, der in dritter Ableitung mit ihnen getrieben wurde. .....
Nachträge 29.10.2008
Es ist ein fundamentaler Konstruktionsfehler der Bankenrettungspakete, und eine unverdiente Bevorzugung und Begünstigung der Bankbesitzer (also der Aktionäre, da es Privatbanken bzw. Banken in anderer Rechtsform ja kaum noch gibt), dass der Staat insolvenzreife Banken nicht pleite gehen lässt um sie dann - vorübergehend - vollständig zu übernehmen. (Diese meine Idee ist nicht identisch mit der - verfehlten - Forderung, dass der Staat nicht in der aktuellen Zwangslage die Gläubiger bedienen sollte: die Schulden müsste er schon schlucken.).
Dieser Meinung, bzw. jedenfalls der Auffassung, dass die Bankaktionäre nicht von der Staatsknete profitieren sollten, bin nicht nur ich, sondern sind auch zwei veritable Fachleute, jeglicher Neigung zum Sozialismus unverdächtig.
Stefan Homburg, Professor für öffentliche Finanzen an der Universität Hannover, hat sich dazu in einem Interview "Politisch enthemmt" mit der Wirtschaftswoche (Bert Losse ) vom 25.10.08 so geäußert (meine Hervorhebung):
"Wir konzentrieren uns zu sehr auf die Frage, wie sich kurzfristig Schmerzen vermeiden lassen. Außer Betracht bleiben die langfristigen Anreizeffekte der Staatseingriffe. Meiner Meinung nach hätte man die Hypo Real Estate in die Insolvenz gehen lassen sollen. Dann bekäme Ex-Vorstandschef Funke nicht monatlich 42.000 Euro und eine ordentliche Rente obendrauf – sondern gar nichts. Bei Insolvenz gibt es keinen goldenen Fallschirm."
In meinem Leserkommentar (merkwürdiger Weise bislang der einzige Kommentar) dazu schrieb ich:
"Dieser Meinung kann ich mich nur anschließen; weniger wegen der Rente für Funke als vielmehr deshalb, weil letztlich die Aktionäre der Bank davon profitieren, also (auch wenn die Kurse momentan im Keller sind) vom Staat "rausgehauen" werden.
Breiteren Raum nimmt diese Problematik in einem Interview "Die Aktionäre müssen bluten" der ZEIT ONLINE vom 21.10.2008 mit Thomas Straubhaar, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und Mitglied der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, ein und ist dort auch explizit auf die Eigentümerverantwortung abgestellt.
Die entsprechenden Passagen gebe ich hier im Auszug wieder:
"Straubhaar: ... bei ... einer Beteiligung am Eigenkapital sollte man zuerst eine Rechtsformänderung vornehmen und die alte Bank untergehen lassen, aber dann gleich wieder durch eine neu zu gründende staatliche Auffangbank ersetzen. Dadurch würde das bisherige Eigenkapital seinen Wert vollständig verlieren.
Eigentümer haben in unserer Wirtschaftsordnung nun einmal die Last einer eventuellen Firmeninsolvenz zu tragen: Punkt, aus! Sie kassieren in guten Zeit ja auch die Gewinne. Ob sie etwas 'dafür können', dass "ihre" Firma insolvent wird, ist völlig unerheblich: jedenfalls bei allen anderen Firmenpleiten (mit Ausnahme der Firmenfortführungen im Insolvenzplanverfahren, bei dem ich mich aber frage, ob dieses nicht eigentlich auf Firmen mit persönlich haftenden Gesellschaftern, die zugleich die "Seele des Geschäfts" sind, beschränkt werden müsste). Warum sollte das bei Banken anders sein? Das wäre (bzw., leider:) ist in der Tat eine 'Verlotterung der Sitten'! Dass sich die SPD zu so etwas hergegeben hat, enttäuscht mich schon. (Man fragt sich, wie die Markt-Hüter der FDP dazu stehen, aber natürlich kennt man die Antwort im voraus: Interessen gehen über Prinzipien, und dass die FDP die politischen Interessen der Kapitalbesitzer bedient, steht außer Frage.)
[Nachtrag 04.01.09: Es wird nicht überraschen, dass auch die Marxistin Sahra Wagenknecht (Europaabgeordnete für "Die Linke") fordert: "Mindestens ist zu gewährleisten, dass öffentliches Geld nur im Tausch gegen öffentliche Eigentumsrechte freigegeben wird, der Staat also mit jedem Euro Steuergeld voll stimmrechtsfähige Aktien erwirbt und diese Stimmrechte dazu nutzt, um eine grundsätzliche Änderung des Geschäftsmodells der Banken zu erreichen". (Aus ihrer Pressemitteilung " 'Rettungspaket' muss abgelehnt werden" vom 17.10.2008.)]
Eine Fülle von Fakten und Links bietet - na wer wohl?
Das Stichwort "Finanzkrise" in der deutschsprachigen Wikipedia lässt (derzeit) noch mancherlei Informationswünsche unbefriedigt, bietet aber einen interessanten Überblick nach Ländern geordnet.
Die englischsprachige Ausgabe 'erschlägt' uns geradezu mit Stichworten (nicht überraschend angesichts der größeren Zahl englischsprachiger User und besonders im Hinblick auf die USA als Krisenherd):
Am Schluss des Stichwortes "Financial crisis of 2007–2008" finden wir eine Linkliste zu Einträgen in den Gruppen:
- Main issues Economic crisis of 2008 ·
- Specific issues United States housing market correction ·
- By country [derzeit nur Belgium, Iceland und Russia]
- Legislation
- Company failures
- Government bailouts and takeovers
- Company acquisitions
- Reorganizations
- Related entities [z. B. "Federal Reserve System", "Federal Housing Administration" usw.]
- Types of securities involved
- Financial markets
- Terminology [z. B. "Bailout", "Credit crunch" usw.]
Da bräuchte man schon Wochen, wenn nicht (für einen Laien wie mich) Monate, um sich da durchzuwühlen. Der Eintrag verlinkt aber noch zu einigen weiteren Stichworten mit einem breiteren Ansatz:
- "Global financial crisis of 2008",
- "Economic crisis of 2008" (über eine Verschmelzung dieses Eintrags mit dem vorhergehenden, der vielleicht tatsächlich sinnvoll wäre, wird diskutiert)
und zwei zum Krisenherd, der Immobilienblase (Housing bubble):
- "United States housing market correction" (mit dem Abschnitt "Market correction predictions" betr. mehr oder weniger frühe Vorhersagen der Krise) und
- "Subprime mortgage crisis".
Erg. 23.1.09: Unbedingt lesenswert erscheint mir (nach teilweise Lektüre) der Eintrag "Causes of the United States housing bubble", insbesondere das Kapitel "Risky mortgage products and lax lending standards" sowie der 'Dachartikel' "United States housing bubble". Hier ist speziell das Kapitel "Identifying the housing bubble" hervorzuheben, weil es eine Fülle von Belegen dafür bringt, dass Probleme mit den Hypothekenkreiten bereits lange vor dem Jahr 2007 bekannt waren und die Immobilienkrise von vielen schon früh vorhergesagt wurde.
Eine finanzwissenschaftliche Untersuchung der Immobilienkrise hat Otto Van Hemert von der New York University's Leonard N. Stern School of Business in Zusammenarbeit mit Yuliya Demyanyk von der Federal Reserve Bank (FRB) St. Louis u. d. T. "The Subprime Mortgage Crisis: Could We Have Seen It Coming?" vorgelegt.
Im Finanzblog der Universität findet sich ein "executive summary" mit einem Link zum Download des Forschungspapiers.
Van Hemert kommt zu dem Schluss, dass "by as early as 2005 it was possible to detect a serious deterioration of subprime loan quality". Auszüge aus der Zusammenfassung:
“The subprime market grew dramatically starting with 2001. Based on our database, which covered roughly half of the subprime mortgage market, the number of new loans more than quadrupled, and the average loan size almost doubled over the sample period.
"Using loan-level data, we analyze the quality of subprime mortgage loans by adjusting their performance for differences in borrower characteristics, loan characteristics, and house price appreciation since origination. We find that the quality of loans deteriorated for six consecutive years before the crisis and that securitizers were, to some extent, aware of it. We provide evidence that the rise and fall of the subprime mortgage market follows a classic lending boom-bust scenario, in which unsustainable growth leads to the collapse of the market. Problems could have been detected long before the crisis, but they were masked by high house price appreciation between 2003 and 2005." [Hervorhebungen von mir]
Diese Analyse (die Forschungsarbeit selbst habe ich freilich nur angelesen) lässt keinen Zusammenhang zwischen der 'Subprime-Krise' und der Ölpreisentwicklung erkennen; das alles ist scheinbar eine ganz normale Entwicklung, wie sie bei jeder Art von überhitzten Märkten zu beobachten ist. Die Frage nach möglichen externen Zusammenhängen war allerdings auch nicht Gegenstand der Arbeit; insoweit widerlegt das Papier nicht meine Annahme, dass die Finanzkrise zumindest dem Umfang nach und zumindest teilweise mit der Preisexplosion am Erdölmarkt im Zusammenhang stand.
Eine andere Perspektive verfolgt Stan J. Liebowitz in seiner Studie "Anatomy of a Train Wreck. Causes of the Mortgage Meltdown" vom 03.10.2008. Auch hier musste ich mich auf eine Lektüre des "Executive Summary" beschränken, den ich nachfolgend wiedergebe (meine Hervorhebungen):
"Why did the mortgage market melt down so badly? Why were there so many defaults when the economy was not particularly weak? Why were the securities based upon these mortgages not considered anywhere as risky as they actually turned out to be? This report concludes that, in an attempt to increase home ownership, particularly by minorities and the less affluent, virtually every branch of the government undertook an attack on underwriting standards starting in the early 1990s. Regulators, academic specialists, GSEs, and housing activists universally praised the decline in mortgage-underwriting standards as an “innovation” in mortgage lending. This weakening of underwriting standards succeeded in increasing home ownership and also the price of housing, helping to lead to a housing price bubble. The price bubble, along with relaxed lending standards, allowed speculators to purchase homes without putting their own money at risk. The recent rise in foreclosures is not related empirically to the distinction between subprime and prime loans since both sustained the same percentage increase of foreclosures and at the same time. [Aha: es sind also keineswegs nur die Ärmsten der Armen, die sich vorzeitig aus ihren Kreditverpflichtungen verabschieden!] Nor is it consistent with the “nasty subprime lender” hypothesis currently considered to be the cause of the mortgage meltdown. Instead, the important factor is the distinction between adjustable-rate and fixed-rate mortgages. This evidence is consistent with speculators turning and running when housing prices stopped rising."
