Samstag, 19. März 2011

Libyen / Gaddafi: Deutsche Presse hetzt zum Krieg - GRÜNE greifen gierig zum Gewehr (SPD läuft hinterher) - Hurrah-Journaille giftet gegen Regierung (und damit erneut gegen Deutsches Volk)


Eigentlich sollte ich mit dem Vorwurf der Kriegshetze vorsichtig sein, denn ich bin keineswegs dagegen, dass Deutschland Kriege führt bzw. an Kriegen teilnimmt.
Das aber nur unter -2- Bedingungen:
  1.  Der Krieg muss im wohlverstandenen deutschen Interesse liegen und
  2. Wenn man schon in den Krieg zieht, muss man ihn gewinnen wollen, und alle dafür erforderlichen Maßnahmen unternehmen, bzw., aus anderer Perspektive betrachtet, hinterher auch akzeptieren.
Liegt ein Eingreifen - auch nur mit Luftschlägen - im wohlverstandenen Interesse Deutschlands, oder überhaupt des Westens? Was will man erreichen; wie könnte es ausgehen?

Für mich ist keineswegs klar, worum es "den" Rebellen in Libyen geht. Wirklich (nur) um Freiheit und Demokratie? Oder werden da etwa (teilweise auch) rein materielle Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Regionen und/oder Stämmen ausgefochten?
Wer den Spiegel-Online Bericht "Machtkampf in Libyen. Die letzten Tage von Bengasi" von Jonathan Stock vom 17.03.11 gelesen hat, spürt die Reserve, mit welcher der Reporter dem Freiheitskämpfertopos für die Rebellen begegnet.
Unklar ist auch, ob Gaddafi nicht doch noch einen Rückhalt in größeren Teilen des Volkes hat. Das ist zu vermuten, denn sonst würden mehr von seinen Soldaten desertieren - bzw. die Waffen einfach umdrehen. (Das vermutet übrigens auch der FAZ-Redakteur Berthold Kohler wenn er schreibt: "Bei weitem nicht nur in Libyen halten oft ganze Schichten an solchen Regimen fest, weil sie von ihnen profitieren: Funktionäre, Stämme, Sicherheitsdienste".)

Jedenfalls tobt in Libyen ein Bürgerkrieg. In diesen würde man sich einmischen, wenn man versucht, eine Flugverbotszone für die libysche Luftwaffe durchzusetzen, bzw. sogar die Gaddafi-Truppen aus der Luft angreifen würde. Letzteres dürfte sich kaum vermeiden lassen, da die Rebellen momentan klar in der Defensive sind.

Und wie soll es weiter gehen, wenn man (zunächst) eine Patt-Situation hergestellt hat: mit Gaddafi als Beherrscher des westlichen (und anscheinend größeren) Teils des Landes, und den Rebellen (meinetwegen auch Freiheitskämpfern) im östlichen (und anscheinend weitaus kleineren) Landesteil? Fangen wir jetzt an, weltweit eins, zwei, viele Somalias zu schaffen?


Solche Überlegungen fechten unsere "großen" Presseorgane nicht an (bei den Lokalzeitungen gibt es einige Abweichler - vgl. die Presseschau der Financial Times Deutschland vom 19.03.11).

Den Vogel schießt die Süddeutsche Zeitung (SZ) ab, die mit gleich drei Artikeln gegen unsere Regierung feuert:
- "Libyen, Westerwelle und Deutschlands Enthaltung. Der Krisen-Profileur" von Thorsten Denkler (18.03.11);
- "Libyen: UN-Erlaubnis für Intervention. Wie katastrophal die deutsche Diplomatie versagt" vom gleichen Tag (Stefan Kornelius). Der argumentiert gottvoll naiv (oder besser: sträflich dumm):
"Man muss keine Soldaten schicken und kann dennoch Unrecht als Unrecht benennen. ..... Die militärische Drohung sorgt für das nötige Gleichgewicht zwischen Gaddafi und seinen Gegnern. Nur aus dieser Balance heraus lässt sich ein politischer Ausweg finden: Gaddafi etwa könnte das Land verlassen und einen friedlichen Übergang garantieren."Am 19.03.11schaltet sich auch noch Daniel Brössler ein, mit dem dümmsten Argument von allen: "Libyen: Deutsche Enthaltung An der Seite von Diktatoren":
"Erstmals seit ihrem Bestehen hat die Bundesrepublik somit jenen Anker gelichtet, der sie an den Westen bindet. ... Gerhard Schröder und Joschka Fischer handelten zusammen mit Russland, aber eben auch mit Frankreich. Der Sozialdemokrat und der Grüne wurden damals schwer gerügt ob ihrer Abkehr von Amerika. Angela Merkel hielt es als CDU-Chefin sogar für angebracht, sich in den USA für so eine Bundesregierung zu entschuldigen. Nun hat Deutschland unter Verantwortung Merkels und Westerwelles gegen Amerikaner, Briten und Franzosen gestimmt, dafür aber mit Chinesen, Russen, Brasilianern und Indern - gegen die wichtigsten Verbündeten aus dem Westen also an der Seite von Diktatoren, Autokraten und zwei fernen Demokratien."

Im Handelsblatt redet sich Hannes Vogel am 18.03.11 Schaum vor den Mund: "Antwort auf Libyen-Resolution: Deutschland verrät die Freiheit - und seine Verbündeten":
"Ein militärisches Eingreifen ... ist immer ein Fressen für die Geier der islamistischen Propaganda: noch eine Aggression der ungläubigen und ölgierigen Imperialisten gegen ein muslimisches Land! ... selbst gemäßigten Kräften und Mächten in der arabischen Welt geht eine solche Intervention zu weit. ... Im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt sitzen, obwohl das Führungspersonal gewechselt hat, gebrannte Kinder. Afghanistan lehrte die deutsche Politik, dass auch Interventionen, die den lautersten Motiven entspringen, von den Möglichkeiten des Endes her zu denken sind."
Majid Sattar dagegen beklagt aus Berlin am 19.03.11 "UN-Resolution zu Libyen. Die Isolierung des Systems Westerwelle":
"Deutschland hat sich in der Entscheidung über die Flugverbotszone über Libyen enthalten - und sich damit in der westlichen Welt isoliert. Die Folge ist ein diplomatischer Schadensfall höchsten Ausmaßes für Berlin und auch für Westerwelle persönlich."

Ein Lichtblick ist diesmal der Leitartikel "Notwendige Enthaltung" von Karl Grobe in der Frankfurter Rundschau vom 18.03.11:
"Ein Flugverbot zu verhängen, daran kann es keinen Zweifel geben, bedeutet Krieg. Das zeigen die irakischen Erfahrungen. Lange vor der Invasion gegen das Regime Saddam Husseins bombardierten die verbietenden Mächte Militäranlagen; das erklärte Ziel, unterdrückten Minderheiten zu Sicherheit vor Aggression zu verhelfen, wurde im Fall der Schiiten gar nicht und in dem der Kurden nur teilweise erreicht. Gegen Gaddafis Armee und seine Söldner könnte ein Flugverbot ebenfalls nicht viel helfen; das Gemetzel findet am Boden statt, es zu beenden erheischt Bodenkämpfe. Also wiederum Krieg."
Weniger eindeutig, aber zumindest nicht ausgesprochen anti, ist der Kommentar "Außenminister Westerwelle. Auf der Achse der Zauderer" vom 19.03.11.

