Dienstag, 28. März 2023

Der 9/26 BALTIC BANG und die Sch(l)andmedien des Konsensfaschismus


Der 9/26 BALTIC BANG und die Sch(l)andmedien des Konsensfaschismus



I. EINE UNGEHEUERLICHE ENTHÜLLUNG VON SEYMOUR HERSH

II. DIE "AWADAS"-JOURNAILLE DER DEUTSCHEN SEDATIONSMEDIEN VERHETZT SEYMOUR HERSH. DOCH GIBT ES AUCH AUSNAHMEN

III. SUBSTANZHALTIGE ARGUMENTE GEGEN DEN HERSH-BERICHT

IV. SECHS STARKE INDIZIEN SPRECHEN FÜR TÄTERSCHAFT DER USA

V. FAZIT ZU KAP. III UND IV: IST DIE HERSH-ENTHÜLLUNG GLAUBWÜRDIG?

VI. WAS ENTHÜLLT DER UMGANG MIT DER HERSH-ENTHÜLLUNG ÜBER DIE GLAUBWÜRDIGKEIT DER DEUTSCHEN MEDIEN ? 

VII. DEUTSCHLAND MUSS DEUTLICH, ABER DURCHDACHT AUF DEN 9/26-ANSCHLAG REAGIEREN!

VIII. DIE VOLKSVERARSCHE WIRD TÄGLICH DREISTER! (Segeltörn-Terroristen und andere Ablenkungsmanöver)

IX. SONSTIGES 



I. EINE UNGEHEUERLICHE ENTHÜLLUNG VON SEYMOUR HERSH

"Substack ist eine US-amerikanische Online-Plattform, auf der Autoren Newsletter und weitere Inhalte innerhalb eines Abonnements anbieten können. ..... Auf Substack können Autoren gegen eine regelmäßige Zahlung Inhalte anbieten. ..... Autoren können entscheiden, ob das Abonnement ihres Newsletters kostenlos oder kostenpflichtig sein soll und ob bestimmte Beiträge auch für Nichtabonnenten öffentlich zugänglich gemacht werden sollen" (Wikipedia).
Zu dieser Plattform hat sich brandaktuell auch der berühmte Investigativreporter Seymour Hersh (85)angemeldet, um der Öffentlichkeit seinen Knüller


zugänglich zu machen ("Wie Amerika die Nord Stream Pipeline zerstört hat"; deutsche Übersetzungen u. a. auf den "Nachdenkseiten" und bei "Voltairenet". Letztere enthält auch 21 Links aus dem Hersh-Text zu externen - englischsprachigen - Berichten über öffentliche bekannte Sachverhalte.). Diesen Weg hat er gewählt, weil offenbar keines der Mainstreammedien in den USA seine - außenpolitisch potentiell extrem brisante - Aufdeckung publizieren wollte.
Wer nicht den gesamten (langen) Hersh-Text durchlesen will: Eine ausgezeichnete Zusammenfassung - und zugleich eine vorläufige Einschätzung des Wahrheitsgehalts - liefert auf der Webseite "Tichys Einblick" der Artikel "GEHEIMOPERATION VOR BORNHOLM. Gesagt, getan: USA und Norwegen hinter dem Angriff auf Nord Stream?" von MATTHIAS NIKOLAIDIS vom 09.02.2023. (Der Autor scheint sich in Washington auszukennen, denn er berichtigt stillschweigend die bei Hersh benutzte überholte Bezeichnung eines dortigen Bürogebäudes; vgl. auch unten meine Anmerkung zu Ziff. 10.)

Was ich als "Enthüllung" bezeichne (und in meiner Überschrift "9/26 Ostseeknall" nenne), versuchen freilich die deutschen Medien mit allen alten und neuen Propagandamethoden ihren Lesern nach Kräften madig zu machen; dazu mehr im Kap. 2. Ohne mich insgesamt mit seinen Ansichten zu identifizieren meine ich indes mit Oskar Lafontaine, dass "alle, die bis drei zählen können" die USA als Täterstaat des Pipelineanschlags ansehen müssten.

Vorab eine Klärung, über welche (im Prinzip öffentlich bekannten, aber den Wenigsten - auch Journalisten - GENAU bekannten!) Fakten wir hier überhaupt reden (vgl. auch unten meine Anmerkungen zu Ziff. 27):
Am 26.09.2022 gab es VIER Explosionen und VIER Lecks in Röhren der Nord Stream Pipeline-Projekte 1 und 2. Jedoch ist die Vorstellung falsch, dass die Sprengungen am gleichen Ort und/oder zur gleichen Zeit erfolgt seien:

  • Um 2.03 h erfolgte EINE Explosion im Süden, bei Bornholm. Die sprengte ein Leck in eine Röhre (A) von Nord Stream 2.
  • Um 19.03/19.04 h kam es ca. 80 km nördlich davon zu DREI Explosionen.
  • Zwei davon sprengten jeweils ein Leck in beide Röhrenstränge von Nord Stream 1; die Leckstellen lagen allerdings gut 6 km auseinander.

  • "Unnormal" ist, dass das 3. Leck erneut in die Röhre A von Nord Stream 2 gesprengt wurde. Das lässt vernünftiger Weise nur einen Schluss zu: Dass eigentlich auch die 2. Röhre dieses Projekts gesprengt werden sollte, dies jedoch durch eine Panne (ein Versehen, eine Verwechslung) vermasselt wurde. Jedenfalls: So gesehen ist ÜBERHAUPT NICHTS GEHEIMNIS- oder BEDEUTUNGSVOLLES daran, dass es nicht alle vier Röhren erwischt hat, sondern nur drei davon. Das war, aus Tätersicht, einfach ein ärgerliches Missgeschick.

Hersh gliedert seinen Bericht in vier Abschnitte:

  • Eine längere Einleitung (ohne Zwischentitel), in welcher er seine Leser mit dem faktischen und politischen Hintergrund seiner Enthüllung vertraut macht. 
  • Darauf folgt das mit "PLANNING" betitelte Kapitel zur konkreten Planung des Anschlages.

  • Unter "THE OPERATION" schildert er teilweise noch die Vorbereitung, dann aber auch die Ausführung des Anschlags (die in zwei Teile zerfiel, nämlich das Anbringen der Sprengladungen und deren - weit spätere -  Auslösung).

  • Das (kurze) Schlusskapitel "FALLOUT" behandelt die medialen und politischen Reaktionen in den USA und deutet im allerletzten Satz so etwas wie Reue in den Kreisen der Akteure bzw. jedenfalls bei seinem Informanten an (It was a beautiful cover story, ..... .The only flaw was the decision to do it” zitiert er seine Informationsquelle).
Seine Darstellung ist sehr umfangreich. Die taz hat ausgerechnet (bzw. den PC ausrechnen lassen), dass Hershs Artikel insgesamt "mehr als 31.000 Zeichen und mehr als 5.200 Wörter" umfasst. In der Word-Version, die ich mir mit der Schriftart Arial und dem Schriftgrad 12 pt herauskopiert habe, füllt der Text 10 DIN-A4-Seiten.

Wenn ich nachfolgend versuche, den Inhalt von Hersh Bericht wiederzugeben, dann tue ich das nicht in der üblichen erzählenden, sondern in einer "aufzählenden" Weise. Ich will seinen Bericht in 28 Absätzen sozusagen in "Informationseinheiten" zerlegen. In der Hoffnung, dass der Wahrheitsgehalt bzw. die Plausibilität seiner "Erzählung" auf diese Weise präziser validiert werden kann.


1) TAUCHTRAININGSZENTRUM DER US-MARINE 
An den Anfang seines Textes stellt Hersh in drei Absätzen eine beinahe "literarische" Beschreibung ein Trainingszentrums der US-Marine für Tauch- und Bergungsoperationen ("Diving and Salvage Center") in Florida (in der dortigen Stadt Panama City).
Dort seien jene Taucher rekrutiert worden, die im Juni 2022 im Rahmen der NATO-Flottenübung "BALTOPS22" jene Sprengladungen mit Fernzündern (ob direkt an oder nahe bei den Pipelines bleibt offen) aufgebaut hätten, die dann drei Monate später gezündet wurden. 
(In einem Interview mit der Berliner Zeitung hat Hersh noch näher ausgeführt, dass die 8 Sprengsätze - also 2 je Pipeline - von insgesamt nur zwei Tauchern ausgebracht worden seien.)


2) INFORMATIONEN ÜBER DIE GAS-PIPELINES
Im Folgeabsatz präzisiert Hersh, dass es sich bei "der" Pipeline (aus seiner Überschrift) tatsächlich um vier Pipelinestränge handelt, von denen jeweils zwei als "Nord Stream 1" bzw. "Nord Stream 2" bezeichnet werden, wobei letztere noch nicht in Betrieb war. Der US-Präsident Joseph Biden sorgte sich, Putin könnte die Gaslieferungen an Deutschland als politische Waffe im Ukrainekrieg benutzen.


3) DEMENTI DER US-VERANTWORTLICHEN ZUM HERSH-REPORT
Hersh hatte offenbar die amerikanische Regierung und den Geheimdienst CIA über seine Erkenntnisse informiert und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die haben, wenig überraschend, die Tat bestritten. Darüber informiert der Absatz "Asked for comment ...".


Bis hierher war es einfach, aus den einzelnen Absätzen einen bestimmten Informationsgehalt herauszudestillieren. Doch nun folgen bei Hersh lange Passagen über die Hintergründe und die Planung des Pipelineanschlages, in denen seine Erzählung verschiedene Elemente ineinander verwebt:
  • Politische Vorgänge, insbesondere innenpolitische der USA und außenpolitisch die Zuspitzung zwischen Russland und der Ukraine
  • Motive der US-Politik allgemein bzw. von Präsident Joseph Biden insbesondere, gegen die Gaspipelines zu sein
  • Inhaltliche Schilderung der Beratung von Regierungsstellen, was die USA gegen diese Leitungen unternehmen könnten, welche rechtlichen Aspekte sie dabei zu beachten hätten, welche politischen Gefahren bei einem Auffliegen drohten und wie die Geheimhaltung gesichert werden könnte und müsste.
  • Äußerliche Angaben zu den näheren Umständen dieser Beratungen (Veranstaltungsorte, Teilnehmer).
Dennoch werde ich versuchen, meinen Ansatz einigermaßen durchzuhalten und hoffe, dass mein "Metabericht" nicht allzu unübersichtlich wird.


4) Dem Absatz "Biden’s decision to sabotage the pipelines ..." können wir entnehmen, dass es vom Beginn der "streng geheimen" Debatte der zuständigen Washingtoner Sicherheitskreise bis zu Präsident Bidens Entscheidung zur Ausführung des Anschlags über 9 Monate lagen. Rückgerechnet vom (26.) September 2022 kommen wir also in den Monat Dezember 2021. Das deckt sich mit der Information an anderer Stelle, wonach Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, im Dezember 2021 eine Planungsgruppe einberufen hatte, die US-Reaktionsmöglichkeiten auf den erwarteten russischen Überfall auf die Ukraine erarbeiten sollte. Dabei sei es lediglich zeitweise (anfänglich?) um die Frage gegangen, OB ein solcher Anschlag überhaupt ausgeführt werden solle. Hauptsächlich habe man sich mit der Art der Ausführung und insbesondere damit befasst, wie man unentdeckt mit der die Tat durchkommen könne. (Was bedeutet, dass den Beteiligten die Kriminalität ihres Tuns lebhaft bewusst war.)

HINWEIS: In diesem (I.) Kapitel sind eingerückte Texte wie der nachfolgende (längere) Anmerkungen von mir.  
 
Das ist nur logisch: Wenn man eine Operation erst einmal im Detail plant, dann fragt man sich nicht mehr, ob man sie überhaupt durchführen will. Und dass die eigentliche Planung eines derart komplexen Unternehmens länger dauert als die Vorphase, wo das "Ob" erörtert wird, liegt ebenfalls auf der Hand. (Vgl. näher meine Anmerkung unten zu Ziff. 11.)


5) "There was a vital bureaucratic reason ..."
An dieser Stelle kommt Hersh wieder auf die eingangs behandelte Marine-Taucherschule zurück und erläutert, dass aus Geheimhaltungsgründen Soldaten von dieser Institution für den Sabotageakt herangezogen wurden. Hätte der Präsident das Special Operations Command ("United States Special Operations Command") damit betraut (das wohl die eigentlich "zuständige" Stelle für derartige Unternehmungen war), dann hätte er einzelne Parlamentarier vorher informieren und nach getaner Tat den Kongress insgesamt. Das hätte den Kreis der Mitwisser erhöht und die Geheimhaltung gefährdet.
Für ein Laienohr klingt das zunächst einleuchtend. Aber Hersh selbst ist insoweit inkonsistent und Kritiker bestreiten diese angebliche Rechtslage - und zwar m. E. zu Recht. Vgl. näher meine Anmerkungen unten zu Ziff. 15.


6) "President Biden and his foreign policy team ..."
Hersh berichtet, was allgemein bekannt ist - und damit die Plausibilität seiner Enthüllung stärkt: Dass nämlich der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan, Außenminister Tony Blinken und Victoria Nuland, Staatssekretärin im Außenministerium, schon lange und durchgängig Gegner dieser Pipeline waren und das auch öffentlich gesagt haben.


7) "The direct route, which bypassed any need to transit Ukraine, ..."
Die direkte Verbindung (von Russland nach Deutschland) anstelle jener Pipelines, welche die die Ukraine durchqueren, sei ein Segen für die deutsche Volkswirtschaft gewesen und habe ihr eine Fülle von billigem Erdgas beschert.
Die - häufig reproduzierte - Karte der russischen Erdgasleitungen nach Europa, die z. B. der Wikipedia-Eintrag "Transgas-Pipeline" bietet, datiert bereits von 2009, ist also veraltet. Neuer - und thematisch umfassender - ist eine Karte der "Energierouten von außerhalb Europas nach Europa" auf der Webseite "Richter Publizistik".
Interessante Frage, ob die von der Ukraine und den anderen Durchgangsländern erhobenen Durchleitungsgebühren so hoch waren, dass sie die Gaspreise stark verteuert haben? Und die Unterwasser-Pipelines trotz der zweifellos weitaus höheren Verlegungskosten somit den Erdgaspreis für uns massiv verbilligt haben?
Hersh erwähnt es nicht, weil es für seinen Bericht unerheblich ist; aber wir sollten uns doch auch an einen anderen Aspekt erinnern, der im Wikipedia-Stichwort so beschrieben wird: "Bisher konnten Transitländer das Passieren ihres Territoriums als Druckmittel nutzen, um exklusive Lieferbedingungen für sich selbst durchzusetzen und die Versorgungssicherheit Westeuropas gefährden." Klar, dass diesen Ländern die Direktleitung ein Dorn im Auge war.


8) "From its earliest days, Nord Stream 1 ..." bis "Nord Stream 1 was dangerous enough, ..."
In diesen drei Absätzen bringt Hersh Informationen zu den Eigentumsverhältnissen an den Nord Stream Pipelines und der Bedeutung der Einnahmen aus Rohöl- und Erdgasverkäufen für den russischen Staatshaushalt.
Vor allem aber  Gründe für die Gegnerschaft der USA und der antirussischen NATO-Staaten (gemeint sind hier wohl ehemalige Ostblockländer wie Polen und die Baltenländer) gegen die Erdgasleitungen.
Zum einen würde Putins Russland durch höhere Einkünfte erhalten. Zum anderen würden Deutschland und das restliche Westeuropa dadurch völlig abhängig von Russland ("addicted to" = "süchtig" nach dem Russengas). Und damit könnte sich die Verbindung zu den USA lockern. Besonders kritisch habe man insoweit das Vorhaben Nord Stream 2 gesehen, das die Leitungskapazitäten verdoppeln und 50% des jährlichen deutschen Gasverbrauchs liefern würde.
Zugleich seien die Spannungen zwischen der NATO und Russland stetig gestiegen, wofür Hersh (zumindest teilweise) die "aggressive Außenpolitik" der Biden-Regierung verantwortlich macht.
Das alles sind öffentlich bekannte Informationen, aber insoweit wichtig, als sie handfeste Indizien für die Täterschaft der USA liefern. Was freilich an der Außenpolitik der Biden-Regierung gegenüber Russland besonders aggressiv gewesen sein sollte, wüsste ich nicht. Sicherlich hat diese Administration (Defensiv-)Waffen an die Ukraine geliefert; aber das hatte auch schon Trump getan (und vielleicht bereits Obama).

An dieser Stelle erscheint es mir sinnvoll, einige allgemeinere Überlegungen und Spekulationen zu den Erdgasleitungen und zum, sagen wir "Ukraine-Komplex", zwischenzuschalten.

 Man kann der amerikanischen Aversion gegen eine weitgehende Abhängigkeit Deutschlands von russischen Erdgaslieferungen eine gewisse Berechtigung nicht absprechen. Vielleicht hätte Putin die Ukraine NICHT überfallen, wenn Russland das Land bei seinen Erdgasexporten nicht hätte umgehen können. Hätte die Ukraine daraufhin die Durchleitung gestoppt, dann hätte sie sich ins eigene Fleisch und von ihren dringend benötigten Exporteinnahmen ab-geschnitten.  

Das ist zwar ohnehin passiert; Putin hat die Lieferungen (unter einem Vorwand) sogar selber gestoppt. Aber zu diesem Zeitpunkt war schon absehbar, dass Deutschland nach anderen Lieferanten suchten und ihm sehr bald seinerseits kein Erdgas mehr abnehmen würden. Doch hat die Lieferbeziehung noch einige Monate nach Beginn seines Überfalls auf die Ukraine fortbestanden. Und vermutlich hatte er ursprünglich gar nicht damit gerechnet, dass Deutschland so weit gehen würde, sich selbst die billige Erdgaszufuhr zuzudrehen und die Lieferungen aus Russland durch sehr viel teurere Bezugsquellen zu ersetzen.

Jedenfalls war die amerikanische Opposition gegen diesen Teil der deutschen Energiepolitik in der Sache keineswegs unbegründet. Und da wir unsererseits erwarten, dass die USA uns schützen, kann ich auch eine amerikanische Sichtweise nachvollziehen, die sich selber etwa so ausdrücken könnte: "Wir sollen denen mit unserem Geld Schutz liefern, und die liefern ihr Geld in Russland ab - und liefern sich energiepolitisch weitgehend den Russen aus? SO haben wir nicht gewettet!"

Präzise formuliert sind die amerikanischen Bedenken in dem Kommentar "Nord Stream 2 Could Sever Transatlantic Ties" von Ulrich Kluth (von der Wirtschafts-Nachrichtenagentur Bloomberg) in der Washington Post vom 14.07.2020. Das Trump-Zitat (von einer Wahlversammlung) "We’re supposed to protect Germany from Russia, but Germany is paying Russia billions of dollars for energy coming from a pipeline ..... Excuse me, how does that work?” (Wir sollen die Deutschen vor Russland beschützen, aber Deutschland zahlt Milliarden an dieses Land für Energielieferungen aus einer Pipeline: Aber hallo, wie soll denn das funktionieren?) gibt vermutlich ein weit verbreitetes Gefühl der amerikanischen Öffentlichkeit wieder. Auf der anderen Seite hatte freilich Deutschland sehr gute Erfahrung mit der russischen Liefer-Verlässlichkeit gemacht, selbst in heißen Zeiten des Kalten Krieges. 

Hier will ich noch eine (zeitlich) weiter gehende Überlegung anbringen, welche die USA (aus meiner Sicht zu ihrem eigenen Nachteil) sicherlich nicht anstellen. Ist es tatsächlich klug, wenn die USA die eigenen Rohstoffvorräte auf Teufel komm raus ausbeuten? Und nach Kräften dafür sorgen, dass die russischen im Boden bleiben? Auch wenn man auf diese Weise kurzfristig viel Geld machen kann: Am Ende könnte man zum Bettler werden, der Russland auf Knien um Energierohstoffe anflehen muss.
Außerdem stellt sich natürlich immer die Frage, ob man nicht Russland in die Arme Chinas treibt, wenn man es völlig ausgrenzt. Sicher, im Moment ist eine knallharte Positionierung zum russischen Raubkrieg gegen die Ukraine unverzichtbar. Doch hoffe ich sehr, dass die Herrschenden jenseits und diesseits des Atlantiks schon jetzt Überlegungen anstellen, wie sich das beschädigte Verhältnis zu Russland nach dem Ende des Krieges vielleicht reparieren lässt.


8) "Opposition to Nord Stream 2 flared ..." bis "The administration was floundering, ..."
Über fünf Absätze hinweg schildert Hersh einerseits die innenpolitischen Entwicklungen in den USA betr. der Pipelines und andererseits die Reaktionen der US-Regierung auf das Projekt. 
Die demokratische Biden-Regierung stand seit der Amtseinführung von Joe Biden im Januar 2021 unter dem Druck der Abgeordneten, voran der Republikaner, gegen das Projekt vorzugehen.
Gegen Ende 2020 hatte der US-Kongress mit parteiübergreifender Mehrheit ein weiteres Sanktionsgesetz beschlossen, das (nach einer Verzögerung) im Januar 2021 in Kraft trat. [Zu den Einzelheiten vgl. Wikipedia-Stichwort Nord Stream / Nord Stream 2 / Interessengegensätze / Vereinigte Staaten]
Die deutsche Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel vermied zwar nach außen einen Konflikt mit den USA. Auf diplomatischer Ebene intervenierte sie aber offenbar massiv gegen die Sanktionspolitik ("There would be enormous political and economic pressure from the German government, then headed by Angela Merkel, to get the second pipeline online."). Im Mai 2021 gab die US-Regierung ihren Widerstand gegen das Projekt auf. Sie wirkte sogar auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein, stillzuhalten. Das hatte für Biden hohe politische Folgekosten: Ernennungen von außenpolitischen Vertretern der USA, denen der Kongress zustimmen musste, wurden blockiert; die Verabschiedung eines Verteidigungsetats wurde über Monate verzögert. Ein Magazin schätzte, dass Bidens Wende in der Sanktionspolitik diejenige Entscheidung gewesen sei, die, vielleicht noch mehr als der chaotische Rückzug aus Afghanistan, seine sonstigen politischen Ziele gefährdet habe. ("Politico later depicted Biden’s turnabout on the second Russian pipeline as “the one decision, arguably more than the chaotic military withdrawal from Afghanistan, that has imperiled Biden’s agenda.” ") Andererseits verweigerte die deutsche Regulierungsbehörde im November 2021 die Freigabe der beiden Leitungen Nord Stream 2, was (beabsichtigt oder nicht) der US-Regierung entgegenkam. Dennoch traute diese Deutschland nicht über den Weg, denn vor einigen Monaten hatte Bundeskanzler Olaf Scholz öffentlich die Position des französischen Präsidenten Emmanuel Macron unterstützt, dass sich Europa von der volatilen amerikanischen Außenpolitik unabhängiger machen solle. 

Auch hier möchte ich einige Anmerkungen zwischenschalten. Es hätte den Rahmen von Hersh Bericht gesprengt, die ganze Vorgeschichte der US-Maßnahmen gegen den Pipelinebau wiederzugeben.
Für meine Plausibilitätsüberlegungen ist sie allerdings enorm wichtig. Denn ein Land, dass gegen die eigenen "Freunde" und Verbündeten Wirtschaftssanktionen verhängt, wird auch kaum Skrupel haben, noch den einen weiteren Schritt zum gewalttätigen Vorgehen zu machen.
 
Die "Atlantikbrücke e. V.", ein "Ein .....Verein ..... ganz im Dienst der deutsch-amerikanischen Freundschaft", hat verdienstvoller Weise ein Dossier "Die Sanktionsspirale der USA gegenNord Stream 2" (allerdings schon am 20.11.2020) ins Netz gestellt. Dort erfährt man: 
 "Die transatlantische Dimension der Auseinandersetzungen ist als schwerwiegend zu betrachten. Denn nach zwei vom US-Kongress verabschiedeten Gesetzen bereiten Senatorinnen und Senatoren sowie Abgeordnete mittlerweile ein drittes Gesetz vor. Der Kern der bestehenden und der geplanten legislativen Maßnahmen besteht aus Sanktionen gegen Unternehmen, die an Nord Stream 2 beteiligt sind."
Der Inhalt dieser Übersicht wird dort so zusammengefasst:
"Dieses Dossier zeigt zunächst insbesondere die Argumentationslinien von Senatorinnen und Senatoren der Republikanischen und der Demokratischen Partei in Bezug auf erweiterte Sanktionen gegen Nord Stream 2 auf. Es folgt eine Analyse der Reaktion der deutschen Bundesregierung auf die geplanten US-Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung. Zum Abschluss des Dossiers steht Europas Versorgungssicherheit im Spannungsfeld zwischen Abhängigkeiten und Diversifizierung von Energieträgern im Mittelpunkt. Auch gibt es einen kurzen Ausblick auf den Fortgang dieser transatlantischen Auseinandersetzung, sollte Joe Biden zum US-Präsidenten gewählt werden."
Konkret erfährt man, dass bereits 2017 das erste Sanktionsgesetz erlassen wurde. Dieses trägt den (eigentlich gegenüber Deutschland ausgesprochen unverschämten!) Titel "CAATSA - Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act" (Den Feinden Amerikas mit Sanktionen entgegentreten). Im Dezember 2019 trat ein zweites Sanktionsgesetz in Kraft. Ein drittes Sanktionsgesetz (Abkürzung "PEESCA") war parteiübergreifend im Juni 2020 entworfen, aber im Zeitpunkt der Dossiererstellung, also per November 2020, noch nicht beschlossen worden.
"Was Nord Stream 2 angeht, herrscht eine seltene Einigkeit zwischen der Republikanischen und Demokratischen Partei. Hauptursächlich dafür ist nach Ansicht von Vertreterinnen und Vertretern beider Parteien, dass sich das Vorantreiben von kritischer Infrastruktur jahrzehntelang auf die Dynamik der nationalen Sicherheit der USA auswirken kann. Der negative sicherheitspolitische Einfluss von Nord Stream 2 könnte eine Generation anhalten. Wann das neue Gesetz Gültigkeit hat, ist noch unklar. Aufgrund der US-Präsidentschaftswahl am 3. November 2020 ist es denkbar, dass PEESCA erst zum Jahresende in Kraft tritt" erfahren wir. 
Diese Maßnahmen haben einen ausgedehnten Wirkungsbereich und enorme ökonomische Schäden für (zunächst) die Pipelinebetreiber:
"Von Seiten der Nord Stream 2 AG heißt es, dass die Sanktionen damit mehr als 120 Unternehmen aus mehr als zwölf europäischen Ländern direkt betreffen würden. Darunter befinden sich mehr als 40 deutsche Firmen. Im Ergebnis sei die Zielrichtung der amerikanischen Sanktionsgesetzgebung eindeutig: Die Inbetriebnahme der Nord Stream 2 solle verhindert werden, berichten hochrangige Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums. Das dritte Gesetz soll sicherstellen, dass die bestehenden Sanktionen ausreichen, um Nord Stream 2 zeitlich unbegrenzt zu stoppen. Der finanzielle Schaden dieses Szenarios wäre beträchtlich. Zum einen würden die US-Sanktionen laut der Nord Stream 2 AG Investitionen zur Fertigstellung der Pipeline in Höhe von rund 700 Millionen Euro verhindern. Zum anderen würden die Strafmaßnahmen Investitionen in Höhe von circa 12 Milliarden Euro in rechtsstaatlich genehmigte, größtenteils fertig gebaute Energieinfrastruktur der EU untergraben. Davon entfallen 8 Milliarden Euro auf Nord Stream 2, 3 Milliarden Euro auf nachgelagerte Infrastruktur in Deutschland sowie 750 Millionen Euro auf Infrastruktur in der Tschechischen Republik."
Begründet wurden die amerikanischen Maßnahmen mit der Sorge um die europäische Energieversorgung. Allerdings gibt es auch starke Anhaltspunkte dafür, dass die USA uns ihr Flüssigerdgas verkaufen wollten: "[Der republikanische Senator] Ted Cruz zählt dem US-Spendenregister zufolge zu den Hauptempfängern von Spenden aus der amerikanischen Energieindustrie. Texas ist gewissermaßen die Heimat der US-Öl- und Gasindustrie. In den Jahren 2017 und 2018 spendete diese knapp 800.000 US-Dollar an Cruz. Kein anderer Senator erhielt eine derart hohe Summe von Öl- und Gaskonzernen."
Hochspannend ist auch diese Information (Hervorhebung von mir):
"Schon in der Obama-Administration sprachen sich führende Politikerinnen und Politiker der Demokraten gegen die Pipeline aus. Zu ihnen zählten ..... der ehemalige Vizepräsident und aktuelle Präsidentschaftskandidat Joe Biden, der das Projekt ein „schlechtes Geschäft für Europa“ nannte."
Die deutsche Regierung hat durchaus Klartext gegen die völkerrechtswidrigen US-Sanktionen gesprochen; allerdings kann ich mich nicht erinnern, dass die Medien prominent darüber berichtet hätten. Jedoch erfahren wir im Dossier:
"So sagte etwa Staatsminister Niels Annen in einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages, dass Sanktionen mit extraterritorialen Effekten einen ernsthaften Eingriff in die Souveränität der Europäischen Union darstellten."
Allerdings hat sie richtig erkannt, dass wir gegen die USA letztlich nicht anstinken können:
"... sieht die Bundesregierung etwaige Gegensanktionen als kein probates Mittel einer angemessenen Reaktion an, weil sie eine Eskalation in Gang setzen würden."
In der Tat sitzen wir, als die "Kleinen", am kürzeren Hebel gegenüber Amerika. Aber, das ist anzuerkennen: Beigegeben hat die Merkel-Regierung NICHT! (Und Russland natürlich sowieso nicht.) Sondern auf diplomatischen Wegen die US-Regierung umgestimmt, bzw. die Sanktionen durch eine "Klimastiftung" umgangen 
Doch urteilt auch die "Atlantik-Brücke": "Im Umgang mit langjährigen Partnern auf dieser Seite des Atlantiks stellt die Sanktionspolitik der USA einen neuen Tiefpunkt dar."
Im Fortgang des Textes wird ein ehemaliger US-Regierungsberater zitiert. Der meinte (bzw. kritisierte), "im Kern gehe es Russland und seinem staatseigenen Konzern Gazprom darum, russisches Gas auf europäischen Märkten zu verkaufen und gleichzeitig die beinahe vollständige technische Fähigkeit zu besitzen, die traditionelle Transitroute durch die Ukraine zu umgehen". Durch die Sanktionen sei "Gazprom [wohl Ende 2019] gezwungen gewesen, einen neuen Vertrag [über die Durchlieferung durch die Ukraine] zu unterzeichnen. Dieser verhinderte schließlich eine Gassperre der Ukraine durch Russland, die lange Zeit erwartet worden war."
Wohl von Anfang an ging es aus amerikanischer Sicht ganz wesentlich um die Ukraine: 
"Analysen zeigten, dass das Pipeline-Projekt dem jahrelangen Ziel des Kreml dienen soll, die ökonomische und strategische Stabilität der Ukraine zu untergraben, indem das Land vom Gastransit durch sein eigenes Pipeline-System abgeschnitten wird, bemerkt der ehemalige Regierungsberater."
Es geht aber auch um die Sorge der USA, dass Europa sich erpressbar machen würde, wenn es einen wesentlichen Teil seines Bedarfs an Energierohstoffen aus Russland beziehen würde:
"Für den Experten symbolisiert die Pipeline eine Infrastruktur, die der Diversifizierung von Energiequellen zuwiderläuft ...". 
Im Rückblick hat sich die scharfe Kritik von Dr. Stefan Meister am Nord Stream 2 Projekt leider als gerechtfertigt erwiesen, die er bereits am 20.02.2019 in seiner Analyse "Nord Stream 2: The Dead-End of Germany’s Ostpolitik" ("Nord Stream 2: Die Sackgasse der deutschen Ostpolitik"), publiziert in einem Magazin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, formuliert hatte. Auf Einzelheiten einzugehen, würde hier zu weit führen; jedoch lege ich jedem, der einigermaßen Englisch lesen kann, die Lektüre dieses Artikels (zu dem Hersh verlinkt hat) herzlich ans Herz!