Mit anderen Worten: In den USA haben Gesetzgeber, Regierung und Behörden Rahmenbedingungen geschaffen, welche unter den Bedingungen einer 'freien Wirtschaft' den Immobilienmarkt zum Spekulationsobjekt machen mussten (da in den USA bei derartigen Krediten die Hauseigentümer nur mit der Immobilie haften, nicht mit ihrem sonstigen Vermögen.). Das ist vermutlich nicht falsch (man liest es auch anderswo), aber wenn man Liebowitz' Herangehen mit der Feststellung von van Hemer vergleicht, wonach der "subprime market grew dramatically starting with 2001" wird man den Eindruck nicht los, dass bei Liebowitz auch ideologische oder politische Motive im Spiel sind und ihn bewegen, die kurzfristige Entwicklung derart in längerfristige Trends einzubetten, dass die Federal Reserve Bank unter Greenspan und die Bush-Administration aus ihrer spezifischen Verantwortung entlassen werden. Zugleich soll wohl die Rolle des Staates als Regulierer diskreditiert werden; jedenfalls beschreibt der Wikipedia-Eintrag das "Independent Institute", welches diese Arbeit publiziert hat, als einen "libertarian think tank".
Wie ein anderer Wirtschafts-Libertärer, Alan Greenspan, die Derivatewirtschaft gegen mancherlei Widerstände durch den Abbau der staatlichen Kontrollen gefördert hat (und die Schuld am Debakel nun der Gier der Banker zuschieben will) kann man in dem ausführlichen Artikel "The Reckoning. Taking Hard New Look at a Greenspan Legacy" von PETER S. GOODMAN in der New York Times vom 08.10.2008 nachlesen.
Eine Reihe interessanter Daten über die Situation am Immobilienmarkt in den USA und eine Darstellung der Zusammenhänge zwischen Immobilienbewertung und Konsum präsentiert der Wirtschaftswissenschaftler Stijn Van Nieuwerburgh, ebenfalls von der 'Stern School' in seinem Blog-Beitrag "The Housing Crisis and its Effects on Aggregate Consumption".
Sein Resümee:
"It has been said many times before, but it is true: the US consumer has lived far above his means. Nowhere was this more apparent than in his relentless borrowing against the value of his house (as well as in accelerating credit card debt). That party is over now. I am afraid the home equity loans and lines of credit will only be available to those with impeccable credit histories, and the option-adjusted mortgages, NINJA ["no job, no income, no assets" - Kredite wurden also offenbar auch an einkommenslose und vermögenslose Personen vergeben] and liar loans [s. Wikipedia unter "stated income loans": "A stated income loan is a mortgage where the lender does not verify the borrower's income, by looking at their pay stubs, W-2 forms, income tax returns, or other records. Instead, borrowers are simply asked to state their income, and taken at their word. These loans are sometimes called 'liar loans' " - man fasst sich als Europäer an den Kopf, dass so etwas in einem Land der ersten Welt möglich ist!] are probably a thing of the past. With so much housing and stock market wealth destroyed, U.S. households will probably step up their savings in order to replensih their retirement accounts. This will further depress aggregate consumption growth going forward."
Folgende Konsequenzen will der Wissenschaftler daraus ziehen:
"These average numbers hide an enormous amount of heterogeneity. While homeowners who own their house free and clear may get through this crisis relatively unscathed, the estimated one-in-six homeowners with negative home equity are in much worse shape. I like the proposal to keep as many of these households in their homes through mortgage restructuring and/or by converting their ownership into a rental constract ("sale-and-lease-back") [recte: contract oder construct?]. But that's a discussion for a next time." (Meine Hervorhebung)
Wie darf man sich das technisch vorstellen? Als ein "bailout" der Hauskäufer durch den amerikanischen Steuerzahler (bzw., da jedenfalls aktuell das amerikanische Steueraufkommen zur Finanzierung des Staatshaushaltes ohnehin nicht ausreicht: zunächst einmal faktisch durch weitere Kreditaufnahmen der US-Regierung bei ausländischen Investoren und Finanzinstitutionen)? Und welche Auswirkungen hätte das? Eine künstliche Stabilisierung überhöhter Immobilienpreise?
Auf der Seite "Credit Crisis — The Essentials" der New York Times findet, wer Zeit hat, einen jeweils aktualisierten Bericht über die Entwicklung und den aktuellen Stand der Krise sowie Links zu Myriaden einschlägigen Berichten dieser Zeitung.
Nachtrag 03.11.08
Nachträge vom 04.10.08
Ich hatte oben von einem "hypertrophen und parasitären Kapitalmarkt" gesprochen. Das könnte dahin gehend missverstanden werden, dass ich den Akteuren (und den Beobachtern -also etwa der Politik-) unterstelle, sie wüssten, dass das und was am gegenwärtigen Finanzsystem parasitär ist. Ich fürchte indes, dass die Lage so einfach nicht ist. Zwar halte ich dafür, dass 90% der derzeitigen Bankprodukte überflüssig sind. Doch glaube ich auch, dass auch für diesen Bereich dasselbe kluge Bonmot gilt, das irgend jemand vor langer Zeit mit Bezug auf die Werbung geprägt hat: "90% sind überflüssig - man weiß nur nicht, welche 90%".
Aus diesem Grund sind regulierende Eingriffe nicht einfach und nicht unproblematisch: was einerseits das Risiko begrenzt, kann andererseits die Chancen (auch den gesellschaftlichen Nutzen) mindern.
Es ist ja nicht so, dass das Finanzsystem durchgängig versagt hätte. Jahrelang ist Amerika wirtschaftlich gut damit gefahren, und die Welt vielleicht auch. Hätte man eher schärfer reguliert - wie wäre die Entwicklung dann verlaufen? Wir wissen es nicht, und können es leider auch nicht experimentell testen.
"Finanzkrise. Eine Krise, ja und? Krisen sind Lehrmeister, denn die offene Gesellschaft findet immer Lösungen" von Christoph Keese, Chefredakteur "Welt am Sonntag" und WELT ONLINE vom 08.10.2008: hört sich rotzig an, der Titel, aber der Aufsatz enthält doch einige bedenkenswerte Überlegungen, z. B.:
"Nicht Derivate sind das Teufelszeug, sondern der Wahnsinn, der in dritter Ableitung mit ihnen getrieben wurde. .....
Hätte man das nicht früher erkennen können? Ja, hätte man ... und im Fall der US-Immobilienkrise ist es vorausgesehen worden. Warum hat niemand gehandelt?
Zwei Gründe mag man benennen. Erstens neigt eine Fraktion von Konservativen dazu, Liberalismus mit Anarchie zu verwechseln. George W. Bush gehört dazu. Seine Politik lief auf Anarchie hinaus – jeder darf alles tun, was ihm gefällt. In Washington und an der Wall Street ging es in Bushs Amtszeit zu wie im antiautoritären Kinderladen. Liberale aber sind immer schon für den starken Staat gewesen. Jede Verkehrskreuzung zeigt, wie sehr die Liberalen im Recht sind und wie hoffnungslos die Anarchisten danebenliegen. Funktioniert die Ampel, nimmt jeder eine kurze Wartezeit in Kauf und huscht hinüber. Die Summe aller Wartezeiten ist auf das Minimum gesenkt. Fällt die Ampel aus, sucht jeder seinen eigenen Vorteil, und alle bleiben im Blechknäuel stecken – die Zeitsumme steigt auf ihr Maximum. Ein starker Staat nimmt die Funktion der Ampel wahr: Er schafft maximale Freiheit, indem er jedem ein Quäntchen davon wegnimmt.
Außerdem – der zweite Grund – steckt die Menschheit in einem Großexperiment, dessen Regeln sie nicht kennt. Globalisierung in Verbindung mit modernem Transport- und Nachrichtenwesen schafft den größten zusammenhängenden Markt der Geschichte, ..... Leben in einer einzigen Welt, dieser politische Traum, bleibt ein ökonomisches Wagnis. Verloren haben wir die Beherrschung nicht wegen einiger gieriger Banker. Verloren haben wir sie, weil die „eine Welt“, von der wir träumten, kaum zu beherrschen ist."
Nachträge 29.10.2008
Es ist ein fundamentaler Konstruktionsfehler der Bankenrettungspakete, und eine unverdiente Bevorzugung und Begünstigung der Bankbesitzer (also der Aktionäre, da es Privatbanken bzw. Banken in anderer Rechtsform ja kaum noch gibt), dass der Staat insolvenzreife Banken nicht pleite gehen lässt um sie dann - vorübergehend - vollständig zu übernehmen. (Diese meine Idee ist nicht identisch mit der - verfehlten - Forderung, dass der Staat nicht in der aktuellen Zwangslage die Gläubiger bedienen sollte: die Schulden müsste er schon schlucken.).
Dieser Meinung, bzw. jedenfalls der Auffassung, dass die Bankaktionäre nicht von der Staatsknete profitieren sollten, bin nicht nur ich, sondern sind auch zwei veritable Fachleute, jeglicher Neigung zum Sozialismus unverdächtig.
Stefan Homburg, Professor für öffentliche Finanzen an der Universität Hannover, hat sich dazu in einem Interview "Politisch enthemmt" mit der Wirtschaftswoche (Bert Losse ) vom 25.10.08 so geäußert (meine Hervorhebung):
"Wir konzentrieren uns zu sehr auf die Frage, wie sich kurzfristig Schmerzen vermeiden lassen. Außer Betracht bleiben die langfristigen Anreizeffekte der Staatseingriffe. Meiner Meinung nach hätte man die Hypo Real Estate in die Insolvenz gehen lassen sollen. Dann bekäme Ex-Vorstandschef Funke nicht monatlich 42.000 Euro und eine ordentliche Rente obendrauf – sondern gar nichts. Bei Insolvenz gibt es keinen goldenen Fallschirm."
