Als ich im Jahre des Herrn 2004 meine diversen Internet-Reiche begründete (Das Heimatreich als sozusagen Vorwort, das Rentenreich als lange gekautes Brot meiner besten Jahre, das Italienreich als Sitz meiner Sehnsucht, die mannigfaltigen - und sich vielleicht auch in Zukunft noch ausdehnenden - Drusenreiche als Stätten des die Gesellschaft erforschenden Geistes, das Majolikareich als schönsten Beweis meines künstlerischen Banausentums, das Neu-Reich als Übersichtsseite für neu eingestellte Texte, das Weiterreich als unspezifische Linkseite und das Zwergenreich als Refugium für das Zwerchfell) reservierte ich in der internen Webseitenverlinkung am Fuß auch ein Plätzchen für ein Krähenreich.
Dieses ist immer noch schwarz geblieben, und das nicht deshalb, weil Krähen halt schwarz sind.
Vielmehr fehlt ihm das lichte Blau des Äthers und der Internet-Links deshalb, weil diese Seite niemals das Licht der Welt erblickt hat.
Ausgangspunkt für den Namen war das Sprichwort "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus". Ausgangspunkt der Seitenidee war irgendein FAZ-Artikel zum Thema Rentenfinanzierung, den ich dort als ersten kritisieren wollte. Und weitere Kritik an Zeitungsartikeln sollte folgen, weil ich der Meinung war, dass die gegenseitige Kritik der Presseorgane in Deutschland deutlich unterentwickelt ist.
Mittlerweile habe ich für solche Aktivitäten meinen vorliegenden Blog (vgl. z. B. meine Kritik an der FTD-Positionierung in dem Eintrag "Welche Ziele (Hintergedanken - hidden agenda?) verfolgt die Financial Times Deutschland (FTD) i. S. Griechenland-Bailout?", den Vergleich Handelsblatt - Financial Times Deutschland unter "Die Welt aus Düsseldorfer und Hamburger Sicht. Vergleich Handelsblatt mit Financial Times Deutschland (FTD), u. a. zum Thema Ölpreisentwicklung", Kritik u. a. am Fehlen eines investigativen Journalismus in Deutschland, hier am Beispiel HRE, unter "Guten Morgen ihr Nachtwächter! Oppositionsparteien fordern endlich Untersuchungsausschuss für HRE-Desaster. (Und warum nicht für Regulierungsdebakel?)", am Aufbauschen relativ banaler Ereignisse in Afghanistan zu Lasten der dortigen deutschen Soldaten in "DER SKANDAL: DEUTSCHE AFGHANISTAN-SOLDATEN ALS KANONENFUTTER FÜR DEN AUFLAGEN-KRIEG!", an der medialen Behandlung des berühmten Interviews von Thilo Sarrazin in der Zeitschrift Lettre International unter "Medien verkürzen Interview von Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin im "Lettre International" zur "Emser Depesche" der Ausländerdebatte!" sowie allgemein den Täg href="http://beltwild.blogspot.com/search/label/Medienschelte*">"Medienschelte"), aber bei Einstellung meiner Webseite wusste ich kaum, was ein Blog ist und hätte mir nicht träumen lassen, jemals selbst so ein Ding zu betrieben.
[* Medienschelte treibt hier auch Tom Schimmek]
Dass aber mein grundsätzliches Unbehagen an einer gewissen geistigen Verfilzung der deutschen Medienlandschaft berechtigt war, bestätigt mir jetzt eine Buchrezension in der Süddeutschen Zeitung vom 06.04.2010 unter dem Titel "Die Gleichschaltung. Tom Schimmeck (hier seine Homepage, hier seine Autobiographie) schildert, was Journalisten und Herausgeber nicht gern hören: wie kleinmütig und heruntergekommen deutsche Medien sind."
Wieder einmal war es der Zufall, der mir, im Frankfurter Südbahnhof (wo die Wände der Pisa-Toilette natürlich längst gereinigt sind, während die Klowände des Internets weiterhin fleißig beschmiert werden) den Artikel in die Hand spielte.
Zwei hübsche junge Mädchen hielten mir die Zeitung vor die Nase: "Gratis". Wer kann da widerstehen? (Obwohl, ehrlich gesagt, so genau habe ich die Girls gar nicht angeschaut, da ich mit meinen Gedanken schon im Zug saß. Aber diese Zeitungswerberinnen - Studentinnen? - sind ja meist hübsch, also interpoliere ich das auch für diese.)
