Mittwoch, 4. Mai 2022

Darf in Deutschland jeder durchgeknallte Dorf-Despot verfassungswidrigen Meinungsterror gegen russische Prominente ausüben?

 
Ende Februar diesen Jahres hatte der Münchener Oberbürgermeister Dieter Reiter von Waleri Gergijew (andere SchreibweiseValery Gergiev), dem russischen Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker, eine öffentliche Stellungnahme gegen Putins Überfall auf die Ukraine verlangt. Und für den Fall, dass er diese nicht abgeben würde, mit einer fristlosen Kündigung gedroht. (Die, nachdem der Dirigent die geforderte Erklärung nicht abgegeben hatte, dann auch ausgesprochen wurde.)

Mit E-Mail vom 27.02.2022 hatte ich gegen den OB Dieter Reiter Strafanzeige wegen Nötigung erstellt; Einzelheiten vgl. mein Blott "Staatlicher Gesinnungsterror in München und Hamburg gegen russischen Dirigenten: STRAFANZEIGEN gegen Münchener OB und Intendanten der Hamburger Elbphilharmonie". (Ich war übrigens nicht der Einzige; unabhängig von mir hatten auch andere Personen Strafanzeigen erstattet, darunter der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron.)
 
Mit 4-seitigem Schreiben vom 30.04.2022 hat die Staatsanwaltschaft mir mitgeteilt, dass sie mit Verfügung vm 25.02.2022 das Ermittlungsverfahren gem. § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt habe. Das bedeutet, dass die Ermittlungen keinen "genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage" bieten, dass also keine (ausreichenden) Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat vorliegen.

Dieses Schreiben habe ich eingescannt und stelle es hier ein. (Durch Rechtsklick können die Bilder separat in einem größeren und damit besser lesbaren Format geöffnet werden):






Dagegen habe ich heute, am 04.05.2022, Beschwerde mit dem u. g. Text eingelegt. Allerdings erfahre ich nunmehr in diesem Anwaltsblog:
"Für Personen, die zwar eine Strafanzeige gestellt haben, durch die Straftat aber selbst nicht verletzt sind, besteht nach derzeitiger Rechtslage kaum eine Möglichkeit, die Fortführung des Ermittlungsverfahrens durchzusetzen. Es besteht die Möglichkeit, eine Dienstaufsichtsbeschwerde an den Vorgesetzten zu richten, allerdings ist diese selten von Erfolg gekrönt. Um ihre Erfolgsaussichten zu erhöhen, lassen Sie sich von einem Rechtsanwalt für Strafrecht beraten."
Einen Rechtsanwalt kann ich für diesen Zweck nicht bezahlen; wahrscheinlich werde ich meine "Beschwerde" noch als "Dienstaufsichtsbeschwerde" einreichen.
(Leider gibt es insoweit die Volksweisheit, dass Dienstaufsichtsbeschwerden "formlos, fristlos, folgenlos" sind.😁)
Gleichwohl mag aber der Inhalt meiner "Beschwerde" für den einen oder anderen von Interesse sein:

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Sehr geehrte Damen und Herren,

gegen die mir mit Ihrer heute bei mir eingegangenen Einstellungsverfügung vom 30.04.2022 in dem o. a. Ermittlungsverfahren lege ich Beschwerde oder das sonst zulässige Rechtsmittel ein.

Hinweis
: Fettungen in Zitaten jeweils vom Anzeigeerstatter hinzugefügt.


Die Rechtsmeinung, wonach die von dem Geschädigten verlangte Nicht-Distanzierung von Putins Ukrainekrieg eine "erhebliche Pflichtverletzung" darstelle, ist falsch. Sie tritt das grundgesetzlich garantierte Recht der "negativen Meinungsfreiheit" mit Füßen.
Wie z. B. der BGH in seiner Entscheidung vom 19.07.2018, Az. IX ZB 10/18, festgestellt hat, umfasst "die Freiheit der Meinungsäußerung ..... auch die negative Meinungsfreiheit, die Freiheit also, eine Meinung nicht zu haben, nicht zu äußern und insoweit zu schweigen und nicht gezwungen zu werden, eine fremde Meinung als eigene verbreiten zu müssen (BVerfGE 65, 1, 40 f; 95, 173, 182; BVerfG, WM 2018, 1167 Rn. 21; Dreier/Schulze-Fielitz, GG, 2. Aufl., Art. 5 Rn. 74; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl., Art. 5 Rn. 11)."