In meinem Leserkommentar (merkwürdiger Weise bislang der einzige Kommentar) dazu schrieb ich:
"Dieser Meinung kann ich mich nur anschließen; weniger wegen der Rente für Funke als vielmehr deshalb, weil letztlich die Aktionäre der Bank davon profitieren, also (auch wenn die Kurse momentan im Keller sind) vom Staat "rausgehauen" werden.
Tatsächlich hätte man die Bank in die Insolvenz gehen lassen sollen; dann allerdings hätte der Staat (wegen des systemischen Risikos) den Betrieb einschließlich aller Schulden vom Insolvenzverwalter für 1,- € (bzw. für die Verwalter- und Gerichtskosten) aufkaufen sollen.
Auf diese Weise hätte der Staat die Bank gehabt und die Schulden übernommen, ohne dass die Verluste der Eigentümer sozialisiert worden wären, wie das jetzt der Fall ist."
Breiteren Raum nimmt diese Problematik in einem Interview "Die Aktionäre müssen bluten" der ZEIT ONLINE vom 21.10.2008 mit Thomas Straubhaar, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und Mitglied der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, ein und ist dort auch explizit auf die Eigentümerverantwortung abgestellt.
Die entsprechenden Passagen gebe ich hier im Auszug wieder:
"Straubhaar: ... bei ... einer Beteiligung am Eigenkapital sollte man zuerst eine Rechtsformänderung vornehmen und die alte Bank untergehen lassen, aber dann gleich wieder durch eine neu zu gründende staatliche Auffangbank ersetzen. Dadurch würde das bisherige Eigenkapital seinen Wert vollständig verlieren.
ZEIT ONLINE: Sie fordern ernsthaft eine vollständige Verstaatlichung?
Straubhaar: Ja. Zuerst müssen natürlich die Aktionäre auf ihre Eigenkapitalansprüche verzichten. Aber dann bin ich dafür, die Bank einer staatlichen Auffanggesellschaft zu überschreiben.
ZEIT ONLINE: Aber dann wären die Aktionäre die Gelackmeierten.
Straubhaar: Ich habe kein Mitleid mit den privaten Aktionären der Banken. Sie haben das gesamte Schlamassel mitverursacht. Ich finde es unverständlich, wenn die Banken jetzt durch staatliche Hilfen saniert werden und der Aktionär am Ende davon auch noch profitiert.
ZEIT ONLINE: Die Aktionäre sind schuld?
Straubhaar: Die Aktionäre müssen bluten, weil sie die Aufsichtsräte gewählt haben, die ganz offensichtlich die von ihnen ausgewählten Vorstände nicht ausreichend kontrolliert haben. ...
ZEIT ONLINE: Aber wie soll jemand, der vielleicht nur ein paar Bankaktien besitzt, die Wahl des Aufsichtsrats beeinflussen können? Das ist doch vollkommen unrealistisch.
Straubhaar: Wer Bank-Aktien kauft, der weiß genau, was er tut. Er hat sich in guten Zeiten über hohe Renditen gefreut und muss jetzt auch in die Pflicht genommen werden – sonst verlottern die Sitten an den Aktienmärkten vollständig. Da dürfen sich die Aktionäre nicht beklagen. Unwissenheit ist keine Entschuldigung für Fehlverhalten."
Die Interviewpartnerin Marlies Uken präsentiert die mutmaßliche Sicht der Aktionäre, die uns allen ja irgendwo nicht fremd ist. Dennoch hat Prof. Straubhaar im Ergebnis Recht. Es geht allerdings nicht darum, das "Unwissenheit ... keine Entschuldigung für Fehlverhalten" sein soll. Mit diesem Argument lässt sich Straubhaar schon viel zu weit auf das Feld der Rechtfertigung hineinziehen, wo man schnell zum Defensivspieler werden kann.Eigentümer haben in unserer Wirtschaftsordnung nun einmal die Last einer eventuellen Firmeninsolvenz zu tragen: Punkt, aus! Sie kassieren in guten Zeit ja auch die Gewinne. Ob sie etwas 'dafür können', dass "ihre" Firma insolvent wird, ist völlig unerheblich: jedenfalls bei allen anderen Firmenpleiten (mit Ausnahme der Firmenfortführungen im Insolvenzplanverfahren, bei dem ich mich aber frage, ob dieses nicht eigentlich auf Firmen mit persönlich haftenden Gesellschaftern, die zugleich die "Seele des Geschäfts" sind, beschränkt werden müsste). Warum sollte das bei Banken anders sein? Das wäre (bzw., leider:) ist in der Tat eine 'Verlotterung der Sitten'! Dass sich die SPD zu so etwas hergegeben hat, enttäuscht mich schon. (Man fragt sich, wie die Markt-Hüter der FDP dazu stehen, aber natürlich kennt man die Antwort im voraus: Interessen gehen über Prinzipien, und dass die FDP die politischen Interessen der Kapitalbesitzer bedient, steht außer Frage.)
[Nachtrag 04.01.09: Es wird nicht überraschen, dass auch die Marxistin Sahra Wagenknecht (Europaabgeordnete für "Die Linke") fordert: "Mindestens ist zu gewährleisten, dass öffentliches Geld nur im Tausch gegen öffentliche Eigentumsrechte freigegeben wird, der Staat also mit jedem Euro Steuergeld voll stimmrechtsfähige Aktien erwirbt und diese Stimmrechte dazu nutzt, um eine grundsätzliche Änderung des Geschäftsmodells der Banken zu erreichen". (Aus ihrer Pressemitteilung " 'Rettungspaket' muss abgelehnt werden" vom 17.10.2008.)]
Eine Fülle von Fakten und Links bietet - na wer wohl?
Das Stichwort "Finanzkrise" in der deutschsprachigen Wikipedia lässt (derzeit) noch mancherlei Informationswünsche unbefriedigt, bietet aber einen interessanten Überblick nach Ländern geordnet.
Die englischsprachige Ausgabe 'erschlägt' uns geradezu mit Stichworten (nicht überraschend angesichts der größeren Zahl englischsprachiger User und besonders im Hinblick auf die USA als Krisenherd):
Am Schluss des Stichwortes "Financial crisis of 2007–2008" finden wir eine Linkliste zu Einträgen in den Gruppen:
- Main issues Economic crisis of 2008 ·
- Specific issues United States housing market correction ·
- By country [derzeit nur Belgium, Iceland und Russia]
- Legislation
- Company failures
- Government bailouts and takeovers
- Company acquisitions
- Reorganizations
- Related entities [z. B. "Federal Reserve System", "Federal Housing Administration" usw.]
- Types of securities involved
- Financial markets
- Terminology [z. B. "Bailout", "Credit crunch" usw.]
Da bräuchte man schon Wochen, wenn nicht (für einen Laien wie mich) Monate, um sich da durchzuwühlen. Der Eintrag verlinkt aber noch zu einigen weiteren Stichworten mit einem breiteren Ansatz:
- "Global financial crisis of 2008",
- "Economic crisis of 2008" (über eine Verschmelzung dieses Eintrags mit dem vorhergehenden, der vielleicht tatsächlich sinnvoll wäre, wird diskutiert)
und zwei zum Krisenherd, der Immobilienblase (Housing bubble):
- "United States housing market correction" (mit dem Abschnitt "Market correction predictions" betr. mehr oder weniger frühe Vorhersagen der Krise) und
- "Subprime mortgage crisis".
Erg. 23.1.09: Unbedingt lesenswert erscheint mir (nach teilweise Lektüre) der Eintrag "Causes of the United States housing bubble", insbesondere das Kapitel "Risky mortgage products and lax lending standards" sowie der 'Dachartikel' "United States housing bubble". Hier ist speziell das Kapitel "Identifying the housing bubble" hervorzuheben, weil es eine Fülle von Belegen dafür bringt, dass Probleme mit den Hypothekenkreiten bereits lange vor dem Jahr 2007 bekannt waren und die Immobilienkrise von vielen schon früh vorhergesagt wurde.
Eine finanzwissenschaftliche Untersuchung der Immobilienkrise hat Otto Van Hemert von der New York University's Leonard N. Stern School of Business in Zusammenarbeit mit Yuliya Demyanyk von der Federal Reserve Bank (FRB) St. Louis u. d. T. "The Subprime Mortgage Crisis: Could We Have Seen It Coming?" vorgelegt.
Im Finanzblog der Universität findet sich ein "executive summary" mit einem Link zum Download des Forschungspapiers.
Van Hemert kommt zu dem Schluss, dass "by as early as 2005 it was possible to detect a serious deterioration of subprime loan quality". Auszüge aus der Zusammenfassung:
“The subprime market grew dramatically starting with 2001. Based on our database, which covered roughly half of the subprime mortgage market, the number of new loans more than quadrupled, and the average loan size almost doubled over the sample period.
The degeneration of the loan quality has been unvarying and steady, but not equally so among different types of borrowers. Over time, borrowers with a high loan-to-value (LTV) ratio became increasingly risky compared to low-LTV borrowers. [Anm.: Das ist nicht sonderlich überraschend; erstaunlich daran ist allenfalls, dass eine solche Differenzierung erst im Laufe der Zeit eingetreten ist. Das aber dürfte mit den seinerzeit steigenden Immobilienpreisen zusammenhängen: Wenn der erste Käufer die Raten nicht mehr bezahlen konnte, wurde das Haus halt -zum mindestens gleichen Preis- weiterverkauft oder versteigert.] Securitizers seem to have been aware of this particular pattern in the relative riskiness of borrowers. … Specifically, in 2001, a borrower was hardly charged a higher interest rate for the higher LTV ratio. In contrast, in 2006, a borrower with a one-standard deviation above-average LTV ratio was charged an interest rate higher by 30 basis points.
Were problems in the subprime mortgage market imminent long before the actual crisis showed signs in 2007? Our answer is yes, at least by the end of 2005. [Dass die Probleme schon Ende 2005 "imminent" waren heißt natürlich nicht, dass sie für die Kreditgeber bereits zu diesem Zeitpunkt offenkundig gewesen sein müssten!] … we showed that the steady degradation of the subprime market was already clear, with the worsening of loan quality already in progress for five consecutive years. The … steep appreciation in housing prices … masked the true riskiness of the subprime mortgage loans.