9) Der Rest des einleitenden Teils (von "Throughout all this" bis "All options were to be on the table") berichtet, wie der Aufmarsch russischer Truppen an den ukrainischen Grenzen die deutsche Gasversorgung neuerlich in den Fokus der amerikanischen Regierung rückte. Weil sie befürchtete, Deutschland könne aufgrund seiner Energie-Abhängigkeit eine Unterstützung der Ukraine mit Geld und Waffenlieferungen verweigern, setzte die Biden-Administration eine Arbeitsgruppe (Hersh nennt sie, weil von verschiedenen Regierungsinstitutionen beschickt, "Interagency group"; der offizielle Name, falls es einen solchen gab, ist ihm nicht bekannt. Ich nenne sie hier meist "Sullivan-Gruppe") unter der Leitung des oben erwähnten Sicherheitsberaters Jake Sullivan ein, die einen Plan zur Lösung des Problems liefern sollte.
Die Darstellung von Hersh im 2. und 3. Absatz erweckt den Eindruck, dass diese Arbeitsgruppe die Aufgabe hatte, sich um die Nord Stream Pipelines zu "kümmern". Wenn man sich allerdings den im 1. Absatz geschilderten Hintergrund anschaut (wachsende Bedrohung der Ukraine durch russischen Truppenaufmarsch), dann muss diese Gruppe den sehr viel umfassenderen Auftrag gehabt haben, die Ukraine gegen einen möglichen Angriff zu wappnen. Dem entsprechend dürfte sie Hilfen für die Ukraine und Sanktionen gegen Russland vorbereitet haben. Der Pipeline-Anschlag kann DORT nur ein Randthema gewesen sein (vgl. auch nachfolgend in Ziff. 10). 
Indes ist Hersh zugute zu halten, dass er keine Sitzungsniederschriften abliefern will. Sondern eine flüssige Erzählung, die für seine Leser eingängig ist. Von daher habe ich Verständnis für kleine Unschärfen; diese hier spricht definitiv nicht gegen die Richtigkeit seiner "Story".


10) Im Kapitel "Planning" (also Planung des Anschlags) geht es in den ersten vier Absätzen (bis "Over the next several meetings ...") um DIESE Planungs- oder Steuerungsgruppe. Die wurde im Dezember 2021 von Jake Sullivan einberufen und bestand aus Mitgliedern des Generalstabs, der CIA, des Außenministeriums und des Finanzministeriums. Der Tagungsort war in einem besonders gesicherten Raum im obersten Geschoss des "Old Executive Office Building" *, das unmittelbar neben dem Weißen Haus liegt (und, wie uns Hersh in einem Interview der Berliner Zeitung ergänzend mitteilt, durch einen Tunnel mit diesem verbunden ist).
Die Aufgabe dieser Arbeitsgruppe war lt. Hersh ganz allgemein die Ausarbeitung von "recommendations about how to respond to Putin’s impending invasion", also von Empfehlungen, wie die USA auf Putins erwarteten Einmarsch in die Ukraine reagieren sollten. Hershs weitere Schilderung zu den Vorgängen in dieser Arbeitsgruppe ist mir nicht völlig klar. Seine Darstellung scheint zu suggerieren, dass sich die Überlegungen irgendwie auf die Nord Stream Gaspipelines zuspitzten. Das scheint mir freilich sehr unwahrscheinlich. Der Sachlogik nach müsste die Hauptaufgabe gewesen sein, eine amerikanische Unterstützung für die Ukraine (und entsprechend Maßnahmen gegen Russland) vorzubereiten. Die Sabotage der deutschen Erdgasversorgung aus Russland kann auf DIESER Ebene m. E. nur ein sehr untergeordneter Aspekt gewesen sein. (Vgl. aber zu Hershs Darstellungsweise meine Anmerkung bei Ziff. 9!) Den Teilnehmern, von denen eine/r ("source with direct knowledge of the process" - "Quelle mit direkter Kenntnis der Vorgänge"mit Hersh geplaudert haben soll, wurde jedenfalls klar, dass Sullivan von ihnen einen Plan zur Zerstörung der Pipelines erwartete, und zwar auf Wunsch des Präsidenten persönlich.
Schon diese Arbeitsgruppe soll bereits konkrete Überlegungen zur Pipelinezerstörung angestellt haben:
  • Die Marine habe einen direkten Angriff mit einem neu in Dienst gestellten U-Boot(-Typ?) vorgeschlagen.
  • Die Luftwaffe Bombenabwürfe mit Fernzündern, die zu einem späteren Zeitpunkt ausgelöst werden könnten.
Insbesondere die CIA habe jedoch darauf hingewiesen, dass absolute Geheimhaltung erforderlich sei, was aber auch allen anderen Teilnehmern klar gewesen sei. (Und dieser Geheimhaltungswunsch schloss die o. a. Sabotage-Varianten offenbar aus.)
* Der Wikipedia ist zu entnehmen, dass dieses gegen Ende des 19. Jahrhunderts im damaligen historisierenden Stil errichtete Bürogebäude der Regierung im Jahr 2002 (sogar mit einer präsidialen Zeremonie) in "Eisenhower Executive Office Building" umbenannt worden war.
In Sachen "Beweiswert" für Hershs Geschichte lässt das zwei diametral entgegengesetzte Schlüsse zu:
- Dass er sich die Story aus den Fingern gesogen und, weil nicht mehr der Jüngste, aus alter Gewohnheit den alten Namen des Gebäudes eingesetzt hat.
- Oder, ganz im Gegenteil, dass seine Geschichte besonders authentisch ist. Das wäre dann der Fall, wenn sich der neue Gebäudename in den Kreisen der Regierungsbediensteten nicht durchgesetzt hätte und die, jedenfalls in der alltäglichen Kommunikation, noch den alten Namen verwenden. Den er dann direkt von seiner Quelle übernommen hätte.
- Eine dritte Möglichkeit ist, dass sein/e Informant/in ihm entweder den richtigen Gebäudenamen genannt oder nur eine Gebäudebeschreibung geliefert hat (etwa 'Das alte Bürohaus neben dem Weißen Haus, Sie wissen schon'). Und dass Hersh den alten Namen entweder aus alter Gewohnheit eingesetzt hat, oder weil der in Washington noch allgemein gebräuchlich ist.
Tatsächlich findet man diese Bezeichnung noch in den Medien, beispielsweise hier, dort und sogar auf einer US-Regierungswebseite ("ODNI was first located in the Old Executive Office Building").
Hersh selber legt der Ortsangabe des Treffens (der Sullivan-Gruppe) große Bedeutung bei: "Ich habe das erwähnt, um den Leuten im Weißen Haus zu signalisieren, dass ich Informationen habe" sagt er im Interview der Berliner Zeitung.]


11) Im Absatz "At the time, the CIA was directed by William Burns ..." wird die Sache "heiß". Der CIA-Chef William Burns, früherer Botschafter in Russland und in der Obama-Administration Staatssekretär im Außenministerium, habe eine CIA-Arbeitsgruppe einberufen, die sich ausschließlich um den Pipeline-Anschlag kümmern sollte. Rein zufällig sei unter den Teilnehmern eine Person gewesen, die von der Marine-Tauchschule und den technischen Fähigkeiten der Taucher Kenntnis gehabt habe.
(Hersh erwähnt es nicht, aber m. E. müsste die CIA-Gruppe spätestens zu diesem Zeitpunkt um Fachleute von der Marine ergänzt worden sein? Falls die nicht sogar schon von Anfang an dabei waren?)
So habe die Gruppe in den nächsten Wochen den Plan für eine verdeckte Operation ausgearbeitet, bei der Tiefseetaucher eine Explosion an der Pipeline auslösen sollten.
Die 'Zwei-Gruppen-Darstellung' ist unbedingt plausibel und ein massives Indiz für die Richtigkeit von Hershs Schilderung. Denn die 'Sullivan-Gruppe' musste sich ja, wie ich oben schon sagte, mit der gesamten Breite möglicher US-Reaktionen auf Putins erwarteten Ukraine-Überfall befassen; mit 'Kleinzeug' wie den Einzelheiten einer Pipeline-Zerstörung konnten die ihre Zeit nicht verplempern. Rein von dieser Überlegung her ist es sogar für einen Außenstehenden unmittelbar einsichtig, dass die detaillierte Sabotageplanung unmöglich in der Sullivan-Gruppe hätte durchgeführt werden können. Und somit eine andere (faktisch, wenn auch wohl nicht formal-organisatorisch, untergeordnete) Stelle oder Arbeitsgruppe damit beschäftigt gewesen sein musste. Auf der journalistischen Ebene ist es nur schwer vorstellbar, dass sich ein unehrlicher "Informant" (oder, hypothetisch, gar Hersh selber) alle Details, die Hersh dann aus der Arbeit dieser Gruppe schildert, ausgedacht haben sollte.
Indem sie den Vorgang auf die CIA-Ebene 'herabdelegierte' (Burns hatte die Arbeitsgruppe wohl kaum aus eigenem Antrieb einberufen!), hatte die "übergeordnete" (wie gesagt: faktisch, wohl nicht organisatorisch-hierarchisch) Sullivan-Kommission das "Ob" bejaht; die CIA-Gruppe hatte lediglich noch das "Wie" auszuklamüsern.
Eine offene Frage ist freilich, welche Schlussfolgerungen sich daraus für die Informationsquelle(n) von Hersh herleiten lassen. Wenn es tatsächlich nur EINE Quelle war, dann kann es sich eigentlich nur um eine/n CIA-Mitarbeiter/in (vielleicht auch eine/n Marineangehörige/n) handeln, der oder die in BEIDEN Gruppen dabei war. Das können nur ganz wenige - wenn nicht sogar nur eine einzige - Person(en) gewesen sein. Was es zwar nicht Außenstehenden, wohl aber der US-Regierung sehr leicht machen würde, die 'Plaudertasche' zu identifizieren. Für den "Täter" dürfte das sehr unangenehme Folgen haben - es sei denn, die Regierung hätte die Information selber geleakt (aber natürlich Hersh darüber im Unklaren gelassen).
Der jedenfalls geht davon aus, dass er seinen Informanten schützen muss. Insofern hätte er, aus Sicht meiner vorangehenden Überlegungen, eigentlich behaupten müssen, dass er MEHRERE Informanten gehabt habe. (So jedenfalls wäre ich vorgegangen.😎) Spannende Frage, warum er das nicht getan bzw. auf welche andere Weise er evtl. seinen Informanten verschleiert hat. Denkbar wäre auch, dass er ganz bewusst einige Details falsch angegeben hat, mit denen seine Quelle so vertraut war, dass man von ihr keine falschen Angaben erwarten würde.
Alternativ kann seine folgende Antwort aus dem BZ-Interview heranziehen (auf die Frage, inwieweit Schweden und Dänemark einbezogen wurden; Hervorhebung von mir): "Mir wurde gesagt: Sie taten, was sie taten, und sie wussten, was sie taten, und sie verstanden, was vor sich ging, aber vielleicht hat niemand jemals „Ja“ gesagt. Ich habe mit den Leuten, mit denen ich gesprochen habe, sehr viel an diesem Thema gearbeitet." Das klingt so, als habe er doch MEHR ALS NUR EINE QUELLE hatte. 
Wenn er tatsächlich zwei (oder gar mehrere) Quellen hatte, dann könnte es sein, dass er die, auf irgend eine Weise diese dadurch schützen wollte, dass er nur EINE Quelle zu haben vorschützte. Denkbar wäre insoweit, dass KEIN CIA-Mitarbeiter der Sullivan-Gruppe in der 'Sabotage-'Gruppe saß. Organisatorisch hätte es allerdings sehr viel Sinn gemacht, die (faktisch) untergeordnete CIA-Gruppe mit der (faktisch) übergeordneten Sullivan-Gruppe in der Weise zu verzahnen, dass mindestens eine Verbindungsperson in beiden Gruppen aktiv war. Mit dem Auftrag, die "Obergruppe" über den Arbeitsstand der "Untergruppe" auf dem Laufenden zu halten. 
Sollte es jedoch keine derartige personelle Verzahnung zwischen beiden Gruppen gegeben haben, dann müsste es für eventuelle Regierungsermittler rätselhaft sein, wie nur EIN Maulwurf die ganze Operation verraten haben sollte. Obwohl natürlich auch Mitglieder der "Obergruppe" einen Gesamtüberblick haben könnten (und eigentlich auch müssten; fraglich wäre in diesem Falle allerdings, wie detailliert die über die Anschlagsplanung Bescheid wussten). 
Hinwiederum kann es sein, dass die Regierung auch dann nicht ermittelt, wenn sie die Information nicht selber bewusst geleakt hat. Denn schon die bloße Ermittlung als solche wäre, wenn sie "auffliegt", ja ein konkludentes Schuldeingeständnis. In alle diese Richtungen könnten echte, - also kaum deutsche - Journalisten recherchieren.
In diesem Zusammenhang fällt mir eine etwas anders geartete Frage ein, die auch im Kommentarteil zu dieser englischsprachigen Kritik an Hersh von dem Kommentator "Sontol" aufgeworfen wird und die ich gerne an Hersh richten würde (und tatsächlich auch gerichtet hätte, wenn mir seine Mailadresse bekannt wäre): Ob er nämlich den Status seiner Informationsquelle(n) überprüft hat. Rein theoretisch wäre es ja immerhin vorstellbar, dass (fingiert "Sontol", aber diese Idee war mir auch selber schon gekommen), der russische Geheimdienst jemanden zu Hersh schickt und dem eine Geschichte erzählt, welche den russischen Propagandainteressen passt. Dagegen hätte Hersh sich absichern können, indem er die Angaben der Person über ihren Status innerhalb des Regierungsapparats überprüft hätte. Vielleicht hat er das getan oder er kannte seine(n) Informanten ohnehin. 
An dieser Stelle auch eine Anmerkung zu den "nächsten Wochen", in denen die CIA-Arbeitsgruppe den Sabotageanschlag plante. Hersh hatte berichtet, dass die "übergeordnete" Sullivan-Gruppe ihre Arbeit im Dezember aufgenommen habe. Am 28.01.2022 (Datum des Youtube-Videos, zu welchem Hersh verlinkt) hatte Victoria Nuland, Staatssekretärin im US-Außenministerium, gesagt "If Russia invades Ukraine, one way or another, Nord Stream 2 will not move forward." Hersh hält das für die Androhung einer gewaltsamen Unterbrechung, ist sich allerdings nicht ganz sicher: "Biden’s and Nuland’s indiscretion, if that is what it was" - also das (versteckte) "Ausplaudern der Anschlagspläne, wenn es denn ein solches Ausplaudern war". In diesem Falle müsste (und davon geht Hersh offenbar aus) der Anschlagsplan bereits Ende Januar jedenfalls in den Grundzügen "gestanden" haben. Die Sullivan-Gruppe müsste ihre Arbeit dann sehr früh im Dezember 2021 aufgenommen haben (und die CIA-Gruppe im Laufe des Monats Dezember gebildet worden sein), weil sonst die Zeit kaum für eine halbwegs solide Planung ausgereicht hätte. Die Nuland-Formulierung hatte bereits am 26.01.2022 der Pressesprecher des US-Außenministeriums, Ned Price,  in einem Interview mit der gemeinnützigen US-Radiostation NPR verwendet: "I want to be very clear - if Russia invades Ukraine, one way or another, Nord Stream 2 will not move forward, and we want to be very clear about that." (Bemerkenswert ist, dass er das "Ich sage in aller Deutlichkeit" in diesem einen Satz gleich wiederholt.) Jedenfalls klingt das "one way or another" stark nach "egal wie", also durch gütliche Vereinbarung mit uns Deutschen oder notfalls auch gewaltsam. Allerdings hatte der Pressesprecher unmittelbar vorher darauf hingewiesen, dass die Nord Stream 2 Leitungen ohnehin nicht in Betrieb seien, und dass dies dem Westen und Deutschland einen Hebel gegen Russland gebe. Auch dieser (englischsprachige) Bericht der Deutschen Welle vom 27.01.2022 lässt vermuten, dass Deutschland den USA zugesagt hatte, die Leitung im Falle eines russischen Überfalls auf die Ukraine auch zukünftig nicht in Betrieb zu nehmen. Möglicher Weise wollten die Amis aber unserer Regierung signalisieren und gleichzeitig der US-Öffentlichkeit versichern, dass sie auch anders könnten, falls Deutschland es sich doch anders überlegen sollte. Jedenfalls: Dass sie "so oder so" alle Pipelines in die Luft jagen wollten, kann ich diesen Äußerungen nicht entnehmen. Ich halte es auch für unwahrscheinlich, dass genau das (schon) zu diesem Zeitpunkt fest geplant war. Dass man die Sabotage freilich von Anfang an als mögliches Szenario planerisch vorbereitet hatte, halte ich für unbedingt wahrscheinlich.


12) Relativ breit, in den vier Absätzen von "Something like this had been done before ..." bis "That underwater success, codenamed Ivy Bells ...", lässt sich Hersh über eine in manchen Aspekten vergleichbare Geheimoperation aus, welche die CIA gemeinsam mit der National Security Agency (NSA - ein weiterer US-Auslandsgeheimdienst) (sowie - natürlich - der US-Marine, deren Kapitän James F. Bradley Jr. überhaupt die treibende Kraft war) im Jahr 1971 durchgeführt hatte.
Der sozusagen "gemeinsame Nenner" beider Operationen liegt freilich nur darin, dass beide von Tauchern ausgeführt wurden - und geheim waren. Hersh plaudert insoweit keineswegs aus dem Nähkästchen; die damalige Spionageoperation ist heute längst bekannt. Irgendeinen Wert als (Indizien-)Beweis hat dieser Einschub also nicht. Aber, wie ich oben bereits sagte, hat Hersh zweifellos auch das Lesevergnügen im Auge; und das ist ja auch absolut legitim. Außerdem will er damit sicherlich auch sagen, dass es nichts gibt, was den US-Geheimdiensten nicht zuzutrauen wäre. Das glaube ich allerdings auch!


13) Die Absätze "Still, the interagency group was initially skeptical ..." bis "Nevertheless, in early 2022, the CIA working group reported back to Sullivan’s interagency group: 'We have a way to blow up the pipelines'" informieren uns über die Skepsis der Sullivan-Gruppe hinsichtlich der praktischen Realisierbarkeit eines Pipeline-Anschlags mit Tauchern. Und über politische Bedenken innerhalb der CIA und im Außenministerium, wonach der Anschlag zum politischen Albtraum (für die USA) werden würde, wenn er aufflöge. Zur "Unter-Gruppe" bei der CIA werden diese Bedenken gar nicht vorgedrungen sein; auf alle Fälle werden sie deren Arbeiten nicht gehemmt habenJedenfalls meldete die früh im Jahr 2022 ("in early 2022"), einen Weg zur Durchführung gefunden zu haben.
Das wirft die Frage auf, was "früh im Jahr" bedeutet. Bzw. warum Hersh hier nicht "im Januar" oder "gegen Ende Januar" schreibt, wenn er davon überzeugt ist, dass das US-Außenministerium bereits gegen Ende Januar von der Realisierbarkeit des Anschlags ausging (und Präsident Biden spätestens am 07.02.2022, dem Tag seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit Olaf Scholz). Andererseits klingt gerade Hersh Schilderung der sozusagen "retardierenden Elemente" der künftigen Tragödie außerordentlich lebensecht: Einwendungen sind genau das, was man in einem großen Gremium, das alle Eventualitäten gedanklich durchzuspielen hat, erwarten würde. Freilich kann, wer sehr, sehr klug ist, genau diese unsere Erwartungen auch antizipieren - und seine "Geschichte" darauf zuschneiden. Also Hershs Informant - oder, im schlimmsten (theoretischen) Falle sogar Hersh selber. Ich persönlich glaube nicht, dass wir hier derart hinter die Fichte geführt werden. -Vielmehr ziehe auch die hier geschilderten Umstände als EIN Indiz (aus einer ganzen Indizienkette - vgl. unten mein Kap. III) für die Richtigkeit heran.


14) Von "What came next was stunning."  bis "It was like putting an atomic bomb on the ground in Tokyo ..."
Wenn die Darstellung von Hersh zutrifft, enthalten diese vier Absätze eine geballte Ladung politisches Dynamit. Indes kennzeichnet er sie selber als bloße Vermutung
 (die aber substantiiert ist!): "Biden’s and Nuland’s indiscretion, if that is what it was" ("Bidens und Nulands Indiskretion, wenn es denn eine solche war" - vgl. auch oben die Anmerkung zu Ziff. 11)
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Joe Biden am 07.02.2022 auf eine Journalistenfrage geantwortetWenn Russland eindringt, in die Ukraine, Panzer und Soldaten, eine Armee, dann wird es kein Nord-Stream-2-Projekt mehr geben“. Und auf Rückfrage einer Journalistin, wie die USA das denn anstellen wollten, da das Projekt doch eigentlich eine Sache zwischen Deutschland und Russland sei, bekräftigt "Ich darf Ihnen versprechen, dass wir dazu in der Lage sein werden". Was man schwerlich anders denn als eine Gewaltandrohung deuten kann. (Hersh verlinkt zu einem YouTube-Video mit der entsprechenden Original-Passage.) Auch der Münchener Merkur meinte seinerzeit: "Joe Biden scheint anzudeuten, für den Fall einer russischen Invasion die Pipeline sogar gegen Deutschlands Willen zu stoppen".
So sieht das auch Seymour Hersh und weist zudem noch darauf hin, dass sich Victoria Nuland, US-Staatssekretärin im US-Außenministerin "Twenty days earlier(zwanzig Tage früher) ähnlich geäußert habe. Die Zeitangabe ist übrigens falsch; tatsächlich war die Nuland-Äußerung ZEHN Tage vorher (am 28.01.2022) gefallen.
Diese kleine Unschärfe wollen wir Hersh nachsehen. Man könnte, scheinparadox, die falsche Angabe sogar als Indiz für die Richtigkeit von Hershs Darstellung bewerten: Ein Fälscher hätte sich mit solchen Details ganz bestimmt besondere Mühe gegeben, um nicht über derartige Kleinigkeiten zu "stolpern".
Die Mitarbeiter von Biden waren entsetzt über seine Indiskretion, doch hatte dieser "Fehler" eine höchst erfreuliche Konsequenz für die Geheimhaltungsmöglichkeiten: siehe Folgeabsatz.


15) Von "Biden’s and Nuland’s indiscretion, if that is what it was, ..." bis "The plan to blow up Nord Stream 1 and 2 was suddenly downgraded"
Einige hochrangige CIA-Mitarbeiter kamen jetzt nämlich auf die Idee, dass die geplante Geheimoperation gar keine "verdeckte" mehr sei - weil Nuland und Biden die Absicht zur Pipelinesprengung ja ausgeplaudert hätten. Auch hier flicht Hersh wieder ein "according to the source" ein, also "nach Angaben dieser Quelle", von der man aufgrund von Hershs mehrfacher Wiederholung eigentlich annehmen müsste, dass sie die einzige war.
Zunächst einmal sticht freilich der Umstand ins Auge, dass die hier behandelten beiden Absätze nicht mit Hershs oben unter Ziff. 5 behandelter Behauptung zusammenpassen, wonach allein schon die Beauftragung der Tauchschule (und nicht des "Special Operations Command") den Präsidenten von der gesetzlichen Pflicht zur Vorab-Information bestimmter Abgeordneter im Kongress entbunden habe. Ich denke nicht, dass dieser Umstand die Glaubwürdigkeit von Hershs Enthüllung entwertet. Man könnte sogar im Gegenteil auch hier wieder argumentieren, dass sich ein Fälscher mit solchen Details ganz bestimmt 
besondere Mühe gegeben hätte, um nicht über derartige Kleinigkeiten zu "stolpern".
Dass die Informationspflicht gegenüber dem Parlament allein durch den Einsatz von Taucher wegfiel, glaube ich persönlich NICHT.  Dagegen kann ich mir sehr gut vorstellen (s. nachfolgend), dass die Regierung sich selber eingeredet hat, sie müsse das Parlament nicht mehr informieren, weil die Operation aufgrund der Äußerung Bidens keine verdeckte mehr sei.
 
Nicht direkt mit der o. a. Widersprüchlichkeit, wohl aber ganz allgemein mit der Rechtsfrage der erwähnten Informationspflicht im vorliegenden Zusammenhang, beschäftigt sich ein gewisser Ian Rons auf der Webseite "The Daily Sceptic" ("Seymour Hersh’s Sensational Claims About the Nord Stream Sabotage Don’t Add Up" - "Hershs sensationelle Behauptungen über die Nord Stream Sabotage ergeben keinen Sinn"). Hier sein Einwand (Hervorhebung von mir): "There are several problems with this story. The most glaring issue is a legal one. Hersh’s source claims that – by using regular U.S. Navy divers instead of special forces like the Navy SEALs, and/or because Biden and Victoria Nuland possibly hinted at such an operation – the important Congressional oversight provisions contained in the National Security Act 1947 could be circumvented, making it unnecessary to inform the eight most senior members of Congress (the ‘Gang of Eight’) in advance of the operation. THIS IS FALSE. Covert action of that nature, conducted by any government official, military or clandestine officer or even civilian contractor or any other agent or operative of the U.S. Government is most certainly covered under the definition of “covert action” provided by statute, 50 U.S. Code § 3093(e). Furthermore, the situation is not changed even following a stated intention to carry out such an action; after all, no-one was in any doubt that the U.S. intended to kill Osama bin Laden, yet it was still a covert action under the law." ("Hershs Geschichte hat mehrere Schwachpunkte. Der am meisten ins Auge fallende ist juristischer Natur. Hershs Quelle behauptet, dass die eigentlich nach dem Nationalen Sicherheitsgesetz 1947 erforderliche Information des Kongresses dadurch umgangen werden konnte, dass US-Marinetaucher anstelle von Spezialkräften wie z. B. den "Navy SEALs" eingesetzt wurden und/oder dadurch, dass Biden und Nuland die geplante Operation möglicherweise öffentlich angedeutet hatten. DAS IST FALSCH.  Verdeckte Operationen dieser Art, egal, von welcher Regierungsorganisation - oder ggf. sogar von welchem privaten Auftragnehmer - sie durchgeführt werden, fällt ganz sicher unter die Bestimmung 
"50 U.S. Code § 3093(e)". Daran ändert sich auch nichts, wenn die Absicht, eine solche verdeckte Aktion auszuführen, öffentlich angekündigt wurde. Schließlich hatte niemand irgendeinen Zweifel daran, dass die USA die Tötung von Osama bin Laden beabsichtigten. Dennoch war das eine verdeckte Operation im Sinne des Gesetzes.")
Nachdem uns der Hersh-Kritiker schon den einschlägigen Paragraphen angegeben hat, schauen wir uns den einfach mal selber an. Entscheidend dürfte insoweit (wie das auch der Hersh-Kritiker sieht) die Definition von "verdeckter Aktion" sein. Die liefert der Buchstabe e) im § 3093 des amerikanischen (Bundes-)Rechts:
"(e) 'Covert action' defined: As used in this subchapter, the term “covert action” means an activity or activities of the United States Government to influence political, economic, or military conditions abroad, where it is intended that the role of the United States Government will not be apparent or acknowledged publicly, but does not include ..."
"Eine verdeckte Aktion im Sinne dieser Bestimmung ist jede Aktion der US-Regierung zur Beeinflussung politischer, wirtschaftlicher oder militärischer Umstände im Ausland, bei der die Rolle der US-Regierung geheim bleiben soll. Ausgenommen sind .... (u. a. "reguläre" Geheimdienstaktivitäten, diplomatische Aktivitäten usw.)"
Rons' Hinweis auf die Tötung von Osama bin Laden hat keinerlei Beweiskraft. Zum einen sagt Rons nicht einmal, ob in diesem Falle die US-Regierung den Kongress vorher informiert hat oder nicht. Zum anderen ist "jedermann war klar ..." nicht dasselbe wie "die Regierung hatte öffentlich angekündigt". Ich jedenfalls kann mir SEHR GUT VORSTELLEN, dass sich die Biden-Regierung die Rechtslage genau so zurechtgelegt hat, wie Hersh das behauptet. Ob diese Auslegung irgendwie "objektiv" richtig ist oder nicht, ist insoweit gleichgültig: komplett absurd ist die von Hersh geschilderte Interpretation jedenfalls nicht. (Das gilt für die öffentliche "Anschlagsankündigung" durch Nuland und Biden. Dagegen ist keinerlei Auslegung vorstellbar, wonach der Einsatz der Marinetaucher - s. o. Ziff. 5) - die Informationspflicht nach Buchstabe b) a. a. O. aushebeln könnte.) Jedenfalls: Dass sich Regierungen die Rechtsauslegung für ihre Zwecke hinbiegen, wo immer sie eine halbwegs überzeugende Möglichkeit dazu sehen, wäre wahrhaftig keine welterschütternde Neuigkeit.
Auch der Artikel "CONFLICTING REPORTS THICKEN NORD STREAM BOMBING PLOT" vom 10.03.2023 kommt zu dem Schluss, dass die US-Regierung das Parlament (in Gestalt bestimmter Parlamentsvertreter) über den Anschlag informieren musste. Dennoch würde es mich nicht überraschen, wenn die US-Regierung sich die Rechtslage mit der o. a. (zweifellos spitzfindigen) Auslegung für ihre Zwecke zurechtgebogen hätte.