Eben darum ging es aber hier: Der Münchener OB - und damit ein POLITIKER, der als solcher ganz besonders zur Beachtung grundgesetzlicher Normen verpflichtet ist! - hat versucht, einen Mitarbeiter seiner Stadtverwaltung (im weitesten Sinne) zu nötigen, die Meinung des OB ("fremde Meinung") "als eigene zu verbreiten". Das ist verfassungswidrig und verfassungsfeindlich; wir leben nicht in der DDR, wo es wohl üblich gewesen war, den Bürgern Bekenntnisse zum (angeblich) "demokratischen Sozialismus" und gegen den angeblich aggressiven westlichen Kapitalismus, Faschismus sowie Solidaritätsbekundungen zu diversen Ereignissen, Staaten usw. abzuverlangen. Dieses Grundrecht bindet "Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht" (Art. 1 § 3 GG) und damit auch die Staatsanwaltschaft bei der Bewertung der Strafbarkeit von inkriminierten Handlungen.

Ein GRUNDGESETZLICH GARANTIERTES RECHT kann man nicht mit utilitaristischen Überlegungen, und gar noch von der Sorte "hätte - wäre - könnte", aushebeln. Wenn diese negative Meinungsfreiheit sogar der Durchsetzung eines (ausländischen) Gerichtsurteils in Deutschland entgegensteht (so der BGH-Fall), dann erst Recht den Anmaßungen von durchgeknallten Dorf-Despoten, ihren Mitarbeitern öffentliche politische Bekenntnisse abzupressen. Selbst wenn die in der Einstellungsverfügung herangezogenen Normen eine fristlose Kündigung rechtfertigen sollten, rechtfertigen sie KEINEN Entzug der negativen Meinungsfreiheit. Sie sind keine "Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze" i. S. v. Art. 5 Abs. 2 GG. Und damit rechtfertigen Sie auch in keinster Weise den ebenso widerrechtlichen wie verwerflichen Nötigungsversuch des Beschuldigten gegen den geschädigten Dirigenten.

Es kommt überhaupt nicht darauf an, ob die Aufforderung zur Distanzierung vom (kurz gesagt) Ukrainekrieg "ihrem sozialen Sinngehalt nach nicht zu beanstanden ist". Mit derlei inhaltlichen Kriterien käme man sehr schnell auf die schiefe Ebene einer Rechtsprechung nach "gesundem Volksempfinden". Die Aufforderung des Beschuldigten an den Geschädigten ist, unabhängig davon, ob man ihren Inhalt moralisch billigt oder nicht, ALS SOLCHE eine rechtswidrige und verwerfliche Nötigung, weil sie ein Versuch ist, jemanden zu zwingen, "eine fremde Meinung als eigene verbreiten zu müssen".
Das mag in totalitären Staaten üblich sein, in freiheitlich-demokratischen Rechtsstaaten ist eine solche Praxis nicht hinnehmbar. Wo soll denn so etwas enden? Müssen demnächst auch Gynäkologen sich zur neuen US-Rechtsprechung i. S. Abtreibung positionieren? Das mag jetzt noch lächerlich klingen; aber wenn man derartigen verfassungsfeindlichen Bestrebungen wie denjenigen des Beschuldigten nicht gleich in den Anfängen entgegen tritt, dann breiten sie sich aus wie Ölflecken auf Wasser.

