"Politik ist die Kunst des Möglichen,
das ständige Austarieren von Maß und Mitte.
Nicht menschengerechten Ideologien,
seien es Sozialismus oder ein überzogener,
marktgläubiger, libertärer Liberalismus werde ich ...
entschieden mit allen meinen Mitteln entgegentreten."
In der Politik sind die Dinge selten so einfach und eindeutig, wie sich der "Mann auf der Straße" das vorstellt und gerne hätte.
So hat z. B. jener Vorgang, den ich hier mal auf die griffige Formel "Meuthen vs. Kalbitz" reduzieren will, mindestens VIER DIMENSIONEN:
1. "Rein juristische Entscheidung"
Die ursprüngliche Version von Prof. Meuthen war, das es sich um eine rein juristisch begründete Entscheidung handele, um die Gleichbehandlung aller Mitglieder, die sich mit falschen Angaben (bzw. unter Verschweigen relevanter Sachverhalte, die im AfD-Aufnahmeantrag oder in einem Begleitschreiben dazu hätten mitgeteilt werden müssen).
Dazu aus seinem Interview „Es ging um eine rechtliche, nicht um eine politische Beurteilung“ im Deutschlandfunk vom 16.05.2020:
"May [Interviewer]: Das heißt, in der Sache sind sich alle einig: Andreas Kalbitz ist rechtsextrem?
Meuthen: Darüber haben wir überhaupt nicht gesprochen, sondern wir haben darüber gesprochen, ob Herr Kalbitz bei seiner Mitgliedsaufnahme substanzielle Tatsachen verheimlicht hat. Es ist, glaube ich, unstrittig, dass er rechtsextreme Bezüge in seiner Vergangenheit hat. Und wenn man das Puzzlespiel da zusammenlegt, und wir haben das sehr lange und sehr, sehr solide geprüft, dann spricht vieles dafür, dass diese Verheimlichung begangen wurde. Das hat uns dazu veranlasst, zu sagen: Dann müssen wir, weil wir es in anderen Fällen auch stets so gehandhabt haben, dann müssen wir die Mitgliedschaft eben nichtig stellen.
May: Zweifeln Sie ..... daran, dass Andreas Kalbitz rechtsextrem ist?
Meuthen: Ich habe Andreas Kalbitz, das gebietet einfach die Fairness, das zu sagen, in der Arbeit im Bundesvorstand stets als konstruktiv wahrgenommen, und ich habe ihn in der Arbeit in der AfD auch nicht rechtsextrem agieren sehen oder hören. Er hat aber, das kann man nun nicht in Abrede stellen, rechtsextreme Bezüge in seiner Vergangenheit. Und Andreas Kalbitz hat das auch nicht in Abrede gestellt, sondern er hat gesagt: Ich kann mich nicht von meiner eigenen Vergangenheit distanzieren. Noch mal: Das ist die politische Geschichte, zu beurteilen hatten wir die rechtliche. ..... Er [Kalbitz] hat immer gesagt, er kann sich nicht von sich selbst distanzieren, das ist eine andere Geschichte. Aber darüber müssen Sie auch mit Herrn Kalbitz sprechen. Das kann nicht Gegenstand einer angestrebten Beobachtung durch den Verfassungsschutz sein, ob einzelne Mitglieder in ihrer Vergangenheit einmal rechtsextreme Bezüge hatten, sondern der Verfassungsschutz hat zu beurteilen, ob unsere Partei rechtsextreme Bezüge hat. Und diese Frage, die können wir mit Fug und Recht verneinen. Das hat mit der gestrigen Entscheidung eigentlich überhaupt nichts zu tun."
2. Rauswurf wegen Rechtsextremismusvorwurf
Die Öffentlichkeit freilich war von Anfang an überzeugt, dass es sich um einen parteiinternen Richtungskampfe handele.
So sieht das z. B. Dieter Stein, Herausgeber der Zeitung "Junge Freiheit" in seinem Kommentar "Ein überfälliger Befreiungsschlag" vom 16.05.2020:
"Die AfD hat sich mit dem Ausschluß von Kalbitz des neben Björn Höcke mächtigsten und einflußreichsten Kopfes des „Flügels“ entledigt. Wie kein anderer hat Kalbitz quer durch Deutschland Strippen gezogen und Mehrheiten organisiert, hatte oft dafür gesorgt, daß auf Parteitagen „Flügel“-Truppen zum Zünglein an der Waage wurden. ..... Daß nun die Befürworter des Ausschlusses – wie Parteichef Jörg Meuthen – die formalen Gründe betonen und erklären, es handle sich bei den Maßnahmen gegen Kalbitz nicht um eine politisch-inhaltliche Entscheidung, zeigt das erkennbare Bemühen, die Fliehkräfte, die dieser Schritt auslösen kann, wieder einzufangen. Das ist nicht mehr und nicht weniger als Demonstration von Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Gesamtpartei .....".
Es gibt aber durchaus auch Indizien, die DAGEGEN sprechen, dass es Meuthen tatsächlich um einen innerparteilichen "Kampf gegen Rechts" geht.
Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hatte in einer Pressekonferenz vom 12.03.2020 (Eingangsstatement als Text; gesamte PK als Video) mitgeteilt, dass die Verfassungsschutzämter die informelle AfD-interne Gruppierung "Der Flügel“ "als erwiesen extremistische Bestrebung eingestuft" hätten, nachdem sie bereits im Januar 2019 als "Verdachtsfall" eingestuft worden war (zusammen mit der JA, der AfD-Jugendorganisation).