16) "The Agency working group members ...
In diesem Absatz spricht Hersh darüber, dass die CIA-Gruppe keinen direkten Kontakt zum Weißen Haus gehabt habe, aber doch gerne gewusst hätte, ob der Präsident zu seiner Absicht stand, einen Anschlag auf die Pipelineröhren durchzuführen. Daraufhin muss der CIA-Direktor Bill Burns im Weißen Haus (wohl nicht zwingend direkt beim Präsidenten) nachgefragt haben. Jedenfalls berichtet Hersh, er sei mit der Botschaft (des Präsidenten) zurückgekommen: "Macht es!". Auch hier kommt Hersh wieder auf "die" (eine) Quelle zurück: "The source recalled ..." ("Die Quelle erinnerte sich ...")
Der Begriff "Agency working group" bezieht sich auf die CIA-(Central Intelligence Agency)-Arbeitsgruppe; sie ist nicht zu verwechseln mit der (hochrangigen) Sullivan-Steuerungsgruppe, die Hersh als "interagency group" bezeichnet, weil sie aus Beamten - vermutlich auch den Leitern - mehrerer Regierungsdienststellen bestand.


17) Mit dem Kapitel "The Operation"
sind wir jetzt beim harten Kern der Hersh-Story angelangt, bei den praktischen Vorbereitungen zum und der Durchführung des Sabotageakt(es). (Wobei sich allerdings ein großer Teil noch mit der PLANUNG befasst; aber das nunmehr sehr detailliert.)

Über 6 Absätze hinweg, von "Norway was the perfect place to base the mission" bis "Back in Washington, planners knew they had to go to Norway ..." berichtet Hersh über das gute Verhältnis Norwegens zu den USA, das letztere dann bewog (oder vertretbar erscheinen ließ?), Norwegen zur Beihilfe bei dem Terroranschlag beizuziehen. Sowohl bei der Detailplanung als auch den praktischen Vorarbeiten und schließlich sogar bei der unmittelbaren Ausführung soll Norwegen mitgewirkt haben. 
Die USA hätten ihre militärischen Aktivitäten in Norwegen und die Beobachtungs- und Spionagezusammenarbeit mit den Norwegern gegen Russland in den letzten Jahren stark ausgeweitet und die dortige Regierung stehe fest zu den USA. Auch dass die USA dem norwegischen NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg absolut vertrauten, und dieser ein "Hardliner" gegenüber Russland und Putin sei, soll eine Rolle gespielt haben.
Unklar bleibt allerdings, welche. Schließlich ist er nicht mehr in der norwegischen Politik tätig; von daher hätte er allenfalls eine Vermittlerrolle zwischen den amerikanischen Anschlagsplanern und der norwegischen Regierung übernehmen können. Was den Kreis der Mitwisser aber nochmal um mindestens eine Person erweitert hätte. Ebenso wenig berichtet er zu Jens Stoltenberg, welche Rolle dieser im Zusammenhang mit den den amerikanischen Anschlagsplänen bzw. zur Verwicklung Norwegens in diese gespielt haben sollte. Die harmlose Annahme wäre, dass einfach der erzählerische Gaul mit Hersh durchgegangen ist. Misstrauische Menschen können freilich auch auf die Idee kommen, dass hier Desinformation beabsichtigt ist: entweder von Hersh oder von seiner Quelle. Oder dass Stoltenberg durch die bloße Erwähnung in diesem Zusammenhang eine konspirative Mitwirkung am Anschlag angehängt werden sollte. Darüber macht Hersh keinerlei Angaben. Was jedoch eine Involvierung Stoltenbergs nicht zwingend ausschließt.
Weiterhin erklärt Hersh auch nicht, wer von amerikanischer Seite wen auf norwegischer Seite über die beabsichtigte Pipeline-Sprengung informiert haben soll.
Er liefert auch keine sachliche Begründung, warum die USA den Anschlag nicht alleine hätten durchführen können. " 'They hated the Russians, and the Norwegian navy was full of superb sailors and divers who had generations of experience in highly profitable deep-sea oil and gas exploration,' the source said." Wieder bringt Hersh also "die" Quelle ins Spiel, die gesagt habe, dass die Norweger die Russen hassen und exzellente Seeleute und Taucher haben, mit generationenlanger Erfahrung in hochprofitabler Hochsee-Öl- und Erdgasgewinnung. Nur brauchten die USA diese hervorragenden Taucher gar nicht, weil sie ja bereits entschieden hatten, ihre eigenen einzusetzen. Und um Öl- oder Erdgasgewinnung auf hoher See ging es hier auch nicht.
Zur Motivation der Norweger spekuliert er darüber, dass diese auch deswegen gerne mitgemacht haben könnten, weil sie dadurch weitaus mehr von ihrer eigenen Erdgasförderung in Europa würden verkaufen können. Das ist gut vorstellbar, aber auch Hersh präsentiert dies, wie gesagt, lediglich als Vermutung.
Nicht überraschend haben auch zahlreiche Hersh-Gegner die Schwachpunkte in diesem Abschnitt entdeckt. Teilweise hat deren Kritik (speziell an konkreten Einzelheiten, über die Hersh im Folgetext berichtet) durchaus Substanz; dazu verweise ich auf mein Kapitel  IV. "SUBSTANZHALTIGE ARGUMENTE GEGEN DEN HERSH-BERICHT".
 Allgemeiner Natur ist der Einwand, dass der Kreis der Eingeweihten auf diese Weise - entgegen dem vorher im Text so betonten Geheimhaltungsinteresse - ausgeweitet worden sei. Hinterfragt wird auch, ob die USA diese Dinge nicht selber hätten erledigen können und wieso sie auf die Hilfe norwegischer Stellen angewiesen sein sollten. Dass Hersh alles das nicht erklärt, ist schwer verständlich. Gleichwohl würde ich diesen Umstand nicht als "hartes" Indiz gegen den Wahrheitsgehalt bewerten.
Das gilt noch sehr viel mehr für einen Fehler, der Hersh bei der Biographie des (norwegischen) NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg unterläuft. Von dem er behauptet, dass er seit dem Vietnamkrieg mit den US-Geheimdiensten zusammengearbeitet habe. Das kann man allein schon aufgrund seines Geburtsjahres (1959; der Vietnamkrieg endete 1975) ausschließen*. Zudem hatte er in seiner Jugend gegen den Vietnamkrieg demonstriert und später gegen die NATO engagiert. Vielleicht liegt insoweit eine Verwechselung mit seinem Vater Thorvald Stoltenberg vor. Auch an dieser Stelle könnte man den argumentativen Spieß umdrehen und sagen, dass ein Fälscher sich bei solchen Äußerlichkeiten mit Fehlern hätte erwischen lassen. Mit Sicherheit hat Hersh diese Informationen auch nicht von seiner Quelle, sondern aus öffentlich bekannten Unterlagen - oder allenfalls von einer anderen Quelle.
[Wen es interessiert: Welche Umstände seinen Sohn nach Meinung politischer Beobachter zum NATO-Generalsekretär qualifizieren, wird z. B. in dem Artikel "Why Jens Stoltenberg is a natural choice for Nato" aus dem Jahr 2014 beschrieben.]
* Nein, anscheinend lässt sich doch nicht mit Sicherheit ausschließen, dass Stoltenberg tatsächlich schon als Jugendlicher für den (norwegischen und/oder amerikanischen) Geheimdienst tätig war. Es würde hier zu weit führen, die Argumente für eine solche - abseitige - MÖGLICHKEIT anzuführen, die ein Blogger unter dem Titel "Unlocked: Young Jens: What Was Stoltenberg Doing at Age 15?" (bereits am) 09.02.2023 zusammengetragen hatte. Wenn es interessiert, möge selber dort nachlesen!


18) Von "Sometime in March ..." bis "After a bit of research ..."
Im März 2022 seien einige (wenige) Mitglieder des CIA-Teams nach Norwegen geflogen, um sich mit Mitarbeitern des dortigen Geheimdienstes und der Marine zu treffen (offensichtlich um die Feinabstimmung des Anschlagsplans vorzunehmen). Die norwegische Marine habe die günstigste Stelle für den Anschlag ausfindig gemacht, einige Meilen vor der Küste der dänischen Insel Bornholm. ("The Norwegian navy was quick to find the right spot, in the shallow waters of the Baltic sea a few miles off Denmark’s Bornholm Island.") [Jedoch, so wäre zu ergänzen, außerhalb der dänischen Hoheitszone!] Dort liege die Leitung nur ca. 80 m unter der Wasseroberfläche, was für Taucher noch erreichbar sei. Außerdem gebe es dort keine Gezeitenströmungen, deren Vorhandensein die Operation außerordentlich erschwert hätten. 
In dieser Passage macht Hersh außerordentlich konkrete Angaben: Von einem norwegischen Minensuchboot der "Alta-Klasse" aus operierend sollten die Taucher "plant shaped C4 charges on the four pipelines", also den C4 Sprengstoff bei (oder auf) den vier Röhrensträngen anbringen. Und zwar in Gestalt von "Hohlladungen" (vgl. englischsprachige Wikipedia zu "shaped charge"). 
[Die selbsternannten "Faktenfinder" von der Tagesschau haben diesen Satzteil "plant shaped C4 charges" in grotesker Weise missverstanden: s. u. im Kap. II über die deutschen Desinformationsmedien.] 
Die Atemversorgung der Taucher sollte aus Tanks (welche die Taucher anscheinend auf dem Rücken tragen oder jedenfalls mit sich führen sollten: "their tanks") mit einer Mischung aus Sauerstoff, Stickstoff und Helium erfolgen.
[Dem Wikipedia-Stichwort "Trimix" bzw., auf English und ausführlicher, "Trimix (breathing gas) entnehme ich als Laie immerhin so viel, dass dieses "Atemgasgemisch" tatsächlich "zum Erreichen großer Tiefen genutzt wird".]   
Weiter berichtet Hersh, dass die Amerikaner die norwegischen Vorschläge nach einigen eigenen Recherchen übernommen hätten.
Hersh-Gegner hinterfragen insoweit, ob die USA diese Informationen nicht ihren eigenen Seekarten hätten entnehmen können. Weiterhin sei bei dem Seemanöver, unter dessen Tarnung die Sprengladungen ausgebracht werden sollten (dazu unten), gar kein Boot der Alta-Klasse zum Einsatz gekommen, und ein vergleichbares Schiff sei nicht an den fraglichen Stellen gewesen. Die Bilder, die von den Schadensstellen öffentlich bekannt geworden sind, entsprächen auch nicht der spezifischen Wirkungsweise von Hohlladungen. Auch die Angaben zur Atemversorgung der Taucher werden angezweifelt. Das sind aus meiner Sicht nachvollziehbare Einwände. Vgl. näher mein Kapitel  IV. "SUBSTANZHALTIGE ARGUMENTE GEGEN DEN HERSH-BERICHT".
 
Gravierender ist das Argument, dass Hersh von EINER STELLE spricht ("the right spot"), die Explosionen sich jedoch an mindestens DREI (oder, wenn man mit den Entfernungen großzügiger sein will,  mindestens an ZWEI Stellen ereignet haben: vgl. meinen Vorspann oben bzw. die Anmerkungen zu Abs. 27).
  
Ich weiß nicht, ob dieser Umstand bedeutsam ist; aber jedenfalls fällt mir auf, dass Hersh über den Einsatz eines Minensuchboots der Alta-Klasse für die Tauchoperation und über die spezifische Tauchmethode lediglich als GEPLANTE Aktionen berichtet (meine Hervorhebung):
"That would be well within the range of the divers, who, operating from a Norwegian Alta class mine hunter, would dive with a mixture of oxygen, nitrogen and helium streaming from their tanks, and plant shaped C4 charges on the four pipelines with concrete protective covers." Also: "Das WÜRDE noch bequem in einer für Taucher erreichbaren Tiefe liegen, die, von einem Minensuchboot der Alta-Klasse aus operierend, mit einer Mischung aus ..... tauchen WÜRDEN .....".
Insoweit wäre denkbar, dass Hershs Quelle lediglich vom PLANUNGSSTAND bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Kenntnis hatte. Und über eventuelle spätere Planänderungen sowie die tatsächliche Ausführung nicht mehr informiert war. Das wäre eine zwanglose Erklärung dafür, dass Hershs Darstellung der Sprengstoffausbringung und der späteren Zündung in wesentlichen Punkten wohl tatsächlich fehlerhaft sind: Sie wären dann gegenüber seinem Kenntnisstand (und dem seines Informanten) durch spätere Planungsänderungen überholt. Dennoch wären diese Differenzen KEIN Beweis gegen die Richtigkeit seiner Kernaussage, dass tatsächlich die USA den Terrorakt gegen die Pipeline verübt haben.


19) Von "At this point, ..." bis "The best divers ..."
Hier erzählt Hersh davon, dass die Rolle der Tiefseetaucher in der Marine nicht sonderlich beliebt, weil unspektakulär, sei. Dass aber diese Spezialisten untereinander eine verschworene Gemeinschaft seien, von der in diesem Falle nur die Allerbesten aufgefordert worden seien, sich für eine zukünftige Anforderung durch die CIA bereit zu halten.
Das klingt in sich glaubhaft und liest sich flüssig; einen Indizienwert für den Hersh-Bericht hat das freilich nicht. Aber wenn sich wirklich investigative Journalisten vor Ort richtig "reinknien" würden, könnten sie vielleicht Informationen bekommen: Wenn nicht von den "Tätern" selber, dann vielleicht von deren Kameraden oder von der "Personalabteilung" über evtl. dienstliche Abwesenheiten von besonders hochqualifizierten Tauchern zur fraglichen, die vielleicht ohne Begründung von einer übergeordneten Instanz angeordnet wurden. Auch bei der Auswahl der "Täter" müssten Offiziere der Tauchschule mitgewirkt haben: Wer sonst könnte verlässlich sagen, welches die Besten der Besten sind?


20) Von "The Norwegians and Americans had a location ..." bis "The Norwegians joined the Americans ..."
In drei Absätzen berichtet Hersh, dass und warum auch die Schweden und Dänen (nicht in Details, aber wenigstens grob) jedenfalls in die geplanten Tauchoperationen (wohl nicht direkt in die Anschlagspläne) eingeweiht werden mussten: Jegliche ungewöhnliche Unterwasser-Aktivitäten nahe der Insel Bornholm könnte die Aufmerksamkeit der Marinestreitkräfte beider Länder erregen, die darüber berichten könnten. Besonders die Schweden hatten die Wirksamkeit ihrer Unterwassersensoren für Geräusche und magnetische Impulse beim Aufspüren russischer U-Boote bewiesen, die in die schwedische Inselwelt eingedrungen waren und zum Auftauchen gezwungen wurden.
Nicht recht verständlich ist, wenn man ihn wörtlich nimmt, für mich der Satz " 'What they were told and what they knew were purposely different', the source told me." Seine Quelle soll Hersh also gesagt haben, dass das, was die Amerikaner den Dänen und Schweden ganz bewusst etwas anderes erzählte, als was diese wussten. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass sich die "Story", welche was die Anschlagsplaner Vertretern der beiden Länder erzählten, wesentlich von dem unterschied, was sie tatsächlich vorhatten. Das passt auch zu dem Passus im vorangegangenen Satz (meine Hervorhebung) "briefed in general terms about possible diving activity in the area", wonach man die nur "ganz allgemein" über "mögliche Tauchaktivitäten" in Kenntnis setzen wollte. Demnach wäre der Satz zu lesen als "What they were told and what was actually planned was purposely different" - "Was den beiden Ländern erzählt wurde unterschied sich ganz bewusst von dem, was tatsächlich geplant war".
In einem am 16.02.2023 auf der Webseite "The Wire" erschienenen Interview (auf Deutsch bereits am 14.02.2023 in der BERLINER ZEITUNG erschienen, dort allerdings nicht immer vollständig bzw. präzise übersetzt, formuliert er, für mich ebenfalls etwas verwirrend:
"The way it was put to me is: if you didn’t tell them, you didn’t need to tell them. In other words, you were doing what you were doing, and they knew what you were doing and they understood what was going on, but maybe nobody ever said yes." - "So, wie man es mir gegenüber darstellte: Wenn du es ihnen nicht erzähltest, bestand keine Notwendigkeit, es ihnen zu erzählen." Auch darin vermag ich grammatikalisch keinen rechten Sinn zu erkennen; situationslogisch wäre es plausibler, wenn sich die Amerikaner überlegt hätten: "Erzähl denen nur das, was sie unbedingt wissen müssen." Das würde aber nicht zu Hershs weiterem Satz passen: "Mit anderen Worten, du hast das getan, was du tun wolltest, und sie wussten, was das war. Aber vielleicht haben sie nicht ausdrücklich zugestimmt."
Richtig "rund" klingen seine Formulierungen zu diesem Punkt in meinen Ohren nicht. Aber vielleicht ist ja auch diese Inkonsistenz sogar eher ein Indiz FÜR als gegen die Wahrheit von Hershs Enthüllung insgesamt: Ein Faker hätte die Zusammenhänge wohl deutlich "glatter" dargestellt, also so, wie sie mir (und wohl auch den allermeisten anderen Lesern) plausibler erscheinen. Betrachten wir Hershs "Narrativ" aus der Perspektive eines hypothetischen Informationsfälschers: Was hätte es dem gebracht, auch noch Dänemark und Schweden in seine Geschichte einzubeziehen? Das macht sie für den Leser in keinster Weise interessanter - sondern eher unübersichtlicher. Und glaubwürdiger wird sie auch nicht, wenn noch mehr Länder (und damit Personen) in den Anschlag - und sei es auch nur vage - eingeweiht wurden. SO betrachtet, werte ich diese aus hypothetischer Fälschersicht völlig überflüssige (und potentiell sogar schädliche) "Ausweitung" als ein weiteres Indiz für die grundsätzliche Richtigkeit von Hershs Enthüllung.
"I worked on that issue very much with the people I was talking to". In diesem Zusammenhang sagt Hersh also, dass er (sehr intensiv) mit MEHREREN Personen über "that issue" (womit er wohl insgesamt die Einbeziehung dieser anderen Länder meint) kommuniziert habe. Die spannende Frage, ob er insoweit lediglich Informationen von seiner einen Quelle verifiziert hat, oder ob er ergänzend (bei mehreren Quellen) recherchiert hat, kann ich leider auch nicht beantworten.
Weiterhin informiert er darüber, dass sich die norwegische Botschaft [in den USA] auf seine Anfrage nicht zu seinem Bericht (also offenbar zur Beteiligung Norwegens an der Planung und Ausführung der Pipeline-Sabotage) geäußert habe: "The Norwegian embassy, asked to comment on this story, did not respond."
Natürlich spricht auch die Tatsache, dass Dänemark und Schweden bei der Ursachenforschung eine Zusammenarbeit mit Deutschland verweigern, dafür, dass beide Länder selber "Dreck am Stecken" haben. Dessen Auffliegen sie befürchten.


21) Von "The Norwegians were key to solving other hurdles" bis "The Norwegians also had a solution .....".
Im ersten dieser beiden Absätze berichtet Hersh, dass die russische Marine die technischen Hilfsmittel hat, um Minen zu entdecken und zur Explosion zu bringen. Daher hätten die Sprengladungen so getarnt werden müssen, dass sie für die russischen Systeme nicht von der natürlichen Umgebung zu unterscheiden seien. Zu diesem Zwecke hätte die Ladung (irgendwie) dem spezifischen Salzgehalt des Wassers angepasst werden müssen ("something that required adapting to the specific salinity of the water"). Auch hier hätten die Norweger eine Lösung parat gehabt.
Im zweiten Absatz schreibt Hersh den Norwegern auch die Idee zu, die Sprengsätze während des NATO-Seemanövers "Baltops22" auszubringen (das dafür eine gute Tarnung liefern würde).
Ein gewisser "Oliver ALEXANDER", wohl ein Däne, verreißt die "salinity"-Passage so: "This is complete and utter drivel that makes no sense at all. ..... The salinity aspect is just random buzzwords." Also: "Das ist totales dummes Gefasel und macht überhaupt keinen Sinn. ..... Der Salzgehalt ist einfach ein hergeholtes Schlagwort". Auf seine anderen (hier ausgelassenen) Kritikpunkte will ich an dieser Stelle nicht eingehen, nur auf sie Sache mit dem spezifischen Salzgehalt. Die kam in der Tat auch mir "spanisch" vor. Doch fand ich auf der Webseite "Hacker News" folgenden Auszug aus einem langen (und z. T. interessanten: vgl. hier und dort; keine Ahnung, wie diese beiden Threads zusammenhängen und ob es noch weitere gibt) Forendialog:
"HybridCurve 14 days ago'The American explosive devices needed to be camouflaged in a way that would make them appear to the Russian system as part of the natural background—something that required adapting to the specific salinity of the water'
This was the most ridiculous part. I can't think of a reason they would prefer to use an explosive charge in a position visible to inspection.
bhk 14 days agoAcoustic impedance of seawater varies with salinity.
runnerup 14 days agoSure but that doesn’t generalize to other materials. Salinity matched C4 won’t be acoustically matched. Definitely a red herring point.
bhk 13 days ago  (meine Hervorhebungen): 'Salinity matched' does not make any sense, and the article said nothing of the sort. It said 'make them appear ... as part of the natural background — something that required adapting to the specific salinity of the water'. Making something invisible to sonar could depend on the acoustic impedance (which varies with salinity) of the surrounding water and might involve adapting the object accordingly."
Eine vollständige Übersetzung erspare ich mir; jedenfalls sagt "bhk" am Schluss seines Kommentars: "Etwas für Sonarortung unsichtbar zu machen, könnte von der akustischen Impedanz abhängen, die ihrerseits je nach Salzgehalt des Wassers variiert. Von daher ist möglicher Weise eine entsprechende Anpassung des Objekts erforderlich." Ich selber verstehe leider nichts von den physikalischen Hintergründen. So viel begreife aber auch ich, dass es nicht um ein Verstecken für das Auge ging, sondern um ein "Verstecken" vor einer akustischen Ortung. Und dass diese Aufgabe möglicher Weise eine Anpassung des Objekts (oder einer Objekthülle?) an den spezifischen Salzgehalt des jeweiligen Gewässers erfordert. Das klingt für mich (als Möglichkeit) plausibel und bietet NEUGIERIGEN Journalisten (also nicht etwa den "Faktenfindern" des deutschen Staatsfunks und ähnlichen Journalisten-Imitaten) allemal einen Ansatzpunkt für  Recherchen bei einschlägigen Experten.
In Sachen "Sonarortung" ist auch ein Satz aus einem offiziellen Artikel über die Baltops22-Übung (vom 15.07.22, also gegen Ende des vom 5.-17.06.2022 dauernden Manövers) aufschlussreich: "The AUVs [autonomous underwater vehicles] use sonar to search the sea floor for objects, which divers later inspect and identify for possible mine neutralization and recovery." Geübt wurde also die Sonarortung von unbemannten U-Booten aus, bei der (offenbar nach entsprechender 'Verdachtsidentifizierung') anschließend Taucher die Objekte untersuchen und neutralisieren oder zurückholen (? "recovery") sollten. Was in unserem Zusammenhang bedeutet, dass tatsächlich Minen (und andere Sprengsätze?) auf diese Weise geortet werden können und das eine gängige Praxis ist. (Spannende Frage im Zusammenhang mit unten Ziff. 22, ob dies schon bei früheren Ostseemanövern getestet wurde oder 2022 erstmalig bzw. nach einem neuen Verfahren.)
Ein Kritikpunkt zum 2. Absatz dieser Passage bei Hersh (der den Norwegern die Idee zuschreibt, die Sprengsätze während der Flottenübung anzubringen) ist die Überlegung, dass die Amerikaner doch eigentlich selber wissen sollten, dass und für wann ein Flottenmanöver der NATO in der Ostsee geplant war. Und es deshalb unverständlich sei, dass erst die Norweger den Amerikanern insoweit auf die Sprünge helfen mussten. Das ist in der Tat schwer verständlich. Freilich wäre es durchaus vorstellbar, dass die ganz spezifisch mit den Sprengungsvorbereitungen befassten US-Experten keinen Gesamtüberblick über die geplanten US-Marineaktivitäten hatten und erst einem norwegischen Experten, der vielleicht auch nur zufällig davon wusste, diese Idee kam. Also: Nachvollziehbarer Einwand, aber keineswegs ein "Killer-Argument" gegen Hersh. Sondern, entsprechend meinen oben in anderen Zusammenhängen angestellten Überlegungen, potentiell sogar ein Indiz FÜR die - grundsätzliche - Korrektheit von Hersh Bericht.
Ebenfalls als ein solches Indiz könnte man es deuten, dass Hersh überhaupt auf ein solches Detail eingeht. Es erscheint doch sehr fraglich, ob Fakenews-Produzenten (also hypothetisch er oder sein Informant) überhaupt auf solche Feinheiten kommen würden. Und andererseits: Hätte sich ein Fakenews-Produzent nur bei einem Experten schlau gemacht, dann hätte er doch vermutlich präziser "nacherzählt", auf welche Weise eine Sprengladung durch eine Anpassung an den spezifischen Salzgehalt des Wassers vor Entdeckung geschützt werden kann?
Allemal sehe ich die Ungenauigkeit dieser Passage als ein Indiz dafür, dass Hersh sich die Geschichte nicht aus den Fingern gesogen hat (was man, wenn man schon kritisch sein will, als theoretische Möglichkeit ja auch in Betracht ziehen muss). Denn entweder hat Hersh selber nicht verstanden, was da genau vor sich ging (was ihm aber ein Experte, wenn er das bei einem solchen recherchiert hätte, präzise "verklickert" haben würde) - oder schon sein Informant nicht.
 
Der o. a. Substack-Beitrag "Blowing Holes in Seymour Hersh's Pipe Dream" von Oliver Alexander ist zumindest in der ursprünglichen Form (A. hat dreimal Nachträge hinzugefügt) auch hier zugänglich.