In den Kreis der Kritiker reiht sich dagegen die Financial Times Deutschland am 18.03.11 ein:  "Mlitäraktionen gegen Gaddafi. Westerwelle und sein Libyen-Fiasko".
Das kann bei der FTD nicht sonderlich überraschen, weil sie ohnehin ausgeprägt an den  angelsächsischen Interessen und Meinungen orientiert ist.
Wohltuend (und volksnäher) dagegen die BILD-Zeitung (in diesem Falle keineswegs "BLÖD"), die sich unter "Luftkrieg gegen Libyen. Drei Gründe, warum Deutschland nicht mitmacht" (18.3.11) auf eine Darlegung der Regierungsgründe für eine Nicht-Intervention beschränkt.

Dass Nicolas Sarkozy in Sachen Libyen keineswegs als ein unbefleckter Kämpfer für Menschenrechte agiert, sondern knallharte eigene Interessen verfolgt, verrät Stefan Simons aus Paris in dem Spiegel-Online (SPON)-Bericht "Uno-Einsatz gegen Libyen. Sarkozys doppelter Befreiungsschlag" (18.03.11).

In dem Artikel "Streit um deutsches Libyen-Votum. Die Jeinsager-Koalition" ist die Überschrift negativer als der Inhalt. Der informiert die Leser u. a. über die Haltung der anderen Parteien im Deutschen Bundestag:
"... bei der SPD tut sich ein ziemliches Durcheinander auf. Auf der einen Seite befinden sich Parteichef Sigmar Gabriel* und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Sie versichern der Bundesregierung rasch ihre Solidarität. Sie wissen, dass es merkwürdig aussähe, wenn sie, die zuletzt in Sachen Afghanistan immer skeptischer wurden, sich plötzlich wieder kriegerisch gäben. Doch es gibt auch andere Stimmen. Heidemarie Wieczorek-Zeul zum Beispiel ..., eigentlich als Friedenstaube bekannt, ... sagt: "Ich finde es eine Schande, dass sich die Bundesregierung enthalten hat." Gegenüber Despoten könne es keine Enthaltung geben. Auch Außenpolitiker Rolf Mützenich ist ziemlich außer sich. Er wirft der Bundesregierung vor, sich nicht zu trauen, "gegen einen vorzugehen, der ein Mörder ist".
Die Linken sind erzürnt. "Kriegstreiber!", schallt es ihm entgegen."
Die Grünen sind offenbar immer für Krieg, solange er eindeutig NICHT unseren Interessen dient. SPON sieht zwar einen "Konflikt [der] mitten durch die Führungsspitze" gehe. Aber wenn ich mir die dazu als Belege beigezogenen Statements ansehe, dann kann ich daraus keine Ablehnung der Intervention erkennen:
"Trotz der Risiken, die mit einer Flugverbotszone verbunden sind, hätte Deutschland an der Seite der europäischen Partner wie Frankreich und Großbritannien zustimmen sollen", kritisiert etwa Parteichef Cem Özdemir die Haltung der Bundesregierung. Für seine Kollegin Claudia Roth dagegen ist klar, dass eine Flugverbotszone "militärisch nur eine geringe Wirkung entfalten wird".
* Erg. 20.3.11: Gabriel, den ich schon früher als substanzlosen Opportunisten eingeschätzt hatte, hat inzwischen rasch die Kurve gekratzt:
"SPD-Parteichef Sigmar Gabriel warf Außenminister Guido Westerwelle am Wochenende vor, Deutschland international isoliert und Europa gespalten zu haben. Wenn die Regierung gegen einen Militäreinsatz zur Durchsetzung einer Flugverbotszone sei, hätte Deutschland mit Nein stimmen müssen statt mit einer Enthaltung.
„So sieht es so aus, als habe Deutschland keine innere Haltung zu der Bekämpfung dieses mörderischen libyschen Diktators. Schlimmer noch: als würde Deutschland vor der Macht dieses Öl-Mafioso kuschen“, sagte Gabriel dem „Tagesspiegel am Sonntag“ laut Vorabbericht
"
lesen wir in der Frankfurter Rundschau v. 19.03.11 u. d. T. "Luftangriffe auf Libyen.Tote nach Bombardement". Logisch ist das nicht, der Regierung einerseits eine Spaltung Europas vorzuwerfen und andererseits sogar noch eine Neinstimme statt einer Enthaltung zu propagieren (wenn auch nur hypothetisch). Und warum eine Enthaltung den Eindruck einer inneren Haltlosigkeit und eines Kuschens vor dem Diktator machen soll, eine Ablehnung dagegen nicht, erschließt sich zweifellos nicht einmal dem Herrn Gabriel selbst. Hauptsache, man hat man wieder auf die Regierung draufgehauen; ob das innerlich stimmig ist oder nicht, hinterfragt sowieso kein Hund [außer natürlich dem großen Hund Cangrande ;-) ]


Ohnehin liest man das im Handelsblatt vom 18.03.11 unter "UNO-Resolution zu Libyen: Militäreinsatz spaltet Deutschland" anders:
"Die Grünen mahnten einen strikt an das humanitäre Völkerrecht gebundenen Einsatz an. Die Einrichtung von Schutzzonen für die Zivilbevölkerung sowie eine Flugverbotszone verschafften Zeit, damit die verschärften Sanktionen an Wirkung gewinnen können, erklärten die Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin in Berlin. Dafür müssten aber auch die Menschenrechte und die Verhältnismäßigkeit der Mittel beachtet werden. Künast und Trittin sowie Parteichefin Claudia Roth betonten: „Die Maßnahmen der Vereinten Nationen halten wir insgesamt politisch für notwendig, um die Bevölkerung vor schwersten Menschenrechtsverletzungen zu schützen.
Also: vielerlei Kautelen (die im Ernstfall einen Misserfolg des Einsatzes garantieren würden) , aber keine Ablehnung.

Der STERN (Florian Güßgen) schreibt "Verrat", wo doch keinerlei Rechtspflicht für Deutschland zum Eingreifen besteht (und im Gegenteil die völkerrechtliche Legitimation dazu sogar ausgesprochen fragwürdig ist: vgl. taz-Interview mit Prof. Reinhard Merkel): "Militäreinsatz in Libyen: Deutschland verrät die Rebellen".Obwohl der STERN-Autor sogar einen Misserfolg der Mission einkalkuliert:
"... es wird zivile Opfer geben, und der militärische Nutzen dieser Mission, ein "Sieg" der Rebellen, ist beileibe nicht garantiert. Und, auch das, der Einsatz wird in der arabischen Welt möglicherweise als neo-kolonialer Akt gegeißelt."

Der FOCUS berichtet neutral "Libyen-Resolution. Regierung rechtfertigt ihr Zaudern" (aktualisiert am 19.03.11).

