Samstag, 25. März 2023

Nord Stream Sabotage: Wie t-online "undercover" mit westlichen Geheimdiensten kooperiert

 
Am 08.02.2023 hatte Seymour Hersh die Urheberschaft der USA für den Terroranschlag gegen die Nord Stream Gaspipelines enthüllt.

In Deutschland hat sich von Anfang an das Medienportal t-online als Frontblatt gegen diese Hersh-Enthüllung positioniert, und zwar am 09.02.23 mit gleich ZWEI Kampf-Kommentaren:

Hier "widerlegt" der Washingtoner t-online-Korrespondent Bastian Brauns  Seymour Hersh mittels einer "Quelle", die er zwar benennt, die aber NULL KENNTNIS vom Sachverhalt (also dem Sabotageanschlag) hat. Und nicht nur das: Der ehemalige Leiter des Moskauer CIA-Büros, den Brauns als Quasi-Experten befragt hat, KENNT NOCH NICHT EINMAL DEN TEXT VON HERSHS ARTIKEL (meine Hervorhebung):
"Das ist einfach traurig. Ich werde nicht einmal meine Zeit damit verschwenden, das zu lesen. ..... Für mich als ehemaligen CIA-Offizier ist schlicht nicht zu glauben, sich alleine vorzustellen, dass eine so lächerliche Idee ihren Weg durch die Bürokratie und Aufsicht finden könnte. Das ergibt auf keiner Ebene Sinn und ist niemandes Zeit wert."
Das ist eine ausgesprochene Panikleistung dieses deutschen US-Exkulpierers, seinen Lesern einen Nicht-Kenner des Artikels als valide Informationsquelle unterzujubeln.

Parallel macht ein David Schafbuch Seymour Hersh persönlich madig: "Angebliche Enthüllung. Starreporter mit zweifelhaftem Ruf": Keines der großen US-Medien wollte seinen Artikel haben, und in den letzten Jahren seien Zweifel an der Richtigkeit seiner Recherchen geäußert worden.
Natürlich hütet sich Schafbuch, das als Widerlegung der Hersh-Enthüllung hinzustellen: Diese Schlussfolgerung soll sich bei den Lesern ganz von selber einstellen. Was in den allermeisten Fällen auch geschehen wird.

Zwar wollte das Portal der Räuberpistole von den Segeltörn-Terroristen keinen Glauben schenken. Aber auch in diesem Bericht "Zweifel an Nord-Stream-BerichtenExperte äußert ganz anderen Verdacht" (10.03.23) hatte ein (dänischer) "Experte" die USA sozusagen von jedem Verdacht freigesprochen:
" 'Ich gehe davon aus, dass es riesige Explosionen waren', sagt Riber. 'Wenn das stimmt, dann wurde der Anschlag von einem Staat durchgeführt, der an der Ostseeküste liegt und über eigene U-Boote verfügt. Davon gibt es vier.' Russland, Polen, Schweden und Deutschland."


So viel Eifer für die Seite der "Guten" muss belohnt werden. Drum hat ein Vögelchen dem Desinformationsportal zugezwitschert, dass hinter dem Nord-Stream-Anschlag ganz bestimmt "Putins geheimer Konvoi" steckt. "Sicherheitskreise" haben also dieses Nachrichtenportal auserwählt, um ihre Botschaft von den Russen als mögliche Täter in die Welt zu setzen: "Wie t-online aus Sicherheitskreisen erfuhr, soll ein Verband der russischen Marine unter strenger Abschirmung im Bereich des späteren Tatorts operiert haben" heißt es in dem 'Putin-Konvoi' Artikel. "Sicherheitskreise" klingt harmlos; das kann z. B. auch das Bundeskriminalamt sein. 
Jedenfalls: DASS die Information in Wahrheit von einem (westlichen) GEHEIMDIENST stammt, erfährt man eindeutig erst in dem Parallelartikel "OSINT Analysis: Six Russian Ships Active Near Nord Stream Sabotage Site According to Intelligence Source" des dänischen OSINT-Analysten Oliver ALEXANDER (ebenfalls vom 25.3.23), wo er u. a. schreibt (meine Hervorhebung): " 't-online' contacted me after an intelligence source had told them the names of six Russian naval vessels that were reportedly spotted in the vicinity of the Nord Stream sabotage site.
Logisch, dass t-online seinen Lesern auch nicht verrät, WELCHER Geheimdienst ihr die Russen-Story eingeflüstert hat. Das ist kein Quellenschutz: Damit schützt das Nachrichtenportal ausschließlich sich selber. Und war davor, dass seine Leser negative Rückschlüsse auf den Wert dieser Information ziehen.
Ob es der Bundesnachrichtendienst (BND) war? Angesichts des großen Einsatzes, mit dem sich t-online hier ins Zeug legt, würde eher auf die CIA tippen. Das würde es auch verständlicher machen, warum t-online den Artikel von dem Washingtoner Korrespondenten übersetzen lässt anstatt von einem (möglichst anglophonen) Übersetzer in Deutschland.