 
22) Von "The Americans provided one vital element ....." bis "It was both a useful exercise and ingenious cover."
Die Taucher, sagt Hersh, sollten die Sprengstoffladungen am Ende des Manövers ausbringen. Die sollten mit einem Zeitzünder versehen sein und nach 48 Stunden, also zwei Tagen, hochgehen.
Weiter spricht Hersh davon, dass die CIA, welche die Flottenübung Baltops22 als Tarnung für die Ausbringung des Sprengstoffs verwenden wollte, die Übungsplaner der 6. US-Flotte (deren Kommandeur bei diesem Manöver stets das Sagen hat) dazu gebracht hätten, das Programm um eine Forschungs- und Entwicklungsübung zu ergänzen. Das Manöver sollte vor der Küste von Bornholm stattfinden. Dabei sollten Tauchteams verschiedener NATO-Marinen (Unterwasser-)Minen ausbringen, die von anderen Teams, unter Verwendung der allerneuesten Technologie, geortet und zerstört werden sollten.
Als Beleg verlinkt er zu der Pressemitteilung "BALTOPS 22: A perfect opportunity for research and testing new technology" der US-Marine vom 12.06.2022.
Inhaltlich könnte er sich auf diesen Passus beziehen:
In prior BALTOPS we demonstrated advanced capabilities to detect, re-acquire, and collect images of mine contacts, and transfer those images in near real-time to operators through the use of a specialized Office of Naval Research UUV,” said Anthony Constable, Office of Naval Research Science Advisor to U.S. Sixth Fleet. “This year, through the work of NIWC Pacific and NUWC Newport, we are showing that this capability can be integrated into programs of record by executing complex multi-vehicle UUV missions with modified U.S. Navy Fleet assets.” - 
"In früheren Manövern haben wir moderne Technik zur Entdeckung, Bergung und der Bildaufnahme von 'mine contacts' (Explosionen?) vorgeführt, sowie die Übertragung dieser Bilder beinahe in Echtzeit durch die Verwendung eines entsprechend spezialisierten unbemannter U-Boote des Marineforschungsbüros. ..... Dieses Jahr zeigen wir, aufgrund von Arbeiten des NIWC [Naval Information Warefare Center - also etwa Zentrum für Informationstechnologie der Seekriegsführung] Pacific und des NUWC [Naval Undersea Warfare Center - etwa: Forschungszentrum für die Unterwasser-Seekriegsführung] Newport, wie diese Fähigkeiten in "programs of record" [irgendwelche Programme; die genaue Bedeutung verstehe ich nicht] integriert werden können, indem komplexe Missionen mehrerer unbemannter U-Boote mit modifiziertem Material der US-Flotte ausgeführt werden."
Alternativ käme der Satz "Experimentation on new types of unmanned underwater vehicles were also tested off the coast of Bornholm Island, Denmark during the exercise" in Betracht, wo es ja ebenfalls um etwas Neuartiges (neue unbemannte U-Boote) geht. An obigen und an dieser Stelle ist allerdings keine Rede von Tauchern. Die erscheinen im Zusammenhang mit "autonomous underwater vehicles (AUV)" (wohl bemannte Kleinst-U-Boote): "The AUVs use sonar to search the sea floor for objects, which divers later inspect and identify for possible mine neutralization and recovery." Dort wird freilich nicht erwähnt, dass das ein neuer Programmteil sei; aber das muss nichts besagen. Es wäre sogar denkbar, dass das bewusst verschwiegen wurde.
Von dem, was die Navy-Mitteilung schildert, verstehe ich nur wenig. Doch selbst von meinem Unwissenshorizont aus kann ich eine Kritik an Hersh hinterfragen, der zufolge er behauptet habe, bei diesem Flottenmanöver sei die Minenbekämpfung erstmalig erprobt worden. In Wahrheit sei das schon bei früheren Übungen der Fall gewesen. Ich denke nämlich, dass man seinen Passus nicht zwingend auf die Minenbekämpfung als solche beziehen muss. Die eigentlich beabsichtigte Information könnte ebenso gut in dem Nebensatz "using the latest underwater technology" liegen. Also nicht die Ausbringung, Ortung und Zerstörung der Unterwasser-Mine, sondern die Verwendung neuartiger Technologien dafür. Inwieweit das für die Tarnung der Sprengstoffausbringung nützlich war oder ob das dem Terrorprojekt auf andere Weise gedient haben könnte, kann ich naturgemäß nicht beurteilen; das mögen sich die Fachleute überlegen. Jedenfalls kann ich mir gut vorstellen, dass Hersh, oder bereits sein Informant, selber nicht in allen Einzelheiten erfahren oder verstanden hat, worum es dabei ging. Und es deshalb nicht präziser formulieren konnte.
Aus dieser Pressemitteilung der US-Marine möchte ich auch festhalten, dass sie selbstverständlich nicht nur (große) Atom-U-Boote besitzt, sondern auch kleine Exemplare, zumindest unbemannte (UUVs - Unmanned underwater vehicles).
Relevant mag auch diese Passage aus einem Artikel der US-Marine vom 17.06.2022 sein (meine Hervorhebung): "Meanwhile, mine operations served as an ideal area of focus for testing new technology." Auch hier wird also bestätigt, dass bei den Operationen rund um die Seeminen neue Technologien getestet wurden.
Vielleicht ist auch diese Information (aus einem Artikel im Bundeswehr-Journal; meine Hervorhebung) von Interesse für unsere Fragestellung: "In der taktischen Phase trainieren die Schiffe und Boote weniger in festgelegter Weise. Vielmehr kann sich das Ausgangsszenario frei weiterentwickeln – ganz nach den Entscheidungen der Kommandeure der beteiligten Verbände." Dazu findet sich eine entsprechende Stelle in dem zuvor zitierten US-Navy-Artikel (meine Hervorhebung): "In an effort to adapt to the ever-changing operating environment, the STRIKFORNATO staff coordinated several other focus areas designed to train task group commanders’ decision making abilities with regard to weather, new operating domains, and personnel support."
Auf der Grundlage einer solchen Entscheidungsfreiheit konnte vielleicht ein US-Kommandeur unauffällig eine vorgebliche Übung einbauen und damit die Sprengstoff-Ausbringung tarnen. (Auch dies mag übrigens ein neues Element bei diesem Flottenmanöver gewesen sein!)

23) "The days were counting down. 'The clock was ticking, and we were nearing mission accomplished,' the source said."
"Der Countdown lief. 'Die Uhr tickte, und wir näherten uns dem Abschluss der Mission', sagte die Quelle." Chronologisch bezieht sich der Inhalt also auf einen Zeitpunkt vor der Sprengstoffausbringung und zweifellos auch vor dem Flottenmanöver. (Mit "Ende der Mission" ist hier offensichtlich die Ausbringung des Sprengstoffs gemeint; zugleich aber auch das bei diesem Planungsstand noch vorgesehene Scharfstellen einer Zeitzündung.)
In diesem superkurzen Absatz, den ich vollständig wiedergebe, erwähnt Hersh letztmalig seine Quelle. (Außer am Schluss, aber dort geht es nicht mehr um die Fakten, sondern um die moralische Bewertung des Terroranschlags). Und zwar bezogen auf einen Zeitpunkt, der noch vor dem Flottenmanöver und damit vor der Ausbringung des Sprengstoffs liegt. Das muss nichts bedeuten; und auf jeden Fall muss sein Informant die unten geschilderten weiteren Entwicklungen (Umstellung von Zeitzündung auf Fernzündung) noch (oder, falls er zwischendurch nicht dabei war: wieder) mitbekommen haben. Vorausgesetzt natürlich, dass es wirklich nur eine Quelle war. Möglicher Weise war also seine Gewährsperson bei der tatsächlichen Ausbringung des Sprengstoffs nicht (mehr oder vorübergehend nicht) dabei. Und war ggf. nicht über evtl. weitere Plan- und Ausführungsänderungen, die vielleicht "in letzter Minute" erfolgten, informiert. Es ist zwar hochspekulativ, aber auch nicht völlig auszuschließen, dass seine Quelle (auch) die Information über die Zündung nicht hinterher aus einer "Vollzugsmeldung" hatte, sondern lediglich einen früheren Planungsstand wiedergibt (wie evtl. schon für die Ausbringung), oder gar keine echte Detailplanung, sondern bloß vorläufige Überlegungen. Das würde Abweichungen der tatsächlichen Ausbringungs- und der Zündungsoperation von der Darstellung bei Hersh erklären, jedoch ebenfalls den Kern seiner Enthüllung unberührt lassen.


24) Von "And then: Washington had second thoughts." bis "Being tasked with an arbitrary, .....".
"Und dann das" (sagt Hersh aus Sicht des CIA-Planungsteams): Plötzlich hatte die Regierung (doch wieder) Bedenken. Wenn die Sprengsätze schon zwei Tage nach dem Ende des Flottenmanövers hochgehen würden, wäre ein Bezug zu diesem - und damit eine Verwicklung der USA - offenkundig. Statt durch Zeitzünder sollte die Sprengung nunmehr zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt mittels Fernzündung erfolgen. Die Taucher hatten die Anbringung der Sprengsätze an der Pipeline bereits mehrfach geübt, aber jetzt musste das Planungsteam die von Biden gewünschte neue Zündungslösung erarbeiten. Eigentlich war die CIA kurzfristige Planänderungen gewöhnt; trotzdem waren einige Teammitglieder frustriert. Vor allem aber kam jetzt auch die Frage nach der Notwendigkeit und der Rechtmäßigkeit des Sabotageanschlags wieder aufs Tapet.
Hier haben wir erneut eine "Wendung" in der Geschichte, wie sie das Leben zwar ständig schreibt, von der aber nur schwer vorstellbar ist, dass Hersh oder ein Fake-Informant sich alle diese Dinge ausgedacht haben sollten. Wenn es sich um eine erfundene Story handeln würde, hätte der Erzähler die Planungen doch genauso gut von vornherein auf eine Fernzündung hinauslaufen lassen können? Es hat keinerlei Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit, ob die Geschichte nun so erzählt wird, dass eine Fernzündung von Anfang geplant gewesen sei, oder ob sie das "Schleifchen" einer kurzfristigen Umdisposition von einer ursprünglichen geplanten Zeitzündung enthält.
In seinem Interview mit der Berliner Zeitung (am 14.02.23 veröffentlicht) ergänzt Hersh noch eine wichtige Information zur Umstellung auf eine Fern-Zeitzündung: "Die Befürchtung war allerdings, dass die Bomben nicht funktionieren würden, wenn sie zu lange im Wasser blieben, was bei zwei Bomben tatsächlich auch der Fall sein sollte. Es herrschte also Sorge innerhalb der Gruppe, das richtige Mittel zu finden, und wir mussten uns tatsächlich an andere Geheimdienste wenden, über die ich absichtlich nicht geschrieben habe." [Originaltext: "the worry was that one of the bombs, if left in the water too long, would not work, and two did not – they only got three of the four pipelines".] Ob das der britische und/oder polnische Geheimdienst war(en)? Unzutreffend ist freilich Hershs Vermutung, dass zwei Bomben nicht hochgegangen seien: vgl. Vorspann sowie meine Anmerkungen unten zu Ziff. 27. Aber das war ja ohnehin nur eine Vermutung von Hersh, keine (Falsch-)Information von seiner Quelle.


25) Von "The President’s secret orders also evoked ....." bis "In unpublished, closed-door testimony, .....".
Vier Absätze widmet Hersh einer rückblickenden Schilderung rechtswidriger Untaten der CIA und deren vorrangiger Orientierung an den Wünschen des jeweiligen Präsidenten, ungeachtet der Rechtslage.
Es ist gut, dass Hersh seine Leser an die Skrupellosigkeit früherer CIA-Operationen erinnert, auch wenn das natürlich keine Beweiskraft dafür entfaltet, dass die CIA auch hinter der aktuellen Schandtat steckte.


26) Von "The Americans at work in Norway operated" bis "The C4 attached to the pipelines would be triggered .....".
Die seinerzeit in Norwegen operierenden CIA-Planer arbeiteten ebenfalls im absoluten Gehorsam gegenüber den Präsidentenwünschen und machten sich an die Arbeit. Gefordert wurde von ihnen ein Mechanismus für eine Fernzündung in Verbindung mit einer (auf einige Stunden beschränkten) Zeitverzögerung ("after a pre-set hours of delay, [sollten die Sonar-Signale] trigger the explosives")
 Das war deutlich schwieriger, als sich die Weisungsgeber am grünen Tisch in Washington vorstellen konnten. Man hatte die Planer noch nicht einmal informiert, in welchem Zeitabstand von der Anbringung der Sprengsätze die Zündungen erfolgen sollten. Seymour Hersh hat sich bei dem Physiker Prof. em. Dr. Theodore Postol schlau gemacht, der eine Zeitlang wissenschaftlicher Berater des Admiralstabschefs der US-Marine und zuletzt Professor am hochrenommierten Massachusetts Institute of Technology war. Dieser (und demnach nicht sein Informant, der folglich darüber keine Fachkenntnisse hat!) hat ihm das Problem einer Sonarzündung im Meer erklärt. Es gibt dort unzählige Störgeräusche - etwa von Schiffen, Unterwasserbohrungen, Seebeben, Wellen und sogar von Meereslebewesen, die u. U. eine vorzeitige Reaktion des Sonarzünders auslösen können. Somit muss ein außerordentlich robustes akustisches Signal verwendet werden, dass sich eindeutig von den normalen Unterwassergeräuschen unterscheidet. Denn je länger eine solche Zündung scharfgestellt ist, desto größer ist das Risiko einer zufälligen Auslösung. 
Aber auch diese Herausforderung haben die Planer gemeistert.
Hersh und Postol kannten sich womöglich schon von früher. Als im Jahr 2013 Meldungen über einen Giftgasangriff der syrischen Regierung auf die Rebellen kursierten, haben, neben anderen, auch diese Beiden (operativ wohl unabhängig voneinander, denn Hersh ist ja Reporter und Postol Wissenschaftler) gezeigt, dass der Angriff höchstwahrscheinlich eine Täuschungsoperation der Rebellen war (um die US-Regierung zu einem Vergeltungsschlag zu verleiten). So jedenfalls liest man es hier: "When Barack Obama said the 2013 chemical attack in Ghouta, Syria, had crossed a “red line” and he would bomb the Assad government in retaliation, he invoked the norms-based international order. Eventually the casus belli was discredited by research from Theodore Postol, Seymour Hersh, Aaron Maté, and others—showing that the attack had likely been a false flag operation by rebels linked to Al Qaeda."
Jedenfalls könnten neugierige Journalisten (also nicht die deutsche Lemmingsjournaille) Prof. Postol mal nach seiner Meinung zur Hersh-Enthüllung befragen. 
Ich frage mich übrigens, ob eine Zeitzündung nicht grundsätzlich zu gefährlich wäre. Wie will man ausschließen, dass justament zum Explosionszeitpunkt Schiffe an genau dieser Stelle unterwegs sind? Und es dadurch zu Personenschäden kommt? Ganz allgemein zu den von den Explosionen ausgehenden Gefahren erläutert das Wikipedia-Stichwort "Anschlag auf die Nord Stream Pipelines": "Für die Schifffahrt stellte das an die Wasseroberfläche aufsteigende Methan eine Gefahr dar, weil es die Dichte des Wassers und damit den Auftrieb der Schiffe verringert und sich zudem hätte entzünden können." Haben die Planer dieses Risiko in Kauf genommen (weil sie es für sehr gering hielten)? Das ist nur schwer vorstellbar, denn bei Personenschäden wären in der öffentlichen Meinung "die Puppen am Tanzen". Jedenfalls: Dass die Zündung unmittelbar erfolgte, ist wegen des Entdeckungsrisikos (sowie, je nach Ausführung, evtl. auch einer Selbstgefährdung für die Täter unwahrscheinlich. Es sei denn, man habe (anders als man nach der Darstellung bei Hersh annehmen) die Zündung aus großer Entfernung auslösen können.
Als Laie könnte ich mir aber auch ebensogut denken, dass man mittels Fernsteuerung einen kleinen Roboter ganz nah an die Sprengladung herangeführt hat, der diese dann DIREKT zündete. Das hätte vielleicht den Vorteil, dass die Explosion ihren Auslöser gleich mit vernichtet hätte. Und könnte die Stärke der Ladungen erklären, die nach Ansicht von Fachleuten für ihren Zweck grotesk überdimensioniert waren. Durch eine Direktzündung hätte man auch absolut sicherstellen können, dass zum Explosionszeitpunkt kein Wasserfahrzeug in der Nähe und somit niemand gefährdet war.
 

27) Lediglich einen Absatz: "On September 26, 2022, a Norwegian Navy P8 surveillance plane made a seemingly routine flight and dropped a sonar buoy. ....." umfasst Hershs Schilderung des eigentlichen Anschlags, d. h. der Zündung der Sprengstoffladungen. Dieser sei durch den Abwurf einer Sonarboje von einem P8-Überwachungs-Flugzeug der norwegischen Marine erfolgt, und zwar während eines scheinbaren Routinefluges.
(Bei der Boeing P-8 Poseidon handelt es sich lt. Wikipedia um ein Seefernaufklärungs- und U-Boot-Jagdflugzeug.) Das akustische Signal der Boje habe sich im Wasser verbreitet, zunächst zur Pipeline Nord Stream 2 und dann weiter zu Nord Stream 1. Wenige Stunden später (also durch Zeitzünder verzögert) seien die Sprengladungen hochgegangen.
Hier kann die Darstellung von Hersh nicht stimmen; zumindest ist sie unvollständig.
Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst vor Augen führen, was damals - auf der öffentlich bekannten Ebene - GENAU geschah. Die Sprengungen erfolgten am 26.09.2022, und zwar zu unterschiedlichen Uhrzeiten an verschiedenen Orten. Darüber informiert der Wikipedia-Eintrag "Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines" wie folgt (Nummerngliederung und Hervorhebung von mir):
1) Die erste Explosion verursachte um 02:03 Uhr ein Leck in Strang A von Nord Stream 2, etwa 12 Seemeilen südöstlich der dänischen Insel Bornholm.
2) Mindestens drei weitere Lecks entstanden am selben Tag um 19:03 Uhr
 zwischen Bornholm und Öland. Das ist (kurios oder bedeutsam?) ziemlich exakt 17 Stunden später. (Nur "ziemlich" deshalb, weil die -3- Sprengungen nicht gleichzeitig um 19:03 h erfolgten, sondern minimal zeitversetzt: s. u.]. Zwei dieser Lecks befinden sich in den beiden Strängen von Nord Stream 1.
3) Das dritte Leck betraf erneut Strang A von Nord Stream 2 und wurde erst am 29. September 2022 von der schwedischen Küstenwache entdeckt.
 
Etwas anders formuliert stellen sich die Vorgänge also wie folgt dar:
  • Es gibt VIER Lecks (entsprechend haben seismische Geräte auch -4- Sprengungen registriert: s. u.!), jedoch nur an DREI der vier Pipeline-Röhren. (Zur ungefähren Lage der Sprengstellen im Verhältnis zueinander vgl. die Wikipedia-Kartenskizze).
  • Die erste Sprengung erfolgte kurz nach Mitternacht im, grob gesprochen, Süden. Sie betraf die Leitung A des (zuletzt verlegten) Projekts Nord Stream 2.
  • Alle drei weiteren Sprengungen erfolgten   a) 17 Stunden später und   b) etwa 80 km entfernt (im Norden). Die Entfernungsangabe zwischen erstem und zweitem Anschlags"ort" (salopp gesprochen: siehe nachfolgend!), entnehme ich dem Substack-Artikel von Oliver Alexander vom 11.02.2023 (mit späteren Ergänzungen). (Zwischendurch war er kostenpflichtig; hier gibt es eine gratis zugängliche Version ohne die Updates.) Dieser Artikel informiert  uns außerdem darüber, dass auch der nördliche "Sprengungsort" nicht wirklich eine einzige Stelle war: "There was in fact 6.17km between the site of the two blasts that caused the two leaks in the Nord Stream 1 pipeline." Alexander sagt also, dass zwischen den Sprengstellen der beiden Röhren von Nord Stream 1 ein Abstand von 6,17 km lag. (Aber im Verhältnis zum "Erstsprengungsort" im Süden ist das eine relativ geringe Distanz.) (Das im Wikipedia-Artikel erwähnte weitere Leck an der Röhre A von Nordstream 2, an der nördlichen "Sprengungsstelle", kennt Alexander anscheinend nicht.)
  • Im Ergebnis haben wir also VIER Sprengungen, aber nur DREI (von vier) kaputte Röhren. Und zwar deshalb, weil an ZWEI (ca. 80 km voneinander entfernten) Stellen DERSELBE Röhrenstrang gesprengt worden war.
Dass es tatsächlich insgesamt VIER Sprengungen gegeben haben muss, berichtet auch der Artikel "Nord Stream Sabotage: The Evidence So Far" auf der Webseite "Geopolitical Monitor" vom 06.03.2023 (meine Hervorhebung): "Björn Lund [ein a. o. Professor an der schwedischen Universität Lund; bei uns würde man ihn wohl "Geophysiker" nennen; im Artikel wird er als Prof. für Seismologie bezeichnet, was tatsächlich sein Forschungsgebiet ist..... confirmed his earlier conjecture, however, that around 19:04 CEST a second and a third blast followed with 8 seconds delay. The results of the joint investigation of his SNSN with Denmark’s GEUS and the Norwegian institute NORSAR are expected to be published in 2023, and are highly relevant because, so far, there has only been talk of two explosions and four leaks." Prof. Lund hat also aufgrund der seismischen Signale in seinem Forschungsinstitut bei "der" zweiten Sprengung, am Abend, insgesamt DREI Explosionen identifiziert. Was präzise zu den 1 + 3 (also 4) Lecks passt! 
Vier Lecks durch nur zwei Explosionen - das kann wohl auch schlecht sein. Allenfalls wäre es möglich, dass zwei Explosionen nur schwach waren und deshalb von den seismischen Instrumenten nicht registriert wurden. (Anscheinend hat - durch Standortnähe bedingt? - auch lediglich das Gerät im Institut von Prof. Lund alle VIER seismischen Ereignisse registriert bzw. hat nur er diese präzise identifiziert, andere Institute wohl nicht). Die schwächeren Explosionen müssten dann kleinere - aber immer noch ausreichende - Leitungsschäden verursacht haben. Tatsächlich berichtet der o. a. Artikel auch über unterschiedlich starke Gasaustritte: "The mystery of the differently sized gas bubbles". Fachleute können mit dieser Information vielleicht etwas anfangen.)
Damit lässt sich auch jene Kritik an Hershs Enthüllung unschwer aushebeln, die ihm vorwirft, keine Erklärung dafür zu haben, dass EINE Röhre intakt geblieben ist. Dabei ist noch zu beachten, dass diese Kritik implizit unterstellt, die Nichtzerstörung der einen Röhre sei ABSICHTLICH erfolgt. (Das war immer eine wenig plausible Annahme; weitaus näher liegend wäre ja eine Fehlzündung!) Die liefert er, im Artikel, in der Tat nicht; sein Informant konnte ihm das auch nicht erklären, weil er das selbst dann nicht wissen konnte, wenn er in der Endphase überhaupt noch im Planungsteam gewesen wäre (was, wie oben gesagt, schon zweifelhaft ist).
Was aber Hersh nicht ermittelt hat, das können wir auf Basis der o. a. Fakten unschwer "konjekturieren" (mit guten Gründen mutmaßen): Bei Ausbringung des Sprengstoffs an zwei Stellen der Leitung Nord Stream 2 wurden (von den Tauchern oder wem auch immer) schlicht und einfach die Röhren verwechselt! Der Plan war zweifellos, den Sprengstoff bei der Sprengstelle "Süd" an der einen Röhre (egal, ob A oder B) und bei der Sprengstelle "Nord" an der anderen Röhre der beiden Nord Stream 2 Stränge anzubringen. Durch irgend einen Irrtum haben aber die Taucher den Sprengstoff an BEIDEN "Sprengstellen" jeweils an der Röhre A angebracht. So einfach und schlicht ist des Rätsels Lösung!
 
Orientierungs- und Gedächtnisstütze:
Auch wenn es nicht mathematisch absolut präzise ist, kann man IN ZEITLICHER HINSICHT von 1 + 3 Explosionen sprechen (2:03 h und 19:03 / 19:04 h).
In räumlicher Hinsicht trifft das nur GROB zu; insoweit muss man sich bewusst bleiben, dass die Sprengungen an den beiden Röhren von Nord Stream 1 zwar IM VERHÄLTNIS nahe beieinander lagen; aber doch einen gegenseitigen Abstand von 6,17 km hatten. Noch einmal zusammengefasst:

  • Die erste Sprengung (an der ersten Sprengstelle, im Süden) schaltet EINE Röhre von Nord Stream 2 aus.
  • Die -3- Sprengereignisse im zweiten "Zeitpunkt" (an der 2. "Stelle", im Norden) zerstören BEIDE Röhren von Nord Stream 1 (die beiden Sprengstellen liegen jedoch 6,17 km voneinander entfernt). Und außerdem (wahrscheinlich durch ein Versehen) noch einmal die bereits an der ersten Sprengstelle zerstörte Röhre A von Nord Stream 2.

  • Die weitere Röhre (müsste dann "B" sein) von Nord Stream 2 bleibt intakt. 
An dieser Stelle noch ein Wort zur Interview-Äußerung von Hersh (engl. Originaltext), wo er sagt: "Ende September 2022 sollten in der Nähe der Insel Bornholm in der Ostsee acht Bomben gezündet werden, sechs davon gingen hoch". Wenn jeweils zwei Bomben gleichzeitig hochgingen, dann ist diese Angabe vermutlich durchaus vereinbar mit den VIER seismischen Ereignissen (bzw. mit den an den Pipelines sichtbaren Schäden). Dass man überhaupt JE ZWEI Bomben pro Pipeline angebracht hat, könnte man mit Redundanzüberlegungen erklären ("zur Sicherheit", falls eine nicht zündet). Dann müssten wohl jeweils zwei zusammen an einer Stelle angebracht worden und zum EXAKT gleichen Zeitpunkt hochgegangen sein.
Jedenfalls haben wir, anders als Hersh offenbar vermutet, tatsächlich nicht nur drei, sondern VIER Lecks an den Pipelines. (Aber über das Ergebnis hat ihn wohl NICHT seine Quelle informiert; das entnimmt der den Medienberichten.)
 

28) In seinem letzten Kapital "Fallout" resümiert Hersh, was nach dem Anschlag geschah, bzw. insbesondere, wer wen anschließend (nicht) beschuldigt hatte. Von den amerikanischen Medien sei Russland angeklagt worden, ohne dass es ein plausibles Motiv habe.
Der amerikanische Außenminister Blinken und seine Staatssekretärin Victoria Nuland hätten sich befriedigt über die Pipelinezerstörung geäußert.
Hier führt er auch noch einmal seine eigene Quelle an, aber nicht mit einem Bericht zum Geschehen, sondern nur zu dessen Beurteilung: einerseits äußert sich sein Informant positiv über Bidens Standhaftigkeit: Er habe den Anschlag angekündigt und dann durchgezogen. Nachdem sein Informant außerdem die bewundernswerten Leistungen der Experten gewürdigt hat schließen dieser - und der Artikel - jedoch mit einer moralischen Verurteilung:
The only flaw was the decision to do it.” - Der einzige Fehler sei es gewesen, dieses tolle Projekt dann auch tatsächlich durchzuführen. 
Die moralische Empörung des Informanten über die Ausführung dieses Terroranschlags, der sich im Ergebnis (auch) gegen ein verbündetes Land richtete, könnte ein Motiv für das Ausplaudern gewesen sein. Der Informant hätte dann weitaus mehr Ehre im Leib, als beinahe alle deutschen Mainstream-Journalisten.



II. DIE "AWADAS"-JOURNAILLE DER DEUTSCHEN SEDATIONSMEDIEN VERHETZT SEYMOUR HERSH. DOCH GIBT ES AUCH AUSNAHMEN

Die deutsche Journaille weiß wenig und wüsste am liebsten gar nichts über den Anschlag. Aber selbstverständlich will sie "Auch WAs DAzu Sagen", notfalls auch ohne Sinn und Verstand: Weil sie eben ein AWADAS-Rudel ist.
Der vorliegende Anlass hat den "Awadassis" ihre pompösen Ethik-Masken vom Gesicht gerissen. Teilweise haben sie ihre Leser mit dieser Schreckensmeldung fürsorglich völlig verschont. Wo nicht, verpacken ("framen") sie die Information in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle in einer Weise, dass sie den Lesern von vornherein als unglaubwürdig erscheinen soll.
Natürlich gibt es keinen letztgültigen Beweis für die Richtigkeit von Hershs Behauptung, wonach die US-Regierung den Terroranschlag gegen die Pipelines geplant und durchgeführt hat. 
Aktuell tauchen sogar ganz andere (höchst dubiose!) Anschuldigungen auf (vgl. meinen Blott "Terrorakt gegen die Nord Stream-Pipelines: Die Volksverarsche wird täglich dreister!"). Aber diese Informationen lagen bei Veröffentlichung des Hersh-Artikels noch nicht vor, und in sich ist der Bericht durchaus plausibel. Von daher hätten RICHTIGE Journalisten ihn seinerzeit zwar mit Vorsicht angefasst - und durchaus auch denkbare Argumente gegen seine Richtigkeit vorgetragen. Aber weder verschwiegen noch auf hinterhältige Weise madig gemacht.
Indes hat sich gezeigt, dass es den deutschen Awadassis nicht um die Wahrheit, und nicht einmal um journalistisch saubere (also zunächst einmal neutrale) Berichterstattung geht. Sondern darum, unseren großen Bruder Amerika mit aller Gewalt und von vornherein von jeglichem bösen Tun gegen unser Land freizusprechen. Das erinnert nicht zufällig an Diktaturen: Denn wir leben in einem politischen System, dass sich sozusagen autopoietisch selber "diktaturisiert" hat: Im KONSENSFASCHISMUS.
Dass unglaublich viele Journalisten, zumal noch solche vom Staatsfunk, dann auch noch reichen Regierungs-Bakschisch erhalten, ist sicherlich nicht schädlich. Aber nicht der Kern des Problems: Auch ohne solche Leckerli ist die Kaste der Meinungsmacher weitgehend "ideologisch" gleichgeschaltet. (Und nicht nur die, sondern Führungskräfte überall: In Unternehmen, Kirchen, Gewerkschaften - und sogar Sportvereinen. Alle heulen sie mit dem germanophoben Schädlingsregime der machthabenden Deutschland-Destruenten!)

Das uni-formierte Medienpack in diesem unserem Lande hat wahre Stalinorgel-Salven an Desinformationsgranaten abgefeuert, um die Enthüllung von Hersh aus dem Bewusstsein der Schlafmützen-Michel zu tilgen. Karl-Eduard von Schnitzler würde sich erstaunt die Augen reiben, wenn er diese KONSENSFASCHISTISCHEN Desinformationsorgien in einer angeblich freien und demokratischen Gesellschaft noch miterlebt hätte. (Welche Erscheinungen ich als "Konsensfaschismus" bzw. "konsensfaschistisch" verstehe, habe ich bereits am 12.02.2018 in meinem Blogpost "Lumpenjournalismus im Konsensfaschismus: Beispiele von dpa, T-Online, Focus und Frankfurter Rundschau. Was ist 'Konsensfaschismus'?" erläutert. Auch die Verwendung dieses Begriffs an anderen Stellen in meinen Blogs verdeutlicht den Begriffsinhalt. Dieser entspricht vielleicht in etwa dem, was der Journalist Ralf Schuler die "Generation Gleichschritt" nennt.)

Mit der Entscheidung, welchem Awadasser die Siegespalme für den dummdreistesten Beitrag zur Debatte um die Hersh-Enthüllung gebührt, tue ich mich extrem schwer.