Enttäuscht war ich freilich schon, als ich die Zeitung im Pendler-Zug auf meinem Heimweg von der Arbeit öffnete und mir die Meldungen seltsam bekannt vorkamen. Ach ja: die Zeitung war ja vom Dienstag, 06.04.2010. Verteilt aber wurde sie am Freitag, 09.04.2010. Merkwürdige Art, mit alten Ausgaben für eine Zeitung - hier die Süddeutsche Zeitung - zu werben. Ja, neue hätte ich auch bekommen können, ein Gratisabonnement der Süddeutschen für 14 Tage. Wollte ich aber nicht, denn zum regulären Zeitunglesen fehlt mir ohnehin die Zeit. Was ich wissen muss oder will, bringt mir auch das Internet rüber.
Aber diese Buchrezension wäre mir halt entgangen.
Nicht entgangen ist mir, dass in den USA ein gewisser Dean Baker ("co-director of the Center for Economic and Policy Research in Washington, D.C.") einen Weblog "Beat the Press" betreibt, also ganz der Medienkritik (bzw. Pressekritik) gewidmet, allerdings beschränkt auf Wirtschaftsmeldungen: "Dean Baker's commentary on economic reporting".
In Sachen "Schimmek" nachfolgend Links zu einigen interessanten Rezensionen des Buches (die ich größtenteils den Hinweisen auf der Homepage des Autors entnehme): "Politiker und ihre Debatten als Seifenoper" (Deutschlandfunk); "Unbemerkt am Denkapparat vorbei" (Das Parlament),
In einigen Rezensionen schimmert durch, dass Schimmek den derzeitigen Zustand eines Abstiegs von einer früher kritischeren Einstellung der deutschen Presse wertet; das glaube ich eher weniger. Die haben früher mit größeren Budgets genau so gepennt wie heute mit kleineren.
Und gerade nach der Niederschrift dieser Zeile gelange ich zur Rezension der MoPo, der Berliner Morgenpost [gleicher Text hier in der WELT], u. d. T. "Warum der Journalismus besser ist als sein Ruf":
"Immer! Mehr! Untergang! Die Klage über den Verfall des Journalismus gehört zum Standardrepertoire des Kulturpessimisten. Tom Schimmeck jammert in seinem Buch "Am besten nichts Neues" besonders herzzerreißend. Doch seine Argumentation ist Unfug. Denn früher war bestimmt nicht alles besser. .....
Wer nun eine Abrechnung mit dem Zeitgeist - alles wird flacher, alle werden blöder, alle werden gieriger - erwartet, kommt voll auf seine Kosten. .....
Vom Glauben, dass früher Journalismus und Fernsehprogramm besser gewesen seien, kommt man recht schnell ab, wenn man einen Blick in das TV-Programm einer alten Zeitschrift wirft."
Der Klage über personell ausgedünnte Redaktionen hält MoPo-Rezensent Matthias Wulff den Hinweis auf Arbeitserleichterungen, Rationalisierungseffekte entgegen, die sich aus dem Internet ergeben:
"Andererseits haben sich die Arbeitsbedingungen auch, dank Google und E-Mail, deutlich verbessert. Ich möchte mich nicht daran erinnern, wie viel Lebenszeit ich am Kopierer verbracht habe, wie oft ich vom Archivar gehört habe, der gesuchte Ordner komme erst am Nachmittag, wie mühsam es bei der Recherche war, mit den richtigen Leuten schnell in Kontakt zu treten."
Hier erfahren wir auch von einem Vorläuferbuch:
"Hans-Jürgen Jakobs, Chefredakteur von Sueddeutsche.de, hatte 2008 aus diesem Abgesang mit "Geist oder Geld. Der große Ausverkauf der freien Meinung" ein ganzes Buch gemacht, Tom Schimmeck hat dieser Tage nun nachgelegt." Und auch die anschließenden Schlussabsätze der Rezension sind informativ:
"Für Schimmeck ist nicht nur die böse Rendite schuld am Niedergang des Journalismus, sondern er ist bewusst herbeigeführt worden: "Großes Weltgeschehen, tiefe Nachdenklichkeit, ja eigentlich jeder längere Satz gilt selbst seriösen Blatt- und Programmmachern als grau wie alle Theorie, als Quoten- und Auflagenkiller", schreibt er. Diese Überheblichkeit, die den Leser für einen Vollidioten hält, ist im besten Fall Quark.