Was der Geheimdienst t-online an Informationen zugesteckt hatte, war freilich ziemlich dürftig: "t-onlines intelligence source supplied them with the names of six very specific Russian naval vessels ....." berichtet Alexander (der Geheimdienst hat t-online also die Namen von sechs russischen Marineschiffen benannt). 
T-online selber verrät: "Wie t-online aus Sicherheitskreisen erfuhr, soll ein Verband der russischen Marine unter strenger Abschirmung im Bereich des späteren Tatorts operiert haben. 'Wie ein Geist', heißt es dazu, also ohne seine Positionsdaten zu senden. Die Schiffe hätten exakt die notwendige Ausrüstung gehabt, um Sprengsätze an den Pipelines zu platzieren."

Das Webportal t-online hat also Oliver ALEXANDER angesprochen, der sich früher bereits die Hersh-Enthüllung "vorgeknöpft" und dort tatsächlich schwerwiegende sachliche Fehler ausgemacht hatte und ihn gebeten, anhand öffentlich verfügbarer Daten zu überprüfen, welches russische Schiff sich kurze Zeit vor den Explosionen an den Anschlagsorten herumgetrieben hat. Versehen mit "this information" [also den Schiffsnamen und dem Zeitraum] hat er sich an die Arbeit gemacht und eine Woche lang analysiert, was er an öffentlich zugänglichen Informationen über den Schiffsverkehr in der Ostsee finden konnte: "I have spent the past week collecting and analyzing any open source information I could find in order to try to corroborate as much of their information as possible." Tatsächlich wurde er fündig und so konnte t-online vermelden: "Öffentlich einsehbare Daten geben Hinweise darauf, dass die Informationen zutreffen."

Ich bin seinen Bericht noch nicht Punkt für Punkt durchgegangen. Zum einen könnte ich seine Datengewinnung mangels einschlägiger Kenntnisse ohnehin nicht nachvollziehen. Und zum anderen geht es mir vorliegend nur um die Behandlung der ganzen Sache durch t-online.

Alexander selber ist immerhin ehrlich genug um zuzugeben, dass allein die Analyse von öffentlich zugänglichen Informationsquellen über den Schiffsverkehr in der Ostsee das Geheimnis der Nord Stream Sabotage nicht lösen kann:
"OSINT alone cannot solve the mystery of the Nord Stream sabotage or what these vessels were doing on September 21st-23rd, a few days before the explosions."
Seiner weiterhin geäußerte Meinung
"It does however seem likely that the unusual events on these dates are somehow a key part of the Nord Stream sabotage mystery"
wonach die "ungewöhnlichen Vorfälle an diesen Tagen" irgendwie mit dem Terroranschlag zusammenhängen, bezweifle ich. Und zwar unter anderem auch deshalb, weil Alexander selber am 12.3.23 einen Öltanker als mögliches Objekt ins Spiel gebracht hatte, von dem aus der Sprengstoff habe ausgebracht worden sein können. Ob es ein Versehen war, dass er unter seiner neuen Mutmaßung nicht zu seinem 'Tanker-Artikel' "The Minerva Julie: Unknowing Cover?" verlinkt?
Ich jedenfalls bewerte auch die aktuellen Informationen nur als Teil eines geheimdienstlich gesteuerten Verwirrspiels.


T-online BEHAUPTET nicht, dass Putin den Sprengauftrag gegeben hat. Aber es legt sich mächtig ins Zeug, damit genau diese Botschaft (unterschwellig) wirklich bei jedem ankommt. So präsentiert das Portal den eigenen Text zusätzlich in einer Kurzfassung: "Mit Mini-U-Boot und Lastkränen. Nord-Stream-Sabotage: Russische Schiffe steuerten Tatort an" (ebenfalls 25.03.23). 
Und damit nicht etwa nur die Deutschen "wissen", dass die nicht nur notorisch bösen, sondern offenbar auch ziemlich depperten Russen ihre eigenen Pipelines in die Luft gejagt haben, veröffentlicht das Portal den Text auch auf Englisch: "Nord Stream attack. Russian tracks". 
Die Übersetzung hat jener Washington-Korrespondent Bastian Brauns übernommen, den wir oben schon als "genialen" Hersh-Widerleger kennengelernt haben. Weil der Text ziemlich lang ist (und sich Brauns in seinem Beruf als Medien-Korrespondent ja noch um andere Dinge kümmern muss) ist anzunehmen, dass die Übersetzung einige Tage gedauert hat. Nachdem sie aber ebenfalls am 25.03.23, also zeitgleich mit der deutschen Version, erschienen ist, muss man weiterhin annehmen, dass t-online die Veröffentlichung ganz bewusst so lange hinausgezögert hat, dass man beide "Bomben" gleichzeitig "zünden" konnte.
Das ist ein wahrhaft eifriger Einsatz für die Sache der "Guten"!