Vintage 2006 loans stood out in terms of high delinquencies and foreclosures. [Auch nicht erstaunlich; schließlich haben die Hauskäufer = Kreditnehmer in diesem Jahr auch mehr bezahlt als früher, und anschließend gingen die Preise dann in den Keller. Eine ergänzende Erklärung wäre, dass in 2006, wie z. B. auch in der Schlussphase eines Aktienbooms (die berühmte "Dienstmädchenhausse"), auch jene Leute angefangen haben sich Häuser zu kaufen (aus spekulativen Gründen oder aus der Furcht, dass die Preise noch mehr steigen würden), die es sich eigentlich nicht leisten konnten.] … It is important to note that, at first sight, our finding that the crisis also worsened the performance of fixed-rate mortgages (FRMs) seems at odds with remarks in 2007 by Federal Reserve Chairman Ben Bernanke, who said that serious delinquencies in that sector had been “fairly stable at about 5.5 percent.” The discrepancy occurred because we compared FRMs of the same age that originated in different years. If just the outstanding mortgages altogether were analyzed, the picture more closely resembles Bernanke’s observation. [Mit anderen Worten: die Analyse der FED war nicht differenziert genug, um die Probleme zu erkennen.] … FRMs that originated in 2006 performed unusually badly.
In another exercise, we explored the behavior of the subprime-prime rate spread. … We found that the subprime-prime rate spread declined over time … . At the same time, the riskiness of loans has increased, implying that on a per-unit basis, the subprime-prime spread declined even more. Investing in securities backed by subprime loans was an increasingly bad deal … .” [Unglaublich, dass die Masse der Finanz-"Experten" davon nichts mitgekriegt oder sich davon nicht alarmiert gefühlt hat! Eine Ausnahme bilden allerdings die von Hemert erwähnten "handful hedge funds that aggressively and timely bet on the fall of the subprime market [and] are among the few winners of the crisis".]
In dem "abstract" in ihrem Papier, dessen erster Entwurf vom 9.10.2007 und dessen Endfassung vom 19.08.08 datiert, fassen die Autoren ihre Arbeit wie folgt zusammen:"Using loan-level data, we analyze the quality of subprime mortgage loans by adjusting their performance for differences in borrower characteristics, loan characteristics, and house price appreciation since origination. We find that the quality of loans deteriorated for six consecutive years before the crisis and that securitizers were, to some extent, aware of it. We provide evidence that the rise and fall of the subprime mortgage market follows a classic lending boom-bust scenario, in which unsustainable growth leads to the collapse of the market. Problems could have been detected long before the crisis, but they were masked by high house price appreciation between 2003 and 2005." [Hervorhebungen von mir]
Diese Analyse (die Forschungsarbeit selbst habe ich freilich nur angelesen) lässt keinen Zusammenhang zwischen der 'Subprime-Krise' und der Ölpreisentwicklung erkennen; das alles ist scheinbar eine ganz normale Entwicklung, wie sie bei jeder Art von überhitzten Märkten zu beobachten ist. Die Frage nach möglichen externen Zusammenhängen war allerdings auch nicht Gegenstand der Arbeit; insoweit widerlegt das Papier nicht meine Annahme, dass die Finanzkrise zumindest dem Umfang nach und zumindest teilweise mit der Preisexplosion am Erdölmarkt im Zusammenhang stand.
Eine andere Perspektive verfolgt Stan J. Liebowitz in seiner Studie "Anatomy of a Train Wreck. Causes of the Mortgage Meltdown" vom 03.10.2008. Auch hier musste ich mich auf eine Lektüre des "Executive Summary" beschränken, den ich nachfolgend wiedergebe (meine Hervorhebungen):
"Why did the mortgage market melt down so badly? Why were there so many defaults when the economy was not particularly weak? Why were the securities based upon these mortgages not considered anywhere as risky as they actually turned out to be? This report concludes that, in an attempt to increase home ownership, particularly by minorities and the less affluent, virtually every branch of the government undertook an attack on underwriting standards starting in the early 1990s. Regulators, academic specialists, GSEs, and housing activists universally praised the decline in mortgage-underwriting standards as an “innovation” in mortgage lending. This weakening of underwriting standards succeeded in increasing home ownership and also the price of housing, helping to lead to a housing price bubble. The price bubble, along with relaxed lending standards, allowed speculators to purchase homes without putting their own money at risk. The recent rise in foreclosures is not related empirically to the distinction between subprime and prime loans since both sustained the same percentage increase of foreclosures and at the same time. [Aha: es sind also keineswegs nur die Ärmsten der Armen, die sich vorzeitig aus ihren Kreditverpflichtungen verabschieden!] Nor is it consistent with the “nasty subprime lender” hypothesis currently considered to be the cause of the mortgage meltdown. Instead, the important factor is the distinction between adjustable-rate and fixed-rate mortgages. This evidence is consistent with speculators turning and running when housing prices stopped rising."
Mit anderen Worten: In den USA haben Gesetzgeber, Regierung und Behörden Rahmenbedingungen geschaffen, welche unter den Bedingungen einer 'freien Wirtschaft' den Immobilienmarkt zum Spekulationsobjekt machen mussten (da in den USA bei derartigen Krediten die Hauseigentümer nur mit der Immobilie haften, nicht mit ihrem sonstigen Vermögen.). Das ist vermutlich nicht falsch (man liest es auch anderswo), aber wenn man Liebowitz' Herangehen mit der Feststellung von van Hemer vergleicht, wonach der "subprime market grew dramatically starting with 2001" wird man den Eindruck nicht los, dass bei Liebowitz auch ideologische oder politische Motive im Spiel sind und ihn bewegen, die kurzfristige Entwicklung derart in längerfristige Trends einzubetten, dass die Federal Reserve Bank unter Greenspan und die Bush-Administration aus ihrer spezifischen Verantwortung entlassen werden. Zugleich soll wohl die Rolle des Staates als Regulierer diskreditiert werden; jedenfalls beschreibt der Wikipedia-Eintrag das "Independent Institute", welches diese Arbeit publiziert hat, als einen "libertarian think tank".
Wie ein anderer Wirtschafts-Libertärer, Alan Greenspan, die Derivatewirtschaft gegen mancherlei Widerstände durch den Abbau der staatlichen Kontrollen gefördert hat (und die Schuld am Debakel nun der Gier der Banker zuschieben will) kann man in dem ausführlichen Artikel "The Reckoning. Taking Hard New Look at a Greenspan Legacy" von PETER S. GOODMAN in der New York Times vom 08.10.2008 nachlesen.
Eine Reihe interessanter Daten über die Situation am Immobilienmarkt in den USA und eine Darstellung der Zusammenhänge zwischen Immobilienbewertung und Konsum präsentiert der Wirtschaftswissenschaftler Stijn Van Nieuwerburgh, ebenfalls von der 'Stern School' in seinem Blog-Beitrag "The Housing Crisis and its Effects on Aggregate Consumption".
Sein Resümee:
"It has been said many times before, but it is true: the US consumer has lived far above his means. Nowhere was this more apparent than in his relentless borrowing against the value of his house (as well as in accelerating credit card debt). That party is over now. I am afraid the home equity loans and lines of credit will only be available to those with impeccable credit histories, and the option-adjusted mortgages, NINJA ["no job, no income, no assets" - Kredite wurden also offenbar auch an einkommenslose und vermögenslose Personen vergeben] and liar loans [s. Wikipedia unter "stated income loans": "A stated income loan is a mortgage where the lender does not verify the borrower's income, by looking at their pay stubs, W-2 forms, income tax returns, or other records. Instead, borrowers are simply asked to state their income, and taken at their word. These loans are sometimes called 'liar loans' " - man fasst sich als Europäer an den Kopf, dass so etwas in einem Land der ersten Welt möglich ist!] are probably a thing of the past. With so much housing and stock market wealth destroyed, U.S. households will probably step up their savings in order to replensih their retirement accounts. This will further depress aggregate consumption growth going forward."
Folgende Konsequenzen will der Wissenschaftler daraus ziehen:
"These average numbers hide an enormous amount of heterogeneity. While homeowners who own their house free and clear may get through this crisis relatively unscathed, the estimated one-in-six homeowners with negative home equity are in much worse shape. I like the proposal to keep as many of these households in their homes through mortgage restructuring and/or by converting their ownership into a rental constract ("sale-and-lease-back") [recte: contract oder construct?]. But that's a discussion for a next time." (Meine Hervorhebung)
Wie darf man sich das technisch vorstellen? Als ein "bailout" der Hauskäufer durch den amerikanischen Steuerzahler (bzw., da jedenfalls aktuell das amerikanische Steueraufkommen zur Finanzierung des Staatshaushaltes ohnehin nicht ausreicht: zunächst einmal faktisch durch weitere Kreditaufnahmen der US-Regierung bei ausländischen Investoren und Finanzinstitutionen)? Und welche Auswirkungen hätte das? Eine künstliche Stabilisierung überhöhter Immobilienpreise?
Auf der Seite "Credit Crisis — The Essentials" der New York Times findet, wer Zeit hat, einen jeweils aktualisierten Bericht über die Entwicklung und den aktuellen Stand der Krise sowie Links zu Myriaden einschlägigen Berichten dieser Zeitung.
Nachtrag 03.11.08
Die Immobilienkrise oder Subprime-crisis in den USA mag die Ursache der finanziellen (Beinahe-)Kernschmelze gewesen sein, doch schon drohen, wie die "Zeit" in einem Gemeinschaftsartikel mehrerer Autoren vom 30.10.2008 berichtet "Die nächsten Fallen": Mögliche Pleiten von Hedgefonds, denkbare Zahlungsunfähigkeit von Schwellenländern, in Osteuropa und anderswo, an welche besonders deutsche Banken hohe Kredite vergeben haben, vielleicht sogar Pleiten von Kreditversicherern. Und schließlich sind die auch unabhängig von der Immobilienkrise überschuldeten Verbraucher in den USA ein weiteres Systemrisiko.
Es kann also noch lustig werden.
Nachtrag 04.11.08
"Seit Ende 2006 gibt es vermehrt Anzeichen für eine anstehende, weltweite Finanzkrise - ausgehend von einer platzenden Immobilienblase in Amerika. Seit dieser Zeit durchforste ich das Web nach Informationen zu diesem Thema und benutze diesen 'Blog' zum Sammeln von Nachrichten" schreibt ein namenloser Hesse, 1971 geboren und Softwareentwickler, in seinem Weblog HW71's bei "Wordpress". Angefangen mit dem Sammeln hatte er bei Blogspot als "hw71". Wer sich für die Chronologie der Finanzmarktkrise interessiert, und nicht nur nackte Jahresdaten sucht, sondern eine Fülle von Berichten, wird an diesen Text- und Linksammlungen Freude haben bzw. Nutzen daraus ziehen (wenn er genügend Zeit hat).