Zur Begründung hatte Haldenwang angeführt (meine Hervorhebung):
"Es ist Tatsache, dass ein signifikanter Bedeutungszuwachs der maßgeblichen Träger der extremistischen Bestrebungen im „Flügel“ – namentlich die Protagonisten Björn Höcke und Andreas Kalbitz – gegeben ist. Beide Personen sind Rechtsextremisten."
Niemand, der auch nur einen Funken Ehre im Leib hat, lässt eine solche Bezeichnung auf sich sitzen, denn in der VS-Terminologie ist "Rechtsextremist" identisch mit "Verfassungsfeind".
Und unabhängig vom persönlichen Ehrgefühl ist es für verantwortungsbewusste höhere Parteifunktionäre (Andreas Kalbitz ist Vorsitzender im AfD-Landesverband Brandenburg und Beisitzer im Bundesvorstand; Björn Höcke Landesvorsitzender in Thüringen) eine pure Selbstverständlichkeit sein, dass sie sich juristisch gegen einen derart ungeheuerlichen Vorwurf wehren. (Und die Partei verlassen, falls die Gerichte ihn letztinstanzlich bestätigen sollten.)
Nicht so Höcke und Kalbitz: Diese beiden elenden FEIGLINGE (und damit in Höckes Terminologie "Bettnässer") setzen lieber die gesamte Partei einer offiziellen Observation durch den VS aus (mit der Folge einer massiven Rufschädigung für die Partei UND ALLE IHRE MITGLIEDER!), als dass sie den VS auf Unterlassung verklagen.
Gut möglich, dass sie sich selber für Rechtsextremisten halten und eine Klage deshalb als chancenlos ansehen. Jedenfalls hätte ich vom Bundesvorstand unserer RECHTSSTAATSPARTEI erwartet, dass er keine Rechtsextremisten in der Partei duldet (und habe ihn seinerzeit aufgefordert, entsprechend zu handeln). Ich hätte nichts dagegen, vor einem evtl. Parteiausschluss den Erfolg evtl. Klagen abzuwarten; der Bundesvorstand hat jedoch insoweit GAR NICHTS UNTERNOMMEN, insbesondere ist er nicht gegen Björn Höcke vorgegangen.
Nun muss man natürlich davon ausgehen, dass es im AfD-Bundesvorstand nicht die erforderliche 2/3-Mehrheit für den Antrag auf ein Parteiausschlussverfahren gäbe. Das kann aber kein Vorstandsmitglied daran hindern, Höcke und Kalbitz öffentlich zur Klage aufzufordern und dadurch MASSIVEN DRUCK auf die beiden auszuüben. In seinem schon oben zitierten DLF-Interview stellt Prof. Meuthen dem Herrn Höcke jedoch sogar eine Art Persilschein aus (meine Hervorhebung):
"Der Verfassungsschutz stellt sehr, sehr stark auf diese beiden Personen ab, von denen ist die eine Person nicht mehr da und die andere Person, nämlich Höcke, ist Landespolitiker. Herr Höcke ist nicht im Bundesvorstand, Herr Höcke ist nicht im Bundestag, Herr Höcke ist nicht in der Bundesprogrammkommission, nicht im Konvent der Partei. Herr Höcke ist – sehr erfolgreicher übrigens – Thüringer Landespolitiker. Wenn also bei Höcke etwas moniert wird, dann wäre es Aufgabe des Landesverfassungsschutzamtes, das zu tun. Das tun die auch, ich halte das für hoch fragwürdig, was das Landesverfassungsschutzamt in Thüringen da macht. ..... Aber mit der Bundespartei AfD hat das nichts zu tun."
3. Kampf um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2021
Der oben genannte Umstand lässt Raum für die Schlussfolgerung, dass es in Wirklichkeit nur um einen persönlichen Machtkampf ging, nämlich um die AfD-Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl 2021 (und danach den Fraktionsvorsitz).
Zwar dürfte Andreas Kalbitz Realist genug sein, die Spitzenkandidatur weder für sich noch für seinen politischen Weggefährten Björn Höcke anzustreben. Jedoch steht er im Rufe, ein tüchtiger innerparteilicher "Strippenzieher" zu sein, und steht wohl auch mit Alice Weidel im Bunde.
Weidel und Meuthen wiederum sind wohl nicht die allerbesten Freunde; Meuthen hatte vor einigen Jahren verhindert, dass sie in Baden-Württemberg zur Landesvorsitzenden gewählt wurde (was sie mittlerweile ist).
Kalbitz hatte gegenüber dem SPIEGEL erklärt:
"In Wirklichkeit geht es doch um die Spitzenkandidatur von Meuthen und von Storch für die kommende Bundestagswahl", sagte Kalbitz. Er sei "in diesem Spiel nur das Bauernopfer".
Dieser Gesichtspunkt ist in der öffentlichen Debatte und den Medienberichten weitgehend untergegangen, klingt jedoch sehr plausibel. Und erweckt in mir heftige Befürchtungen bezüglich der zukünftigen sozialpolitischen Ausrichtung unserer Partei; das ist die 4. Dimension dieser Auseinandersetzung.
