Am 08.06.2011 folgt die Analyse in Form eines Interviews mit Henning Riecke,
wissenschaftlicher Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik u. d. T.: "Analyse des Merkel-Besuchs: „Obama sieht Deutschland als globale Führungsmacht“:"Präsident Obama hat Kanzlerin Merkel die Freiheitsmedaille verliehen. Alles ohne Gegenleistung? Nein. US-Experte Henning Riecke erläutert im Interview, was die Amerikaner von Deutschland erwarten. Von GERO BRANDENBURG."
In diesem Interview wird wieder einmal die außenpolitische Seite in den Vordergrund gerückt: ob Deutschland in Libyen mitbombt usw. Insoweit wäre den USA deutsche Unterstützung sicherlich wichtig; diese Dimension ist aber nicht die entscheidende Interessendimension für die USA: das ist vielmehr die Ausbeutung (auch) des deutschen Steuerzahlers für das Wohlergehen der Finanzmärkte.
Die Financial Times Deutschland (FTD) schätze ich nicht besonders, weil sie mehr als jedes andere Medium für den Griechenland-Bailout und für Euro-Rettungsschirme agitiert, also für die Kapitalinteressen und gegen die deutschen Steuerzahler.Dennoch ist die Berichterstattung dort viel konsequenter wirtschaftlich (wirtschaftspolitisch, finanzpolitisch) orientiert, sind die Analysen pointierter, trifft die Berichterstattung öfter die neuralgischen Punkte.
So auch heute wieder mit der Überschrift "Merkel in Washington. Obama will starke deutsche Führung in der Euro-Krise."* Mehr noch als die Bundesregierung ist nach meiner Einschätzung die US-Administration die Handlangerin der Finanzinteressen. Denn weit mehr als in Deutschland trägt in den USA die Finanzwirtschaft zum Bruttoinlandsprodukt bei, und wegen der ausschließlich privaten Finanzierung der Parteien in den USA sind diese schon per se anfälliger für 'Deals' mit den Wallstreet-Firmen.
Es mag ja sein, dass US-Banken keine großen Bestände an Griechenland-Anleihen halten. Aber zum einen dürften sie bei den Credit Default Swaps kräftig mitgemischt haben und können deshalb, wenn sie bei diesen Kreditausfallversicherungen als Verkäufer aufgetreten sind, kein Interesse an einer griechischen Insolvenz haben. Selbst wenn sie aber auch dort nicht stark engagiert sein sollten, haben sie ein existentielles Interesse daran, größere Verwerfungen auf den Finanzmärkten zu vermeiden.
Und mehr noch als die amerikanischen Finanzinstitute hat die amerikanische Regierung ein Interesse, Griechenland solvent zu halten (und nebenbei auch Deutschland finanziell zu schwächen).
Wenn Griechenland fällt, und vielleicht noch Portugal und Irland, werden die Finanzmärkte nämlich die US-Verschuldung schärfer ins Visier nehmen. Die Medien machen bei uns ein ziemliches Aufhebens um Drohungen der Ratingagenturen, sich die US-Verschuldung genauer anzusehen. Schaut man sich aber die Meldungen an, ist das nur heiße Luft. Begründung ist nämlich nicht die rapide steigende Verschuldung, oder die Tatsache, dass in der US-Politik keinerlei Bereitschaft zu erkennen ist, sei es massiv zu sparen, sei es massiv die Steuern zu erhöhen. Vielmehr geht es den Agenturen allein darum, die Parteien - Demokraten und Republikaner - in einen Konsens über die Aufhebung bzw. Erhöhung der Schuldengrenze zu drängen, damit die Ponzi-Finanzierung munter weiterlaufen kann.
* Erg. 09.06.11: Falls es jemandem nicht auf Anhieb klar sein sollte: "Starke deutsche Führung" ist, auf die Euro-Krise bezogen, einfach ein Euphemismus für "Zahlmeister".
Würde aber Griechenland fallen, kämen die USA ganz einfach deshalb ins Schussfeld der Finanzmärkte, weil diese, soweit es um Spekulationen geht (also derzeit das Haupt'arbeitsgebiet' der internationalen Finanzwelt) von "Ereignissen" leben - wirklichen oder gedachten/gemachten. Die Märkte brauchen ein munteres Auf und Ab, und wenn ein Thema endgültig erledigt ist (durch eine Pleite Griechenlands) muss das nächste "Ereignis" ran. Was wäre da interessanter, als ein schärferer Blick auf die amerikanischen Schulden?