Welche Meinung der russische Dirigent Waleri Gergijew zum Ukrainekrieg vertritt, wissen wir nicht. Der Umstand, dass er die geforderte Erklärung nicht abgegeben hat, hat insoweit keine Beweiskraft. Auch der Anzeigeerstatter hätte, obwohl er Putins Überfall auf die Ukraine ganz entschieden verurteilt, sich in der Situation des Dirigenten wahrscheinlich aus grundsätzlichen Überlegungen heraus ebenfalls geweigert, sich eine Erklärung abnötigen zu lassen. Aber selbst WENN der Geschädigte Putins Überfall auf die Ukraine für gut und gerechtfertigt halten sollte, wäre das sein verfassungsmäßiges Recht. Möglich, dass ein Kündigungsgrund dann vorgelegen hätte, wenn der Geschädigte sich positiv zum Ukrainekrieg geäußert hätte; das war jedoch, soweit bekannt, nicht der Fall. Angesichts seiner Nicht-Erklärung lagen eben KEINE TATSACHEN vor, aufgrund derer eine Vertragserfüllung nicht hätte zugemutet werden können. Jedenfalls keine TATSACHEN, die nicht schon bei Vertragsabschluss bzw. Vertragsverlängerung bekannt waren.

Völlig inakzeptabel ist es, wenn sich die Einstellungsverfügung auf eine "rechtliche Würdigung der vorbereitenden Gremien des Kulturreferats" beruft, wonach angeblich der Beschuldigte berechtigt gewesen sein soll, dem Geschädigten eine öffentliche Distanzierung von Ukrainekrieg abzupressen. Ganz abgesehen davon, dass sowohl die Art dieser Gremien wie auch der Inhalt dieser angeblichen rechtlichen Würdigung nicht näher bezeichnet werden, ist es SACHE DER STAATSANWALTSCHAFT SELBER, die Rechtmäßigkeit (bzw. Rechtswidrigkeit) dieses Handelns zu beurteilen. Die Stadtverwaltung und die politischen Parteien in München wollten den Delegierten loswerden; sie sind "Partei" im juristischen Sinne. Und nicht Dienstvorgesetzte der StA oder irgendwie juristische Autoritäten!

Es gehört auch nicht entfernt zu den Dienstpflichten des Geschädigten, politische Erklärungen abzugeben, um die Beziehungen Münchens zur Partnerstadt Kiews (positiv) zu beeinflussen. Dies umso weniger, als Russland bereits seit 2014 einen "kleinen" (und verdeckten) Krieg gegen die Ukraine führt. Das hat die Stadt München nicht daran gehindert, seinen (lt. Wikipedia im Jahr 2013 geschlossenen und ab dem 17.09.2015 wirksamen) Vertrag im Jahr 2018 bis 2025 zu verlängern. OBWOHL
  • Der Geschädigte bereits im Jahr 2012 Wahlwerbung für Putin gemacht (und ihn darin als seinen Freund bezeichnet) hatte und
  • er am 11. März 2014 den offenen Brief von russischen Kulturschaffenden unterzeichnet hatte, in dem die Annexion der Krim befürwortet wird. [Für alles: Wikipedia-Stichwort zum Geschädigten mit weiteren Nachweisen.]
Wenn die Stadt München um ihre Beziehungen zur Partnerstadt Kiews besorgt gewesen wäre, dann hätte sie halt den Vertrag gar nicht nicht erst verlängern dürfen (beim ursprünglichen Vertragsabschluss 2013 war dagegen diese "schädliche" Erklärung nicht vorhersehbar). Denn anders als jetzt hatte der Geschädigte im Jahr 2014 ja tatsächlich eine Erklärung abgegeben, die in der Ukraine Verärgerung hervorrufen musste - und nicht einfach nur zur völkerrechtswidrigen Annexion der Krim geschwiegen.

Die Stadt hat also den Geschädigten eingestellt in Kenntnis seiner persönlichen Beziehung zu dem, vorsichtig gesagt, nicht lupenreinen Demokraten Wladimir Putin. Sie hat den Vertrag verlängert in Kenntnis seiner öffentlich erklärten Zustimmung zu einer völkerrechtswidrigen Gebietsannexion. Und jetzt auf einmal fällt den Verantwortlichen ein, dass ihr Angestellter, dessen politische Ausrichtung sie genau kannten, das Handeln seines eigenen Landes Russland und des ihm befreundeten Präsidenten Putin öffentlich verurteilen müsse?