Die Auflagen der "Zeit" und des "Economist" steigen seit Jahren, in Deutschland haben sich in den Nullerjahren mit "FTD" und "FAS" zwei Qualitätszeitungen etabliert, die "Welt"-Gruppe hat ihre Reichweite deutlich erhöht. So ist es durchaus komisch, wenn Schimmeck die Journalisten kumpelhaft auffordert: "Wir müssen wieder mehr Aufklärung als Zerstreuung liefern." Er hätte schon mal vorangehen können."
Eine kritische Rezension: es gibt also doch noch Journalisten, die etwas mehr in die Tiefe gehen, die nicht nur im Buch selbst nachlesen, sondern auch externe Informationen in ihre Analyse einbeziehen!
Die Kundenrezensionen bei Amazon sind vielleicht auch für die Beurteilung dieses Buches nützlich. Ich selbst habe sie nicht gelesen, verlinke sie aber zum Nutzen meiner Leserinnen und Leser.
Wenn ich mir so die Themen auf Schimmecks Webseite Klugschiss.org anschaue, und in der o. a. Rezension der Zeitschrift "Das Parlament" lese:
"Der rasante Abstieg der hessischen SPD-Hoffnung Andrea Ypsilanti nimmt in der Analyse breiten Raum ein. Schimmeck rekapituliert die Ereignisse und führt den Leser zu der Erkenntnis, dass der flächendeckende Protest gegen die Mehrheitsbeschaffung der SPD-Kandidatin gar nicht so selbstverständlich war. Das Nichteinhalten von Wahlversprechen gehöre in der Bundesrepublik zum ganz normalen demokratischen Alltag"
dann muss ich zwar konstatieren, dass auch ich etwas überrascht war von der Vehemenz, mit welcher die Medien gegen Ypsilantis Linksverbindung agitierten (obwohl ich nicht ihr Fan, und schon gar keiner der LINKEN bin).
Andererseits, wenn ich mir die Themen auf Schimmecks Homepage anschaue, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier einer am Werke ist, der "kritisch" mit "links" gleichsetzt. Und gegen solche Gleichsetzungen bin ich äußerst kritisch. Wie überhaupt gegen jene gutmenschliche Konsenssoße des dominierenden Diskurses, wie sie ihren Niederschlag etwa in dem Schimmeck-Titel "Alis Liebe. Die Türkei drängt voller Hoffnung in die EU. Doch in Europa zittert noch viel Kleingeist" findet.
Nachtrag 12.04.2010 ff.
Es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn die Journalisten jenes Motto verinnerlichen würden, das ich gelegentlich bei meinen Forenkommentaren usw. hinzusetze:
"Interessen erhellen - sich Widersprüchen stellen!"
Widersprüche liegen freilich nicht nur im kapitalistischen System, und nicht nur die Interessen der Kapitaleigner sind widerspruchswürdig.
Auch im Bereich der Sozialleistungen existiert ein sehr fundamentaler Widerspruch zwischen Hilfe und Hängematte, den wir nicht ausblenden dürfen, wenn wir an einem funktionierenden System interessiert sind.
Der zentrale Widerspruch unserer Zeit (für den natürlich auch ich keine Lösung habe, über den ich mir allerdings - im Gegensatz zu vielen anderen - auch keine Illusionen mache, und den ich nicht unter den Teppich kehre) scheint mir allerdings der Gegensatz zwischen unseren ökonomischen Wünschen und den ökologischen Grenzen zu sein.
Nachtrag 08.06.20
"Kollegenschelte gehört sich unter Journalisten eigentlich nicht" schreibt der Handelsblatt-Redakteur Ralf Drescher in seinem heutigen Blog-Eintrag "Schuldenkrise, Staatsanleihen. Futter für die Spekulanten". Wieso eigentlich nicht? Wenn die Ärzte ebenso denken (viele tun es wahrscheinlich leider wirklich): wer würde dann Pfusch aufdecken?
Mit der Fortführung "Manchmal muss es jedoch sein" begründet Drescher dann, dass er doch Verantwortungslosigkeit aufdecken will - bei seinen Kollegen von der Financial Times Deutschland, die relativ geringe Kursänderungen bei Staatsanleihen sensationalistisch mit “Schuldenkrise erfasst Frankreich und Niederlande” überschreiben.
Richtig so, Herr Drescher, denn hier hat die FTD nicht nur unverantwortlich getitelt, sondern (flüchtige) Leser skrupellos in die Irre geführt!
Textstand vom 08.06.2010. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
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