Auf jeden Fall ist der t-online-Bericht "Haben die USA Nord Stream gesprengt? Ex-CIA-Chef in Moskau: 'Das ist einfach traurig" vom 09.02.2023 ein brandheißer Kandidat.
Hier "widerlegt" der Washingtoner t-online-Korrespondent Bastian Brauns mittels einer "Quelle", die er zwar benennt, die aber NULL KENNTNIS vom Sachverhalt hat. Und nicht nur das: Der ehemalige Leiter des Moskauer CIA-Büros, den Brauns als Quasi-Experten befragt hat, KENNT NOCH NICHT EINMAL DEN TEXT VON HERSHS ARTIKEL (meine Hervorhebung):
"Das ist einfach traurig. Ich werde nicht einmal meine Zeit damit verschwenden, das zu lesen. ..... Für mich als ehemaligen CIA-Offizier ist schlicht nicht zu glauben, sich alleine vorzustellen, dass eine so lächerliche Idee ihren Weg durch die Bürokratie und Aufsicht finden könnte. Das ergibt auf keiner Ebene Sinn und ist niemandes Zeit wert."
Das ist eine ausgesprochene Panikleistung dieses deutschen US-Exkulpierers, seinen Lesern einen Nicht-Kenner des Artikels als valide Informationsquelle unterzujubeln.

Auf der gleichen Webseite macht ein David Schafbuch am gleichen Tag Seymour Hersh persönlich madig: "Angebliche Enthüllung. Starreporter mit zweifelhaftem Ruf": Keines der großen US-Medien wollte seinen Artikel haben, und in den letzten Jahren seien Zweifel an der Richtigkeit seiner Recherchen geäußert worden.
Natürlich hütet sich Schafbuch, das als Widerlegung der Hersh-Enthüllung hinzustellen: Diese Schlussfolgerung soll sich bei den Lesern ganz von selber einstellen. Was in den allermeisten Fällen auch so sein wird.

Die AUGSBURGER ALLGEMEINE hat sich gar nicht erst die Mühe gemacht, Hersh irgendwie anzugreifen: In ihrer Druckausgabe hat sie die Meldungen einfach nicht veröffentlicht. Man will die Leseschafe doch nicht beunruhigen?
Online hatte sie zwei dpa-Meldungen übernommen: 
Die erste, vom 09.02.2023, unter der Überschrift "PIPELINE-EXPLOSIONEN. Kreml greift unbelegte Nord-Stream-Vorwürfe gegen USA auf". Mit dem Hinweis "Die Detonationen an den beiden Gaspipelines in der Ostsee geben seit Monaten Rätsel auf. Wer steckt dahinter? Den Blog-Eintrag eines einst gefeierten US-Journalisten nutzt Moskau nun für seine Zwecke" "rahmt" die dpa ihre Meldung gleich richtig ein: Moskau freut sich über die unbelegten Vorwürfe; also, sollen die Schäfchen messerscharf schließen, müssen sie doch falsch sein?!
Die zweite, vom 10.02.2023, berichtet über "Bundestag debattiert über Nord-Stream-Explosionen" und ist (ihrem Gegenstand entsprechend) neutral.
Dann hat sich die Augsburger Allgemeine aber offenbar doch überlegt: Wenn wir den Lesern unserer Druckausgabe schon nicht die Enthüllung zugemutet haben, wollen wir ihnen wenigstens eine absolut überzeugende "Widerlegung" bieten.
Und so konnte man dort am 16.02.2023 (online bereits am 15.) den Bericht des Washingtoner Korrespondenten Karl Doemens lesen: "NORD-STREAM-ENTHÜLLUNG. Die Pleite der Reporterlegende Seymour Hersh"  (auch auf der ZEIT-Webseite veröffentlicht). Worin die "Pleite" bestand? In einer Behauptung eines anderen Reporters, Bob Woodward, "Die Geschichte stimmt nicht" (so titelte der RND, für den Doemens ebenfalls arbeitet, am 14.02.)! Einfach nur zum Kotzen, dieser Pseudojournalismus der Awadassis, die keinerlei Aufdeckungsinteresse haben - aber dafür maximale Desinformation ihrer Leser betreiben! Oder soll das etwa gute journalistische Praxis sein, sich von einem Kollegen (und Konkurrenten) von Hersh "bestätigen" zu lassen, dass die Geschichte nicht stimmt - und das dann UNHINTERFRAGT und als FAKT weiterzugeben? Woher will denn Woodward seine angebliche Information haben? Hat ihm Joe Biden persönlich das erzählt? Dann muss es ja stimmen ..... . Hershs Enthüllung macht der Korrespondent dagegen als "steile These" nieder. Und dass der Hersh-Bericht "in den USA von keinem bedeutenden Medium aufgegriffen oder weitergedreht worden" ist, kann natürlich unmöglich daran liegen, dass die amerikanische Presse patriotisch ist und keinerlei Interesse daran hat, ihr eigenes Land mit einem derartigen Skandal in Schwierigkeiten zu bringen: Solche ketzerischen Gedanken verbannt ein einfältiger deutscher US-Korrespondent aus seinem Gehirn (was immer davon vorhanden sein mag) und wertet die Nichtveröffentlichung als Indiz für journalistisches Misstrauen gegen Hersh.

Neben Bastian Brauns von t-online ist Herr oder Frau Namenlos vom österreichischen STANDARD ein aussichtsreicher Kandidat für die Ehrung als dümmster Kommentator zur Hersh-Enthüllung. Es hat bis zum 10.02.23 gebraucht, um "Starke Zweifel an angeblicher Aufdecker-Story zur Nord-Stream-Sabotage" zu entwickeln. Da hatte er wohl schon das meiste von dem vergessen, was der Enthüller tatsächlich geschrieben hat. Denn um ihn zu kritisieren, phantasiert sich der Autor Sachverhalte zusammen, die Hersh überhaupt nicht berichtet hat:
"Er behauptet auch, dass eine Bombardierung aus der Luft als Kriegsakt gesehen worden wäre, weshalb man sich für die Taucher entschieden haben soll, die Sprengstoff anklebten." - Hersh hat berichtet, dass die Luftwaffe diesen Vorschlag gemacht habe. Warum der nicht durchkam, muss er nicht berichten; das liegt auf der Hand: Man wollte die Operation ja geheim halten! Und davon, dass die Taucher den Sprengstoff "ankleben" sollten, schreibt Hersh auch nichts. Nur dass er "on" (was "auf", aber auch nur "an" heißen kann) den Röhren angebracht werden sollte.
Auch dass (meine Hervorhebung) "die USA gemeinsam mit ZAHLREICHEN Nato-Partnern dahinterstecken" saugt sich der Autor aus den Fingern: Norwegen steckt lt. Hersh mit drin; Dänemark und Schweden wurden lediglich informiert. Aber selbst alle 3 Ländern zusammen sind nichts, was ein neutraler Beobachter als "zahlreich" bezeichnen würde.
Geradezu abenteuerlich ist es, wie dieser Autor die positiven Reaktionen von Moskau und den Putinisten und Amerikassern weltweit DIREKT (andere insinuieren das nur) als Argument gegen Hersh missbraucht:
"Dass seine US-kritischen Texte ..... von russlandfreundlichen Kräften in Europa und den USA [und auch] ..... vom Kreml selbst propagandistisch verwertet wurden, lässt auch berechtigte [!] Zweifel am Wahrheitsgehalt der vermeintlichen Enthüllung aufkommen."
Und nur ein totaler Vollpfosten kann kritisieren, dass sich in einem Text, der den Anschlag mit - subjektiver - Gewissheit den USA zuschreibt, "keinerlei Passagen ..... [finden], die etwa auch russische oder Putin'sche Motive für eine Zerstörung der Pipelines ins Visier nehmen".
Aber schlimmer geht immer; so hier im letzten Satz: "Nicht ins Narrativ der Story passt zudem die Tatsache, dass Hersh die russischen Invasionspläne weit vor dem tatsächlichen Einmarsch im Februar 2022 als gegeben hinnimmt. US-Geheimdienste hatten in den Wochen und Monaten eben genau davor gewarnt – und ernteten dafür extreme Kritik just von jenen Persönlichkeiten, die nun Hershs Artikel feiern."
Die US-Geheimdienste hatten in den Wochen und Monaten vor dem 24.02.2022 vor einem russischen Überfall gewarnt - und haben Recht behalten. Dem entsprechend haben die USA bereits ca. 3 Monate vor dem russischen Angriff auf die Ukraine Pläne entwickelt, was sie dagegen unternehmen könnten. Inwiefern die positive Rezeption des Hersh-Artikels durch die Putinisten Hersh das entkräften soll: Das erschließt sich wohl nur dem Wiener Standard-Genie selber.

Scharfe Konkurrenz um den Siegeskranz für den dümmstmöglichen Desinformationsjournalismus liefert den beiden o. a. Kandidaten Christian Rickens vom HANDELSBLATT. Um ums Verrecken den Russen was am Zeug zu flicken und die Amis aus dem Feuer zu holen, entwickelt dieser "Ressortleiter Agenda" (wie passend!) in seinem "Morning Briefing. Das ungelöste Rätsel der Pipelinesprengung" ein stupendes kaufmännisches Konzept für Putin: "Russland hingegen hatte [im angeblichen Gegensatz zu den USA] ein Motiv: Die Tatsache, dass nur ein Nord-Stream-2-Rohr unbeschädigt blieb, hätte es Moskau bei einem Energienotstand ermöglicht, Deutschland rettende Gaslieferungen anzubieten und womöglich so die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu erzwingen."
Putin hätte also drei von "seinen" Pipelineröhren zerstört, damit Deutschland für die vierte Röhre ggf. eine Betriebserlaubnis erteilen muss! Für eine derart geniale Umwälzung der politischen Ökonomie muss man offenbar beim Handelsblatt beschäftigt sein!

Wo Desinformation nahe ist, ist der Staatsfunk nicht weit.
"Was ist dran am Hersh-Bericht über US-Sabotage?" fragt Pascal Siggelkow, Redaktion ARD-faktenfinder, am 09.02.2023. Die Behauptung "Die russische Führung wiederum wird vom Westen verdächtigt, für die Explosion verantwortlich zu sein" beruht, wenn sie überhaupt jemals zutraf, auf einem zu diesem Zeitpunkt längst überholten Informationsstand. Um das zu verschleiern, verschweigt der "Faktenfinder" in seiner Passage über die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft, dass diese ausdrücklich "Keine Belege für russische Sabotage an Pipelines" hat. Der einzige "Experte", den der Faktenfinder befragt (ein gewisser Julian Pawlak), kommt von der Universität der Bundeswehr in Hamburg - nicht gerade die allerneutralste Erkenntnisquelle. Dem entsprechend lügt er auch das Blaue vom Himmel herunter, wenn er behauptet, die US-Navy verfüge nur noch über nuklear betriebene, große U-Boote. die in der Ostsee auffallen würden. Selbst ein Laie wie ich, ohne spezifisches Wissen über Marineangelegenheiten, kann sich an den fünf Fingern ausrechnen, dass eine Weltmacht wie die USA sich nicht der Möglichkeit begibt, auch in relativ flachen Gewässern (z. B. an Küsten) mit U-Booten zu operieren. Und daher auch kleinere Unterwasserfahrzeuge haben muss. Tatsächlich haben die USA unbemannte (also kleine) U-Boote (UUVs).  Außerdem haben sie auch kleine bemannte Unterwasser-Fahrzeuge (zumindest "SEAL Delivery Vehicles"). Auf Englisch werden zwar die kleinen  „U-Boote“ als "Submersibles" bezeichnet; aber im Deutschen (und umgangssprachlich sicherlich auch auf Englisch) sind auch die natürlich "U-Boote". 
Im Übrigen lautet die einschlägige Stelle bei Hersh: „The Navy proposed using a newly commissioned submarine to assault the pipeline directly.“ Selbst also dann, wenn die US-Marine vorher keine derartigen Fahrzeuge gehabt hätte, ging es um ein aktuell neu bestelltes Boot (oder einen neu entwickelten Typ). Es dürfte sich um ein "Dry Combat Submersible" handeln, von dem lt. (alter) Information in diesem Wikipedia-Eintrag (englischsprachig) drei Stück im Januar 2022 ausgeliefert werden sollten. Hier (wo man auch erfährt, dass "The U.S. Navy is a world leader in special forces submarines" ist, also weltweit führend in Spezial-U-Booten, liest man in einem Artikel vom Juli 22, dass ein solches "Submersible" seinerzeit "in IOC (initial operating capability)" war, also wohl im Probebetrieb. (Allgemein zu dieser Bootsklasse vgl. auch hier vom Mai 2021.) In diesem Punkt ist Hersh schon mal glänzend bestätigt und der Faktenfinder als Fakenewsschleuder enttarnt.

In Sachen Desinformation nur Durchschnitt, in puncto Dummheit allerdings eine Spitzenleistung dürfte ein Übersetzungsfehler sein, den der ARD-"Faktenfinder" (präzise: Pascal Siggelkow) zustande gebracht hat. Der hat sich tollkühn über Hershs Satz (siehe I/18) "That [die geplante Sprengstelle] would be well within the range of the divers, who, operating from a Norwegian Alta class mine hunter, would dive with a mixture of oxygen, nitrogen and helium streaming from their tanks, and plant shaped C4 charges on the four pipelines with concrete protective covers" hergemacht, nämlich in seinem Beitrag "Weitere Unstimmigkeiten in Hersh-Bericht" (Stand: 23.02.2023, jetzt von 16:55 h). Dass er den Begriff "shaped" im Zusammenhang mit der Sprengstoff-Bezeichnung C4 ("Hohlladung" oder "Schneidladung") nicht versteht, kann man Siggelkow nicht unbedingt verübeln: Das ist Fachsprache, deren Bedeutung, zumal in Deutschland, nur einem winzigen Personenkreis geläufig ist.
Dass freilich für Staatsfunker-Hirne der o. a. Satz deutlich zu lang ist, um noch den Zusammenhang zwischen dem Hilfsverb "would" und dem (hier!) Verb "plant" zu erfassen: das ist schon heftig!
Jedenfalls: Statt  das "would" gedanklich mit dem letzten Satzteil zu verbinden ("divers ..... would ....... plant shaped C4 charges on the four pipelines" - "Taucher ..... sollten Hohlladungen mit C4 an den 4 Röhren anbringen"), fantasierte er sich den Inhalt dieses Satzteils so zusammen : "Hersh schreibt, die Taucher hätten den plastischen Sprengstoff C4 'in Form von Pflanzen auf den vier Pipelines mit Schutzhüllen platziert' ". Im Artikel ist dieser haarsträubende Übersetzungsfehler längst gestrichen, jedoch von Twitterern noch festgehalten. In einer Anmerkung unter dem Artikel wird der Fehler jetzt  eingeräumt: "In einer früheren Version war von Sprengstoff 'in Form von Pflanzen' die Rede. Dabei handelte es sich um einen Übersetzungsfehler. Hersh schreibt von 'plant shaped C4 charges'. Das [englische!] Wort 'plant'  ist in diesem Fall jedoch nicht mit 'Pflanze' zu übersetzen, sondern mit 'platzieren'. Der Absatz wurde korrigiert.
Ein Leidtragender dieses Staatsfunk-Hammers ist übrigens der vom Faktenfinder zum 'Plfanzensprengstoff' befragte Sprengstoff-Sachverständige David Domjahn. Auch DEN traf nämlich, völlig zu Unrecht, die Häme des Publikums für das Faktenfinder-Versagen. (Auf seiner Webseite berichtet er darüber und übernimmt Mitverantwortung; wobei ich nicht sehe, dass er eine solche überhaupt hätte.)
Übrigens gibt der Faktenfinder auch die Zeitebene falsch wieder: Hersh beschreibt, aus dem Stadium der Planung heraus, den Sachverhalt als einen erst in der Zukunft eintreten sollenden; der Staatsfunk dagegen als bereits passiert. Zwar glaubt Hersh tatsächlich, dass das so geschehen sei; aber das ist keineswegs sicher. Von daher ist es für einen Analytiker enorm wichtig zu registrieren, dass Hersh selber hier im Konjunktiv Futur berichtet. Das erschließt uns nämlich die Möglichkeit, dass sein Informant tatsächlich lediglich diesen Planungsstand kannte - und über die Ausführung keine "inneren" Informationen mehr hatte (vgl. Anmerkung I/23).

Auch der Satz "Ob Sprengladungen versagten oder ein Viertel der Transportkapazität bewusst verschont blieb, ist Stand heute unklar" enthüllt ein Informationsdefizit bei den "Faktenfindern". Denn einerseits hatte Hersh in seinem Interview vom 14.02.23 in der Berliner Zeitung (zwar falsch, aber das ist vorliegend egal) berichtet: "Ende September 2022 sollten in der Nähe der Insel Bornholm in der Ostsee acht Bomben gezündet werden, sechs davon gingen hoch .....". Implizit sagt er also glasklar, dass zwei der acht "Bomben" [den Ausdruck "bombs" verwendet er tatsächlich auch im englischsprachigen Original dieses Interviews; aber diesen Wortgebrauch darf man nicht auf die Goldwaage legen] Blindgänger waren. Jedoch war andererseits längst bekannt (vgl. Ziff. 27), dass eine Röhre von Nord Stream 2 ZWEI Lecks (ca. 80 km voneinander entfernt) hatte. So dass man vernünftiger Weise annehmen muss, dass zwar alle vier (oder ggf. auch acht) ausgebrachten Sprengladungen hochgegangen sind; jedoch durch irgend einen Irrtum statt beide Röhren von Nord Stream 2 nur eine gesprengt wurde - an zwei verschiedenen Stellen.

Die Behauptung (von mir hervorgehobener Teil) "Hersh behauptete zudem gegenüber der russischen Nachrichtenagentur TASS, dass das norwegische Schiff für die Taucher mit einer Dekompressionskammer von der CIA ausgestattet gewesen sei" hat Staatsfunker Siggelkow frei erfunden (und bezeichnender Weise auch nicht zu der entsprechenden TASS-Meldung verlinkt), um Hersh maximal zu diskreditieren. Die Meldung findet man problemlos hier; dort heißt es absolut korrekt (meine Hervorhebung): "The US Central Intelligence Agency (CIA) delivered a decompression chamber to a Norwegian ship during the BALTOPS exercise ....., US reporter Seymour Hersh said in an interview for the democracynow.org website." Die TASS berichtet also lediglich aus einem Hersh-Interview mit der amerikanischen Webseite "Democracy Now". Link zu DIESER Interviewseite hier; es handelt sich um dasselbe Interview, aus dessen - später publizierter - deutscher Version (Telepolis: Teil I;   Teil II) die Staatsfunker selber zitieren (unter dem Zwischentitel "Hersh verbreitet russisches Narrativ vom Krieg").
Aber okay: Dass die Staatsfunker mit der englischen Sprache auf Kriegsfuß stehen, haben wir ja bereits oben gesehen .....   
(Übrigens hatte Hersh die Dekompressionskammer bereits im BZ-Interview erwähnt.)


Ausgerechnet am 08.02., also parallel zur (in Deutschland freilich zunächst unterdrückten Hersh-Enthüllung) hat die oben erwähnte Nachrichtenagentur dpa auch eine Falschmeldung verbreitet, von der ich mir gut vorstellen kann, dass sie ganz gezielt zwecks Ablenkung von Hershs Enthüllungsbericht in dieser Form verbreitet wurde.
"Putin hatte aktive Rolle bei Abschuss von Flug MH17": So oder so ähnlich titelten zahlreiche Medien am 08. (teilweise auch erst am 09.) 02.2023, z. B. der mdrBusiness InsiderFocus (im Text: "Es gebe „starke Hinweise“, dass die Entscheidung von Präsident Putin gekommen sei"; das kann ein Leser nicht anders als "Abschussentscheidung" verstehen!), das RND (im Text: "Russlands Präsident Wladimir Putin hat laut den Ermittlern beim Abschuss eine Rolle gespielt. Dies gehe aus abgehörten Telefongesprächen hervor. Einen direkten Beweis, dass Putin auch dem Abschuss zugestimmt hat, haben die Ermittelnden aber nicht."), der Kölner StadtanzeigerGMXRTL, die BILD und zahlreiche weitere deutsche und österreichische Medien. Der Berliner Kurier hat die Überschrift noch zusätzlich dramatisiert und die taz titelte: "Absturz von Flugzeug MH17: Putin für Abschuss verantwortlich". Sogar die NZZ überschrieb ihren Text mit "Es spricht viel dafür, dass Putin die 298 Toten des Fluges MH17 auf dem Gewissen hat – mit einem Prozess muss er trotzdem nicht rechnen".
Trotz des irreführenden Titels berichtete die BILD im Text in der Sache korrekt (oder hat den Text stillschweigend berichtigt?): "Es gibt 'starke Hinweise', dass Putin den Befehl gab, das Buk-Raketenabwehrsystem in die Ostukraine zu verlegen.  Das geht aus abgehörten Telefongesprächen hervor, wie das Ermittlerteam am Mittwoch in Den Haag mitteilte."
Wer dagegen der taz vertraut muss glauben, Putin habe den Befehl zum Flugzeugabschuss gegeben: "Der russische Präsident Wladimir Putin spielte nach Erkenntnissen internationaler Ermittler eine aktive Rolle beim Abschuss des Passagierflugzeuges MH17 im Juli 2014 über der Ostukraine. Das geht aus abgehörten Telefongesprächen hervor, wie das Ermittlerteam am Mittwoch in Den Haag mitteilte. Es gebe „starke Hinweise“, dass die Entscheidung von Präsident Putin gekommen sei." Auch im Rest des Artikels findet sich kein Hinweis darauf, dass Putin lediglich die Raketenlieferung genehmigt hat. Dieselbe Fakenews findet sich auch im Berliner Kurier oder der Münchener Abendzeitung. Die ZEIT scheint, nach der URL zu urteilen, ihre Überschrift berichtigt zu haben (jetzt "Putin soll Raketenlieferung für Abschuss von Flug MH17 genehmigt haben"); im Text steht aber immer noch der irreführende Satz "Russlands Präsident Wladimir Putin war nach Erkenntnissen internationaler Ermittler wohl in den Abschuss des Passagierflugzeuges MH17 im Juli 2014 über der Ostukraine involviert".
Das ist für mich eine klare Desinformationskampagne (nicht der Medien - Ausnahme FAZ: s. u.! -, sondern der dpa), die von der Hersh-Enthüllung ablenken soll. Einen Befehl zum Abschuss der Passagiermaschine hat Putin ganz bestimmt NICHT gegeben. Und die vielleicht tatsächlich von ihm getroffene Entscheidung zur Lieferung von Luftabwehrraketen macht ihn selbstverständlich NICHT zum Verantwortlichen für den (irrtümlichen) Abschuss des malaysischen Passagierflugzeuges.
Den Vogel schießt übrigens die FAZ mit "Putin spielte entscheidende Rolle bei Abschuss von Flug MH17" ab. Die hat nicht die dpa-Meldung übernommen, sondern deren 'kluger Kopf'-Korrespondent Thomas Gutschker schreibt: "Obwohl es 'starke Hinweise' darauf gebe, dass die Entscheidung zum Abschuss des Flugzeugs durch Separatisten der „Volksrepublik Donezk“ vom russischen  Präsidenten Wladimir Putin getroffen worden sei, reichten die Beweise für eine Strafverfolgung der russischen Führung nicht aus. ..... Einen direkten Beweis dafür, dass der russische Präsident die Verlegung des Buk-Systems und den Abschuss anordnete, konnten die Ermittler jedoch nicht finden." So steht das BIS HEUTE (11.03.23, 22:25 h) auf der FAZ-Webseite!
Einige Medien haben den Titel - und wohl auch den Inhalt - ihrer Meldung später korrigiert. So die Süddeutsche zu "Ermittler: Putin gab Lieferung der beim Abschuss von MH17 verwendeten Raketen frei" (der Originaltitel mit "aktive Rolle" ist aus der URL noch ersichtlich). Die SZ teilt in einem Nachspann auch mit: "In einer früheren Version des Textes stand: "Es gebe 'starke Hinweise', dass die Entscheidung von Präsident Putin gekommen sei." Dadurch konnte der irreführende Eindruck entstehen, Putin habe den Abschuss von MH17 befehligt. Tatsächlich bezog sich der Satz auf die Anordnung zur Lieferung der Waffen in die Ostukraine." Diese frühere Version dürfte die dpa-Fakenews gewesen sein.
Auch die TAGESSCHAU hat (lt. Vergleich mit URL) ihren Titel berichtigt (jetzt: "Putin soll Raketenlieferung genehmigt haben") und den Artikel um eine Berichtigung ergänzt: "In einer früheren Version hatten wir auf Grundlage der Nachrichtenagentur dpa berichtet, Putin habe eine aktive Rolle beim MH17-Abschuss gespielt. Es gibt aber laut Ermittlern keine Beweise für einen Befehl von Putin zum Abschuss. Wir haben unsere Meldung entsprechend korrigiert." Hier wird also die dpa ausdrücklich als Urheberin der Fakenews identifiziert.
Ebenso hat der Berliner TAGESSPIEGEL den Titel von "aktive Rolle" auf "Raketenlieferung" umgestellt und in einem Nachtrag erläutert: "In einer früheren Version war von einer „aktiven Rolle“ Wladimir Putins beim Abschuss die Rede. Diese Darstellung bezog sich auf eine Meldung der Nachrichtenagentur 'dpa'. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Putin den Abschuss des Flugzeugs angeordnet hat."
Auch die Augsburger Allgemeine titelte: "Ermittler: Putin hatte aktive Rolle bei MH17-Abschuss" und schrieb:
"Der russische Präsident Wladimir Putin spielte nach Erkenntnissen internationaler Ermittler eine aktive Rolle beim Abschuss des Passagierflugzeuges MH17 im Juli 2014 über der Ostukraine. Das gehe aus abgehörten Telefongesprächen hervor, teilte das Ermittlerteam in Den Haag mit. Es gebe 'starke Hinweise' darauf, dass Putin entschieden habe, den prorussischen Separatisten die Luftabwehrrakete zur Verfügung zu stellen, mit der die Maschine später abgeschossen wurde. Einen direkten Beweis, dass Putin auch dem Abschuss zugestimmt hat, haben die Ermittler aber nicht - auch nicht gegen andere Verdächtige."
Mein (natürlich nicht veröffentlichter) Leserbrief dazu:
"Man muss kein Fan des Kriegsverbrechers Putin sein, um Ihre Überschrift 'Putin hatte aktive Rolle bei MH17-Abschuss' als Infamie sondergleichen einzustufen. Werden Sie zukünftig auch titeln 'Scholz hatte aktive Rolle bei Tötung von Zivilisten', falls ein ukrainischer Leopard-Panzer aus Deutschland versehentlich einen Bus mit Zivilisten abschießt?"

Eigentlich sollte es jedem Journalisten mit minimalem Restverstand klar sein, dass Putin unmöglich einen Abschuss der Passagiermaschine befohlen oder ihm zugestimmt haben kann, denn
  1. Trifft der allein schon von der Entscheidungsebene her keine Entscheidungen über den Abschuss von mutmaßlichen Feindflugzeugen im Anflug: Das wird vor Ort entschieden. (Anders wäre es allenfalls z. B. beim Abschuss von US-Spionageflugzeugen über Russland.)
  2. Kann der Abschuss der Passagiermaschine nur versehentlich, durch Verwechslung mit einem (ukrainischen) Militärflugzeug, erfolgt sein. Denn was (außer jede Menge schlechter Presse und sonstigem Ärger) sollte der Abschuss von Zivilisten den ostukrainischen Rebellen, oder gar Russland, einbringen?
  3. Reicht allein schon die Zeit nach Ortung der Maschine und der Feststellung, dass sie sich auf das Kampfgebiet zu bewegt, gar nicht aus, um erst noch in Moskau rückzufragen, ob man die abschießen soll oder darf.
Folglich hätten VERANTWORTUNGSBEWUSSTE Journalisten niemals eine Meldung weitergeleitet oder gar veröffentlicht, die entsprechende Anschuldigungen gegen Putin enthält oder auch nur (durch die Überschrift) suggeriert!
Aber die Diskrepanz zwischen Unterdrückung (oder Herabsetzen) der Hersh-Enthüllung einerseits und der bereitwilligen Übernahme einer offenkundig unzutreffenden Meldung (bzw. Überschrift) gegen Putin zeigt, wie herdenhaft sich die deutschen Medienmacher verhalten und wofür ein neudeutsches Journalistenherz schlägt: Für die Wahrheit eher weniger. Für die Unterdrückung unangenehmer Meldungen gegen "staatstragende" Bündnisstrukturen dagegen höchst bereitwillig.
Ich bin, wie gesagt, alles andere als ein Putin-Fan. Doch liebe ich Anstand und Wahrheit. Und hasse dem entsprechend diese verkommene deutsche Mainstream-Manipulations-Journaille!


Die Medien könnten versuchen, eine Reihe konkreter Behauptungen von Hersh nachzurecherchieren.
Beispielsweise könnten sie die Existenz der Sullivan-Gruppe verifizieren. Das dürfte nicht schwer sein, man müsste die US-Regierung einfach nur fragen. Wenn die DEREN Existenz leugnet, dann lügt sie, denn daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen, dass sich die US-Regierung auf Basis ihrer Geheimdienstinformationen auf einen russischen Überfall auf die Ukraine vorbereitet hat. Und für jeden, der auch nur eine vage Vorstellung von der Funktionsweise eines Regierungsapparates hat, ist ohnehin klar, dass die amerikanische Regierung (vermutlich auch die deutsche und ebenso die EU-Kommission) angesichts des großen Umfangs ihrer Hilfen an die Ukraine und ihrer Sanktionen gegen Russland eine (und auf niedrigerer Ebene evtl. weitere) Koordinations- und Steuerungsgruppe(n) braucht, damit nicht jede Stelle vor sich hinwurstelt. Den Umständen nach müsste diese Gruppe sogar immer noch existieren. Wenn sich diese Sullivan-Arbeitsgruppe überhaupt mit der Pipeline-Zerstörung befasst hat, dann kann sie das allerdings, angesichts ihrer sehr viel umfangreicheren Aufgabenstellung, nur am Rande getan haben. 
Tatsächlich hat die US-Regierung gar keinen Grund, das BESTEHEN dieser Gruppe zu leugnen; heftig abstreiten wird sie aber natürlich, dass dort die Pipeline-Zerstörung erörtert wurde.
Schwieriger dürfte es sein, die Existenz der von Hersh behaupteten Sabotage-Arbeitsgruppe innerhalb der CIA zu überprüfen. Da müsste man schon sehr gute Informanten innerhalb der Organisation haben; das wird, wenn überhaupt, allenfalls auf ganz wenige Washingtoner Journalisten - und kaum auf deutsche - zutreffen.