Die "Medal of Freedom", die Angela Merkel erhalten hat, ist deshalb in Wirklichkeit eine Auszeichnung dafür, dass sie deutsche Steuergelder für die maroden Staaten der Eurozone, und damit aber indirekt auch für die Finanzwelt, zu veruntreuen. Eine Ehrung für treue Finanzsklavendienste - eine "Medal of Serfdom" eben. Dass es daneben außenpolitische Dissonanzen gibt, fällt angesichts der hochprioritären Finanzinteressen der USA (auf privater wie öffentlicher Ebene) weniger ins Gewicht. Für eine Publikumstäuschung ist es aber allemal gut, und wenn man ein Land eine Nachtwächterpostille wie das Handelsblatt als führende Wirtschaftszeitung hat, sind die Bewohner auch dumm genug, darauf hereinzufallen.
Nachtrag 16.06.11
Wie sich die Interessenposition der US-Finanzbranche ganz konkret darstellt, ist mir jetzt durch die Lektüre des FAZ-Artikels "Europa. Schuldenkrise zieht immer weitere Kreise" vom 13.06.11 klar geworden (meine Hervorhebung):
"Die amerikanischen Banken und Versicherungen dagegen [d. h. im Gegensatz zu den europäischen Finanzinstituten] sind gemäß der jüngst von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vorgelegten Zahlen nur vergleichsweise geringe direkte Risiken in den europäischen Peripheriestaaten eingegangen. Dagegen tragen sie potenzielle Lasten im Gegenwert von knapp 200 Milliarden Euro, die sie sich mit dem Verkauf von Kreditrisikoderivaten eingehandelt haben. Sollten die europäischen Banken von einer Restrukturierung von Staatsschulden in Form eines Kreditereignisses betroffen werden, könnten sie zumindest auf aggregierter Ebene große Teile der entsprechenden Verluste an amerikanische Verkäufer von Kreditversicherungen weitergeben."
Wenn US-Banken (oder andere) Kreditderivate - im Wesentlichen wohl Credit Default Swaps, also Kreditausfallversicherungen - für die Hochrisikoländer verkaufen, dann ist das ein reines Spekulationsgeschäft: eine Spekulation auf die Dummheit der (momentan noch) relativ leistungsfähigen Länder, oder genauer auf die Dummheit der Wähler und Steuerzahler in diesen Ländern. Nachdem es den Finanzmärkten und der US-Regierung im kollusiven Zusammenwirken gelungen ist, unsere politische Führungsclique dafür einzuspannen (Obama hatte sich ja schon beim Ausbruch der Griechenland-Krise für eine "Rettung" engagiert und z. B. mit Angela Merkel telefoniert), will man denen ein symbolisches "Zuckerchen" zukommen lassen: in Gestalt einer ehrenvollen Aufnahme des Staatsgastes und mit der "Medal of Freedom". Allerdings zielen diese Zuckerchen weniger auf Angela Merkel selbst (so blöd ist unsere Angie ganz gewiss nicht, dass sie sich von derartigen Ehrungen in ihrer Politik beeinflussen lassen würde), sondern hauptsächlich für deren Wähler: "Schaut her, wie wir, die großmächtige USA, eure Bundeskanzlerin wertschätzen!"
Damit wenigsten Sie, liebe/r Leser/in, sich davon nicht beeindrucken lassen, habe ich den Orden hier umgetauft in das, was er wirklich ist: A reward for the German taxpayers' servitude to the financial markets, eine "Medal of Serfdom" eben, eine Belohnung für die Kollaboration nicht nur von Angela Merkel, sondern von fast dem gesamten Deutschen Bundestag bei der Ausplünderung der Deutschen Steuerzahler zu Gunsten der Finanzmärkte.
Deutschland wird "geehrt" für seine Sklaventribute an Griechenland und damit indirekt für seine Tributzahlungen an die Finanzmärkte!
Nachtrag 20.06.2011
Meine Vermutungen sehe ich auch in dem Bericht "Griechenland-Krise. USA knöpfen sich Europäer vor" in der Süddeutschen Zeitung von heute bestätigt:
"... hat die US-Regierung großes Interesse an der Rettung Griechenlands, da sie andernfalls fürchtet, dass die eigenen Banken und Versicherungen neue Verluste in Milliardenhöhe erleiden könnten. Viele Banken haben sich bei US-Versicherungen gegen das Risiko einer griechischen Pleite versichert. Wird das Land zahlungsunfähig, werden die Prämien fällig. US-Präsident Barack Obama hatte bereits im Mai 2010 in Berlin und Paris entschlosseneres Handeln angemahnt. Deutschland sei "ein Schlüsselland", um zusätzliche Finanzhilfen für Athen zu beschließen, sagte er beim Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Washington Anfang Juni."