Zum Abschluss ein Zitat aus dem exzellenten Artikel "USA, Ukraine, Russland: Die Stärken und Schwächen der drei Nord-Stream-Theorien" von Wolfgang Michal aus der Wochenzeitung "DER FREITAG" (17.03.2023; jetzt kostenpflichtig; ich konnte ihn noch vollständig einsehen):
"Investigativjournalisten sind oft nur die Postboten für Informationen und Erzählungen, die Geheimdienste streuen wollen, um Gegnern zu schaden, um von eigenen Aktivitäten abzulenken oder um verdächtige Zielpersonen auf- oder abzuschrecken. ..... Zu welcher Sorte die uns aufgetischten Enthüllungsstorys gehören, zu den Eins-zu-eins-Weitergaben oder zu den Eigenproduktionen, kann man oft nur erahnen oder anhand von Indizien einschätzen. Denn Geheimdienste halten ihre Kontakte zu Journalisten unter der Decke, und die mit Exklusiv-Informationen gefütterten Journalisten können sich stets auf den „Quellenschutz“ berufen .....".
Michals Analyse schließt mit der Erwägung
"Vordergründig bestätigen alle drei Theorien [damals 3: USA / Öltanker / Segeltörn-Terroristen; jetzt ist noch die o. a. 4. Theorie auf dem Tisch - br.] die psychologische Weisheit, dass jeder genau das herausfindet, was er herausfinden will und was den eigenen – uneingestandenen – Interessen entspricht. Was aber, wenn exakt diese Lesart beabsichtigt ist? Denn mit der Bereitschaft des Publikums, die drei öffentlich verhandelten „Theorien“ als gleichwertig zu betrachten, wäre genau das erreicht, was bezweckt wird: Verwirrung zu stiften und die Wahrheit in einem pluralistischen Nirgendwo verschwinden zu lassen."
Willige (oder allenfalls naive) Helferlein finden sich jedenfalls immer in den Medien.


Nachtrag 28.03.2023

Einem Kommentator des Alexander-Artikels gegen Seymour Hersh (vom 10.02.23) verdanke ich den Hinweis auf diesen Tweet von Oliver Alexander vom 28.09.2022. 

Mit einer in der 2. Hälfte ausgesprochen fragwürdigen Begründung legt sich Alexander dort voll auf Putin als Verantwortlichen für die Sprengungen fest:
"On top of the threat to other pipelines, Putin blew up Nord Stream 1 & 2 to ensure that the reopening of these could not be used as a bargaining tool with the West for anyone who wants to usurp him inside Russia, effectively removing a lifeline for anyone wanting him gone."
Abgesehen von der [durch die Explosionen signalisierten] Bedrohung anderer Pipelines hat Putin Nord Stream 1 und 2 auch deshalb in die Luft gejagt, damit niemand [innerhalb Russlands], der ihn evtl. absetzen wollte, diese als Verhandlungsgegenstand gegenüber dem Westen benutzen könnte. [Gemeint wohl, dass ein evtl. russischer Umstürzler nach der Beseitigung Putins dem Westen - bzw. Deutschland - die Wiederaufnahme der Erdgaslieferungen durch diese Leitungen anbieten könne.] Damit habe Putin eventuellen Umstürzlern eine Lebensversicherung weggenommen.

Dieses ausgesprochen lächerliche Geschwurbel enthüllt, bis zu welch abstrusem Grade Alexander westliche (Propaganda-)Interessen befördert. Wobei wir natürlich nicht wissen, ob er insoweit privat als "Überzeugungstäter" operiert, oder gegen klingenden Lohn. Jedenfalls schreibt er nicht "sine ira et studio", also nicht ohne Zorn und (propagandistischen) Eifer. Entsprechend kritisch müssen wir uns seine Behauptungen anschauen.
Dennoch mag die Sache mit den russischen Schiffsbewegungen zutreffen; das möge nachprüfen, wer etwas davon versteht.



ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand 28.04.2023

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