Ebenfalls könnten Journalisten Experten befragen, ob es überhaupt möglich ist, mit EINER Sonarboje Sprengungen im Abstand von 80 km auszulösen (wobei also im günstigsten Falle die akustischen Signale 40 km weit "reisen" müssten). Ich halte das für sehr unwahrscheinlich und denke, dass mindestens ZWEI Sonarbojen nötig waren (oder gewesen wären - falls die tatsächliche Auslösung auf andere Weise erfolgte).

Ein weiterer Recherchepunkt wäre die Frage, wie lange wohl die Zündungsbereitschaft im kalten Ostseewasser anhält. Um die akustischen Signale empfangen zu können, müssen die Zünder doch wohl mit Batterien versehen gewesen sein. Wie lange halten die maximal? Wenn die Sprengsätze wirklich während des Baltops-Manövers (Mitte Juni) platziert wurden, lief die Lebensdauer der Zünder-Batterien vielleicht Ende September ab. So dass man die Dinger hochjagen musste, um sie vor zukünftiger Entdeckung zu bewahren. (Falls man sie nicht wieder ungebraucht einsammeln konnte.)

Das wären einige einfach zu recherchierende Fragestellungen. Aber tatsächlich interessieren sich die Medien nicht die Bohne für Hershs Geschichte, jedenfalls nicht für deren Wahrheitsgehalt.
Zu diesem (Hersh-kritischen) Artikel auf einer englischsprachigen Webseite kommentiert ein "NeilParkin" zuteffend:
"It is really surprising to me how little has been made of it politically, diplomatically, and of course in the obedient media. I would be fuming if it was my pipeline and I’d want answers. I would be fuming if it was my pipeline and I’d want answers."
Etwas frei übersetzt:   Ich bin wirklich erstaunt, wie wenig sich die Politik, die Diplomatie und, natürlich, die gehorsamen Medien für diese Story interessiert haben. Wenn das meine Pipeline wäre, würde ich schäumen vor Wut und Antworten verlangen!
Dem kann ich nur beipflichten.

Behauptungen, dass die (amerikanischen) Mainstream-Medien die Hersh-Story mangels Vertrauen in deren Wahrheitsgehalt nicht übernommen hätten, bezweifle ich. Vielmehr glaube ich, dass die großen US-Medien rein aus Patriotismus die US-Regierung nicht "auffliegen" lassen wollen. Das wäre wohl auch bei den dortigen (gleichfalls größtenteils patriotischen) Medienkonsumenten auf wenig Gegenliebe gestoßen: Nicht alle Völker sind derart desorientiert wie das deutsche.

Was die deutschen Medien betrifft, wäre bloßes Desinteresse schon schlimm genug. Tatsächlich aber feuert diese Bande eine Desinformationssalve nach der anderen ab, um die Hersh-Botschaft unter einem Rauschen der Verwirrung zu begraben.

Einen "benefit of the Doofness" gebe ich den deutschen Desinformationsmedien NICHT: Die wissen sehr genau, dass ihre Argumente gegen Hersh windelweich sind, und dass alle Indizien für eine Täterschaft der USA sprechen. Auch wenn dieser Sachverhalt nicht strafbewehrt ist, bezeichne ich diese Gehirnwäsche der Leser durch die REGIMEMEDIEN als INFORMATIONSKRIMINALITÄT!


Erschreckend ist auch die Feigheit bei der deutschsprachigen Wikipedia.
Sowohl diese wie auch das englischsprachige Gegenstück haben neben dem jeweiligen Haupteintrag Nord Stream eigene Stichworte zum Terrorakt gegen die Gasleitungen: 
Doch während der englischsprachige Eintrag kurz, aber präzise auf die Hersh-Enthüllung (und die Gegenargumente) hinweist, steht die deutschsprachige Wikipedia in Treue fest zur DUSF (Deutsch-US-amerikanischen Freundschaft). Und verrät ihren Lesern nichts - oder jedenfalls fast nichts. Denn wenigstens indirekt hat sie die Hersh-Enthüllung mittlerweile (seit?) aufgenommen:
"Im Februar 2023 forderte Russland im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine unabhängige UN-Untersuchung des Vorfalls. Dabei berief sich Russland auf einen Artikel des amerikanischen Journalisten Seymour Hersh, welcher eine amerikanisch-norwegische Urheberschaft nannte. Der Artikel, welcher kurz vorher auf Hershs Blog veröffentlicht wurde, ist wegen Ungereimtheiten und unbestätigter Quellenangaben umstritten. China begrüßte den entsprechenden Entwurf Russlands."
 
Auch die Räuberpistole von den pro-ukrainischen Freizeit-Terroristen hat die Wikipedia per 20.03.2023 aufgenommen, wenn auch extrem verkürzt und dadurch nur sehr vage: 
"Die Bundesanwaltschaft äußerte am 8. März den Verdacht, dass auf einer von einer polnischen Firma in Rostock gecharterten Segeljacht Sprengstoff transportiert wurde."
[Stand 20.03.23]

Per 23.02.23,15:26 h, lautete die einschlägige Passage der englischsprachigen Wikipedia (ohne die Linkhinweise des Originals) so:
"On 8 February 2023, American investigative journalist Seymour Hersh published an article on his Substack page in which he alleged that the attack was ordered by the White House and carried out utilizing American and Norwegian assets. The post relied on a single anonymous source, whom Hersh described as having "direct knowledge of the operational planning." The White House responded to the story by calling it "utterly false and complete fiction". Norwegian Ministry of Foreign Affairs said that those allegations are "nonsense". Russian Deputy Foreign Minister Sergei Ryabkov told Russian state-owned media RIA Novosti that "Our assumption was that the US and several NATO allies were involved in this disgusting crime." He also threatened unspecified “consequences” for the US. Norwegian commentator Harald S. Klungtveit ... has challenged the accuracy of Hersh's claims, such as that Alta-class mine sweepers had participated in BALTOPS 22, or that Jens Stoltenberg has been cooperating with U.S. intelligence services since the Vietnam War (Stoltenberg was a teenager at the time)."

Weitere Wikipedia-Seiten, die den Hinweis bringen, sind die französisch- und die spanischsprachige; die finnische hat wohl keinen Sondereintrag zur Sprengung, erwähnt jedoch Hersh im Nord Stream-Stichwort. Ebenso die niederländische. Bei beiden  dänischen Einträgen herrscht Schweigen im Walde; so auch im schwedischen "Nord Stream"-Beitrag. (Stand sämtlich 14.03.2023.)


Bundeskanzler Olaf Scholz reist nach Washington und wird dort ein Gespräch mit dem US-Präsidenten Joe Biden führen, melden die Medien am 02. und 03. März 2023. An diesem Besuch fällt auf: "Eine gemeinsame Pressekonferenz nach dem Treffen ist ungewöhnlicherweise nicht geplant. ..... Scholz wird auch nicht wie sonst von Journalisten aus Berlin begleitet."
Man würde erwarten, dass die Medien hellhörig werden und nach den Gründen für derartige Abweichungen von der Routine fragen. Bei denen die Medien selber ja die "Leidtragenden" sind. Die z. B. hier veröffentlichte, sehr lange dpa-Meldung registriert zwar: "Diese Reise nach Washington hat schon etwas Geheimnisvolles."
Aber nach einer Schilderung dessen, was (in der Tat!) geheimnisvoll ist:
"
Der nagelneue Regierungsflieger «Konrad Adenauer» ist ziemlich leer, als er am frühen Donnerstagabend in Berlin in Richtung US-Hauptstadt abhebt. Bundeskanzler Olaf Scholz hat wie üblich seine engsten Mitarbeiter aus dem Kanzleramt dabei und natürlich seine Sicherheitskräfte. Journalisten, sonst meistens so um die 25, dürfen diesmal aber nicht mit - sehr ungewöhnlich bei einem so wichtigen Reiseziel. Auch Wirtschaftsleute sind nicht dabei"
schläfert der Text die Aufmerksamkeit der Leser mittels Banalisierung wieder ein:
"Der Kanzler will also seine Ruhe haben."
Dabei ist es doch mit den Händen zu greifen, dass Scholz UNANGENEHMEN JOURNALISTENFRAGEN AUSWEICHEN will!
Und es liegt auf der Hand, dass (aufklärungsinteressierte) Journalisten sowohl Biden als auch Scholz fragen würden, ob die USA tatsächlich die Nord Stream 2 Erdgasleitungen in die Luft gejagt haben. Bzw. bei Scholz, ob er Biden überhaupt auf den Hersh-Bericht angesprochen hat.
Nichts davon erwähnt die o. a. dpa-Meldung, wo lediglich die geplanten Panzerlieferungen an die Ukraine und die US-Subventionen für bestimmte Industriezweige als mögliche Konfliktthemen benannt werden.
Nur als "Erinnerungsposition" wird das Pipeline-Thema am Schluss angesprochen:
"Beim Auftakt des Gesprächs im Oval Office wird man von beiden wohl nur ein paar warme Worte hören. So wie vor einem Jahr, als Scholz den US-Präsidenten zum ersten Mal besuchte, kurz vor der russischen Invasion in der Ukraine. Scholz wurde damals in den USA vorgeworfen, an der Gaspipeline Nord Stream 2 festzuhalten, obwohl russische Truppen schon an der Grenze zur Ukraine aufmarschiert waren. Biden stärkte dem Kanzler trotzdem den Rücken: «Deutschland ist einer der engsten Verbündeten Amerikas», sagte er zum Auftakt des Gesprächs."
Ähnlich bei ntv, wo Hubertus Volmer seinen Bericht "Panzer statt Pipeline. Scholz trifft Biden, aber Fragen darf keiner stellen" (2.3.23) mit diesen Sätzen beschließt:
"Wie bereits im Februar 2022 stellt Scholz sich am Freitag den Fragen eines US-Senders. Dass der Kanzler glauben könnte, dort keine unangenehmen Fragen hören zu müssen, ist nicht vorstellbar. Denn einen Streitpunkt gab es auch damals, wobei es nicht um Panzer ging, sondern um eine Pipeline: CNN-Moderator Jake Tapper wollte damals von Scholz wissen, was mit Nord Stream 2 passiere, wenn Russland die Ukraine angreife. Trotz mehrfacher Nachfragen legte Scholz sich nicht fest, sagte nur Sätze wie diesen: 'Alle Schritte, die wir gehen werden, werden wir gemeinsam gehen', es werde keine Differenzen zwischen Deutschland und den USA geben. Ziemlich genau das dürfte auch dieses Mal seine Botschaft sein."
Dass der Staatsfunk - das ZDF oder die Deutsche Welle und die Tagesschau sowieso - den Terroranschlag gegen unsere Energieversorgung in diesem Zusammenhang nicht erwähnen, versteht sich von selber.
Schlaf, Michel, schlaf,
Du bist ein schlichtes Schaf,
Die Meinungsmache ist 'ne Schand',
Wahrheitsliebe abgebrannt,
Schlaf, Michel, schlaf!

Kritisch über die deutsche Medienarbeit in dieser Sache äußert sich auch Roger Letsch im Blog AchGut: "Northstream: Sprengstoff in jeder Beziehung" (10.02.23).


Abweichend vom Zwischentitel nehme ich hier auch einen Medienbericht aus den USA auf, der eine dortiger Desinformationsversuch sein könnte. Am 27.12.2022 berichtete die Berliner Zeitung ausführlich unter "New York Times spekuliert über Nord-Stream-Attentat: Ist Russland der Saboteur?" über einen Artikel, der am 26.12.2022 auf der Webseite der NY Times erschienen ist (und am 27.12. in der Druckausgabe). Eigentlich ist er kostenpflichtig; doch konnte ich ihn einmal irgendwie öffnen. 
"„Viele europäische Regierungen und Experten halten Moskau für den wahrscheinlichsten Saboteur. Der russische Präsident Wladimir W. Putin hat in der Vergangenheit Gas als politisches Druckmittel eingesetzt. Und es gibt Anzeichen dafür, dass er Europa an dieser Stelle als besonders verwundbar ansieht,“ heißt es in der New York Times" referiert die Berliner Zeitung. Das ist eine ausgesprochen merkwürdige Behauptung der NYT, denn bereits am 21.12.2022 hatte die Washington Post getitelt: "No conclusive evidence Russia is behind Nord Stream attack" und berichtet: " 'There is no evidence at this point that Russia was behind the sabotage,' said one European official, echoing the assessment of 23 diplomatic and intelligence officials in nine countries interviewed in recent weeks." Auf Deutsch: Es gibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinerlei "evidence" (das kann "Beweise", aber auch "Indizien" bedeuten), dass Russland hinter dem Anschlag steht, sagte ein europäischer Amtsträger. Dieselbe Einschätzung hatten bereits dreiundzwanzig andere Diplomaten und Geheimdienstmitarbeiter in neun Ländern geäußert, die in den vergangenen Wochen befragt wurden.
Von daher ist es schon äußerst seltsam, wenn die NYT fünf Tage später dennoch den Verdacht auf die Russen zu lenken versucht. Zwar hat sie auch Argumente dagegen benannt. Aber keinerlei identifizierbare Quellen angegeben und nicht einmal gesagt, welche europäischen Regierungen denn angeblich (und im Gegensatz zum WP-Bericht!) Russland für den wahrscheinlichsten Anschlagstäter halten. Seriöser Journalismus sieht anders aus - zumal dann, wenn man jene Kriterien anwendet, mit denen die "Contrarians" die Hersh-Enthüllung niedermachen.
Spannende Frage, wieso die WP und die NYT überhaupt zu diesem Zeitpunkt das Thema wieder aufgegriffen haben, obwohl keine neuen Meldungen vorlagen.
Bei der WP wäre das noch verständlich, nachdem die schon davor offenbar über einen längeren Zeitpunkt hinweg Meinungen westlicher Politiker abgefragt hatte.
Unmotiviert erscheint dagegen zu diesem Zeitpunkt der NYT-Artikel, für den die Zeitung ihre beiden Investigativreporter sogar nach Stockholm einerseits und Berlin andererseits geschickt hat. Dennoch ist der Erkenntniswert gleich NULL. Ich könnte mir vorstellen, dass Hersh der NYT seinen (zukünftigen) Artikel bereits zu diesem Zeitpunkt angeboten hatte. Und dass das patriotische Blatt (des-)informationstechnisch gegensteuern wollte.


AUSNAHMEN BESTÄTIGEN DIE REGEL

Die "BERLINER ZEITUNG", die ja bereits ein Interview mit Seymour Hersh gebracht hatte (am 14.02.2023), bleibt dran. Unter "Nord Stream: Anschlag 'geschah am schlimmsten Ort, den man sich vorstellen kann' " informierte sie am 02.03.2023 über eine Studie zu den ökologischen Auswirkungen der Sprengung. Eine leuchtende Ausnahme im deutschen Herdenjournalismus.

Ebenfalls sehr lesenswert ist der Gastbeitrag "Nord Stream: Noch konnte die Theorie von Seymour Hersh nicht widerlegt werden" von Fabian Scheidler (20.3.23), der auch das vorerwähnte Interview mit Hersh durchgeführt hatte.

Die Wahrheit (zumindest über den deutschen Journalismus) mittels Satire stellt Tobias Riegel auf den NACHDENKSEITEN unter "Seymour Hersh ist widerlegt: Die CIA hat dementiert" (13.02.23). Auszug:
"Da hätte sich die angebliche „Journalistenlegende“ Seymour Hersh viel Arbeit ersparen können – wenn er einfach bei der CIA nachgefragt hätte, bevor er die Verschwörungserzählung verbreitete, US-Dienste könnten an Anschlägen gegen ausländische Infrastruktur beteiligt gewesen sein. Aber solches ordentliches Journalistenhandwerk müssen dann eben doch die etablierten Medien übernehmen. Der 85-jährige Hersh soll vor vielen Jahren „wichtige“ Reportagen geschrieben haben, wie vor allem russische Staatsmedien und Reichsbürger aktuell betonen – inzwischen gilt er aber als hoch umstritten, wie mittlerweile auch eine anonyme Quelle aus der Geheimdienst-Community bestätigt hat. ..... Wasser auf die Mühlen antisemitischer Querdenker und anderer Delegitimierer der liberalen Demokratie sei im Fall Nord Stream auch, dass man es mit viel Fantasie durchaus so darstellen könne, dass die USA ein Motiv, die Mittel, die Gefolgsleute und die Gelegenheit hatten, um die Anschläge durchzuführen. Das sei aber das bekannte Phänomen der „Plausibilitäts-Falle“, erklärt eine Expertin von der unabhängigen Wolfgang-Amadeus-Stiftung für Regierungsnähe. „Es ist ein häufiger Wesenszug von Verschwörungsmythen, dass sie auf den ersten Blick so plausibel erscheinen. Man kann fast sagen: Je plausibler die Indizienkette erscheint, desto verschwörerischer und desto toxischer kann das trübe Süppchen sein, das daraus gekocht wird“, so die Expertin."


Ein exzellenter Beitrag zur Debatte ist "USA, Ukraine, Russland: Die Stärken und Schwächen der drei Nord-Stream-Theorien" von Wolfgang Michal auf der Webseite DER FREITAG (17.03.23). Laut Beschreibung ist er eigentlich "Exklusiv für Abonnent:innen", doch am 18.03.23 war er vollständig gratis zugänglich. Ich empfehle dringend, ihn zu lesen. Aber sozusagen als Appetithappen möchte ich doch zwei Stellen hier reproduzieren:
1) "An solchen Unschärfen in Hershs Erzählung bissen sich die Kritiker naturgemäß fest. Minutiös dröselten sie Flugpläne auf und prüften Schiffspositionen, um die ganze Geschichte zu Fall zu bringen. Und tatsächlich kann Hersh (bislang) nicht nachlegen. In den zahlreichen mit ihm nach der Veröffentlichung der Story geführten Interviews redet er zwar viel, sagt aber nichts, was über die Ursprungsgeschichte hinausgeht. Er mokiert sich über die Erbsenzähler unter seinen Kritikern und nennt ihre Beweisführungen 'Bullshit', zeigt aber keinerlei Interesse an einer ernsthaften Auseinandersetzung."
Das ist in der Tat auch mir aufgefallen bzw. irritiert auch mich. Hersh weicht regelmäßig aus, wenn "harte" Fragen kommen. Und beruft sich auf seine früheren Verdienste. Die aber natürlich (auch dort, wo sie unstreitig sind) keine Beweis für die Richtigkeit seiner aktuellen Enthüllung sind. Das ist also zu wenig; irgendwann muss er hier "nachlegen". Nicht, indem er seine Quelle verrät. Aber indem er plausible Erklärungen liefert, warum bestimmte Details (vgl. oben I/27) bei ihm eindeutig falsch dargestellt sind.
2) "Gegen Hershs Erzählung spricht vor allem, dass Planung und Durchführung der Sprengung so rational und transparent abgelaufen sein sollen, dass ein einzelner Beteiligter wie seine „Quelle“ über jeden Schritt von A bis Z Bescheid wusste. Geheimdienstoperationen dieser Größenordnung werden aber in der Regel so geplant, dass die beteiligten Gruppen oder Zellen nichts voneinander wissen, damit sie im Ernstfall nicht alles verraten oder gar „auspacken“ können. Hier wussten zu viele zu vieles. Und die Quelle war schier allwissend. Doch möglicherweise hat der Profi Hersh mehrere Quellen zu einer einzigen zusammengezogen, um die Rückverfolgung zu erschweren."
Das ist eine interessante Überlegung.

Eine prompte Reaktion auf die Hersh-Enthüllung, vorbildlich frei von Versuchen der Lesermanipulation, erschien bereits am 08.03.23 im "NORDKURIER": "Seymour Hersh. Pulitzer-Preisträger sicher, dass USA Nord Stream sprengte".


Aber jedes Volk hat die Medien, die es verdient: Deutschland demnach das Sedations-Kartell.
Die Deutschen sind als Volk anscheinend unfähig, eine Existenz des Maßes und der Mitte zu leben. Erst wollten sie die halbe Welt erobern. Nachdem das (gründlich) misslungen ist, lassen sie sich nun von der ganzen Welt als Fußabtreter behandeln und zu Zahlsklaven machen: Euro-Haftung,Massenimmiggression: Der deutsche Steuersklave schuftet und löhnt. Und wo er (noch) nicht löhnt, erduldet er schweigend jedwede Unverschämtheit, wie z. B. die polnischen Reparationsforderungen. 
Und wo der Michelmensch eins auf seine Nachtmütze bekommt, wie bei den Nordstream-Pipelines, hält er noch die andere Backe hin und hilft den (amerikanischen) Tätern, ihre Täterschaft mittels Fakenews zu verschleiern. So bei der Räuberpistole von den Hobby-Terroristen auf Segeltörn, über die Seymour Hersh am 23.03.2023 berichtet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch in Washington am 03.03.23 sie gemeinsam mit US-Präsident Joe Biden ausgeheckt habe. Was ich ohnehin schon vermutet hatte und Hersh daher unbesehen glaube. (Auf deutsch wird der Inhalt seines Artikels, von dem im Original nur ein - allerdings langer - Anfangsteil kostenfrei lesbar ist, z. B. in "Seymour Hersh: Vertuschen Scholz und Biden den Anschlag auf Nord Stream durch Cover Stories?" im OVERTON-MAGAZIN, in der BERLINER ZEITUNG: "Seymour Hersh zu Nord Stream: Olaf Scholz ist an Komplott beteiligt" und in der JUNGE FREIHEIT "Nord Stream-Sprengung: Hersh nimmt Kanzler Scholz ins Visier" wiedergegeben.)

Genau wie die deutschen Bürger sind, folgerichtig ist, auch die deutschen Journalisten fatalistische Sklavenseelen. Tenor der allermeisten Kommentare zum Gaspipeline-Terror-Krimi: "Wir dürfen nicht spekulieren; wir müssen brav abwarten, bis die hochwohlmögende Regierung geruht, uns die Ergebnisse ihrer Ermittlungen mitzuteilen. Vielleicht werden wir die Wahrheit niemals erfahren."
In jedem normalen Land dagegen wären längst Stürme einer wütenden Entrüstung losgebrochen:
  • Gegen die deutsche Bundesregierung, weil sie nicht nur dem Volk, sondern sogar dem Parlament (selbst dem Geheimdienstausschuss!) die bisherigen Ermittlungsergebnisse vorenthält.
  • Und gegen die schwedische und dänische Regierung, weil sie sich weigern, bei den Ermittlungen mit Deutschland zusammenzuarbeiten. Obwohl sie doch angeblich unsere "Freunde" sind. Und WIR (neben Russland) die Opfer.
Zumal nach der Hersh-Enthüllung hätte eine normales Volk diesen drei Regierungen richtig "Feuer unterm Hintern" gemacht; schließlich deutet alles darauf hin, dass die US-Regierung tatsächlich die Täterin war - oder jedenfalls die Urheberin des Terroranschlags.
Eines ist jedenfalls sicher: Wäre der Anschlag von Russland ausgeübt worden oder gäbe es auch nur substantielle Indizien dafür, hätten die NATO-Mächte das längst triumphierend auf den Tisch gelegt.






III. SUBSTANZHALTIGE ARGUMENTE GEGEN DEN HERSH-BERICHT

HINWEIS: Nummerierungen im Text beziehen sich auf das JEWEILIGE Kapitel. Mit den Nummerierungen im Kap. I haben sie also NICHTS zu tun.


Es ist nicht so, dass es auf der sozusagen "Sollseite" des Hersh-Textes einzig und allein die Erfindungsorgien der deutschen Desinformationstäter gäbe. 
Einige (wenige) anscheinend mehr oder weniger private Blogger usw. haben tatsächlich Fakten identifiziert, die falsch zu sein scheinen. Diese Materie ist großenteils eine Sache von "Freaks"; es geht z. B. um öffentlich verfügbare Daten über die Routen von Flugzeugen und Schiffen. Ich habe davon keine Ahnung und kann diese Behauptungen nicht überprüfen. Aber selbstverständlich will ich sie auch nicht unterschlagen. Wer immer mehr darüber weiß, mag sich da gerne "reingraben" und uns unten über die Kommentarfunktion an seinen Erkenntnissen teilhaben lassen.

Fragwürdigkeiten, die sich aus dem Artikel selber ergeben (z. B. die Widersprüchlichkeit zwischen höchstem Geheimhaltungsbedürfnis einerseits und Einbeziehung des norwegischen Militärs andererseits) haben sehr viele Kommentatoren auf- bzw. angegriffen.
Dagegen haben nur wenige eigene Recherchen durchgeführt. Hier ist besonders der dänische "OSINT"-Analyst Oliver ALEXANDER und sein Artikel "Blowing Holes in Seymour Hersh's Pipe Dream"  zu nennen. Der ist (am 10.02.23) ebenso wie der Hersh-Artikel auf Substack erschienen und analysiert Daten, die im Prinzip öffentlich bekannt sind, aber natürlich herausgesucht und für den jeweiligen Erkenntniszweck analysiert werden müssen. (OSINT = Open Source Intelligence, also die quasi geheimdienstliche Auswertung öffentlicher Quellen.) (Alexander greift seinerseits in einigen Punkten auf den Tweet eines Joe Galvin zurück.)

Alexander selber stellt seine Zielsetzung so vor:
"The purpose of this post is to debunk the claims made in Seymour Hersh’s Substack post titled 'How America Took Out The Nord Stream Pipeline' using publicly available information." ("Der Zweck dieses Artikels ist es, durch Auswertung öffentlich verfügbarer Informationen Behauptungen zu widerlegen, die Seymour Hersh in seinem Substack-Beitrag ''Wie Amerika die Nord Stream Pipeline zerstörte' aufgestellt hat.")
Allerdings stellen nicht wenige seiner Einwände auf textimmanente Widersprüchlichkeiten ab. Ich untersuche nachfolgend seine Gegenargumente unabhängig davon, ob er sie aus dem Hersh-Text selber oder durch Datenanalysen gewonnen wurden; die Nummerierung stammt von mir.


1) "The US Air Force officials reportedly proposed 'dropping bombs with delayed fuses that could be set off remotely' " gibt Alexander Hershs Behauptung wider, wonach in einem frühen Stadium die Luftwaffe vorgeschlagen habe, die Pipeline durch Abwürfe von Bomben zu zerstören, die man später fernzünden könne (vgl. I/10). Das hält Alexander für die wilde Phantasie einer Person, die keine Ahnung davon hat, was das technisch bedeuten würde, d. h. Alexander hält das für erfunden. Über die Gründe könne man ein ganzes Buch schreiben, sagt er; konkret benennt er aber nicht einen einzigen Grund.
Ich glaube nicht, dass Alexander insoweit ein Fachmann ist und wirklich beurteilen kann, ob diese Möglichkeit grundsätzlich realistisch ist oder nicht.
(Ein Kommentator des Alexander-Texts verlinkt zum Artikel "Damn! Torpedoes!
The Navy is starting to pay attention to offensive mine warfare again" vom Mai 2020 auf einer US-Marinewebseite. Dessen Inhalt soll als Beweis dienen, dass eine Zerstörung der Pipeline durch Bombenabwürfe sehr wohl möglich sein soll. Mir fehlen Zeit und Vorwissen, um mich da reinzuknien: Wer beides hat, mag hier zum Sachverhalt kommentieren.)

2) Wollte man der Darstellung von Hersh folgen, meint Alexander, dann müsste man den Eindruck gewinnen, im Anfangsstadium der Planung sei der interagency group (Sullivan-Gruppe) gar nicht klar gewesen, dass es sich um eine Pipeline handele.
Diese Kritik ist zu unpräzise, als dass ich sie widerlegen oder akzeptieren könnte.

3) In der Sullivan-Gruppe waren lt. Hersh Bedenken hochgekommen, dass die Taucher ihre Aufgabe evtl. in Estland, also in unmittelbarer Nähe zu Russland, würden üben müssen: "Would the divers have to go to Estonia ..... to train for the mission?"
Auch ich verstehe nicht, wieso jemand das für nötig halten könnte. Aber jedenfalls sagt Hersh ausdrücklich, dass die Taucher ihre Mission dort evtl. ÜBEN müssten. Davon, dass sie den Anschlag auch dort (bzw. von dort aus) ausführen sollte, ist bei ihm keine Rede. Aber genau das fantasiert Alexander sich zusammen:
"I am unsure as to why all the intelligence officials in the initial planning meetings for the mission felt that the only possible way to sabotage the pipeline would be at the short section directly bordering Russia, instead of the large section in more favorable waters", d. h. er unterstellt, dass alle diese schlauen Schlapphüte anfänglich geglaubt hätten, man müsse die Sabotage vor der estnischen Küste (also im Finnischen Meerbusen) ausführen und damit in unmittelbarer Nähe zu Russland (St. Petersburg).
Fazit: Auch dieser Einwand ist ein Satz mit X.

4) Alexander stört sich an der Einbeziehung Norwegens, die im Widerspruch zur sonstigen strikten Geheimhaltung des Plans, sogar gegenüber dem US-Parlament, stehe.
Verwunderlich ist das in der Tat , aber "wat mut, dat mut": Wenn die US-Anschlagsplaner, aus welchen Gründen auch immer, Norwegen einbeziehen mussten oder wollten, dann war das halt so. 
Ein Killer-Argument gegen den Hersh-Text ist das definitiv nicht. (Und sicherlich haben die USA - wenn es denn so war - auch nicht offiziell die norwegische Regierung eingeweiht, sondern nur einige Personen, denen sie glaubten vertrauen zu können.)

5) Mit dem mutmaßlichen Fehler von Hersh betr. Jens Stoltenberg als angeblichem US-Geheimdienstinformant schon seit dem Vietnamkrieg habe ich mich oben unter I/17 auseinandergesetzt. 
Egal, ob Hersh hier eine Verwechslung unterlaufen ist oder er einer gezielten Falschinformation aufgesessen ist: Der ganze Sachverhalt ist für die Logik seiner Argumentation unwesentlich. Denn Hersh macht ohnehin keinerlei konkrete Angaben darüber, auf welche Weise Stoltenberg als Mitwirkender oder auch nur als Eingeweihter an der ganzen Sache überhaupt beteiligt gewesen sein sollte.