Bei einem solchen Sachverhalt kann es nicht überraschen, dass die Staatsanwaltschaft, die offenbar um keinen Preis den Beschuldigten anklagen will, auf das Argument des Anzeigeerstatters gar nicht erst eingegangen ist, wonach die versuchte Nötigung auch deshalb besonders verwerflich war, weil die rechtswidrige Forderung des Beschuldigten den Geschädigten in einen Loyalitätskonflikt zwischen Freund und Dienstherrn [zu ergänzen wäre noch: Heimatland] stürzt.

In Wahrheit wollte die Stadt München ihren Dirigenten einfach loswerden, weil sich die weltpolitische Landschaft geändert hatte. Das hat aber nicht der Geschädigte zu vertreten und es gehört nicht zu seinen Dienstpflichten, je nach Weltlage opportune politische Bekenntnisse zu publizieren. Wenn die Stadt eine Rufschädigung befürchtete, hätte sie den Geschädigten - unter Fortzahlung seiner Vergütung - möglicherweise freistellen dürfen. Ihm aber politische Erklärungen abzupressen ist ein Verfassungsverstoß, der schon gar nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass er sich "aus Sicht der Vertragspartnerin" öffentlich "von den kriegerischen Handlungen des russischen Präsidenten" hätte distanzieren müssen - sonst würde man die Sichtweise der, untechnisch gesprochen, "rechtsverletzenden Seite" zum Maß der strafrechtlichen Bewertung erheben.

Woher soll der Dirigent überhaupt subjektiv verlässlich wissen, dass der Überfall völkerrechtswidrig ist? Putin hat den Angriff u. a. mit dem angeblichen "Völkermord" (Genozid) der ukrainischen Regierung bzw. Streitkräfte an den Bewohnern des Donbas (Donbass) begründet. WIR wissen (oder genauer: sind davon überzeugt), dass das ein Schmarrn ist. Aber es ist ja bekannt, dass viele Russen (und gar nicht wenige Deutsche: Mit denen der Anzeigeerstatter selber auf Facebook heftig debattiert hatte!) Putins Krieg für gerechtfertigt halten und dem, was wir für russische Propagandalügen halten, Glauben schenken.
Auf humanitäre Motive haben sich ja auch die westlichen Regierungen im Kosovo-Krieg berufen; das eigentlich für die Intervention erforderliche UNO-Mandant hatten sie nicht. Dazu Zitat aus der Wikipedia: "Die NATO griff die Bundesrepublik Jugoslawien an, ohne dafür ein UN-Mandat zu haben und ohne dass ein Mitgliedsland angegriffen und so der Bündnisfall der NATO ausgelöst worden wäre. Von den Befürwortern wurde der Kosovokrieg als einer der ersten „humanitären Kriegseinsätze“ bezeichnet und als Maßnahme zum Schutz vor weiteren Menschenrechtsverletzungen der jugoslawischen Sicherheitskräfte gerechtfertigt." Von daher könnte man es sogar rein intellektuell begreifen, wenn der Geschädigte den Ukraine-Krieg tatsächlich für berechtigt halten sollte. Schließlich ist er kein Völkerrechtler.
Aber das ist, wie gesagt, ohnehin rein spekulativ: Er hat sich, soweit dem Anzeigeerstatter bekannt, nicht zustimmend geäußert. Und das bloße Schweigen ist nicht nur nicht vorwerfbar, sondern in Deutschland VON SEINEN GRUNDRECHTEN gedeckt. Ihn zu einer öffentlichen Erklärung erpressen zu wollen, ist eine VERWERFLICHE Nötigung - und daher strafbar!

Es ist übrigens nicht bekannt, dass Putin seinerseits versucht hätte, dem Geschädigten ein Bekenntnis zu dieser "Spezialoperation" abzupressen. Dagegen soll in einer freiheitlichen Demokratie zulässig sein, wozu sich (in umgekehrter Richtung) allem Anschein nach nicht einmal der russische Despot erdreistet???
 