Der Berliner Tagesspiegel, wie das Handelsblatt und die ZEIT zur Holtzbrinck-Mediengruppe gehörend, hält sich in der Überschrift "Deutschlands Zögern. Libyen und wir: War da was?" noch zurück, kommt aber gleich im 1. Absatz voll zur Sache:
"Hinter der deutschen Zurückhaltung bei der Libyenhilfe steckt eine unmenschliche Überlegung: Bei der Opposition wissen wir nicht, woran wir sind, aber Gaddafi kennen wir. Darf man von seinem Land nicht etwas mehr Leidenschaft für die Menschenrechte verlangen?" Nachdem auch Markus Horeld auf der ZEIT-Webseite am 18.03.11 die Regierung gescholten hatte "Deutschlands feige Außenpolitik" war ich beinahe schon versucht, meinen Blott mit "Holtzbrinck-Presse hetzt für den Krieg" zu betiteln.
(Schon am 17.03. hatte Jan Ross in der ZEIT geschrieben: "Wer in Libyen interveniert, macht sich schuldig. Wer tatenlos zuschaut, zahlt einen noch höheren Preis" und Gaddafi (der so dumm denn doch nicht ist!) bei dessen Sieg schon im Voraus ein Massaker an seinen Gegnern unterstellt:
"Wie werden wir dastehen, wenn Gadhafi seinen Siegeszug mit einem Massaker an den Besiegten krönt und Europa zuschaut wie in den 1990er Jahren bei den Kriegsverbrechen auf dem Balkan?"
Nachdem die WELT (19.3., Richard Herzinger) bekanntlich stramm transatlantisch getrimmt ist, war ein Kommentar im Stil von "Westerwelles Verweigerung blamiert unser Land" dort ohnehin zu erwarten.


Interessant ist es nun, wie in Sachen Thilo Sarrazin oder Baron Karl-Theodor zu Guttenberg die Meinung des Volkes mit der Medienmeinung zu vergleichen.
Unter "Umfrage zu Unruhen in Libyen: Deutsche wollen sich nicht einmischen" hatte der STERN am 16.03.11 gemeldet:
"Die große Mehrheit der Bundesbürger (88 Prozent) ist dagegen, dass Deutschland mit Truppen militärisch in den Bürgerkrieg in Libyen eingreift. Nur 8 Prozent befürworten nach einer Umfrage für den stern die Entsendung von Truppen, vier Prozent äußerten keine Meinung."

Wie im Fall Sarrazin, oder sogar mehr noch als dort, steht also hier die Medienmeinung gegen den Volkswillen.
Allerdings haben wir - wie in der Debatte um die plagiierte Doktorarbeit von Guttenberg - auch hier eine gigantische und rätselhafte Diskrepanz zwischen den Umfragewerten und dem Meinungsbild, wie es sich in den Leserkommentaren im Internet darstellt. Dort argumentiert zwar eine gefühlte Minderheit, aber dennoch eine recht große Zahl der Deutschen pro Intervention.


Sonstige Informationen:

Eine umfangreiche Chronologie (am 19.03.11 gegen 16.30 h bei mir insgesamt 52 Druckseiten!) zur libyschen Revolution präsentiert das Wikipedia-Stichwort "Aufstand in Libyen 2011".

Auf der Webseite "Carta" sind einige Links zu (mutmaßlich) tieferen Informationen in Sachen libyscher Aufstand eingestellt.


Nachträge 20.03.11

Endlich ist auch die FAZ auf meine Linie eingeschwenkt ;-) :
 "Militäreinsatz in Libyen. Ein zweites Afghanistan?" fragt Eckart Lohse am 20.03.11, hat allerdings am Stil der Regierung etwas auszusetzen (meine Hervorhebungen):
"Erst vollmundig das Ende des libyschen Herrschers Gaddafis zu fordern, sich dann aber einer der Teilnahme an einer Militäraktion zu verweigern, ließ diplomatisches Geschick vermissen. In der Sache aber liegen Westerwelle und Kanzlerin Merkel nicht falsch. ..... Wer aber aus der Luft in Libyen eingreift, muss damit rechnen, irgendwann am Boden anzukommen. Militärisch, da es nicht konsequent wäre, Gaddafis Mordmaschine in der Luft, nicht aber am Boden zu stoppen. Soll so ein Einsatz aber langfristig Sinn haben, dann müssen die eingreifenden Staaten dafür sorgen, dass ein zumindest leidlich stabiler Staat entsteht. Wieso sollte diese Aufgabe in Libyen leichter zu bewältigen sein als in Afghanistan?"

"Libyen. Mehrheit der Deutschen befürwortet Luftangriffe" meldet Focus unter Berufung auf eine repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der „Bild am Sonntag“:
Danach "gaben 62 Prozent der Befragten an, sie befürworteten eine Intervention. 31 Prozent sind gegen das militärische Vorgehen. Gleichzeitig halten es 65 Prozent der Bundesbürger für richtig, dass sich die Bundeswehr nicht an den Angriffen beteiligt. 29 Prozent sprechen sich für eine deutsche Mitwirkung aus."
Diese Zahlen erscheinen mir realistisch und nicht im Widerspruch zu den Meinungsäußerungen, wie ich sie im Internet wahrnehme.


Nachtrag 21.03.11
Hübsch ist es zu sehen, wie sich die Lehnstuhlstrategen nach dem Wind drehen. Florian Güßgen, der am 18.3. im STERN Deutschland wegen des angeblichen "Verrats" an den Rebellen kritisiert hatte (s. o.) ist nun doch noch aus seinen romantischen Träumen von edlen Rebellen und bösen Diktatoren aufgewacht und hat gemerkt, wohin die Reise der Koalition der Willigen (oder, wie er zutreffend sagt, "der eigentlich Unwilligen") geht. Nämlich "Planlos in die Dämmerung" (21.03.11). Und da hätte Deutschland mitziehen sollen???


Nachträge 22.03.11

Die Frankfurter Rundschau hat sich jetzt in den Medien-Geleitzug des Anti-Tyrannen-Kampfes eingegliedert. Christian Schlüter meldet am 21.03.11 in dem Artikel "Wir sind unschuldig" flammenden Protest gegen die deutsche Enthaltung an. Wie viele andere Klugscheißer auch, meint er, wir hätten ja für die Intervention stimmen können, und uns trotzdem raushalten:
"eine Zustimmung [hätte] nicht per se bedeutet ..., sich an kriegerischen Handlungen in Libyen zu beteiligen".
Das ist nun freilich die allerübelste Haltung von allen: Hurrah schreien, große Sprüche über 'endlich weltpolitisch erwachsen werden' absondern, aber die anderen die Drecksarbeit machen lassen.

Während die Frankfurter Rundschau nun mitmarschiert, desertiert das Handelsblatt. Hieß es zuerst "Deutschland verrät die Freiheit und seine Verbündeten" (s. o.), kommentiert heute Rüdiger Scheidges realistisch: "Militärschlag in Libyen: Ein kopfloser Krieg gegen Gaddafi":
"Dieser Waffengang ist eine Fehlgeburt: politisch uneinig, völkerrechtlich zweifelhaft und strategisch offenkundig zerstritten soll Aufständischen zur Seite gesprungen werden, von denen kaum einer im Westen genau weiß, was sie ausser dem Abschütteln der Ghaddafi-Diktatur vorhaben, wohin sie mit dem Land wollen. Womöglich verhelfen Paris und London Libyen den Kämpfenden allein zu einer Aufspaltung des Landes.... Die erneute Beliebigkeit im Umgang mit dem internationalen Recht ist eklatant. Das politische Entstehen und die strategische Ausführung der Militäraktion verdient nur ein Wort: abenteuerlich."
Der schon oben mit einem taz-Interview zitierte Hamburger Rechtsprofessor Reinhard Merkel (Strafrecht und Rechtsphilosophie) begründet seine interventionskritische Position heute noch einmal in einem langen FAZ-Artikel: "Völkerrecht contra Bürgerkrieg. Die Militärintervention gegen Gaddafi ist illegitim." Das Gerede über einen angeblich von Gaddafi geplanten oder gar bereits verübten Völkermord überzeugt ihn nicht. Sein (auch: Artikel-)Schluss:
"Die Intervention der Alliierten, so berechtigt ihr Schutzanliegen ist, steht auf brüchigem normativem Boden. Die politische Ziellosigkeit des Unternehmens ist dabei das geringere Übel. Es geht um weit mehr als die pragmatisch beste Lösung eines einzelnen Konflikts: um die Garantie des Gewaltverbots und seiner vernünftigen Grenzen als Grundprinzip der Weltordnung. Der Krieg wird diese Grenzen weiter ins machtpolitisch Disponible verschieben. So berechtigt seine humanitären Ziele sind: Die Beschädigung der Fundamente des Völkerrechts decken sie nicht."