6) Auch aus der Erwägung (nicht Behauptung!) von Hersh, dass Norwegen auch ein finanzielles Interesse an der Pipeline-Sprengung (und damit auch an einer aktiven Rolle dabei) gehabt haben könnte, versucht Alexander ihm einen Strick zu drehen. Den dreht er sich freilich unbewollt (und unbemerkt) selber. 
Denn in seinem blindwütigen Eifer, Hersh in die Pfanne zu hauen, schleppt er ex-post-Daten (sinkende Gaspreise nach Pipelinesprenung) an, um (mögliche) ex-ante-Überlegungen zu "widerlegen". 
Zum Planungszeitpunkt war aber selbstverständlich zu erwarten, dass die Gaspreise nach einer Pipelinesprenungung steigen würden. Dass die Pipeline zum späteren Sprengungszeitpunkt bereits kein Gas mehr geliefert hat und und somit ihre Sprengung auch nicht die aktuellen Marktverhältnisse beeinträchtigte, konnten im Planungszeitpunkt nur Hellseher wissen.

7) Zur Darstellung Hershs betr. die Umstände der Sprengsatz-Ausbringung während (und unter dem Deckmantel) des BALTOPS 2022 Manövers hat Alexander mehrere Gegenargumente. Das erste ist die Tatsache, dass Übungen zur Minenräumung schon seit langem in wesentlicher Bestandteil der Übungen gewesen seien. Auch hier liest Alexander in seinem wilden Belastungseifer in den Hersh-Text etwas anderes hinein, als dort steht. 
Alexander präsentiert zwei Karten mit Routen der Marineschiffe, die "mine detection and EOD" [Aufspüren und Sprengung von Minen (EOD = exlosive ordnance disposal = Sprengung)] als "part of BALTOPS22 and BALTOPS20 two years earlier" zeigen, also beweisen, dass diese Übungen schon früher gab.
Und dann behauptet er, eben diese Übung sei jenes neue Element, zu dessen Aufnahme die CIA-Arbeitsgruppe die Manöverplanung überredet habe:
"This is the brand new part of the exercise that Hersh claims the CIA added to provide cover for the planting of the explosives on Nord Stream."
Das schreibt Hersh aber gar nicht, sondern er spricht von einem Übung zwecks Forschung und Entwicklung (meine Hervorhebung):
"The Americans ..... convinced the Sixth Fleet planners to add a research and development exercise to the program."
Oben unter I/22 habe ich im Detail gezeigt, dass die Marinekommuniqués tatsächlich Äußerungen enthalten (auch wenn ich als Laie deren EXAKTE Bedeutung nicht verstehe), die auf eine Ersterprobung bestimmter Techniken bei diesem Manöver hindeuten.

8) Auch hier bringt Alexander neuerlich das Geheimhaltungsargument ins Spiel, denn mit der Einbeziehung der Manöverplaner seien ja neuerlich weitere Personen in die eigentlich doch so streng geheime Sabotageabsicht eingeweiht worden. 
Doch gar so naiv darf man sich die Geheimdienstleute und deren modus operandi nicht vorstellen. Das könnte z. B. in der Form abgelaufen sein, dass der CIA-Chef Burns den Chef der Manöverplanung angerufen und ihm gesagt hat: Also, wir haben hier einen top secret Auftrag vom großen Boss; helft uns bitte dabei, indem ihr ..... in eure Manöverplanung einbaut. Und keine weiteren Fragen! (Allenfalls eine Rückfrage zur Absicherung an den obersten Marinechef, der ja bei der Sullivan-Gruppe dabei sein dürfte).

9) Zu Recht moniert Alexander dann freilich eine ganze Reihe von Fehlern, die der Hersh-Text hinsichtlich des Anschlagsortes enthält:
  • Hersh von "dem" geeigneten Ort (den die norwegische Marine für die Sprengung identifiziert habe). Tatsächlich waren die Explosionsstellen aber (teilweise weit) voneinander entfernt (vgl. "Klärung" im Anfang von Kap. I.)
  • Weiterhin spricht Hersh von den "flachen Gewässern vor Bornholm". Aber zum einen verläuft die Pipeline hier in relativ großer Tiefe; an anderen Stellen ist sie der Wasseroberfläche deutlich näher. Und zum anderen liegt lediglich einer der vier Anschlagsorte vor Bornholm; die anderen drei weit nordöstlich von der Insel entfernt (vgl. die Karte bei Alexander).
10) Hersh zufolge sollen die amerikanischen Marinetaucher von einem norwegischen Minensuchboot der Alta-Klasse aus operiert haben. Alexander hat festgestellt, dass kein Schiff dieser Klasse an dem Manöver teilgenommen hat. Wohl aber die "Hinnøy", die einer ähnlichen Bootsklasse angehöre. (Insoweit beruft er sich auf den Tweet eines Jonathan Lundkvist). Die sei jedoch, wie ein Joe Galvin in einem Tweet enthüllt habe, nicht an den Anschlagsstellen gewesen.
Ich gehe davon aus, dass diese Angaben zutreffen. 
Im Anhang zu seinem Artikel publiziert Alexander einen E-Mail-Austausch mit Seymour Hersh, wo Letzterer sich leider nicht mit Ruhm bekleckert. Er deutet an, dass die Geheimdienst wüssten, wie man OSINT-Datenquellen manipulieren kann, lässt sich aber ansonsten auf keine weitere Erörterung ein: Das ist definitiv enttäuschend!
Inwieweit sich OSINT-Datenquellen ausschalten oder manipulieren lassen, ohne dass dies aus anderen Datenquellen dann doch auffliegt, kann ich nicht beurteilen. Den Geheimdiensten ist vieles zuzutrauen; aber durchaus kann Hersh hier auch - vorsätzlich oder fahrlässig - falsch informiert worden sein. Was dennoch nicht bedeuten muss, dass DER KERN seiner Geschichte, d. h. seine Beschuldigung der US-Regierung als Verantwortliche, falsch sein muss. 

11) Hersh behauptet sehr konkret, die Atemversorgung der Taucher sei mit einem Gemisch aus Sauerstoff, Stickstoff und Helium erfolgt. Dagegen ist es lt. Alexander Vorschrift der US-Marine, in der fraglichen Tiefe mit einem Gemisch aus Sauerstoff und Helium zu tauchen. Als Beweis verlinkt er zu einem 987-seitigen Handbuch.
Ich werde mich hüten, mich als Laie in diesem Gestrüpp zu verfangen. Jedenfalls kann ich mir vorstellen, dass es Gründe gegeben haben könnte, hier abweichend vom Handbuch ein Trimix einzusetzen. Darüber hinaus kann sein Informant oder Hersh selber was missverstanden oder einen bloß vorläufigen Informationsstand reproduziert haben, der nicht mit der tatsächlichen Ausführung übereinstimmte.
Auch hier wäre es freilich wünschenswert, dass Hersh auf solche Einwände eingeht.

12) Weiterhin versucht Alexander, die für eine Tauchoperation erforderliche Zeit zu kalkulieren und hält die für drei Tauchgänge erforderliche Zeit wohl irgendwie für zu lang. Ich kann ich nicht nachvollziehen was GENAU er damit beweisen will: Immerhin hat das Manöver mehrere Tage gedauert, so dass die Zeit allemal ausgereicht hätte.
Merkwürdig ist, dass Alexander von DREI Tauchgängen spricht, obwohl es doch VIER Explosionsstellen gab. Weiß er das nicht? Oder verschweigt er das ganz bewusst, um die Legende von "Putin hat die Pipelines sprengen lassen, aber ganz bewusst eine ausgenommen" am Leben zu halten?

13) Alexander versteht nicht, warum die USA es für notwendig gehalten haben könnten, Dänemark und Schweden über ihre geplanten Tauchaktivitäten zu informieren, obwohl doch ohnehin das BALTOPS-Manöver als Tarnung dafür dienen sollte. 
Das erscheint in der Tat widersprüchlich, ist es aber nicht zwingend. Zumindest abstrakt ist es für mich als Laien vorstellbar, dass das Manöver die Sabotage-Aktivitäten zwar gegenüber Außenstehenden (insbesondere den Russen!) erfolgreich tarnen konnte. Jedoch Dänen und Schweden aufgrund ihrer Unterwasser-Überwachungssysteme davon etwas hätten mitbekommen können. Ist also ebenfalls eine Frage für Fachleute. 

14) Sodann zerreißt Alexander die Passage von Hersh, wo es darum geht, dass die Tarnung der Sprengsätze in irgendeinem Zusammenhang mit dem Salzgehalt des Wassers gestanden habe.
Dazu verweise ich auf meine Ausführungen zu I/21. Auch das ist natürlich eine Frage, welche die Medien an Fachleute richten könnten. Die sie aber offensichtlich nicht stellen wollen.

15) Nun nimmt sich Alexander die Angaben von Hersh über die Zündung der Sprengladungen vor, demzufolge ein Poseidon-8 Flugzeug der norwegischen Marine eine Sonarboje abgeworfen haben soll. Dabei entdeckt er eine ganze Reihe von Implausibilitäten:
  • Diese Flugzeuge sind Teil der norwegischen Luftwaffe, nicht der Marine. [Kann ein Irrtum von Hersh oder seinem Informanten gewesen sein; ist jedenfalls kein "Killer-Argument" gegen seine Darstellung!] 
  • Die Flugzeuge seien zum fraglichen Zeitpunkt noch gar nicht regulär in Dienst gestellt gewesen. [Das dürfte zutreffen; jedoch machten sie längst Probeflüge. Und ich wüsste nicht, wieso man auf solchen Flügen keine Sonarbojen hätte abwerfen können.]
  • Solider ist da schon das Argument von Alexander, dass ein Flug eines norwegischen Überwachungsflugzeuges in der Gegend von Bornholm ganz und gar nicht nach Routineflug ausgesehen hätte. Da hat er wohl Recht. 
  • Wiederum unter Verwendung öffentlich zugänglicher Datenquellen zeigt er sodann auf, dass sich die norwegischen P8 Flugzeuge bei ihren Übungsflügen im hohen Norden herumgetrieben haben. Die dortige Gegend ist wohl auch tatsächlich ihr Einsatzgebiet (zur Überwachung russischer U-Boot-Bewegungen). [Scheint ebenfalls ein valider Punkt zu sein, wobei ich freilich nicht weiß, inwieweit die Geheimdienstler die Daten manipulieren oder dafür sorgen konnten, dass das Flugzeug keine Spuren hinterlässt.]
  • Kurz NACH der ersten Explosion (südlich von Bornholm) überflog eine AMERIKANISCHE Poseidon-8-Maschine den Anschlagsort. Das wirft für Alexander die (berechtigte!) Frage auf, wieso die Aktion von einem norwegischen Flugzeug hätte ausgeführt werden müssen, wenn doch offenbar auch amerikanische Maschinen diese Stelle erreichen konnten. [Valider Einwand!]
  • Ich selber frage mich, ob tatsächlich der Abwurf von nur einer Sonarboje die Sprengereignisse in einer Entfernung von ca. 80 km auslösen kann, d. h. ob die Signale ca. 40 km (unterstellt, der Abwurf sei in der Mitte erfolgt) "reisen" können. (Wenn das möglich sein sollte: Wo ist die Grenze? Hätte man die Sprengungen vielleicht sogar aus noch weiterer Entfernung auslösen können?)
  • Unter Hinweis auf bewährte und verlässliche Signalübertragungssysteme für Unterwasser-Bohrungen usw. attackiert Alexander zum einen Hershs Ausführungen über Risiken einer möglichen Signalverfälschung durch andere (Umwelt-)Geräusche. Und zum anderen die Notwendigkeit, eine Sonarboje zu verwenden, wenn man die Signale über eben diese anderen Geräte hätte senden können. [Ein Thema für Fachleute, bei dem ich mir kein Urteil bilden kann. Allerdings: Sojarboje oder anderer "Sender": Irgendwas musste man verwenden und das musste man irgendwo - in einem Abstand, wo die Signale noch wirksam waren! - irgendwie ins Wasser bringen!]
  • Wiederum führt er das Geheimhaltungsargument ein: Warum überhaupt die Norweger einweihen und  als Helfer benutzen. Aber das hatte er bereits gebracht (vgl. oben Ziff. 4).
16) Sein letztes Argument, warum denn Biden eine Pipeline intakt gelassen habe, ist wiederum Unsinn. Es unterstellt, dass das vorsätzlich geschehen sei, dass also die Unterwasser-Saboteure ganz bewusst nur an drei Pipelines Sprengladungen angebracht hätten. Das ist schon von vornherein eine schräge Annahme, denn näher liegend wäre es ja, an einen Blindgänger zu denken. 
Es ist außerdem eindeutig falsch, denn tatsächlich gab es ja VIER Explosionen (vgl. auch Ziff. 12 sowie "Klärung" im Anfang von Kap. I). Davon zwei an derselben Röhre A des Nord Stream 2 Projekts, so dass man mit fast naturwissenschaftlicher Gewissheit von einem Irrtum ausgehen kann.

17) Ein Kommentator zu Alexanders Blogpost hat einen weiteren Fehler ausgemacht. Hersh behauptet, ein (norwegisches) Flugzeug habe am 26.09.22 eine Sonarboje abgeworfen, und "wenige Stunden danach" seien die Sprengladungen explodiert. Jedoch ging die erste Sprengladung bereits um 2:03 h hoch. Wenn also die Angabe "wenige Stunden später" stimmt (und nicht lediglich ZWEI Stunden später bedeuten soll, was dann zumindest eine unbeholfene Wortwahl wäre), dann müsste das Flugzeug die Boje bereits am 25. abgeworfen haben.

Einem Kommentator des Alexander-Artikels verdanke ich auch den Hinweis auf diesen Tweet von Oliver Alexander vom 28.09.2022. Mit einer in der 2. Hälfte ausgesprochen fragwürdigen Begründung legt sich Alexander dort voll auf Putin als Verantwortlichen für die Sprengungen fest:
"On top of the threat to other pipelines, Putin blew up Nord Stream 1 & 2 to ensure that the reopening of these could not be used as a bargaining tool with the West for anyone who wants to usurp him inside Russia, effectively removing a lifeline for anyone wanting him gone."
Abgesehen von der [durch die Explosionen signalisierten] Bedrohung anderer Pipelines hat Putin Nord Stream 1 und 2 auch deshalb in die Luft gejagt, damit niemand [innerhalb Russlands], der ihn evtl. absetzen wollte, diese als Verhandlungsgegenstand gegenüber dem Westen benutzen könnte. [Gemeint wohl, dass ein evtl. russischer Umstürzler nach der Beseitigung Putins dem Westen - bzw. Deutschland - die Wiederaufnahme der Erdgaslieferungen durch diese Leitungen anbieten könne.] Damit habe Putin eventuellen Umstürzlern eine Lebensversicherung weggenommen. 
Dieses ausgesprochen lächerliche Geschwurbel enthüllt, bis zu welch abstrusem Grade Alexander westliche (Propaganda-)Interessen befördert. Wobei wir natürlich nicht wissen, ob er insoweit privat als "Überzeugungstäter" operiert, oder gegen klingenden Lohn. Jedenfalls schreibt er nicht "sine ira et studio", also nicht ohne Zorn und (propagandistischen) Eifer. Entsprechend kritisch müssen wir uns seine Behauptungen anschauen.
Das alles ändert allerdings nichts daran, dass man seine sachlich begründeten Einwände gegen den Hersh-Artikel ernst nehmen muss; wer sich insoweit auskennt, möge sie nachprüfen.


Fazit: Oliver Alexander ist kein unvoreingenommener Analytiker. Diese Feststellung entbindet und freilich nicht davon, seine Analyse Punkt für Punkt anzuschauen und eine Einschätzung zu versuchen, wo er ein valides Argument gegen Hersh hat und wo nicht.
Wie ich oben im einzelnen gezeigt habe, gehe ich davon aus, dass seine Kritik an der Darstellung von Hersh in einer Reihe von Punkten, durchaus auch von wesentlichen Punkten, berechtigt ist. Und würde mir wünschen, dass Hersh sich dazu äußert.
Aber selbst wenn Hersh Schilderungen über
  • die Ausbringung der Sprengsätze und
  • deren Zündung
falsch sein sollten, beweist das in keinster Weise, dass auch seine zentrale Behauptung, wonach die US-Regierung hinter dem Anschlag steckt, falsch sein muss (vgl. näher Kap. IV und V, aber auch schon verschiedene meiner Anmerkungen im Kap. I).



IV. SECHS STARKE INDIZIEN SPRECHEN FÜR TÄTERSCHAFT DER USA

Zwar wurde anfänglich hauptsächlich Russland verdächtigt, den Anschlag verübt zu haben. Und alle möglichen Pseudo-Motivationen erfunden, um dieser rein ökonomisch ausgesprochen abenteuerlichen Behauptung einen Anschein von Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Aber ausgerechnet in den USA selber wurde schon frühzeitig der Verdacht geäußert, dass der Sabotageakt ein Werk dieses Landes sein könne. Unter "Nord-Stream-Sprengung: Verdacht fällt auf die USAberichteten die DEUTSCHE WIRTSCHAFTS NACHRICHTEN am 05.10.2022, dass sich "der US-Ökonom Jeffrey Sachs und der ehemalige Pentagon-Berater Douglas Macgregor ..... unabhängig voneinander zu dem vermutlichen Sabotage-Akt der Nord-Stream-Pipelines geäußert [haben]. Beide kommen zu dem Schluss, dass die USA sehr wahrscheinlich hinter dem Anschlag stecken – entweder direkt oder mithilfe von Verbündeten wie Polen oder Großbritannien."
Insbesondere im Zusammenhang mit meinem Kapitel II. ist auch diese Passage bemerkenswert:
"Sachs verteidigte darüber hinaus seinen Verdacht einer US-Beteiligung an der Nord-Stream-Sabotage damit, dass viele Beamte und Experten privat mit dem Finger auf Washington zeigen, dies aber nicht öffentlich äußern würden: „Ich weiß, dass dies unserem Narrativ zuwiderläuft – im Westen darf man so etwas nicht sagen. Aber Tatsache ist, dass überall auf der Welt, wenn ich mit Menschen spreche, sie glauben, dass die USA es getan haben.
Das wurde aber wohl seinerzeit nicht breit berichtet; stattdessen wurde ein ehemaliger Chef eines ukrainischen (!) Gaskonzerns zum "Experten" hochgejubelt - und hat, wenig überraschend, Russland beschuldigt: "Experte: „Sprengstoff wurde bereits beim Bau der Pipeline angebracht“ (04.10.2022).


Dabei sind die Indizien für eine US-Täterschaft massiv:
 
1) Das (vom zeitlichen Ablauf her) allererste Indiz ist die Tatsache, dass die USA ohne irgendwelche Skrupel versucht haben, Deutschland mittels Sanktionen (gegen beteiligte Unternehmen) daran zu hindern, die Pipeline Nord Stream 2 zu bauen bzw. Gas daraus zu beziehen. Wer so gegen seinen "Freund" und Verbündeten vorgeht, der schreckt auch nicht davor zurück, die Pipeline hinterher in die Luft zu jagen. Insbesondere dann nicht, wenn er hofft, unentdeckt damit durchzukommen (vgl. I/8).

2) Das zweite (und wohl meisterwähnte) Indiz sind natürlich die Äußerungen von Victoria Nuland, Antony Blinken und, besonders gewichtig, die von Joe Biden auf der Pressekonferenz vom 07.02.2022 anlässlich des Besuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz in Washington (vgl. I/14).

3) Die ökonomischen Argumente - Deutschland zu zwingen, amerikanisches Frackinggas zu kaufen - sind ebenfalls valide Indizien für eine US-Täterschaft. Allerdings glaube ich (ebenso wie Seymour Hersh) nicht, dass die im politischen Entscheidungsprozess der Biden-Administration eine wesentliche Rolle gespielt haben. Da ging es tatsächlich um den politischen Aspekt, Deutschland aus der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen "herauszuhauen" - quasi im Wortsinne.

4) Ein sehr gewichtiges Indiz ist auch die Tatsache, dass Schweden und Dänemark eine Gemeinschaftsuntersuchung des Anschlages verweigern. Am 15.10.2022  las man zwar noch: "Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte ..... eine gemeinsame Ermittlungsgruppe von Deutschland, Schweden und Dänemark zu den Explosionen an." So hatte man es ursprünglich offenbar abgesprochen; aber diese Information war bereits überholt. 
Denn schon am 14.10.22 hatte die TAGESSCHAU herausgefunden und gemeldet, dass es "Keine gemeinsamen Ermittlungen" geben werde:
"Schweden, Dänemark und Deutschland wollten die Zerstörungen an den Pipelines eigentlich gemeinsam untersuchen und herausfinden, wer dafür verantwortlich ist. Doch dazu kommt es nun doch nicht. Wie das ARD-Hauptstadtstudio in Regierungskreisen erfuhr, gibt es keine gemeinsame Ermittlungsgruppe mehr. Zunächst habe sich Schweden aus dem sogenannten Joint Investigation Team (JIT) verabschiedet - und dann auch Dänemark."
Begründet wurde diese seltsame Wende mit angeblichen "Bedenken mit Blick auf die Geheimhaltung". 
DIESE Tatsache - erst bereit zur gemeinsamen Aufklärung, plötzlich Rückzieher gemacht - ist zunächst einmal eine Unverschämtheit sondergleichen (die in jedem normalen Volk wütende Proteste hervorgerufen hätte; schließlich geht es um UNSERE Energieversorgung!).
Vor allem aber verstärkt dieses hü und hott die Indizienwirkung dafür, dass die USA (oder ein anderes "Partnerland", auf jeden Fall aber NICHT RUSSLAND!) den Terrorakt begangen hat. Und macht darüber hinaus auch die Darstellung von Hersh plausibel, dass Dänemark und Schweden bis zu einem gewissen Grad in das Vorhaben eingeweiht waren und das nunmehr unter der Decke halten wollen.
(Das steht keineswegs im Widerspruch zur anfänglich gezeigten Kooperationsbereitschaft. Denn sicherlich hatten die USA nicht offiziell die Regierungen informiert, sondern lediglich einige wichtige Personen dort eingeweiht. Die werden das ihrer jeweiligen Regierung erst dann "gebeichtet" haben, nachdem diese bereits Gemeinschaftsermittlungen mit Deutschland zugesagt hatten.)

5) Dasselbe Indiziengewicht hat die Tatsache, dass sogar unsere eigene deutsche Regierung keinerlei Informationen über ihre eigenen Ermittlungen herausrückt: und das nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit, sondern sogar gegenüber dem Deutschen Bundestag bzw. einer kleinen Personengruppe darin im Geheimdienstausschuss.

6) Ein sechstes Indiz ergibt sich aus der Analyse unten in Kap. V, woher das, was Hersh schreibt, überhaupt kommen kann: Am wahrscheinlichsten ist, dass es eine gezielte (Des-)Information seitens der CIA war. "Desinformation", weil viele Details eindeutig falsch sind. Und dennoch im Kern "Information", weil die USA tatsächlich das für den Anschlag verantwortliche Land sein dürften.


Es ist nun nicht so, dass die o. a. SECHS SCHWERWIEGENDEN INDIZIEN für eine Täterschaft der USA (zumindest die ersten fünf davon) in den deutschen Medien überhaupt nicht genannt würden. So hätte das der Jupp gemacht, damals, als die Menschen "Feindsender" nur unter Lebensgefahr abhören konnten. Diese plumpe Tour kann man heute nicht mehr bringen; in unseren Tagen und in unserer Gesellschaftsordnung muss man die Desinformation subtiler gestalten - und genau das geschieht auch. So hüten sich die deutschen Mainstream-Journalisten wohlweislich, den Medienkonsumenten die GEBALLTE LADUNG dessen zuzumuten, was gegen unsere "Freunde" spricht. Stattdessen greifen sie immer nur einzelne Punkte heraus, um die Indizienlast gegen die USA herab zu spielen (häufig die Biden-Rede, die ja auch bei Hersh eine wesentliche Rolle spielt).
Geht es freilich darum, den Russen die Terrortat anzuhängen, dann sind den Sch(l)andmedien noch die allerdümmsten "Argumente" gut genug. Insoweit verweise auf die oben in Kap. II besprochene komplett bescheuerte Handelsblatt-Fantasie, dass die Russen drei Röhren zerstört haben könnten, um Deutschland zu zwingen, sein Gas durch die vierte zu beziehen. Oder auf die ebenfalls oben (ausführlich) behandelte dpa-Meldung und den Korrespondentenbericht in der FAZ über Putin als angeblichen Verantwortlichen für den Abschuss einer Passagiermaschine: DA haben die Journalisten nicht nach Beweisen gefragt; blindlings haben sie eine Propagandameldung verbreitet, deren totale Unwahrscheinlichkeit und faktische Unmöglichkeit jedem vernünftigen Mensch sofort hätte auffallen müssen.


Man könnte als siebtes Indiz noch die Falschinformation über Putins angebliche Verantwortlichkeit für den MH17-Abschuss und die Story über die Segeltörn-Terroristen anfügen. Das wäre allerdings zirkelschlüssig, denn diese Geschichte wird man logischer Weise nur dann als Desinformationsversuch bewerten, wenn man Hershs Story jedenfalls im Kern für richtig hält.



V. FAZIT ZU KAP. III UND IV: IST DIE HERSH-ENTHÜLLUNG GLAUBWÜRDIG?

Die Frage, ob die Hersh-Enthüllung glaubhaft ist oder nicht, kann man richtiger Weise nur mit einer Gegenfrage beantworten: "In welcher Hinsicht?"
Denn Recht haben und Recht haben können in diesem Falle zwei sehr unterschiedliche Sachverhalte sein:
  1.  Hersh kann INSGESAMT Recht haben, d. h. er hat die Planung des Anschlags, die Ausbringung der Sprengsätze und schließlich auch den Ablauf der Zündung zumindest im Wesentlichen korrekt beschrieben.
  2. Hersh kann in zahlreichen, durchaus auch zentralen Detailangaben falsch liegen. Und dennoch kann seine KERNBOTSCHAFT zutreffen, dass die Terroranschlag auf die beiden Nord Stream Projekte von der amerikanischen Regierung ausging. 
Ich persönlich glaube, dass Version 2. zutrifft. Wobei es für die Diskrepanz zwischen Wahrheit der Kernbotschaft und Nicht-Wahrheit wesentlicher Details vor allem zwei unterschiedliche Gründe geben kann:
  • (Redlicher) Informant war nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt beteiligt und hatte von späteren Änderungen keine Kenntnis mehr. Geht aber davon aus, dass die weitere Abwicklung auf Basis des ihm bekannten Planungsstandes erfolgte.
  • (Unredlicher) Informant hat Hersh für perfide Informationsstrategie (eines Geheimdienstes bzw. einer Regierung) missbraucht, bei der eine wahre Kernbotschaft mit unwahren Einzelheiten derart überformt wurde, dass sie, wenn sie "auffliegen", die Kernbotschaft im Bewusstsein der Informationsempfänger total überlagern und diskreditieren (vgl. unten Ziff. 6). 
  • Denkbar wäre auch eine Mischform: Ein grundsätzlich redlicher Informant will, aus welchen Gründen auch immer, nicht eingestehen, dass er über bestimmte Einzelheiten eines Vorgangs nicht informiert ist. Und erfindet zu einer grundsätzlich zutreffenden Story einiges dazu.

Hersh selber versteift sich allerdings darauf, dass seine Darstellung auch im Detail zutrifft. So sagt er z. B. in einem Interview mit dem Wiener EXPRESS:
Ich weiß, was ich geschrieben habe, ist wahr. Ich weiß, es ist richtig. Ich kenne die Treffen, die ich beschrieben habe, und die Details über das, was in Norwegen passiert ist. Ich beschäftige mich seit 50 Jahren mit Geheimdiensten.
Der letzte Satz ist natürlich kein Beweis dafür, dass sein Informant ihn wirklich korrekt informiert hat.
Es baut für Hersh nicht wirklich Vertrauen auf, wenn er in seinem Mailwechsel mit Oliver ALEXANDER (Anhang am Schluss dieses Artikels) pampig wird.


Wenn ich versuche, sämtliche "Richtungen" (z. B. Länder) aufzulisten, aus denen die Informationen (oder "Informationen") überhaupt kommen können, dann sehe ich folgende Möglichkeiten:

1) Hersh hat den Text frei erfunden. Das glaube ich zwar nicht; aber in einer wirklich umfassenden Übersicht der rein theoretisch vorstellbaren Informationswege darf auch diese Variante nicht fehlen.

2) Eine ebenfalls erfundene Story, die ihm jedoch von einem russischem Agenten (oder auch Agenten eines Drittstaates) untergejubelt wurde, um die USA "anzuschmieren" und/oder sich selber vom Verdacht reinzuwaschen. Gegen diese Gefahr hätte Hersh sich absichern können und müssen, indem er die Angaben seines  Informanten über dessen Status überprüft. Der müsste sich ja als Regierungsmitarbeiter (wahrscheinlich CIA-Mitarbeiter) ausgeben haben, und die Richtigkeit kann Hersh mit seinen Kontakten in den "Apparat" sicherlich nachprüfen. 
Ob er das getan hat, weiß ich nicht. Manchmal ist er in Interviews akustisch nicht gut zu verstehen und natürlich ist auch mein Englisch "far from perfect". Jedenfalls schien es mir, dass er einschlägigen Fragen wortreich ausweicht. Auch dass hinterlässt keinen guten Eindruck. Hier sehe ich eine Bringschuld von Hersh gegenüber der Öffentlichkeit (und hätte bei ihm angefragt, wenn mir seine Mailadresse bekannt wäre). Jedenfalls gefährdet eine diesbezügliche Klarstellung in keinster Weise den Schutz seines Informanten. 
Unabhängig davon ist es allerdings sehr unwahrscheinlich, dass insbesondere der russische Geheimdienst nicht eine "wasserdichtere" Story präsentiert hätte. Schließlich hätte man einfach behaupten können, dass die Amerikaner die Sprengladungen während des Baltops22-Flottenmanövers durch unbemannte U-Boote ausgebracht haben: Das hätte kein OSINT-Analyst nachprüfen (und somit nicht falsifizieren!) können, denn dazu gibt es keine öffentlichen Daten. Ebenso hätte man ein nicht nachprüfbares (aber plausibles) Narrativ zu den Zündungen der Sprengladungen konstruieren können. 