Nachträge 05.11.08
Ich denke es lohnt sich (für einen späteren Blick zurück), an dieser Stelle einige Passagen aus dem FAZ-Artikel "Riskante Wetten auf die Reflationierungspolitik" vom 04.11.2008 zu exzirpieren [meine Hervorhebungen]. Der Autor (oder die Autorin) mit dem Pseudonym "@cri" berichtet über aktuelle Kursanstiege und warnt dann:
"Allerdings unterliegt die kurzfristige Euphorie einer gewaltigen Illusion. Denn die volkswirtschaftlichen Daten und Aussichten sind alles andere als berauschend. Die Konsumenten gerade in den angelsächsischen Staaten, in Teilen Europas und in großen Teilen der Schwellenländer sind zu überstrapaziert, als dass sich der Kredit getriebene Boom der vergangenen Jahre zumindest bei rationalen Annahmen kaum wiederholen lässt. Angesichts der beinahe schon weltweit verfolgten Fiskal- und Geldpolitiken stellt sich allerdings die Frage, was noch rational ist." Nach dem Zwischentitel
"Extreme Reflationierungspolitik der Zentralbanken" fährt er fort:
"Denn mit starken Leitzinssenkungen - die teilweise massiv den Rahmenbedingungen des entsprechenden Staates widersprechen -, mit Garantien und mit extremen Liquiditätsschüben versuchen Notenbanken und Regierungen beinahe aktionistisch mit allen Mitteln, die globale Wirtschaft vor einem zu starken Rückschlag zu schützen.
Das mag zunächst vernünftig klingen. Allerdings ist sowohl die Finanz- als auch die Wirtschaftskrise die Folge regulatorischen und wirtschaftspolitischen Versagens der Vergangenheit, das in Vermögenspreisblasen und riesigen Ungleichgewichten mündete. Das heißt, es müssten drastische Schritte unternommen werden, um die strukturellen Schieflagen - starke Verschuldung, überdimensionierter Finanzsektor, einseitige Handelsströme aufgrund unfreier Währungen, zu tiefe Zinsen - zu bereinigten, statt die fehlerhafte Politik der vergangenen Jahrzehnte in gigantischen Ausmaß auf die Spitze zu treiben. Die finanzielle Gigantomanie zeigt sich daran, dass die Bilanzen der Zentralbanken in kürzester Zeit sehr stark aufquellen."
An einer Wurzelbehandlung hat die Finanzwelt jedoch nicht das allergeringste Interesse. Man erwartet, dass der Staat die Altlasten schultert, damit (wie man glaubt) die Party nach altem Muster weitergehen kann. Diesen Eindruck jedenfalls gewinne ich, wenn ich etwa das Papier "Viewing the Financial Crisis from 20,000 Feet Up" von Prof. Stephen Figlewski (v. 06.10.2008) lese. Figlewski steigt auf 20.000 Fuß Flughöhe um von dort nur noch Systeme zu erblicken; Interessen will er nicht sehen:
"The key insight is that each one is what is known as a zero-sum game. This property allows us to aggregate the entire financial system and think about it as a single unified entity, without having to consider the details, just as if we were looking down on it from an airplane 20,000 feet above the ground. From that height we can see how huge losses in the real economy, coming from falling real estate values as the housing bubble deflates, are being passed through the financial system. But the system has become overloaded: It is simply not capable of dealing with losses on this scale and it is breaking under the strain."
Seine "Beweisführung" dafür, dass das Finanzsystem ein Nullsummenspiel sein soll, kann nur als wirr bezeichnet werden. Davon abgesehen frage ich mich allerdings, wozu diese Behauptung überhaupt dienen soll und vermute, dass sie als Streusandbüchse des Sandmännchens die Finanzwirtschaft in den Augen der Steuerzahler irgendwie exkulpieren bzw. die letzteren einlullen soll. Denn einen logischen Zusammenhang zu seinem im späteren Text gemachten Vorschlag, der Staat möge doch bitte schön dem Finanzsystem eine Bezahlung der Hypotheken garantieren, vermag ich nicht zu erkennen. Ein solcher Plan hat natürlich einen hohen politischen Charme. Indem der Staat zunächst den Hausbesitzern unter die Arme greift, wäre eine derartige Aktion nicht als ein Heraushauen der Finanzinstitutionen diskreditiert (obwohl natürlich gerade die letztlich davon profitieren). Politisch ist er daher sowohl für die "Linke" wie für die "Rechte" in den USA reizvoll; tatsächlich scheint die Regierung auch Ähnliches zu planen (vgl. z. B. den Bericht "U.S. Vows More Help for Homeowners" von VIKAS BAJAJ (New Yor Times, 23.10.08).
Figlewski will den Staat freilich nur ans Ruder lassen, keineswegs ans Steuer. Risiken müssen halt von irgend jemandem getragen werden; wenn's den Finanziers zu schwer wird, heißt es eben: 'Werfet eure Last auf ihn - den Staat'. Wieso es zu einer solchen Situation kommen konnte, interessiert den Finanzprofessor ("Professor of Finance at the New York University Stern School of Business") nicht und der Staat soll nur ja nicht auf den Gedanken kommen, die Derivatewirtschaft zukünftig einzuschränken:
"Risk, and losses from that risk, arise in the real economy and must be borne by someone. The financial system does not create risk, it just distributes it. This means that if we were to decide, as a regulatory measure, that "toxic waste" mortgage-backed securities should be banned, we are inherently also deciding that other mortgage-backed securities have to become more risky, because they would have to take back the risk that had previously been transferred to the toxic ones."
Das ist natürlich Quatsch, dass ein Verbot der Ausgliederung der stärker risikobehafteten Hypotheken, des sogenannten "Giftmülls" (toxic waste) die anderen Hypotheken verteuern müsste. Schließlich sollte es ja die Aufgabe der Banken sein, a) schlechte Risiken überhaupt zu meiden und b) preislich, also bei der Verzinsung, nach Risikokategorien zu differenzieren. Wenn freilich die Hochrisikoschuldner kaum weniger Zinsen zahlen als diejenigen mit einwandfreier Bonität, dann ist das zwangsläufig eine Subventionierung der schlechten durch die guten Risiken und damit werden Hypotheken für Schuldner mit erstklassiger Bonität in der Tat teuerer als sie sein müssten, wenn man bei der Kreditvergabe nach normalen Bankstandards vorgehen würde.
Figlewski räumt zwar ein, dass in der Vergangenheit exzessive Risiken eingegangen wurden usw., aber das alles wischt er mit einem Federstrich beiseite: Das System muss [wieder wie gehabt] funktionieren; wir dürfen nicht aufgrund unserer Verärgerung über gierige Spekulanten die Funktion des Finanzsystems gefährden, sonst wird am Ende alles noch schlimmer und die Bereinigung noch teurer.
"The financial system will remain under extreme pressure as long as new losses are being generated in the real economy. Moreover, the losses that have already depleted the capital available to the financial system will reduce its ability to channel credit from investors to borrowers until more capital flows in.
Most important: The nation is angry. We can see, in retrospect, that excessive risks were taken, excessive compensation was paid to those who took those risks, people took out mortgages and bought houses they could not afford, and there is much blame to go around for the mess we are now in. But we mustn't allow an understandable desire not to let "greedy speculators" off the hook distract us from dealing seriously with the crisis. If we let portions of the financial system break down through misunderstanding of how it interacts with the real economy, we will all pay a heavy price. And that price will be on top of the losses from the real sector that will continue anyway."
Das "cui bono" seiner Ausführungen ist mit Händen zu greifen; der Grund für seine argumentative Lobbyarbeit für die Derivatewirtschaft wird verständlich, wenn man liest, wie eng der Mann mit den Interessen nicht nur der Finanzwirtschaft, sondern gerade mit denjenigen Teilen der Finanzwirtschaft verbandelt ist, die besonders spekulativ agiert haben und entsprechend risikogefährdet sind: Neben seiner Professur ist er "Director of the NASDAQ OMX Derivatives Research Project. He is also Editor of the Journal of Derivatives".Als solcher bemüht er sich natürlich den Nachweis zu erbringen (oder muss er zumindest zu behaupten), dass die Derivatewirtschaft in ihrem vollen Umfang ökonomisch Sinn macht und nicht etwa eine hypertrophierte Auswucherung ist.
Immerhin ziehen sich in den USA die Wissenschaftler nicht in den Elfenbeinturm zurück. Zwar gehen auch bei uns Volkswirte wie z. B. Professor Hans-Werner Sinn in die Öffentlichkeit, aber das in aller Regel nur über die "seriösen" Medien, also die Meinungsvermittler in Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen usw.
In den USA scheuen sich die Wissenschaftler nicht, sich über das Internet dem direkten Kontakt mit dem Volk auszusetzen: "Stern on Finance" heißt ein von der Hochschule betriebener Wirtschaftsblog.
In diesem hat auch Prof. Figlewski auf sein Thesenpapier hingewiesen. Wer sich unter das Volk mischt, stellt sich damit auch der Kritik des Volkes. Wie zum Beispiel der Kommentar (Nr. 3) eines gewissen "Cangrande" zeigt. Ei, ei, wer das wohl sein mag, dieser 'große Hund'???
Im übrigen fürchte ich, dass die Denkweise von Prof. Figlewski charakteristisch für das Finanzsystem insgesamt ist; unter Einschluss der US-Notenbank und der Finanzexperten der US-Regierung.
Memorierenswert erscheinen mir und bemerkenswert sind einige Bemerkungen von Konrad Hummler, geschäftsführender Teilhaber der Privatbank Wegelin & Co. in St. Gallen, in einem Interview mit der FAZ vom 15.10.2008 [Hervorhebungen von mir]:
"Frage: Was führte zur Finanzkrise?
Hummler: Die Illusion der Sicherheit hat zu Übertreibungen geführt und diese Illusion ist nun zerstört worden - das ist der Kern der Krise.
Frage: Wie kam es zur Illusion?