Wie sich die Dinge auf Seiten der Rebellen entwickeln, enthüllt der - allerdings relativ kurze - heutige Spiegel-Online Bericht "Bengasi. Der Krieg hinter der Front" von Jonathan Stock an (s. a. oben "Machtkampf in Libyen ..."):
"... hinter der Front, in Bengasi, [tobt] ein eigener, eigenartiger Krieg. Es ist der zwischen konservativen Reformern, unerfahrenen Rebellen und alten Gaddafi-Anhängern. Eine neue Ordnung entsteht in der Stadt. Und je länger sich Gaddafi an der Macht hält, je länger die Schulen geschlossen haben und die Arbeit ausbleibt, desto höher ist die Chance auf ein Scheitern der Revolution. Ganz ohne Gaddafi."*
Potztausend - wer von unseren Rittern von der schneeweißen Feder hätte eine solche Entwicklung erwartet?
[*Peinlicher Verschreiber bei SPON: im Text ist von einem  "Great-Man-Mad-River-Projekt" die Rede; richtig muss es natürlich heißen: "Great-Man-Made-River-Projekt". Nein, total verrückt ist das Gaddafi-Regime denn doch nicht - obwohl das Anzapfen fossiler Wasserreservoire natürlich keine nachhaltige Form der Trinkwassergewinnung ist. Allerdings berichtete SPON am 24.03.2006 unter der Überschrift "Uraltes Wasser aus der Wüste": "Nach Angaben der Vereinten Nationen fließen täglich rund 6,5 Millionen Kubikmeter Wasser durch die Pipelines in Richtung Mittelmeerküste und die dortigen Städte Tripolis, Bengasi und Sirt. Trotz dieser riesig erscheinenden Menge dürften die Reserven noch einige Zeit halten: Das Nubische Grundwassersystem enthält Schätzungen zufolge 120.000 bis 150.000 Kubikkilometer Wasser. Bei einem Verlust von 6,5 Millionen Kubikmetern täglich wäre das Reservoir erst in 50.000 bis 60.000 Jahren erschöpft."]
[Erg. 30.04.11: zu diesem Projekt vgl. auch den Artikel "Libyen: Krieg gegen ein historisches Wasserprojekt?" auf der Webseite des US-kritischen Journalisten Christoph R. Hörstel. Auch wenn ich die im Titel implizierte These für äußerst fragwürdig halte, und  mir auch der Artikeltext irgendwie ziemlich inkonsistent erscheint, mögen immerhin die Links am Schluss des Hörstel-Artikels von Interesse für Menschen sein die weitere Informationen über das Projekt als solches suchen.]

In Großbritannien entwickelt sich die öffentliche Meinung so, wie sie sich auch hier entwickelt hätte, wenn Deutschland an der Intervention teilgenommen hätte. Darüber informiert uns ein Artikel "David Cameron is finding it's just as hard to carry the home front" des Guardian von Simon Jenkins von heute:
"The domestic front is the most whimsical element in any war. Today it cheers, tomorrow it moans. ... The press ... gave Cameron 24 hours of jets, bangs and glory before talking of scepticism, exit strategies and splits in command and control. ... The tabloids were universally enthusiastic. ... The Times was gung ho ... . The Telegraph was supportive ... . The Guardian was more sceptical but not dismissive, adding "it may not be pretty".By Tuesday things were already shifting. The Mail seemed to join the sceptics, asking whether "we may have started something we don't know how to finish". The Telegraph was finding Cameron's case unconvincing ... The Financial Times advocated swift disengagement ... . Only a hypocrite can demand Gaddafi go, get UN permission to drop bombs on him, encourage his subjects not to surrender but die, and then leave him in place. That is liberal interventionism at its most immoral.In truth, nothing in this bizarre saga makes sense. In the midst of the most exciting, delicate, tentative upsurge in popular activism across the Arab world, the west goes blundering in with the subtlety of Alaric the Goth. ... Even if Cameron were to get lucky and kill Gaddafi, he would be seen as another Bush or Blair, a western interloper having to prop up a puppet state of his own creation. ... [Cameron] should beware of relying on public support. There is no British interest in this war, and opinion will tire of it. No foreign state is threatened. No international treaty or boundary is breached. A civil war on a distant continent is hardly a casus belli."
Schon das Editorial "Libya: Shifting sands" vom 21.03.11 war skeptisch:
"The tension between the responsibility to protect civilians and helping rebels to oust a tyrant will only grow in the coming days. .....Libya is no Rwanda. It soon morphed from a rebellion into a civil war and the outcome is far from certain. One thing is clear. No partner in this coalition wants to assume the leadership of fighting this campaign. The Americans are hiding behind the Europeans, and both are using the Arab League as cover. But whether they like it or not, each country involved will bear responsibility for how this ends. It may not be pretty."


Nachtrag 23.03.11
Wenn wer glaubt, dass wir seinerzeit im Kosovo die weißen Ritter waren, möge sie oder er den Artikel "Kosovo: a template for disaster" (David Gibbs, 21.3.11) lesen (meine Hervorhebung):
"As they weigh up whether to support the attack on Muammar Gaddafi's regime, some western commentators are taking comfort from the 1999 Nato air war against Serbia, which is widely viewed as a successful humanitarian mission that protected Kosovans from Serbian aggression. Moreover it was done at low cost to the intervening powers, who suffered no combat casualties. And ultimately it led to the ousting of Serbia's villainous leader, Slobodan Milosevic. The Libya intervention, it is hoped, will have a similarly positive outcome. In reality, Kosovo presents little basis for optimism with regard to Libya. Its success is based on a series of myths. ..... " (die dann im weiteren Text überzeugend entmythologisiert werden).
Und heute dürfen wir dort noch immer die Schutzpatrone für die albanische Mafia spielen - und mit unseren Steuergelder bezahlen.


Nachträge 01.04.11

Nein, es ist kein Aprilscherz: Die Koalition der Hilfswilligen, vulgo Bombardierwilligen, kämpft (im Ergebnis) in Libyen für Rebellen, über welche sie so gut wie nichts weiß. Zitat aus dem SPON-Bericht "Staatschef-Suche für Libyen. Schaulaufen der Wendehälse" von Ulrike Putz vom 31.03.11:
"Ob und wieweit sie den libyschen Rebellenführern trauen können, diese Frage treibt die Alliierten spätestens seit Beginn des Militäreinsatzes um. "Wir wissen nicht so viel, wie wir gerne wüssten", gab auch US-Außenministerin Hillary Clinton am Dienstag am Rande der Libyen-Konferenz in London zu. Westliche Geheimdienste arbeiten mit Hochdruck daran, endlich genauere Informationen zu bekommen. Man schaue sich sehr genau an, um wen es sich bei den Führern der Opposition handele, so Nato-Oberkommandeur Stavridis."
Echt geniale Politiker, der Friedensfürst Barack Obama, der Wendehals Nicolas Sarkozy und die anderen Mitläufer! Da kann man (ausnahmsweise) mal von Glück sagen, dass wir von einer ganz ungenial-nüchternen Kanzlerin regiert werden!