Auch Ben Bernanke hat sich zur griechischen Schuldenkrise bzw. zu den daraus für die USA resultierenden Gefährdungen der Finanzmarktstabilität und der Wirtschaft geäußert. In dem Handelsblatt-Bericht "US-Notenbank-Chef Bernanke: Athener Zahlungsausfall würde USA hart treffen" vom 22.06.11 fasst Rolf Benders Bernankes Äußerungen wie folgt zusammen:
"Weder die Banken noch die Fonds des Landes hätten gefährlich hohes Engagement in Griechenland oder den übrigen nur Peripherieländern Europas. Allerdings hätten beide Engagements bei Banken aus Kerneuropa, namentlich nannte er Deutschland und Frankreich. 'In dem Maße wie die von Problemen Griechenlands betroffen sind, bestehen hier auch Sorgen", sagte er. "Die Europäer verstehen, wie unglaublich wichtig es ist, die Situation zu lösen'."
Auch Bernanke sagt also, was wir oben schon erfahren hatten, dass nämlich die US-Banken keine großen griechischen Anleihebestände halten. Ominös ist freilich seine Äußerung, wonach die US-Banken 'Engagements bei Banken aus Kerneuropa, namentlich Deutschland und Frankreich' halten. Das muss man wohl so verstehen dass, wir wir ebenfalls bereits wissen, die US-Banken Kreditausfallversicherungen für die griechischen Anleihen verkauft haben. Ich halte Bernankes vage Umschreibung für eine bewusste Verschleierung der Interessenlage. Denn schließlich ist es der Sinn von Versicherungen, dass diese im Schadensfalle zahlen müssen. Europas Steuerzahler würden es
a) nicht verstehen, wieso Amerikas Banken Versicherungsprämien kassieren, der Schaden aber vom Steuerzahler bezahlt werden soll und
b) verstehen, dass es nicht einmal um die Rettung der Banken in ihren eigenen Ländern geht (wie man ihnen bislang alternativ zur behaupteten Griechenland-Rettung erzählt hat), sondern dass diese ihre Risiken weitgehend bei US-Banken abgesichert haben, und dass es letztlich vor allem diese nicht-europäischen Banken sind, die geschont werden sollen!
Da kann Obama schon mal 'nen Orden für Angela springen lassen, und 'nen ehrenvolles Restaurant-Essen: solche Narren wie es die Europäer im Allgemeinen (die Griechen natürlich ausgenommen) und die Deutschen im Besonderen sind, findet man schließlich nicht alle Tage; derartige Dummköpfe muss man sich auch für zukünftige Melkaktionen warm halten!
Nachtrag 26.06.2011
Mehr und mehr dringen Einzelheiten über die Risiken der US-Banken in der Griechenland-Krise an die Öffentlichkeit. So berichtete gestern Stefan Kaiser bei Spiegel Online unter "Schuldenkrise. Wer die größten Griechen-Risiken trägt":
"Auf den ersten Blick sind die amerikanischen Banken dieses Mal fein raus: Lediglich 1,5 Milliarden Dollar an griechischen Staatsanleihen hielten sie laut BIZ-Statistik Ende 2010 - und zwar zusammengenommen. Doch der erste Eindruck täuscht. Denn ein paar Zeilen weiter zeigt dieselbe Statistik, dass sich in den USA auch dieses Mal wieder ein Risiko ballen könnte: 34 Milliarden Dollar "andere potentielle Engagements" amerikanischer Banken in Griechenland sind dort aufgelistet, der mit weitem Abstand höchste Wert aller Staaten. Dahinter dürften sich zum großen Teil Credit Default Swaps (CDS) verstecken."34 Mrd. US-Dollar sind allerdings nicht so viel Geld, dass das US-Bankensystem bei einem Ausfall dieser Beträge zusammenbrechen würde (oder Barack Obama Angela Merkel umschmeicheln müsste). Ich frage mich daher, ob dieser Betrag wirklich das gesamte US-Risiko abdeckt und vermute, dass da in Wirklichkeit noch sehr viel mehr dranhängt (Hedgefonds mit hier nicht erfassten Positionen? Bei den Banken nur teilweiser bilanzieller Ausweis der tatsächlichen Risiken?)
Nachtrag 29.06.11
Zu der (zumindest der Öffentlichkeit ) unbekannten Risikohöhe der USBanken vgl. jetzt auch den SPON-Artikel "Griechenland-Angst an der Wall Street. 'Das ist Wahnsinn' " v. 29.06.11 v. Marc Pitzke.