4. Der Elefant im Sitzungssaal: Die sozialpolitische Ausrichtung der AfD
In einem Interview mit dem Magazin "Tichy's Einblick", das zwar am 1. April (2020) veröffentlicht wurde, aber keineswegs als Aprilscherz gedacht war, plädierte "AfD-Chef Jörg Meuthen ..... für Trennung vom 'Flügel' “. Begründet hatte er das nicht etwa mit den teilweise im (ehemaligen) "Flügel" vertretenen ultrarechten Positionen, sondern mit der dort vorherrschenden sozialpolitischen Ausrichtung (Hervorhebungen jeweils von mir):
"Freiheitlichkeit und Sozialismus etwa schließen sich aus. Sie unter dem Dach einer Partei zu vereinen, kann nicht funktionieren. ..... Wohin es führt, unvereinbare Positionen in einer Partei zu haben, kann man sich exemplarisch bei der CDU anschauen. Das ehedem als Minimalkonsens einende C ist im Laufe der Jahrzehnte leider völlig verschwunden. Geblieben ist eine Partei der kompletten Beliebigkeit, die für alles und jedes steht, und zugleich auch noch für das Gegenteil. Das kann, darf und wird der Weg der AfD nicht sein."
Dann spielt ihm der Interviewer den Ball zu:
"TE: Nun ist aber doch schon oft kommentiert worden, dass die AfD eigentlich aus zwei Parteien besteht: einer freiheitlich-konservativ-marktwirtschaftlichen auf der einen Seite, einer völkisch-etatistisch-kollektivistischen auf der anderen. Bei Themen wie Euro oder Asyl gehen beide Teile ja vielleicht zusammen, aber spätestens bei der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik liegen die Differenzen offen zutage. Wird sich also Ihre Partei nicht zwangsläufig in Flügelkämpfen zerfleischen, wenn es nach der Coronakrise um Maßnahmen zur Überwindung der sich abzeichnenden schweren Wirtschaftskrise geht?"
Meuthen widerspricht dieser Charakterisierung der angeblich zwei sozialökonomischen Positionen in der AfD nicht und nimmt den Ball im weiteren Verlauf des Gesprächs immer wieder auf:
"Die Vertreter des bisherigen Flügels und die breite Mehrheit der Partei haben hier sicher zu Teilen stark divergierende Vorstellungen. Das völlig in Abrede zu stellen wäre Augenwischerei. ..... Jeder weiß, dass der Flügel und dessen maßgebliche Exponenten uns ganz massiv Wählerstimmen im bürgerlichen Lager kosten, und ich denke auch, dass die ordoliberalen Ansichten des bürgerlich-konservativen Teils der AfD noch bessere Ergebnisse im staatpaternalistisch geprägten Wählermilieu des Flügels verhindern. ..... An eine AfD ohne Flügel würde die Union scharenweise sich als konservativ verstehende Wähler verlieren, ..... Auf der anderen Seite würde ein in seinem sogenannten Sozialpatriotismus nicht mehr durch Freiheitiche wie mich eingeschränkter Flügel der Linkspartei im Osten vermutlich auch noch weitere Wähler abnehmen. ..... Unterschiede sehe ich nicht so sehr zwischen Ost und West, sondern sie sind vor allem programmatischer Natur. .....
Aus einer Zwangsgemeinschaft der permanenten programmatischen Zerrissenheit werden zwangsläufig mittelfristig viele fliehen, weil sie sich davon mit ihren politischen Überzeugungen nicht angemessen repräsentiert fühlen, und andere werden an ihrer Stelle hinzukommen, denen all das vollkommen egal ist, weil andere, rein persönliche Ziele sie leiten. Das kann es nicht sein, und so wird es auch keinen Bestand haben."
Der Satz "Freiheitlichkeit und Sozialismus ..... schließen sich aus" ist als solcher natürlich richtig. Aber bezogen auf die deutsche Politik oder auf die möglichen programmatischen Inhalte der AfD offenbart er eine verhängnisvolle Denkweise und konstruiert eine verheerende Schein-Alternative.
Die Bundesrepublik ist relativ freiheitlich, und "sozialistisch" im historischen Sinne (also kommunistisch) ist sie ganz sicher nicht. Vielmehr ist sie ein Sozialstaat, oder eine soziale Marktwirtschaft.
Man kann durchaus der Meinung sein, dass das Soziale in dem einen oder anderen Punkt (z. B. Kündigungsschutz von Arbeitsverhältnissen oder aktuell die Berliner Mietendeckelung) hypertrophiert ist und tendenziell die Gefahr in sich birgt, unsere "freie Marktwirtschaft" zu überwuchern und letztlich zu ersticken. Diese Gefahr sehe auch ich: deswegen will ich aber keineswegs "das Kind mit dem Bade ausschütten".
Wer dagegen die menschlichen Gesellschaften in der dualen Alternative "Freiheit oder Sozialimus" gefangen wähnt, der schlägt den Sozialstaat in aller Regel dem Reich des Bösen, dem "Sozialismus" zu und will ihn zerschlagen.