Hummler: Sie begann in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals erklärte man, es dürfte nie wieder dazu kommen, dass das Bankensystem zu einer Bedrohung für die Realwirtschaft werde. Im weiteren Anlauf der Geschichte hat man das Bankensystem immer weiter perfektioniert, bis die amerikanische Notenbank im Jahr 1987 zum ersten Mal, im Jahr 1991 zum zweiten Mal, 1998 zum dritten Mal und im Jahr 2001 zum vierten Mal in Folge die Märkte mit Zinssenkungen und Ähnlichem beruhigte und auf diese Weise erklärt hat: Euch Anlegern passiert nichts. Spätestens ab dem Jahr 2001 hat es die Welt geglaubt.
Frage: Mit welchen Folgen?
Hummler: Nach 09/11 sind die Risikoprämien im Interbankengeschäft praktisch auf Null gesunken. Die Banken hatten keine Probleme, sich kurzfristig sehr günstig zu refinanzieren - und sie machten die klassischen Fehler. Schließlich kam es zu einer Verschuldungsspirale: Banken wie die UBS haben von 2003 bis 2006 die Bilanzsumme verdoppelt. Das hat zu einer klassischen Fehlallokation volkswirtschaftlicher Ressourcen geführt. Das Finanzsystem ist viel zu groß und müsste weiter angepasst werden.
Frage: Sind die Rettungsmaßnahmen der Zentralbanken, indem sie die Geldmärkte fluten, und die Garantien der Regierungen nicht gerade die Fortsetzung dieser fatalen Politik?
Hummler: Kurzfristig sind wir froh, denn wir haben noch einmal überlebt. ... Mittelfristig jedoch ist es aufgrund der Teilverstaatlichungen eine Verschiebung der Überkapazitäten in den öffentlichen Bereich hinein. Die Frage ist, was dort mit ihnen geschieht. Das Schlimmste was passieren könnte ist, dass wir in drei bis fünf Jahren statt zwei Fannie Mae und Freddie Mac dann 20 oder 30 von ihnen hätten. Fannie Mae und Freddie Mac waren und sind halbkriminelle Organisationen und haben wesentlich zur Überschuldung im amerikanischen Hypothekargeschäft und damit zur Krise beigetragen. [Donnerwetter, das ist eine knallharte Aussage, die ich von einem Banker, einem Schweizer zumal, nicht erwartet hätte: "... halbkriminelle Organisationen ..."!]
Frage: Das heißt, sie misstrauen den „Rettungsaktionen“?
Hummler: Den Rettungsaktionen nicht, aber ihrer langfristigen Wirkung. Sie bringen neue, zweifelhafte Grundsätze ins Finanzsystem hinein. Alleine schon wenn man schaut, mit welcher Leichtigkeit per Dekret hergebrachte Buchführungsstandards ausgehebelt werden. ...
.....
Hummler: Wenn der globale Aktionismus in der nächsten Illusionswelle mündet, so haben wir danach keinen ultimativen Garanten mehr. Jetzt muss das Finanzsystem so restrukturiert werden, dass es nicht mehr zu diesem übertriebenen Hang zur Verschuldung kommen kann.
Frage: Wie kann das erreicht werden?
Hummler: Wir brauchen ein vernünftiges Konkursrecht für die Banken. Im Finanzsystem fehlt eine vernünftige Ultima Ratio für diejenigen, die Fehler machen. Ein Konkurs muss bewältigt werden können, ohne dass das Finanzsystem ins Wanken gerät! ... [Ein 'vernünftiges Insolvenzrecht' ist genau das, was ich oben gefordert habe - vgl. bei Stichwort "Prof. Homburg"!].
... solange der Konkurs eines Finanzunternehmens nicht eine reale Möglichkeit ist, wird man immer wieder in die Problematik der Übertreibung hineingeraten, weil die Risikoprämien systematisch zu gering werden.
Frage: Ist die Finanzkrise nicht ein Versagen der Regulierung? ...
Hummler: Richtig. Es wird nun zwar behauptet, es sei ein Versagen des Kapitalismus. Es handelt sich jedoch eindeutig um das Versagen der Regulierung. ... Es gab und gibt viel zu viele Gremien, die sich mit der Stabilität des Finanzsystems befassen. Sie haben allesamt versagt, sonst hätten wir die Krise nicht.
Frage: Dabei war sie schon sei langem absehbar: Man wusste, dass der amerikanische Immobilienmarkt überhitzt war und man wusste, dass er schon am Zusammenfallen war, als die Anzahl der Subprime-Hypotheken noch einmal erhöht wurde. Die aggregierten Daten lagen vor und es gab auch warnende Persönlichkeiten.
Hummler: Der entscheidende Punkt ist: Zu geringe Risikoprämien können praktisch durch kein Kontrollorgan aufgefangen werden. ... Die ökonomische Kernfrage ist: Wird etwas über einen Preis- oder über ein Rationierungssystem reguliert. Das Finanzsystem gehorchte in den vergangenen Jahren einem Rationierungssystem - und das ist nun zum Verhängnis geworden. Der Preis wäre die Risikoprämie gewesen.
Frage: Werden die Stützungs- und Garantiemaßnahmen die Märkte beruhigen können?
Hummler: Wenn diese nicht mehr helfen, dann ist schwer zu sagen, was noch helfen kann. Kurzfristig ist zu hoffen, dass die Maßnahmen nützen und wieder Liquidität in die Märkte bringen. Allerdings stellt sich die Frage, ob es Verschuldungsgrenzen für die öffentlichen Institutionen gibt, die sich finanziell weit aus dem Fester lehnen ... ."
Bei allem Jubel über den Sieg des zukünftigen US-Präsidenten Barack Obama: Amerika hat eine ganze Zeit lang gut gelebt von anderer Leute Krediten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die ihre Vorteile so leichten Herzens aufgeben, oder so schnell einsehen, dass diese Vorteile trotz allem nur relativ kurzfristiger Natur sind. Allzusehr sollte man nicht auf die Einsicht insbesondere der US-Finanzwirtschaft hoffen. Kommt es nicht zu Vereinbarungen, oder zögern die USA (und evtl. auch Großbritannien, das ja von der inflationierten Finanzwirtschaft ebenfalls nicht schlecht gelebt hat) deren Umsetzung hinaus, wäre es die Aufgabe Deutschlands / Europas (der Euro-Länder), ihre Finanzinstitutionen durch entsprechende Regeln (höheres Eigenkapital, keine außerbilanziellen Risiken) zu schützen. Außerdem müsste die EZB den Mut aufbringen, die Eurozone ggf. mit geeigneten Devisenmarktinterventionen gegen eine von der US-Notenbank ausgehende Inflationierung verteidigen (aber wie ich hier in - im übrigen geradezu prophetischen- Aufsatz "Krise. Wirtschaft. Freiheit (Teil 3): America´s Great Depression - Die wahren Gründe für den Crash von 1929" von Gregor Hochreiter vom 23.11.2006 lesen muss, war auch die Europäische Zentralbank keineswegs ein monetaristisches Mustermädchen, sondern hat ebenfalls die Geldmenge munter aufgebläht - oder deren Ausweitung zugelassen).
[Nachtrag 6.11.08: Wie zu erwarten, lesen wir heute im Handelsblatt "USA torpedieren EU-Pläne für Finanzreform". Aber gleichzeitig heißt es auch: "EU-Front gegen Sarkozys Finanzmarkt-Pläne": "Die Europäische Union will die globalen Finanzmärkte nach der schweren Krise grundlegend reformieren. Dabei denkt die französische Ratspräsidentschaft an eine schärfere Aufsicht und ein Frühwarnsystem. Viele EU-Länder halten die Vorschläge allerdings für zu ehrgeizig und fordern eine Überarbeitung".
Man blickt gar nicht mehr durch, wer eigentlich was ausbremst.
Die teilweise konträren Positionen der verschiedenen Länder beschreibt Mark Schieritz in der Zeit Online vom 06.11.08 u. d. T. "Neues Spiel. Die Welt auf der Suche nach einer neuen Finanzordnung - wie einst in Bretton Woods"
Anm. 16.11.08: Inzwischen liegt vom Weltfinanzgipfel allerdings schon eine Abschlusserklärung vor, welche von der Presse als überraschend detailliert gelobt wird.
Christian von Hiller ("Wege aus dem Desaster", FAZ.net 30.09.2008) lässt eine gewisse Skepsis bezüglich der amerikanischen Bereitschaft erkennen, sich von eingefahrenen (und lange Zeit gut funktionierenden) Gewohnheiten zu lösen [meine Hervorhebungen]:
"Die Krise lässt sich nicht lösen, ohne die Vereinigten Staaten einzubinden. Von dort ging sie schließlich aus, und von dort gehen auch immer wieder neue Schockwellen aus. Das Land ist zu hoch verschuldet oder anders ausgedrückt: Die amerikanische Wirtschaft ist dramatisch unterkapitalisiert.
Es wäre verführerisch, zur Lösung dieses Problems frisches Geld zu schaffen und die Welt mit noch mehr Dollar zu fluten. Die Folge wäre im schlimmsten Fall eine Hyperinflation globalen Ausmaßes, eine gigantische Verwertung enormer Vermögenswerte und würde zu einer Verschlimmerung der Verwerfungen führen.
Vielmehr müssen die amerikanischen Verbraucher dazu gebracht werden, ihre Sparquote anzuheben. Dies ist unvermeidlich, wird jedoch politisch schwer durchzusetzen sein [und ginge natürlich zu Lasten einer Wirtschaftsbelebung: die Verbraucher-Pferde sollen schließlich auch zukünftig tüchtig -Kredite- saufen und weiterhin kräftig -Plunder- kaufen! Nur das, scheint es, brächte die Konjunktur wieder zum 'Brummen' - wenigstens bis zum nächsten Ölpreisschock.]. Genauso muss der amerikanische Staat seine übermäßige Auslandsverschuldung zurückführen. Die unvorstellbare hohe Summe von 10 Billionen Dollar liegt als Devisenreserven bei asiatischen und arabischen Notenbanken."
Übrigens hatte der schon oben angeführte FAZ-Autor "@cri" bereits am 28.07.2008 über die bereits damals dramatische, wenn auch noch nicht voll ins Licht der Öffentlichkeit getretene Situation berichtet: "Nur die Fed hält amerikanische Banken über Wasser".
