Freitag, 16. Dezember 2005

Stehlen en passant


Die Überschrift des Handelsblatt-Artikels vom 15. 12. 2005 wird nicht allzu viele Leser hinter dem Ofen hervor locken: "Bayern legt sich mit der Bankenaufsicht an" (anderer Link: http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1157030).
Dabei versteckt sich im Text eine ziemlich brisante Information:
"Nach Angaben des bayerischen Bankenverbandes sind alleine im ersten Quartal 2005 netto 150,4 Mrd. Euro aus Deutschland nach Österreich und in die Schweiz abgeflossen", heißt es da.



In etwa bestätigt das der Wikipedia-Eintrag zu "Kapitalflucht" (Stand 16.12.05), wo die Zahl von 150 Mrd. € allerdings für die Gesamtabflüsse genannt wird, nicht lediglich diejenigen nach Österreich und in die Schweiz. Wenn es dort allerdings beruhigend heißt:
"Wenn teilweise Milliardenbeträge aus Deutschland auf luxemburgische Konten gebracht werden, dann geht damit keineswegs Investivkapital verloren, wie gelegentlich behauptet wird. Dies wird deutlich, wenn man sich fragt, wo in dem kleinen Staat Luxemburg solche Milliardenbeträge zinsträchtig angelegt werden sollten. Stattdessen ist vielmehr damit zu rechnen, dass dies wieder in Deutschland geschieht. Eine entscheidende Rolle spielt somit der Wirtschaftskreislauf",
dann frage ich mich, wie der unterstellte Kapitalrückfluss rein statistisch erklärbar sein soll, wenn es sich doch bei dem Kapitalexport um Netto-Abflüsse handelt??? Ich denke, man muss davon ausgehen, dass dieses Kapital wirklich aus Deutschland abgezogen wurde und jedenfalls derzeit (irgendwann könnte es natürlich repatriiert werden) hier für die Wirtschaft nicht verfügbar ist.

Möglich ist ein solcher Kapitalabzug letztlich nur durch unseren immensen Exportüberschuss, auf den viele (allerdings nicht dieser Blogger) so stolz sind. Mit anderen Worten: während die orthodoxen Wirtschaftswissenschaftler uns ermahnen, Lohnzurückhaltung zu üben, damit Deutschland konkurrenzfähig bleibt, vor allem aber damit die Kapitalbesitzer investieren können, schleppen Geldsäcke ihre uns abgepressten Mittel ins Ausland (und können das sogar nur deshalb in diesem Umfang tun, weil wir auf dem Weltmarkt mit unseren Produkten – allzu – konkurrenzfähig sind).
Ich sehe zwar nicht, auf welche Weise man diesem Übel abhelfen könnte (sicherlich nicht mit marxistischen Rezepten).
Aber die Sache stinkt gewaltig!
Wenn es wirklich so ist, dass wir Lohnverzicht üben, um Investitionen zu ermöglichen, dann müssten man konsequenter Weise auch formulieren, dass die Kapitalbesitzer jenes Kapital, was sie nicht reinvestieren (und auch nicht konsumieren) unterschlagen. Ich habe aber von der Mainstream-Nationalökonomie eine solche Meinung noch nicht gehört und werde sie wohl auch nicht hören.

Übrigens, hochgerechnet auf das ganze Jahr summiert sich ein Quartalsexport von 150 Mrd. € im Jahr auf 600 Mrd. €. Der ganze Bundeshaushalt verbraucht nur (2004) ca. 260 Mrd. € (so jedenfalls der Haushaltsplan; aber auf ein paar Mrd. mehr oder weniger kommt es im vorliegenden Zusammenhang ohnehin nicht an). Mit anderen Worten: der Kapitalexport hat, wenn er in diesem Umfang weiterging (-geht), mehr als das doppelte Volumen des gesamten deutschen Bundeshaushalts.

Die Steuerlast ist also in Deutschland offenkundig keineswegs so hoch, dass sie die Investitionen strangulieren würde.
Die werden wahrscheinlich u. a. durch den Kapitalexport selbst stranguliert, weil dieser dem Land Kaufkraft entzieht. Ganz schön beschissen, gelle? Werden wir!
Und auf diese Weise (wie auch direkt, soweit es sich um Erträge aus Steuerhinterziehung handelt) strangulieren die Kapitalexporte sogar den Staatshaushalt.


Textstand vom 16.12.2005
Gesamtübersicht der Blog-Einträge auf meiner Webseite http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm

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