3) Eine weitere, zumindest abstrakte Möglichkeit wäre, dass ein Wichtigtuer am Werk war, der sich "aufspielen" wollte. 
Aber auch das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Was hätte der davon? Berühmtheit (wie Herostratos) jedenfalls keine, denn seine Identität muss ja im Dunkeln bleiben. Und wenn er schon derart zahlreiche Details erfunden hätte, dann müsste das doch wohl zumindest eine in Marinedingen zumindest als interessierter Laie beschlagene Person sein (die z. B. ein wenig über das Baltops22-Manöver wusste). Doch hätte eine solche Person nicht ebenfalls eine Story erfunden, die plausibel klingt, aber nicht nachprüfbar ist? 
Vor allein Dingen könnte ein solcher Geschichtenerzähler nichts von der Existenz der Sullivan-Arbeitsgruppe wissen und hätte folglich darüber nichts erzählen können. Sie kann aber, wie wir oben (I/11) gesehen haben, keine Fata Morgana sein: Rein von der politischen Lage her muss es eine derartige "interagency group" tatsächlich gegeben haben (und immer noch geben).

4) GANZ GENAU so, wie Hersh das schildert bzw. andeutet: Von einem echten Informanten, der aus Gewissensgründen "ausgepackt" hat. 
Dagegen spricht nun freilich, dass einige zentrale Elemente von Hershs Darstellung definitiv nicht zutreffen (vgl. Kap. III mit den substanzhaltigen Einwendungen gegen den Hersh-Text). Ganz genau in der Weise, wie Hersh es darstellt, können die Vorgänge definitiv NICHT abgelaufen sein.

5) TEILWEISE SO, wie Hersh es schildert. Aber die falschen Teile nicht erfunden, sondern deshalb falsch, weil der Informant nicht (mehr) alles mitbekommen hat. Und die Pläne nach seinem Ausscheiden aus dem Projekt geändert wurden.

6) Bisher haben wir die Varianten "Erfindung" und "Wahrheit" durchgecheckt. Sehr gut denkbar, und in meinen Augen sogar wahrscheinlich, ist jedoch eine Mischung beider Komponenten: "Dichtung und Wahrheit", sozusagen. 
Wenn die USA den Anschlag begangen haben (und eine Aufdeckung befürchten müssten), dann wäre es eine hochintelligente Art des Abstreitens, die Tatsache als solche "durchsickern" zu lassen (über einen "halbechten" Informanten).
Doch während man auf der einen Seite die Tat eigentlich "zugibt", verpackt man dieses Eingeständnis auf eine Weise, die es als unmöglich, weil unglaubwürdig, erscheinen lässt. Man sagt also etwa: "Ja, die USA haben die Pipeline gesprengt. Und zwar ist das wie folgt abgelaufen: ..... ". Stellt sich hinterher heraus, dass es SO nicht abgelaufen sein kann, dann wird die weit überwiegende Mehrzahl der Informationsempfänger unbewusst schlussfolgern: Wenn das gar nicht SO passiert ist, dann ist die Information insgesamt falsch; Amerika kann gar nicht der Täter gewesen sein!
Welchen Nutzen könnten sich die USA von einem derartigen Vorgehen versprechen?
Die Informationsweitergabe an Hersh könnte ein "Versuchsballon" gewesen sein: Man gewöhnt die Germanen an die Vorstellung, dass es die USA waren. Zugleich könnte man aber die KONKRETE Schilderung von Hersh widerlegen. In einem  Wechselbad der Gefühle werden vielleicht die Germanenfrösche langsam abgekocht. Bis sie dann, wenn tatsächlich durch Ermittlungsergebnisse (insbesondere aus Schweden oder Dänemark) die Täterschaft der USA zweifelsfrei feststeht, dermaßen abgestumpft sind, dass sie sich darüber nicht groß aufregen.
Gegen diese Variante scheint zu sprechen, dass die  SUBSTANZHALTIGSTE Widerlegung, nämlich die von Oliver ALEXANDER, erstmalig nur auf seinem (Substack-)Blog erschienen ist und nicht in den Mainstream-Medien. (Das ist zwar dasselbe Argument, das die MM gegen Hersh ins Feld führen. Aber Hersh "ist jemand"; Alexander dagegen ist ein relativer Niemand.) 
Aber ohnehin sind die Deutschen schon derart abgestumpft, dass sie sich gar nicht weiter aufgeregt haben über den US-Angriff gegen ihren "Freund und Verbündeten".
[Von daher sind die Desinformationsgeschichten über Segeltörn-Terroristen und Russenschiffe eigentlich unverständlich, weil kontraproduktiv: Sie halten lediglich nur eine Debatte am Leben, die eigentlich sehr schnell eingeschlafen war (bzw. erfolgreich eingeschläfert wurde).]

7) Rein theoretisch wäre auch eine innenpolitische Zielsetzung der Enthüllung möglich. Beispielsweise könnten die Republikaner versucht haben, die Biden-Administration schlechtzumachen. Umgekehrt könnte Biden damit versucht haben, sich als "harter Hund" darzustellen. 
Allerdings sehe ich keinerlei Anhaltspunkte für eine inneramerikanische Stoßrichtung der Hersh-Enthüllung. Die von den US-Medien anscheinend kaum rezipiert wurde.

8) Auf jeden Fall besteht Hershs Text nicht nur aus dem, was ihm sein Informant gesagt hat; es gibt auch Passagen, die ziemlich eindeutig als "Beimischungen" von Hersh auszumachen sind. So etwa die "literarische" Beschreibung der Tauchschule (I/1), der Hinweis auf eine frühere klandestine Taucheroperation (I/12) und vermutlich auch die Passage betr. Stoltenberg (I/17). Ich denke indes nicht, dass Hersh Einzelheiten über die Ausführung des Anschlages erfunden hat.


MEINE EIGENE EINSCHÄTZUNG:

Ursprünglich habe ich dazu tendiert, die unbestreitbaren Fehler darauf zurückzuführen, dass Hershs Informant bereits vor der Ausbringung der Sprengsätze aus dem Projekt ausgeschieden war. Und ihm einen überholten Planungsstand als "Tatsachen" mitgeteilt hat (Ziff. 5).

Mittlerweile neige ich eher dazu, eine gezielte Desinformation in Gestalt einer Mischung aus "Dichtung und Wahrheit" anzunehmen (Ziff. 6).


Vermutlich könnte man meine Überlegungen zur wahrscheinlichsten Informationsquelle und deren Motiven noch weiter ausbauen und vertiefen. Sicherlich existiert auch dazu ein akademischer Forschungszweig mit einschlägigen Experten. 
Aber für mich ist an dieser Stelle das Ende meiner intellektuellen Fahnenstange erreicht. Hier muss ich die "wisdom of the crowds" meiner Leserinnen und Leser appellieren, die uns mit ihren Kommentaren vielleicht weiterbringen möchten.



VI. WAS ENTHÜLLT DER UMGANG MIT DER HERSH-ENTHÜLLUNG ÜBER DIE GLAUBWÜRDIGKEIT DER DEUTSCHEN MEDIEN ?

Was immer sonst Hersh aufgedeckt haben mag oder nicht: Auf alle Fälle hat er, wenn auch unbeabsichtigt, dem KONSENSFASCHISMUS der deutschen Medienapparatur die Maske vom Gesicht gerissen. Genauer gesagt hat Hershs Bericht die deutschen Desinformations-Medien-Macher dazu verleitet, ihre hässlichen Agitprop-Visagen selber zu entblößen.

Jupp würde jubeln, wenn er die Perfektion der Massenpropaganda unter dem Regime des Konsensfaschismus noch hätte erleben dürfen. Wo der in grauer medialer Vorzeit die Journalisten noch mühsam mit einer "'Reichspressekammer" einhegen musste, schalten sich die heutzutage gleich selber gleich.
Der Konsensfaschismus kommt ohne Führer aus. Er funktioniert autopoietisch, indem sich alle möglichen gesellschaftlichen Subsysteme (Parteien, Medien und Amtskirchen; aber auch Unternehmen, Gewerkschaften - und sogar Sportverbände und Vereine jedweder Art) aus eigenem Antrieb wie Magnetspäne "politisch korrekt" formieren.

Besonders schön ist (und hätte den Jupp sicher sehr verwundert), dass der Konsensfaschismus auch völlig ohne KZs auskommt. Ja, er kann sogar "Meinungsfreiheit" zulassen! Mit abweichenden Meinungen wird die machthabende Marschkolonne im Regelfalle spielend fertig. Und im Notfalle wird solche Frechmilch der unfrommen Denkungsart mit dem Kampfbegriff "Hassrede" entrahmt. Aber normaler Weise reicht es völlig aus, die Herde auf die "richtige" Trift zu treiben, dann wälzt sie sich ganz von alleine auf die Klippen zu.

Dass sich vielleicht das eine oder andere entartete Tier (vorliegend z. B. der Verfasser) seitwärts in die Büsche schlägt, ist nicht schlimm: Jegliche Opposition bleibt ohne Einfluss auf den Lemmingszug der Massen. 
Wenn trotz geballter Propagandasätze doch irgendwo ein ernst zu nehmender Gegner emporwächst (wie beispielsweise die AfD) dann wühlen dort unterbelichtete Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretiker und Kleptokraten-Kumpane (vulgo Putinisten) in einem dolosen Gleichschritt mit denjenigen Regimekräften, die derartige Oppositionskräfte in den rechten Straßengraben zu drücken und zu manövrieren versuchen, so lange, bis sie ihre eigene Partei ins Abseits geschossen haben. Höchst praktisch für das konsenfaschistische Regime, das solche Randparteien dann nicht einmal verbieten muss!

Solange die Medien in Treue fest zu den konsensfaschistischen "Werten"  stehen (z. B. einer sklavenähnlichen DUSF - Deutsch-US-amerikanischen Freundschaft; Massenimmiggression; ökonomischer Regression und "ökologischer" Umwelt-Destruktion), haben die herrschenden Elemente alles im Griff auf dem absaufenden Germanen-Schiff!

Wundert sich da noch wer, wenn die Russen im gegenwärtigen Ukrainekrieg jene Propagandalügen glauben, die ihnen ihre einheimischen Medien einhämmern? 



VII. DEUTSCHLAND MUSS DEUTLICH, ABER DURCHDACHT AUF DEN 9/26-ANSCHLAG REAGIEREN!

Wäre ich selber ein Außenstehender und anglophon, dann würde ich über die Hersh-Enthüllung sagen:
If them Krauts had any kind of guts, they'd be mad as hops about the 9/26 BALTIC BANG bald hops!
(Wenn die "Kraut" nur noch einen Rest von "Eiern" hätten, wären sie stinksauer über den 9/26 Ostsee-Knall "bald hops".)

Indes sind die Deutschen zu einem Volk von Hosenscheißer degeneriert. Selbst dem AfD-Gründer Bernd Lucke schlackern, in Sachen Ukrainekrieg, die Manschetten vor Atomangst. (SO gesehen, könnte er eigentlich seiner einstigen AfD wieder beitreten. Wenngleich die sich heute als "Alternative für Despoten" geriert, als Putin-Papagei-Partei.)

Allerdings muss man für die Erarbeitung von Reaktionsszenarien den (Un-)Gewissheitsgrad einer US-Täterschaft berücksichtigen:
  • Wie sollte Deutschland reagieren, wenn lediglich Indizien für eine US-Täterschaft sprechen und
  • wie, wenn die Urheberschaft der USA sicher feststeht?

Auf der Grundlage der aktuell noch ungesicherten Information über die US-Täterschaft könnte unsere Regierung im Moment nur immer wieder und in aller Deutlichkeit klarstellen (insbesondere auch via Interviews in US-Medien), dass unser Land sauer ist über den Anschlag. Und dass es KEINERLEI Rechtfertigung dafür gibt.

Sollte die US-Urheberschaft zweifelsfrei festgestellt werden, müssen wir sorgfältig abwägen, auf welche Weise Deutschland seiner Empörung angemessen Ausdruck verleihen kann - ohne dass wir die NATO verlassen und/oder die US-Truppen aus Deutschland rauswerfen, wie der Partei- und Fraktionsvorsitzende der AfD, der Putin-Papagei Tino Chrupalla, das gefordert hat. (Berechtigt war freilich die Forderung der AfD nach einem Untersuchungsausschuss des Bundestages!).
Nachtrag 30.03.2023: Einige westdeutsche Bundestagsabgeordnete der AfD haben den Versuch unternommen, die Ukrainepolitik der Partei zwar nicht im Kern zu ändern, aber wenigstens nach außen besser aussehen zu lassen. In ihrem Artikel "Beschluß der Bundestagsfraktion. AfD richtet Ukraine-Politik neu aus" vom 30.03.2023 berichtet die Junge Freiheit, dass die Fraktion "mit großer Mehrheit ein neues Positionspapier zu Bundeswehr und Ukraine-Krieg beschlossen" hat. Dort heißt es u. a.,daß die „westliche Politik die Eskalation in der Ukraine begünstigt hat.  Gleichzeitig ist der russische Angriff auf die Ukraine, der durch die Fehler westlicher Politik nicht zu rechtfertigen ist, klar zu verurteilen". Und weiter: „Die richtige Antwort auf die verkürzte und einseitige Darstellung des Ukrainekrieges und seiner Hintergründe im deutschen Mainstream ist nicht eine kritiklose Übernahme russischer Positionen, sondern eine differenzierte Bewertung entlang deutscher Interessen.“ Aber der Satz "Dass wir im Ukrainekrieg Diplomatie statt Waffenlieferungen fordern, macht uns nicht zu Verbündeten linker Pazifisten, die sich seit Jahren gegen jede deutsche Wehrfähigkeit wenden" zeigt doch, dass sich im KERN nichts geändert hat: Nach wie vor lehnt es die Putin-Papagei-Partei ab, die ukrainischen Vaterlandsverteidiger mit Waffenlieferungen gegen den russischen Aggressor beizustehen. Und der Beschluss ist auch nicht auf der AfD-Fraktionswebseite veröffentlicht worden, auch nicht in den Pressemitteilungen. Mit anderen Worten: In Wahrheit ändert sich NICHTS an der putinfreundlichen und patriotenfeindlichen Ukrainepolitik der AfD!

Mit einer überschießenden Reaktion gefährden wir unsere eigenen wohlverstandenen Interessen. Ein (vernünftig geführter) Staat kann nicht so reagieren wie ein Privatmann das vielleicht tun würde und vor Wut "alles kurz und klein schlagen".
Russland ist nicht unser Freund, sondern tendenziell unser Gegner. Selbst wenn sich Amerika uns gegenüber nicht immer wie ein wahrer Freund verhält, steht es am Ende, wenn es hart auf hart kommt, doch auf unserer Seite. Nicht aus brüderlicher Liebe, sondern aus knallhartem Eigeninteresse. Was ohnehin immer die solideste Basis für "Freundschaften" zwischen Staaten ist.



VIII. DIE VOLKSVERARSCHE WIRD TÄGLICH DREISTER!
(Segeltörn-Terroristen und andere Ablenkungsmanöver)

Zufälle gibt's, die gibt's gar nicht: Am 03.03.2023 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den US-Präsidenten Joe Biden in Washington besucht, auf einer Reise, die sogar die deutschen Medien als "rätselhaft" bezeichnet hatten.

Und wenige Tage später hat man, Schwupps, die Anschlagstäter identifiziert: Eine Gruppe Freizeit-Terroristen war's gewesen! 
Am 07.03.2023 brachte die New York Times und einige deutsche Medien Stories über angebliche Hobbyterroristen mit Anti-Putin-Gesinnung und/oder mit Ukraine-Bezug.
Die sollen (den deutschen Medienberichte zufolge) am 06.09.2022 von einem offenbar kleinen Bootchen aus (Name oder zumindest Angaben zur Größe des Bootes werden selbstverständlich nicht berichtet!) an VIER verschiedenen Stellen (vgl. in Kap. I meine Anmerkungen zu Ziff. 27) Sprengstoff gelegt haben. Den sie dann ca. 20 Tage später gezündet (auf welche Weise?) oder aber gleich mit Zeitzündern versenkt haben müssten.
Welche Berufe die hatten, DAS weiß man ganz genau. Wer die Personen freilich waren: das weiß man nicht.

Für mich ganz klar eine RÄUBERPISTOLE oder, auf neudeutsch, Fakenews.

Vom ZEIT-Interview "Sprengung der Nord-Stream-Pipelines: 'Die Bombe könnte auch meine Mama anbringen' " (15.03.23) mit dem deutschen Extremtaucher Achim Schlöffel kann man leider nur einen winzigen Textfetzen gratis lesen. Doch schon die Überschrift zeigt, wohin die Tendenz geht: Den Lesern die Räuberpistole von den Freizeit-Terroristen glaubhaft erscheinen zu lassen. Mittels, nach meinem Eindruck von der Überschrift her, einer weiteren Räuberpistole.
Der FOCUS fokussiert sich weniger auf eigenen Journalismus, als auf das Ausschlachten anderer Medien. So hat er, diesmal für uns Leser sogar nützlich, auch den ZEIT-Artikel ausgeschlachtet, um seine eigene Webseite mit "content" zu befüllen. In dem Bericht "Extremtaucher über Nord-Stream-Sabotage: 'Die Bombe könnte auch meine 80-jährige Mama anbringen'." erfahren wir u. a.: "Unten angelangt könnten sie die Sprengladungen an der Pipeline platzieren". Ich weiß natürlich nicht, ob das im Original genauso ist: Aber hier stört mich gewaltig das Fehlen einer Erklärung dieses "Experten", auf welche Weise die gigantischen Sprengstoffmengen vom Seegelbootchen in die Tiefe gebracht worden sein könnten. Und wie die Taucher hunderte Kilo Sprengstoff von derjenigen Stelle, an der er von oben "gelandet" ist, zur Pipeline weitertransportieren.

Einen anderen, freilich anonymen, Experten hatte der österreichische EXPRESS befragt. Und titelte unter dem 14.03.23: "Tauch-Experte enthüllt: So unglaubwürdig ist die jüngste Nord-Stream-Story" und präsentiert zahlreiche Gegenargumente, die auch für einen Laien einleuchtend sind. Zusammenfassend meint er:
"Eine abgewandelte Story von Hersh erscheint dem Tauchexperten immer noch glaubhafter, als die jüngste Version, die einige deutsche Medien präsentiert haben."

Nicht einmal Russland, das doch eigentlich ein Interesse daran hätte, die Ukraine maximal "anzuschmieren", glaubt an die deutsch-amerikanische Desinformationsgeschichte von der proukrainischen Terroristengruppe: "Putin: 'Ukrainer haben Nord Stream nicht gesprengt' " titelt die JUNGE FREIHEIT heute.
Eine weitere, potentiell bedeutsame Information aus diesem Text: "Ein Schiff des russischen Unternehmens Gazprom habe Hinweise auf das Vorhandensein eines weiteren Sprengsatzes an der Gaspipeline entdeckt, sagte der Kremlchef. Dieser sei in etwa 30 Kilometern Entfernung von einer der Explosionsstellen angebracht. Bei der Rohr-Verbindungsstelle sei etwas erkannt worden, von dem Experten glaubten, 'dass es sich um eine Antenne handeln könnte, um ein Signal zum Zünden eines Sprengsatzes zu empfangen'."

Weitere Informationen zur Hobby-Terroristen-Fakenews siehe meinen Blogpost "Terrorakt gegen die Nord Stream-Pipelines: Die Volksverarsche wird täglich dreister!" vom 08.03.2023 (mit späteren Ergänzungen). 


Nachdem die Geschichte von den Hobby-Terroristen auf dem Segelbootchen die Öffentlichkeit nicht so recht überzeugt hat, musste eine neue Räuberpistole her. Diesmal die "bewährte" Schuldzuweisung an Russland
Mit dieser neuen Horror-Story habe ich mich in meinem Blogpost "Nord Stream Sabotage: Wie t-online 'undercover' mit westlichen Geheimdiensten kooperiert" auseinandergesetzt.



IX. SONSTIGES

Seymour Hersh äußert sich in einem Interview der Webseite BREAKING POINTS vom 08.03.2023 zum (fehlenden) Wahrheitsinteresse der US-Medien sowie beiläufig auch zur Räuberpistole vom Segeltörn der anti-putinistischen und/oder pro-ukrainischen Hobby-Terroristen.
Weitere Hersh-Interviews (zu den Segeltörn-Terroristen bzw. allgemein zur Pipeline-Sabotage):
  • 05.03.2023 LondonReal TV ("I heard about this story a month after it happened. Nobody came to me, it was somebody I asked who was inside."Ich habe von dieser Sache einen Monat nach der Sprengung gehört. Nicht dadurch, dass jemand auf mich zugekommen wäre; vielmehr habe ich einen Insider gefragt." An anderer Stelle - ca. min. 8 - berichtet er, dass die Interagency-Gruppe beim Weißen Haus - also letztlich beim Präsidenten - nachgefragt habe, ob man Aktionspläne für reversible - etwa Sanktionen - oder irreversible Aktionen - i. e. Pipeline-Zerstörung - ausarbeiten solle. Das Weiße Haus  habe sich für die "irreversible" Variante entschieden. Gegen min. 13 beschreibt Hersh, dass die Umstellung von der ursprünglich geplanten 48-Std-Zeitzündung auf eine Fernzündung enorm schwierig gewesen sei. Dazu habe die Arbeitsgruppe in allen möglichen großen Laboratorien nachfragen müssen; anscheinend hat letztlich Großbritannien - "England", sagt er - die Lösung geliefert. Bei min. 48 erklärt Hersh, wer ihn auf die Idee gebracht hat, bei Substack zu publizieren: Das sei sein Freund Matt Taibbi gewesen.)
  • Dieses Interview von "Global Research" (wohl eine kanadische Organisation) datiert vom 06.03.2023. Ich habe es mir nur teilweise angehört; Ausschnitte sind auf der Gobal Research-Webseite transkribiert.
  • 10.03.2023 im chinesischen TV. Dazu gibt es, praktischer Weise, auch eine teilweise Transkription. Dort erfahren wir u. a. auch, was er von der Räuberpistole über die pro-ukrainischen Freizeitterroristen hält: "They are trying to divert attention from the story that I wrote, ..... ." - "Die versuchen, die Aufmerksamkeit von meinem Bericht abzulenken."
  • Wohl 10.03.2023 auf dem Kanal "Crux". (Ca. min. 8:08: "The way I described  the story and the source was as vague as possible. ...  It would be dangerous for anybody telling me the story to be in the media. Because one thing my governmnent can do well is find people. ..... I asked a question last fall, in October .....  so I asked a question and I got into the story ....." - "Ich habe die Quelle in der Story bewusst so vage wie möglich beschrieben. Es ist gefährlich für einen Informanten, in den Medien zu erscheinen. Denn die eine Sache, die meine Regierung wirklich gut beherrscht, ist die Identifizierung solcher Personen. Ich habe im Oktober nachgefragt ..... und das war der Beginn meiner Story."

Auf der Webseite "Geopolitical Monitor" vom 02.03.2023 präsentiert ein gewisser Rene Tebel ausgewogene Überlegungen zur Frage "Seymour Hersh’s Nord Stream Theory: Fact or Fiction?"

Um den möglichen Grund zu erfahren, warum die Russen Großbritannien beschuldigen bzw. warum Großbritannien bei manchen im Verdacht steht, den Anschlag begangen zu haben, muss man anscheinend nach Ostasien gehen. Beispielsweise zu dem Bericht " 'It's Done': Did Liz Truss text Antony Blinken after Nord Streams attack?" auf einem wohl kambodschanischen Portal (02.11.2022). Oder zur pakistanischen Webseite "MM NEWS" mit demselben Titel (aber teilweise unterschiedlichen Informationen): ‘It’s done’: Did Liz Truss text Antony Blinken after Nord Stream attack?" vom 31.10.2022.

Medienkritisch einerseits, aber auch gegenüber Hersh durchaus reserviert, ist der teilweise erfrischend ironische Kommentar "'Ballone und Bomben" im OVERTON MAGAZIN [was es nicht alles gibt ..... 😊] von Eva C. Schweitzer (10.02.23). Auszug:
"Haifische waren es!
In Deutschland ..... wird Hersh richtig erbittert angegangen. Die deutsche Presse übt sich ja gerne im meinungsstarken Wassertragen. Ich weiß nicht, welche psychologische Wallung dahintersteckt; Angst, den großen Bruder zu verärgern? Der Spiegel konstatierte einen „schwach belegten Blogbeitrag“, der nun auch noch von der russischen Propaganda ausgeschlachtet würde. No kidding, Sherlock!
Es wäre dem Spiegel natürlich unbenommen gewesen, den „schwach belegten“ Sachverhalt selbst nachzurecherchieren. Oder noch besser, dem in den letzten Monaten selber auf die Spur zu gehen. Aber dazu müsste man Originalquellen in den USA zur Verfügung haben, die man anzapfen kann, und nicht bloß meinungsstarke Metaanalytiker, die ihre Informationen gefiltert der New York Times entnehmen.
Auch die Tagesschau kündigte, tapfer, tapfer, einen Faktencheck an, der dann allerdings ausblieb. Stattdessen wurde ein gewisser Julian Pawlak von der Universität der Bundeswehr in Hamburg interviewt, der meinte, er könne sich den Vorgang, so wie von Hersh geschildert, irgendwie nicht vorstellen.
Wie war es denn dann, haben Haifische, die sich in die Ostsee verirrt haben, die Pipeline durchgebissen? Steckt China dahinter? Vielleicht war es ja dieser Killerhase aus Monty Python. Und, empörte sich die Tagesschau: Kritiker würfen Hersh vor, Verschwörungserzählungen zu verbreiten. Welche Kritiker denn, Donald Rumsfeld? Henry Kissinger? Judith Miller? Sascha Lobo? Das wüsste man schon gerne."

In der Tendenz vergleichbar ist von Petra Erler (wohl diese hier), auf Substack, am die sehr ausführliche Analyse: "Seymour Hersh zur US-Kriegshandlung gegen Deutschland (NordStream): War es so?" vom 13.02.23. Darin ist sie einerseits kritisch gegenüber zahlreichen Einzelheiten der Darstellung von Hersh. Und das zu Recht, denn eine Reihe seiner Behauptungen können nicht stimmen, sind widerlegt oder erscheinen wenig plausibel. Andererseits ist sie aber nicht naiv und lässt eine amerikanische Urheberschaft offen. Vor allem kritisiert auch sie die Ablenkungsmanöver der deutschen Politik und Medien, die den Anschlags ums Verrecken und wider jegliche Plausibilität Russland in die Schuhe zu schieben versuchten. (Die Räuberpistole von den Segeltörn-Terroristen war seinerzeit noch nicht auf dem Markt.)

Die (Nicht-)Behandlung der Hersh-Enthüllung in den US-Medien untersucht der Artikel "Anonymous Sources Are Newsworthy—When They Talk to NYT, Not Seymour Hersh" vom 10.03.2023 auf der Webseite FAIR ("FAIRNESS & ACCURACY IN REPORTING").

Der Artikel (10.03.23) "CONFLICTING REPORTS THICKEN NORD STREAM BOMBING PLOT" von Jeremy Scahill, lt. Fabian Scheidler "einer der renommiertesten investigativen Journalisten der USA und Mitgründer des Nachrichtenmagazins The Intercept" auf eben dieser Webseite beschäftigt sich sehr intensiv mit der Frage, ob Präsident Biden den Kongress hätte informieren müssen oder (wie Hersh behauptet) nicht. So, wie ich den Text im Überfliegen verstehe, sagt der Autor: 'Ja, eigentlich hätte er das tun müssen und vielleicht hat er es sogar getan. Aber vielleicht auch nicht; Beispiele dafür, dass die Regierung die Öffentlichkeit belogen hat, gab es in der Vergangenheit durchaus.'
Genau wie ich kommt er in einer Gesamtbeurteilung zu dem Schluss, dass keine der gegen Hersh erhobenen Einwendungen dem Kern seiner Enthüllung widerspricht, wonach Präsident Joe Biden den Terroranschlag angeordnet habe:
"None of the emerging narratives surrounding the Nord Stream pipeline bombing really contradicts Seymour Hersh’s central allegation that Biden authorized the operation."
Und
"It remains conceivable that Hersh correctly identified the sponsor of the Nord Stream attack, even if some of the details provided by his source were speculative, inaccurate, or based on outdated operational plans."

Eine gründliche Abwägung der Motive aller für den Anschlag in Betracht kommenden Staaten präsentiert Rene Tebel auf der Webseite "Geopolitical Monitor" in seinem neuen Artikel (zwei weitere interessante Analysen hatte er bereits früher verfasst) "State or Non-state? An Overview of Possible Nord Stream Saboteurs" (2023,03,21). 

Für eventuelle "Freaks", die sich für das Poseidon-8-Flugzeug interessieren, mag der Bericht "How Norway’s new P-8 Poseidon will counter Russia’s submarine threat in Arctic waters" (20.05.2022) von Interesse sein, den ein Kommentator zum Alexander-Artikel verlinkt hat.


Nachtrag 12.11.2023
Aktuell steht die "ukrainische Schiene" im Fokus der Ermittlungen. 
Vgl. dazu den Artikel "Ukrainian military officer coordinated Nord Stream pipeline attack" der Washington Post vom 11.11.2023.



ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand 12.11.2023

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