Hellsichtig ist der Schlussabsatz dieses Zeitungsartikels [meine Hervorhebung]:
"Auf der anderen Seite ist der amerikanische Immobilienmarkt angeschlagen. Der Preisverfall dürfte nach verschiedensten Prognosemodellen weitergehen. Das hält potentielle Käufer zurück und führt zu weiteren Verlusten bei Finanzunternehmen, die darauf bezogene Kontrakte in ihren Büchern haben. Der Rückblick auf die Savings and loan crisis der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zeigt, dass damals hunderte von Banken in die Pleite gerieten. Wieso sollte es in der aktuellen Krise anders sein? Anleger müssen schon Mut und eine gehörige Risikoneigung haben, um auf die baldige Erholung der Finanzwerte zu setzen."
In seiner Analyse "Eine gigantische Geldvernichtung" schließlich vom 09.10.08 bezweifelt "@cri", dass die aktuelle Geldpolitik der Notenbanken zu einem Inflationsrisiko werden könnte. Da bin ich mir allerdings weniger sicher.
Nachträge 16.11.08
Frankfurt leidet. Wie die Bankenkrise die Frankfurter Wirtschaft in Mitleidenschaft zieht, berichten Jan Grossarth und Martin Wittmann im FAZ.net vom 09.11.2008: "Finanzkrise im Alltag. Augen zu und festhalten im Zug nach irgendwo."
Dass auch Kriminelle bei der Immobilienkrise am Werk waren, berichtet Sonia Shinde im Handelsblatt vom 13.11.08: "FBI gibt Betrügern Mitschuld an Finanzkrise". Allerdings darf man den dadurch entstandenen Schaden im Verhältnis zum Gesamtproblem wohl nicht überbewerten:
"Es ist kaum vorstellbar, dass solche Betrugsfälle dazu beigetragen haben, erst das amerikanische und dann dass weltweite Finanzsystem an den Rand des Abgrunds zu bringen", sagt ein Finanzkriminalist, der anonym bleiben möchte. "Wenn dem so wäre, dann hätten bereits die falschen Kredite vom Baulöwen Schneider oder die Luftnummern bei Flowtex das deutsche System spürbar schädigen müssen."
Das größere Problem seien die Ratingagenturen. "Es kann doch nicht angehen, dass Landesbanken Triple-A bewertete Kreditportfolios angeboten werden, die jetzt nichts mehr wert seien sollen, während solide Unternehmen wie Linde oder Henkel von Moody's oder Standard & Poor's nur mit BB+ geratet sind." Seiner Ansicht nach sind die Landesbanken von den Ratingagenturen mit amerikanischen Kreditverbriefungen "über den Tisch gezogen worden."
Nachtrag 26.12.2008
Einen sowohl sach- als auch personenbezogenen Rückblick auf die Entwicklung der Finanzmarktkrise bietet Rolf Benders im Handelsblatt vom 25.12.08 den Lesern: "US-Investmentbanken. Das schmähliche Aus der Wall-Street-Ikonen."
Nachtrag 27.12.2008
Eine gute Erklärung der Krisenursachen (jedenfalls soweit sie auf der Oberfläche liegen), bietet der amerikanische (in Europa lebende) Journalist Dave Keating auf der Webseite des Europamagazin "Cafébabel" vom 07.10.2008: "The 2008 economic crisis explained". Wie es sich für ein europäisches Magazin gehört, kann man den Text (u. a.) auch auf Deutsch lesen. Titel dort: "Die Wirtschaftskrise 2008 für Dummies".
Interessant insbesondere, dass Keating in einem ganzen Kapitel ausdrücklich feststellt: "Commodity boom causes bust" ("Rohstoff-Boom verursacht Wirtschaftskrise"), d. h. die Rohstoffverteuerung als Mitursache der Krise identifiziert.
Nachtrag 19.01.2009
Eine gut verständliche Darstellung der Zusammenhänge, die dennoch wissenschaftlich fundiert ist, finden interessierte Leserinnen und Leser in dem "Auszug aus dem Jahresgutachten 2007/08. Die treibenden Kräfte der Finanzmarktkrise ( Ziffern 130 bis 195 )" des Sachverständigenrats für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 07.11.2007 (hier das gesamte Gutachten). [Erstaunlich ist die lange Inkubationszeit der schon damals klar diagnostizierten Krise!]
Nachtrag 23.01.09
Auf den Webseiten der ZEIT gibt es einen Crash-Kurs im (zumindest äußerlichen) Krisenverstehen:
"Wo ist das ganze Geld geblieben?" fragt Alexandra Endres und verspricht "eine Erklärung in Grafiken": "Im Crash verschwanden Milliarden. Wohin? Und wo stecken die riesigen Summen, die Notenbanken und Regierungen zur Nothilfe aufbringen?"
Nachtrag 24.01.2009
"Finanzkrise: Für junge Leute leicht gemacht" auf "Readers Edition" vom 6. Oktober 2008 von Sandoz Cassela ist eine empfehlenswerte Lektüre für den schnellen Einstieg in die Hintergründe der Finanzmarktkrise. Für einen Großteil (genauere Zahlenverhältnisse kenne ich nicht) der amerikanischen Immobilienbesitzer ist es allerdings im Gegensatz zur Darstellung von Cassela keine Katastrophe, wenn sie die Hypothekenraten nicht mehr aufbringen können. In den USA können, anders als bei uns, die Verbindlichkeiten auf die Immobilie beschränkt werden: der insolvente Eigentümer zieht aus, und ist schuldenfrei. Das schafft natürlich "moral hazard"-Probleme und lädt dazu ein, im dolosen Zusammenwirken zwischen Käufer und Verkäufer einen überhöhten Hypothekenbetrag von der Bank zu leihen und sich den Mehr-Wert, der den wirklichen Verkaufspreis übersteigt, zu teilen. So jedenfalls stelle ich mir die (hohe) Kriminalität in diesem Zusammenhang vor; den einschlägigen FBI-Bericht "2007 Mortgage Fraud Report" habe ich allerdings noch nicht gelesen.
Nachtrag 26.01.09
Ich habe diesen Text vorerst nur angelesen, er erscheint mir jedoch, was die kurzfristige, gewissermaßen technische Ursachenanalyse der Finanzkrise angeht von ganz besonderem Interesse zu sein: "The Current Financial Crisis: Causes and Policy Issues" von Adrian Blundell-Wignall, Paul Atkinson and Se Hoon Lee. [Es ist äußerst unbefriedigend, dass die OECD in derartigen Papieren kein präzises Erstellungs- bzw. Abschlussdatum nennt. Bei allgemeinen wissenschaftlichen Fragen ist das zwar nicht tragisch; bei aktuellen Publikationen zur Finanzmarktkrise hängt aber die Beurteilung u.U. auch davon ab, wann die Arbeit abgeschlossen wurde. Auf einer Suchseite wird der 8.1.09 genannt, im pdf-Dokument selbst steht lediglich die Angabe "2008".]
Über die Autoren und die Herkunft dieses Forschungspapiers erfahren wir:
"Adrian Blundell-Wignall is Deputy Director of the OECD Directorate for Financial and Enterprise Affairs, Paul Atkinson is a Senior Research Fellow at Groupe d’Economie Mondiale de Sciences Po, Paris, and Se Hoon Lee is Financial Markets Analyst in the Financial Affairs Division of the OECD Directorate for Financial and Enterprise Affairs.
The views in the paper arise from research presented to a non-OECD conference, and the discussion it generated. While this research was circulated to the OECD Committee on Financial Markets, the views are those of the authors and do not necessarily reflect those of the OECD or the governments of its Member countries."
Ein kurzer Vorspann fasst den Inhalt zusammen:"This article treats some ideas and issues that are part of ongoing reflection at the
OECD. They were first raised in a major research article for the Reserve Bank of
Australia conference in July 2008, and benefited from policy discussion in and
around that conference. One fundamental cause of the crisis was a change in the
business model of banking, mixing credit with equity culture. When this model
was combined with complex interactions from incentives emanating from macro
policies, changes in regulations, taxation, and corporate governance, the current
crisis became the inevitable result. The paper points to the need for far-reaching
reform for a more sustainable situation in the future."
Das Bemerkenswerte an dieser Arbeit ist, dass sie die Krisenursachen Nahaufnahme herausarbeitet, und dass sie ein Zusammentreffen verschiedener Krisenursachen zeitlich präzise für das Jahr 2004 lokalisiert. Man hat das Gefühl: so und nicht anders muss es gewesen sein!Nachtrag 12.06.09
Ein Service von mir für Menschen mit Zeit (vielleicht sogar für mich selber - später): der Link zu der UNCTAD-Studie "The Global Economic Crisis: Systemic Failures and Multilateral Remedies". "Report by the UNCTAD Secretariat Task Force on Systemic Issues and Economic Cooperation" von Anfang 2009. Daraus einige Auszüge, die mir beim äußert flüchtigen Drüberhuschen interessant erschienen (meine Hervorhebungen):
"The key objective of regulatory reform has to be the systematic weeding out of financial sophistication with no social return." (S. II)
Das Papier widerspricht der (z. B. von Alan Greenspan geäußerten) Meinung, dass ein angeblicher "global savings glut" Schuld oder Mitschuld an der Krise trage (S. 7, meine Hervorhebungen):
"Is the savings glut responsible?
Many observers have pointed to the willingness of the world and some developing countries, in particular China, to finance American profligacy at very low interest rates, due to their abundant “savings” (Krugman, New York Times, 1 March 2009). In other words, the huge deficit of the United States is interpreted as being the result of the decision of American households to consume more than they could afford and the decision of the Chinese households to save much more than the country could invest domestically. However, this explanation is rooted in a brand of macroeconomic theory (where savings lead the process of investment and growth and not the other way round) that has been refuted by evidence in many cases in the past. .....
Neither the American deficit nor the Chinese surplus in the current account is the result of voluntary decision of households and companies but the result of a complex interplay of prices, quantities and political decisions. For many reasons it is wrong to assume that a complex economy, with millions of agents with diverging interests, functions in a way that would be found in a Robinson Crusoe world. Hence, to blame “countries” for their “willingness” to provide “too much savings” compounds the neoclassical error of analysing the world economy based on the expected rational behaviour of “one representative agent”. Such an approach cannot do justice to the complexity and the historical uniqueness of events that may lead to phenomena like those that have come to be known as the global imbalances. .....
C. Conclusion: closing down the casino [also auch hier die Forderung: Spielkasino schließen!]
It is often argued that financial regulators should not fight the last crisis. And yet, this is exactly what agencies in charge of air traffic safety do with considerable success. Some argue that things are different for finance, as the principles of physics that keep airplanes in the air do not respond to regulatory changes, but financial markets, designed and operated by human beings, do. Financial innovation, the argument goes, is viral and reacts to regulation by producing more complex and opaque financial instruments. Hence, the argument continues, each financial crisis is different from the previous and is thus unpredictable. According to this view, nothing can be learned and new regulation can only do more harm. This line of reasoning is certainly true for the particular instruments, which are the proximate cause of any financial crisis. In 1637 it was tulip bulbs, in 1720 it was stocks of the South Sea Company, and in the current crisis it is mortgage-backed securities. Nobody knows which financial instrument will be at the centre of the next crisis, most likely not mortgage-backed securities. Probably this instrument has not yet been invented.
However, the mechanism that leads to the crisis is always the same: a positive shock generates a wave of optimism which feeds into lower risk aversion, greater leverage and higher asset prices which then feed back into even more optimism, leverage and higher asset prices. Sceptics will claim that asset prices cannot grow forever at such a high rate but the enthusiasts will answer that this time it is different. If the boom lasts long enough, even some of the sceptics will end up believing that Chapter II – Financial regulation: fighting today’s crisis today 21 this time, it is indeed different. Those who remain sceptical will be marginalized. Of course, things are never that different. At some point the asset bubble will burst, the deleveraging process, the debt deflation and economic crisis will begin. A regulatory framework that takes this mechanism into account could have prevented some of the excesses that led to the current crisis.
The problem is that after a crisis there is widespread political support for regulation, and this may lead to overregulation. However, after a long period of stability, characterized by small nonsystemic crises, policymakers forget the lessons of the previous crisis and no longer understand the rationale for the existing regulatory apparatus. This is when the deregulatory process starts and it may be fuelled, as it was this time, by the general belief in free markets and unfettered competition and it tends to overshoot. A possible solution to this regulatory cycle is to follow the example of air safety regulators who, besides learning from relatively rare airplane crashes, also put a great deal of attention on near misses. For instance, there was much to be learned from the Long-term Capital Management (LTCM) collapse of 1998, from the Asian crisis in the second half of the 1990s and the Argentinean crisis at the beginning of the century. A proper regulatory response at the national and international level would have played an important role in limiting the built-up and the consequences of the current crisis.
Regulators around the world must be chastened by what has befallen global finance, but equally determined to draw the lessons and be up to the reform tasks that lay ahead. A Herculean effort will be called for not only as penance for what has already occurred but as proof that the system can be fixed and can deliver the functional/social efficiency expected of it. Therefore, the most important task is to ensure that financial efficiency is defined as the sector’s ability to stimulate longrun economic growth. Transaction costs, the number of available instruments, or the overall size of the financial system are only relevant if they contribute to increasing social welfare, they should not be objectives per se.
Financial markets in many advanced economies have come to function like giant casinos, where the house almost always wins (or gets bailed out) and everybody else loses. Twenty-five years ago, Tobin (1984) argued that there may be something wrong with an incentive structure, which leads the brightest and most talented graduates to engage into financial activities “remote from the production of goods and services”, and that the private rewards of financial intermediation might be much higher than its social reward. More recently, Rodrik (2008) asked, without finding a convincing answer, “What are some of the ways in which financial innovation has made our lives measurably and unambiguously better”. The key objective of financial regulatory reform must be to devise a system that allows weeding out of financial instruments whose functional/social efficiency is dubious - effectively taking the wagering (betting on uncertain outcomes) out of modern finance."
Ein wesentlicher Teil der Studie befasst sich mit den Rohstoffpreisen, die sich für die Autoren (wenn ich diese Interpretation nach meinem flüchtigen Draufblick wagen darf) als wesentlich spekulationsgetrieben darstellen:"Chapter III
Managing the financialization of commodity futures trading
A. Introduction: commodity markets and the financial crisis
The build-up and eruption of crisis in the financial system was paralleled by an unusually sharp increase and subsequent strong reversal of the prices of internationally traded primary commodities. The recent development of commodity prices has been exceptional in many ways. The price boom between 2002 and mid-2008 was the most pronounced in several decades in its magnitude, duration and breadth. The price decline since mid-2008 stands out for its sharpness and number of commodity groups affected. The price hike for a number of commodities put a heavy burden on many developing countries relying on imports of food and energy commodities, and contributed to food crises in a number of countries in 2007–2008, while the slump of commodity prices in the second half of 2008 was one of the main channels through which the dramatic slowdown of economic and financial activity in the major industrialized countries was transmitted to the developing world.
The strong and sustained increase in primary commodity prices between 2002 and mid-2008 was accompanied by a growing presence of financial investors on commodity futures exchanges. This “financialization” of commodity markets has raised concern that much of the recent commodity price developments – and especially the steep increase in 2007–2008 and the subsequent strong reversal – was largely driven by financial investors’ use of commodities as an asset class.
Over the 78 months from early-2002 to mid-2008 the IMF’s overall commodity price index rose steadily and nominal prices more than quadrupled. During the same period, UNCTAD’s non-fuel commodity index tripled in nominal terms and increased by about 50 per cent in real terms. Since peaking in July 2008, oil prices have dropped by about 70 per cent, while non-fuel prices have declined by about 35 per cent from their peak in April 2008. This reversal is considerable; however, it corresponds only to about one seventh of the previous 6-year increase, so that commodity prices remain well above their levels of the first half of this decade. While the timing differed from commodity to commodity, both the surge in prices and their subsequent sharp correction affected all major commodity categories, and they affected both exchange-traded commodities and those that are either not traded on commodity exchanges or not included in the major commodity indices (figure 3.1). It is this latter category that many financial investors use for their investment in commodities."
Nachtrag 24.10.2012
Genaue Einzelheiten über das Buch "Money for Nothing" habe ich noch nicht gelesen. Erstmalig erschienen ist es anscheinend bereits am 16. Januar 2004 (am 13.10.2005 folgte eine Taschenbuchausgabe; lt. Verlag "thoroughly revised and updated"). Verfasst hat es der britische Wirtschaftswissenschaftler Roger Bootle (Wikipedia). Das Buch enthielt (schon Anfang 2004? Jedenfalls: spätestens mit der TB-Ausgabe im Oktober 2005!) eine Warnung vor einer Immobilienblase in Großbritannien und wohl auch in den USA. (Buchauszüge hier bei Google; für eine Lektüre fehlt mir die Zeit. Eine Zusammenfassung kann man bei "GetAbstract" käuflich erwerben. [En passant: Was wird aus dem "getabstract"-Geschäftsmodell unter dem zukünftigen deutschen Leistungsschutzrecht - ???] S. a. Artikel "UK's Roger Bootle: Signs of US Housing Bubble are "blatant" " vom 8.10.2005 und "Globalisation can bust the boom cycle, says Roger Bootle" vom 9.10.05.
Nachtrag 08.01.2012
Heute stieß ich auf einen Artikel u. d. T. "USA und England vor gigantischer Schuldenkrise", verfasst von einem Lothar Komp. Der Titel wäre für sich nichts Besonderes, wäre nicht der Aufsatz bereits im Februar 2003 erschienen (und zwar auf S. 12 im Magazin Febr./März 03 "(R)evolution" des INWO - Institut für Natürliche Wirtschaftsordnung, einer freiwirtschaftlichen Denkfabrik der Gesellianer). Auch wenn Komp seinerzeit für die Bewegung von Lyndon LaRouche tätig war (und schon in 2001 einen baldigen Zusammenbruch des Finanzwesens erwartet hatte). Aber er operiert ja mit konkreten Daten, die andere Wirtschaftswissenschaftler (Komp ist wohl ein Volkswirt) ebenfalls hätten alarmieren können - oder sollen:
"Zugleich steigen die Schulden der privaten Haushalte [in den USA] weiter rasant an. Ende September 2002 betrugen sie 8219 Mrd. Dollar, mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Die wichtigsten Posten waren hierbei die direkten Verbraucherkredite, die sich von 801 auf 1758 Mrd. Dollar mehr als verdoppelten, und insbesondere die Hypothekarkredite, die von 2858 auf 5850 Mrd. Dollar hochschossen. Und das Schuldentempo beschleunigt sich immer weiter. Im dritten Quartal 2002 explodierte die Jahresrate der Neuverschuldung amerikanischer Privathaushalte."
Und zu Großbritannien:
"Wenn es irgendwo auf der Welt eine noch gefährlichere Zeitbombe aus Verbraucherschulden und Immobilienblasen gibt als in den USA, dann im Land des wichtigsten Kampfgefährten von George W. Bush. Wie die britische Bankenvereinigung am 28. Januar berichtete, platzen die Schulden der Privathaushalte aus allen Nähten. Die Neuverschuldung bei Hypothekarkrediten stieg 2002 im Vergleich zum Vorjahr um 46% an. Sowohl die Zuwachsraten als auch das Gesamtvolumen der Hypothekarkredite erreichten einen neuen historischen Rekord."
Nachtrag 01.01.2018
Durch Zufall stieß ich heute auf den Artikel "The Bubble, Deflation, and Implications for Real Estate" von Charles Minter & Martin Weiner von der Fa. COMSTOCK PARTNERS, INC. Leider ist er undatiert. Da jedoch die Datenangaben (von Extrapolationen für die Zukunft abgesehen) in den Graphiken bis Ende 2002 reichen, dürfte er im Jahr 2003 geschrieben worden sein. Nachfolgend der hellseherische Schlussabsatz:
"Right now real estate and housing are the pillars of the individual's investment portfolio, and if that cracks, it could be the catalyst that throws the U.S. into the same economic quagmire that it went through 74 years ago. When you look at the record foreclosures and near record delinquencies on mortgage debt as well as rising vacancy rates in every area of real estate you start to come to the conclusion that the banks and other lending institutions could be making the same mistake again."
(Tatsächlich muss er 2003 geschrieben worden sein, denn die "74 years ago" bezieht sich zweifellos auf den Beginn der Great Depression im Jahre 1929.)
Textstand vom 07.06.2023
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