In meinem Blott "AfD-Programmentwurf: Libby Langfingers Dschihad gegen den Sozialstaat" vom 13.03.2016 hatte ich beschrieben, wie weitgehend damals die Marktradikalen in der AfD (verantwortlich soll Beatrix von Storch gewesen sein) auf eine Zerschlagung sozialer Sicherungssysteme hingearbeitet hatten: Die (aktuell allein von den Arbeitgebern finanzierte) Unfallversicherung und die Arbeitslosenversicherung sollten als staatliche Versicherungen abgeschafft werden und es den Arbeitnehmern überlassen bleiben, sich gegen diese Risiken privat zu versichern - oder auch nicht.
In Sachen Rentenversicherung wollte man in einem "Kap. VI. 'Soziale Sicherheit in Not und Alter' " das folgende mittelalterlich-dorfideologische Gesülze allen Ernstes zum Parteiprogramm machen (meine Hervorhebungen):
"Die AfD tritt dafür ein, dass Deutschland auch bei den sozialen Sicherungssystemen eine Rückbesinnung auf bewährte Tugenden braucht. Die staatliche Sicherung ist für Notlagen gedacht, darf nicht überfordert werden und soll und kann die Familie als Keimzelle gesellschaftlicher Solidarität nicht ersetzen. Wir erkennen dabei, dass das Umlagesystem Halt in schwierigen Zeiten geben kann, gleichzeitig aber auch die Selbständigkeit des Bürgers untergräbt und bewährte familiäre Strukturen unterlaufen kann. Wir wollen daher eine Reform der sozialen Sicherungssysteme."
Professor Meuthen würde sich niemals (wohl nicht einmal vor sich selber) als Gegner der sozialen Marktwirtschaft outen. Im Gegenteil führt er diese stets im Munde; allerdings will er sie zu jenem Zustand zurückführen, den Ludwig Erhard und (vor allem) Wilhelm Röpke im Sinne hatten.
Insbesondere Röpke hatte freilich ausgesprochen vormoderne Gesellschaftsvorstellungen. Selbst Autoren, die Röpke wohlgesonnen sind, können nicht umhin zu konstatieren, dass er in mancher Hinsicht ziemlich aus der Zeit gefallen war. Gerald Braunberger schreibt in der FAZ (15.06.2009) über ihn:
"Seine Ideale waren die seines Erachtens durch die moderne Gesellschaft gefährdete abendländische Kultur und der kernige Schweizer Handwerker mit Familie und Vorgarten in einer mittelgroßen Stadt in den Bergen."
Röpke ist also im Grunde ein Mann des 19. Jahrhunderts - wie er es sich verklärend wohl vorstellte. Eine Zeit, die sozialpolitisch bestenfalls eine karge "Armenfürsorge" kannte, und im Übrigen den schrankenlosen "Manchesterkapitalismus" zu zähmen begann.
Für den "Mann auf der Straße" klingt es wahrscheinlich ganz toll, wenn Leute wie Prof. Meuthen wieder "zur wahren sozialen Marktwirtschaft zurückkehren" wollen. Dass es ihm bei solchen Phrasen in Wahrheit um eine weitgehende ZERSCHLAGUNG sozialstaatlicher Sicherungen geht, kann man beispielsweise aus seinem geradezu wahnwitzigen Renten"konzept" (vgl. hier meine detaillierte Analyse) erschließen, welches er allen Ernstes der AfD als Parteiprogramm andrehen wollte. In seinem blindwütigen Hass auf die umlagefinanzierte staatliche Altersvorsorge für Arbeitnehmer will er eine Mindestrente (knapp über dem Existenzminimum) für mehr oder weniger alle einführen und im Übrigen die Arbeitnehmer für die Zukunft auf privates Vorsorgesparen verweisen (wobei freilich die Beamten weiterhin voll vom Staat alimentiert werden sollen). Über Kosten und Mittelaufbringung spricht er gar nicht erst.
Nach meiner überschlägigen (und vorsichtigen!) Berechnung müsste das Gesamtsteueraufkommen (ca. 800 Mrd. €) dauerhaft um ca, 30% erhöht werden, um diese Horror"reform" zu finanzieren. Anfänglich sogar um ca. 40%, weil die bislang im Umlageverfahren erworbenen Altansprüche ebenfalls von den Steuerzahlern geschultert werden sollen. Da die Arbeitenden in der ab ca. 2030 zu erwartenden demographischen Krise (stark steigender Altenquotient) die Umlagerente nicht mehr finanzieren könnten (was in der Tat ein Problem wird!), sollen sie nach der Meuthen-"Lösung" gleich DOPPELT bezahlen: Für die bisher erworbenen Altansprüche UND ZUSÄTZLICH im Kapitaldeckungsverfahren für die eigene Alterssicherung.
Vernünftig geht irgendwie anders; Sachverstand auch.
Und während Meuthen auf dem Augsburger Parteitag der AfD noch große soziale Töne gespuckt hatte, hatte er seine dortige Forderung nach einer Entlastung von Arbeitseinkommen und einer Mehrbelastung von Kapitaleinkommen, die angeblich ZWINGEND Bestandteil einer Reform der Altersvorsorge werden müsse, bereits 2 oder 3 Monate später bei der Abfassung seines Rentenprogramms wieder erfolgreich verdrängt.
Jedoch soll es an dieser Stelle nicht um Details gehen, sondern um den Nachweis, dass die Marktradikalen auf ihre Weise nicht weniger dumpfbackig und ideologieversifft sind wie Sozialisten oder Rechtsextremisten.