Sie auch "USA vermuten Qaida-Kämpfer unter den Rebellen", ebenfalls bei Spiegel Online, vom 29.03.11. und noch einmal aus dem gleichen Blatt:

"So sehr der Westen Gaddafi stürzen sehen will, so wenig weiß man über die Kämpfer und deren Motivation.  In Washington warnen Pessimisten bei den Geheimdiensten schon vor möglichen Kontakten zu al-Qaida. Die Angst hinter solchen Warnungen ist nachvollziehbar: Eine hochgerüstete Rebellenbewegung würde möglicherweise zu einer Art Waffenkammer für alle an Rüstungsgut interessierten Gruppen in Nordafrika mutieren. Mit dem Sturz von Gaddafi hätte man dann im schlimmsten Fall für eine Destabilisierung der gesamten Region gesorgt."


Nachtrag 08.04.11
Alles läuft wie (von Merkel, Westerwelle und ebenso mir und vielen anderen deutschen Bürgern) erwartet bzw. befürchtet: Muammar Abu Minyar al-Gaddafi geht nicht freiwillig; die Koalition der Zivilistenretter agiert planlos und die Rebellen sind zwar stark genug, um (mit Hilfe der Nato-Luftschläge) ihre Positionen weitgehend zu halten und insbesondere sich im Osten zu behaupten, aber zu schwach, um Gaddafi zu vertreiben. Woraus zu folgern ist, dass dieser "Tyrann" oder Tyrann doch mehr Rückhalt im Volk und bei seinem Truppen hat, als unsere Medienberichte für uns erkennbar machen.
Inwieweit der Artikel "Libya And Obama’s Defense Of The ‘Rebel Uprising’ " von James Petras seriös ist, kann ich zwar nicht beurteilen. Die kleinen grünen Männchen sind es jedenfalls nicht, die sein Regime verteidigen, und schwarzafrikanische Söldner wohl auch nicht (zumindest nicht in großer Zahl).
Vertrauenswürdig ist jedenfalls die Analyse "Kampf gegen Gaddafi. Nato fürchtet Endloskonflikt in Libyen" von Carsten Volkery bei Spiegel Online (07.04.11).
Volkery redet Klartext über die angeblich auf den Schutz von Zivilisten beschränkte Mission (meine Hervorhebung):
"Die Nato kann sich offiziell stets darauf zurückziehen, dass sie ja nur die Uno-Ziele - eine Flugverbotszone und den Schutz von Zivilisten - durchsetze. Doch in Wirklichkeit geht es bei diesem Einsatz um mehr, das wissen alle Beteiligten. Jeden Tag, den Gaddafi an der Macht bleibt, steigt der Druck auf die westlichen Generäle und Politiker. Zunehmend wird die Frage laut, wie lange der Einsatz noch dauert. Sechs Monate, schätzte der britische Luftwaffenchef diese Woche." Sein Fazit:

"Die westlich-arabische Allianz setzt unbeirrt darauf, dass eins von zwei Szenarien eintritt: Die Rebellen erringen gegen alle Erwartungen doch noch einen Sieg - oder Gaddafi geht freiwillig. Beide Ereignisse kämen überraschend."
Überhaupt scheint mir SPON diejenige deutsche Webseite zu sein, die am nüchternsten über den Konflikt berichtet. So auch in dem Artikel "Libyen-Konflikt. Neue Gaddafi-Taktik erschwert Angriffe der Nato" vom 08.04.11, der ebenfalls die Schwäche der Rebellen, aber auch die unklaren Ziele und den internen Dissens der Verantwortlichen in der Nato thematisiert.

Die FAZ scheint derweil kritische Kommentare wegzuzuzensieren. Nils Minkmar tritt dort heute in seinem Kommentar "Wertefragen. Der Terror, den wir dulden" massiv für eine Einmischung der Bundeswehr in Libyen ein:
"Kein militärisches Engagement in Libyen, aber die Bundeswehr bleibt in Afghanistan? Deutschland kann nicht am Ende der Welt das Leben von Soldaten für Prinzipien riskieren, die es am Mittelmeer verrät."
Bislang (23.18 h) wurde kein einziger  Leserkommentar dazu veröffentlicht. Es ist auszuschließen, dass die Leser von FAZ.net, die sich bei anderen FAZ-Artikeln mehrheitlich gegen ein deutsches Eingreifen aussprechen, eine solche Position stillschweigend hingenommen haben sollten. Im Gegenteil vermute ich, dass die Redaktion von FAZ.net hier von Wutbürger-Reaktionen geradezu überrollt wurde.
Und natürlich wurde auch mein Kommentar, der kritisch fragt, ob wir nach Minkmars hehren Prinzipien nicht auch in der Elfenbeinküste, im Jemen, Iran, Nordkorea usw. intervenieren müssten, nicht freigegeben.
Interessant ist im übrigen die Begründung Minkmars: Gaddafi sei ein Terrorist, es gehe also um den Kampf gegen den Terror. Aber hallo: hieß es nicht offiziell, dass man Zivilisten schützen wolle? Abgesehen davon, dass es schon lange Jahre her ist, dass Gaddafi Anschläge befahl (Minkmar verweist auf das Sprengstoffattentat gegen die Berliner Diskothek La Belle im Jahr 1986, den Überfall auf die OPEC-Konferenz im Jahr 1975 und den Lockerbie-Flugzeugabsturz 1988; außerdem auf einige jüngere Vorfälle, die aber anders gelagert sind), ist es einigermaßen unbefriedigend, antiterroristische Operationen unter propagandistisch falscher Flagge des Zivilistenschutzes durchzuführen. In diesem Zusammenhang darf man sich durchaus auch daran erinnern, dass die USA 1989 völkerrechtswidrig in Panama einmarschiert sind, um mit ihrer Operation "Just Cause" (hahaha!) den Machthaber Manuel Noriega zu fangen - angeblich wegen Drogenhandel. Dass dabei einige hundert Zivilisten (die Meldungen über die Opferzahlen schwanken) draufgingen, war natürlich KEIN Terrorismus. Wer die Macht hat, hat halt das Recht.
Erg. 11.04.: Mittlerweile sind doch einige Leserkommentare zum Minkmar-Artikel veröffentlicht, allerdings nur 7 Stück; das ist mit ziemlicher Sicherheit weitaus weniger als die Menge der tatsächlich abgegebenen Kommentare.

Den langen Artikel "Obama’s Libyan Folly: To be or not to be…" des amerikanischen Völkerrechtlers, der die Intervention sowohl unter völkerrechtlichen wie unter praktischen Gesichtspunkten kritisiert, sollte man unbedingt lesen.