Nachtrag 30.06.11
Ebenfalls im Nebel der Mutmaßungen stocherte schon am 22.06.11 die New York Times: "Derivatives Cloud the Possible Fallout From a Greek Default". Allerdings schließe ich aus Informationen wie der folgenden, dass die Aufsichtsbehörden weitaus mehr wissen, als sie der Öffentlichkeit enthüllen wollen:
"Regulators aren’t saying much. When asked what data the Federal Reserve had collected on American financial companies and their swaps tied to European debt, Barbara Hagenbaugh, a spokeswoman, referred to a speech made by Mr. Bernanke in May in which he did not mention derivatives tied to Greece. At the Wednesday press conference, Mr. Bernanke said that commonly cited data on derivatives do not take into account the offsetting positions banks have on their Greek exposures. And with those positions, he said, even if there is a Greek default, “the effects are very small.”
At the European Central Bank, Eszter Miltenyi, a spokeswoman, said: “This is much too sensitive I think for us to have a conversation on this”."
Es reicht ja auch, wenn wir dumm bleiben und zahlen. Wäre schließlich nicht hilfreich für die Finanzmarktakteure, wenn die Öffentlichkeit erfahren würde, dass die Banken Versicherungsprämien an andere Finanzinstitute abgeführt haben, welche nunmehr zwar die Prämien kassieren, aber nicht für den Schaden haften wollen.
Nachträge 14.09.2011
Bei etwas genauerer Lektüre des Handelsblatt-Berichts "Euro-Rettungsfonds: USA wollen sich Griechenland vorknöpfen" (der Titel ist irreführend, weil Griechenland nur am Rande erwähnt wird) vom 13.09.2011 wird deutlich, dass die USA massiv an die Fleischtöpfe Deutschlands und der anderen soliden Länder der Eurozone drängen (für die europäischen Schuldenländer zwar, aber damit indirekt auch für die eigenen Interessen): "„Er wird wohl Länder wie Finnland, die Niederlande und die Slowakei darauf hinweisen, dass sie ihren nationalpolitischen Klinsch zu Hause lassen und an den Rest der Welt denken sollen“, sagte der EU-Vertreter. Zudem werde der Streit zwischen den USA und den Europäern über den richtigen Weg aus der Schuldenkrise weitergehen. Schon in Marseille habe Geithner Druck auf die Europäer gemacht, ihren fiskalpolitischen Spielraum zu nutzen. Die Forderung laute jedoch nicht, so wie die USA ein neues Konjunkturprogramm aufzulegen, sondern langsamer die Schulden abzubauen."
Irgendwie müssen die noch halbwegs gesunden Haushalte der Solidländer in der Eurozone doch kaputt zu kriegen sein?
Irgendwie müssen die noch halbwegs gesunden Haushalte der Solidländer in der Eurozone doch kaputt zu kriegen sein?
Auch der US-Botschafter in der Bundesrepublik ermahnt den deutschen Steuerzahler,sein Geld zu versüden, und leiert das alte Märchen vom großen Gewinn herunter, den Deutschland durch die Eurozone erzielt habe.
Ceterum censeo
POPULISTISCHES MANIFEST:
Ein Gespenst geht um in Deutschland - das Gespenst einer europäischen Transferunion.
Im Herzland des alten Europa haben sich die Finanzinteressen mit sämtlichen Parteien des Bundestages zu einer unheiligen Hatz auf die Geldbörsen des Volkes verbündet:
· Die Schwarzen Wendehälse (die unserem Bundesadler den Hals zum Pleitegeier wenden werden);
· Die Roten Schafsnasen (vertrauensvoll-gutgläubig, wie wir Proletarier halt sind),
· Die Grünen Postmaterialisten (Entmaterialisierer unserer Steuergelder wie unserer Wirtschaftskraft),
· Die Blauen Machtopportunisten (gelb vor Feigheit), und selbstverständlich auch
· Die Blutroten (welch letztere die Steuergroschen unserer Witwen, Waisen und Arbeiter gerne auflagenlos, also in noch größerer Menge, gen Süden senden möchten).
Wo ist die Opposition im Volke, die nicht von unseren Regierenden wie von deren scheinoppositionellen Komplizen als Stammtischschwätzer verschrien worden wäre, wo die Oppositionspartei, welche sich der Verschleuderung der dem Volke abgepressten Tribute an die europäischen Verschwendungsbrüder wie an die unersättlichen Finanzmärkte widersetzt hätte?
Zweierlei geht aus dieser Tatsache hervor:
Das Volk wird von fast keinem einzigen Politiker als Macht anerkannt.
Es ist hohe Zeit, dass wir, das Volk, unsere Anschauungsweise, den Zweck unserer Besteuerung und unsere Tendenzen gegen die fortgesetzte Ausplünderung durch das Finanzkapital bzw. durch die Bewohner anderer Länder und durch seine/deren politische Helfershelfer vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen von dem grenzenlosen Langmut der Deutschen den Zorn der Massen selbst entgegenstellen.
Textstand vom 16.06.2023
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