Selbstverständlich werden die geplanten RAUBZÜGE gegen zentrale soziale Errungenschaften der modernen Gesellschaft im leuchtenden Banner der "Freiheit" verpackt, welche der Wohlfahrtsstaat den Bürgern gestohlen habe und die man ihm zurückgeben wolle.
Wir leben jedoch NICHT in einer Handwerks- und schon gar nicht in einer Clangesellschaft, wo die (Groß-)Familie den Einzelnen mangels einer modernen Staatlichkeit in Notlagen auffangen muss. Wir leben in einem "Zeitalter der Massen", Röpcke jedoch war die "Vermassung zutiefst suspekt". Nur nimmt ein Zeitalter keinerlei Rücksicht darauf, ob Einzelne es mögen oder nicht: Eine Industriegesellschaft ist nun einmal kein wandernder Steinzeit-Stamm und muss gemäß den ihr innewohnenden Sachzwängen organisiert werden anstatt nach Normen, die (wenn überhaupt) allenfalls vorgestern Gültigkeit hatten.
Prof. Otte erhebt seine Stimme
Der Eingangstext über Politik als Kunst des Möglichen ist ein Zitat aus einem Schreiben, das der Ökonom und "Crashprophet" (Vorhersage von 2006 für die Finanzkrise 2007 ff.) Prof. Max Otte in diesen Tagen an Prof. Meuthen geschickt hat und das, aus welcher Ursprungsquelle auch immer, derzeit auf Facebook die Runde macht.
Prof. Otte ist einerseits CDU-Mitglied. Andererseits aber auch Vorsitzender des Kuratoriums [nicht zu verwechseln mit dem Vorstand] der Desiderius-Erasmus-Stiftung, der offiziellen Parteistiftung der AfD.
Als Verwalter einiger Investmentfonds gehört er nicht zu den Ärmsten der Armen. Gleichwohl (oder gerade deswegen?) ist er sozial eingestellt. Über dieses Thema hatte er schon mal eine Kontroverse mit Beatrix von Storch geführt (vgl. dazu meinen Blott "Maxl triggert Trixie" vom 09.09.2019).
Seinen kritischen Brief an Prof. Meuthen habe ich unten (fast) vollständig wiedergeben. Die Kritik bezieht sich auf zwei Aspekte ("zwei wichtige Anliegen"):
1) Dass die BuVo-Mehrheit (auf Antrag von Prof. Meuthen) Andreas Kalbitz ausgeschlossen hat (und - befürchtet Otte wohl - noch weitere Maßnahmen gegen die Rechtsaußen in der Partei unternehmen könnte). Das steht nicht direkt dort drin, lässt sich aber Wendungen entnehmen wie
- "Eine AfD, die FDP oder CDU imitieren will, wird zerrieben werden". Hier befürchtet er offenbar, dass Prof. Meuthen die AfD inhaltlich allzu sehr an die Altparteien (die ich i. d. R. als "Blockparteien" bezeichne) annähern will.
- "Diffamierung, Ausgrenzung und Spaltung". Das sind Vorwürfe (und Begriffe - Lieblingsausdruck "Distanzeritis") die man in der AfD bzw. ihrem Umfeld immer wieder hört, und zwar von denjenigen, die politisch mehr oder weniger weit rechtsaußen stehen. Und die natürlich der Verteidigung solcher Positionen dienen sollen
- "Mit Angst, Aus- und Abgrenzung im konservativen Lager bekommen wir keine Veränderung hin". Freilich noch weniger damit, dass man Vorsicht als "Angst" diskreditiert und ggf. mangels Abgrenzung vom rechten Narrensaum die Partei nach rechts in den Straßengraben fährt!
- "Die Grenze nach rechts hat Alexander Gauland klar definiert". Dass er sie "definiert" hat, ist ja schön und gut. Nur muss sie innerparteilich halt auch durchgesetzt werden - und das geht nicht, wenn man vor lauter Angst vor Abgrenzung rechtsdriftigen Kräften nicht entschieden entgegentritt!
- "mein Entsetzen über ihren 180-Grad-Kursschwenk". Damit ist offensichtlich ebenfalls Meuthens Bruch mit dem "Flügel" gemeint.
- "nicht die Fehler von Bernd Lucke und Frauke Petry zu wiederholen". Also nicht die Ultrarechten aus der AfD herausdrängen wollen.
- "Ich werde mich ..... mit aller Kraft dafür einsetzen, dass 1. Diffamierung und Ausgrenzung im konservativen Lager keinen Platz finden".
Das alles will mir nicht sonderlich zusagen.
Otte schlägt sich hier für meinen Geschmack allzu vorbehaltlos und undifferenziert auf die Seite der Ultrarechten, von denen keineswegs alle wirklich "koscher" sind.
Hier würde ich Max Otte doch sehr, sehr herzlich bitten, sich die klugen und wohlbegründeten Warnungen aus Dieter Steins Kommentar "Ein überfälliger Befreiungsschlag" zum Kalbitz-Rauswurf durchzulesen und zu beherzigen, insbesondere den folgenden Teil:
"Bereits kurz nach dem blitzartigen Erfolgsstart [der AfD] war aber programmiert, daß sich politisch erheblich vorbelastete Kräfte mit langen Lebensläufen in rechtsradikalen oder rechtsextremen Organisationen bemühen würden, das Projekt AfD zu entern.
Die AfD installierte gegen diese Bemühungen wohlweislich eine „Firewall“, eine Unvereinbarkeitsliste, die den Hauptansturm aus der rechtsextremen Szene abwendete – es kam dennoch zu einer subkutanen Unterwanderungsstrategie, in deren Zentrum der „Flügel“ und sich aus länger zurückreichenden Zusammenhängen kennende Netzwerke stehen. Schon seit Jahren werden nicht von ungefähr Stimmen im „Flügel“-Umfeld immer lauter, die Unvereinbarkeitsliste zu kippen, die „Distanzeritis“ zu stoppen und „alle Patrioten“ (sprich einschließlich des NPD-Milieus) in die Partei zu lassen.
Die systematische Ächtungsstrategie, die sowohl von den übrigen etablierten Parteien als auch vielen Medien gegen die AfD gefahren wird, hat in den vergangenen Jahren zu einem stetigen Aderlaß gemäßigter Funktionäre und Mitglieder geführt. Politisch existenzbedrohend wurde dieser Trend zuletzt durch die sich zuspitzende Gefahr der Beobachtung und Einordnung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall.
Natürlich wird der Verfassungsschutz politisch instrumentalisiert und mißbraucht, um Konkurrenz im Parteienwettbewerb zu diskriminieren. Dies kann man nicht scharf genug kritisieren. Es ist auf der anderen Seite die Frage, wer mutwillig und sogar systematisch in der AfD und in ihrem Umfeld darauf hinarbeitet und Gründe liefert, um die Partei leichtfertig als rechtsextreme Organisation abstempeln zu können."
2) Gerne hingegen mache ich mich mit dem 2. Anliegen von Prof. Otte gemein, das in seinem Brieftext zwar deutlich kürzer wegkommt, ihm aber nach meiner Einschätzung genauso am Herzen liegt: Die AfD in sozialpolitischer Hinsicht nicht zu einer FDP 2.0, oder gar einer PdV 2.0, zu devaluieren:
- "Die sozialen Strömungen sind ein sehr wichtiger Bestandteil der AfD. Ihre Wähler wollten Antworten auf ihre Existenzängste. Ohne eine starke soziale Komponente wird sich die Alternative ein Wählerpotential von 7 bis 8 Prozent mit der FDP teilen. Mit dieser Komponente kann sie Volkspartei mit 20 Prozent werden."
- "In der Vergangenheit haben ich ..... [und andere] bei den verschiedensten Gelegenheiten einen in der sozialen Frage dialogunwilligen Jörg Meuthen vorgefunden." Diese Fakteninformation gibt mir natürlich sehr zu denken. Bzw. sie bestätigt eigentlich nur jenen Eindruck, den ich schon immer von Prof. Meuthen hatte, seitdem ich auf unserem Stuttgarter Programmparteitag im Frühjahr 2016 miterleben konnte, wie er einem Antrag auf Abschaffung der Passage über die Abschaffung der Erbschaftssteuer entgegentrat (und damit vermutlich dessen Annahme verhinderte).
- "Ich werde mich jedoch mit aller Kraft dafür einsetzen, dass ..... Deutschland ein Land der ..... sozialen Sicherheit ist."
- Und dann jener begeisternde Schluss, mit dem ich mich aus vollem Herzen identifiziere: "Nicht menschengerechten Ideologien, seien es Sozialismus oder ein überzogener, marktgläubiger, libertärer Liberalismus werde ich – wie schon immer in der Vergangenheit – entschieden mit allen meinen Mitteln entgegentreten."
Wie gehe ich nun mit diesem verwirrenden Knäuel an Informationen und mit meinen eigenen widerstreitenden Gefühlen um?
Einerseits lehne auch ich einen hypertrophierten Sozialstaat und ständig steigende Anforderungen an diesen ab.
Andererseits möchte ich den Sozialstaat erhalten und in vernünftiger Weise weiterentwickeln (hier mein eigenes Rentenkonzept).
Und ich durchschaue nur allzu klar das miese Gaunerspiel jener, welche die Massen mit pathetischen Forderungen nach einer Rückkehr zu Ludwig Erhards sozialer Marktwirtschaft aufheizen und sie ganz bewusst darüber hinwegtäuschen, dass sie damit einen gewaltigen Rückschnitt des Sozialstaats (in vielen Fällen sicherlich noch weit hinter seinen damaligen Entwicklungszustand zurück) meinen.
Einerseits ist mir durchaus bewusst, dass wir den rechten Narrensaum in der AfD zurückdrängen müssen, und dass Prof. Meuthen bei der breiten Masse der Wähler wohl besser ankommt, als jeder andere in unserer AfD. (Allenfalls Alexander Gauland ausgenommen, in den ich trotz einer mittlerweile entstandenen leichten Entfremdung immer noch von allen AfD-Politikern das größte Vertrauen in seine guten Absichten und seine politische Intelligenz setze.)
Andererseits möchte ich aber "meine" Partei genauso wenig dem MARKTRADIKALEN NARRENSAUM überlassen, wie dem ultrarechten Narrensaum.
Am Ende fühle mich ziemlich traurig und allein, ohnemächtig und verloren in jener Mitte der "sozialen Marktwirtschaft", wo doch nach meiner Meinung eigentlich die Masse der Partei stehen müsste?
Was die AfD bräuchte, wäre ein "Ruck", eine kleine Revolution, die andere Politiker aus der Partei an die Spitze bringt: Eben jene, für welche "Maß und Mitte" (Otte) keine leeren Worthülsen sind, sondern innere Überzeugung.
Wo haltet ihr euch bloß alle versteckt???😁
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Nachfolgend der Text des Briefes (vermutlich einer E-Mail) von Prof. Otte an Prof. Meuthen:
Lieber Herr Meuthen,
vielen Dank für das offene Telefonat. Die Tatsache, dass Sie das Telefonat angenommen haben, rechne ich Ihnen positiv an.
Sie bestätigten die Ausladung als Redner auf der Veranstaltung am 30.6.20 und teilten mir mit, dass Sie nicht nach Hambach kommen werden. Gleichzeitig beklagten Sie, dass ich „Ihnen schaden“ wolle und „gegen Sie arbeiten“ würde. Das Tischtuch sei spätestens seit meiner an den BuVo gerichteten Mail zerschnitten. Ich arbeite „gegen niemanden“, sondern engagiere mich rein sachorientiert und mich mit aller Konsequenz für zwei wichtige Anliegen, deren zuverlässigen Anwalt ich in Ihnen bis zu Ihrer 180-Grad-Wende (Badische Zeitung) gefunden zu haben glaubte.
Manche Leser dieser Mail werden die Hintergründe nicht kennen, daher zwei erklärende Absätze. SIE waren es, der mich dazu gebracht hat, mich 2017 als AfD-Wähler zu outen.
Wir trafen uns über zwei Stunden lang im August 2017 am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Ahlen/West. Ich traf einen authentischen, offenen Menschen, der mir über eine halbe Stunde lang seinen Kampf gegen Bernd Lucke und für die Einheit der Partei schilderte. Auf den Osten und die Vertreter des Flügels angesprochen, sagten Sie mir zwei Dinge: erstens, dass Sie von den Patrioten im Osten viel gelernt hätten und zweitens, dass die Vertreter des Flügels ganz in Ordnung seien. Das war umso erstaunlicher, als dass Sie mich nicht kannten.
1. Das überzeugte mich als Patriot und als Christdemokrat. Nur eine Alternative für Deutschland, die das nationalkonservative Spektrum abdeckt, hat zusammen mit der CDU eine Chance, irgendwann eine bürgerliche Mehrheit zu stellen und dieses Land zu verändern. Eine AfD, die FDP oder CDU imitieren will, wird zerrieben werden. Zudem würde eine solchermaßen entseelte AfD schnell zu einem Pöstchenjägerverein.
Diffamierung, Ausgrenzung und Spaltung erlebe ich derzeit überall in der Opposition, auch in meiner CDU-Werteunion. Dies ist für semitotalitäre Zeiten leider normal. Wir haben einen instrumentalisierten Verfassungsschutz. Dessen – politische (!) – Arbeit muss man nicht auch noch miterledigen. Mit Angst, Aus- und Abgrenzung im konservativen Lager bekommen wir keine Veränderung hin. Die Grenze nach rechts hat Alexander Gauland klar definiert, und die steht auch für mich absolut fest.
2. Die sozialen Strömungen sind ein sehr wichtiger Bestandteil der AfD. Ihre Wähler wollten Antworten auf ihre Existenzängste. Ohne eine starke soziale Komponente wird sich die Alternative ein Wählerpotential von 7 bis 8 Prozent mit der FDP teilen. Mit dieser Komponente kann sie Volkspartei mit 20 Prozent werden. Die Globalisierung hat die Mittelschicht in ihrer Existenz bedroht. Die Mittelschicht ist Trägerin der Demokratie. Mein Vortrag vor der Bundestagsfraktion am 17.6. zeigt einen Weg Richtung soziale Marktwirtschaft auf. Eine Podiumsdiskussion zu diesen Fragen könnte sehr zur Klärung beitragen. Leider werden Sie dem wohl ausweichen, so wie Sie in der Vergangenheit konsensbildenden Maßnahmen in einem breiteren Kreis weitgehend ausgewichen sind. In der Vergangenheit haben ich – so wie auch andere wie z. B. Günther Lachmann und Florian Hoffmann - bei den verschiedensten Gelegenheiten einen in der sozialen Frage dialogunwilligen Jörg Meuthen vorgefunden.
Erst mein Entsetzen über ihren 180-Grad-Kursschwenk (Badische Zeitung) [hier, aber kostenpflichtig. Jedoch kann man dem öffentlichen Artikelanfang soviel entnehmen, dass es um die Wende Meuthens weg vom "Flügel" geht, nicht um eine sozialpolitische Wende. - br.] in den letzten Monaten hat mich dazu gebracht, mich - rein sachorientiert, „für Deutschland“ - zu exponieren und zu engagieren – in der Direktheit und Offenheit, derer ich neben der Diplomatie auch fähig bin. Noch vor einigen Wochen habe ich Sie eindringlich gebeten, nicht die Fehler von Bernd Lucke und Frauke Petry zu wiederholen. Sie versicherten mit, dass Sie dies nicht machen würden. Als sie dann doch damit anfingen, habe ich meine Stimme deutlicher erklingen lassen.
Sie warfen ein, dass mir das als Parteifremder nicht zustünde. Ich habe geantwortet, dass ich im Prinzip sagen kann, was ich will. Da ich keine Karriereabsichten habe, kommt es darauf an, ob man (und ggf. wer) mir Gehör und Vertrauen schenkt.