Nachtrag 09.04.11
Bei der ZEIT darf Ulrich Ladurner zumindest in seinem Blog darüber sprechen, mit welch gewaltigen Risiken das (vorwiegend: westliche) Eingreifen in Libyen mit hohen Risiken behaftet ist: "Der Libyen-Krieg ist festgefahren"  schreibt er am 08.04.11.
Das Blatt selbst dagegen bleibt stramm auf Interventionskurs. Robert Birnbaum kritisiert dort am 8.04.11 in einem vom TAGESSPIEGEL übernommenen Kommentar  "Die vermurkste deutsche Libyen-Politik":

"Dass sich jetzt doch deutsche Soldaten in Libyen engagieren, ist richtig. Aber es ist nach der bisherigen Blockadepolitik eben nur nacheilende Solidarität."
Beinahe noch mehr als bei FAZ-Artikeln zum Thema sind die Leserkommentare zu diesem Meinungskommentar, ebenso wie zu dem Bericht "Im Zickzack nach Libyen", ebenfalls vom 8.04.11, fast einhellig negativ.
Je länger der Krieg dauert, und je näher die Entsendung von Bodentruppen rückt, um so realistischer beurteilt die Bevölkerung die Lage. Nicht einmal unser Volk ist durchgängig blöd, auch wenn sich die Mehrheit der Medienschaffenden alle Mühe gibt, uns zu verdummen.

Während die Regierung die Bundeswehr zu humanitären Zwecken nach Libyen schicken will, ist unsere Marine nicht einmal in der Lage, die Schiffahrt ausreichend gegen Piraterie zu schützuen.


Nachtrag 11.04.11
Berthold Kohler schiebt auf FAZ.net die Nebelwolke um den vor kurzem von der Bundesregierung angebotenen "humanitären" Einsatz in Libyen beiseite. "Dem Krieg näher" betitelt er seinen Kommentar vom 10.04.11, in dem er deutlich kritisch u. a. formuliert:
"Als Angehörige einer EU-Battlegroup werden deutsche Soldaten dem Krieg in Libyen viel näher kommen als in Flugzeugen oder Schiffen, deren Einsatz Berlin verweigerte.
Der Bürgerkrieg in Libyen ist ziemlich genau in dem Stadium angekommen, das die Bundesregierung vor Augen hatte, als sie sich gegen die Teilnahme an der militärischen Intervention entschied: in einem unübersichtlichen Patt mit wechselndem Frontverlauf. ..... An dieser gefährlichen Nähe ändert auch das Etikett „humanitäre Mission“ nichts. Damit aber lässt sich in Deutschland immer noch vieles bemänteln, auch die Rückkehr in die Bündnissolidarität."

Währenddessen scheint die militärisch-politische Entwicklung auf eine Pattsituation, evtl. eine Landesteilung, hinauszulaufen; vgl. beispielsweise den Bericht "Gaddafi zu Waffenstillstand bereit" auf FAZ.net von heute.


Nachtrag 12.11.04
Was auf die deutschen Soldaten wartet, wenn sie von unserer Regierung nach Libyen geschickt werden sollten, lässt sich dem heutigen Handelsblatt-Bericht "Krieg in Nordafrika: Gaddafi torpediert Westerwelles Libyen-Pläne" entnehmen:
"Westerwelle will, dass deutsche Soldaten in Libyen humanitäre Hilfe leisten. Kampfhandlungen seien ausgeschlossen. Leider sieht Gaddafi das anders. Er kündigt an, bewaffnete Anhänger auf die Eindringlinge zu hetzen."  Das bedeutet allerdings nicht, dass Gaddafi humanitäre Hilfe grundsätzlich ablehnt, denn wir erfahren auch (meine Hervorhebung):
"Die staatliche Nachrichtenagentur Jana meldete am Dienstag, das Außenministerium habe der EU und dem Weltsicherheitsrat mitgeteilt, dass man bewaffnete Zivilisten auf jeden hetzen werde, der versuche, sich der Stadt östlich von Tripolis "unter einem humanitären Vorwand" zu nähern. Außer dem Roten Kreuz und dem Roten Halbmond sei es niemandem gestattet, Hilfe zu leisten, hieß es."*
Wenn das zutrifft bedeutet es, dass Gaddafi sich lediglich gegen eine Verletzung der libyschen Souveränität wehren will, nicht gegen Hilfe für die Bevölkerung.
Und zu einem anderen Aspekt des Bürgerkrieges in Libyen:
"Libyen droht den Worten des früheren libyschen Außenministers Mussa Kussa zufolge ein neues Somalia zu werden. Alle beteiligten Konfliktparteien müssten verhindern, dass es zu einem vergleichbaren Bürgerkrieg komme, sagte Kussa in einem in der Nacht zum Dienstag ausgestrahlen Beitrag der BBC.
 * (Ergänzung 20.04.11:) Wer meine Annahme für zu optimistisch, naiv oder gar Gaddafi-freundlich gehalten haben sollte, kann Sie sich in dem heutigen (langen) FAZ-Bericht "Rebellen bitten erstmals um Bodentruppen" eines Besseren belehren lassen (meine Hervorhebung): "[Nato-Sprecher] Van Uhm gab an, dass Gaddafis Truppen Misrata immer noch beschössen, ohne auf die Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. Viele Häuser seien beschädigt, der Hafen habe zeitweise geschlossen werden müssen. Humanitäre Hilfe komme aber immer mehr in die Stadt, weshalb eine militärische Absicherung von Hilfslieferungen bisher nicht nötig gewesen sei." Weiterhin auch über die militärische Lage: "Auf die Frage, wer in Libyen nach einem Monat Krieg auf dem Weg zum Sieg oder zur Niederlage sei, antwortete van Uhm: „Das ist schwer zu sagen.“ Der General bezeichnete die militärische Lage in der Stadt, wie in den meisten Landesteilen, als „im Fluss“. Die Dynamik zwischen Gaddafis Truppen und den Aufständischen verändere sich ständig" sowie darüber, auf welche Weise die Nato in Libyen die 'Zivilisten schützt' (und das Gebot der Nichteinmischung in Bürgerkriege 'respektiert'):
"Die Nato bemühe sich darum, aus der Luft die Befehls- und Kommunikationseinrichtungen des Regimes sowie dessen Nachschub an Material und Truppen zu zerstören."
Humanitären Hilfe muss mittlerweile auch für andere Gebiete Libyens geleistet werden, die noch im Machtbereich von Gaddafi liegen:
"Unterdessen hat das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) im Westen Libyens einen neuen humanitären Korridor eingerichtet und erstmals einen Hilfstransport für notleidende Menschen in umkämpften Gebieten auf den Weg gebracht, die seit Ausbruch der Kämpfe ohne Hilfe geblieben sind. Ein Konvoi von acht mit Weizenmehl und Energiekeksen beladenen Lastwagen fuhr über die tunesische Grenze in die westlichen Gebiete Libyens ein."
 Über humanitäre Hilfe für Misrata berichtet ebenso der heutige Stern-Artikel Stern-Artikel "Aufruhr in Libyen: Frankreich erhöht den Einsatz": "Nach den Angaben des Rebellen treffen Hilfslieferungen in der Stadt ein: Am Mittwoch habe ein türkisches Schiff mit Hilfsgütern im Hafen von Misrata angelegt, am Dienstag seien zwei Schiffe aus Katar in den Hafen gelangt. Sie hatten 1500 aus Afrika stammende Flüchtlinge mitgenommen. "


Nachtrag 15.04.11
Über meine Landsleute kann ich mich nur wundern. Lt. der Umfrage «Deutschlandtrend» von Infratest dimap im Auftrag des ARD-Morgenmagazins lehnen zwar 45 Prozent der Befragten einen Einsatz deutscher Soldaten zur Unterstützung humanitärer Hilfseinsätze ab. Jedoch unterstützten 50 Prozent der Bundesbürger ein solches militärische Vorhaben der EU und befürworten den Einsatz deutscher Soldaten. (Siehe Meldung "Umfrage: Deutsche beim Libyen-Einsatz gespalten" der Augsburger Allgemeinen vom 15.04.11.)