 
Nachtrag 05.05.2022
 
Die oben angekündigte Dienstaufsichtsbeschwerde an die Staatsanwaltschaft München habe ich heute verschickt.

Es hat nicht unmittelbar mit dem o. g. Sachverhalt zu tun, dass die Ludwigsburger Schlossfestspiele wegen eines offenbar massiven ukrainischen Druck auf die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv letztlich die geplante Aufführung des russischen Komponisten Tschaikowsky streichen mussten
Bei allem Verständnis für den Hass der Ukraine auf den Aggressor Russland ist ein derartig ultranationalistischer Kulturterror, zumal im Ausland, absolut inakzeptabel! 
 
 
Nachtrag 11.06.2022

Unter "Kultur und Moral: Wie hältst du es mit Russland?" berichtete der Bayerische Rundfunk am 08.06.2022 über die vorliegend behandelte Thematik. Unter anderem geht es dabei um die Zusammenarbeit von zwei Varieté-Künstlern, einer aus Russland, der andere aus der Ukraine.
Aber auch um den Dirigenten Valery Gergiev und die Sängerin Anna Netrebko. Zu Gergiev: 
"Eine kleines Stimmungsbild unter Opernbesuchern im März zeigte eine klare Tendenz: "Es ist vollkommen richtig, was Herr Reiter getan hat." Und: "Wenn er sich nicht klar positioniert, dann muss man ihn entlassen." Die Entlassung sei längst überfällig gewesen, so eine Besucherin. Jetzt, im Juni, klingen die Antworten von Opernbesuchern vielschichtiger und nachdenklicher. "Es ist für die Künstler schon schwierig, weil sie wollen ja sowohl in ihrer Heimat auftreten, als auch im Ausland." Oder: "Wo fängt man denn an, dass man seine Meinung nicht mehr äußern darf. Den Russen allgemein in so eine Schiene zu stecken, als ob er genauso Krieger wäre, der nichts anderes im Sinn hat – das glaube ich nicht." Aber auch: "Leute, die in diesen Positionen sind, sollten auch Stellung beziehen. Klar: Kunst ist Kunst und Politik ist Politik, aber das ist heute einfach nicht mehr zu trennen."
Zu Anna Netrebko:
"Gleichzeitig folgten in der Kulturszene weitere Ausschlüsse russischer Künstler. Anna Netrebko hatte sich in einem Statement gegen den Krieg ausgesprochen – allerdings nicht gegen Putin. Weltweit strichen im März Opernhäuser die Zusammenarbeit mit ihr. Auch in München. Ende März verurteilte sie dann den Krieg schärfer, nannte ihn "Angriffskrieg". Ob Netrebko oder Gergiev: Der Philosoph Julian Nida-Rümelin sorgt sich, dass sich legitimer politischer Protest mit dem Boykott von Künstlern vermischt. Er sagt:
"Haltet die Dinge auseinander. Man kommt sonst auf eine schiefe Ebene. Wir haben sehr, sehr schlechte Erfahrungen gemacht mit der McCarthy-Ära in den USA. Wir sollten jetzt nicht eine neue Form von Cancel-Culture hier etablieren. Keine Gesinnungsprüfungen, keine Entlassungen, weil man nicht die richtige Gesinnung hat. Wir laden die Künstler ein als Künstler und nicht als Politiker." Prof. Julian Nida-Rümelin, Philosoph und Mitglied des deutschen Ethikrats. 
Im Fall Anna Netrebko scheinen viele Opernhäuser umzudenken. Sie hatte Auftritte in Paris und Mailand, geplant sind auch Regensburg, Köln und Hamburg. In Russland wurde sie dagegen nach ihrer Kritik am Krieg ausgeladen. In einem Interview, das sie Anfang Juni der Wochenzeitung "Die Zeit" gab, bestritt sie erneut eine ihr nachgesagte Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin und verurteilte den russischen Angriffskrieg."

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Der Verfasser ist Autor des Buches 
Textstand 11.06.2022

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