Die von Ihnen gedeckte Ausladung meiner Person als Redner von der Veranstaltung mit Vaclav Klaus am 30.06.20 finde ich sachfremd und unprofessionell. Keiner der beiden strittigen Punkte wäre tangiert gewesen. Ich habe den Eindruck, dass Sie es persönlich nehmen.
Bislang war es für mich nicht persönlich, und das soll es auch nicht werden. Ich will „Ihnen nicht schaden“. Ich werde mich jedoch mit aller Kraft dafür einsetzen, dass 1. Diffamierung und Ausgrenzung im konservativen Lager keinen Platz finden und 2. Deutschland ein Land der inneren, äußeren und sozialen Sicherheit ist. Sollten Sie weiter eskalieren, kann ich das auch für mich nicht ausschließen.
Politik ist die Kunst des Möglichen, das ständige Austarieren von Maß und Mitte. Nicht menschengerechten Ideologien, seien es Sozialismus oder ein überzogener, marktgläubiger, libertärer Liberalismus werde ich – wie schon immer in der Vergangenheit – entschieden mit allen meinen Mitteln entgegentreten.
Mit freundlichen Grüßen,
Max Otte
[Anm. br.: Es gibt noch ein "PS" und ein "PPS", die ich hier weglasse, weil sie von meinem Fokus ablenken.]
Nachtrag 05.07.2020
Vgl. zum Thema 'Rauswurf von Kalbitz aus der AfD' nunmehr auch das heute erschienene Interview der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) mit Professor Meuthen. Daraus:
[NZZ] "Gleichwohl [obwohl Meuthen eine problematische Kalbitz-Rede auf dem Kyffhäuser-Treffen nicht gehört hatte] war Ihnen Kalbitz’ Wortwahl lange bekannt. Hätten Sie nicht früher darauf hinwirken müssen, ihn loszuwerden?"
[Meuthen] "Seine
Reden haben nichts mit der Annullierung der Mitgliedschaft zu tun. Auf
den Kyffhäuser-Treffen sagte ich den Teilnehmern des damaligen Flügels,
dass sie aus meiner Sicht zur Partei gehören. Ich verband damit sehr
stark die Hoffnung, dass dieser nationalkonservative, wenn Sie so
wollen, «rechteste» Teil der AfD eine klare Brandmauer nach ganz rechts
aussen bilden würde. Die Aufforderung, ebendies zu tun, habe ich ein ums
andere Mal wiederholt. Wir stehen als Partei vollständig auf der Basis
der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wo wegen Äusserungen
Einzelner Zweifel daran aufkommen, erwarte ich, dass man sich auch auf
dem rechten Parteiflügel klar dagegen positioniert."
"Wenn einige gedacht haben sollten, sie könnten mich als bürgerliches Feigenblatt benutzen, dann dürften sie das jetzt wohl nicht mehr denken. Sie sehen, dass ich genau das tue, was ich gesagt habe. Es geht um eine wirkliche inhaltliche Kursbestimmung."
[NZZ] "Der
Verfassungsschutz hält neben Kalbitz auch den thüringischen Landeschef
Björn Höcke für rechtsextrem. Müsste die AfD nicht konsequenterweise
darauf hinarbeiten, auch ihn loszuwerden?"
[Meuthen] "Wenn
wir alle ausschliessen würden, von denen der Verfassungsschutz die
Mutmassung in den Raum stellt, sie seien rechtsextrem, wäre das
grundfalsch. Der Verfassungsschutz stellt ja jeden, den er dem
ehemaligen Flügel zurechnet, einfach pauschal unter Verdacht. Das ist
nicht seriös. Die sind klar rechts verortet, stehen aber mit beiden
Beinen fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Höckes Positionen teile ich sicher überwiegend nicht. Aber bei Kalbitz
geht es um eine Annullierung seiner Mitgliedschaft auf der Basis
unzutreffender Angaben. Einen solchen Vorgang gibt es bei Höcke nicht."
Während die vorangegangenen Äußerungen Meuthens den 'Rauswurf' von Kalbitz als quasi rein formal bedingt hinstellen, schwenkt Meuthen hier auf die inhaltliche Dimension (gegen rechtsaußen) um (meine Hervorhebung):
"Gauland hält unseren Kurs im Fall Kalbitz für potenziell
parteizerstörend. Ich sehe die Gefahr dagegen eher in der Beliebigkeit.
Uns eint aber das gleiche Ziel: Wir wollen die AfD regierungsfähig
machen. Dabei können wir nicht jeden mitnehmen."
Und noch stärker in dieser Antwort:"Wenn einige gedacht haben sollten, sie könnten mich als bürgerliches Feigenblatt benutzen, dann dürften sie das jetzt wohl nicht mehr denken. Sie sehen, dass ich genau das tue, was ich gesagt habe. Es geht um eine wirkliche inhaltliche Kursbestimmung."
Wobei sich hier die Frage stellt, welchen Inhalt Meuthen meint: Einen nicht-ultrarechten - oder einen nicht "sozialistischen" (für Neoliberalen ist jeglicher Sozialstaat böser "Sozialismus"). Also kurz: Ob Meuthen unsere AfD auf einen marktradikalen Kurs umsteuern will. Wenn er DAS versucht, bekommt er von mir (what little I can do) massiv Gegenwind!
ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand vom 06.07.2020
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