Nachtrag 17.04.11
Das politische System in Libyen unter Gaddafi erläutert der Baseler "Brainworker" Martin Herzog auf seiner Webseite u. d. T. "Wie wird man Diktator in einer Anarchie? Die Probleme der vermutlich letzten Räterepublik Libyen" (15.03.11). Dabei verlinkt er auch zu

Nachtrag 26.06.2011
Im "Independent" berichtet Patrick Cockburn am 24.06.2011: "Amnesty questions claim that Gaddafi ordered rape as weapon of war" zwar mit dem Fokus auf die (ebenfalls nicht nachweisbaren) systematischen Vergewaltigungen durch Soldaten (vgl. dazu meinen Blott "US-UN-Botschafterin Susan Rice nimmt Viagra für den Kampf gegen Gaddafi!") auch über die angeblichen Zivilistentötungen:
"The Amnesty findings confirm a recent report by the authoritative International Crisis Group, which found that while the Gaddafi regime had a history of brutally repressing opponents, there was no question of "genocide". The report adds that "much Western media coverage has from the outset presented a very one-sided view of the logic of events, portraying the protest movement as entirely peaceful and repeatedly suggesting that the regime's security forces were unaccountably massacring unarmed demonstrators who presented no security challenge"."
Ebenso wenig ist der vielfach behauptete Einsatz ausländischer Söldner durch Ghaddafi nachweisbar. Der Mann ist gewiss keine Lichtgestalt, aber die Propagandamaschinerie (der Rebellen und der CIA + Co.?) hat offenbar gewaltig übertrieben.


Nachtrag 30.07.2011
Jetzt killen sich die menschenfreundlichen demokratischen Rebellen schon gegenseitig:
"Libysche Rebellen: Verbündete Miliz erschoss unseren Militärchef" meldet Reuters heute:
"Der Militärchef der libyschen Rebellen ist nach Angaben der Aufständischen von Mitgliedern einer verbündeten Miliz erschossen worden. Abdel Fattah Junes - ein übergelaufener langjähriger Vertrauter von Machthaber Muammar Gaddafi - sollte demnach von der Miliz von der Front bei Brega nach Benghasi gebracht werden, sei aber von dieser umgebracht worden, sagte der Ölminister der Rebellen, Ali Tarhuni, am Freitag. ..... Die Äußerungen des Rebellen-Ministers scheinen zu belegen, dass es innerhalb der Reihen der Aufständischen tiefe Gräben gibt."
Den Interventionisten in Paris, Washington und London weiterhin viel Freude bei der Zusammenarbeit mit solchen Lichtgestalten!


Nachtrag 01.08.2011
Uwe-Jürgen Ness titelt in seinem Blog im "FREITAG" am 31.07.11: "Thank you NATO?". Er gibt dort u. a. Angaben der libyschen Regierung über die Anzahl der durch die Bombardierungen getöteten Zivilisten wieder. Zwar ist es journalistisch unsauber, wenn er schreibt: "Am 1. Juni meldete die Nachrichtenagentur Reuters: Libyen: Nato tötete mehr als 700 Zivilisten". Das lässt die Nachricht autoritativer erscheinen, als sie ist, denn wenn man auf die Agenturmeldung klickt (immerhin verlinkt Nees zu dieser!) stellt man fest, dass es sich um Angaben der libyschen Regierung handelt. Dennoch erscheinen diese auch mir durchaus glaubhaft; das sind keine Phantasiezahlen, wie sie weiland von der Propaganda Saddam Husseins für den Irak verkündet wurden. So ist Nees zuzustimmen, wenn er in seinem Schlussabsatz erläutert, dass die Dimension der Opferzahlen durchaus glaubwürdig ist:
"Am 13. Juli erhob der libysche Generalstaatsanwalt Anklage gegen die Verantwortlichen bei der NATO und beschuldigte diese, Kriegsverbrechen zu begehen. Er bilanzierte, dass bei den NATO-Attacken auf Tripolis und andere Städte und Dörfer insgesamt 1102 Zivilisten getötet sowie 4537 weitere Menschen verletzt worden seien. Obwohl diese Zahlen aus libyschen Justizkreisen stammen, erscheinen sie durchaus im Bereich des Realistischen zu liegen, wenn man etwa die Bombardierungen von Ex-Jugoslawien 1999 als Vergleich heranzieht. Damals forderten die NATO-Bombardierungen in einem Land mit ähnlich großer Bevölkerung, einer vergleichbar großen Hauptstadt sogar bei kürzerer Einsatzdauer zwischen 1200 und 2500 Todesopfer."


Nachtrag 03.08.2011
"Libya War Lies Worse Than Iraq" schrieb ein Thomas C. Mountain am 23.07.11 auf der Webseite "Information Clearing House". Über die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen enthalte ich mich eines Urteils; jedenfalls sollte man sich bei seiner Meinungsbildung über den Libyen-Krieg nicht nur auf das verlassen, was man aus den regulären Medien, und schon gar den deutschen, erfährt: "Audiatur et altera pars" muss (ganz besonders) in diesem Falle das Motto des Urteilenden sein.
Ebenfalls Kriegs-kritisch (und vom Drüberschauen her glaubwürdig) ist der Beitrag "NATO – Blamage in Bengasi" im Blog "Denkbonus" (ansonsten nicht unbedingt mein Favorit) vom 01.08.11.
Vgl. dazu auch den von Denkbonus verlinkten Blog "Hinter der Fichte", über dessen Glaubwürdigkeit ich ebenfalls nichts sagen kann, der mir aber jedenfalls nicht von vornherein unglaubwürdig erscheint.
Insbesondere erscheint der AP(Associated Press)-Bericht "Witnesses: Commander killed by fellow Libya rebels" vom 31.07.11 wichtig.


Nachtrag 14.08.2011
Bei der Bewertung von Informationen gegen die Nato-Aktion muss man sicherlich vorsichtig sein. Wenn also jemand in seinem Bericht schreibt "Ich für meinen Teil wohne gegenwärtig in Tripoli .....", dann klingeln die Warnglocken. Andererseits zeigt es aber guten Stil, wenn man seine (und sei es nur geographische) Position kundtut. Es flößt irgendwie Vertrauen ein, wenn, wie Thierry Meyssan das in seinem Artikel "L'OTAN face à l'ingratutide des Libyens" tut, ein Berichterstatter darüber aufklärt, dass er aus der noch immer in Gaddafis Hand befindlichen libyschen Hauptstadt schreibt.
Ich habe den Artikel nicht im französischen Original gelesen und kenne auch das Voltairenet nicht. Eine deutschsprachige Übersetzung findet sich auf einer linksorientierten, Nato-feindlichen deutschen Webseite u. d. T. "Die NATO und die Undankbarkeit der Libyer"; dieser Text wurde vom Blog "Denkbonus" übernommen, wo ich ihm begegnet bin. Bei aller Reserve gegen die ideologische Ausrichtung dieser Webseiten teile ich natürlich im Prinzip deren Ablehnung der Nato-Aggression (denn um eine solche handelt es sich, und keineswegs um einen Schutz von Zivilisten!) in Libyen.
Die in dem Text (der allerdings schon vom 12.07.2011 stammt!) behauptete Schwäche der Rebellen ist allerdings nicht in vollem Umfang nachvollziehbar. Zwar ist es schon ungewöhnlich, wenn eine doch angeblich von der breiten Masse getragene Bewegung nicht in der Lage ist, trotz massiver Luftunterstützung von außen die Truppen einer angeblich den Volkswillen missachtenden Regierung zügig zurückzudrängen und zu schlagen. Trotzdem lesen wir aktuell Berichte über Rebellenerfolge in den Hafenstädten Brega und Sawija und anderen Orten, die wohl nicht samt und sonders frei erfunden sind. Wenngleich dieser Bericht der BILD-Zeitung vom 09.08.2011 keineswegs überschwängliche Hoffnungen auf einen raschen Rebellensieg aufkommen ließ und die Tötung des obersten Rebellenkommandeurs Abdel-Fattah Junes sowohl einen Riss in den Reihen der Rebellen offenbart als auch die Fragwürdigkeit des Nato-Kampfes gegen Gaddafi insgesamt, die möglicher Weise am Ende nur den Islamisten nützen wird. Deren Stärke wird beiläufig z. B. auch in einem Bericht über mangelnde medizinische Versorgung der Rebellenkämpfer deutlich, wenn man dort erfährt "„Gott ist groß!“, rufen die Rebellen, während sie ihrem Kameraden die Augen schließen. Sie haben nicht mehr als ihren Glauben. Den Glauben daran, dass der Gefallene als Märtyrer ins Paradies einzieht."
Jedenfalls deutet schon die relative Stabilität des Widerstandes der Regierungstruppen darauf hin, dass das Gaddafi-Regime im Volk wohl doch tiefer verankert ist, als manche im Westen glaubten und als seine Gegner (und die deutsche Penner-Presse) uns glauben machen wollen.


Nachtrag 01.09.2011
Zur aktuellen Lage der Menschen (und der Menschenrechte) in Libyen nach dem Sieg der Rebellen, sowie zur jämmerlichen Rolle der deutschen Mainstream-Medien vgl. auch den Artikel "NATO und Islamisten in Libyen: Beim Töten Seite an Seite" von Frank W. Haubold bei "eifrei" (31.08.11).


Nachtrag 15.10.2011
Kaum wurde Gadhafi gegangen, schon geht es weiter wie gehabt: "Libyen Amnesty wirft dem Übergangsrat systematische Folter vor" titelte z. B. die Zeit eine Meldung vom 13.10.2011 über einschlägige Feststellungen von Amnesty International.
Und, eigentlich erstaunlich, wenn man sich auf jenes Meinungsbild verlassen würde, dass uns unsere Medien über Gadhaffi und seine Stellung im Land vermittelt haben: "Erstmals wieder Kämpfe in Tripolis.": "In der libyschen Hauptstadt kämpfen bewaffnete Gadhafi-Anhänger mit Truppen der Übergangsregierung".


Nachtrag 17.12.2011
Zwei Spiegel-Online-Artikel über die (für denkende Menschen, aber offenbar nicht für Frankreich, die USA, Großbritannien und die sonstigen Allianz-Mitglieder im Kampf gegen Gaddafi) vorhersehbaren Entwicklungen nach Gadhafis Sturz:

Nachtrag 25.03.2012
Über die völkerrechtlichen Konstruktionen bzw. Überlegungen, die hinter dem Eingreifen in Libyen standen, sowie über die Rückwirkungen dieser (in vielerlei Hinsicht sehr fragwürdigen) Intervention auf die Theorie bzw. auf vergleichbare politische Situationen (aktuell: Syrien!) schreibt Andreas Ross heute in seinem FAZ-Artikel " 'Schutzverantwortung'. Pyrrhus-Durchbruch".


Nachtrag 26.03.2012
Josef Joffe, Herausgeber der ZEIT, entpuppt sich in einem Gastkommentar für das Handelsblatt vom 24.03.2012 als Stimme der Vernunft gegen den (naiven und illusorischen) Menschenrechtsbellizismus: "84 Millionen Mausklicks und die Moral":
"Nach Afghanistan müsste die Botschaft in Wahrheit lauten: „Nie wieder!“ Die schmerzliche Einsicht drängt sich umso mehr auf, als sich im Westen ein neuer „Menschenrechts-Bellizismus“ formiert. Ironischerweise entspringt er in Deutschland dem alten pazifistischen Lager, das gegen Wiederbewaffnung, Nato-Beitritt und Aufstellung der Pershings gefochten hat, gegen den Einsatz in Bosnien und dem Irak. ..... Für gewendete Pazifisten sind nicht alle Kriege böse, sondern nur die selbstsüchtigen – etwa: „Krieg für Öl“. Gewalt kann nur geadelt werden, wenn sie von keinen Interessen getrieben wird – seien es strategische oder ökonomische. Allein die humanitäre Pflicht zählt. ..... Es ist einfacher, ein Regime mit Präzisionswaffen zu fällen, als eine neues, menschliches einzupflanzen. Gaddafi ist tot, aber die Stämme, die mit westlicher Hilfe Tripolis erobert haben, streiten jetzt nicht um Demokratie, sondern um Vorherrschaft. ..... Alle Interventionen haben eines gemein: Wer reingeht, muss dableiben – ohne Abzugsdatum. Die von der Diktatur unterdrückten Konflikte zwischen Sekten und Stämmen verschwinden nicht zusammen mit den Rettern – im Gegenteil. Denn der Druck im Kessel entlädt sich umso wütender, wenn der Deckel weg ist. ..... Bushisten (rechts) und neue Interventionisten (links) sind vom selben Stamm. Obwohl ideologisch spinnefeind, teilen sie doch dieselbe Heilslehre: Wir schlagen zu, und alles wird gut. Wird es aber nicht, weil erst danach die Kärrnerarbeit beginnt: Wie ein Land befrieden und demokratisieren, das nur unter der Knute der Diktatur intakt geblieben ist? ..... Selbstverständlich blutet das Herz im Angesicht des Grauens. Aber um wieder die Moral zu konsultieren: Niemand muss mehr tun, als er kann. Deshalb sollte auch niemand seine Soldaten in einen Kampf schicken, der allenfalls die Schurken, nicht die Ursachen der Bosheit beseitigen wird. ..... Wenn ein Jahrzehnt nicht ausreicht, um die Ursachen der Blutrünstigkeit zu beseitigen, wie kann es dann ein Bombenkrieg vom sicheren Port aus tun, wie ihn die Neo-Bellizisten für Syrien fordern? Hinter dem humanitären Horror verstecken sich immer Bürgerkriege. Die lassen sich weder mit guten Absichten noch mit Abstandswaffen beenden."


Nachtrag 05.04.2012
Wegen politischer 'Kollateralschäden' des westlichen Eingreifens in Libyen siehe jetzt auch den FAZ-Artikel "Mali. Islamisten auf dem Vormarsch" von Klaus-Dieter Frankenberger (4.4.12): "Groß ist die Gefahr, dass Mali zu einem „gescheiterten Staat“ wird. Es ist böse Ironie, dass das Vordringen der Rebellen im Norden des Landes mit dem Geschehen in Libyen zusammenhängt; während der Herrschaft Gaddafis hatten sich dort viele Tuareg aufgehalten. Auf der Flucht nahmen sie Waffen mit - und heute sind sie dabei, Mali zu teilen. Darauf muss man sich einstellen: In Nordafrika sind gemäßigte und radikale Islamisten auf dem Vormarsch."

Textstand vom 05.04.2012

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen