Freitag, 3. Februar 2017

Nobelpreis schützt vor Torheit nicht: Warum Friedrich August von Hayeks „Denationalisation of Money“ ein ‚Design for Disaster‘ ist


Inhaltsverzeichnis:

I. Strukturierte Gesamtbetrachtung
· Hayeks Buch und Methodik
· Die Struktur von Hayeks Wettbewerbs-Währungssystem
- Die Technik der Preisstabilisierung bei Hayek
· Hayeks zentraler Denkfehler: individuelles Agieren nicht auf systemische Folgewirkungen überprüft
· Selbstreferentielles Geldsystem wäre ptolemäische Revolution der Ökonomie
· Probleme mit den Warenkörben: De-Flexibilisierung der relativen Preise und Schwierigkeit der mengenmäßigen Korb-Komposition
· Die Geldschöpfung in der Hayek-Welt ist KEIN Markt!
· Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? Emissionsbanken, „Schmarotzerbanken“, Vollgeldsystem
· Hayeks Eiertanz um die Geldmengentheorie
· Konkurrenz, Wahlfreiheit, Nutzerfreundlichkeit: Des Marktes schöner Schein
· Diktatur des Monetariats: Schlaraffenland für Schmarotzer?

II. Detailüberlegungen und Nebenaspekte
· Trick 17 mit Selbstüberlistung: Preisstabilität durch Kursmanipulation?
· Preissteigerungen: angebots- oder nachfrageseitige Erstursache?
· (Schein-)Probleme bei Leistungsstörungen und Ausscheiden von Emittenten aus dem Markt
· Anmerkungen zu weiteren Einzelpunkten
· Schlussbemerkungen




I. Strukturierte Gesamtbetrachtung



Unter dem Titel “Denationalisation of Money -The Argument Refined. An Analysis of the Theory and Practice of Concurrent Currencies” hat Friedrich August von Hayek, Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 1974, einen Vorschlag für ein Parallelwährungssystem (Konkurrenzwährungssystem) erarbeitet, dessen Ziel eine bis auf minimale Schwankungen praktisch absolute Geldwertstabilität ist:

The purpose of this scheme is to impose upon existing monetary and financial agencies* a very much needed discipline by making it impossible for any of them, or for any length of time, to issue a kind of money substantially less reliable and useful than the money of any other.”
* [d. h. auf die Zentral- und Geschäftsbanken, die gegenwärtig beide Geld schöpfen; allerdings hat seine Kritik hauptsächlich die Zentralbanken als Instrumente der Regierungen im Visier.]
Erstmalig ist der Text im Oktober 1976 erschienen; eine zweite, revidierte und erweiterte Fassung im Februar 1978. Ich zitiere hier nach der 3. Auflage vom Oktober 1990, mit einer neuen Einführung herausgegeben von THE INSTITUTE OF ECONOMIC AFFAIRS, London, als „Hobart Paper (Special)“, Nr. 70.

Vorangegangen war ein Aufsatz Hayeks vom Februar 1976 u. d. T. „Choice in Currency. A WAY TO STOP INFLATION“, wo es zunächst darum ging, dass die Bürger die freie Auswahl bei der Verwendung der verschiedenen bereits bestehenden nationalstaatlichen Währungen haben sollten.

„The problems it [sein Reformvorschlag] raises are evidently also still much too little understood even by the experts for anyone to make a confident prediction about the precise consequences of such a scheme”
schreibt Hayek auf S. 26, und bezieht an dieser Stelle wohl auch sich selber noch ein. Im Verlauf seines Textes glaubt er freilich, sich seiner Sache sicher zu sein. Diese Entwicklung beschreibt er im Vorwort zur 2. Auflage (S. 16):
I have ….. let stand the difference between the more tentative tone at the beginning which ….. gradually changes to a more confident tone as the argument proceeds. Further thought has so far only still more increased my confidence both in the desirability and the practicability of the fundamental change suggested.
Schauen wir uns an, ob diese Selbstsicherheit tatsächlich gerechtfertigt ist.

Was die Methodik angeht (die in einem ausführlichen Artikel der Wirtschaftswoche über Hayek als „methodologische Mikroökonomie“ bezeichnet wird), ist sein Herangehen mir durchaus sympathisch (und mathematische Methoden sind mir ohnehin Hekuba):

“I stand ….. outside the Keynes-monetarists controversy: both are macro-economic approaches to the problem, while I believe that monetary theory neither needs nor ought to employ such an approach, even if it can hardly wholly dispense with such an essentially macro-economic concept.
Macro-economics and micro-economics are alternative methods of dealing with the difficulty that, in the case of such a complex phenomenon as the market, we never command all the factual information which we would need to provide a full explanation. Macro-economics attempts to overcome this difficulty by referring to such magnitudes as aggregates or averages which are statistically available. This gives us a useful approximation to the facts, but as a theoretical explanation of causal connections is unsatisfactory and sometimes misleading, because it asserts empirically observed correlations with no justification for the belief that they will always occur. The alternative micro-economic approach which I prefer relies on the construction of models which cope with the problem raised by our inescapable ignorance of all the relevant facts by 'reducing the scale' by diminishing the number of independent variables to the minimum required to form a structure which is capable of producing all the kinds of movements or changes of which a market system is capable. It is, as I have tried to explain more fully elsewhere [30], a technique which produces merely what I have called 'pattern' predictions but is incapable of producing those predictions of specific events which macro-economics claims, as I believe mistakenly, to be able to produce. (S. 79/80, Anm. 3)
Dass es mit den Prognoseleistungen der Makroökonomik, jedenfalls des Mainstreams, tatsächlich nicht weit her ist, hat die US-Immobilienkrise 2007/2008 ff. gezeigt. Und mit Denkmodellen arbeite auch ich. Wichtig ist dabei freilich, dass man das rigoros tut – und nicht einfach mit dem (selbst-)kritischen Denken aufhört, wenn man einen Volltreffer gelandet zu haben glaubt. Im Zweifel kennzeichne ich meine Überlegungen als vorläufige Arbeitshypothese; in meinem Blott „Deutschland darf nicht aus dem Euro austreten!“ habe ich sogar ‚mitten im Galopp‘ gemerkt, dass ich das falsche Pferd reite - und meine anfänglichen Überlegungen im Verlauf des Textes revidiert.
An dieser rigorosen Hinterfragung auch der eigenen Überlegungen fehlt es in Hayeks Vorschlag zu einer Reform unseres gegenwärtigen Geld(schöpfungs)systems, der leider absolut unbrauchbar ist.

John Maynard Keynes schreibt in der Einleitung zu seinem klassischen Werk “The General Theory of Employment, Interest, and Money aus dem Jahr 1936 selbstkritisch:
It is astonishing what foolish things one can temporarily believe if one thinks too long alone, particularly in economics (along with the other moral sciences), where it is often impossible to bring one's ideas to a conclusive test either formal or experimental. In this book, even more perhaps than in writing my Treatise on Money, I have depended on the constant advice and constructive criticism of …..”. (S. 2 des “Preface”, nicht paginiert.)
Legt man diesen Maßstab an, dann muss Hayek intellektuell bei der Abfassung seines Vorschlags zur Geldsystem-Reform ziemlich einsam gewesen sein; jedenfalls scheint er sein vorliegend analysiertes Werk ohne solche kritische Begleitung durch Fachgenossen verfasst zu haben. Im Detail ist eine ganze Reihe von Hayeks Behauptungen kritikwürdig; aber es gibt einen zentralen Denkfehler, der bei einem Ökonom seines Ranges schwer verständlich ist und der seine sämtlichen sonstigen Überlegungen von vornherein komplett wertlos macht.

Bevor ich diese Behauptung substantiiere und beweise will ich für diejenigen, die seine Schrift nicht kennen, seine Ideen zusammenfassen.

Technische Vorbemerkungen

·         Soweit ich nachfolgend Hayeks Überlegungen in eigene Denkmodelle umsetze oder sie auf diese Weise nachprüfe, arbeite ich mit der Annahme, dass lediglich zwei Währungen miteinander konkurrieren. Dabei steht „DM“ für die Altwährung (von der „Altbank“ geschöpft) und „Neumark“ (auch: NM) für die neue Währung (emittiert von der „Neubank“).

·         Hervorhebungen (Fettung) in den Zitaten stammen, soweit nicht anders erwähnt, von mir.


Die Struktur von Hayeks Wettbewerbs-Währungssystem

Auf der sozusagen strukturorganisatorischen Ebene will er das Ziel einer weitestgehenden Preisstabilität durch eine Konkurrenz verschiedener „Emissionsbanken“ („issuing banks“) erreichen, die sämtlich ihre jeweils eigenen (miteinander konkurrierenden) Währungen herausgeben. Neben privaten Emissionsbanken sollen die bisherigen staatlichen Zentralbanken weiterhin als Geldemittenten zugelassen bleiben. (S. 25: „The scheme would, to all intents and purposes, amount to a displacement of the national circulations only if the national monetary authorities misbehaved” und “… assuming a sensible policy, there is no reason why most of the existing currencies should not continue to be used for a long time”.)
Das jedoch nur als gleichberechtigte Akteure, ohne irgendwelche Privilegien. Der Markt soll von allen ggf. entgegenstehenden regulativen Fesseln befreit werden; dann können die Wirtschaftssubjekte selber eine der verschiedenen umlaufenden Währungen (also der alten staatlichen oder der neuen privaten) für ihre Geschäfte auswählen, und ganz besonders für ihre Ersparnisse. (Vgl. dazu S. 17, Vorwort zur 2. Auflage: “… in the field of money I do not want to prohibit government from doing anything except preventing others from doing things they might do better.”)

Hayek hält es für selbstverständlich, dass im Konkurrenzkampf auf die Dauer nur diejenigen Währungen überleben werden, welche maximale Preisstabilität garantieren ( „… it is my thesis that the public would select from a number of competing private currencies a better money than governments provide“ – S. 66; „I believe that, once the system had fully established itself and competition had eliminated a number of unsuccessful ventures, there would remain in the free world several extensively used and very similar currencies” – S. 126). Diese Stabilität bezieht sich zwar direkt lediglich auf einen Warenkorb, den jede Emissionsbank nach ihrer Markteinschätzung mit dem Ziel zusammenstellt, den Marktteilnehmern das ihren Wünschen oder Bedürfnissen bestmöglich entsprechende Angebot zu machen (S. 48: „Experience ….. would gradually show which combination of commodities constituted the most desired standard at any time and place.“). Im Ergebnis soll es dadurch auch zu einer weitgehenden Kaufkraftstabilität des Gesamtsystems kommen, also alle Währungen, die den Konkurrenzkampf und eventuelle Anfangsschwierigkeiten überleben, stabil bleiben:
“The purpose of this scheme is to impose upon existing monetary and financial agencies a very much needed discipline by making it impossible for any of them, or for any length of time, to issue a kind of money substantially less reliable and useful than the money of any other. As soon as the public became familiar with the new possibilities, any deviations from the straight path of providing an honest money would at once lead to the rapid displacement of the offending currency by others.” (S. 23)   (Ein moralisierender Begriff wie „honest“ in einer Analyse von Marktmechanismen erscheint eher problematisch. Und das gilt noch mehr für Hayeks Brandmarkung von Wettbewerbern, die mehr absetzen und/oder billiger verkaufen wollen, als „offender“, d. h. als Übeltäter.)

Wie er sich den technischen Ablauf von Währungsemission und vor allem der (jeweils individuellen) „Geldpolitik“ vorstellt, erläutert er auf den Seiten 46 ff. und 59 ff..

Hier zunächst der Text von Seiten 46/47 zu den Emissionsmodalitäten:
“… [I] describe how I would proceed if I were in charge of, say, one of the major Swiss joint stock banks. ….. I would announce the issue of non-interest bearing certificates or notes, and the readiness to open current cheque accounts, in terms of a unit with a distinct registered trade name such as 'ducat'. The only legal obligation I would assume would be to redeem these notes and deposits on demand with, at the option of the holder, either 5 Swiss francs or 5 D-marks or 2 dollars per ducat. This redemption value would however be intended only as a floor below which the value of the unit could not fall because I would announce at the same time my intention to regulate the quantity of the ducats so as to keep their (precisely defined) purchasing power as nearly as possible constant. ….. And I would announce that I proposed from time to time to state the precise commodity equivalent in terms of which I intended to keep the value of the ducat constant, but that I reserved the right, after announcement, to alter the composition of the commodity standard as experience and the revealed preferences of the public suggested.

….. though it seems neither necessary nor desirable that the issuing bank legally commits itself to maintain the value of its unit, it should in its loan contracts specify that any loan could be repaid either at the nominal figure in its own currency, or by corresponding amounts of any other currency or currencies sufficient to buy in the market the commodity equivalent which at the time of making the loan it had used as its standard. Since the bank would have to issue its currency largely through lending, intending borrowers might well be deterred by the formal possibility of the bank arbitrarily raising the value of its currency, that they may well have to be explicitly reassured against such a possibility.

These certificates or notes, and the equivalent book credits, would be made available to the public by short-term loans or sale against other currencies. The units would presumably, because of the option they offered, sell from the outset at a premium above the value of anyone of the currencies in which they were redeemable. …..

The sale (over the counter or by auction) would initially be the chief form of issue of the new currency. After a regular market had established itself, it would normally be issued only in the course of ordinary banking business, i.e. through short-term loans.”

Versuchen wir, aus Hayeks etwas verschlungener Darstellung die wesentlichen Elemente seiner Emissionsstrategie herauszudestillieren:

1.    Die Emissionsbank soll die neue Währung anfänglich durch Ankauf von alten (oder, wie man auch sagen könnte: durch Umtausch gegen alte) Währungen emittieren.

2.    Sie verpflichtet sich, ihre emittierten Banknoten und die bei ihr getätigten Einlagen auf Verlangen jederzeit zu einem fixen Kurs in eine von mehreren bereits bestehenden (staatlichen) Währungen umzutauschen, wobei der Besitzer der neuen Währung sich bei einem evtl. Rücktausch die ‚Rücktauschwährung‘ frei aussuchen kann.
Hier lauert bereits ein mögliches und ggf. gigantisches Problem für die Emissionsbank. Sie könnte bei evtl. Rücktauschwünschen ja nicht unterscheiden, welches Geld sie durch Umtausch oder Kreditgewährung in Umlauf gebracht hat: Das sieht man dem Geld nicht an. Und die neue Währung soll nur anfänglich durch Umtausch emittiert werden; auf Dauer jedoch weitestgehend nur noch über Kredite. Sie müsste also u. U. weitaus mehr rücktauschen, als sie an Fremdwährungen Vorrat hat (in der Gesamtsumme und/oder in der gewünschten Zusammensetzung).
Die somit ggf. erforderlichen Ankäufe von Fremdwährungen am Geldmarkt würden ihre eigene Währung abwerten (und die Rücktauschwährung aufwerten): Das würde ihre Kaufkraft mindern und sie dadurch (aus Hayeks Sicht und wohl auch real) unattraktiv machen. Und falls (gegen Hayeks Erwartungen) die oder eine der Altwährungen schon vorher aufgewertet hätten, dann müsste die Bank, um die nicht vorrätige Rücktauschwährung aufzukaufen, sogar noch mehr eigenes Geld drucken – und damit die Kaufkraft der eigenen Währung noch mehr entwerten.
(Und angesichts der von Hayek erwarteten und befürworteten Knapphaltungsstrategie ist es sogar fraglich, ob eine benötigte Währung überhaupt am Markt verfügbar wäre!) 
Die Nicht-Unterscheidbarkeit des aus Währungsumtausch respektive Kreditvergabe (und ebenso des früher oder später) geschöpften Geldes übersieht Hayek anscheinend; jedenfalls will er eine Rücktauschpflicht bloß anfänglich („initially“) vorschreiben: “Initially the issuing bank would of course be under a legal obligation to redeem its currency in terms of the other currencies against which it was at first issued.” (S. 50/51)
Seine Bemerkung in der zugehörigen Anm. 1 „… selling against other currencies would give it assets likely to depreciate“ gilt natürlich nicht nur für den dort von ihm beschriebenen Spezialfall, sondern (unter seinen eigenen Annahmen) auch für die anfängliche Geldemission durch Fremdwährungsankauf. Die Emissionsbank müsste in eigener Währung bilanzieren („such a bank would of course keep its accounts in terms of its own currency“ – S. 50), und Fremdwährungen mit dem jeweiligen Wechselkurs buchen. Dadurch könnte die Emissionsbank rasch überschuldet sein.
Nehmen wir an, die Emissionsbank bringt 1 Mio. Neumark durch Ankauf von 1 Mio. DM in Verkehr (hat also pari umgetauscht). Dann hätte sie im Soll 1 Mio. Neumark (Geld wird von den Notenbanken ja als Verbindlichkeit gegen die Geldhalter verbucht) und auf der Habenseite ebenfalls 1 Mio. Neumark (1 Mio. DM  im Bestand zum aktuellen pari-Tauschkurs umgerechnet). Fällt nun der DM-Kurs auf 50%, hat die Emissionsbank im Haben nur noch 500.000,- Neumark (1 Mio. DM zum abgewerteten 50%-Tauschkurs). Damit wäre sie bilanztechnisch überschuldet und müsste nach geltendem Recht Insolvenz anmelden. In Anm. 1 S. 49 beschreibt Hayek selbst eine solche Lage: “… [an] increase of the value of the notes issued by a bank in terms of other concurrent currencies might produce a situation in which the aggregate value of its outstanding notes (plus its liabilities from other sources) would exceed its assets.
Da jede Emissionsbank freilich ihre eigene Zentralbank ist, kann sie niemals pleitegehen (solange ihr Geld am Markt akzeptiert wird). Sie kann die Bilanz also einfach ‚mit einem Federstrich‘ (durch einen objektiv wertlosen Ausgleichsposten im Haben) „ausgleichen“. Auch das ist ein gewaltiger Unterschied zu normalen Marktvorgängen: Kein anderes Privatunternehmen hat eine solche (Selbstbedienungs-)Möglichkeit. Im Übrigen darf man bezweifeln, dass derartige Buchungstricks dem öffentlichen Vertrauen in die Solidität des Emittenten dienlich wären. 

3.    Hayek ist sich ziemlich sicher, dass die Emissionsbank ihre neue Währung mit einem Aufschlag an das Publikum verkaufen könnte. Das stelle ich mir am Beispiel so vor: Einleger E liefert 1.100,- DM ab und erhält eine Gutschrift über 1.000,- Neumark. Die Bank verpflichtet sich, diese jederzeit in 1.000,- DM zurückzutauschen. Somit hat sie 100,- DM (oder 10%) Rohgewinn gemacht. Da sie jedoch nicht in DM bucht, sondern in ihrer eigenen Währung (‚Neumark‘), kann bzw. wird sie weitere 100,- Neumark emittieren (und damit z. B. ihre Angestellten bezahlen): „The issuing bank could ….. keep in cash a 100 per cent reserve of the currencies in terms of which it had undertaken to redeem its issue and still treat the premiums received as freely available for general business.” (S. 49). Sie hatte ja 100,- DM aus dem Kursaufschlag für die Einleger übrig behalten und dadurch eine Deckung in Fremdwährung auch für ihre „Über-Emission“. (Diese Differenz wieder an den Markt zu bringen, ist – vorheriges Gleichgewicht von Geldversorgung und Güterangebot + Sparen angenommen - auch deshalb sachgerecht, weil sonst die entsprechende Kaufkraft fehlen würde.)
Hier halten wir kurz inne und bilanzieren, wie es jetzt am Markt insgesamt mit Geldmenge* und Kaufkraft aussieht: Neue Kaufkraft (Neumark) wurde bis jetzt ausschließlich durch den Umtausch von bereits am Markt vorhandener Kaufkraft (DM) geschaffen. Ich gehe dabei davon aus, dass die Kaufkraft einer Neumark anfänglich einer DM entspricht. Wir hätten also im Grunde einen gespaltenen Kurs: Bei der Güter-Kaufkraft 1 : 1, bei der ‚Geldkaufkraft‘ in der neuen Währung 1,1 : 1,0. Dass sich bei dieser Sachlage Marktteilnehmer finden, die aus reiner Euphorie für die neue Währung sozusagen einen ‚Hoffnungsvorschuss‘ bezahlen würden (selbst wenn er deutlich niedriger wäre als die hier zwecks Anschaulichkeit angesetzten 10%), halte ich für eine äußerst fragwürdige Annahme. Wenn aber die neue Emissionsbank keinen Aufschlag erzielen kann, macht sie zunächst einmal keine Gewinne. Wie lange sie eine eventuelle Durststrecke durchhalten würde, hinge von ihrem Eigenkapital ab. Insoweit fragt es sich, wie viel Kapital Anleger für ein Geschäft zu investieren bereit wären, dessen Erfolgsaussichten, vorsichtig formuliert, nicht von vornherein offensichtlich sind. (Die Emission mit Geldverleihen statt mit Umtauschen zu beginnen ist praktisch unmöglich, weil die Kreditnehmer keinerlei Gewähr für deren Akzeptanz am Markt hätten. Offenbar aus diesem Grund lässt Hayek die Emission ja auch mit dem Eintauschen alter Währung beginnen, und gibt eine Rücktauschgarantie.)
* Hayek bestreitet, dass es in seinem System eine Geldmenge gibt (S. 76/77). Warum diese Sichtweise falsch ist, werde ich weiter unten zeigen.
 
 
4.    Nehmen wir jedoch im Sinne von Hayek an, dass unsere ‚Neubank‘ sich erfolgreich am Markt etablieren konnte und nunmehr die weitere Geldemission im Kreditwege erfolgt.
Dann haben wir ein weiteres Problem insofern, als diese Bank Geld nur kurzfristig verleihen soll. Die Kurzfristigkeit (kritisch gesagt: Kurzatmigkeit) der Geldpolitik (jeder einzelnen Emissionsbank) ist ein zentrales und unabdingbares Element im Hayekschen Konkurrenzwährungssystem, weil die Emissionsbanken die Geldmenge rasch verknappen müssten, sobald die Kurse ihrer jeweiligen Referenz-Warenkörbe aus einer bestimmten (engen) Bandbreite nach oben ausbrechen. („To achieve its announced aim of maintaining the purchasing power of its currency constant, the amount would have to be promptly adapted to any change of demand, whether increase or decrease” - S. 49.)
[Einschub: Auch bei Ausbrüchen aus dem Zielkorridor nach unten sollen die Banken gegensteuern. Dazu müssten sie die Geldmenge (rasch) auszuweiten. Geld (auch nur als Kredit) zu vergeben dürfte freilich i. d. R. markttechnisch deutlich einfacher sein, als es den Besitzern - vorfristig - abzunehmen. Deshalb untersuche ich diese Variante nicht näher.] 

Geld nur auf kurze Fristen zu verleihen ist natürlich kein Problem für die Bank; wohl aber für diejenigen Schuldner, die den Kredit für längere Zeiträume benötigen. Und das dürften nicht wenige sein (Hypothekenkredit, Investitionskredit, Schiffshypotheken, Ratenkredite für Konsumenten, Kredite an staatliche Stellen ….). Die gesamte Volkswirtschaft (bzw. zunächst einmal Hayeks Modell) steht also vor dem Problem, woher die Akteure ggf. benötigte längerfristige Kredite überhaupt bekommen können. Zwar sieht Hayek auch Banken ohne eigene Geldemission vor; diese sollen jedoch reine Finanzintermediäre sein, welche Einlagen ihrer Kunden verleihen, ohne (nennenswerte) eigene Geldschöpfung betreiben zu können: „the secondary issuer [would be forced] to practice something very close to '100 per cent banking‘ “. (S. 65; vgl. auch unten.) Das wäre ein Vollgeld-System, aber ohne eine an den Interessen der Gesamtwirtschaft orientierte Zentralbank im Hintergrund.  

Mindestens ebenso gravierend ist ein anderes Problem, das Hayek nicht bedacht hat, obwohl es dabei um sein Kernanliegen der Preisstabilität geht: Anders als die Geldschöpfung durch Umtausch bereits vorhandenen Geldes (‚Fremdwährung‘) erhöht eine Geldschöpfung durch Kreditvergabe die Geldmenge in System (soweit dieser Effekt nicht durch gleichzeitige Tilgungen kompensiert wird). Im Modell kann man zwar mit der Annahme arbeiten, dass sich die Kreditnachfrage dann lediglich von den ‚Altbanken‘ auf die Neubank verlagern würde. Aber kann man sich dessen sicher sein? Ebenso gut könnte die Kreditnachfrage insgesamt steigen. Denn nach Hayeks eigener (plausibler) Annahme ist es ja gerade das Ziel der konkurrierenden Emissionsbanken, ihrer jeweiligen Währung eine möglichst weite Verbreitung zu verschaffen („These banks [die Emissionsbanken] will ….. be vying for the use of their issue by the public … . – S. 46. „… successful competitors might well make considerable inroads on its circulation“ – S. 49. “… if we assume that issuers of currency continually compete with one another for additional users of their currency …” – S. 77). Und dafür müssen sie natürlich mehr Geld an den Markt bringen.
Sein Modell baut auf also zwei beinahe selbstwidersprüchlichen Annahmen zur Motivation bzw. Strategie der Emissionsbanken auf: 

·         Einerseits sollen sie (wie für Unternehmer normal) von dem Wunsch beseelt sein, ihr Geld möglichst weit zu verbreiten, also möglichst viel von ihrer ‚Ware Geld‘ herzustellen und zu verkaufen (umzutauschen) bzw. zu verleihen.

·         Zugleich geht Hayek aber davon aus, dass die Wirtschaftssubjekte partout inflationsfreies Geld haben wollen (z. B. S. 66 „… it is my thesis that the public would select from a number of competing private currencies a better money than governments provide“,   S. 74: „The reason why people will tend to prefer a currency with a value stable in terms of commodities will thus be that it will help them to minimise the effects of the unavoidable uncertainty about [individual] price movements“ und S. 101: „The public would prefer a currency whose purchasing power it could expect to be stable“.) Preisstabilität sollen (und könnten) die Emissionsbanken jedoch nur durch eine Strategie der relativen Knappheit erreichen, also indem sie die Geldversorgung des Marktes gerade nicht an den Wünschen und Bedürfnissen der potentiellen Kreditnehmer ausrichten, sondern starr (man könnte auch sagen: quasi-automatisiert) an Preisindizes für je nach Bank individuell zusammengestellte Warenkörbe (oder auch für verschiedene Banken mehr oder weniger identisch: vgl. den Einschub „The possibility of a multiplicity of similar currencies“ S. 127/128).

·         Zuspitzend zusammengefasst ergibt sich daraus das Paradox, dass die Bank (nach Hayek) möglichst wenig Geld auf den Markt bringen darf, um möglichst viel von ihrem Geld auf den Markt bringen zu können. [Schemenhaft blitzt diese Widersprüchlichkeit in Hayeks eigenen Ausführungen auf: „The expectation of stability will evidently affect the liquidity of a particular kind of money” (S. 57/58). Jedenfalls verstehe ich diese Passage dahin gehend, dass er bei den Geldmengen eine Knapphaltungsstrategie der Emittenten bzw. Verknappungseffekte fordert oder erwartet.] 

Ohnehin bezweifle ich, dass Kreditnehmer ihren Kredit ausgerechnet in einer Währung aufnehmen würden, von der die Marktteilnehmer (in Hayeks Modell) eine Aufwertung erwarten, obwohl sie bei einer oder mehreren der Konkurrenzwährungen, insbesondere bei den alten staatlichen Währungen, mit Abwertungen rechnen. (Auf S. 63 sagt er selber: „… people will no doubt be very eager to borrow a currency offered at a lower rate of interest“ und auf S. 68: “…...it would clearly not be to the advantage of borrowers to borrow in it [in an appreciating currency].) Hayek will Kreditnehmer zwar rechtlich bzw. vertraglich gegen Veränderungen in der Zusammensetzung des Referenz-Warenkorbes durch die Bank absichern, aber (selbstverständlich) nicht gegen Kaufkraft- und Wechselkursschwankungen überhaupt. Ein Kreditnehmer, der seine Einnahmen hauptsächlich in DM erzielt, wäre indes schlecht beraten, wenn er einen Kredit in Neumark aufnehmen wollte: Von dieser müsste er in Hayeks Modell eine Aufwertung befürchten, d. h. er müsste damit rechnen, bei Kreditfälligkeit (ggf. viel) mehr von seinen DM-Einnahmen in Neumark umtauschen zu müssen, als es der Kursrelation bei der Kreditaufnahme entsprach. Zwar dürfte das entscheidende Kriterium für die Auswahl des Kreditgebers (unter denjenigen, die überhaupt zur Kreditvergabe bereit sind) der Realzins sein.* Doch sollten - weil Hayek der ‚Neumark-Neubank‘ eine Politik des relativ knappen Geldes unterstellt - die Zinsen bei Neuemittenten zumindest nicht niedriger liegen als bei der ‚DM-Altbank‘. 

* In der Einführung zur 3. Auflage behauptet Prof Geoffrey E. Wood: “It [inflation] does of course redistribute between borrowers and lenders” (S. 20). Das ist jedoch keineswegs zwingend. Ob der Anleger (Sparer) einen Verlust macht, richtet sich insoweit ausschließlich nach dem Realzins, den er erhält. In gewisser Weise sagt Hayek das sogar selbst, wenn er auf S. 124 (offenbar zustimmend) erklärt: „… banks have usually claimed that they have more or less succeeded in bringing their assets through even a galloping inflation”. Wenn das zutrifft, dann müssten sie auch die Einlagenseite durch die Inflationen gebracht haben. Was in der Tat theoretisch überhaupt kein Problem ist: Die Kreditzinsen müssen einfach nur so hoch sein, dass auch die Einlagezinsen real positiv sein können.


Die Technik der Preisstabilisierung bei Hayek

Alle vorgenannten Einwände gegen Hayeks Annahmen sind gewichtig, aber noch nicht der oben erwähnte massive Denkfehler. Der findet sich auf den Seiten 59 ff., wo es um die Technik der Geldwertsicherung in Hayeks Konkurrenzwährungswelt geht:
If, as we shall provisionally* assume, the aim of the issuing bank is to keep constant the aggregate price in terms of its currency of a particular collection of commodities it would, by regulating the amount of the currency in circulation, have to counteract any tendency of that aggregate price to rise or fall. (S. 59)
The issuing bank will have two methods of altering the volume of its currency in circulation: it can sell or buy its currency against other currencies (or securities and possibly some commodities); and it can contract or expand its lending activities. In order to retain control over its outstanding circulation, it will on the whole have to confine its lending to relatively short-time contracts so that, by reducing or temporarily stopping new lending, current repayments of outstanding loans would bring about a rapid reduction of its total issue. (S. 59) …..
In practice, many or even most of the commodities in terms of which the currency is to be kept stable would be currently traded and quoted chiefly in terms of some other competing currencies ….. . The bank would therefore have to look to the effect of changes in its circulation, not so much directly on the prices of other commodities, but on the rates of exchange with the currencies against which they are chiefly traded. Though the task of ascertaining the appropriate rates of exchange (considering the given rates of exchange between the different currencies) would be complex, computers would help with almost instantaneous calculation, so the bank would know hour by hour whether to increase or decrease the amounts of its currency to be offered as loans or for sale. Quick and immediate action would have to be taken by buying or selling on the currency exchange, but a lasting effect would be achieved only by altering the lending policy. …..  (S. 60)
The basis of the daily decisions on its lending policy (and its sales and purchases of currencies on the currency exchange) would have to be the result of a constant calculation provided by a computer into which the latest information about commodity prices and rates of exchange would be constantly fed as it arrived.(S. 60)
[* Diese Annahme wird im weiteren Text von Hayek bekräftigt. Das “provisionally” bedeutet also lediglich, dass sie an dieser Stelle noch nicht näher untermauert ist und nicht etwa, dass er sie später revidieren wollte.] 

Das ganze Preisstabilisierungsverfahren läuft somit auf einen einzigen Trick hinaus: Die eigene Währung gegen die anderen aufzuwerten. Dafür muss natürlich die Marktversorgung mit der eigenen Währung verknappt werden. Dass das technisch (alternativ oder kombiniert) auf zwei Wegen geschehen kann (durch Verkauf von gehorteter Fremdwährung gegen eigene Währung und durch Kreditrestriktionen), spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle: Im Theoriedesign seines Wettbewerbs-Währungssystems stellt Hayek Preisstabilität über gesteuerte Wechselkursänderungen her.

Die Kreditgewährung soll (auf indirektem Wege, eben über gezielt herbeigeführte Wechselkursänderungen) ausschließlich auf die Stabilisierung der Güterpreise ausgerichtet sein. (Was aber natürlich nur bei einer isolierten Betrachtung des einzelnen Emittenten darstellbar ist; im System und damit in der Realität kann das gar nicht funktionieren: s. u..)
Hayek lässt offen, ob ggf. erforderliche Kreditbeschränkungen absolut sein sollen oder lediglich relativ. Jedoch schließt er einen Kreditgewährungsstopp zumindest nicht aus: „… reducing or temporarily stopping new lending“ (S. 59) und auf S. 61 fordert er, die Bänker müssten „contract or tighten controls, i.e. restrict loans by making them dearer or being more selective“.
Absolute Kreditrestriktionen wären natürlich die absolute Katastrophe für alle, die Kredite dieser Währung benötigen: Sie müssten unter diesem Geldregime jederzeit damit rechnen, ihre in der jeweiligen Währung kontrahierten Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen zu können. Aber auch dann, wenn man eine Kreditmengensteuerung nur über den Preis (den Kreditzins) annimmt, hätten die Kunden (nach Hayeks - falscher, hier aber zugestandener - Annahme) zwar Sicherheit bei den Güterpreisen (primär nur eines bestimmten Warenkorbs, jedoch soll sich – oberflächlich plausibel - die Kaufkraftstabilität durch das gleichgerichtete Verhalten aller Emissionsbanken auf das gesamte Preisniveau ausdehnen). Doch wäre der Preis, den die Wirtschaftssubjekte für die Stabilität der Güterpreise zu entrichten hätten, eine extreme Instabilität der Geldpreise. Und zwar einerseits in Gestalt von fluktuierenden Kreditzinsen. Und andererseits, soweit sie Einnahmen (bzw. bei deflationärer Entwicklung: Ausgaben) in anderen Währungen haben, in Form von Wechselkursschwankungen. Je nach Verbreitung und Gebietskonkurrenz der Währungen könnten Unternehmer, die bislang nicht im Traum daran dachten, Exporteure zu sein (z. B. der Rechtsanwalt oder Arzt, der seine Gebühren kassieren will), sich gezwungen sehen, plötzlich ‚Außenhandel‘ betreiben zu müssen. Was ihr Geschäft mit einer völlig neuen Komplexitätsdimension belasten würde.

Außervertragliche Probleme mit der ‚richtigen’ Währungs-Wahl, die der Geldverwendung eine weitere neuartige Komplexitätsdimension einfügen würden, beschreibt Hayek auf S. 40: In non-contractual payments such as damages or compensations for torts, the courts would have to decide the currency in which they have to be paid, and might for this purpose have to develop new rules; but there should be no need for special legislation.”

Für mich ist schwer vorstellbar, dass ein solche Unübersichtlichkeit in der monetären Dimension für die Wirtschaftssubjekte attraktiv sein könnte – oder dass eine moderne Volkswirtschaft (im zersplitterten Deutschland der Zeit bis um 1800 wurden ja tatsächlich in vielen Territorien unterschiedliche Währungen verwendet) damit überhaupt eine befriedigende volkswirtschaftliche Stabilität erreichen könnte.

Als weiterer Aspekt kommen Marktstörungen durch Spekulanten in Betracht. Hayek erwähnt die Spekulation lediglich als einen potentiell hilfreichen Faktor für die Banken: “… speculation would come to its [the bank’s] aid and relieve it of the necessity to take precipitate steps to assure absolute stability“ (S. 62). Das ist auch deshalb ausgesprochen naiv, weil Hayek von einer maximalen Transparenz einerseits und Regelgebundenheit andererseits des Bankenhandelns ausgeht. Die Spekulanten hätten also alle benötigten Informationen, um den Reaktionen der Banken auf Änderungen im Preisniveau ihres jeweiligen Warenkorbs zuvorkommen oder gar (z. B. Hedgefonds mit entsprechender Kapitalausstattung) spekulative Angriffe gegen eine Bank zu fahren, indem sie deren Warenkorbpreis manipulieren. Und an Knappheitsengpässen könnten Spekulanten einerseits prächtig verdienen und andererseits z. B. die Wirkungen restriktive Geldpolitik einer Emissionsbank noch verschärfen. Folglich wären in der Hayek-Welt Turbulenzen ohne Ende zu erwarten.

Die totale Währungskonkurrenz in seinem System steigert dessen Komplexität im Vergleich zur gegenwärtigen partiellen Währungskonkurrenz erheblich: Gleichberechtigte Parameter für alle Stabilisierungsaktionen sind die Güterpreise (jedoch in Gestalt von Warenkorbpreisen mit einem überschaubaren Inhalt) auf der einen und die Wechselkurse auf der anderen Seite, während bislang die Zentralbanken vorrangig auf die (Verbraucher-)Preisstabilität abstellen und die Außenwechselkurse in deren Geldpolitik eine zwar bedeutende aber letztlich doch nachgeordnete Rolle spielen.

Besonders problematisch ist Hayeks Überlegung, den Emissionsbanken auch den Ankauf von Waren mit ihrer Währung zu erlauben:
“… it can sell or buy its currency against other currencies or ….. possibly some commodities”
Damit hätte die Bank “Willkürgeld“ geschöpft: Sie gibt wertloses Papier hin, und bekommt werthaltige Güter im Austausch. Ohne dass sie ihr „Papiergeld“ (hier einschl. Buchgeld gedacht) jemals wieder einlösen müsste, würde oder auch nur könnte. Mit dieser realwirtschaftlichen „Selbstbedienung“ von Emissionsbanken am Gütermarkt wäre einer Inflation Tür und Tor geöffnet.
Sollte etwa gar die Absicht dahinter stecken, den Emissionsbanken eine aktive bzw., von der Realwirtschaft her betrachtet, manipulative Rolle an den Rohstoffmärkten zuzugestehen oder aufzudrängen, dann wäre das ebenso schlimm: Die quasi-Spekulantenrolle der Banken würde die realwirtschaftlichen Preissignale (zeitweise) unterdrücken oder verfälschen!


Hayeks zentraler Denkfehler: individuelles Agieren nicht auf systemische Folgewirkungen überprüft

Den Pferdefuß oder das K. o.-Kriterium für Hayeks Gedankengebäude ist meiner bisherigen Beweisführung zwar bereits zu entnehmen; explizit benannt habe ich ihn allerdings noch nicht. Zuvor noch eine Textpassage von S. 61:
The effect of this contraction or expansion on commodity prices would be chiefly indirect through the rates of exchange with the currencies in which these commodities were chiefly traded, and direct only with regard to commodities traded chiefly in ducats.

Oben hatte ich gesagt, dass Hayek „Preisstabilität über gesteuerte Wechselkursänderungen herstellt“. Das ist in der Tat sein Ziel; realisierbar wäre dieser Kernmechanismus seines Währungs-Reformmodells indes nicht. Dass sein famoser Selbstregelmechanismus wegen Selbstwidersprüchlichkeit nicht umsetzbar ist verschleiert er vor sich selbst, indem er das Verhalten einer einzelnen Emissionsbank quasi im luftleeren Raum modelliert. Er vergisst (hier, obwohl er sie auf S. 95 oben selber beschreibt!) die Folgewirkungen, die ein nach seiner Vorstellung agierendes Preisstabilitätsmanagement zwangsläufig im Gesamtsystem nach sich ziehen muss.

Dort kommt es nämlich zu folgenden Kettenreaktionen (die ich hier nur für das Inflationsszenario modelliere; bei Deflation würden sie in umgekehrter Weise eintreten):

1.    Emissionsbank A stellt Bandbreitenüberschreitung ihres Warenkorbpreises fest und reagiert mit Verknappung ihrer Geldmenge.

2.    Dadurch wertet ihre Währung auf; spiegelbildlich sinkt der Kurs der anderen Währungen.

3.    Es ist unwahrscheinlich, dass die Geldverknappung einer einzigen Währung sehr schnell über Nachfrageänderungen auf die Warenkorbpreise durchschlagen würde (diese also wenigstens insoweit sinken würden, als ihre Marktpreise – z. B. an einer Warenbörse - in der A-Währung notiert werden). Jedoch verbilligt sich der Referenzwarenkorb automatisch unmittelbar mit der und durch die Abwertung der anderen Währungen.

4.    Das Korbpreisniveau, umgerechnet in A-Währung, wäre also (im unterstellten Idealfalle) wieder auf den alten Stand gedrückt.

Hier endet Hayeks Analyse – und damit sitzt er einem Denkfehler auf, der bei einem Wirtschaftswissenschaftler seines Ranges eigentlich völlig unverständlich ist.
Denn damit blendet er aus, wie sich die Effekte der A-Bank-Aktion im System fortpflanzen (und potenzieren) würden:

5.    Wenn man bei den Emissionsbanken B, C, D eine gleichmäßige Abwertung unterstellt, würden die Preise des jeweiligen Warenkorbes in deren Währungen insoweit steigen, als seine Komponenten in der A-Währung notiert werden. Und dadurch natürlich auch in der Summe.

6.    Die engen Toleranzgrenzen würden sicherlich schnell überschritten. Somit müssten, um ihre eigene (zwar „weiche“, aber aus Wettbewerbsgründen lt. Hayek unbedingt einzuhaltende) ‚Preisstabilitätsgarantie‘ zu bewahren, auch diese Banken aufwerten. Darauf weist er auf S. 95 sogar selber hin: “This [die Preisstabilisierungspolitik der Konkurrenz] would soon force any less provident issuers of competing currencies to put a stop to a slide in the value of their currency in either direction if they did not wish to lose the issue business altogether or to find the value of their currency falling to zero.“ Hätte er hier auf seine (generell) etwas gespreizte Ausdrucksweise und den moralisierenden Seitenhieb „less provident“ verzichtet und einfach aber präzise formuliert „…. then the competitors in their turn would have to appreciate or depreciate their currency ” wäre ihm die Undurchführbarkeit seiner Ideen wahrscheinlich aufgegangen.

7.    Bei einer Umsetzung dieser Ideen wäre das Ergebnis dasselbe, als wenn bei einer Massenpanik alle Menschen gleichzeitig denselben Ausgang stürmen: Niemand gelangt an sein Ziel. Die Menschen erreichen nicht das Freie; die Banken nicht die angestrebte Preisstabilisierung. Hayeks Reformvorschlag kann nicht funktionieren, weil er eine logische Unmöglichkeit voraussetzt: Dass nämlich im Ernstfall alle Währungen mehr oder weniger gleichzeitig abwerten (bzw. ggf. aufwerten) könnten.

8.    Stattdessen würde die gesamte Volkswirtschaft Schaden nehmen, weil sich die Geldmengenkontraktionen im Aufwertungswettlauf der Geldemittenten potenzieren würden.

9.    Vielleicht wäre Hayeks Ziel der Geldstabilität dadurch erreicht: Weil sich am Ende die gesamte Geldversorgung dramatisch verknappt, müssten die Preise massiv einbrechen. Das würde allerdings Deflation bedeuten, die Hayek (zu Recht) ebenfalls vermeiden will. Doch wäre sie die unvermeidliche Folge, wenn man versuchen würde, seinen todsicheren Geldsystemtipp in die Realität umzusetzen.

Zwar muss man dem Autor sein Eingeständnis (Einleitung, S. 13) zugutehalten
“… that I am ….. very much aware that I have only scratched the surface of the complex of new questions and that I am still very far from having solved all the problems which the existence of multiple concurrent currencies would raise. Indeed, I shall have to ask a number of questions to which I do not know the answer; nor can I discuss all the theoretical problems which the explanation of the new situation raises.”
Das kann aber nur für diejenigen Überlegungen gelten, die noch nicht ausgereift sind. Den hier aufgezeigten Denkfehler kann das also nicht entschuldigen, denn was schon in der Grundannahme falsch ist, wird auch bei weiterem Nachdenken nicht richtiger.
Bei einer Betrachtung aus größerem gedanklichem Abstand wirkt Hayeks selbstreferentieller Preisstabilisierungsmechanismus wie ein surrealistischer Albtraum. Der er, wenn umgesetzt, für die Wirtschaft auch tatsächlich wäre.
(Vgl. zu diesem Abschnitt auch unten bei den Detailüberlegungen das Kapitel „Trick 17 mit Selbstüberlistung: Preisstabilität durch Kursmanipulation?“)


Selbstreferentielles Geldsystem wäre ptolemäische Revolution der Ökonomie

Will man die tiefere Ursache für die praktische Untauglichkeit auf einer abstrakten Ebene benennen, dann kann man Hayeks Vorgehen vergleichsweise als eine ptolemäische Revolution der Ökonomie deuten.
Während bislang Geldversorgung und Preise um die Zentralsonne der Realwirtschaft kreisten, soll durch die Umorganisation des Geldsystems das gesamte Sonnensystem des menschlichen Wirtschaftshandelns um die Erde einer (relativ) fixen Geldmenge rotieren. Eine Geldmengenanpassung soll nur noch zum Ausgleich von Änderungen des Sozialprodukts und des Hortverhaltens zulässig sein. Relative Preisänderungen bleiben zwar möglich und sind lt. Hayek in einer Marktwirtschaft unverzichtbar. Aber Steigerungen des gesamten Preisniveaus werden sofort mit Geldverknappung bestraft und ausgebremst. (Umgekehrt will er Deflationen durch Geldmengenausweitung stoppen, aber dieses Problem dürfte weitaus seltener auftreten.)

Es sollte einleuchten, dass es nicht wirklich eine gute (und schon gar keine geniale) Idee ist, die Wirtschaft in das Prokrustesbett einer derart starren Geldversorgung einzupferchen. Es ist verräterisch, wenn er selber (zwar in etwas anderem Zusammenhang) von einem „benevolent dictator“ spricht (S. 117/118). (Auch sonst war Hayeks politisches Denken und Handeln, trotz seines liberalen Wollens, nicht völlig frei von gewissen Neigungen zu autoritären Regimen.) Denn sein Geldmengenkorsett ist die Benevolenzdiktatur einer starren, quasi-automatischen Geldmengensteuerung, die nicht auf die Anforderungen der Realwirtschaft geeicht ist, sondern nur angeblich den Bedürfnissen der Unternehmen, tatsächlich jedoch den Interessen der Geldbesitzer (bzw. genauer: der Geldhorter) dient. In der Umsetzung würde es zu einem Tummelplatz für Spekulanten sowie für Berater, welche die Aufgabe hätten, die jeweilige Währungsposition für Unternehmen und große Geldbesitzer zu optimieren. Anders gesagt: Das Hayeksche Geldsystem wäre u. a. auch ein Konjunkturprogramm für unproduktive Bürokraten.

Sein System ist kein Wettbewerb von Marktanbietern im geläufigen Sinne; es ist eine Karikatur von „Markt“, bei dem ein Anbieter-Oligopol die Geldmenge festlegen würde. Und zwar nach Hayeks eigenen Vorstellungen nicht aufgrund der Nachfrage, sondern ausschließlich mit dem Ziel, den Preis für einen bestimmten Warenkorb (dessen Bestückung und relative Zusammensetzung die Emissionsbanken selber bestimmen!) in einer engen Bandbreite zu halten. (Veranschaulicht hat er das Verfahren in der Grafik „Table II“ auf S. 61; vgl. dazu S. 62: „From the point of view of the issuing banks it would probably be desirable to allow a small, previously-announced, tolerance or standard of deviation in either direction.“). Ein kleiner Kreis von Vorständen privater und, soweit sie im Wettbewerb bestehen, auch staatlicher (S. 17) Banken würde die Geldversorgung der gesamten Volkswirtschaft beherrschen. Und zwar (so jedenfalls Hayeks Vorstellung) nicht mit dem unmittelbaren Ziel, ein optimales Funktionieren (insbesondere eine optimale Auslastung!) der Realwirtschaft zu erreichen, sondern einzig zu dem Zweck, einen bestimmten Warenkorb, und in der Konsequenz einer Summe von Warenkörben, stabil zu halten. (Wobei Hayek davon ausgeht, dass sein Geldsystem auch eine stabile Realwirtschaft garantiert. Was ich freilich bezweifle.)

Wenn Hayek schreibt (S. 94): “The profits from the issuing business (which amounts to borrowing at zero interest) will be very large and it does not seem probable that very many firms can succeed in it” dann zeigt er damit, dass nicht einmal er selber sein System als Markt im üblichen Sinne betrachtet. Denn wenn ein Geschäft hohe Profite abwirft, sollte man doch erwarten, dass sich viele Wettbewerber dort tummeln? Das würde über Preiskonkurrenz (Kreditzinsen) die Gewinne senken und die Geldnachfrage stimulieren; damit wären jene Zusammenhänge hergestellt, wie sie den üblichen Marktmechanismen entsprechen und derzeit auch am Geldmarkt bestehen und.
Bei Hayek kann und darf dieser normale Markt-Mechanismus aber nicht funktionieren (auf S. 63 tadelt er sogar ausdrücklich den Wettbewerb über niedrige Kreditzinsen), weil die Zinsen nicht als direkte Reaktion auf die Kreditnachfrage festgesetzt werden sollen, sondern das Geld (außer bei Deflation) generell knapp und damit die Preise stabil halten sollen. Dass er von relativ hohen Kreditzinsen ausgeht, lässt sich auch seiner Bemerkung S. 89 entnehmen: „… occasional disturbances ….. cannot be wholly excluded until the public has learnt rapidly to reject tempting offers of cheap money.” Und noch krasser auf S. 94: “Money is the one thing competition would not make cheap, because its attractiveness rests on it preserving its 'dearness'.

So ist es nicht verwunderlich, dass sogar nach Hayeks eigener Vorstellung der Wettbewerb extrem verkümmern würde, zu einer bloßen Karikatur von ‚Markt‘:
“Competition between the issuing banks would concentrate on the avoidance of even minor fluctuations of their value in terms of these commodities, the degree of information provided about their activities, and various additional services (such as assistance in accounting) offered to their customers.” (S. 127)
Wie bei derartigen Wettbewerbsbeschränkungen “successful competitors ….. considerable inroads on its  circulation [den Umlauf der Konkurrenzwährungen]“ (S. 49) machen, d. h. der Konkurrenz Marktanteile abjagen können sollen, ist mir schleierhaft.

Hayek leugnet, dass sein System eine quasi-automatische Geldmengenbegrenzung beinhaltet. In der Auseinandersetzung mit Überlegungen von Milton Friedman schreibt er:
“Milton Friedman, and recently many others, have urged a monetary rule ….. so that the growth of money is steady and predictable. But why do we need to regulate our suppliers of money? ..... regulation of an industry - by government, regulatory agency, or rule - can be defended only if the industry is not regulated by competition. In general, competition will deliver the best attainable outcome. Why not in money? That is the question addressed in this Paper; and the answer is that competition in the supply of money will produce that desired outcome, just as it does in other economic activities.” (S. 21)
Und auf S. 81:
„As regards Professor Friedman's proposal of a legal limit on the rate at which a monopolistic issuer of money was to be allowed to increase the quantity in circulation, I can only say that I would not like to see what would happen if under such a provision it ever became known that the amount of cash in circulation was approaching the upper limit and that therefore a need for increased liquidity could not be met.

Tatsächlich erwartet Hayek selber aber genau das, bzw. wäre dies das Umsetzungsergebnis seiner Ideen: eine regelbasierte* Geldmengenanpassung. Nur dass die „Regel“ hier keine sanktionsbewehrte Vorschrift des Staates ist, sondern eine von den Marktmechanismen bzw. den Kundenwünschen (wie Hayek sie sich vorstellt) erzwungene gleichgerichtete Geldmengenpolitik der Emissionsbanken. Es ist ihm offenbar entgangen, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Situation, in der „a need for increased liquidity could not be met“, bei seinen eigenen Vorschlägen sehr viel größer ist als bei denjenigen von Friedman. Denn in der Hayek-Wellt sollen die Emissionsbanken die Geldmenge ja ausdrücklich anhand von Veränderungen im Preisniveau regulieren; die Geldnachfrage der Wirtschaft ist kein Kriterium.
Anders gesagt: Eine gesteigerte Geldnachfrage soll ausschließlich zum Ausgleich von vermehrten Geld-Haltewünschen (Sparwünschen) des Publikums befriedigt werden (S. 88/89: „The wish of each individual to have a larger share of his resources in a very liquid form can be taken care of by additions to the total stock of money.“). Daneben soll auch bei einer Warenkorb-Deflation die Geldversorgung der Wirtschaft erhöht werden.
[Das kann man auch als Kausalzusammenhang modellieren:   1) Höhere Sparquote führt zu Deflation   2) Diese fungiert als Signal an die Banken, die Geldmenge zu erhöhen.]
* Hayek bestreitet, dass die Geldpolitik der Emissionsbanken in seinem System ein quasi-automatisiertes Steuerungsverhalten zur Folge haben würde:

„The dealings of an issue bank in other currencies would ….. never be a purely mechanical affair (buying and selling at constant prices) guided only by the observed changes in the purchasing power of the other currencies; nor could such a bank undertake to buy any other currency at a rate corresponding to its current buying power over the standard batch of commodities; but it would require a good deal of judgement effectively to defend the short-run stability of one's own currency, and the business will have to be guided in some measure by prediction of the future development of the value  of other currencies.” (S. 65/66)
Nur erwähnen will ich an dieser Stelle die Problematik der „Marktsignale“. Was genau soll das Bankenhandeln steuern? Andere Textstellen erwecken den Eindruck, dass (erst) Änderungen der Warenkorb-Preise geldmengenrelevante Aktivitäten der Emissionsbanken auslösen sollen. Hier dagegen muss man vermuten, dass nach Hayeks Vorstellung auch allgemeine Daten des Geldmarktes und der Realwirtschaft für die Geldmengenpolitik herangezogen werden sollen. Also z. B. Geldmengenänderungen der Konkurrenz, Lohnabschlüsse, Produktivitätsentwicklung usw.. Solche Methoden würde sich freilich schon bedenklich an Zustände annähern, die Hayek in anderen Zusammenhängen zweifellos als ‚sozialistische Marktsteuerung‘ verteufeln würde.

Anstatt die Bedürfnisse der Realwirtschaft bei der Geldversorgung zu berücksichtigen, behindert sein System die Kreditnachfrage nach Kräften: Die Emissionsbanken sollen Kredite i. d. R. nur kurzfristig vergeben. Andere Banken, die Geschäfte in den Währungen der Emissionsbanken betreiben, sieht er beinahe als Systemschmarotzer an, die er gerade noch dulden, jedoch in keinster Weise fördern möchte:
“….. the unavoidable appearance of what one may call parasitic currencies, i. e. the pyramiding of a superstructure of circulating credit through other banks carrying cheque accounts and perhaps even issuing notes in the denomination of the currency of the original issuer, would interfere with the issuer's control over the value of his own currency. So long as such parasitic issues were clearly labeled as debts to be paid in the currency of the issuer it is difficult to see how this could be or should be prevented by law. Clearly not all banks would wish to issue, or probably could issue, a currency of their own. Those that did not would have no choice but to accept deposits and grant credits in terms of some other currency, and would prefer to do so in the best currency available.” (S. 65)

Hayek erkennt also, dass seine Emissionsbanken die Stellung von (konkurrierenden) Zentralbanken hätten, und dass sich darunter eine weitere Schicht von Banken ausbilden würde, deren Stellung den gegenwärtigen Geschäftsbanken entspräche. (Vgl. auch S. 58: “Although we shall frequently refer to the agencies issuing currency simply as 'banks', this is not meant to imply that all banks will be issuing money.”) Diese Geschäftsbanken (oder ‚Sekundärbanken‘) sollen Kredite weitgehend nur noch als Vollgeld-Kredite vergeben:
“….. though private issuers will have to tolerate the appearance of parasitic circulations of deposits and notes of the same denomination, they ought not to assist but rather restrain it by making it clear in advance that they would not be prepared to provide the notes needed to redeem parasitic issues except against 'hard cash', i.e. by sale against some other reliable currency. By adhering strictly to this principle they would force the secondary issuer to practice something very close to '100 per cent banking'. So far as there would still be limited fiduciary parasitic issues they would have to be kept in circulation by a policy which assured that their value was never questioned. Though this policy might limit the circulation and thus the profit of the original issuer, it should not seriously impair his ability to keep the value of his currency constant.” (S. 65)

In Hayeks eigener Formulierung stellt sich das, was ich als seine „ptolemäische Revolution“ kritisiere, wie folgt dar:
No currency … can remove the rigidity of some prices which has developed. But it can make impossible the policies which have assisted this development by making it necessary for those who hold prices rigid in the face of a reduced demand to accept the consequent loss of sales. The whole difference of approach between the dominant 'Keynesian' school and the view underlying the present exposition rests in the last resort on the position taken with regard to the phenomenon of rigid prices and wages. Keynes was largely led to his views by his belief that the increasing rigidity of wages was an unalterable fact which had to be accepted and the effect of which could be mitigated only by accommodating the rate of money expenditure to the given rate of wages. ….. I have maintained ever since that such an adaptation of the quantity of money to the rigidity of some prices and particularly wages would greatly extend the range of such rigidities and must therefore, in the long run, entirely destroy the functioning of the market. (S. 96)
Es stellt sich dann natürlich die Frage, warum ausgerechnet die Rigidität der Löhne die Marktmechanismen gefährden sollte – und nicht etwa die von ihm heftig propagierte Rigidität der Geldpreise. (Außerdem erkennt der letzte Satz, der ja zweifellos auch für seine Parallelwährungswelt Gültigkeit beansprucht, wiederum die Geldmengentheorie an, die er in seinen abstrakten Erörterungen für sein System negiert!)

Dass er auch selber eine Preisrigidität propagiert, ist Hayek zweifellos gar nicht bewusst: eine Rigidität des Geldpreises nämlich. Der Preis des Geldes, den ich hier meine, ist der Kreditpreis (Zins und Tilgung).
Dass der Zinssatz „der Preis des Geldes“ ist (egal, ob als Kaufpreis oder als Mietpreis verstanden, wie in David Friedmans Blogpost „The Price of Money and Other Errors“), ist ebenso banal – wie falsch.
Falsch deshalb, weil damit fast immer gemeint (und noch öfter verstanden) wird, dass der Nominalzins der Geldpreis sei. Tatsächlich jedoch ist der Preis (und das heißt umgekehrt: sind die Kosten!) des Geldes durch den REALzins determiniert.
Die Folgen, die daraus bei einer größeren wirtschaftlichen Krise erwachsen, hat Irving Fisher in seinem klassischen Aufsatz (später auch zum Buch erweitert) „THE DEBT-DEFLATION THEORY OF GREAT DEPRESSIONS“ beschrieben. Den Inhalt referiert das Wikipedia-Stichwort „Schuldendeflation“ wie folgt: „Eine Schuldendeflation liegt vor, wenn ein Preisverfall (Deflation) zu sinkenden Nominaleinkommen führt. Da die nominale Höhe der Schulden und der geschuldeten Zinsen unverändert bleibt, führt die Schuldendeflation zu einer Erhöhung der realen Schuldenlast. Dies kann zu einer Deflationsspirale führen: die Erhöhung der realen Schuldenlast verursacht die Insolvenz einiger Schuldner. Dies führt zu einer Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und somit zu einer weiteren Verringerung der Preise (Verschärfung der Deflation). Dies wiederum führt zu noch weiter fallenden Nominaleinkommen und damit zu einer noch stärkeren Erhöhung der realen Schuldenlast. Dies führt zu weiteren Insolvenzen und so weiter. Es gibt eine starke empirische Validität, dass die Schuldendeflation eine wesentliche Ursache der Weltwirtschaftskrise war.“

Im Modell dargestellt, könnte das so aussehen:

·         Ausgangszustand: Unternehmen verkauft Ware zu 110 GE, davon sind 10 GE Gewinn. Die Produktionskosten betragen 100,- GE und setzen sich wie folgt zusammen: 30 GE Vorbezug von anderen Unternehmen; 30 GE Löhne; 30 GE Zins + Tilgung sowie 10 GE Abschreibung.

·         Änderung Depression: Alle Preise fallen auf die Hälfte; die Fa. muss die Waren für 55 GE verkaufen. Um überhaupt noch Arbeit zu haben, verzichten auch die Arbeitnehmer auf ihren halben Lohn. Dann sieht die Kalkulation des Unternehmens wie folgt aus: 15 GE Vorbezug, 15 GE Löhne und (weil ja auch die Wiederbeschaffungskosten gesunken sind) nur noch 5 GE Abschreibung. Macht zusammen 35 GE. Was aber NICHT gefallen ist, sind die Kreditkosten. Die bleiben bei 30 GE, so dass die Fa. zu 55 GE verkauft, was sie mit Kosten von 65 GE produziert. Mithin macht sie 10 GE Verlust – und würde auf Dauer natürlich pleitegehen.

Hayek wäre sicherlich empört über den Vorwurf, dass er die Geldpreise starr halten wollte. Aber das wäre ein Missverständnis. Natürlich würde auch er für solche Situationen eine Zinssenkung vorsehen – bei Neuverträgen. Eine Herabsetzung der Zinsen, oder gar eine Minderung der Hauptforderung, für laufende Kreditverträge käme ihm nicht entfernt in den Sinn.
In Arbeitsverträge einzugreifen, damit hat Hayek (und haben die „Austrians“) freilich nie ein Problem: Wenn wo was fehlt, dann soll halt der Pöbel den Gürtel enger schnallen. Aber gewiss nicht die Geldbesitzer: Deren Interessen sind absolut sakrosankt.


Probleme mit den Warenkörben: De-Flexibilisierung der relativen Preise und Schwierigkeit der mengenmäßigen Korb-Komposition

Hayek will zwar das Preisniveau insgesamt stabilisieren. Relativ zueinander dürfen und müssen die Einzelpreise jedoch weiterhin schwanken, um ihren Informationswert für Marktprozesse zu behalten: „“… the unpredictability of particular future prices, inevitable in a functioning market economy …” (S. 72) und „… the function of prices is precisely to communicate, as rapidly as possible, signals of changes of which the individual cannot know but to which his plans must be adjusted.“ (S. 86)

Auch hier macht Hayek den Fehler, diese (richtige) Überlegung nicht auf sein Gesamtsystem ‚hochzurechnen‘. Denn was soll dort aus Hayeks Sicht idealer Weise passieren?
·         Jede einzelne Emissionsbank hält ihren eigenen Referenz-Warenkorb preisstabil. (“The whole matter appears to be very simple and straightforward so long as we assume that all the competing banks try to control their currencies with the aim of keeping their values in some sense constant.” – S. 62)
·         Damit bleibt aber zugleich das gesamte Preisgefüge, d. h. die unterschiedlichen Warenkörbe gegeneinander, stabil; Schwankungen der Korbpreise gegeneinander sind dann nicht mehr möglich. Wenn also z. B. die E-Bank einen Korbpreis für Energie stabilisiert, und die M-Bank einen solchen für Metalle, muss auch das gesamte Preisniveau relativ stabil bleiben. (S. 63: „… so long as the currencies are almost instantaneously exchangeable against one another at a known rate of exchange, the relative prices of commodities in terms of them will also remain the same.“) Womit keine Verschiebungen zwischen dem Korb-Preisniveau von Energien und dem von Metallen mehr möglich wären.

Solche Verzerrungen führen nach Hayek zu Störungen bei der Ressourcenallokation (S. 86):
But the current prices of particular commodities or groups of commodities can also be positively misleading if they are caused by non-recurring events, such as temporary inflows or outflows of money to the system. For such apparent changes in demand from a particular direction ….. systematically channel productive efforts into directions where they cannot be maintained. The most important recurrent misdirections of the use of resources of this sort occur when, by the creation (or withdrawal) of amounts of money, the funds available for investment are increased substantially above (or decreased substantially below) the amounts currently transferred from consumption to investment, or saved.

Hayek denkt hier zwar nur an echte ‚Übernachfrage‘ (bzw. ‚Unternachfrage‘), d. h. an eine Fallgestaltung, in der eine gewissermaßen ‚künstliche‘, durch ‚Gelddrucken‘ erzeugte Nachfrage das Angebot übersteigt (bzw. sie – aus anderen Gründen - unterschreitet). Real muss man sich sein Inflationsszenario wohl so vorstellen, dass in eine voll ausgelastete Wirtschaft weitere Geldmengen injiziert und dort (nicht gehortet, sondern) ausgegeben werden.
Das ändert aber nichts daran, dass auch bei ihm die Verzerrung der Korbpreise gegeneinander künstlich herbeigeführt wird und Investoren verleiten kann, Güter des einen Korbes zu kaufen und Güter eines anderen Korbes zu verkaufen, und zwar ausschließlich dadurch, dass die ‚echten‘ Preissignale (reales Angebot und Nachfrage am Gütermarkt) durch Preisstabilisierungsmaßnahmen von Emissionsbanken verzerrt werden.

Ein anderes Problem ist die mengenmäßige Zusammensetzung der Warenkörbe. Also ob man die Preise von z. B. 1 t Roheisen + 1 t Rohöl  1 t Weizen aufaddiert, oder aber die Zusammensetzung entsprechend dem Verhältnis der aktuellen Absatzmengen gewichtet. Dann müsste man z. B. 1 t Roheisen + 2 t Rohöl + 3 t Weizen für den Referenzkorb-Preis zugrundelegen. Insoweit ist weniger die Ausgangslage bedeutsam als vielmehr der Umgang mit Verschiebungen im relativen Verbrauch der einzelnen Güter zueinander. Solche Änderungen können nämlich z. B. die Preise in die Höhe treiben, obwohl die Preise sinken.
Was zunächst merkwürdig klingt, wird an einem Modell, dessen realer Hintergrund uns allen leidvoll vertraut ist, rasch einsichtig: einem Strom-Warenkorb.

1.    Eine kWh Atomstrom soll 5 ct kosten, eine kWh Solarenergie 25 ct.

2.    Der „Mix“ im gesamten Stromverbrauch bestehe aus 1.000 kWh Atomstrom (= 50 €) und 100 kWh Solarstrom (= 25,- €) = 75,- € Gesamtkosten bzw., auf 1 kWh umgerechnet, ca. 6,8 ct.

3.    Der Preis für Solarenergie fällt auf 20 ct.

4.    Einige Atomkraftwerke werden abgeschaltet. Der Stromverbrauch bleibt mit 1.100 kWh unverändert; die Lücke wird durch Solarenergie (zu dem auf 20 ct gesunkenen Preis) ausgefüllt. Nehmen wir an, dass nunmehr 600 kWh Atomstrom (= 30,- €) und 500 kWh Solarstrom (= 100,- €) verbraucht werden. Dann sind unsere Gesamtausgaben, trotz gesunkener Solarstrompreise, auf 130,- € angestiegen. Und der Durchschnittspreis pro kWh beläuft sich nunmehr auf 130,- € : 1.100 kWh = ca. 11,8 ct!

5.    Um ein Gegenbeispiel zu konstruieren, bei dem der ein Strompreis fällt, und dennoch der Durchschnittspreis steigt, variieren wir Ziff. 4 wie folgt: Die Kosten für Atomstrom sollen auf 7 ct steigen (Solarenergie bleibt auf 20 ct). Der Verbrauchsmix ändert sich jedoch wieder zu demjenigen in Ziff. 2. Dann haben wir 70,- € Atomstrom (1.000 x 0,07 €) + 20,- Solarstrom (100 x 0,20 €) = 90,- € oder ca. 8,2 ct im Durchschnitt. Also, im Vergleich mit Ziff. 4, einen ‚trotz Preissteigerung gefallenen‘ Preis.

In einem nicht gewichteten Korb hätte der Durchschnittspreis pro kWh anfänglich 15 ct betragen (5 + 25 : 2). Nach der Preissenkung für Solarstrom wäre der ungewichtete ‚Durchschnittspreis‘ auf 12,5 ct gefallen (5 + 20 : 2). Real ist aber (im Szenario Ziff. 4) der Strom für die Verbraucher deutlich teurer geworden. Und umgekehrt, in Ziff. 5, ist der Strom billiger geworden, obwohl der Preis für Atomstrom um 2 ct oder 40% gestiegen ist!

Passt man im Szenario Punkt 4 die Indexberechnung nicht an die geänderten Verbrauchsmengen an, sondern belässt diese auf dem früheren Niveau (Ziff. 2), dann würde sich ein rechnerischer Gesamtpreis von 70,- € ergeben (50,- Atomstrom plus – jetzt preisreduziert – 20,- Solarstrom). Bezogen auf die kWh würden unsere Berechnungen nunmehr einen auf ca. 6,4 ct (von 6,8 ct aus Szenario Ziff. 2) gefallenen Preis anzeigen. Obwohl doch, wie wir gesehen haben, die Ausgaben der Verbraucher bei unveränderter Verbrauchsmenge auf Basis der aktuellen Gewichtung in Wahrheit nunmehr gemittelt 11,8 ct pro kWh betragen!

Man mag einwenden, dass es sich wegen der Substituierbarkeit von Strom um einen Sonderfall handele; bei einem Metall-Warenkorb können die Verwender Kupfer nicht einfach durch Eisen ersetzen. Aber auch dort kann es, durch neue Technologien, schwankende Vorratshaltung und sogar Moden (Edelmetalle als Schmuck!) zu signifikanten Änderungen der Verbrauchsrelationen kommen. Der Rohölverbrauch kann durch sparsamere Motoren und Heizungen, durch kleinere Autos oder einen milden Winter gesenkt werden, so dass es zumindest denkmöglich ist, dass die Verbraucher trotz höherer Ölpreise weniger dafür ausgeben müssen.

Hier wird deutlich, dass Hayeks System, wo die Böcke als Gärtner arbeiten sollen (d. h. die Emissionsbanken dürfen ihre eigenen Warenkörbe nach Belieben festsetzen und verändern) für Otto Normalverbraucher noch weitaus undurchschaubarer ist als die Geldpolitik der Notenbanken, wie wir sie kennen. Und manipulationsanfälliger sowieso.
Aber selbst wenn man vorsätzliche Manipulationen ausschließt und den privaten Emissionsbanken den besten Willen unterstellt, können sich allein schon aus der Häufigkeit solcher Anpassungen gewaltige Unterschiede bei den Auswirkungen im Geldwesen (Wechselkurse, Kreditzinsen) ergeben. Und natürlich auch aus rein technischen Aspekten der statistischen Erfassung, etwa der Frequenz und der zeitlichen Verzögerung, sowie der Weitergabe der Informationen von den Statistikämtern an die Öffentlichkeit (und damit auch die Banken).

Spekulanten hätten ihre Freude an einem derart undurchsichtigen Gestrüpp; der biedere Bürger eher nicht. Verlierer (und zu irgendeinem Zeitpunkt verliert zwangsläufig jeder bei diesem Spiel!) in diesem Gewoge andauernder Kurs- und Zinsschwanken würden diese für sie undurchschaubaren ‚Machenschaften‘ als ein Betrugssystem ansehen, das die Banken eingerichtet haben, um die Bürger kräftig abzocken zu können.

Mit den oben genannten Problemen, inwieweit Preisindizes überhaupt aussagekräftig sind und welche man für die Geldpolitik heranziehen soll, muss sich natürlich auch das gegenwärtige System des Geldmanagements durch Zentralbanken herumschlagen. Nur verschärfen sich die Schwierigkeiten enorm, wenn man für die Geldmengensteuerung anstelle eines breiten Verbraucherpreisindex‘ einen kleinen Korb von Rohstoffpreisen zu Grunde legt.


Die Geldschöpfung in der Hayek-Welt ist KEIN Markt!

Schon oben hatte ich gezeigt, dass wir es bei der Geldemission nach Hayeks Vorstellungen nicht mit einem Markt im üblichen Sinne zu tun haben. Denn während dort der Wettbewerb zum Angebot möglichst vieler Güter zu möglichst niedrigen Preisen führt, sollen konkurrierende Emittenten möglichst wenig Geld zu eher hohen Preisen (Zinsen) anbieten, um die Güterpreise stabil zu halten.

Das Problem der Unternehmen in einem solchen „Markt“ sieht Hayek auch selber und fragt sich, auf welchem Gebiet da überhaupt noch ein Wettbewerb möglich wäre:
A competition the chief merit of which is that it keeps the products of the competitors dear raises various interesting questions. In what will the suppliers compete once they have established somewhat similar reputations and trust for keeping their currencies stable? (S. 94)

Seine im Anschluss daran geäußerte Vermutung, dass die Emissionsbanken den Unternehmen ein Outsourcing ihrer Buchhaltungen anbieten würden (und die darin eingeschlossene Erwartung, dass die Unternehmen diese Dienstleistung gerne annehmen) überzeugt mich in beiden Punkten nicht. Allerdings zeigt sie, dass Hayek selber von einer gesteigerten Komplexität seines Konkurrenzgeldsystems gegenüber dem jetzigen (und damaligen) Zustand ausgeht, denn was sonst sollte Unternehmen bewegen, eine Kernfunktion ihrer Tätigkeit an Außenstehende zu übertragen? Damit würden sie sich zugleich an einen Währungsemittenten binden („…services to the enterprises basing their accounting on a bank's currency would be likely to become the chief weapon of competition …” - S. 94), was einen Wechsel erschwert. Das kann Hayek eigentlich nicht wünschen und die Unternehmen noch weniger. Weshalb sie sich auch kaum auf diese Weise an eine Bank binden würden. Hier zeigt sich also ein innerer Widerspruch in seinem Denken. Wenn (wie er behauptet) die erleichterte Buchhaltung der zentrale Nutzen des Konkurrenzwährungssystems für Unternehmen darstellt, würde sich kein rational agierender Wirtschaftsteilnehmer insoweit unter die Fittiche seiner jeweiligen Emissionsbank flüchten (müssen). Vielleicht hat Hayek ja selber eingesehen, dass sein System die Komplexität der Geldgeschäfte für die Marktteilnehmer in Wahrheit enorm steigern würde.

Unternehmen erwarten von ihrer Hausbank keinen Buchhaltungsservice, sondern vor allem einen verlässlichen Kreditgeber, der zur Stelle ist, wenn man Geld braucht.
Doch da wären sie in der Hayek-Welt an die falschen geraten, denn das Emissionsverhalten soll sich nicht etwa an den Wünschen der eigentlichen Geld’käufer‘, also der Kreditnehmer, orientieren, sondern ausschließlich an den Interessen der Sparer. Deren Identität mit den Interessen aller anderen Wirtschaftsteilnehmer unterstellt Hayek mit einem Argument, das extrem konstruiert wirkt. Man darf es wohl als Indiz für seine eigene unbewusste Unsicherheit in dieser Sache werten, dass er auf S. 69 in unterschiedlichen Formulierungen gleich viermal dieselbe Phantasiebehauptung vorträgt:
·         the decisive factor that would create a general preference for a currency stable in value would be that only in such a currency is a realistic calculation possible”;
·         “… the chief task of accounting, to ensure that the stock of capital of the business is not eaten into and only true net gains shown as profits available for disposal by the shareholders, can be realised only if the value of the unit of account is approximately stable”;
·         “… why successful economic calculation is possible only with a stable value of money” und
·         „… effective capital maintenance and cost control is possible only if accounts are kept in a unit that in some sense remains tolerably stable”.

Wäre eine erfolgreiche Bilanzierung wirklich nur mit einer absolut kaufkraftstabilen Währung möglich, dann hätte es angesichts der Geldentwertung (Tabelle S. 136/137 seines Buches) zumindest im Zeitraum 1950 – 1975 weltweit keinerlei erfolgreiches unternehmerisches Handeln geben können.
Ebenfalls völlig marktfern ist es, wenn zwar gigantische Gewinne anfallen und dennoch nur wenige Firmen in der Lage sein sollen, sich an diesem (sogenannten) Markt zu tummeln (s. o.).

Ich vermute, dass viele von Hayeks Adepten (er selber nicht) sich den Geldschöpfungsmarkt genau wie den Gütermarkt vorstellen. Bei letzterem ist die Qualität dem einzelnen Objekt inhärent, und die Verbraucher haben (im Prinzip) die freie Auswahl. Für die Geldherstellung in der Hayek-Welt indes würden völlig andere Qualitätsdeterminanten gelten: Dem (kreditgeschöpften) Geld als konkretem Objekt bzw. Anspruch (Bargeld oder Kontoguthaben) wohnt niemals eine unveränderliche Qualität inne. Und die freie Auswahl wäre für die Wirtschaftssubjekte selbst bei Hayeks Konkurrenzwährungen faktisch stark eingeschränkt: Weil es für den Einzelnen mit erheblichen Kosten verbunden wäre, aus der Reihe zu tanzen.

Ein Hemd mag eine mehr oder weniger gute oder schlechte Qualität haben: Wenn es einmal produziert wurde, ändert sich daran nichts mehr. Bei der ‚Ware Geld‘ dagegen hat die Qualität (i. S. von Kaufkraftstabilität verstanden) keinerlei Zusammenhang mit dem konkreten ‚Produktionsvorgang‘ der je individuellen Geldschöpfung (durch Währungsumtausch oder Kredit). Es gibt keinerlei Kriterien, nach welchen man das in jedem Einzelfall herausgegebene Geld (Bargeld oder Guthaben) als gut (wertstabil) oder schlecht (instabil, insbesondere inflationär) beurteilen könnte.
Vielmehr kann die Qualität je nach früherer, gegenwärtiger und zukünftiger gesamter Geldschöpfungsmenge ständig variieren (und damit hat jeder Geldbesitzer im Konkurrenzwährungssystem ein ständiges Wechselkursrisiko). Diese Abhängigkeit ist zudem keineswegs auf die Geldpolitik des einzelnen Emittenten beschränkt, sondern hängt außerdem von der Geldmengenemission der Konkurrenten ab. Das sieht Hayek wohl auch selber so wenn er formuliert, dass : „… the user of a stable currency cannot escape the effects of the distortion of the price structure by the inflation (or deflation) of a widely used competing currency.“ (S. 89)]

Und noch nicht einmal die Geldemissionsmenge (bei Konkurrenzwährungen die gesamte Summe aus nominalen Beträgen zu jeweiligen Umtauschwerten oder Kaufkraftrelationen) allein bestimmt das Preisniveau und damit die Geldqualität. Sogar die sich wandelnden Entscheidungen der Nutzer über die Verwendung ihres Geldes beeinflussen den Geldwert: “A stable price level ….. demands ….. that the quantity of money (or rather the aggregate value of all the most liquid assets) be kept such that people will not reduce or increase their outlay for the purpose of adapting their balances to their altered liquidity preferences.” (S. 81)
Solche Abhängigkeiten der Qualität von zukünftigen Ereignissen gibt es bei anderen Marktangeboten praktisch nicht. Folglich haben wir es in der Hayek-Welt nicht mit einem normalen Markt zu tun, auf den man lediglich die sonst gültigen Regeln und Erwartungen übertragen müsste, um vergleichbare Resultate zu erhalten.

Im Modell kann man sich z. B. folgende Entwicklung vorstellen, die für den Gütermarkt typische und erwünschte Marktprozesse widerspiegelt, die man jedoch am Geldmarkt als Fehlentwicklung verdammen müsste (wenn man Hayeks Modell für gut und machbar hält):

1.    Im Ausgangsszenario ist der Markt mit genau der richtigen Geldmenge (100% = 100 Geldeinheiten - GE) versorgt. (Die Wechselkurse spielen in meinem Denkmodell keine Rolle. Soweit diese von der Parität abweichen, sind die GE als Ergebnis einer Umrechnung zu verstehen. Wenn also z. B. das Geld der A-Bank doppelt so teuer wäre wie das der anderen, wären die 40 GE in meinem Modell das Ergebnis einer Umrechnung aus 20,- nominal emittierten A-Mark.)

2.    Die Emissionsbanken sind an den 100 GE wie folgt beteiligt:
a.  A-Bank 40 GE
b.  B-Bank 30 GE
c.   C-Bank 20 GE und
d.  D-Bank 10 GE.

3.    Nun tritt eine Veränderung dergestalt ein, dass die Geldmenge um 10 Einheiten zunimmt. Konkret kann das dadurch geschehen sein, dass eine oder mehrere Banken die Geldemission gesteigert haben, oder dass ein oder mehrere neue Wettbewerber hinzugekommen sind. (Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Geldmenge zwar nicht absolut, aber doch relativ gestiegen wäre: Ein Ent-Sparen der Geldbesitzer könnte die „genau richtige“ (= inflationsneutrale) Geldmenge auf 90 GE abgesenkt haben.)

4.    Gehen wir hier einfach davon aus, dass (bei sonst unveränderten Verhältnissen) eine E-Bank als neuer Wettbewerber in den Markt drängt und 10 GE emittiert hat. Somit haben wir nunmehr 110,- GE = 110% der inflationsneutralen Geldmenge. Die dadurch entstehende Über-Nachfrage führt wahrscheinlich zu Preissteigerungen, bis Güter- und Geldmenge wieder im Lot sind. Nach Hayeks Vorstellungen müssten nun die anderen Banken (und eigentlich auch der neue Emittent selber) ihre eigene Geldmenge reduzieren, um ihre jeweilige Währung aufzuwerten und damit die Preissteigerung (in der Eigenwährung) zu neutralisieren. Lassen wir beiseite, dass ein Aufwertungswettbewerb schon rein logisch unmöglich ist bzw. zur Katastrophe führen würde, dann müssten nach Hayek die bisherigen Emissionsbanken Marktanteilsverluste hinnehmen (bzw. sogar aktiv darauf hinarbeiten), um in diesem merkwürdigen „Markt“ das „Richtige“ zu tun.*

Die Folgen einer nominalen Geldmengensteigerung kann man allerdings sehr unterschiedlich modellieren. Nehmen wir an, die DM-Bank hätte 20% Marktanteil und würde ihre Geldemission nun um 50% steigern. Durch diese zusätzliche Nachfrage nähme Aldi statt 100 GE täglich jetzt 110 GE ein.

·         Dann könnten die reagieren, indem sie ihre Preise generell um 10% steigern, also inflationieren. Die verkaufte Warenmenge wäre wieder auf dem alten Niveau, aber der Gewinn wäre gestiegen. Die Inflation beträfe ALLE Währungen. (Eine Preissteigerung exklusiv für Kunden, die in DM bezahlen, scheidet aus, weil die Preise z. B. in Neumark kalkuliert werden und andere Währungen zum jeweiligen Wechselkurs angenommen werden.)

·         Es könnte aber auch sein, dass Aldi sich mit der Umsatzsteigerung zufrieden gibt. Jedoch müssten sie, wenn sie in Neumark bilanzieren, abends statt 20 DM-GE nunmehr 30 DM-GE in Neumark umwechseln. Dadurch würde der DM-Kurs wahrscheinlich fallen und sich für die Kunden deren Kaufkraft beim Aldi entsprechend verringern. Am Ende würden dann vielleicht 30,- DM nicht mehr kaufen als ursprünglich 20,- DM.

·         Alternativ kann man sich vorstellen, dass Aldi mehr DM an seine Lieferanten bezahlen muss, als er bisher in dieser Währung eingenommen hat. Er hätte also bislang andere Währungen in DM umtauschen müssen, das wäre tendenziell aufwertend für die DM gewesen. Wenn dieser Bedarf jetzt wegfällt, würde die DM tendenziell abwerten. Inwieweit das tatsächlich passiert, hängt (auch beim vorigen Szenario) natürlich u. a. wesentlich vom Gesamtvolumen des DM-‚Devisenmarktes‘ ab.

·         Schließlich kann Aldi von Neumark auf DM umsteigen. Dann müsste die Neubank ihre Geldmenge reduzieren, weil ihr Nutzerkreis kleiner geworden wäre.

Jedenfalls gibt es grundsätzlich ZWEI Möglichkeiten, wie sich eine nominale Geldmengensteigerung (im Sinne einer ‚Überemission‘) einer Währung auf das System auswirken kann:
·         Bei unveränderten Wechselkursen durch Preiserhöhung. Die kursgewichtete Geldmenge wäre dann gestiegen.
·         Bei einem entsprechend proportionalen Kursverfall der überemittierten Währung (im Beispiel: DM) bliebe die kursgewichtete Geldmenge unverändert.
Wenn man die “Geldmenge“ im Parallelwährungssystem korrekt als eine kursgewichtete definiert, dann gilt also, dass Geldmengensteigerungen auch dort (ceteris paribus) zu Preissteigerungen führen (und umgekehrt).
Wird die Geldmengenausweitung einer Währung durch einen entsprechenden Kursverfall (dieser oder einer anderen Währung) kompensiert, dann ist lediglich die nominale Geldmenge gestiegen, aber nicht die (allein relevante) Systemgeldmenge (kursgewichtete Geldmenge).

Bei den o. a. Szenarien mit einem Kursverfall der DM könnte man spotten, dass die Strafe „genau den Richtigen getroffen“ habe. Aber darf man als Anhänger einer freien Marktwirtschaft einer expandierenden Emissionsbank ein falsches Handeln vorwerfen? Hayek verfällt in diese moralisierende Tonart: “As soon as the public became familiar with the new possibilities, any deviations from the straight path of providing an honest money would at once lead to the rapid displacement of the offending currency by others” (S. 23).

Doch wer ist der ‘offender’, also der Übeltäter? Der neue oder der expandierende alte Marktanbieter hoffentlich nicht, denn Hayek ist doch für freie Märkte? Die anderen (egal, ob sie ihr Geldangebot nun reduzieren oder nicht), sind erst recht keine ‚offender‘, sondern die Platzhirsche. Denen ist aber in einer Marktwirtschaft kein bestimmter Marktanteil garantiert. Ebenso wenig kann man postulieren, dass z. B. die A-Bank mit ihren 40% Marktanteil diesen zu Gunsten neuer oder alter Wettbewerber reduzieren müsse, weil er unverschämt hoch sei. Die Problematik dieses Sachverhalts für Hayeks Gedankengebäude resultiert daraus, dass sein System eben kein Markt ist, wo jeder Anbieter möglichst viel verkaufen will – und das auch tun darf. („Darf“ im ökonomischen Sinne; rechtlich ist auch im Hayek-Geldsystem den Banken eine beliebige ‚Produktionssteigerung‘ nicht verwehrt.)

Diese Problematik unterschlägt er, wenn er auf S. 24 die Schöpfung von Basisgeld quasi als Ausweitung der sonstigen Gewerbefreiheit hinstellt: „The suggested extension of the free trade in money to free trade in banking. Zwar zeigt er an anderer Stelle, dass er sich in mancher Hinsicht der Unterschiede von Geld’produktion‘ und Güterproduktion durchaus bewusst ist: “Money is the one thing competition would not make cheap, because its attractiveness rests on it preserving its 'dearness'.” (S. 94). Aber letztlich setzt er sich mit den Folgen für die Anwendbarkeit seiner Ideen und für den freien Wettbewerb nicht auseinander. Im Grunde ist sein Geldsystem statisch und wettbewerbsfeindlich; Newcomer oder Etablierte mit aggressiven Marktstrategien wären Störer. Und das nicht nur für die Konkurrenten, wie in regulären Märkten, sondern Störer im (und potentielle Zer-Störer des) System(s)!

Es gibt also viele gute Gründe dafür, die Geldherstellung nicht einfach den normalen Marktprozessen zu überlassen: Weil die hier gar nicht wirken können und dürfen, wenn man Inflationsfreiheit durch Knapphaltung erreichen will. Hayek ist daher sowohl naiv als auch überheblich, wenn er meint, nach all seinen etwas beschränkten Vorgängern nun den Stein der Weisen gefunden zu haben (S. 51):
„It has for so long been treated as a self-evident proposition that the supply of money cannot be left to competition that probably few people could explain why. As we have seen, the explanation appears to be that it has always been assumed that there must be only one uniform kind of currency in a country, and that competition meant that its amount was to be determined by several agencies issuing it independently [also im gegenwärtigen 2-stufigen Bankensystem].”

Mit seiner unmittelbar anschließenden Bemerkung (ebenfalls S. 51)
“It is, however, clearly not practicable to allow tokens with the same name and readily exchangeable against each other to be issued competitively, since nobody would be in a position to control their quantity and therefore be responsible for their value”
verwirft er das gegenwärtige System einer Geldschöpfung im Zusammenspiel von Zentralbank (Basisgeld) und Geschäftsbanken (Bankengeld). (Noch direkter auf S. 91: „… a most unfortunate hybrid system in which responsibility for the total quantity of money was divided in a fatal manner so that nobody was in a position to control it effectively“.) Eine absolute Geldmengenkontrolle gibt es heutzutage in der Tat nicht; aber die wäre wegen der nötigen Elastizität der Geldversorgung auch absolut marktwidrig und systemgefährdend. Und eine gewisse ‚weiche‘ Geldmengenkontrolle via Leitzinsen haben die Zentralbanken sehr wohl. (Was auch Hayek so sieht: “… central banks must, to prevent matters from getting completely out of hand, try deliberately to forestall developments they can only influence but not directly control” – S. 101.)
Auf S. 81 fordert Hayek Elastizität, allerdings nicht mit dem Blick auf die Geldnachfrage, sondern auf das Kontrollinteresse der Emittenten: “Keeping the quantity of money constant does not assure that the money stream will remain constant, and in order to make the volume of the money stream behave in a desired manner the supply of money must possess considerable elasticity.”) Hier muss man auch fragen, ob das ‚Geldmengenmanagement‘ der Banken nach Hayeks Vorstellung über harte Kreditrestriktionen erfolgen soll, oder ausschließlich über Zinsänderungen. Irritierend ist auf jeden Fall seine Kontrollobsession, die allen normalen Marktfunktionen widerspricht.

Ausdrücklich behandelt er den expansiven Wettbewerb auf S. 62 ff. („Would competition disrupt the system?“).
Dabei ist es erschreckend marktwidrig (wenngleich in seinem eigenen Denkmodell nur folgerichtig), wenn Hayek Konkurrenzvorgänge, die den Gütermarkt überhaupt erst zu einem „Markt“ im gängigen Sinne machen, am Geldschöpfungsmarkt verurteilt (S. 63):
There will of course always be a strong temptation for any bank to try and expand the circulation of its currency by lending cheaper than competing banks; but it would soon discover that, insofar as the additional lending is not based on a corresponding increase of saving, such attempts would inevitably rebound and hurt the bank that over-issued.”
Und
Money is the one thing competition would not make cheap, because its attractiveness rests on it preserving its 'dearness'.(S. 94)
Auf welche Weise soll in der Hayek-Welt überhaupt noch eine Ausweitung der Marktanteile oder der Markteintritt neuer Wettbewerber möglich sein? Jedenfalls nicht mit den zentralen uns vom Gütermarkt her vertrauten Konkurrenzmethoden. Deswegen erwartet auch Hayek selber einen Wettbewerb nur mit eher unwichtigen Zusatzdienstleistungen, wie der Übernahme der Buchführung für die Unternehmen durch die Banken.

Und welche Bank wäre denn in unserem obigen ‚Überemissionsmodell‘ überhaupt diejenige, die „overissued“ hat? Bei ihm die, die den Preis gesenkt hat; aber wie sonst soll sich z. B. ein neuer Wettbewerber einen Platz an der Sonne verschaffen? Würde Hayek, dieser leidenschaftliche Verfechter einer freien Marktwirtschaft, von VW die Drosselung der Produktion verlangen, weil Toyota mehr Autos in den Markt drückt? Und die Autokäufer durch die Begrenzung des Gesamtangebots daran hindern wollen, so viele Autos zu kaufen, wie sie möchten? Dieser Vergleich mit einem echten Anbieterwettbewerb erhellt hoffentlich, welch eine perverse Karikatur von „Markt“ das Hayeksche Geldschöpfungssystem darstellt.

Auf diese Kritik hätte er vielleicht erwidert, dass die alten und neu hinzukommende Banken eben austesten müssen (und dürfen), welche Währung das Publikum am liebsten hält, bzw. welche Währung in welcher Menge.
Doch widerspräche das zum einen das seiner oben zitierten eigenen Erwartung eines nur noch auf Randbereiche reduzierten Wettbewerbs („Competition between the issuing banks would concentrate on the avoidance of even minor fluctuations of their value in terms of these commodities, the degree of information provided about their activities, and various additional services (such as assistance in accounting) offered to their customers.” - S. 127)
Und zum anderen wäre das Ganze ein höchst instabiles System, das jeden Interessenten abschrecken müsste, zum ‚first mover‘ zu werden (weil er ein kurzfristiges Verschwinden jeder neuen Währung als Möglichkeit einkalkulieren müsste). Damit wären jedoch hohe Marktzutrittshürden für neue Wettbewerber etabliert; jedem Marktwirtschaftler sollte angesichts eines derartigen Pseudo-Marktes das Grausen kommen. Für die Profiteure, d. h. für die Anteilseigner der Emissionsbanken, wäre es dagegen die Lizenz zum Geld drucken. Das sieht auch Hayek selber so (S. 94):

“Though even very large profits of the successfully established issuers of currency would not be too high a price for a good money, they would inevitably create great political difficulties. Quite apart from the inevitable outcry against the profits of the money monopoly, the real threat to the system would be the cupidity of Ministers of Finance who would soon claim a share in them for the permission to allow a currency to circulate in their country, which would of course spoil everything.”

Da bei der Geldschöpfung ein Wettbewerb in den Kerndisziplinen Preis und Menge nicht stattfinden soll, würde es sich aus meiner Sicht anbieten, die Geldscheine auf einem Drittel der Fläche mit einem Warnhinweis zu versehen: „Achtung: Beim Geld fügt echter Wettbewerb Ihnen und den Personen Ihrer Umgebung schweren Schaden zu“. J

Natürlich hätten die Wirtschaftssubjekte in der Realität auch keineswegs die freie Wahl, welche Währung sie verwenden möchten:
·         Händler usw. müssten dasjenige Geld akzeptieren, was ihre Kunden in der Tasche haben (das erwartet auch Hayek: „Shopkeepers ….., so long as they know they can instantaneously exchange any currency at a known rate of exchange against any other, would be only too willing to accept any currency at an appropriate price.” – S. 67) – oder auf das Geschäft verzichten.
·         Arbeitnehmer müssten jedenfalls dort, wo es keine Kollektivverträge gibt, eine Bezahlung in derjenigen Währung akzeptieren, die der Arbeitgeber auswählt.
·         Aber auch bei Kollektivverträgen würden die Arbeitgeber darauf bestehen, das Arbeitsentgelt in derjenigen Währung auszuzahlen, in der sie (voraussichtlich) ihre Haupteinnahmen haben.
·         Mieter müssten in der vom Vermieter bestimmten Währung bezahlen.
·         Natürlich lassen sich auch bei Dauerschuldverhältnissen alle Währungsvereinbarungen ändern. Aber das geht zum einen nicht schnell, und zum anderen setzt es das Einverständnis beider Seiten voraus. Theoretisch könnten die Vertragsparteien zwar auch insoweit Abweichungen vereinbaren; diese würden allerdings in aller Regel zu Gunsten der stärkeren Partei ausfallen. Die Rechtsprechung würde solche Vereinbarungen zweifellos als sittenwidrig einstufen, weil sie den wirtschaftlich Schwächeren benachteiligen und ihm ein ggf. hohes (Wechselkurs-)Risiko aufbürden. Jedenfalls sollte deutlich geworden sein, welch ein immenses Streitpotential die Parallelität verschiedener Währungen in sich birgt.
·         Ebenso hätte der Staat die Entscheidungshoheit darüber, in welcher Währung die Bürger ihre Steuern und Abgaben leisten müssen, und er selber bezahlen will. (Das akzeptiert auch Hayek: „A government must of course be free to determine in what currency taxes are to be paid and to make contracts in any currency it chooses“ – S. 40.)

Ein Markt wie alle anderen ist das Geldsystem auch deshalb nicht, weil seine Signale anderer Natur sind.
Wenn sich bei Schuhen die Sohle löst, dann weiß der Kunde, dass hier wohl ein ungeeigneter Klebstoff verwendet und/oder die Sohle schlecht angenäht war. Und kauft diese Marke nicht mehr.
Wenn jemand seinen Arbeitsplatz wegen einer Geldmengenkontraktion verliert, dann sieht, hört, riecht, schmeckt oder fühlt er das nicht. Der Ökonom mag ihm das erklären; verstehen wird das kaum jemand. Sogar die Ökonomen selber haben das, für die Great Depression, ja lange Zeit nicht verstanden und einige, darunter die Austrians, verstehen es bis heute nicht.

Die verstehen auch nicht, woher die „stickiness“ der Preise (darunter insbesondere der Löhne) kommt und dass die Menschen gute Gründe haben, ihre jeweiligen Positionen zu verteidigen.
Zum einen rührt die fehlende Verzichtsbereitschaft daher, dass die Wirtschaftssubjekte den Zusammenhang zwischen Geldmengenverknappung und (potentiellem) Jobverlust (bzw. Forderung auf Lohnverzicht) überhaupt nicht nachvollziehen können. Wäre unsere Wirtschaft eine sozialistische und würde, nur mal angenommen, die Zentralbank der Firma monatlich eine bestimmte Lohnsumme überweisen, dann wüssten die Arbeitnehmer oder könnten zumindest unmittelbar einsehen, dass sie nicht mehr 100% Lohn bekommen können, wenn die Zentralbank nur noch 50% der gesamten Lohnsumme überweist.
Für eine Marktwirtschaft könnte man zwar einen ähnlichen Wirkmechanismus modellieren: Wenn die Firma nur noch reduzierte Kredite bekommt. Aber woher weiß der Arbeitnehmer, dass das wegen bewusster Geldverknappungspolitik der Banken geschieht? Und wird er das innerlich akzeptieren, dass die Bank keinen Kredit mehr ausreicht, obwohl die Umsätze unverändert sind?
Ein indirekter Kanal wäre ein Absatzeinbruch. Für den kommen zahlreiche Erklärungen in Betracht: Modeänderungen, bessere oder billigere Produkte der Konkurrenz usw. Die Erklärung „Geldmengenkontraktion“ ist für den individuellen Horizont einfach zu abstrakt, um begriffen zu werden. Das einzige, was die Arbeitnehmer begreifen können, ist: „Die wollen mir was wegnehmen, jetzt heißt es kämpfen“.

Und kämpfen muss er schon deshalb, weil er ja selber ständig Zahlungen leisten muss, für Güter, deren Preis nicht gefallen ist: Mieten, Kreditzinsen, Lebensmittel usw. Es hilft ihm bei Lidl an der Ladenkasse nicht weiter, wenn ihm ein Ökonom erklärt: „Also, wenn du heute auf 50% deines Lohnes verzichtest, und alle anderen auch, dann sinken die Preise entsprechend und dann kannst du dir am Ende genauso viel wie jetzt kaufen“.
Und ebenso wenig hilft es dem Unternehmer, der seine Preise senken soll, aber zunächst noch unveränderte Kosten hat (und mit den Kreditzinsen sogar Kosten, die sich definitiv nicht ändern werden).
Langfristig sind wir alle tot; aber bis dahin müssen wir bezahlen, heute, morgen, übermorgen. Auf dem Papier sind Geldmengenkontraktionen kein Problem: Dann müssen halt Löhne und Preise ebenso fallen, und schon passt alles wieder. Aber ganz abgesehen davon, dass die Propagandisten solcher Forderungen die Geldpreise selbstverständlich ausnehmen (Zinsen, und erst Recht Tilgungen, aus laufenden Krediten werden von diesen Kreisen nie als Problem erwähnt), ist es eben die Ungleichmäßigkeit der Änderungen, die den Menschen gewaltige Probleme macht. Und sie dazu bringt (bzw. zwingt), sich zunächst einmal gegen Absenkungen so lange und so heftig zu wehren, wie es eben geht.

Werden im Krieg die Lebensmittel knapp, und werden sie deshalb nur noch auf Marken zugeteilt oder die Rationen gesenkt, dann ist das eine Form von Marktgeschehen, welche die Menschen begreifen können. Ebenso, wenn eine Fluglinie bestreikt wird und sie deshalb nicht in Urlaub fliegen können, oder ein Automobilhersteller bestreikt und sich dadurch die Lieferfristen für ihr Auto verlängern.
Beim Geldwesen (das so ziemlich alle Laien und nicht wenige Ökonomen ohnehin als eine Art von – faulem - Zauber ansehen) ist diese Nachvollziehbarkeit für die Zusammenhänge von Vorgängen auf der Makroebene (Geldmengenverknappung) mit denen der Mikroebene (Firmenpleite usw.) nicht gegeben; das versteht einfach niemand. Geld wird ja auch nicht zugeteilt; das muss man sich, in einer Marktwirtschaft, sowohl erarbeiten als auch erkämpfen.
Weil die Menschen beim Geld die Zusammenhänge weder verstehen noch „brav“ darauf reagieren können (indem sie sozusagen in der Schlange warten, bis sie ihre Zuteilung bekommen) ist es ausgesprochen naiv, brutal und sogar gemeingefährlich, die gesamte Wirtschaft auf eine rigide Geldmengendiät zu setzen, wie Hayek das vorschwebt. (Allerdings würden in der Realität die Emissionsbanken wohl ohnehin rasch vom Pfad der Tugend abkommen, und so kräftig wie möglich expandieren, also die Geldproduktion steigern. Und die Menschen eher eine maßvolle Inflation hinnehmen, als leere Portemonnaies, oder massive wirtschaftliche Verwerfungen.)

Aus meinen Befunden i. S. ‚Geldschöpfung + Markt‘ kann man unterschiedliche Schlussfolgerungen herleiten:
·         dass die Marktgesetze für den Prozess der Geldschöpfung nicht greifen oder
·         dass eine Geldschöpfung im Wettbewerb zwar eigenen Marktgesetzlichkeiten unterliegt, aber trotzdem prima – und besser als das bisherige zweistufige Geldschöpfungssystem aus Zentral- und Geschäftsbanken - funktionieren würde.

So oder so ist jedenfalls festzustellen, dass unser bisheriges Wissen über die Funktionsweise von Märkten die Spezifik eines Geld-Wettbewerbssystems nicht erklären kann. Die Darlegungs- und Beweislast, welchen besonderen Mechanismen ein Wettbewerbs-Geldsystem unterliegt und welche Auswirkungen diese historisch total neue Marktstruktur auf Motivation und Möglichkeiten von Anbietern und Abnehmern hätte, liegt damit bei den Verfechtern eines solchen Systems. Zumindest F. A. Hayeks Arbeit wird dieser Anforderung nicht einmal ansatzweise gerecht. Seine Argumentation ist nicht weniger inkonsistent und undurchdacht wie diejenige aller anderen „monetary cranks“ (Geldsystemphantasten oder Geldsystemspinner), gegen die er selber wettert. Wobei noch anzumerken ist, dass beispielsweise Silvio Gesell und andere Unterkonsumtionstheoretiker zumindest auf der richtigen Fährte waren und realwirtschaftliche Probleme (Krisen durch Nachfrageschwäche) zu lösen versuchten. Hayek behauptet zwar, dass allein schon die Kaufkraftstabilität des Geldes größere Konjunkturausschläge verhindern würde:
·         Sehr allgemein bereits auf S. 28: “… a reliable money that will not periodically upset the smooth flow of the economy ….“.
·         Entschiedener S. 99: „in the kind of competitive money system we are here contemplating, a general deflation will be as impossible as a general inflation.“
·         Und schließlich S. 130: „The abolition of the government monopoly of money ….. [would also be] the much needed cure for ….. the recurrent waves of depression and unemployment …“.
Aber sein System dient zunächst einmal eindeutig den Interessen der Geldbesitzer. Seine Behauptungen, wonach die Realwirtschaft profitieren würde (z. B. „If the public understood what price in periodic inflation and instability it pays for the convenience of having to deal with only one kind of money ….. it would probably find it very excessive. For this convenience is much less important than the opportunity to use a reliable money that will not periodically upset the smooth flow of the economy”. (S. 28)“), sind angesichts der o. a. Befunde (knappes Geld, hohe Zinsen, schwankende Wechselkurse) nicht überzeugend.


Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? Emissionsbanken, „Schmarotzerbanken“, Vollgeldsystem

In seiner Bibliographie erwähnt Hayek den amerikanischen „Austrian“ Murray Rothbard (S. 143, Nr. 52); allerdings nicht dessen Schrift "The Case for a 100 Percent Gold Dollar" (ursprünglich erschienen 1962). Rothbard (der eine Golddeckung fordert), spricht sich mit nachvollziehbarer Begründung gegen einen totalen, aber auch gegen ein in der Teilnehmerzahl begrenzten freien Währungswettbewerb aus (meine Hervorhebungen):
"Logically, the ultimate in freely fluctuating fiat moneys is a different money issued by each and every individual. We have seen that this could not come about on the free market. But suppose that this came about by momentum from the present system or through some other method. What then? Then we would have a world chaos indeed, with “Rothbards,” “Yeagers,” “Joneses,” and billions of other individual currencies freely fluctuating on the market. I think it would be instructive if some economist devoted himself to an intensive analysis of what such a world would look like. I think it safe to say that the world would be back to an enormously complex and chaotic form of barter and that trade would be reduced to a virtual standstill. For there would no longer be any sort of monetary medium for exchanges. Each separate exchange would require a different “money.” In fact, since money means a general medium of exchanges, it is doubtful if the very concept of money would any longer apply. Certainly the indispensable economic calculation provided by the money and price system would have to cease, since there would no longer be a common unit of account. This is a serious and not farfetched criticism of fiat-money proposals, because all of them introduce some of this chaotic element into the world economy. In short, fluctuating fiat moneys are disintegrative of the very function of money itself. If every individual had his own money, the disintegration of the very existence of money would be complete; but national — and still more regional and local — fiat moneys already partially disintegrate the money medium. They contradict the essence of the monetary function”.

Eine Atomisierung des Währungssystems will auch bzw. erwartet Hayek nicht: “Clearly not all banks would wish to issue, or probably could issue, a currency of their own.(S. 64; auch für sein Modell geht Hayek also von einem irgendwie 2-stufigen Bankensystem aus.) Während „fluctuating fiat moneys“ - Parallelwährungen - die Essenz seiner Vorschläge sind.

Seine Emissionsbanken könnten (rein technisch) (Basis-)Geld nach Belieben schöpfen; wären also genau das, was heute die Zentralbanken (Notenbanken) sind.
Die Geschäftsbanken will er dagegen an die kurze Leine nehmen. Eine Schöpfung von Bankengeld soll weitestgehend unterbunden werden, denn
“… the pyramiding of a superstructure of circulating credit through other banks carrying cheque accounts and perhaps even issuing notes in the denomination of the currency of the original issuer, would interfere with the issuer's control over the value of his own currency.(S. 64)
Um den Emissionsbanken eine rigide Kontrolle über Geldmenge zu sichern, sollen sie den Geschäftsbanken keinerlei Unterstützung gewähren:
….. though private issuers will have to tolerate the appearance of parasitic circulations of deposits and notes of the same denomination, they ought not to assist but rather restrain it by making it clear .in advance that they would not be prepared to provide the notes needed to redeem parasitic issues except against 'hard cash', i.e. by sale against some other reliable currency. By adhering strictly to this principle they would force the secondary issuer to practice something very close to '100 per cent banking'. (S. 65)

Seine Überlegungen laufen also auf ein Vollgeld-System hinaus, in dem es nur ‚echtes‘ Geld (i. S. v. Basisgeld, nicht von werthaltigem Warengeld) gäbe: Das von der/den Zentralbank(en) geschöpfte Basisgeld und ‚loanable funds‘, die von den Anlegern ausdrücklich zur Kreditvergabe bestimmt werden. (Aus diesen müssten bei ihm die längerfristigen Kredite kommen. Das wäre allerdings, streng genommen, das Ende der Fristentransformation durch die Geschäftsbanken: Eigentlich können Kredite dann nur noch fristenkonform mit der Einlagedauer vergeben werden. Wobei ich stark bezweifle, dass die Anleger ihr Geld für länger als ein Jahr festlegen würden. Hypothekenkredite usw. mit einer vieljährigen Laufzeit könnten dann kaum vergeben werden. Allerdings könnten und würden sich Unternehmen (wie in der angelsächsischen Welt schon jetzt), aber auch Banken, Kredit in diesem Geldregime wahrscheinlich über sehr lang laufende Anleihen beschaffen (müssen). Die Anleger könnten diese zwar nicht kündigen, jedoch an der Börse wieder in Geld ‚umtauschen‘. Eine Alternative für Banken wären auch die Collateral Debt Obligations (CDOs). Die sind zwar durch die US-Immobilienkrise ziemlich in Verruf gekommen. Wenn allerdings das Risiko der darin gebündelten Kredite bei den Banken bleiben und ständig in der Bilanz abgebildet würde, sollte diese Form der Kreditverbriefung eigentlich genauso problemlos funktionieren wie unsere deutschen Pfandbriefe.

Es fragt sich auch, wer überhaupt die nur kurzfristigen Kredite überhaupt nachfragen würde, die von den Emissionsbanken ausgereicht werden. Im aktuellen System sind das die Geschäftsbanken (im Verhältnis zur Zentralbank). Indes hätten die in Hayeks hü-hott Geldmengenkontrollsystem keine Verwendung für derartige „Zentralbankkredite“, weil sie sich nicht darauf verlassen können, diese bei Bedarf prolongieren oder revolvieren zu können. Sie könnten Kredite weitestgehend nur aus Kundeneinlagen vergeben (die außerdem noch fristenkongruent sein müssten!). Und die Wirtschaft wird auch nur sehr begrenzt kurzfristige Kredite nachfragen.

Jedenfalls ist auch das Bankensystem in Hayeks wunderbarer neuer Geld-Welt weit weg vom Markt, wie wir ihn kennen und wo die Geldmenge (u. U. zwar in einem Spannungsfeld mit der Geldpolitik der Zentralbank) weitgehend von der Nachfrage determiniert und durch die Geschäftsbanken besorgt wird („endogene Geldschöpfung“).

Ich persönlich halte nichts vom „Vollgeld. Aber nachdem Hayeks Vorstellungen auf ein derartiges System hinauslaufen wäre es sehr viel logischer, dieses über eine einzige (nationale, weltweite oder wie auch immer gebietsmäßig abgegrenzte) Zentralbank zu organisieren, anstatt über mehrere Konkurrenzbanken, die ihrer Geldpolitik jeweils nur einen kleinen Ausschnitt des Preisgeschehens (und damit eine eng begrenzte Perspektive) zu Grunde legen, deren Folgewirkungen jedoch das gesamte Wirtschaftssystem auszubaden hätte.
Anstatt dass mehrere Emissionsbanken jede für sich (und zudem noch im Ergebnis alle gegeneinander!) täglich hektisch an den Wechselkursen, den Kreditmengen und den Zinsen herumschrauben, würde sich die „Monetative“ an einem breiten Preisindex (wahrscheinlich genau wie jetzt die Zentralbanken an den Verbraucherpreisen) orientieren und danach die Geldmenge und letztlich die Wirtschaft steuern. Und das behutsam anstatt panisch mit täglichen Eingriffen, deren Effekte gar nicht kontrollierbar wären, weil sie (wie jede Geldpolitik) erst mit Verzögerung wirken.

Hayek würde wahrscheinlich entgegnen, dass diese Monetative früher oder später unter die Räder der Regierungen geraten würde. Aber die absolute politische Unabhängigkeit fordern auch zeitgenössische Vollgeld-Apostel: Als Vierte Gewalt soll neben Legislative, Exekutive und Judikative die „Monetative“ treten. Man kann natürlich bezweifeln, dass ein solches Arrangement von Dauer wäre. Doch ich bin absolut sicher, dass Hayeks Konkurrenzwährungssystem eine noch weitaus kürzere Lebensdauer hätte. Wenn nämlich die Wirtschaftssubjekte (wahrscheinlich schon innerhalb weniger Tage) erst einmal gemerkt hätten, in welch ein marktwidriges Geldmengengefängnis sie dieses angebliche Marktgeld steckt, würden sie rebellieren. Und nicht einmal die Deutschen würden eine Bahnsteigkarte kaufen, bevor sie Revolution machen. J

Während Hayek an den meisten Stellen seines Buches den Staat, und insbesondere das demokratische System (das es nicht lassen kann, Wählerwünsche mit der Notenpresse zu finanzieren) für die Geldmengenvermehrung und die Inflation verantwortlich macht, weist er auf S. 91 dem dualen Banksystem und dem (ihm offenbar verwerflich erscheinenden) Wunsch nach „cheap credit“ die Schuld zu (meine Hervorhebung):
The ultimate victory of the advocates of the centralization of the national note issue was, however, in effect softened by a concession to those who were mainly interested in the banks being able to provide cheap credit. It consisted in the acknowledgement of a duty of the privileged bank of issue to supply the commercial banks with any notes they needed in order to redeem their demand deposits - rapidly growing in importance. This decision, or rather recognition of a practice into which central banks had drifted, produced a most unfortunate hybrid system in which responsibility for the total quantity of money was divided in a fatal manner so that nobody was in a position to control it effectively.” (S. 91)
Dreht man die Logik des letzten Satzes um dann ergibt sich, dass ausgerechnet der Marktradikale Hayek eine straffe Kontrolle über die gesamte Geldmenge verlangt. Dass diese Kontrolle bei ihm in den Händen mehrerer konkurrierender ‚Zentralbanken‘ liegen soll, macht die Sache nicht besser – sondern ökonomisch noch weitaus verheerender. Und ändert nichts daran, dass sich die Einzelmaßnahmen genau wie bei einer einheitlich denominierten Geldmenge zu einer systemischen Gesamtwirkung aufaddieren (bzw. bei ihm sogar: hochschaukeln) würden.

Der Marktfreund Hayek muss wohl einen ziemlichen Brass auf die Geschäftsbanken gehabt haben, wenn er sie als Parasiten ansieht (in seinem System; im Umkehrschluss aber offenbar auch schon gegenwärtig?):
Would parasitic currencies prevent control of currency value? A more difficult question, the answer to which is perhaps not so clear, is how far the unavoidable appearance of what one may call parasitic currencies, i. e. the pyramiding of a superstructure of circulating credit through other banks carrying cheque accounts and perhaps even issuing notes in the denomination of the currency of the original issuer, would interfere with the issuer's control over the value of his own currency. So long as such parasitic issues were clearly labeled as debts to be paid in the currency of the issuer it is difficult to see how this could be or should be prevented by law. (S 64)
Die Formulierung „… the pyramiding of a superstructure of circulating credit …“ deutet darauf hin, dass er die derzeitige Form der (Banken-)Geldschöpfung für ein Pyramidenspiel (Wikipedia: Schneeballsystem) hält. Was es natürlich nicht ist. Aber die Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken scheint ihm verhasst zu sein.


Hayeks Eiertanz um die Geldmengentheorie

“… the concept of the quantity of money of a country or territory has strictly no meaning in such a system [of “concurrent currencies”] since we can add the quantities of the different monies in circulation only after we know the relative value of the different units.” (S. 45)
Was will uns der Meister damit sagen? Das „strictly“ ist linguistisch eine Einschränkung: ‚Im engeren Sinne gilt die Geldmengentheorie zwar nicht, im weiteren Sinne aber doch‘. Und der Hinweis darauf, dass man die Menge der verschiedenen Währungen sehr wohl addieren kann, aber natürlich unter Berücksichtigung der Wertunterschiede, spricht dafür, dass er die Gültigkeit dieser Theorie letztlich doch auch für sein System akzeptiert.
Auch die folgende Passage kann man nur verstehen i. S. v. ‚Die Geldpolitik der einzelnen Banken reguliert zugleich die Geldmenge im Gesamtsystem‘:
„… one could trust the issuing banks to make every effort to achieve [Preisstabilität für ihre eigene Währung] ….. the issuing institution could achieve this result by regulating the quantity of its issue …..and (d) such a regulation of the quantity of each currency would constitute the best of all practicable methods of regulating the quantity of media of exchange for all possible purposes.(S. 52)

Doch auf S. 80 bezeichnet er sie als gänzlich unbrauchbar für ein Parallelwährungssystem:
Where I·differ from the majority of other 'monetarists' and in particular from the leading representative of the school, Professor Milton Friedman, is that I regard the simple quantity theory of money, even for situations where in a given territory only one kind of money is employed, as no more than a useful rough approximation to a really adequate explanation, which, however, becomes wholly useless where several concurrent distinct kinds of money are simultaneously in use in the same territory.

Ausführlich behandelt er die Frage auf S. 76 ff:

The usual assumptions of monetary theory, that there is only one kind of currency, the money, and that there is no sharp distinction between full money and mere money substitutes, thus disappear. So does the applicability of what is called the quantity theory of the value of money - even as a rough approximation to a theoretically more satisfactory explanation of the determination of the value of money, which is all that it can ever be. (S. 76)
Natürlich gibt es im Konkurrenzwährungssystem mehr als eine Währung; daraus folgt aber nicht, dass die Währungen nicht als Geld-Gesamtheit in mehr oder weniger gleicher Weise wirksam werden könnten, wie eine Monopolwährung.
Völlig unklar ist mir, wieso durch die Einführung eines Parallelwährungssystems die scharfe Trennung zwischen Geld im engeren Sinne und Geldsubstituten entfallen sollte. Solange man die Währungen gegeneinander umtauschen kann, sind sie allesamt vollgültiges Geld.
[S. aber unten, zu S. 77: „There will be different demands …“,]

The quantity theory presupposes, of course, that there is only one kind of money in circulation within a given territory, the quantity of which can be ascertained by counting its homogeneous (or near-homogeneous) units. But if the different currencies in circulation within a region have no constant relative value, the aggregate amount in circulation can only be derived from the relative value of the currencies and has no meaning apart from it. (S. 76/77.)
Das ist natürlich richtig. Aber sobald die Währungen kaufkraft- oder wechselkursgewichtet (welche der beiden Umrechnungsoperation Gesamtgeldmenge am besten erfasst, lasse ich offen) addiert sind, ergeben sie eben doch wieder eine Geldmenge. Und das nicht nur auf dem Papier: Sie wirken auch als eine Geldmenge. So könnte man etwa einen Kredit, den die eine Emissionsbank verweigert, bei einer anderen aufnehmen. Wenn dagegen alle gemeinsam ihr Geldangebot verknappen, wären Kredite nirgends mehr erhältlich.

“A theory which is of use only in a particular situation, even if it happened to prevail during a long period, evidently suffers from a serious defect. Though we are apt to take it for granted, it is by no means of the essence of money that within a given territory there should exist only one kind, and it is usually true only because governments have prevented the use of other kinds. Even so, it is never fully true because there are always significant differences in the demand for different forms of money and money substitutes of varying degrees of liquidity.” (S. 77)
Das alles liegt total neben der Kernfrage, ob er die Geldmengentheorie auch für sein System anerkennt oder nicht. Denn dass die Geldmengentheorie unter der (expliziten oder stillschweigenden?) Annahme einer Monopolwährung konzipiert wurde beweist in keinster Weise, dass sie nicht auch auf ein Parallelwährungssystem anwendbar wäre.

There will be different demands for the different kinds of currency; but since these different currencies will not be perfect substitutes, these distinct demands cannot be added up into a single sum. (S. 77)
Und
My fundamental objection to the adequacy of the pure quantity theory of money is that, even with a single currency in circulation within a territory, there is, strictly speaking, no such thing as the quantity of money ….. This objection becomes of decisive importance, of course, when we contemplate different concurrent currencies.” (S. 81)
Hier fragt sich
·         wie sich eine Nachfrage nach Geld in der Praxis äußert bzw. überhaupt äußern kann und
·         warum die unterschiedlichen Währungen sich nicht gegenseitig perfekt vertreten können, also keine „perfect substitutes“ füreinander sein sollen.

Um meine anschließenden Betrachtungen vorwegzunehmen: Hayek selbst geht davon aus, dass seine Konstruktion uns ein mehr oder weniger perfektes Geldsystem bescheren würde. Das kann natürlich nur dann eintreten, wenn sich (nach einer evtl. etwas chaotischen Einführungszeit) alle Emissionsbanken perfekt verhalten. Weil die Geldnutzer im Wettbewerb nach Hayek schlechtes Geld auf längere Sicht ablehnen würden, kann es überhaupt keine inflationären oder deflationären Währungen geben. Mit einer gegenteiligen Annahme würde man eine Kernannahme seines Modells negieren. Es wäre irrational ein unerprobtes System einzuführen, wenn wir nicht selber davon überzeugt wären, dass im Wettbewerb nur das (in Hayeks Sinne) beste Geld überleben würde. Wenn aber alle Währungen mehr oder weniger gleich gut sind, sind sie selbstverständlich perfekte Substitute füreinander. Falls er oben sagen wollte, dass die Währungen nicht beliebig gegeneinander eintauschbar sind, stände das auch im Widerspruch zu S. 63: „It is true that, so long as the currencies are almost instantaneously exchangeable against one another at a known rate of exchange, the relative prices of commodities in terms of them will also remain the same.Wenn es keine jederzeitige Umtauschbarkeit (natürlich zu schwankenden Kursen) gibt, dann wären scheinparadoxe Situationen vorprogrammiert, in denen ‚Geldbesitzer ohne Geld dastehen‘: Wenn sie die ‚falsche‘ (am Markt nicht akeptierete) Währung in Händen halten. Würde man also Hayeks o. a. Aussage ernst nehmen, wonach „these different currencies will not be perfect substitutes“, dann könnte man sein ganzes Modell in die Tonne treten. Aber nicht nur an dieser Stelle vermisse ich bei ihm eine rigorose Stringenz und stelle fest, dass er sich Sachverhalte so herrichtet, wie er sie für den jeweils anstehenden Argumentationszusammenhang braucht. Unbekümmert darum, ob das in anderen Systemzusammenhängen Sinn macht, oder überhaupt logisch möglich ist.

Wenn man DM besitzt, jedoch eine Verbindlichkeit in Neumark hat, muss die jederzeitige Umtauschbarkeit gewährleistet sein. Ein vollständiges Wettbewerbssystem wäre dann gegeben, wenn Wirtschaftssubjekte permanent die Wahlfreiheit hätten, welche Währung sie für diese oder jene Transaktion benutzen möchten. Aber auch in einem System, in welchem die eigene Währungswahl durch die Entscheidungen anderer eingeschränkt ist, muss zumindest ein Umtausch jederzeit möglich sein.

„But if we assume that issuers of currency continually compete with one another for additional users of their currency, we cannot also assume, as the quantity theory can assume with some justification with respect to a currency of a single denomination, that there exists a fairly constant demand for money in the sense that the aggregate value of the total stock will tend to be approximately constant (or change in a predictable manner with the size of the population, the gross national product, or similar magnitudes). (S. 77)
“… if we assume that issuers of currency continually compete with one another for additional users of their currency” kann ich nur so verstehen, dass er von ständigen Expansionsbestrebungen der Emissionsbanken ausgeht, also vom Kampf um Marktanteile durch Produktionsausweitung, wie er auf normalen Märkten üblich ist. Zwar ist eine individuelle Ausweitung auch ohne Änderung der aggregierten Geldmenge möglich, nämlich durch den Eintausch fremder Währungen. Aber Hayek unterstellt ja anscheinend selber, gegen die Geldmengentheorie gerichtet, für sein System eine Geldmengenausweitung. Außerdem verdienen die Banken am Umtausch nur eine bescheidene Wechselgebühr und riskieren sogar Verluste, falls die angekauften Fremdwährungen abwerten.
Auch seine Erwartung auf S. 94, wonach sich der Wettbewerb der Emissionsbanken über das Angebot zusätzlicher Dienstleistungen – Outsourcing der Buchhaltung der Unternehmen an die Banken – vollziehen würde, steht der Annahme einer Geldmengenänderung nicht entgegen. Dass der Wettbewerb nicht über den Preis laufen soll ändert nichts am unternehmerischen Ziel der Emissionsbanken, den eigenen Währungsbereich auszuweiten. Und im Erfolgsfalle nichts am Ergebnis, dass die eigene Geldmenge am Markt vergrößert würde.
Ansonsten verstehe ich nicht, was Hayek uns hier sagen will. Dass Änderungen des Sparverhaltens auch Geldmengenänderungen bedingen können (und müssen), erkennt hoffentlich auch die Friedmansche Geldmengentheorie. Und dieser Zusammenhang gilt für Monopolwährungen genauso wie für sein Geldsystem.
Auf jeden Fall scheint er hier stillschweigend zu unterstellen, dass die (gewichtete) Summe der Einzelwährungen höchst instabil wäre. Es gibt jedoch keinen Grund, warum in seiner Welt die ‚Systemgeldmenge‘ nicht einigermaßen konstant sollte. Tatsächlich wäre ein ständiges starkes Schwanken sogar fatal für das Funktionieren seiner Konstruktion.

Am 10.02.2015, lange vor der jetzigen Lektüre von Hayeks „Entnationalisierung des Geldes …..“ (so der Titel der deutschen Buchausgabe; besser hieße es wohl: „Entstaatlichung des Geldes“ oder „Privatisierung der Geldschöpfung“), hatte ich in meinem Blott „Eine Geldmenge gibt es nicht“ eine Unterscheidung vorgenommen zwischen
·         Geldeinheitenmenge und
·         Geldkaufkraftmenge (oder Geldwertmenge).
Diese Differenzierung kommt mir hier zuhanden. Für ein Konkurrenzwährungssystem müssten wir sie eigentlich noch um eine 3. Kategorie ergänzen, nämlich die „wechselkursgewichtete Geldmenge“. Da aber Hayek die Umtauschkurse auf längere Sicht offenbar als weitgehend übereinstimmend mit den Kaufkraftrelationen sieht, unterstelle ich hier, dass die Wechselkurse den Kaufkraftverhältnissen entsprechen.

Im Modell hätten wir dann z. B. folgende Konstellationen:
1.    Ausgangsszenario: 10 DM + 10 Neumark ergeben bei pari Kurswert 20 Geldeinheiten = 20 Kaufkrafteinheiten.
2.    Variante: DM-Inflation (2 DM = 1 Neumark); sonst unverändert. Somit hätten wir zwar nach wie vor 20 Geldeinheiten im System, aber nur 15 Kaufkrafteinheiten.
3.    Um einen Preisverfall mit den entsprechenden negativen Folgen zu verhindern, müssten wir 10 DM oder 5 Neumark ins System pumpen.
Egal, wie man es dreht und wendet: Wenn Hayeks Konstrukt überhaupt funktioniert, dann tut es das im Ergebnis selbstverständlich ebenso mit EINER (System-)Geldmenge, wie jedes Einheitswährungssystem auch.

Tatsächlich schreibt er auf S. 36:  
“… we know today that it is possible to control the quantity of a currency so as to prevent significant fluctuations in its purchasing power.”
Dort geht es zwar um staatlich emittiertes Geld; aber warum das für sein System nicht gelten soll, hat er nicht überzeugend dargelegt und seine gegenteilige ‚Beweisführung‘ steht, wie oben gezeigt, im Widerspruch zu seinen sonstigen Annahmen.


Auch der Kausalzusammenhang, den er auf S. 64 herstellt (wenn eine Bank überemittiert, sollen die anderen ihre Geldmenge einschränken, um die Preise stabil zu halten), geht implizit von einer (kaufkraft- bzw. kursgewichteten) Systemgeldmenge aus:
… it would not be possible for a bank to pull down the real value of other currencies by over-issue of its currency - certainly not if their issuers are prepared, so far as necessary, to counter such an attempt by temporarily curtailing their issues.


„….. the bank would have to issue its currency largely through lending …..(S.47).
Wenn der größte Teil der emittierten Geldmenge nicht durch Umtausch einer Alt-Währung erfolgen würde, sondern kreditär, dann würde durch die Einführung des Konkurrenzgeldes die Systemgeldmenge (die verschiedenen Währungen unter Berücksichtigung der Umtauschkurse zu einer Geldmenge addiert) steigen (sofern die Kredite in der Altwährung nicht entsprechend abnehmen). Denn durch Bankkredite wird ja Geld (und damit Kaufkraft) geschöpft, während beim Umtausch lediglich eine am Markt bereits vorhandene Kaufkraft in einer anderen Währung denominiert wird. Die Geldmengentheorie kümmert sich nicht darum, ob Hayek sie für sein Geldschöpfungssystem akzeptiert oder nicht: Ihre (hier: negative) Wirkung würden die Teilnehmer seines Experiments sehr rasch zu spüren bekommen.


A real difficulty could arise if a sudden large increase in the demand for such a stable currency, perhaps due to some acute economic crisis, had to be met by selling large amounts of it against other currencies. The bank would of course have to prevent such a rise in the value and could do so only by increasing its supply. But selling against other currencies would give it assets likely to depreciate in terms of its own currency. It probably could not increase its short-term lending very rapidly, even if it offered to lend at a very low rate of interest-even though in such a situation it would be safer to lend even at a small negative rate of interest than to sell against other currencies.(Anm. 1, S. 50/51)
Hayek schlägt hier vor, dass die Neubank bei einer heftigen Nachfrage nach ihrer Währung diese nicht durch Verkauf gegen alte Währung befriedigen soll, sondern durch Kreditvergabe, notfalls zu Negativzinsen.
Dabei übersieht er, dass eine solche Geldschöpfung die umlaufende Systemgeldmenge massiv („large amounts“) ausweiten würde, weil die alten Währungen ja nicht eingetauscht werden und somit im Markt bleiben. Sie könnten auch nicht im Kurs fallen (und dadurch die gewichtete System-Geldmenge verringern). Die Neubank müsste nämlich in diesem Falle, wo Kursänderungen nicht durch Kaufkraftänderungen bedingt wären, sondern lediglich durch veränderte Währungspräferenzen, auf Kursstabilisierung der Konkurrenz-Währungen hinarbeiten. Das jedenfalls wäre der Ausgangsstand; auf Dauer käme es in diesem Szenario wegen der stark erweiterten Gesamtgeldmenge natürlich zu Preissteigerungen. In welchen Währungen (oder in allen) ist nicht vorhersehbar; somit auch nicht, welche Emittenten welche anderen Währungen abzuwerten versuchen müssten.
Auf jeden Fall würde sich auch hier rasch erweisen, dass für die Preisentwicklung tatsächlich die GesamtgeldWERTmenge entscheidend wäre.


It seems to me to be fairly certain that
(a) a money generally expected to preserve its purchasing power approximately constant would be in continuous demand so long as the people were free to use it,
(b) …..
(c) the issuing institution could achieve this result by regulating the quantity of its issue, and
(d) such a regulation of the quantity of each currency would constitute the best of all practicable methods of regulating the quantity of media of exchange for all possible purposes.(S. 52)
Im Punkt d) geht Hayek eindeutig davon aus, dass die unterschiedlichen Währungen sich ökonomisch wie eine Gesamt-Geldmenge auswirken (was sie in der Tat auch sind).


“Though the popular tendency in economics to accept only statistically testable theories has given us some useful gross approximations to the truth, such as the quantity theory of the value of money, they have acquired a quite undeserved reputation. The idea discussed in the text makes most quantitative formulations of economic theory inadequate in practice. To introduce sharp distinctions which do not exist in the real world in order to make a subject susceptible to mathematical treatment is not to make it more scientific but rather less so. (S. 57, aus Anm. 1)
In dieser Passage steht er der Geldmengentheorie zwar kritisch gegenüber. Die angeführten Gründe sind aber allgemeiner Natur; betreffen also die Theoriegeltung generell, nicht die Anwendbarkeit spezifisch auf sein System. Und vermutlich hat er Recht damit, dass es unmöglich ist, auf mathematischem Wege die (Un-)Richtigkeit seiner Überlegungen zu beweisen. Aber so viel lässt sich aus der Geldmengentheorie doch auch für die Hayek-Welt ableiten, dass (bei unverändertem Hortungsverhalten und Warenangebot) Erhöhungen der Systemgeldmenge (gewichtete Geldmenge, also nicht unbedingt mit der nominalen identisch!) grundsätzlich auch Preissteigerungen zur Folge haben (soweit die preistreibenden Elemente von der Nachfrageseite kommen – also die Kunden und/oder der Staat mehr kaufen) oder mit diesen parallel gehen (wenn die Geldmengenausweitung eine Folge von angebotsseitigen Kostensteigerungen ist – also z. B. bei über die Produktivitätssteigerung hinausgehenden Lohnsteigerungen).
[Einschub: Hayek allerdings führt alle Preissteigerungen auf ein Überangebot an Geld zurück: „I agree that all inflation is what is now called 'demand-pull' inflation, and that there is, so far as the economic mechanism is concerned, no such thing as a 'cost-push' inflation - unless one treats as part of the economic causation the political decision to increase the quantity of money in response to a rise of wages which otherwise would cause unemployment.” (S. 79)]


“A stable price level ….. demands ….. that the quantity of money (or rather the aggregate value of all the most liquid assets) be kept such that people will not reduce or increase their outlay for the purpose of adapting their balances to their altered liquidity preferences.” (S. 81)
Dieses Zitat stammt aus einem Zusammenhang, in dem Hayek zwischen absoluter und kaufkraftwirksamer Geldmenge unterscheidet und (zu Recht) darauf hinweist, dass die absolute Geldmenge schwanken kann (und zur Stabilhaltung von Preisen und Produktion sogar schwanken muss), wenn sich, ceteris paribus, das Hortungsverhalten der Wirtschaftssubjekte ändert (vgl. ausführlich mein folgendes Kapitel „Diktatur des Monetariats: Schlaraffenland für Schmarotzer?“).
Dieser Zusammenhang lässt sich aber nicht auf eine einzelne Währung beschränken: Wenn die DM-Nutzer mehr Scheine unters Kopfkissen legen, dann kann zwar der DM-Emittent seine Geldmenge ausweiten. Aber ebenso gut könnte der Neumark-Emittent in die Bresche springen. (Und natürlich gilt er in gleicher Weise bei einer Einheitswährung.)
Das sieht Hayek an dieser Stelle auch selber so, indem er “the quantity of moneygleichsetzt mitthe aggregate value of all the most liquid assets“. Jedenfalls kann ich mir unter „all the most liquid assets“ bei ihm nichts anderes als die Summe der Konkurrenzwährungen vorstellen.


….. most unfortunate hybrid system in which responsibility for the total quantity of money was divided in a fatal manner so that nobody was in a position to control it effectively.” (S. 91)
Diese Kritik an einem System, wo (angeblich) niemand an einem Hebel sitzt, um die gesamte Geldmenge zu kontrollieren, bezieht sich zwar auf die Einheitswährungssysteme. Aber Hayek legt nirgends überzeugend dar, dass nicht auch in seinem Parallelwährungssystem die verschiedenen Währungen in der (gewichteten) Summe als Gesamt-Geldmenge, als „total quantity of moneyauf die Wirtschaftstätigkeit und das Preisniveau wirken würden.


Dogmatisch begründet Hayek seine Ablehnung der Geldmengentheorie mit dem vermeintlich adäquateren „Cash balance approach“. Die Darstellung in dem Aufsatz „Cash Balance Approach: Explanation, Superiority and Criticism“ sieht mir stark nach „Kopfkissensparen“ von Bargeld aus [„The community’s total demand of money balances constitutes a certain proportion of its annual real national income which the community seeks to hold in the form of money (liquid cash).”] Aber einen wesentlichen Unterschied zur Geldmengentheorie kann ich aus diesem recht abstrakten Text nicht erkennen; da müsste man wahrscheinlich tief in die Feinheiten der beiderseitigen Argumente einsteigen. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass auch der Cash Balance Approach keine starre Geldmenge unterstellt, sondern je nach Hortungsverhalten einen fluktuierenden Geldschöpfungsbedarf anerkennt. Zumindest sehe ich nicht, dass eine solche Annahme im Widerspruch zur Geldmengentheorie stehen würde.
Und tatsächlich lese ich in dem o. a. Artikel: “To this extent the approach is similar to Fisher’s, but the emphasis is on want to hold, rather than on have to hold. This is the basic difference between the Cambridge monetary theory and Fisher’s framework.” Solche Subtilitäten erinnern mich freilich unangenehm an den berüchtigten Scholastikerstreit um die Anzahl der Engel auf einer Nadelspitze.


Hayeks eigene Ausführungen S. 77 – 79 machen mich ebenso wenig schlauer (d. h., ich kann mir kein Denkmodell daraus bilden). Was er als Beispiel aufführt:
There may be little demand for (but large supply of) depreciating currencies, there will, we hope, be an equality of demand and supply for stable currencies (which is what will keep their values stable), and a large demand for (but little supply of) appreciating currencies“ (S. 77/78)
ist eine abstrakte Konstruktion, die seinen ganzen sonstigen Behauptungen widerspricht, d. h. real bei ihm gar nicht vorkommen dürfte. Denn danach dürfte es früher oder später gar keine (stärker) ab- oder aufwertenden Währungen geben, weil seine privaten Emissionsbanken jede für sich ihre eigenen Indizes preisstabil halten und damit zugleich auch das gesamte Geldsystem stabil bleibt. DAS ist ja doch das (von ihm für realistisch gehaltene) Ziel seiner Vorschläge; einen „large supply of depreciating currencies“ kann es bei ihm auf Dauer gar nicht geben, weil er andererseits unterstellt, dass solche Geldemittenten über kurz oder lang aus dem Markt verdrängt würden. (Sogar im gleichen Satz erwartet er ja, dass es „little demand“ für solche Währungen geben würde und auf S. 66 schreibt er: „… it is my thesis that the public would select from a number of competing private currencies a better money than governments provide“.)


Hilfreich für mich ist der Wikipedia-Eintrag unter der etwas abweichenden Bezeichnung „Cambridge equation“:
„The Cambridge equation formally represents the Cambridge cash-balance theory, an alternative approach to the classical quantity theory of money. Both quantity theories, Cambridge and classical, attempt to express a relationship among the amount of goods produced, the price level, amounts of money, and how money moves. The Cambridge equation focuses on money demand instead of money supply. The theories also differ in explaining the movement of money: In the classical version, associated with Irving Fisher, money moves at a fixed rate and serves only as a medium of exchange while in the Cambridge approach money acts as a store of value and its movement depends on the desirability of holding cash.”
Aber der bestätigt gerade, was mir ohnehin klar war: Dass es sich auch dabei um eine Geldmengentheorie handelt („Both quantity theories, Cambridge and classical …..“).
Deswegen lässt sich auch aus der Cash-balance-Version der Geldmengentheorie nicht logisch herleiten, dass „There would ….. be no single quantity the magnitude of which could be said to be decisive for the value of money.”
Es mag ja zutreffen, dass “The cash balance approach directs attention to the crucial causal factor, the individuals' desire for holding stocks of money” während die “velocity of circulation” für sich genommen einen geringeren Erklärungswert hat, solange man nicht auch auf das Hortungsverhalten abstellt.

Aber das alles hat nichts mit dem entscheidenden Punkt zu tun, dass auch beim Konkurrenzgeld Mengen- und Kaufkraftänderungen der Einzelwährungen die anderen Währungen und die Wirtschaftsleistung beeinflussen und die wirtschaftliche Wirkung einer (gewichteten) Systemgeldmenge entfalten. (Wobei hier offen bleiben kann, ob bei einem Auseinanderklaffen die Wechselkurse oder die Kaufkraftrelationen der determinierende Faktor für die Gesamtwirkung aller Währungen wären.)
Und wieso der Cash balance approach besser als die Geldmengentheorie (von Irving Fisher oder Milton Friedman) geeignet sein soll zu erklären, dass Geldmengenänderungen das Preisniveau nicht gleichmäßig anheben, sondern einzelne Preise mehr als andere (so verstehe ich seine Ausführungen auf S. 78 Abs. 2), bzw. was diese Theorien überhaupt mit solchen Details zu tun haben, erschließt sich mir nicht. (Vgl. dazu auch Ziff. 7 des Aufsatzes „13 Criticisms faced by the Cash Balance Approach to the Quantity Theory of Money“.)
Jedenfalls: Falls Hayek mit seiner Kritik an der Geldmengentheorie sagen wollte, dass sein System sich nicht mathematisch-formelhaft darstellen lässt, dann hat er zweifellos Recht.
Unrecht hat er wenn er behaupten wollte, dass die verschiedenen Währungen in ihren je eigenen Monaden existieren können und nicht, genau wie die Einheitswährung, letztlich doch als eine einheitliche Geldmenge wirken.

Insgesamt machen seine einschlägigen Überlegungen Seite 76 ff. auf mich allerdings ohnehin mehr den Eindruck von ‚Was ich schon immer mal sagen wollte‘, als den einer zielführenden Argumentation für die Durchführbarkeit und die Überlegenheit seines Geldschöpfungssystems.


“If increases or decreases of the quantity of money never exceeded the amount necessary to keep average prices approximately constant, we would come as close to a condition in which investment approximately corresponded to saving as we are likely to do by any conceivable method.” (S. 87)
An dieser Stelle stellt Hayek ganz selbstverständlich auf die Geltung der Geldmengentheorie auch für sein System ab.
Im Übrigen sehe ich nicht, wie man die hier behauptete (ungefähre) Identität zwischen „saving“ i. S. v. Geldsparen (anders kann es nicht gemein sein) und Investitionsausgaben mit dem von ihm mehrfach erwähnten „desire of the public to hold ….. currency“ v. S. 59 in Übereinstimmung bringen kann. Denn „saving“ steht an dieser Stelle für das Ausgeben von Geld (für Investitionszwecke, aber das ist hier unerheblich), während beim „Halten“ von Geld in seiner Argumentation gerade das Nicht-Ausgeben entscheidend ist: Je mehr von einer Währung die Nutzer ‚bunkern‘ (also weder für Konsum noch für Investitionen ausgeben!), desto mehr davon kann die Bank (kaufkraftneutral) emittieren. (Vgl. auch unten im Kap. „Diktatur des Monetariats …“ meine Erörterungen zum „Kopfkissensparen“.)


“… so long as good and bad currencies circulate side by side, the individual cannot wholly protect himself from the harmful effects of the bad currencies by using only the good ones in his own transactions. Since the relative prices of the different commodities must be the same in terms of the different concurrent currencies, the user of a stable currency cannot escape the effects of the distortion of the price structure by the inflation (or deflation) of a widely used competing currency”. (S. 89)
Auch hier legt er implizit die Gültigkeit der Geldmengentheorie zu Grunde.


Mein zusammenfassender Eindruck von Hayeks Diskursstrategie zu diesem Punkt ist der, dass er abstrakt die Gültigkeit der Geldmengentheorie für sein Modell ablehnt. Während seine konkreten Modellüberlegungen sie immer wieder stillschweigend anerkennen.
Ich könnte mir vorstellen, dass dahinter (bewusst oder unbewusst) die Furcht steht, dass man sein System sozusagen als ein ‚aufgesplittetes‘ (und damit unnötig verkompliziertes) Zentralbanksystem einstufen könnte. Genau wie ich (rein argumentativ; real halte ich nichts davon) im vorigen Kapitel könnten auch andere auf die Idee kommen, an die Stelle seines hochkomplizierten (und wegen innerer Widersprüchlichkeit von vornherein zum Scheitern verurteilten) Parallelwährungssystems einfach eine wirklich unabhängige Zentralbank („Monetative“) zu setzen. Vielleicht will er sein System gegen solche Vereinfachungen immunisieren, indem er einen Fundamentalunterschied behauptet, der real nicht existiert.

It is, of course, taken for granted here that the average prices in terms of a currency can always be controlled by appropriate adjustments of its quantity. Theoretical analysis and experience seem to me alike to confirm this proposition.(S. 95)
Auch hier bestätigt Hayek die Anwendbarkeit der Geldmengentheorie auch für sein System. An dieser Stelle zwar nur für jede einzelne Währung (bzw. eine Alleinwährung); weil er aber im 1. Satz auf derselben Seite („Neither a general increase …“ – S. 95; Hervorhebung im Original) davon ausgeht, dass die Wettbewerbswährungen das Preisniveau auch insgesamt stabilisieren würden, bestimmt auch dort die (System-)Geldmenge die Kaufkraftstabilität.

“There neither would exist a definable quantity of money of a nation or region …” (S. 101)
Ist, wie oben gezeigt, falsch. Selbstverständlich addieren sich die einzelnen Geldmengen in ihrer gesamtwirtschaftlichen Wirkung zu einer (kaufkraft- oder wechselkursgewichteten, das sei dahingestellt) Gesamtgeldmenge. Von einer solchen geht Hayek, wie ebenfalls oben gezeigt, an zahlreichen Stellen ja auch selber aus.

“the lending for investment purposes of all the banks together, if it was not to drive up the price level, could not exceed the current volume of savings …..“ (S. 107)
Diese Aussage macht nur dann Sinn, wenn man (zutreffend) unterstellt, dass die Summe der verschiedenen Währungen wie eine einheitliche Geldmenge wirkt.


Konkurrenz, Wahlfreiheit, Nutzerfreundlichkeit: Des Marktes schöner Schein

Darüber, inwieweit sich eine echte Parallel-Währungskonkurrenz in seinem System entwickeln würde (d. h. auf welchen räumlichen und/oder Nutzer-bezogenen Ebenen Währungen voraussichtlich exklusiv bzw. parallel genutzt werden) macht Hayek zwar keine unmittelbar widersprüchlichen, aber doch sehr unterschiedlich nuancierte Angaben. Und zwar abhängig davon, welchen Sachverhalt er gerade in den Vordergrund rücken und dem Leser schmackhaft machen möchte.


If the public understood what price in periodic inflation and instability it pays for the convenience of having to deal with only one kind of money in ordinary transactions, and not occasionally to have to contemplate the advantage of using other money than the familiar kind, it would probably find it very excessive. For this convenience is much less important than the opportunity to use a reliable money that will not periodically upset the smooth flow of the economy …”. (S. 28)
Die Probleme, die ein Parallelwährungssystem vorhersehbar für die Geldnutzer mit sich bringen würde, verharmlost Hayek durch die Annahme, dass diese nur gelegentlich („occasionally“) mit anderen Währungen als denjenigen ihrer üblichen Verwendung in Berührung kämen. (Also nach dem Motto: ‚Alles wie jetzt, nur besser‘.) Das beißt sich indes mit seiner Annahme einer echten Konkurrenz (die auch eine Gebietskonkurrenz sein müsste) sowie echter Freiheit des individuellen Nutzers bei der Währungsverwendung.


“It would ….. be possible ….. to have a variety of essentially different monies. They could represent not merely different quantities of the same metal, but also different abstract units fluctuating in their value relatively to one another. In the same way, we could have currencies circulating concurrently throughout many countries and offering the people a choice.” (S. 32)
Im Gegensatz zur vorherigen Passage suggeriert Hayek an dieser Stelle, dass die Währungskonkurrenz sich tatsächlich in der parallelen Verwendung mehrerer Währungen im gleichen Gebiet niederschlagen würde. Und behauptet, dass die Nutzer nach Belieben zwischen den Währungen auswählen könnten. (Also wie in einem Laden zwischen Schuhen verschiedener Marken: ‚Heut kauf‘ ich diese, morgen jene …‘). Eine echte Parallelität würde jedoch die Komplexität des Geldsystems für die Nutzer enorm erhöhen. Und echte Wahlfreiheit hätte bei Transaktionen in aller Regel nur der wirtschaftlich stärkere Teil.


The threat of the speedy loss of their whole business if they failed to meet expectations ..... would provide a much stronger safeguard than any that could be devised against a government monopoly.(S. 48)
Hayeks Konkurrenzgeldsystem kann nur dann in der von ihm erhofften Weise funktionieren, wenn das Publikum das Angebot von weniger wertstabilem Geld sofort sanktioniert. Das funktioniert schon auf normalen Märkten nicht, wo Anbieter die Verbraucher auf jede erdenkliche legale (und manchmal sogar illegale) Weise manipulieren und täuschen. Dasselbe würde natürlich auch auf dem Geld-Markt passieren, aber dort gibt es außerdem eine Besonderheit, die Hayek verschweigt: Die enormen Anpassungsprobleme, welche ein Währungswechsel für die Wirtschaftssubjekte mit sich bringen würde. Buchhaltung und abgeschlossene Verträge müssten umgestellt werden (in Verhandlungen mit den Vertragspartnern, die möglicher Weise genau entgegengesetzte Interessen haben), für die in dieser Währung aufgenommenen Kredite würde noch das alte Geld benötigt und für die Auswahl der neuen Währung müssten Informationen eingeholt und Überlegungen angestellt werden.


The effective competition between different currencies would probably be largely confined to inter-business use, with retail trade following the decisions about the currency in which wages and salaries were to be paid. (S. 52, Forts. Anm. 1 von S. 51)
Das steht in einem tendenziellen Widerspruch zu anderen (und sicherlich realistischeren) Passagen, wo Hayek generell die Herausbildung einer Gebietsdominanz der Währungen erwartet (z. B. S. 126: „In various large regions one or two of them would be dominant …“). Die Annahme einer regional vorherrschenden Währung steht zwar auch hier erkennbar im Hintergrund, soweit es um Arbeitsentgeltempfänger und Einzelhandel als Geldnutzer geht. Aber wenn die produzierenden Unternehmen ihre Einnahmen in anderen Währungen erzielen würden, als sie an Löhnen auszahlen müssten (und die Einzelhändler in anderen Währungen einkaufen, als sie von den Kunden hereinbekommen) würde das die Komplexität ihrer Arbeit steigern und nicht gerade zur buchhalterischen Sicherheit beitragen. (Exportunternehmen haben diese Situation zwar auch heute schon und kommen damit klar; ebenso die importierenden Einzelhändler. Aber zugleich haben sie einen bürokratischen Mehraufwand und ein Wechselkursrisiko, die es im gegenwärtigen System bei Transaktionen innerhalb des Währungsraumes nicht gibt. Und die folglich allen Geldverwendern erspart bleibt, die Geschäfte nur innerhalb des Geltungsbereichs der jetzigen Monopolwährung abwickeln.) Auch hier ist seine Botschaft: Kein Problem, für die allermeisten Menschen ändert sich im Alltag gar nichts. Und die steht in einem Spannungsverhältnis zur angeblichen Wahlfreiheit, die ihrerseits Voraussetzung eines intensiven Anbieterwettbewerbs ist.


“… firms [Einzelhandelsunternehmen] would immediately be credited with the equivalent in the currency in which they kept their accounts.(S. 68)
So einfach wäre das nicht. Denn es geht nicht um Buchungsvorgänge, sondern um das Umwechseln von Geld in eine andere Währung. Für den Umtausch
·         müsste a) die gewünschte Währung überhaupt verfügbar sein. Uns erscheint das (wenn wir an Devisenmärkte denken) als selbstverständlich; in Hayeks Knappwährungswelt ist es das aber keineswegs. (Und selbst in unserem System kam es während der Finanzkrise offenbar zu Engpässen bei der Devisenbeschaffung, die erst durch Swap-Abkommen zwischen der EZB und der Fed überwunden werden konnten.)
·         würden b) natürlich Gebühren anfallen, und die Wechselkurse würden schwanken.

The chief demand for holding would probably be for the currency in which people expected to have to pay debts.” (S. 68)
Genau! Und das richtet sich, soweit die Schulden aus Bankkrediten bestehen, danach, in welcher Währung man bei Hayeks Knappheitszenario überhaupt einen solchen (geldschöpfenden) Kredit bekommen kann (die von Hayek geforderte Knapphaltung des Geldes schränkt also die Wahlfreiheit der Kreditnehmer ein). In anderen Fällen, etwa bei Dauerschuldverhältnissen, hängt es von den vertraglichen Vereinbarungen ab. Und bei diesen bestimmt i. d. R. der wirtschaftlich stärkere Partner die Erfüllungswährung.

Wage- and salary-earners would probably also discover that it was advantageous to conclude collective bargains in average raw material prices or a similar magnitude, which would secure for earners of fixed incomes an automatic share in an increase of industrial productivity.(S. 75)
Der Arbeitgeber würde in der Währung bezahlen, in welcher die Masse seiner Einnahmen anfällt. Anders ginge es in der Praxis kaum. Und in der Theorie auch nicht: Schließlich sollte doch die Kalkulationssicherheit für die Unternehmen der entscheidende Vorteil seines Systems sein? Anders als Hayek seine Leser glauben machen will, hätten die Arbeitnehmer faktisch also gar keine Wahlfreiheit, in welcher Währung sie gerne bezahlt werden möchten.

The concurrent circulation of several currencies might at times be slightly inconvenient, but careful analysis of its effects indicates that the advantages appear to be so very much greater than the inconveniences that they hardly count in comparison, though unfamiliarity with the new situation makes them appear much bigger than they probably would be. (S. 111)
Das “slightly” dürfte arg untertrieben sein.


For the vast majority of people the appearance of several concurrent currencies would merely offer them alternatives; it would not make necessary any change in their habitual use of money. (S. 121)
Durchdenkt man Hayeks Modell streng logisch, dann ist, wie schon vorstehend gezeigt, die Wahlfreiheit sehr begrenzt: Man muss diejenige Währung akzeptieren, die man angeboten bekommt – oder auf das Geschäft verzichten.
Das folgt daraus, dass sämtliche einzelnen Währungen in Hayek-System (auch wenn er seinen Lesern etwas anderes weismachen will) Teil einer einzigen gemeinsamen Geldmenge sind. Diese soll aber knapp gehalten werden, d. h. den Bedarf in etwa genau abdecken. Wenn das so ist, können nicht größere Gruppen mal eben von der einen zur anderen Währung übergehen. Hier stehen wir wieder vor dem zentralen Paradox in Hayeks Geldsystem, wo die Banken ihre Währung so attraktiv (preisstabil) machen sollen, dass jeder sie haben will. Was aber nur dadurch möglich ist, dass sie sie knapp halten – und folglich nicht jeder jede Währung bekommen kann.

“Retail merchants would soon be offered by the banks the appropriate calculating equipment which would relieve them of any initial difficulties in management or accounting. Since the issuer of the money they used would be interested in supplying assistance, they would probably discover they were better served than before.” (S. 121)
1) “calculating equipment”: Es geht keineswegs einfach um eine Rechenoperation: Die verschiedenen Währungen, die ein Einzelhändler (oder auch jeder andere Unternehmer) einnimmt, müsste er in diejenigen Währung(en) umtauschen, in der er seine Verbindlichkeiten bezahlen muss (und den Rest, also den Gewinn, in eine von ihm selber bevorzugte Währung). Falls sich keine (mehr oder weniger) Gebietsmonopole für die einzelnen Währungen herausbilden, müsste jeder mit ständig schwankenden Wechselkursen leben. Das werden auf kurze Frist vielleicht keine starken Schwankungen sein, aber eben doch kleine unverhoffte Zusatzgewinne oder Zusatzverluste. Was der Einzelhändler mittags für 1,- DM verkauft (beim Gleichstand zur Neumark), bringt ihm abends beim Eintauschen auf der Bank vielleicht 1,01 oder 0,99 Neumark. Und dazu muss er natürlich noch Wechselgebühren entrichten. Da er im Zweifel lieber einen etwas größeren Puffer einbaut, werden sich die Waren für die Kunden verteuern. Und natürlich auch wegen der (im Vergleich zur Einheitswährung) parasitären (unproduktiven, aber natürlich notwendigen) Geldwechselmärkte.
2) Auch hier geht Hayeks bei den Tauschvorgängen stillschweigend von einer beliebigen Verfügbarkeit aller Währungen aus, obwohl er deren Angebot doch knapp halten will.
3) Schon möglich, dass die Unternehmer der Bank dankbar wären, wenn sie ihnen Unterstützung im Währungsdschungel gewährt: Das tun Banken ja auch jetzt, im Handel mit dem Ausland. Nur wäre diese Unterstützung (für inländische Transaktionen) bei einer Einheitswährung gar nicht nötig gewesen. Die Banken würden für die Unternehmer also Probleme lösen, die es ohne Hayeks Konkurrenzgeldsystem gar nicht gäbe.

“… there would be no important necessary changes in the conduct of business or unavoidably difficult adaptations.(S. 121)
Falsch. Weil die Währungen nicht beliebig verfügbar wären (sie sollen ja knapp gehalten werden) und wegen der ständigen Wechselkurschwankungen wären die Unternehmen mit Schwierigkeiten konfrontiert, die sie heute (abgesehen vom Außenhandel) überhaupt nicht haben.


Only because people could freely choose which currency to use for their different purposes would the process of selection lead to the good money prevailing. (S. 122)
Dieser Satz enthält zwei Behauptungen:
- Dass die Wirtschaftssubjekte tatsächlich die freie Auswahl unter den Konkurrenzwährungen haben.
Freie Wahl wäre aber für die allermeisten Wirtschaftssubjekte so illusorisch wie die politische Mitbestimmung in einer Demokratie: Jeder ist im Geflecht von Lieferanten-, Kunden-, Arbeits- und Kreditbeziehungen von den Entscheidungen anderer determiniert. Und nicht einmal als Sparer hätte er (immer) die freie Wahl: Wenn nämlich die Emissionsbank seiner Wahl ihm den Umtausch seines Geldes in ihrer Währung verweigert, weil es gerade nicht in ihre Preisstabilisierungsstrategie passt. 

- Dass das „gute“ (also nach Hayek das beinahe absolut wertstabile) Geld in seinem System vorherrschend wäre. Das steht im Einklang mit seinen Schlussfolgerungen an anderen Stellen. Hayek erwartet, dass überhaupt nur wertstabile Währungen überleben können, und nur in diesem Falle macht sein System überhaupt (wenigstens theoretisch) Sinn.


Nachtrag 09.02.2017
Zur Bedeutung von "Netzwerkeffekten" (d. h. zur Frage, inwieweit die eigene Währungswahl durch die Entscheidungen anderer determiniert wird) vgl. den Aufsatz "Hayek versus Friedman: Concurrent Currencie" von Finbar Feehan-Fitzgerald. Der belegt empirisch am Beispiel von Somalia, dass Menschen u. U. selbst stark abwertende Währungen verwenden, wenn und weil die anderen Mitglieder der eigenen Gemeinschaft dasselbe tun.

Nun kann man die Verhältnisse in Somalia sicherlich nicht auf hochentwickelte Industriestaaten übertragen. Eine andere Währung muss man ja erst einmal bekommen: Durch Leistungsbilanzüberschüsse (ggf. auch durch Piraterie), Kredite oder Geschenke (Entwicklungshilfe). Geschenke und Kredite wird den Somaliern niemand geben, Leistungsbilanzüberschüsse werden sie auch kaum erwirtschaften. Der Autor reklamiert auch keine Allgemeingültigkeit. 
Aber die Abhängigkeit des Einzelnen von der Entscheidung der anderen Währungsnutzer (oder, wie man auch sagen könnte, der Grad seiner Einbettung in eine Währungsgemeinschaft) ist, wie ja auch ich oben (auf mehr theoretischer Basis) ausgeführt hatte, schon sehr hoch.


Diktatur des Monetariats: Schlaraffenland für Schmarotzer?

“The expected value of a currency will, of course, not be the only consideration that will lead the public to borrow or buy it. But the expected value will be the decisive factor determining how much of it the public will wish to hold, and the issuing bank will soon discover that the desire of the public to hold its currency will be the essential circumstance on which its value depends.” (S. 59)
Und
To assure the constancy of the value of its currency the main consideration would have to be never to increase it beyond the total the public is prepared to hold without increasing expenditure in it so as to drive up prices of commodities in terms of it; it must also never reduce its supply below the total the public is prepared to hold without reducing expenditure in it and driving prices down. (S. 59/60)
Und
„The crucial point it [die Emissionsbank] must keep in mind will be that, to keep a large and growing amount of its currency in circulation, it will be not the demand for borrowing it but the willingness of the public to hold it that will be decisive.” (S. 62)
Grundsätzlich verstehe ich diese Passagen so, dass die Emissionsbanken ihre Geldpolitik am Sparverhalten ihrer jeweiligen Währungsnutzer ausrichten sollen: Die Geldmenge muss so bemessen sein, dass sie weder mehr noch weniger als vorher (wohl bei mehr oder weniger voller Kapazitätsauslastung der Wirtschaft) ausgeben. Aber wirklich in allen Einzelheiten (also so, dass ich sie in ein Modell umsetzen könnte) verstehe ich Hayeks präzise Vorstellung hier nicht. Wenn die Wirtschaft expandiert, braucht sie natürlich auch mehr Geld (und das brauchen nicht die Sparer, sondern die Konsumenten!). Eine starre Prozentregelung, etwa im Sinne von „wenn mehr/weniger als 10% der Geldmenge gespart werden, muss diese reduziert/gesteigert werden“ fordert er jedenfalls nicht; eine solche wäre auch kaum sinnvoll. Wahrscheinlich geht Hayek davon aus, dass das „Marktsignal“ für die Banken über die Preise kommen würde, also nicht über statistischen Daten zur Sparquote.
Soviel ist aber auf jeden Fall klar, dass die Geldpolitik sich (direkt oder, wohl eher, indirekt durch Reaktion auf Preissignale) an der Sparquote orientieren soll bzw. von ihr determiniert würde: Wird viel gespart, kann die Geldmenge erhöht werden; wird wenig gespart, muss sie reduziert werden.
Diese grundsätzlich richtige Überlegung ist nichts anderes als eine keynesianische (oder friedmansche) Geldpolitik (auch wenn Hayek bei dieser Charakterisierung sicherlich im Dreieck gesprungen wäre).

Allerdings sind das „Halten“ von Geld einerseits und die ökonomische und die moralische Bewertung des „Geldhaltens“ andererseits ein weites Feld. Wenn wir Hayeks Aussagen zu diesem Punkt nicht intensiv hinterfragen kann es sein, dass wir uns ein Verständnis wesentlicher Aspekte des Geldwesens verbauen.

Oberflächlich betrachtet sind Hayeks obige Aussagen (die meine nachfolgenden Zusammenfassungen hoffentlich korrekt wiedergeben)
·         Entscheidend für den Wert [bzw. die Wertstabilität] einer Währung ist, wie viel Geld das Publikum in dieser Währung halten [sparen] will‘ sowie
·         Die Emissionsbank darf die Geldmenge nie über das Niveau hinaus steigern, bei dem die Wirtschaftssubjekte mehr Geld ausgeben‘ und
·         Die Emissionsbank darf die Geldmenge nie unter das Niveau absenken, bei dem die Wirtschaftssubjekte weniger Geld ausgeben
rein deskriptiver Natur. Sie erscheinen beinahe tautologisch; denn wenn die Menschen mehr Geld (über den Produktionszuwachs hinaus) ausgeben, müssen die Preise ja steigen (sofern die Produktionskapazitäten vorher voll ausgelastet waren; davon geht Hayek offenbar aus.)
Und umgekehrt müssen sie sinken, wenn die Nachfrage zu gegebenen Preisen geringer ist als das Angebot. Aber bei einer Überschau von Hayeks Geldreformplan muss man konstatieren, dass dieser in Wahrheit für die Interessen der Geldbesitzer maßgeschneidert ist – und keineswegs für Wirtschaft.

Die Begründung, mit der Hayek auf S. 69 gleich viermal in unterschiedlichen Formulierungen belegen will, dass die Realwirtschaft ohne eine beinahe absolut kaufkraftstabile Währung gar nicht funktionieren kann, ist an den Haaren herbeigezogen:
„… only in such a currency is a realistic calculation possible” und “… the chief task of accounting, to ensure that the stock of capital of the business is not eaten into and only true net gains shown as profits available for disposal by the shareholders, can be realised only if the value of the unit of account is approximately stable.” und “… why successful economic calculation is possible only with a stable value of money” und „… effective capital maintenance and cost control is possible only if accounts are kept in a unit that in some sense remains tolerably stable”.
Das ist nachweislich falsch. Und die mehrfache unsubstantiierte Wiederholung ist ein Indiz dafür, dass Hayek sich der Dürftigkeit seiner Behauptung durchaus bewusst ist
Wären unternehmerischer Erfolg und realistisches Bilanzieren wirklich von rigider Preisstabilität abhängig, dann hätte es in der Weltgeschichte nur wenige Jahre gegeben, in denen überhaupt ein normales „kapitalistisches“ Wirtschaften möglich gewesen wäre.
Und wie ich oben gezeigt habe, würden in Hayeks Geld-Welt die Kreditverknappung, potentiell heftig schwankende Kreditzinsen und schwankende Wechselkurse zwischen den Konkurrenzwährungen den Unternehmern weitaus mehr zu schaffen machen, als eine (maßvolle) Inflation. Freilich hat die englische Wirtschaft auch Preissteigerungen von 24,2% überstanden, wie sie im Jahr 1975 auftraten (und die deutsche 1923 sogar eine Hyperinflation). Hayek hatte vorher lange in Großbritannien gelebt; es ist zu möglich, dass die Debatte um die hohe Inflationsrate dort seinerzeit heftig war, und dass er diese in den Zeitungen von seinem damaligen Aufenthaltsort Salzburg noch verfolgt hat. (In Deutschland war die Inflationsrate Anfang der 70er Jahre bis auf ca. 8% geklettert; auch dieser absolut eher geringe Prozentsatz dürfte, vor dem Hintergrund der leidvollen Erfahrungen mit Hyperinflation, bei uns im Lande scharfe Kritik ausgelöst haben.) Vielleicht war das der Hintergrund für Hayeks Sinneswandel; jedenfalls hatte er in den 30ern jede künstliche Preisstabilisierung abgelehnt (vgl. S. 16/17 in „Cranks, Heretics and Macoreconomics in the 1930s“ von Robert W. Dimand.) Allerdings kann man beide Positionen durchaus auf einen gemeinsamen Nenner bringen: In der jeweiligen ökonomischen Lage hat Hayek beständig die Interessen der Geldbesitzer vertreten. Diese waren in der Deflation der 30er durch Forderungen nach Reflation „bedroht“ und im Zeitpunkt der Abfassung seines Buches tatsächlich durch die damals hohe Inflationsrate. Der Aufsatz „Hayek’s Monetary Theory and Policy: A Note on Alleged Inconsistency” von Martin Komrska und Marek Hudík scheint auf den ersten Blick auf eine gewisse Übereinstimmung mit meiner Sicht hindeuten: „Hayek’s allegedly inconsistent transformation from a critic to an advocate of price level stabilization is explained by a change of issues under his focus, rather than by a change in his positive views.“ Tatsächlich ist er jedoch der (wenig überzeugende) Versuch, eine unmittelbare Kontinuität von Hayeks Vorstellungen zur Geldpolitik durch die Jahrzehnte zu behaupten. Andererseits ist deren Darstellung („… he leaves the question how to eliminate the business cycle and starts to focus on the question how to eliminate inflation” – S. 9) letztlich sehr wohl mit meiner in Einklang zu bringen Denn ich postuliere sozusagen eine Meta-Stabilität seiner Gedankengänge die darin besteht, dass Hayek in der jeweiligen wirtschaftsgeschlichen Situation immer die Interessen der Geldbesitzer vertreten hat. Nur eben gegen unterschiedliche „Bedrohungen“. Und die Forderung auf eine reflationierende Bekämpfung der weltweiten Depression („Great Depression“) war eben in den 30ern aktuell, die Realität einer hohen Inflation in den 70ern.

Hayeks Obsession mit der Geldentwertung (von der er gar eine „destruction of our civilisation“ befürchtet – S. 84) ist wohl eher lebensgeschichtlich als solide ökonomisch begründet. Österreich hatte nach dem 1. Weltkrieg zwar nicht entfernt eine Hyperinflation wie Deutschland 1922/1923 (obwohl während des Krieges die österreichische höher lag). Doch auch die reichte aus, um die Sparvermögen in den Nachkriegsjahren zu vernichten („Die Lebenshaltungskosten erreichten bis Sommer 1922 das 14.000fache der Vorkriegszeit.“). Davon, und von hoher Besteuerung, war auch seine Familie betroffen. Der kanadische Professors Harold Chorney beschreibt diesen lebensgeschichtlichen Hintergrund von Hayeks Denken in seinem als Blogpost veröffentlichten vorläufigen Arbeitspapier “The American Presidential Election: Hayek versus Keynes Revisited“ (22.03.2013): “In addition to these intellectual influences of Wicksell, Mises and Böhm-Bawerk, Hayek was profoundly affected ….. by the peculiar circumstances of Vienna during his youth. The Austrian socialists had come to power in 1919. As in Germany under Weimar the problem of post war hyper inflation reared its ugly head. Many of the wealthy classes including Hayek’s own family suffered a dramatic erosion of their life savings and wealth. As Dostaler puts it ‘He live [recte “lived”?] through the insecurity, the political crisis and the fear of an uprising from the extreme left’. The Viennese social democratic municipal administration had resorted to heavy taxation to finance worthwhile housing projects. But in the polarized circumstances of the 1920s these projects aroused resentment among the more affluent classes. Hayek was deeply affected by these events and the construction of his theory of cycles based on the erosion of savings through excessive monetary expansion easily took root. It was perhaps for this reason that Hayek so vehemently disagreed with Keynes about the role of saving in the economy.”)

Objektiv (d. h. egal, ob beabsichtigt oder nicht) steht er jedenfalls auch mit seiner Forderung nach teurem Kredit auf der Seite der Geldbesitzer:
the public [will learn to] … reject tempting offers of cheap money” (S. 89)
Money is the one thing competition would not make cheap, because its attractiveness rests on it preserving its 'dearness'.” (S. 94)
“the ever-present pressure for cheap money” (S. 108, kritisch gemeint)
“The ultimate victory of the advocates of the centralization of the national note issue was, however, in effect softened by a concession to those who were mainly interested in the banks being able to provide cheap credit.(S. 91)
Billiger Kredit” ist für ihn offenbar per se etwas Verwerfliches. Was die Geldhorter sicherlich auch so sehen, denn mit den Kreditzinsen fallen ja auch ihre Einlagezinsen. Die Wirtschaft dagegen wäre mit einer maßvollen Inflation bei niedrigen Kreditzinsen sicherlich besser bedient als mit absoluter Preisstabilität bei hohen Kreditzinsen.

Es liegt mir fern, das Geldsparen grundsätzlich zu verteufeln; umgekehrt ist es jedoch keineswegs immer eine Tugend. Nachdem wir oben gesehen hatten, dass Hayeks Geldsystem ein Bombengeschäft für Spekulanten und realwirtschaftlich unproduktive Berater wäre (und für die Emissionsbanken sowieso), entpuppt sich sein angeblich den Unternehmensinteressen dienender Plan auch noch als eine Goldgrube für Geldhorter. Relativ zu Arbeitnehmern und Unternehmern sind Rentier-Sparer eben doch Schmarotzer: Wer „sein Geld für sich arbeiten lässt“ der lässt in Wahrheit andere Menschen für sich schaffen. Das tun die Unternehmer zwar auch; doch die tragen immerhin ein Marktrisiko. Die Geldhorter dagegen nicht. Deren einziges Risiko ist die Inflation, und dagegen will Hayek sie absichern – und zusätzlich noch mit hohen Sparzinsen beglücken, indem er (wenn auch anders begründet), die Kredite knapp hält.

Soweit zur wertenden Dimension der „Geldhortung“.
Die weitere Frage ist, ob seine Aussage „the desire of the public to hold its currency will be the essential circumstance on which its value depends“ (die ich übersetze mit: „Entscheidend für den Wert [bzw. die Wertstabilität] einer Währung ist, wie viel Geld das Publikum in dieser Währung halten [sparen] will‘) überhaupt ökonomisch richtig ist.
Meine eigenen Überlegungen dazu haben sich in zunächst drei (aber letztlich vier) Analysestufen entwickelt; entsprechend will ich sie hier präsentieren.


1. Analysestufe: „Kopfkissensparen“ (Wie Hayek sich die Sache mutmaßlich vorgestellt hat)

·         Ausgangslage: Es wird kein Geld gespart
·         Gütermenge 100 WE (Wareneinheiten)
·         Geldmenge 100 GE (Geldeinheiten)
Das Geld geht vollständig in die Realwirtschaft, wird also vollständig nachfragewirksam. Die Geldmenge ist damit optimal auf die Bedürfnisse der Wirtschaft abgestimmt; es kommt weder zu Inflation noch zu Deflation.

Nun tritt eine Änderung ein, die Hayek auf S. 104/105 wie folgt beschreibt:
To provide a medium of exchange for people who want to hold it until they wish to buy an equivalent for what they have supplied to others is a useful service like producing any other good. If an increase in the demand for such cash balances is met by an increase of the quantity of money (or a reduction of the balances people want to hold by a corresponding decrease of the total amount of money), it does not disturb the correspondence between demand and supply of all other commodities or services.
Und ähnlich bereits auf S. 88/89:
… what would happen if at one time most members of a community wished to keep a much larger proportion of their assets in a highly liquid form than they did before. ….. such needs of all individuals could be met not only by increasing the value of the existing liquid assets, money, but also by increasing the amounts they can hold. The wish of each individual to have a larger share of his resources in a very liquid form can be taken care of by additions to the total stock of money.”

Ins Modell umgesetzt, behandelt er also folgendes Szenario:
·         Die Wirtschaftssubjekte sparen 10 GE; die anderen Parameter bleiben unverändert.
·         Hier muss die Geldmenge auf 110 GE steigen, damit das Transaktionsniveau in der Realwirtschaft unverändert bleiben kann.
Diese Überlegungen wären dann (zumindest im Denkmodell) richtig, wenn das gesparte Geld der Wirtschaft entzogen würde (also, visualisiert, in früheren Zeiten das Geld ‚unters Kopfkissen legen‘.). Tatsächlich ist das aber natürlich nicht der Fall; vielmehr werden die Ersparnisse der einen zu Krediten der anderen. (Davon gehe ich jedenfalls auf der nachfolgenden 2. Analysestufe aus; beim dritten Denkschritt gebe ich diese Annahme teilweise wieder auf.)


2. Analysestufe: „Transfersparen“ (Was Hayek mutmaßlich nicht berücksichtigt hat)

·         Die Geldsparer tragen ihr Geld zur Bank;
·         diese kann davon Kredite vergeben.
Das „davon“ ist vielleicht erläuterungsbedürftig. Im gegenwärtigen System hängt die Kreditmenge bekanntlich nicht direkt von den Spareinlagen ab, auch wenn es einen indirekten Zusammenhang gibt. Das kann aber unberücksichtigt bleiben; wir bewegen uns gedanklich ja in der Hayek-Welt. Auch dort ist die Bankenstruktur zweistufig: Sie zerfällt in Emissionsbanken und (nach seiner Meinung „parasitäre“) ‚Sekundärbanken‘ (meine Bezeichnung). Anders als jetzt stehen Hayeks Emissionsbanken bei der Kreditvergabe in Konkurrenz zu seinen Sekundärbanken. Bei ihm vergeben also beide Stufen des Bankenwesens Kredite direkt an private Kreditnehmer.
Die Emissionsbanken sollen freilich seiner Meinung nach (geldschöpfende) Kredite lediglich kurzfristig vergeben, während er für die Sekundärbanken erwartet, dass sie weitestgehend nur Vollgeld-Kredite vergeben können.
Man darf annehmen, dass die Emissionsbanken auch bei den Spareinlagen mit den Sekundärbanken konkurrieren würden, denn nur aus den Kundeneinlagen könnte das Bankensystem überhaupt längerfristige Kredite vergeben. (Diese Einlagen darf man sich freilich nicht als Sparkonten denken: die würden auch nur kurzfristige Kredite ermöglichen, weil kaum ein Sparer sein Geld über mehrere Jahre festlegen würde. Sondern als Anleihen, Pfandbriefe oder CDOs, die sämtlich an der Börse handelbar sein müssten, um für die Anleger liquide zu sein.)

Die für das derzeitige System als falsch erwiesene „loanable funds“-Theorie wäre für Hayeks System weitgehend gültig:
·         Die Emissionsbanken brauchen Kundeneinlagen für längerfristige Kredite, die sie nach Hayeks Meinung nicht aus Geldschöpfung finanzieren sollen, um nicht die kurzfristige Geldmengenkontrolle zu verlieren.
·         Die Sekundärbanken benötigen sie, weil die Emissionsbanken für sie nicht als „lender of last resort“ fungieren sollen. Daher können sie lt. Hayek (wie auch plausibel) Kredite im Wesentlichen nur im Vollgeld vergeben, also aus ausdrücklich dafür bestimmten und – mindestens - fristenkongruenten Einlagen.
Wie auch immer: Auf jeden Fall verwandeln sich die Ersparnisse der einen in Kredite für die anderen und werden auf diesem Wege dann doch (rasch) wieder nachfragewirksam. Wenn ich keinen Denkfehler gemacht habe (langsam wird die Sache unübersichtlich J ), dann war die 1. Analysestufe falsch. Sie geht davon aus, dass gespartes Geld ganz vom Markt verschwindet; tatsächlich bleibt es aber in der Wirtschaft. Dass es dies nur in Form von Kredit tut und nicht als eigene Nachfrage der Geldbesitzer, ist für unser Denkmodell jedenfalls auf dieser Stufe unerheblich.
Wahrscheinlich muss man in ein wirklich aussagekräftiges Modell noch die Zeitabläufe einbauen; das übersteigt aber meine eigenen Modellbau-Fähigkeiten bei weitem.
So, wie es vorliegend aussieht, scheint (auf dieser Analysestufe) Hayeks in der 1. Stufe plausible Annahme aber wiederlegt zu sein, dass die Sparhöhe einen Unterschied bei der Geldmenge machen würde: Es gibt hier kein absolutes Sparen, sondern lediglich eine Verlagerung der Güternachfrage von Geldeigentümern zu Kreditnehmern.


3. Analysestufe: „Kopfkissen redivivus“ (Was – heute zumindest - im Geldwesen wirklich Sache ist)

Wenn ich hier von „Sparen“ rede, dann meine ich das Ansammeln (‚Horten‘) von Geld. (Zur Problematik eines unspezifisch verwendeten Sparbegriffs vgl. meinen Blott „Mit dem Rüssel auf dem Boden: Der Sparbegriff in der Volkswirtschaftslehre als Hirngeburt intellektueller Ameisenbären“ vom 09.02.2014.)
Die modernen Vulgäraustrians (und dazu rechne ich alle, Fachleute wie Laien, die sich heutzutage als Anhänger der „Österreichischen Schule“ in den Wirtschaftswissenschaften bezeichnen) fordern häufig, dass Geld erst gespart worden sein müsse, bevor sich jemand etwas damit kaufen dürfe.
Aber auch Hayek scheint unterbewusst dieser Meinung anzuhängen, wenn er sagt “… it is really a crime like theft to enable some people to buy more than they have earned by [hier wäre statt “by” wohl deutlicher: “and/or”] more than the amount which other people have at the same time foregone to claim” (S. 105)
Also: Es sei ein Verbrechen, wenn jemand mehr kaufen dürfe, als er entweder selber verdient habe und/oder als andere ihm gleichzeitig [vorher nicht???] von der ihnen gehörenden Kaufkraft abgetreten hätten [als Kredit oder Geschenk]. Offenbar ist ihm entgangen, dass nach dieser Ansicht JEDE kreditäre Geldschöpfung ein krimineller Akt wäre; es dürfte überhaupt keinen (geldschöpfenden) Primärkredit mehr geben, sondern ausschließlich (vorhandenes Geld verleihenden) Sekundärkredit. Denn die Bank ist ja nicht „other people“ und hat nicht auf eine Geld- bzw. Kaufkraftmenge verzichtet, sondern sie schafft diese mit einem Federstrich aus dem Nichts.
Diese Denkweise rührt vermutlich vom (werthaltigen) Warengeld her (Goldgeld). Die kreditäre Geldschöpfung ist den Warengeld-Anhängern und offenbar auch Hayek immer noch unheimlich; quasi der monetäre Sündenfall der Moderne. Wobei man sich dieses Goldgeld auch noch als Vollgeld vorstellt, das es historisch zumindest in der Moderne real nie gegeben hat. Es wird verdrängt (nicht von Hayek), dass auch schon im vielgelobten Goldstandard die große Masse des Geldes kreditär geschöpftes Buchgeld und somit nicht durch Goldvorräte gedeckt war. Das wäre heute, angesichts der geänderten Zahlungsgewohnheiten, noch weitaus mehr der Fall.
Hayek kritisiert den Goldstandard wegen der auch dort praktizierten Buchgeldschöpfung durch die Geschäftsbanken als mängelbehaftet (S. 108):
„… the imperfection of the international monetary system which the gold standard with a superstructure of deposit money ”.

Allerdings zieht er ihn unserem Fiatgeldsystem entschieden vor:
The compulsion to maintain a fixed rate of redemption in terms of gold or other currencies has in the past provided the only discipline that effectively prevented monetary authorities from giving in to the demands of the ever-present pressure for cheap money. ….. It is a discipline that has proved too weak to prevent governments from breaking it. Yet, though the regulations achieved by those automatic controls were far from ideal or even tolerably satisfactory, so long as currencies were thus regulated they were much more satisfactory than anything the discretionary powers of governmental monopolies have ever achieved for any length of time.” (S. 109)

Sein eigenes System findet er freilich „Better even than gold - the 'wobbly anchor'.“ (S. 109/110).
Im Prinzip würde er zwar einem Goldstandard immer noch den Vorzug gegenüber einem von den Regierungen (Zentralbanken) gesteuerten totalen Fiatgeldsystem geben: „Though gold is an anchor - and any anchor is better than a money left to the discretion of government - it is a very wobbly anchor.(S. 110)
Aber er ist (anders als diejenigen, die heute noch immer Goldgeld oder ‚goldgedecktes Geld‘ was immer sie sich darunter vorstellen mögen – fordern) Realist: „There just is not enough gold about. An international gold standard could today mean only that a few countries maintained a real gold standard while the others hung on to them through a gold exchange standard.” (S. 110; auf derselben Seite erwägt er auch die Gelddeckung durch einen breiten Korb an physisch deponierten Rohstoffen, den er jedoch wegen der hohen Lagerkosten verwirft).

Nun ist es zwar grundsätzlich richtig, dass die sozusagen ‚vorauswirkende‘ kreditäre Geldschöpfung jedenfalls im Denkmodell zu massiven Verwerfungen führen kann. Lässt man die Bonität der Kreditnehmer und regulatorische Anforderungen an die Banken (Eigenkapital!) einmal beiseite, sind der Kreditgeldschöpfung kaum Grenzen gesetzt. So kann es theoretisch passieren, dass am Markt 100 Wareneinheiten (WE) verfügbar (und mit 100 Geldeinheiten – GE - ausgepreist) sind. Wenn dann jedoch 200 GE nachfragewirksam werden, müssten die Preise sich verdoppeln.

Im Detail hat allerdings das, was bei der globalen Gegenüberstellung recht einfach erscheint (doppelte Geldmenge : gleicher Gütermenge = doppelte Preise) sehr unterschiedliche Verteilungswirkungen. Nehmen wir an, dass die Konsumenten und die Investoren jeweils 100 GE erhalten haben, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten: Dann könnten entweder die Konsumenten oder die Investoren den Markt leergekauft haben (unser sehr grobes Modell unterstellt also eine vollständige Substituierbarkeit beider Güterkategorien). Und diejenige Seite, die „am Ende des Tages“ die 100 GE noch auf den Konten hätte, hätte sie (in diesem Falle allerdings zwangsweise) gespart. (Real war ein solches Geschehen z. B. im Zweiten Weltkrieg, wo die Deutschen normal verdienten und die Preise eingefroren waren, es jedoch ‚nichts‘ zu kaufen gab. Die Zwangsersparnisse der Bürger hat damals der Staat ‚investiert‘; freilich eher unproduktiv in Waffen.)
Aber im Normalfall, wie wir ihn aus den Jahrzehnten nach dem II. WK kennen, gleichen sich Konsum, Investition, Kredite und Geldsparen und Entsparen, also letztlich Angebot und Nachfrage, irgendwie aus. Auf welche Weise das im Detail vor sich geht, dürfte auch für die Volkswirtschaftslehre noch eines der großen Mysterien des Marktes sein. Fakt ist jedenfalls, DASS sich diese Bewegungen ohne größere Krisen in politisch ruhigen Zeiten irgendwie austariert haben.
[Einschub: Ein echter Marktwirtschaftler sollte diesen Sachverhalt eigentlich freudig akzeptieren und nicht versuchen, das Geldsystem so umzukrempeln, dass es für den kleinen Horizont selbst hochintelligenter Individuen fassbar wird. Dass die Austrians, einschl. Hayek, das atmende Geldsystem unserer Marktwirtschaft auf der Basis ihrer eigenen Verständnisgrenzen rational rekonstruieren und vor allem beschränken wollen, ist einer der Fundamentalwidersprüche in ihrem pseudo-marktwirtschaftlichen Denkgebäude.]

Wie auch immer: Ein freiwilliges Sparen in einem ‚normalen‘ Umfang ist volkswirtschaftlich unschädlich. Als ‚normal‘ ist jenes Volumen anzusehen, bei dem das Sparen nicht zu einer Unterauslastung der Wirtschaft führt. (Vermutung: Das könnte eine ungefähre Balance von Sparen und Entsparen voraussetzen.)
Geht man vom Überlegungsstand unserer 2. Analysestufe („Transfersparen“) aus, dann kann es allerdings überhaupt nicht zur Unterauslastung kommen; jedenfalls solange nicht, wie die beiden Kreditformen (die mithilfe der Ersparnisse generierten – Geld schöpfenden - Primärkredite und die aus den Ersparnissen gewährten – Geld transferierenden – Sekundärkredite) auf eine entsprechende Nachfrage treffen.
Nun verzeichnen wir allerdings schon seit einigen Jahrzehnten einen Anstieg der Geldmenge, der weit über die realwirtschaftlichen Zuwächse hinausgeht. Und trotzdem haben wir keine massive Inflation; jedenfalls nicht bei den Verbraucherpreisen. Stellt sich die Frage, auf welche Weise dieses monetäre ‚Überangebot‘ absorbiert oder ggf. sogar neutralisiert wird?
Das eine ‚Ventil‘ könnten die ‚Asset“-Preise sein. Ich kenne die einschlägigen Daten nicht und weiß nicht, ob und auf welche Weise man sie überhaupt ermitteln könnte. Indes nehme ich an, dass auch der Anstieg der Asset-Preise nicht so hoch war, dass er den gesamten Geldmengenzuwachs (in diesem Bereich inflationär) absorbiert hätte.
Im Sinne einer Arbeitshypothese nehme ich an, dass es eine Art ‚reiner Finanzsphäre‘ gibt, wo diese Gelder abseits von der Realwirtschaft kreiseln (und wo ständig neue „Finanzprodukte“ gehandelt werden). (Vgl. dazu den Aufsatz „Geldhortung als Nachfrageausfall in der Stromgrößensphäre“ von Christopher Mensching aus dem Jahr 2004 sowie meinen letzten einschlägigen Blott „Eine Geldhortung gibt es nicht“ vom 01.02.2014 und die dort verlinkten vorangegangenen Beiträge.)
Man kann diesen gegen die Realwirtschaft relativ abgeschotteten reinen Finanzmarkt als eine Art Notwehr ‚des Marktes‘ gegen das Geldüberangebot deuten. Oder, umgekehrt, von einer „Kapitalüberakkumulation“ ausgehen, die sich sozusagen ihre eigene Spielwiese geschaffen hat.

Meine Vermutung ist (mit John Maynard Keynes, der im letzten (24.) Kap. seiner „General Theory …“ eine entsprechende Entwicklung für unsere Zeit prognostiziert hatte), dass die Reichen heute derartig viel Geld verdienen, dass sie es nicht mehr konsumieren können. Anderseits können sie aber auch nicht alles in die Realwirtschaft investieren; u. a. auch deshalb nicht, weil die Akkumulation des Geldes bei ihnen den potentiellen Konsumenten (‚Armen‘) das Geld für Käufe entzieht.
[Einschub: Die Wirtschaftswissenschaft kennt diese Deutung des Geschehens unter dem Begriff „Unterkonsumtionstheorie“. Ich spreche von „Überakkumulation(stheorie)“, weil das Entscheidende bei diesem Phänomen die Ansammlung und das Nicht-Ausgeben des Geldes bei den Hortern ist. In die Realwirtschaft könnte es sowohl für Konsum wie für Investitionen fließen; der Begriff „Unterkonsum“ suggeriert fälschlich, dass eine Vollauslastung nur durch Steigerung der Konsumausgaben möglich sei.]

Die Überakkumulation, also das ‚Schwimmen im Geld‘ ist natürlich ein Ergebnis unserer produktionstechnischen Möglichkeiten, die einen gewissen Überfluss (und Überdruss) schaffen bzw. ermöglichen. Wenn man das Eigentum an Produktionsmitteln soziologisch-utilitaristisch als gesellschaftliche Ausdifferenzierung einer „Investorenrolle“ interpretieren will, dann könnte man sagen, dass die Eigentümer ihr Geld „veruntreuen“, indem sie es der Realwirtschaft entziehen und in die reine Finanzsphäre abdriften lassen. Geht man aber davon aus, dass es in der Realwirtschaft hauptsächlich inflationierend wirken würde, könnte man ihnen umgekehrt dankbar sein.
Letztlich stehen wir vor einer Art „Henne-Ei-Problem“, dass ich hier auf sich beruhen lassen will.
Allerdings deutet z. B. die Niedrig- und Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank darauf hin, dass ihre Geldpolitik mit aller Gewalt einen durch Geldmangel bedingten Nachfragemangel in der Realwirtschaft auszugleichen versucht, dass sie sich also bemüht, die ‚Abwanderungsverluste‘ von Hortgeld in die reine Finanzsphäre auszugleichen.

[Einschub: Die gegenwärtige Geldpolitik der EZB sieht mir dem folgenden Anti-Deflationsrezept von Hayek (für sein System) verdammt ähnlich:
“… in the kind of competitive money system we are here contemplating, a general deflation will be as impossible as a general inflation. Experience seems indeed to have shown that, in conditions of severe uncertainty …… even very low rates of interest cannot prevent a shrinking of a bank's outstanding loans. What could a bank issuing its own distinct currency do when it finds itself in such a situation, and commodity prices in terms of its currency threaten to fall? ….. the bank would presumably be driven to buy interest-bearing securities and thereby put cash into the hands of people looking for other investments as well as bring down the long-term rates of interest, with a similar effect. (S. 81)]

Diese ‚Kreditstopfmast‘ der EZB ist, sofern es auf der anderen Seite große Geldhorte gibt, insofern problematisch, als das von seinen Eigentümer aus der Wirtschaft ‚abgezweigte‘ (Hort-)Geld deren ‚Eigengeld‘ ist, mit dem sie niemandem zur Rückzahlung verpflichtet sind. Obwohl es andererseits ursprünglich (unter Mitwirkung) von einem Kreditnehmer geschaffen wurde, der dieses Geld irgendwann wieder benötigt, um seiner Tilgungspflicht zu genügen. (Er muss etwas verkaufen, um seine realwirtschaftlichen „Vorschusskauf“ zu kompensieren. Die alternative Möglichkeit, den Kredit zu revolvieren, führt zur Ponzi-Finanzierung.)
Während die EZB mit ihren immer neuen Krediten zugleich immer neue Tilgungsverpflichtungen schafft. (Ein solches System lässt sich auf längere Sicht wohl tatsächlich nur noch durch eine „Ponzi-Finanzierung“ stabilisieren, wie wir sie bei den Staatsschulden ja längst haben. Ob das auf Dauer gutgeht, ist eine spannende Frage ….)

[Einschub: Im Zusammenhang mit den vorliegenden Überlegungen zum ‚Über‘-Sparen (‚Zuvielsparen‘) ist darauf hinzuweisen, dass es die Probleme nur noch verschärft, wenn man die breite Masse zwingt, noch mehr zu sparen. Konkret gilt das für Forderungen, die Altersvorsorge vom Umlageverfahren auf das Kapitaldeckungsverfahren umzustellen. (Wegen der Einzelheiten meiner Kritik verweise ich den Täg „Rentenfinanzierung“ in meinem Canabbaia-Blog und, sehr ausführlich, meine Webseite „Rentenreich“ aus dem Jahr 2004.)]

Doch zurück zu Hayeks Überlegungen, welche Rolle die ‚Geldhalter‘ bei der Stabilität einer Währung spielen („… the desire of the public to hold its currency will be the essential circumstance on which its value depends“). (Ich denke, dass diese Aussage ganz allgemein gelten soll und nicht nur für sein Parallelwährungssystem gedacht ist; aber darauf kommt es hier nicht an.)
Wie wir oben gesehen haben, gibt es ZWEI Möglichkeiten bzw. Formen des, sagen wir, „Zurücklegens von Geld“ mit unterschiedlichen Folgewirkungen für die Wirtschaft:
·         Das, was ich „Transfersparen“ genannt habe. Dabei wird das Geld von anderen ausgegeben, denen es im Kreditwege zur Verfügung gestellt wurde.
·         Und das ‚Kopfkissensparen‘, das man vielleicht als „Horten“ (im engeren Sinne) bezeichnen sollte, bei dem das Geld gar nicht für die Realwirtschaft verfügbar ist.
Es liegt auf der Hand, dass eine Geldmenge nur dann ohne inflationäre Wirkungen über eventuelle Zuwächse der Gütermenge hinaus vermehrt werden kann, wenn das zusätzliche Geld irgendwo ‚stillgelegt‘ wird; so sieht das auch Hayek: „If an increase in the demand for such cash balances is met by an increase of the quantity of money ….., it does not disturb the correspondence between demand and supply of all other commodities or services.” (Wobei freilich die Bargeldhortung – “cash balances” – heute, aber auch schon zu seinen Lebzeiten, keine nennenswerte Rolle mehr spielt bzw. gespielt hat!) Stillzuliegen ist freilich nicht der Sinn von Geld als ‚Blut‘ im ‚Blutkreislauf‘ der Wirtschaft; daher gibt es keinen Grund, ‚Stilleger‘ auch noch zu belohnen. Von daher ist es äußerst befremdlich, wenn ausgerechnet ein Wirtschaftswissenschaftler das Geldsystem so konzipieren will, dass Kredite knapp und teuer sind und die Preise um jeden Preis stabil gehalten werden (also im Ergebnis die Realzinsen hoch sind).

Die Lasten der hohen Realzinsen tragen dann nämlich die Unternehmer (zusätzlich zu ihrem Risiko!), sowie die Arbeitnehmer. Während sich die (wie ich hier mal drastisch sagen muss: ) Geldsäcke den Bauch halten und ins Fäustchen lachen (würden). Gegen ‘klassisches’ Sparen („hold it until they wish to buy [something]“) ist nichts einzuwenden. Aber diese Vorstellung aus der Perspektive von Otto Normalerbraucher traf wohl schon zu seiner Zeit nur teilweise zu. Bei der gegenwärtigen galoppierenden Kapitalakkumulation bei den Begüterten ist sie gottvoll naiv und wäre bei heutigen Autoren dreiste Augenwischerei). [Für ein jahrzehntelanges Vorsorgesparen ist eine derartig biedere Vorstellung von Geldsparen ebenfalls inadäquat; aber das begreifen nicht nur „Austrians“ nicht.]
Auch heute hebt die Rhetorik der vulgärösterreichischen Bewegung den „hart arbeitenden Unternehmer“ verbal in den Himmel. Während real sämtliche Pläne zur Änderung des Geldsystems bei genauerem Hinschauen einzig und allein den Geldbesitzern (bzw. Goldbesitzern) nützen würden. Also denjenigen, die im Vergleich zu Unternehmern und Arbeitnehmern tendenziell eher die Stellung als Schmarotzer im Wirtschaftsleben haben. Das muss von Hayek nicht so gewollt gewesen sein; aber auch in seinem Plan klaffen Rhetorik und Realität in dieser Weise auseinander.

Wenn meine Annahme richtig ist, dass die derzeitige lockere Geldpolitik (mit extrem niedrigen Zinsen) der Zentralbanken die Abwanderung von Hortgeld (in die „reinen“ Finanzmärkte) kompensiert, dann würden wir gerade die „Kopfkissen redivivus“-Situation aus Analysestufe 3 hautnah erleben.
Denkbar ist freilich auch, dass „die Pferde nicht saufen wollen“, also die Kreditnachfrage gesunken ist. Doch auch das könnte kausal von einem Über-Sparen bzw. einer ‚Unter-Nachfrage‘ herrühren.


4. Geld sparen OHNE Geld „auf die hohe Kante“ zu legen. Oder: Wenn die Pferde nicht mehr saufen wollen.

Auch an die hier zu behandelnde Fallgestaltung, bei der die Wirtschaftssubjekte „sparen“, indem sie (in der Summe) die alten Kredite tilgen und neue nicht mehr (im gleichen Umfang) nachfragen akzeptiert Hayek als wirtschaftsgeschichtliche Realität:
Experience seems indeed to have shown that, in conditions of severe uncertainty or alarm about the future, even very low rates of interest cannot prevent a shrinking of a bank's outstanding loans.(S. 99)
Allerdings scheint sie mir in einem gewissen Widerspruch zu einer weiteren Passage auf derselben Seite zu stehen:
„There would of course be no difficulty in placing additional money at a time when people in general want to keep very liquid.“

Wie auch immer: Diesen Sachverhalt haben wir in der „US-Immobilienkrise“ 2007 ff. konkret erlebt. Ich erinnere mich noch an entsetzte Kommentare, weil die überschuldeten Haushalte plötzlich begannen ihre Schulden (per Saldo) abzubauen, anstatt sich noch tiefer in den Schuldensumpf zu versenken. Da musste der Staat ran, was er, mit Hilfe der Fed, ja auch fleißig gemacht hat. Mittlerweile brummt die amerikanische Wirtschaft wieder – und vermutlich ist auch die Überschuldung der Amerikaner wieder auf dem alten Niveau. Vielleicht sogar höher; jedenfalls sprudeln die Bankengewinne schon wieder wie Springquellen. (Und also demnächst „da capo“ mit der Finanzkrise?)

Die relativen Preise hatten sich (und sind noch immer?) durch den US-Immobilienboom massiv verzerrt (etwa die Arbeitsstunden, die ein durchschnittlicher Arbeitnehmer für einen Hauskauf aufwenden muss). Man kann diesen Sachverhalt als Bestätigung der allgemeinen Kritik Hayeks an solchen Preisverzerrungen werten:
Its [der Quantitätstheorie] chief defect in any situation seems to me to be that by its stress on the effects of changes in the quantity of money on the general level of prices it directs all-too exclusive attention to the harmful effects of inflation and deflation on the creditor-debtor relationship, but disregards the even more important and harmful effects of the injections and withdrawals of amounts of money from circulation on the structure of relative prices and the consequent misallocation of resources and particularly the misdirection of investments which it causes. (S. 80)

Andererseits fragt es sich, ob die amerikanische Wirtschaft ohne den Immobilienboom eine Vollauslastung erreicht hätte. Unter der Überschrift „Finanzkrise: Haben die Banken zu viel Kredit vergeben?“ hatte ich diese Fragestellung bereits in meinem Blogpost vom 30.06.2014 abgehandelt. Jedenfalls gibt es (was grundsätzlich auch Hayek so sieht) keinen Grund, dass sich die relativen Preise nicht ändern dürften. Wer will darüber entscheiden, was von solchen Änderungen noch „Markt“ und was „künstlich“ (durch die lockere Kreditversorgung) bewirkt ist? Welchen Verlauf hätte die wirtschaftliche Entwicklung in den USA genommen, wenn die Banken bei den Immobilienkrediten deutlich restriktiver verfahren wären? Hätten sich dann andere Branchen besser entwickelt, oder wäre es zur Rezession bzw. Depression gekommen? Wer hätte dann die Kredite aufgenommen, um welche Güter nachzufragen? Oder, im Rahmen des Hayek-Systems gedacht: Hätten die Emissionsbanken bei ihm in der konkreten Situation die Geldmenge zurückgefahren? Obwohl doch (vermute ich; das wäre noch zu verifizieren) etwa die Rohstoff-Preise nicht gestiegen sind? Und somit die ‚Signalgeber‘ in der Hayek-Welt, die Warenkorb-Preise, keinen Handlungsbedarf angezeigt hätten?

Doch zurück zur allgemeinen Thematik: Diesen 4. Punkt habe ich eingefügt um den möglichen Missverständnis vorzubeugen, dass das „Halten“ von Geld (Pkt. 1 bis 3) den Sparbegriff voll ausschöpfen würde. Natürlich kann man bestreiten, dass die Nichtaufnahme von (neuen) Krediten überhaupt ein „Sparen“ darstellt. Eventuelle derartige terminologische Einwände würden jedoch verkennen, dass es in einer sinnvollen Debatte um die realwirtschaftlichen Auswirkungen eines bestimmten ‚Monetärverhaltens‘ der Wirtschaftssubjekte gehen muss. Und aus dieser Perspektive ist die ‚Kreditscheu‘ identisch mit dem ‚Kopfkissensparen‘.
Ohne Einbeziehung auch dieser Form von Sparverhalten sind keine validen Aussagen allgemeiner Art über die Zusammenhänge von Geld- und Realwirtschaft möglich.

Um aber noch einmal auf das Kapitelthema zurückzukommen; hier zeigt eine Bemerkung auf der S. 83, gegen wen sein Geldsystem in Wahrheit gerichtet ist: Gegen die Arbeitnehmer!
„It seems to me ….. like any other attempts to accept wage and price rigidities as inevitable and to adjust monetary policy to them ….. to be one of those steps apparently dictated by practical necessity but bound in the long run to make the whole wage structure more and more rigid and thereby lead to the destruction of the market economy.”
Und auf S. 95 heißt es:
“If government did not increase the quantity of money such a rise in the wages of a group of workers would not lead to a rise in the general price level but simply to a reduction in sales and therefore to unemployment.”
Auf S. 96 sind auch Preissteigerungen einbezogen, die nichts mit Lohnsteigerungen zu tun haben:
“It is … worth considering … what would happen if a cartel or other monopolistic organisation, such as a trade union, did succeed in substantially raising the price of an important raw material or the wages of a large group of workers, fixing them in terms of a currency which the issuer endeavours to keep stable. In such circumstances the stability of the price level in terms of this currency could be achieved only by the reduction of a number of other prices. If people have to pay a larger amount of money for the oil or the books and printed papers they consume, they will have to consume less of some other things.

Wie sich auch aus anderen Passagen seines Textes (z. B. S. 95/96) ergibt, soll eine rigide Geldmengenkontrolle die Preise insgesamt stabil halten. Was natürlich bedeutet, dass beim Steigen der einen Güterpreise andere (im jeweiligen Referenzwarenkorb der Bank!) fallen müssen.
Nehmen wir als Beispiel einen ÖPNV-Güterkorb, bei dem die Preise für Busfahrten aufgrund höherer Ölpreise gestiegen sind. Dann müssten zum Ausgleich die Löhne der Busfahrer gesenkt werden, oder die Preise für Bahnfahrten (und damit, sofern die Bahn keine ausreichenden Gewinnpuffer hat, auch die Löhne der Bahnarbeitnehmer).
Hayeks Behauptung, dass sein Geldmengenkorsett auch für die Arbeitnehmer vorteilhaft wäre („Wage- and salary-earners would probably also discover that it was advantageous to conclude collective bargains in average raw material prices or a similar magnitude, which would secure for earners of fixed incomes an automatic share in an increase of industrial productivity” – S. 75), ist also pure Propaganda. Sein eigentliches Ziel ist es, die “rigide” Lohnstruktur aufzubrechen: Preisstabilität ist alles, die Belange der Arbeitnehmer sind nichts.
[Einschub: Hayeks schönes neues Geldsystem erweist sich als eine klassenkämpferische Ideologie. Im strengen Sinne ist es zwar ‚nur‘ eine Ideologie zum Wohle der Geldbesitzer, die potentiell nicht nur die Arbeitnehmer benachteiligt, sondern ebenso die Unternehmer (Kreditknappheit, ggf. Zwang zur Preissenkung). Ich habe allerdings keinen Zweifel, dass Hayek sich auf die Seite auf die Seite der Unternehmer schlagen würde, wenn sich in der praktischen Umsetzung seines Modells Funktionsprobleme ergeben würden.
Perfekt (jedenfalls auf den ersten Blick) ist das Paradies für Geldbesitzer natürlich erst im Deflationsszenario. Einer seiner Nach-Folger im Geiste (an Geist eher nicht) ist Philipp Bagus, der es an in Spanien zum Professor gebracht hat. Der liefert auch für Aufwertungs-Spekulanten eine (scheinbare) Lösung, indem er die Auswirkungen von Deflationen grotesk verniedlicht.]

Zurück zu Hayeks Preiskorb-Stabilisierung. Die ist, wie die obigen Beispiele gezeigt haben sollten, genau das, was er ansonsten ablehnt: Eine Verzerrung von relativen Preisen. Und diese Verzerrung stellt die Verlierer (Arbeitnehmer der Bus- und/oder Bahnbetriebe; es kann aber auch die Bahnunternehmer treffen, wenn die noch Luft bei den Gewinnen haben) sogar noch schlechter als eine Inflation.
Wenn im gegenwärtigen Geldsystem eine Branche (Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer, das spielt hier keine Rolle) ‚einen Schluck aus der Pulle‘ nimmt, dann haben alle diejenigen in der gesamten Volkswirtschaft weniger, welche die Produkte dieser Branche kaufen.
Im Hayek-Regime dagegen bekommen die Wirtschaftssubjekte (Arbeitnehmer und Unternehmer) seiner jeweiligen ökonomischen Korb-Sektoren insgesamt einen Kuchen vorgesetzt und müssen sich um die Stücke balgen. Was der eine ggf. mehr bekommt, geht zu Lasten seiner ‚Korbgenossen‘. Alle anderen Wirtschaftsteilnehmer sind davon abgeschottet.
Um aber diese Abschottung zu bewerkstelligen, presst Hayeks Aufwertungswettlaufsystem [dass dieses real gar nicht funktionieren kann, lasse ich hier wie auch an anderer Stelle beiseite] die Korbgenossen in eine gesamtschuldnerische Haftung: Nicht alle anderen bezahlen die höheren Busfahrpreise, sondern (im Ergebnis) alleine die Arbeitnehmer (und/oder evtl. die Arbeitgeber) der Bus- und/oder Bahnunternehmen. (Konkret zahlen natürlich alle Kunden die höheren Busfahrpreise, doch werden sie entweder bei den Bahnfahrpreisen entsprechend entlastet oder, wenn die Ölpreissteigerung durch eine Lohnsenkung der Busfahrer kompensiert wird, bleiben die Busfahrpreise sogar unverändert.) Die Belastung durch die von Hayek geforderten Lohn- oder Gewinnverzichte (zum Ausgleich für Lohn- oder Preissteigerungen an anderer Stelle) ist bei den ‚Haftungsgenossen‘ folglich selektiver (es trifft nur bestimmte Gruppen) und (als Konsequenz daraus) bei den Betroffenen weitaus höher im Vergleich zur individuelle Belastung der Kunden bei Preiserhöhungen im gegenwärtigen System.
Wenn DAS keine Preisverzerrung willkürlichster (und unverschämtester) Art ist, dann weiß ich’s nicht. Und alles nur, damit die GELDPREISE (der Geldwert) unverändert bleiben – also zum Wohle der Geldbesitzer!
In anderem Zusammenhang verurteilt Hayek inflationär bedingte Preisverzerrungen wieder und wieder; z. B. schreibt er auf S. 82:
Everybody knows of course that inflation does not affect all prices at the same time but makes different prices rise in succession, and that it therefore changes the relation between prices - although the familiar statistics of average price movements tend to conceal this movement in relative Prices.
Auf der Basis seiner Konjunkturtheorie [in groben Umrissen dargestellt z. B. in dem auch sonst interessanten Papier “Slaves of the defunct: the epistemic intractability of the Hayek–Keynes debate” von Scott Scheall] befürchtet er Fürchterliches von der Verzerrung der relativen Preise:
“What is in the long run even more damaging to the functioning of the economy and eventually tends to make a free market system unworkable is the effect of this distorted price structure in misdirecting the use of resources and drawing labour and other factors of production (especially the investment of capital) into uses which remain profitable only so long as inflation accelerates.”
Und um, wie er meint, Schaden von der Wirtschaft abzuwenden und am Ende sogar die Freie Marktwirtschaft zu retten, ersinnt (oder richtiger: erspinnt) er ein System, das die Zusammenhänge KÜNSTLICH komplett verzerrt und mit einem freien Markt allenfalls noch den Namen gemein hat.
Clever ausgedacht hat er sich das Ganze schon; den Trick mit der Haftungsgemeinschaft der Korbinsassen habe ich erst durchschaut, nachdem ich mich tagelang intensiv schreibend mit seiner Geldsystemphantasterei beschäftigt hatte.



II. Detailüberlegungen und Nebenaspekte

 

Trick 17 mit Selbstüberlistung: Preisstabilität durch Kursmanipulation?

1.    The issuing bank could ….. keep in cash a 100 per cent reserve of the currencies in terms of which it had undertaken to redeem its issue and still treat the premiums received as freely available for general Business.
2.    But once these other currencies had, as the result of further inflation, substantially depreciated relative to the ducat [Hayeks fiktive Beispielwährung; bei mir: „Neumark“], the bank would have to be prepared, in order to maintain the value of the ducat, to buy back substantial amounts of ducats at the prevailing higher rate of exchange.
3.    This means that it would have to be able rapidly to liquidate investments of very large amounts indeed. These investments would therefore have to be chosen very carefully if a temporary rush of demand for its currency were not to lead to later embarrassment when the institution that had initiated the development had to share the market with imitators. Incidentally, the difficulty of finding investments of an assured stable value to match similar obligations would not be anything like as difficult for such a bank as we are considering as present-day bankers seem to find it: all the loans made in its own currency would of course represent such stable assets.” (S. 49/50)

Das ist eine zumindest für mich schwierige Passage, die ich zwecks leichteren ‚Aufdröselns‘ in eine Aufzählung umgewandelt habe (der Originaltext ist durchgehend.)

Punkt 1) ist klar. (Oben hatte ich ihn in der Weise konkretisiert, dass die Neubank in Höhe des von den Anlegern gezahlten Überschusses in Altwährung ebenfalls ihre Neumark ausgibt und damit ihre Angestellten bezahlt).

Den zweiten Absatz muss ich mir im Denkmodell veranschaulichen, um seinen Sinn (hoffentlich) zu begreifen.
·         Ausgangslage ist bei mir ein pari-Wechselkurs Neumark (die ich hier für Hayeks Dukaten als Neuwährung einsetze) zu DM sowie eine Kaufkraft von 1,- DM (und ebenso 1,- Neumark) für ein Kilo Eisen.
·         Die Altwährung inflationiert. Wir setzen also nunmehr einen Preis von 2,- DM für ein Kilo Eisen.
Wenn sich das im Wechselkurs bereits niedergeschlagen hätte, müsste man nunmehr 2,- DM für eine Neumark bezahlen, womit die Kaufkraft der Neumark unverändert stabil wäre: 1,- NM = 2 DM = 1 Kilo Eisen. In diesem Falle gäbe es freilich keinen Grund für die Neubank, am ‚Devisenmarkt‘ zwecks Aufwertung ihrer NM zu intervenieren.

Hayeks Szenario, in welchem die „DM depreciated relative to the Neumark” (seine Währungsbegriffe hier in meine Modellbegriffe übersetzt) führt also offensichtlich in die Irre, wenn man sich unter dem Sachverhalt „die DM hat im Verhältnis zur Neumark deutlich abgewertet“ einen KURSverlust der DM vorstellt.
Vielmehr muss man hier, um seinen Gedankengang zu verstehen, zwei Abwertungsformen unterscheiden:
·         Kaufkraftabwertung und
·         Wechselkursabwertung.
Hayek denkt offenbar an eine Fallgestaltung, bei der die DM zwar an KAUFKRAFT verloren hat, sich aber die Wechselkurse noch nicht an diesen Wertverlust angepasst haben („the prevailing higher rate of exchange“). Nur dann macht seine Annahme überhaupt Sinn, dass die Neubank selber durch Markteingriffe die Kaufkraftabwertung der DM in eine Wechselkursabwertung der DM (bzw. eine entsprechende Aufwertung der NM) übertragen (könne und) müsse („buy back substantial amounts of ducats in order to maintain the value [= Kaufkraft] of the ducat“ – die Satzteile aus Hayeks o. a. Formulierung habe ich hier zur Verdeutlichung umgekehrt).

(Nur) solange der Wechselkurs noch auf pari steht, verdoppelt sich der Eisenpreis auch in Neumark - und eben das muss die Neubank verhindern, weil sie den Benutzern ihres Geldes Preisstabilität versprochen hat.
Abstrakt formuliert: Soweit die Wechselkurse Änderungen der Kaufkraft noch nicht – voll – widerspiegeln, müssen die Banken ‚Kurspflege‘ betreiben (bzw., wenn man das kritisch sehen will: die Kurse manipulieren).
Um also den Eisenpreis (und damit auch den Warenkorbpreis) in ihrer eigenen Währung stabil zu halten, muss nach Hayeks Vorstellung die Neubank den Wechselkurs der DM von 1 : 1 auf 2 (DM) zu 1 (Neumark) runterprügeln. Dafür hat sie (alternativ oder kumuliert) zwei Möglichkeiten:

·         Den direkten Weg, DM aus den eigenen Beständen auf den Markt werfen, um die eigene Währung zurückkaufen („to buy back substantial amounts of ducats“). Das ist die einfachere und verlässlichere Variante, aber möglicher Weise hat die Neumark nicht genügend Fremdwährung. Wenn sie ursprünglich z. B. 1 Mio. Neumark gegen 1 Mio. DM umgetauscht hätte müsste sie jetzt, um ihre 1 Mio. Neumark wieder aus dem Verkehr zu ziehen, zwei Mio. DM aufbringen. Im Detail würde dieser Mechanismus allerdings etwas anders funktionieren: Die Rückkäufe der Neubank an Eigenwährung verknappen die Neumark-Restbestände im Markt; die Verkäufer würden immer mehr DM verlangen, um ihre Neumark herzugeben. Da sich die Wechselkurse also nicht auf einen Schlag ändern würden, sondern gleitend im Zeitverlauf, stünden sie erst am Schluss der Operation bei 2 : 1. Somit müsste die Neubank nicht wirklich 2 Mio. DM für die Rückkäufe aufwenden, sondern irgendwo zwischen 1 und 2 Mio. DM. Aber, wie gesagt: Sie hat ja nur 1 Mio. DM im Tresor, also allemal nicht genug. (Sofern sie für diese Operation ihre gesamten Reserven einsetzen müsste. Diese Annahme ist natürlich kein zwingender Bestandteil von meinem oder von Hayeks Modell, muss also nicht eintreten.)

·         Indirekt kann sie ihre eigene Geldmenge am Markt verknappen („rapidly … liquidate investments of very large amounts“), indem sie Kredite verweigert (harte Restriktion) oder verknappt (‚hart‘ durch Rationierung oder ‚weich‘ über höhere Kreditzinsen). (Eine andere, bei Hayek nicht berücksichtigte, Möglichkeit wäre eine Erhöhung der Einlagenzinsen; dieser Weg der Geldmengenreduktion wäre allerdings noch indirekter und schlechter kontrollierbar.) Diejenigen Wirtschaftssubjekte, die DM haben aber (insbesondere wegen vertraglicher Verpflichtungen) Neumark benötigen, müssten dann mehr DM für die Neumark hinlegen, weil diejenigen Marktteilnehmer, die noch Neumark besitzen, aufgrund der Knappheit höhere DM-Beträge für die Neumark verlangen würden. Dazu müssten allerdings die Knappheitssignale relativ schnell den Markt erreichen, was die Neubank durch eine entsprechende Kommunikation („wir wünschen uns einen Kurs von 2 : 1“) wohl auch erreichen könnte. (Und buchungstechnisch würde sie dabei gigantische Verluste machen, die sie möglicher Weise nur durch „Gelddrucken“, also tendenziell inflationär, ausgleichen könnte!)

Hayek verschleift diese beiden Sachverhalte, wenn er unter der o. a. Ziff. 3 sagt „This means that it [die Emissionsbank] would have to be able rapidly to liquidate investments …“. Denn für einen Rückkauf der eigenen Währung benötigt sie Fremdwährung. Diese kann sie jedoch nicht aus der Auflösung von Investitionen gewinnen; dadurch kann sie lediglich ihr eigenes Geldangebot im Markt verknappen – was ja auch der Sinn des indirekten Weges ist. (Nach Hayeks Vorstellung, die man indirekt aus der Feststellung: „... all the loans made in its own currency would ….. represent such stable assets” erschließen kann, soll das Marktangebot von NM tatsächlich durch Kreditrestriktionen gedrosselt werden.)

In der Passage „These investments would therefore have to be chosen very carefully if a temporary rush of demand for its currency were not to lead to later embarrassment when the institution that had initiated the development had to share the market with imitator” verstehe ich nicht, welchen Zusammenhang die Notwendigkeit einer sorgfältigen Anlageauswahl (die sich m. E. ohnehin vorrangig nur auf die Kurzfristigkeit beziehen kann) mit den von einem Nachahmer dieses Geschäftsmodells der Emissionsbank („imitator“) drohenden Gefahren haben sollte. Allerdings dürfte das für meine Argumentation eher bedeutungslos sein.

Legt man unser alltägliches Funktionsverständnis von Wechselkursen (hergeleitet aus den Vorgängen an den Devisenmärkten) zu Grunde, dann ist die Bedeutungsverschiebung von „depreciated“ in Hayeks Modell ausgesprochen merkwürdig. Schließlich haben wir doch in der Euro-Debatte immer wieder gehört „Hätten die Griechen noch ihre eigene Währung, dann könnte diese abwerten und dadurch die dortigen überproportionalen Preissteigerungen ausgleichen; weil sie aber im Euro sind, müssen sie ihre Preise durch Deflation senken.“
Die Frage ist also, warum bei Hayek nicht schon der ‚Devisenmarkt‘, an dem beide Währungen gehandelt werden, den Kaufkraftverlust der DM ausgeglichen, also diese Währung entsprechend abgewertet hat?
Auch hier stoßen wir wieder auf eine Anomalie, die Hayeks Modell vom Markt, wie wir ihn kennen, unterscheidet.

Bei den Griechen (usw.) vollzog sich die interne Preisbildung in Landeswährung. Der DM-Eisenpreis in Hayeks Modell (und meiner Ausformulierung) ist aber lediglich ein Notierungskurs am Rohstoffmarkt, ebenso wie heute die Rohölnotierung in US-Dollar. Die Eisenerz-Bergarbeiter werden vielleicht in verschiedenen anderen Währungen bezahlt oder, hypothetisch, sogar in Neumark. Nehmen wir an, die Teuerung sei durch entsprechende Lohnzugeständnisse an die Arbeitnehmer zustande gekommen. Dann trägt die DM als Währung daran genauso wenig ein Verschulden, wie es dem USD (bzw. der Fed) anzulasten ist, wenn die Scheichs das Rohölangebot drosseln und die Preise hochtreiben.
Trotzdem sinkt natürlich für uns der Rohölpreis, wenn der USD im Verhältnis zum Euro (bzw. früher zur DM) abwertet (und steigt im entgegengesetzten Falle). Aber entsprechend verteuern sich auch unsere Ausfuhren in die USA. Deshalb wäre es wohl zum Scheitern verurteilt, wenn die Bundesbank versuchen würde, den Dollarkurs ganz bewusst runterzuprügeln, damit sich das Rohöl für Deutschland verbilligt. (Ganz abgesehen davon, dass die Scheichs den Ölpreis dann wahrscheinlich noch weiter steigern würden, um die „terms of trade“ mit uns wieder zu verbessern, also billiger an unsere Mercedesse zu kommen.

Auch Hayeks (ohnehin nicht durchführbare: s. o.) „Lösung“, die Neubank solle doch kurzerhand den Wechselkurs der DM drücken, ist nur eine scheinbare. Ursache der Preissteigerung war ja (in meinem Denkmodell) die Lohnerhöhung der Bergarbeiter. Auf der realen Ebene (und nicht auf der von faulen Tricks) betrachtet, gibt es in diesem Falle nur zwei Möglichkeiten, das Gesamtpreisniveau stabil zu halten:
·         Entweder müssen die Löhne der Bergarbeiter wieder runter
·         Oder andere Wirtschaftsteilnehmer müssen ihre Preise (oder Löhne) senken.
Auf diese letztere Lösung läuft Hayeks System hinaus: Die starre Systemgeldmenge würde verhindern, dass auch die anderen Wirtschaftsteilnehmer ihre Preise bzw. Löhne erhöhen. Wenn sie Waren im bisherigen Umfang absetzen wollten, müssten sie ihre Preise sogar senken, weil jetzt die Eisenminenarbeiter einen größeren Teil der Geldmenge in den Fingern haben und alle anderen entsprechend weniger. (So jedenfalls in der Theorie. Da sich Geldmangel in der Praxis nie gleichmäßig bemerkbar macht, würde die Realität wahrscheinlich ganz anders aussehen: Einige Unternehmen könnten ihre Arbeitnehmer nicht mehr bezahlen und würden pleitegehen oder schließen. Not und Elend würden sich ausbreiten wie in der „Great Depression“ von 1929 ff.).

Wie immer bei den Preisen, geht es also auch hier um die Verteilung:
1.    Soll ich den Bergarbeitern ihre Beute lassen, und anderen etwas wegnehmen?
2.    Oder soll ich den anderen erlauben, im Verteilungskampf gleichfalls ihre Preise zu erhöhen (und so am Ende u. a. auch den nominalen Lohnzuwachs der Bergarbeiter wieder ein wenig abzuschmelzen)?
Hayek präferiert die erste Variante, will also die Wirtschaft ins Prokrustesbett der starren Geldmenge fesseln. Ich bevorzuge die zweite, weil sie der Dynamik von Marktwirtschaft und marktwirtschaftlichen Verteilungskämpfen gemäßer ist.

An anderer Stelle stellt Hayek die Zusammenhänge allerdings so dar, dass der Markt bereits von sich aus (also ohne Kursmanipulation oder, freundlicher formuliert, ohne ‚Kurspflege‘ seitens der Neubank) die überemittierte Währung auch wechselkursmäßig abwertet. Nur ist sein Ausgangspunkt dort ein anderer: Während er bei seinen Überlegungen S. 49/50 die Kaufkraftverschlechterung einer Währung an den Anfang stellt, ist es hier die Überemission. Freilich ist eine solche überhaupt nur dadurch zu definieren und daran zu erkennen, dass die Preise steigen (und die Wechselkurse der Konkurrenzwährungen). Letztlich geht es also in beiden Fällen um den gleichen realen Sachverhalt; inwieweit Hayeks unterschiedlichen Annahmen kompatibel sind, ist mir unklar.

There will of course always be a strong temptation for any bank to try and expand the circulation of its currency by lending cheaper than competing banks; but it would soon discover that, insofar as the additional lending is not based on a corresponding increase of saving, such attempts would inevitably rebound and hurt the bank that over-issued. While people will no doubt be very eager to borrow a currency offered at a lower rate of interest, they will not want to hold a larger proportion of their liquid assets in a currency of the increased issue of which they would soon learn from various reports and symptoms. It is true that, so long as the currencies are almost instantaneously exchangeable against one another at a known rate of exchange, the relative prices of commodities in terms of them will also remain the same. [Das ist genau das Ausgangsszenario in seiner Darstellung S. 49/50, wie ich es oben untersucht habe.] Even on the commodity markets the prices of those commodities (or, in regions where a high proportion of the demand is expressed in terms of the increased currency, prices in terms of all currencies) will tend to rise compared with other prices. But the decisive events will take place on the currency exchange. At the prevailing rate of exchange the currency that has increased in supply will constitute a larger proportion of the total of all currencies than people have habitually held. Above all, everybody indebted in the currencies for which a higher rate of interest has to be paid will try to borrow cheap in order to acquire currencies in which he can repay the more burdensome loans. And all the banks that have not reduced their lending rate will promptly return to the bank that lends more cheaply all of its currency they receive. The result must be the appearance on the currency exchange of an excess supply of the overissued currency, which will quickly bring about a fall in the rate at which it can be exchanged into the others. And it will be at this new rate that commodity prices normally quoted in other currencies will be translated into the offending currency; while, as a result of its over-issue, prices normally quoted in it will be immediately driven up. The fall in the market quotation and the rise of commodity prices in terms of the offending currency would soon induce habitual holders to shift to another currency. The consequent reduction in the demand for it would probably soon more than offset the temporary gain obtained by lending it more cheaply. If the issuing bank nevertheless pursued cheap lending, a general flight from the currency would set in; and continued cheap lending would mean that larger and larger amounts would be dumped on the currency exchange. We can confidently conclude that it would not be possible for a bank to pull down the real value of other currencies by over-issue of its currency - certainly not if their issuers are prepared, so far as necessary, to counter such an attempt by temporarily curtailing their issues. (S. 63/64)

Auch das ist, zumindest für mich, eine schwierige Passage, die ich nicht auf Anhieb in ein Denkmodell umsetzen kann. Versuchen wir also, Hayeks Gedankengang in ein Schritt-für-Schritt-Denkmodell umzubauen um dann hoffentlich klarer zu sehen.
1.    Ausgangslage: Kurse und Preise im Gleichgewicht; Systemgeldmenge ist genau richtig.
2.    Altbank will Marktanteile ausweiten und senkt Kreditzins; Neubank zieht nicht mit.
3.    Wie nicht anders zu erwarten, gelingt die Ausweitung des Marktanteils, und zwar in der Form, dass die Systemgeldmenge insgesamt expandiert, mit einem jetzt höheren relativen Anteil der Altbankwährung. Wenn als das Ausgangsniveau der beiden Geldmengen 50 DM : 50 NM gewesen wäre (kursgewichtete Systemgeldmenge 100), und die Altbank 10 DM mehr emittiert, dann hätten wir eine Systemgeldmenge von 110 mit Anteilen von 60 DM zu 50 NM (bei anfänglich unverändertem Umtauschkurs 1 : 1.)

Erster Einschub: Um dieses Ergebnis zu erreichen, haben wir eine stillschweigende Annahme gemacht (und diese muss, als Ausgangspunkt – später soll ja die Neubank ihren Marktanteil reduzieren - auch bei Hayek unterstellt werden): Dass nämlich die Geldmenge der Neubank unverändert bleibt, also sich nicht etwa entsprechend (von 50 auf 40) gesunken ist. Denn dann hätte sich die Kreditnachfrage lediglich von NM auf DM verlagert. Anders gesagt: Um die Geldmenge von 100 auf 110 Geldeinheiten auszuweiten, muss die Kreditvergabe (und als Voraussetzung dafür die Kreditnachfrage) im Gesamtsystem um 10 GE gestiegen sein.
Hayeks Aussage, dass „people will no doubt be very eager to borrow a currency offered at a lower rate of interestist als solche natürlich korrekt. Nur gibt sie keine Antwort auf die Frage, ob sich die Kreditnachfrage lediglich verlagern oder aber insgesamt ausweiten würde. Weil aber die Kreditnehmer in der Hayek-Welt ansonsten an der kurzen Leine gehalten werden ist seine stillschweigende Annahme, dass zusätzliche Angebote die Gesamt-Kreditnachfrage steigern und damit die Systemgeldmenge erhöhen würden, realistisch.

4.    Jeder gibt die zusätzlichen DM gerne aus (dafür borgt man sich ja schließlich Geld). Aber niemand hält es gern lange: Die DM werden weitergereicht wie eine heiße Kartoffel (während die NM fleißig gehortet werden).
5.    Aber warum ist das so? Hayek meint, dass „various reports and symptoms“ den Geldbesitzern signalisieren würden, dass die DM überemittiert hat. „Reports“ ist klar: Die Geldmengenstatistik zeigt eine Erhöhung an und auch, von wem sie kommt. Solche Informationen sind Signale für Spekulanten; sie sind aber für den einzelnen Nutzer keine Marktsignale im engeren Sinne. Anders ist das bei den „symptoms“: Das wären nachteilige, spürbare (und der DM offenkundig zuzurechnende) Änderungen im ökonomischen Umfeld der einzelnen Wirtschaftssubjekte, welche diese zum Handeln veranlassen würden. [Würden Wirtschaftssubjekte generell bereits auf lediglich abstrakte Informationen anspringen, dann hätten wir beim Don-Draghi-Drucker-Euro schon längst eine Hyperinflation!] Tendenziell bedeutet mehr Nachfrage natürlich höhere Preise, zumal wir ja im Ausgangsszenario ein Gleichgewicht von Geldangebot und Güterangebot unterstellt hatten. Realistisch ist auch Hayeks Annahme, dass es auch bei seinen Konkurrenzwährungen keine vollständige Konkurrenz geben würde (wie bei Hemden, Hosen, Automobilen usw.), sondern sich regionale oder Wirtschafts-sektorale ‚Zonen‘ herausbilden würden, in denen eine Währung vorherrschend wäre. Somit sollte eigentlich die Nachfrage in den DM-Sektoren zunächst stärker anziehen als in den NM-Sektoren. Die nächste Frage ist dann natürlich, ob diese Mehrnachfrage sich überhaupt vorwiegend auf die in der ‚DM-Zone‘ hergestellten Produkte beziehen oder aber hauptsächlich die ‚Importe‘ aus der NM-Zone anschwellen lassen würden. Wäre das der Fall, dann würden sogar eher die NM-Preise steigen; der Markt würde also, was den Verursacher (die überemittierende Altbank) betrifft, genau die falschen Signale aussenden: Obwohl die DM überemittiert wurden, würden in diesem Falle die Preissteigerungen bei den NM-Gütern anfallen.
6.    Die letzte Annahme geht allerdings von unveränderten Wechselkursen aus. Tatsächlich müssten jedoch die DM erst einmal umgetauscht werden, um NM-Güter damit einkaufen zu können. (Oder der Empfänger würde sie eintauschen, weil er seine eigenen Verpflichtungen in NM erfüllen muss.) Wir hätten also am ‚Devisenmarkt‘ jetzt ein verstärktes Angebot an DM (bei unveränderter Nachfrage), was tendenziell zu einer Aufwertung der konkurrierenden NM führen müsste. Womit dann am Ende doch die Preise in DM steigen. Von daher hätte Hayek Recht wenn er sagt, dass “the decisive events will take place on the currency exchange”.
7.    Zugleich erwartet Hayek, dass DM-Kredite jetzt auch von den Akteuren in der „NM-Zone“ nachgefragt werden. (So jedenfalls glaube ich es modellkorrekt umzusetzen, wenn er sagt: „… everybody indebted in the currencies for which a higher rate of interest has to be paid will try to borrow cheap in order to acquire currencies in which he can repay the more burdensome loans.”) Das allerdings nicht, um damit einkaufen zu gehen [wieso eigentlich nicht???] sondern um NM-Kredite zu tilgen. Wozu die DM natürlich ebenfalls in NM umgetauscht werden müssten und damit tendenziell die NM aufwerten würden.
8.    Also, um die Effekte von ‚Importen‘ aus der NM- in die DM-Zone und die Verlagerung der Kreditnachfrage von NM auf DM (zwecks Tilgung von NM-Krediten) zusammenzufassen: Die NM würden aufwerten. Damit wäre allerdings die Flucht der Kreditnehmer aus der NM in die DM sinnlos, weil die Schuldner dann zwar geringere Zinslasten hätten, aber statt ursprünglich z. B. 100,- jetzt 110,- DM leihen müssten, um einen 100,- NM-Kredit zu tilgen.

Zweiter Einschub: An dieser Stelle wird deutlich, wie sehr die ganzen Modellannahmen (Hayeks und meine) hinken.
Alle Entwicklungen werden als „Hauruck“-Änderungen dargestellt, während sie sich in wirklichen Leben gleitend vollziehen. (Dort würde auch der Akzeptanzverlust einer Währung wahrscheinlich sehr, sehr viel länger dauern, als Hayek sich das vorstellen mag.)
In der Zwischenzeit würden jedoch gegenläufige Entwicklungen wirksam; z. B. würden die NM-Zonen-Bewohner wahrscheinlich mehr DM-Güter einkaufen, wenn ihre Währung aufgewertet, die ‚Importe‘ also billiger wären.
Dafür müssten sie aber NM entsparen, und auf jeden Fall müssten sie DM eintauschen. Das würde die DM tendenziell auf- und somit ihre eigene NM abwerten. (Alternativ könnten sie auch DM-Kredite aufnehmen und damit DM- oder NM-Güter kaufen; das würde umgekehrt die DM ab- und die NM aufwerten, in welche die DM ja erst einmal umgetauscht werden müssten, um in dieser Zone einzukaufen.)
Umgekehrt könnten die DM-Nutzer die Lust am Einkaufen verlieren, wenn in ihrer alles teurer wird. Unter Berücksichtigung der Umtauschverluste (zuzüglich Gebühren, die bei Hayek gar nicht vorkommen, aber natürlich von den Banken verlangt werden würden und betriebswirtschaftlich auch müssten) kämen sie dann vielleicht sogar besser dabei weg, Kredite in NM aufzunehmen. (Falls sie diese bekommen: Die Neubank soll ihr Geld nach Hayek ja knapp halten!)
Weitere Effekte wären:
·         die tendenzielle Senkung der Produktionskosten durch niedrigere Kreditzinsen.
·         Eine tendenziell sinkende Güternachfrage, weil die Emissionsbank, ihre Aktionäre und/oder ihre Einleger ja weniger einnehmen würden. Bzw., wenn man den Blick ausweitet: Eine Verlagerung der Güternachfrage von denjenigen, bei denen sich niedrigere Kreditzinsen als Einnahme-Minderungen niederschlagen (Einleger und/oder Bankeigentümer) auf die Kreditnehmer, denen wegen geringerer Zinskosten mehr Geld zur anderweitigen Verwendung bleibt (quasi-‚Einnahmensteigerung‘).
·         Paradoxer Weise kann man sich sogar ein Szenario vorstellen, in welchem sinkende Zinsen zu steigenden Ersparnissen führen würden: Vorsorgesparer müssten, um später einen gleich hohen Versorgungsstandard zu erreichen, mehr Geld zurücklegen. (Spannende Frage, ob wir nicht gerade momentan angesichts der Niedrigzinspolitik der EZB exakt einen solchen Sachverhalt erleben?)
·         Nicht zuletzt wäre auch eine Ausweitung der DM-Zone zu Lasten der NM-Zone denkbar. Währungsmäßige „Grenzbetriebe“, die wesentliche Teile ihrer Einnahmen und/oder Ausgaben in DM haben, aber bisher in NM gebucht hatten, könnten auf DM umstellen. Damit würde das Güterangebot in der NM-Zone schrumpfen und in der DM-Zone wachsen. Eine solche Entwicklung ist auch deshalb sehr plausibel, weil die Betriebe nicht nur an billigeren Krediten interessiert wären, sondern zunächst einmal daran, überhaupt Kredite zu bekommen. Wenn die DM-Kreditzinsen gesenkt werden, dann müssen auch die Kredite großzügiger vergeben werden; eine Senkung der Kreditzinsen macht für die Altbank ja nur dann Sinn, wenn sie ihren Marktanteil erweitern will.) Bei Hayek soll jedoch die „gute“ Emissionsbank (bei mir also die Neubank) täglich an ihrer Geldemission herumschrauben. Weil sich diese ständige Feinsteuerung nicht am selbstdeterminierten Geldbedarf der Wirtschaft (Stichwort „endogene Geldmenge“) orientieren soll, sondern an Preisindizes, erinnert sie eher an planwirtschaftliche Elemente als an Marktwirtschaft. Diese manische Fixierung auf die ‚genau richtige‘ Geldmenge wäre wahrscheinlich allein schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil sie für die Wirtschaftssubjekte enorme Unbequemlichkeiten und Restriktionen bedeuten würde. (Z. B. könnte der NM-Betrieb u. U. nicht investieren, weil er keinen Kredit, oder den nur zu prohibitiven Zinsen, bekommt. Während er im DM-Geldregime neue Maschinen kaufen und die Produktion ausweiten kann – und damit zugleich auch die Gütermenge in der DM-Zone insgesamt.) Vom zeitlichen Nachhinken und der Überlagerung unterschiedlicher (ggf. gegenläufiger) Maßnahmen ganz abgesehen, die jegliche sicheren Aussagen über Kausalzusammenhänge verunmöglichen würden. Hayeks Feinsteuerungs-Vorstellungen sind der Komplexität des Geldwesens schlicht inadäquat; insoweit kann nur eine Globalsteuerung (einigermaßen) erfolgreich sein. Und tatsächlich war ja die Performance der Notenbanken in der Zeit nach Hayeks Buch nicht schlecht.

9.    "... all the banks that have not reduced their lending rate will promptly return to the bank that lends more cheaply all of its currency they receive” würde bedeuten, dass die Neubank die bei ihr eingewechselten DM schnellstens an die Altbank zurückgibt. Hayek nimmt an anderer Stelle an, dass die Banken Fremdwährung stets zum geltenden Kurs umtauschen würden. Das funktioniert natürlich nur so lange, wie die Altbank überhaupt noch NM-Fremdwährung in ihren Tresoren hat. Um den Abfluss zu stoppen (also Umtauscher abzuschrecken) müsste sie die NM ständig verteuern, also ihre eigene DM abwerten.
10. Eigentlich ist es erfreulich, wenn durch Importe mit fallenden Preisen in einem Land alles billiger wird. Aber Deflation will Hayek auch nicht zulassen. Also müsste die Neubank mehr NM emittieren, um die konkurrierende DM wieder aufzuwerten. In der Realität käme es natürlich drauf an, welche Entwicklung am Markt die Nase vorn hätte: Die Preissteigerungen in DM oder der Kursverfall der DM. Oder anders gesagt, welche Abwertung sich schneller entfalten würde: Die Kaufkraftentwertung (Preissteigerungen) oder die Wechselkursentwertung. Wenn freilich Kaufkraftentwertung und Wechselkursverfall im Gleichschritt marschieren [1 Kilo Eisen kostet jetzt 2,- (statt 1,-) DM, aber dafür bekommt man für eine NM auch 2,- (statt 1,-) DM], dann besteht allerdings kein Interventionsbedarf.
11. Mir fehlt die Phantasie, um die unzähligen möglichen Folgewirkungen durchzudeklinieren. Generell gilt aber auch (und gerade) für das Geldwesen und seine Wechselwirkung mit der Realwirtschaft: „Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt“. Ich glaube auch nicht, dass irgend ein Einzelner das könnte (selbst wenn er nicht Laie ist, wie ich es bin, sondern studierter Volkswirt), da müsste man ein Team dransetzen, und das nach dem Vorbild der katholischen Heilungssprechungsprozesse mit einem „advocatus diaboli“, also einer Person mit der Aufgabe, jede Behauptung anzuzweifeln und einen Gegenbeweis zu erbringen. Gläubige, zu denen jedenfalls beim Geldwesen auch Hayek gehört, picken sich immer nur diejenigen Informationen heraus und basteln sich immer nur diejenigen Szenarien zusammen, die ihre Sicht der Dinge zu bestätigen scheinen.
12. The fall in the market quotation and the rise of commodity prices in terms of the offending currency would soon induce habitual holders to shift to another currency.” Eine verstärkte Nachfrage würde die Fremdwährung aufwerten. Weil es sich in diesem Falle nicht um einen Effekt handelt, der unmittelbar aus der Änderung von Güterpreisen herrührt (sondern aus geänderten Währungspräferenzen), müsste sich die Neubank in Hayeks Modell dem entgegenstellen. Ohnehin bedeutet „habitual holders” ja nichts anderes als Geldsparer. Auf diese Weise sparen kann man jedoch nur, indem man das Geld bei Banken (hier: der Neubank) einzahlt. Womit sich für die Neubank aber die Frage stellt, in welcher Höhe und zu welchen Zinssätzen sie diese Einlagen überhaupt annehmen will. Viele Einlagen einzusammeln, aber wenig Kredite zu vergeben, ist kein Geschäftsmodell, von dem eine Bank auf Dauer gut leben kann. Sie müsste also u. U. die Einlagenzinsen senken, was ihre Währung für Sparer weniger attraktiv machen würde.
13. “We can confidently conclude that it would not be possible for a bank to pull down the real value of other currencies by over-issue of its currency-certainly not if their issuers are prepared, so far as necessary, to counter such an attempt by temporarily curtailing their issues.” Ob die Geldmengenreduzierung der angegriffenen Währung eine lediglich temporäre wäre, ist sehr die Frage. Ich vermute eher, dass sie auf Dauer Marktanteile verlieren würde: Beispielsweise deshalb, weil ihre Geldverknappung einen selbstverstärkenden Effekt haben könnte.
14. Eine bei Hayek fehlende, real aber sehr wahrscheinliche Alternative will ich noch erwähnen: Die Möglichkeit nämlich, dass eine der Emissionsbanken ihre Position ausbaut, indem sie das anbietet, wonach der Markt geradezu schreien würde: Längerfristige Kredite. Ich könnte mir vorstellen, dass Häuslebauer oder Unternehmen lieber 5% Kreditzinsen mit 10jähriger Festschreibung bezahlen würden, als 4,0% mit nur 2jähriger Zinsbindung der Bank. Und auch der Staat braucht natürlich eine längerfristige Planungssicherheit, als die Kurzfristkredite (Dauer???) von Hayeks Emissionsbanken bieten würden. Bei diesem Szenario könnten die Emissionsbanken die Geldmenge immer noch steuern, nämlich über die Einlagezinsen. Das wäre allerdings weitaus weniger präzise als über Kreditzinsen bzw. Kreditrationierung.

Letztlich ähneln diese ganzen Überlegungen (bei Hayek wie bei mir) einem Schachspiel: Einige wenige Züge weit kann man die Wirkung der eigenen Entscheidung vorausberechnen (d. h. die daraus folgenden Alternativszenarien noch überschauen); wirkliche Sicherheit für den Ausgang des Spiels kann man jedoch nicht gewinnen. Nur ist die Wirtschaft weit komplexer als das Schachspiel, weil die Interessen der einzelnen Akteure teils identisch und teils gegensätzlich sind, sich jederzeit ändern können, die Ergebnisse konkreter Maßnahmen gegenläufig sein und Rückkopplungs- und Antizipationseffekte dämpfend oder verstärkend wirken können.
Dass Hayek sein System schon selber nicht mehr voll überblickt hat zeigt sich auch daran, dass er einen identischen oder jedenfalls eng zusammenhängenden Sachverhalt so unterschiedlich darstellt, bzw. unterschiedliche Folgen erwartet (S. 49/50 vs. 63/64), wie ich sie im vorliegenden Kapitel näher aufgeschlüsselt habe.


Preissteigerungen: angebots- oder nachfrageseitige Erstursache?

Möglicher Weise kann man die Vorstellungen, die hinter den beiden im vorigen Kapitel dargestellten Szenarien Hayeks liegen, so interpretieren (und kompatibel machen):

1.    Das „Interventionsszenario“ mit der (zunächst nur: ) Kaufkraft-Abwertung könnte durch angebotsbedingte Preissteigerungen ausgelöst worden sein. Dann hätte z. B. die „Gier“ von Unternehmern und/oder Arbeitnehmern die Preise in die Höhe getrieben, ohne dass sich die Systemgeldmenge verändert hätte.

2.    Im „Marktszenario“ ist seine Darstellung eindeutig: Eine der Wettbewerbsbanken versucht, ihren Marktanteil auszuweiten und drückt daher (mit niedrigeren Zinsen oder auf andere Weise) mehr Kredite und damit mehr Geld in den Markt. Die Preissteigerung ist also durch die (bei zunächst unveränderten Wechselkursen) erhöhte Systemgeldmenge und die (bei unverändertem Sparverhalten) erhöhte Nachfrage bedingt.

Wenn allerdings in der Variante Ziff. 1 nicht eine erhöhte Geldmenge die Preissteigerung induziert hat, dann wäre die von Hayek erwartete Reduzierung der Geldmenge katastrophal. Die Annahme war ja, dass vor der Preissteigerung genau die richtige Systemgeldmenge im Markt war. Wenn jetzt die Firma „Goldgrube“ (und/oder deren Arbeitnehmer) durch Preiserhöhungen mehr vom volkswirtschaftlichen „Kuchen“ in ihre Taschen leiten, dann müssen ja bereits bei unveränderter Geldmenge die anderen ihre Preise senken, damit die Wirtschaft auf dem vorherigen Niveau weiterarbeiten kann (also die gleiche Menge an realwirtschaftlichen Geschäften abwickeln wie vorher).
Senkt die für diesen Sektor „zuständige“ Emissionsbank (d. h. diejenige, die ‚Goldgruben-Produkte‘ in ihrem Referenz-Warenkorb hat) die Geldmenge und sinkt dadurch die Systemgeldmenge, dann muss es zwangsläufig zur Deflation kommen. [Real wohl auch zur Depression; aber ich will hier Hayeks offensichtlicher Grundannahme folgen, dass die Preise flexibel reagieren würden.] Die verknappte Geldmenge hätte schon auf dem alten Preisniveau für die alte Transaktionsmenge nicht ausgereicht; nach einem teilweisen Preisanstieg, reicht sie erst recht nicht mehr.
Weil aber in Hayeks System die anderen Banken sofort nachziehen müssten, und sich dadurch die Geldmengenkontraktion potentieren würde, wäre ein wirtschaftlicher Zusammenbruch vorprogrammiert.

In der realen Welt würde sich für die Wirtschaftsteilnehmer und insbesondere die Banken also die Frage stellen, ob die Preissteigerungen angebots- oder nachfrageseitig bedingt waren. Als unmittelbare Signale des Marktes erscheinen sie wohl in jedem Falle nur über höhere Preise. Ob die „Gier“ die Geldmenge getrieben hat, oder das erhöhte Geldangebot die Gier, das wäre möglicher Weise schwierig festzustellen.


(Schein-)Probleme bei Leistungsstörungen und Ausscheiden von Emittenten aus dem Markt

Hier stellt Hayek Überlegungen an, die von der Sache her völlig unverständlich sind und die den (nicht zuletzt auch juristischen) Nutzen des Geldes, ein in sich selber ruhender Maßstab zu sein, komplett entwerten würden:
After the development of a widely preferred common standard of value the courts would in most cases have no difficulty in determining the approximate magnitude of the abstract value intended by the parties to a contract for the value of such and such an amount of a widely accepted unit of currency. If one currency in terms of the value of which a contract had been concluded seriously depreciated beyond a reasonable range of fluctuation, a court would not allow the parties to gain or lose from the malpractice of the third party that issued the currency. They would without difficulty be able to determine the amount of some other currency or currencies with which the debtor was entitled and obliged to discharge his obligation. (S. 128)

Nur in zwei Fällen kann ich eine Notwendigkeit erkennen, dass die Erfüllungs-Währung von den Gerichten festgelegt wird:
1) Bei außervertraglichen Zahlungspflichten. Dort würde die Frage der „richtigen“ Währung die Gerichte tatsächlich mit bisher unbekannten Problemen konfrontieren (und damit ebenfalls die Komplexität des Systems steigern). Diese Fallgestaltung erscheint, an anderer Stelle, auch bei Hayek: In non-contractual payments such as damages or compensations for torts, the courts would have to decide the currency in which they have to be paid, and might for this purpose have to develop new rules; but there should be no need for special legislation.” (S. 40)
2) Beim Verschwinden einer Währung; auch das hat Hayek angesprochen:
“If a private issuing bank ceased to operate and was unable to redeem its issue, this currency would presumably become valueless and the holders would have no enforceable claim for compensation. But the courts may decide that in such a case contracts between third parties in terms of that currency, concluded when there was reason to expect it to be stable, would have to be fulfilled in some other currency that came to the nearest presumed intention of the parties to the contract.” (S. 41)

Dass bei Kaufkraftänderungen die Gerichte berechtigt und verpflichtet sein sollten, eine andere Erfüllungswährung festzulegen als die in den Verträgen vereinbarte, wäre schön für die Gläubiger und potentiell eine Katastrophe für die Schuldner. Auf jeden Fall würde die bisherige Rechtssicherheit verschwinden; Schuldner könnten sich nicht mehr auf die Gültigkeit der Verträge verlassen, soweit es um die vereinbarten Währungen geht. Das kann ja wohl nicht sein. Hier zeigt sich aber nicht nur, mit welchen Risiken die Währungsnutzer in seinem System u. U. konfrontiert wären. Vielmehr tritt auch an dieser Stelle wieder Hayeks skandalöse Parteinahme für diejenigen zutage, die Geld (haben oder, hier) zu bekommen haben: Deren Interessen will er mit allen Mitteln schützen, und sei es auch um den Preis einer totalen Rechtsunsicherheit in diesem Bereich.

Ausgesprochen seltsam ist Hayeks Befürchtung, dass eine ihre Tätigkeit einstellende Emissionsbank „unable to redeem its issue“ sein könnte. Sein System sieht ja gerade keine Gold- oder Goldstandard-Währung vor (die er, wie oben gezeigt, zwar für besser hält als Regierungs-emittiertes Fiatgeld, aber für schlechter als sein Konkurrenzgeld). Auch ‚sein‘ Geld wäre typologisch Fiat-Geld (ungeachtet seiner definitorischen Verrenkungen S. 111). Fiat-Geld ist aber gerade dadurch definiert, dass es nichts einzulösen („redeem“) gibt. Wenn ich 100,- € bei der Bundesbank einreiche, dann bekomme ich allenfalls (sofern der alte beschädigt ist) einen neuen Geldschein. Wenn Kunde und die Bundesbank das vereinbaren, dann kann Sie den Gegenwert in einer fremden Währung auszahlen. Verpflichtet ist sie dazu jedoch nicht. Ich vermute stark, dass auch hier (vgl. analog oben zur Passage S. 105: „buy more ….. than the amount which other people have at the same time foregone to claim”) die Warengeld-Denke aus Hayeks Unterbewusstsein ihm die Vorstellung einer Einlösepflicht eingehaucht hat. Die dann vorliegend zu der Idee mutiert wäre, dass jede Emissionsbank imstande sein müsse (bzw. verpflichtet wäre), ihr Geld gegen eine andere Währung umzutauschen. Aber insoweit hatte er ja (wie schon oben in anderem Zusammenhang – kritisch - besprochen), lediglich eine anfängliche Umtauschpflicht vorgesehen: “Initially the issuing bank would of course be under a legal obligation to redeem its currency in terms of the other currencies against which it was at first issued.(S. 50/51).

Es sollte auch einleuchten, dass ein Umtausch der gesamten von einer Bank emittierten Geldmenge in andere Währungen nicht möglich ist und nicht vorgeschrieben werden kann.
Wenn neue Emittenten versuchen würden oder verpflichtet wären, auch denjenigen Teil der von ihnen emittierten Geldmenge in andere Währungen umzutauschen, der nicht durch Eintausch, sondern durch Kreditgewährung in den Markt gekommen ist, dann müssten sie sich im Ernstfalle diesen Teil der benötigten Fremdwährungen durch Ankauf an der ‚Devisenbörse‘ beschaffen. Sie müssten also eigenes Geld ‚drucken‘, um die für den Umtausch benötigte Fremdwährung anzukaufen. Aber wenn die Geldbesitzer diese Währung ohnehin loswerden wollen (indem sie sie beim Emittenten in andere Währungen eintauschen), dann würde auch am ‚Devisenmarkt‘ niemand die neue Währung mehr annehmen. (Schon gar nicht, wenn bekannt wird, dass die Neubank den Betrieb einstellen will.). Die Neubank könnte sich die für Umtauschforderungen (in der Art eines „bank runs“) benötigte Fremdwährung also faktisch gar nicht beschaffen. Weshalb es auch keine Tauschpflicht geben kann, oder diese nur auf dem Papier stünde, im Eintrittsfalle jedoch nicht realisierbar wäre. Aber solange ihr Geld an Markt akzeptiert wird, kann sie sich dieses nach Lust und Laune bzw. nach Bedarf jederzeit selber ‚drucken‘ – genau so, wie auch gegenwärtig jede ‚alte‘ Zentralbank. An anderer Stelle erkennt Hayek das sogar selber:
The outstanding notes and deposits of such a bank are not claims on it in terms of some other unit of value; it determines itself the value of the unit in terms of which it has debts and claims and keeps its books. This ….. is precisely what practically all central banks have been doing for nearly half a century - their notes were of course redeemable in precisely nothing.” – S. 50. )

Jedenfalls sollte eine „Einlösung“ der Neumark kein grundsätzliches Problem sein. Denn seinen Wert erhält dieses Geld ja durch die Unterlegung entweder mit Fremdwährung oder mit Krediten. (Zur mikroökonomischen Deckung von Geld bei der kreditären Geldschöpfung vgl. z. B. meinen Blott „Warum Fiatgeld notwendig ‚Schuldgeld‘ sein muss: Ein Kredit kommt niemals allein - sondern immer im Doppelpack!“)
Soweit sie via Währungstausch oder Kredit emittiert wurde (anders wäre es bei Willkürgeld!), kann die ‚Neumark‘ gar nicht wertlos werden. Denjenigen Teil ihrer Emission, den die Neubank nicht gegen eigene Fremdwährungsvorräte eintauschen kann, benötigen Marktteilnehmer zur Erfüllung von Verbindlichkeiten. Der (wie ich ihn nenne) „Erstgeldempfänger“, also derjenige, der als ‚ursprünglicher Kreditnehmer‘ das Geld sozusagen in Zusammenarbeit mit der Emissionsbank überhaupt erst in die Welt gebracht hat, muss seine Schulden später mit eben diesem Geld tilgen. Anders wäre es nur dann, wenn die Kreditnehmer kollabieren würden und ihre Schulden bei der Emissionsbank nicht tilgen könnten. Eine solche Situation kann aber nur bei einer großen Wirtschaftskrise eintreten – oder bei massiver Misswirtschaft seitens der Neubank (vorsätzliche oder fahrlässige Kreditvergabe an nicht kreditwürdige Schuldner).
An dieser Stelle zeigt sich, dass F. A. Hayek die Mechanismen und die Ratio der kreditären Geldschöpfung nicht vollständig verinnerlicht hat: Dass es nämlich gerade die Entstehung von Fiatgeld aus Kredit ist, welche diesem eine realwirtschaftliche Deckung gibt. Und gleichzeitig für eine fortdauernde Nachfrage nach diesem Geld sorgt, bis alle solventen „Erstgeldempfänger“ ihre Kredite getilgt haben.

Die 2. Hälfte der o. a. Passage über die Leistungspflicht in untergegangenen Währungen („But the courts …”) ist unproblematisch: Verträge, die vorher in einer später untergegangenen Währung abgeschlossen wurden, müssen natürlich (soweit die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben) auf eine noch existierende Währung (oder einen Währungskorb) umgestellt werden und das, wenn sich die Parteien nicht einigen können, selbstverständlich durch die Gerichtsbarkeit.


Anmerkungen zu weiteren Einzelpunkten

Mit seinen folgenden Überlegungen nimmt Hayeks hellseherisch das Debakel der Europäischen Währungsunion (EWU) und der Europäischen Zentralbank (EZB) vorweg. Obwohl sie nicht direkt zu meiner Thematik gehören habe ich sie zur Erheiterung derjenigen Leser hier eingestellt, die meine eurettungskritische Einstellung teilen:
“Though I strongly sympathise with the desire to complete the economic unification of Western Europe by completely freeing the flow of money between them, I have grave doubts about the desirability of doing so by creating a new European currency managed by any sort of supra-national authority. Quite apart from the extreme unlikelihood that the member countries would agree on the policy to be pursued in practice by a common monetary authority (and the practical inevitability of some countries getting a worse currency than they have now), it seems highly unlikely, even in the most favourable circumstances, that it would be administered better than the present national currencies. Moreover, in many respects a single international currency is not better but worse than a national currency if it is not better run. It would leave a country with a financially more sophisticated public not even the chance of escaping from the consequences of the crude prejudices governing the decisions of the others. The advantage of an international authority should be mainly to protect a member state from the harmful measures of others, not to force it to join in their follies.“ (S. 24)
„It would … be possible … to have a variety of essentially different monies. They could represent … different abstract units fluctuating in their value relatively to one another.“ (S. 32)
Und
The bank would … have to prevent such a rise in the value.” (S. 50, Anm. 1)
Und
„By referring to different kinds of money we have in mind units of different denomination whose relative values may fluctuate against one another.“ (S. 55/56)

Irritierend und dem Verständnis von Hayeks Text abträglich ist die Verwendung des identischen Begriffs „value“ für zwei völlig verschiedene Sachverhalte: Kurswert (in den vorliegenden Beispielen) und (in der Regel) Kaufkraftwert. Man muss sich also immer fragen, welchen „Wert“ er an der jeweiligen Stelle überhaupt meint.

With variable exchange rates ….. the inferior quality money would be valued at a lower rate“ (S. 42)
Diese Aussage steht in einem gewissen Widerspruch zu Hayeks sonstiger Annahme, dass die Emittenten von Währungen mit Anspruch auf höhere Qualität die Kaufkraftstabilisierung mit aktiver Wechselkurspolitik betreiben müssten. Nach dieser Passage würde der Markt das von selbst besorgen. Andererseits stellt sich hier die Frage, was bei Hayek überhaupt die tiefere Ursache einer „inferior quality“ sein soll. Letztlich wohl, dass die Kunden mit dieser Währung ‚zu viel einkaufen gehen‘ und ‚zu wenig davon unters Kopfkissen legen‘.
Nun lässt sich freilich „zu viel einkaufen“ objektiv nur als Relation von Systemgeldmenge zu Gesamtgütermenge bestimmen. Im Konkurrenzwährungssystem gibt es für die ‚richtige‘ Emissionsmenge der Einzelwährungen keine objektive Determinante; der limitierende Faktor wäre lediglich die (letztlich nicht rational begründbare) Akzeptanz der jeweiligen Währung bei den Wirtschaftssubjekten.
Hayek würde wohl entgegnen, dass in seiner Parallelwährungswelt die Bereitschaft der Banken zu einer kaufkraftstabilisierenden Geldmengenpolitik der objektiv bestimmende Faktor für die Wertschätzung einer Währung wäre. Insoweit ist es folgerichtig, wenn sich seine eigene Definition der jeweils optimalen Währungsmenge („The amount required of any currency will always be that which can be issued or kept in circulation without causing an increase or decrease of the aggregate (direct or indirect) price of the 'basket' of commodities supposed to remain constant“ - S. 89) lediglich auf das Preisniveau bezieht, nicht auf davon unabhängige ökonomische Daten (also insbesondere nicht auf irgendeine Gütermenge).
Denn hinter der bei ihm jeweils konkret erforderlichen Geldmengenpolitik steht eben kein realwirtschaftliches Kriterium (wie bei den Monopolwährungen die Relation Geldmenge zu Gütermenge plus ‚Kopfkissensparen‘), sondern letztlich nur das Gefühl (und das daraus resultierende Verhalten) der Nutzer, dass diese oder jene Währung irgendwie besser ist. Ein solches Gefühl kann man den Wirtschaftssubjekten auch durch massive Werbung (Propaganda) einimpfen, und genau die würden wir im Hayek-System erleben. Nutznießer des Hayek-Geldes wäre also auch die Werbebranche und damit ein weiterer unproduktiver Wirtschaftszweig (neben Spekulanten, Geldwechslern und Buchhaltern: Branchen, die es zwar alle schon gegenwärtig gibt, die aber bei ihm mächtig aufblühen würden).

“… Gresham's law will apply only to different kinds of money between which a fixed rate of exchange is enforced by Law” (S. 42)
Diese Annahme ist zu eng formuliert. Das Greshamsche Gesetz (grob: Verdrängung von gutem durch schlechtes Geld) würde auch dann wirksam werden, wenn die Wirtschaftssubjekte die zukünftige Wertentwicklung einer Währung schlechter einschätzen als die einer anderen. Sie würden dann die „gute“ Währung horten und für Zahlungen nach Möglichkeit die „schlechte“ verwenden. Das sagt Hayek sogar selber (S. 43): „With variable exchange rates, however, the inferior quality money would be valued at a lower rate and, particularly if it threatened to fall further in value, people would try to get rid of it as quickly as possible.“) Es spielen also nicht nur die gegenwärtigen Wertrelationen eine Rolle, sondern auch die Erwartungen der Marktteilnehmer über zukünftige Entwicklungen bei den Wechselkursen bzw. der Kaufkraft.

In dem bei Hayek unmittelbar anschließenden Satz (noch S. 42) „The selection process would go on towards whatever they regarded as the best sort of money among those issued by the various agencies, and it would rapidly drive out money found inconvenient or worthless” habe ich Probleme mit seiner Behauptung, dass das gute (wertstabile) Geld das schlechte „schnell“ verdrängen würde. Bei Hyperinflationen (die er als Beispiel anführt) ist das sicherlich der Fall. Bei der ‚normalen‘ schleichenden Geldentwertung jedoch nicht. Es ist ja eben nicht so, wie Hayek weitestgehend (freilich nicht immer) unterstellt, dass alle Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen an einem stabilen Geld interessiert wären. Denjenigen, die ihr Geld rasch wieder ausgeben (etwa Arbeitnehmern und Sozialleistungsempfängern) ist eine langsame Geldentwertung gleichgültig bei ihrer „Währungsentscheidung“ (wenn sie überhaupt die freie Wahl hätten!), weil sie nicht messbar davon betroffen sind. Und Schuldner haben natürlich ein lebhaftes Interesse daran, in der abgewerteten Währung zu bezahlen und würden (zu Recht) auf entsprechenden früheren Abmachungen bestehen.
Vor allem aber müssten die „Erstgeldempfänger“, die einen Kredit beim Geldemittenten aufgenommen haben, diesen in den ‚verschwindenden‘ Währung zurückzahlen. Die also noch längere Zeit umlaufen könnten und würden. (Die Tilgungspflicht begründet eben einen fundamentalen Unterschied zwischen dem heutigen Fiatgeld und dem zu Greshams Zeiten umlaufenden Warengeld!)

I would announce [für die Markteinführung einer neuen Konkurrenz-Währung] the issue of non-interest bearing certificates or notes [also von Banknoten], and the readiness to open current cheque accounts, in terms of a unit with a distinct registered trade name such as 'ducat'.(S. 46)
Ich denke nicht, dass die Banknoten einer neuen Währung einen größeren Absatz finden würden. Schon gar nicht, wenn die Käufer dafür einen Aufschlag bezahlen müssten. Denn Bargeld hält man in aller Regel ja nur, um es rasch wieder auszugeben. Und dass jemand für 110,- DM 100,- Neumark kaufen würde, um sich dann Waren im Wert von 100,- DM zu kaufen, ist wohl eher unwahrscheinlich.
Anders könnte es, rein theoretisch, bei den „cheque accounts“ aussehen, also bei den Depositen. Wenn das Publikum Aufwertungsphantasien bezüglich der Neumark hat (bzw. einen raschen Kaufkraftverfall der DM fürchtet), könnte ein Wechsel Sinn machen (wobei die Aufschläge ja auch nicht so hoch sein müssen, wie ich das hier im Beispiel angenommen habe). Allerdings würde ein rational agierender Investor nicht nur die zukünftig erwarteten Wertrelationen in den Blick nehmen, sondern auch die Verzinsung seiner Anlage. „Non-interest bearing” bezieht sich nur auf die Banknoten; bei den Depositen würden Investoren die Höhe der Habenzinsen von Alt- und Neu-Emittent vergleichen, und mit der erwarteten relativen Wertentwicklung zu einem Gesamtszenario von Gewinn- oder Verlusterwartungen verbinden.

I would announce at the same time my intention to regulate the quantity of the ducats so as to keep their (precisely defined) purchasing power as nearly as possible constant.” (S. 46)
Das kann, wie wir oben gesehen haben, schon rein logisch nicht funktionieren. Hayek stellt sich das, was nach seiner Meinung ALLE (erfolgreichen) Geldemittenten tun müssten und tun würden, ausschließlich für den Einzelfall vor. Wenn aber der einzelne Emittent seine Geldmenge reduziert, wertet er (tendenziell) seine Währung auf – und die anderen ab. Mit diesen Abwertungen würden aber die Güterpreise in den anderen Währungen steigen, so dass diese ihre Geldmenge ebenfalls zwecks Preisstabilisierung verknappen und somit aufwerten müssten. Womit dann die Wechselkursmanipulation des ‚first movers‘ wieder zunichte gemacht wäre. Hätte er sein Denkmodell auch auf die Reaktionen der anderen „Player“ erstreckt, wäre ihm die Undurchführbarkeit bewusst geworden.
Nimmt man gleichwohl an, dass alle Emittenten nach seinen Vorstellungen handeln, dann hätte die sozusagen im Gleichschritt erfolgende Geldmengenreduktion aller Währungen eine die Wirtschaftsaktivität erstickende Wirkung und die Preise müssten dramatisch einbrechen. Anders als bei den Wechselkursänderungen wären die Marktreaktionen jedoch nicht schnell genug, als dass die Banken sie kurzfristig nach ihren Wünschen manipulieren könnten. Die Wirkung (und damit die Handlungssignale für die Banken im Hayek-Modell) würde jeweils erst mit Verzögerung eintreten und könnte dann rasch in eine katastrophale Deflation einmünden.
(Und bei weitgehend „sticky prices“ wäre ohnehin eine Rezession oder Depression die zwangsläufige Folge einer auch nur relativen Geldmengenverknappung, d. h. einer stabilen Geldmenge und sektoralen Preisanstiegen.)

I would announce that I proposed from time to time to state the precise commodity equivalent in terms of which I intended to keep the value of the ducat constant, but that I reserved the right, after announcement, to alter the composition of the commodity standard as experience and the revealed preferences of the public suggested.” (S. 46)
Die Referenz-Warenkörbe können also in ihrer Zusammensetzung verändert werden.

“…it seems neither necessary nor desirable that the issuing bank legally commits itself to maintain the value of its unit …”. (S. 47)
Keine rechtliche (juristische) Verpflichtung zur Erhaltung der Wertstabilität.

“… the issuing bank … should in its loan contracts specify that any loan could be repaid either at the nominal figure in its own currency, or by corresponding amounts of any other currency or currencies sufficient to buy in the market the commodity equivalent which at the time of making the loan it had used as its standard.(S. 47)
Wie ich oben bereits gesagt hatte, verpflichtet sich die Emissionsbank mit einer solchen Regelung nicht dazu, für die Rückzahlung einen Kaufkraft-Wert zu akzeptieren, wie er bei Kreditabschluss bestand (also nicht zur Kaufkraft-Indexierung der Kreditforderung zu Gunsten des Kreditnehmers). Diese Klausel schützt den Kreditnehmer lediglich vor denjenigen Aufwertungen einer Währung, die durch Änderungen beim Referenz-Warenkorb eingetreten sind (vgl. den Folgesatz: „…intending borrowers might ….. be deterred by the ….. possibility of the bank arbitrarily raising the value of its currency“).

„….. the bank would have to issue its currency largely through lending …..(S.47).
Diese hier nur beiläufige Bemerkung Hayeks ist, wie wir bereits oben gesehen haben, sehr wichtig. Denn wenn der größte Teil der emittierten Geldmenge nicht durch Umtausch einer Alt-Währung erfolgen würde, dann hätte die Neubank die DM auch nicht im Tresor, könnte sie also nicht rücktauschen – wozu sie aber nach Hayeks Meinung zumindest anfänglich verpflichtet sein sollte.
Und die Systemgeldmenge (die verschiedenen Währungen unter Berücksichtigung der Umtausch- oder Kaufkraftkurse zu einer Geldmenge addiert) würde steigen, weil durch Kredite Geld geschöpft wird, während bei Umtausch lediglich eine am Markt bereits vorhandene Kaufkraft in einer anderen Währung denominiert wird. Letzteres kann bei Nationalwährungen zwar trotzdem zu einem riesigen Problem werden (denken wir an die gescheiterten Bemühungen der Schweizer Notenbank, den Franken wechselkursstabil zu halten); in Hayeks Modell einer vollständigen Währungskonkurrenz müssen wir einen bloßen Umtausch bereits geschöpfter Kaufkraft (Geld) aber zunächst einmal als neutral unterstellen.

Schließlich hätte die Neubank bei kreditärer Geldschöpfung auch keine Fremdwährungen im Tresor, gegen die sie nach Hayeks Meinung zumindest anfänglich zum Eintausch verpflichtet sein soll („Initially the issuing bank would ….. be under a legal obligation to redeem its currency in terms of the other currencies against which it was at first issued“ – S. 50: Das beißt sich mit der Vorstellung einer vorwiegend kreditären Geldschöpfung der Neuemittenten.).

These certificates or notes, and the equivalent book credits, would be made available to the public by short-term loans or sale against other currencies.” (S. 47)
Unter “book credits” sind hier offenbar Guthaben zu verstehen, die keineswegs zwangsläufig durch Kreditgewährung entstanden sind. Diese Guthaben können ebenso aus dem Eintausch von Fremdwährungen wie aus der Gewährung von - kurzfristigen - Krediten herrühren. (Wobei im letzteren Falle das Geld kaum auf den Konten der Kreditnehmer stünde – die es nur kurz bzw. bei Kontokorrentkrediten gar nicht dort lassen würden – sondern auf denen der Begünstigten, also der ‚Verkäufer‘.)
Die Kurzfristigkeit der Kredite wäre ein enormes Problem für die Realwirtschaft; in Hayeks Modell ist sie freilich unverzichtbar, damit die Emittenten Geldmenge rasch ändern können. (Ein Beispiel für die Schwierigkeiten, die sich aus einer „ptolemäischen Revolution“ des Geldsystems ergeben, das den Anforderungen der Realwirtschaft ziemlich gleichgültig gegenübersteht.)

These certificates or notes, and the equivalent book credits, would ….. presumably ….. sell from the outset at a premium above the value of anyone of the currencies in which they were redeemable. And, as these governmental currencies continued to depreciate in real terms, this premium would increase.(S. 47)
Die Pflicht des Neuemittenten, sein Geld jederzeit in die alte Währung zurückzutauschen (vgl. S. 50 „Initially … legal obligation …“) gilt juristisch zum ursprünglichen Kurswert. Bei Kursverfall der Altwährung wäre diese Rechtspflicht schon deshalb kein Problem, als niemand sie einfordern würde. Bei Kursanstieg würde es dagegen eng für die Neubank. Das gilt jedenfalls dann, wenn man eine Umtauschpflicht zum jeweiligen Kurswert unterstellt. Soll diese Eintauschpflicht dagegen nur beschränkt auf den ursprünglichen Wechselkurs gelten, dann träten Probleme auf, wenn dieser Kurs schon in der Anfangsphase geschwankt hätte. Es würde schwierig, zwischen Geld, das am 01.01. emittiert wurde und solchem vom 01.02. zu unterscheiden. Bei Bargeld könnte man das Datum aufdrucken (das aber nicht mit dem Ausgabetag am Schalter identisch wäre). Bei Buchgeld, das durch die Bankenwelt vagabundiert, wäre eine Feststellung des Emissionsdatums praktisch unmöglich.
Und soweit eine Datierung technisch möglich ist, hätten die umlaufenden Tranchen von ein und derselben Währung einen unterschiedlichen Wert. Was die Verhältnisse für die Nutzer weiter komplizieren würde und kaum akzeptanzfördernd wäre.

“… a bank could certainly maintain the value of its notes even though it could never buy back all the outstanding ones.(S. 49, Anm. 1)
Vom Einzelfall her gesehen mag das so sein. Weil aber in Hayeks System alle Banken gleichzeitig durch denselben Ausgang rennen, nämlich alle (mehr oder weniger) gleichzeitig gegeneinander aufwerten müssten, könnte in Wahrheit keine einzige der Emissionsbanken ihren Wechselkurs zu den Wettbewerbern so gestalten, dass die Güterpreise in ihrer eigenen Währung stabil wären.

A real difficulty could arise if a sudden large increase in the demand for such a stable currency, perhaps due to some acute economic crisis, had to be met by selling large amounts of it against other currencies. The bank would of course have to prevent such a rise in the value and could do so only by increasing its supply. But selling against other currencies would give it assets likely to depreciate in terms of its own currency. It probably could not increase its short-term lending very rapidly, even if it offered to lend at a very low rate of interest-even though in such a situation it would be safer to lend even at a small negative rate of interest than to sell against other currencies.(Anm. 1, S. 50/51)
Hayek schlägt hier vor, bei einer heftigen Nachfrage nach der neuen Währung diese nicht durch Verkauf gegen alte Währung zu emittieren (weil mit deren Abwertung gerechnet werden muss). Um aber dennoch eine Aufwertung zu verhindern, soll die Neubank durch Kreditvergabe, notfalls auch zu Negativzinsen, ihre Geldmenge am Markt steigern.
Dazu ist zunächst anzumerken, dass das Abwertungsrisiko der Fremdwährung bei jeder Geldemission durch Umtausch lauert, also die hier befürchteten Verluste auch schon bei der anfänglichen Emission drohen (und folglich ein Argument gegen eine solche wären).
Vor allem aber würde die von Hayek geforderte kreditäre Geldschöpfung die umlaufende Gesamt-Geldmenge massiv („large amounts“) ausweiten: Die umlaufenden Gelder der alten Währungen würden nominal vollumfänglich im Markt bleiben. Da die Geldmengenausweitung der Neubank im Kreditwege auch (jedenfalls zunächst und als solche) keine Auswirkungen auf die Kurse der Altwährungen hätte, bliebe ihre Menge auch real unverändert.
Und wenn es doch zum Kursverfall der Altwährungen am ‚Devisenmarkt‘ käme, müsste die Neubank selber auf eine Kursstabilisierung durch Aufwertung der Konkurrenz-Währungen hinarbeiten. (Weil die Kursänderungen ja nicht durch Kaufkraftänderungen bedingt wären, sondern lediglich durch veränderte Währungspräferenzen.)
[Übrigens sollte uns das „lend … at a … negative rate“ erschreckend bekannt vorkommen.]

It seems to me to be fairly certain that
(a) a money generally expected to preserve its purchasing power approximately constant would be in continuous demand so long as the people were free to use it,
(b) …..
(c) the issuing institution could achieve this result by regulating the quantity of its issue, and
(d) such a regulation of the quantity of each currency would constitute the best of all practicable methods of regulating the quantity of media of exchange for all possible purposes.(S. 52)

zu a) Das ist sehr die Frage, ob sich ein solches Geld wirklich allgemeiner Akzeptanz erfreuen würde. Wie ich oben bereits sagte, haben Kreditnehmer tendenziell eher kein Interesse an kaufkraftstabilem Geld. Aber letztlich entscheidet bei Einlegern und Kreditnehmern die Erwartung des ‚Endergebnisses‘. Das aber ergibt sich erst aus der Verbindung von Zinshöhe einerseits und Kaufkraftentwicklung andererseits. Die Unternehmen haben vor allem Interesse an einem Geld, das überhaupt (und zudem für die jeweils gewünschten Kreditfristen) verfügbar ist. Ansonsten würden die Wirtschaftssubjekte Gefahr laufen, Verpflichtungen in der jeweiligen Währung nicht erfüllen zu können. Wenn man bei einer Währung mit starken Schwankungen bei der Verfügbarkeit bzw. beim Preis (Kreditzinsen) rechnen muss, wird man sich eher nicht für diese entscheiden. Genau diese Schwankungs-Risiken sind im Hayek-System aber extrem hoch.

zu c) Nein; keiner der konkurrierenden Emittenten kann Preisstabilität erreichen, weil er (im mutmaßlich vorherrschenden tendenziellen Inflationsszenario) dafür seine Währung gegenüber den anderen aufwerten müsste. Die anderen müssten aber genau dasselbe tun – und das ist eine logische Unmöglichkeit. Allenfalls könnte es zu einer Senkung der Gesamtgeldmenge kommen und dadurch zur Dämpfung der Wirtschaftstätigkeit und in der Folge dann auch zu sinkenden Warenkorb-Preisen. Welche Verheerungen eine solche brachiale Geldpolitik allerdings in der Realwirtschaft anrichten würde: Das möchte ich mir (um Hayeks Äußerung zu Friedmans Vorschlag eines Limits für die Geldmengensteigerung zu variieren – „I would not like to see …“ S. 81) lieber nicht ausmalen!

zu d) Hier geht Hayek eindeutig davon aus, dass die unterschiedlichen Währungen sich ökonomisch wie eine Gesamt-Geldmenge auswirken (was sie in der Tat auch sind).

The appearance and increasing use of the new currencies would, of course, decrease the demand for the existing national ones and, unless their volume was rapidly reduced, would lead to their depreciation. (S. 53)
sowie aus dem Abschnitt „Preventing rapid depreciation of formerly exclusive currency“ (S. 121/122):
“… once the displacement of the hitherto exclusive currency by new currencies had commenced, it would be rapidly speeded up by an accelerating depreciation that would be practically impossible to stop by any of the ordinary methods of contracting the circulation. Neither the government nor the former central banks would possess the reserves of other currencies or·of gold to redeem all the old money the public would want to get rid of as soon as it could change from a rapidly depreciating currency to one it had reason to believe would remain stable.” (S. 122)

Eine solche Entwertung der bisherigen Währung ist in keinster Weise zwingend, und sie ist nicht einmal wahrscheinlich:
·         Soweit die Neubank ihre NM durch Umtausch (= Ankauf) von DM emittiert, wird sie diese im Tresor behalten, also aus dem Verkehr ziehen. Zum Ersten, weil sie lt. Hayek einer Rücktauschpflicht unterliegt. Zum Zweiten, weil ihre eigene Währung auf diese Weise gedeckt ist: Währungen, die durch Eintausch anderer (kreditgeschöpfter) Währungen an den Markt kommen, sind selber indirekt kreditgeschöpft. Und zum Dritten, weil die Neubank doch lt. Hayek einen Preisverfall ihres Referenz-Warenkorbs verhindern muss (dessen Preise, ebenfalls aus Hayeks Argumentation abzuleiten, wahrscheinlich mindestens teilweise in der alten Währung notiert wären). Folglich müsste die Neubank selber die andere Währung durch Stützungskäufe aufwerten, wenn diese zu stark fällt.
·         Die System-Geldmenge bleibt bei Währungsemission durch Umtausch unverändert (solange sich die Wechselkurse nicht ändern; sonst bliebe sie nur nominal, aber nicht real gleich).
·         Soweit die Neubank ihre NM durch Kreditgewährung herausgibt, wäre in einem ersten Szenario zu erwarten, dass die Kreditnachfrage nach DM entsprechend schrumpft: „increasing use of the new currencies” suggeriert, dass sich die Kreditnachfrage lediglich von der DM auf die NM verlagern würde.
·         Schließlich bleibt, was Hayek offenbar komplett übersehen hat, die Nachfrage nach der alten Währung auch deshalb erhalten, weil diese kreditär in Umlauf gebracht wurde. Spätestens zum Tilgungszeitpunkt benötigen die ‚Erstgeldempfänger‘ (Kreditnehmer) diese Währung, um ihre Verbindlichkeiten begleichen zu können. [Sozusagen ein „automatic stabilizer“ für die Altwährung. J]

Nicht von vornherein auszuschließen ist allerdings, dass die Kreditsuchenden insgesamt mehr Kredite aufnehmen würden, z. B. an DM unverändert im alten Umfang und jetzt darüber hinaus weitere in Neumark. Oder sie würden die Kreditaufnahmen in DM zwar zurückfahren, aber nicht im selben Ausmaß wie sie NM-Kredite aufnehmen. Das hätte (solange die Über-Emission nicht durch Wechselkursänderungen neutralisiert würde, sich also die reale Systemgeldmenge vermindern würde) Inflation zur Folge, aber jedenfalls keinen Nachfrageeinbruch nach der alten Währung.
Objektiver Verursacher der Inflation wäre derjenige Emittent, der die Geldmenge über das bisherige Niveau hinaus steigert; vorliegend also die Neubank. Das würde freilich noch nicht bedeuten, dass nur in Neumark notierte Güter im Preis steigen könnten; wahrscheinlich würde das gesamte Preisniveau ansteigen (die Einzelpreise natürlich unterschiedlich). Auf S. 89 scheint mir Hayek genau dasselbe zu sagen: “… the user of a stable currency cannot escape the effects of the distortion of the price structure by the inflation (or deflation) of a widely used competing currency.” Das steht allerdings im Widerspruch zu seiner grundlegenden Annahme, wonach jeder Währungsemittent die Kaufkraft seiner Währung – durch Wechselkursmanipulation - unabhängig von den anderen regulieren kann.
Nicht ausschließen kann ich, dass unterschiedliche Sparneigungen der jeweiligen Währungsnutzer zu einem unterschiedlich hohen Kaufkraftverlust führen würden. Aber derartige Verästelungen vermag ich nicht mehr zu überschauen. Ohnehin wäre es nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast Aufgabe der Befürworter von Konkurrenzwährungen, die vermeintliche Überlegenheit ihres Systems durch Aufzeigen von plausiblen Szenarien nachzuweisen.

The papers would probably print a table daily, not only of the current rates of exchange between the currencies but also of the current value(S. 53/54)
Diese Bemerkung zeigt, dass Hayek Differenzen in den Relationen von Wechselkurs und Kaufkraft („value“) für möglich hält und solche erwartet.

Nothing would be more feared by the bankers than to see the quotation of their currency in heavy type to indicate that the real value had fallen below the standard of tolerance set by the paper publishing the table.(S. 54)
Das mag schon sein. Aber, wie gesagt: Durch Wechselkursmanipulationen kann sich zwar eine einzelne Bank diesem Kaufkraftverfall ihrer Währung entziehen. Aber das nur so lange, wie die anderen nicht dasselbe versuchen. Dann ist Schluss mit lustig, weil nicht alle gleichzeitig durch denselben Notausgang rennen können. Oder es kommt zum Zusammenbruch der Realwirtschaft, weil alle gleichzeitig ihre Geldmengen verknappt haben. Die Preise würden dann wohl tatsächlich fallen; aber erfreulich wäre dieses Ergebnis für die Wenigsten.

I have always found it useful to explain to students that it has been rather a misfortune that we describe money by a noun, and that it would be more helpful for the explanation of monetary phenomena if ‘money' were an adjective describing a property which different things could possess to varying degrees. 'Currency' is, for this reason, more appropriate, since objects can 'have currency' to varying degrees and through different regions or sectors of the population.(S. 56)
Das ist zweifellos richtig, und auf jeden Fall erklärt er an dieser Stelle, warum er lieber den Begriff „currency“ verwendet als das Wort „money“ (s. a. S. 58).

Unter dem Zwischentitel “Pseudo-exactness, statistical measurement, and scientific truth” macht Hayek hier einige Bemerkungen, die zwar zu meiner Analyse seiner Überlegungen allenfalls einen entfernten Bezug haben, jedoch zu wichtig sind, um sie mit Stillschweigen zu übergehen:
Here we encounter a difficulty we frequently meet in our efforts to explain the ill-defined phenomena of economic life. In order to simplify our exposition of what are very complex interconnections that otherwise would become difficult to follow, we introduce sharp distinctions where in real life different attributes of the objects shade into each other. A similar situation arises where we try to draw sharp distinctions between such objects as commodities and services, consumers' goods and capital goods, durable and perishable, reproducible and non-reproducible, specific and versatile, or substitutable and non-substitutable goods. All are very important distinctions but they can become very misleading if, in the popular striving for pseudo-exactness, we treat these classes as measurable quantities. This involves a simplification which is perhaps sometimes necessary but always dangerous and has led to many errors in economics. Though the differences are significant, this does not mean we can neatly and unambiguously divide these things into two, or any other number of, distinct classes. We often do, and perhaps often must talk as if this division were true, but the usage can be very deceptive and produce wholly erroneous conclusions. (S. 57)
Und ergänzend in der Anm. 1 (S. 57):
It is a practice particularly congenial to statisticians, the applicability of whose techniques frequently depends on using it. Though the popular tendency in economics to accept only statistically testable theories has given us some useful gross approximations to the truth, such as the quantity theory of the value of money, they have acquired a quite undeserved reputation. The idea discussed in the text makes most quantitative formulations of economic theory inadequate in practice. To introduce sharp distinctions which do not exist in the real world in order to make a subject susceptible to mathematical treatment is not to make it more scientific but rather less so.

In dieser Passage scheint er die Geldmengentheorie als Bewertungselement für sein Geldschöpfungssystem abzulehnen. Und sicher hat er Recht damit, dass es unmöglich sein dürfte, auf mathematischem Wege die (Un-)Richtigkeit seiner Überlegungen zu beweisen. Aber so viel lässt sich aus der Geldmengentheorie doch auch für die Hayek-Welt ableiten, dass (bei unverändertem Hortungsverhalten) Geldmengensteigerungen grundsätzlich auch Preissteigerungen zur Folge haben (wenn die preistreibenden Elemente von der Nachfrageseite kommen – also die Kunden und/oder der Staat mehr kaufen) oder mit diesen parallel gehen (wenn die Geldmengenausweitung eine Folge von angebotsseitigen Kostensteigerungen ist – also z. B. bei über die Produktivitätssteigerung hinausgehenden Lohnsteigerungen).


We must not, of course, assume that people will at once act rationally in a new situation.(S. 66)
Unter „rational“ versteht Hayek offenbar, dass sich die Menschen sofort von der bisherigen staatlichen Währung ab- und neuen Privatwährungen zuwenden sollen. Tatsächlich wäre das jedoch hochgradig irrational, weil sie weder die längerfristigen Auswirkungen eines Wechsels abschätzen könnten noch wüssten, ob der Anbieter ihre Erwartungen erfüllen kann und will. Tatsächlich wäre das neue System für seinen Start sogar darauf angewiesen, dass es irrationale „Trendkäufer“ gäbe, sie sich sozusagen ‚ins kalte Wasser stürzen‘ und allein durch den Medien- und Werbehype zu einem Wechsel bewegen lassen würden. Und weil es anfänglich mangels Erfahrungswerten keinerlei Rationalitätskriterien für die Beurteilung neuer Währungsanbieter gibt, ist auch seine Behauptung sinnlos, dass
“… people would soon discover what rational consideration could have told them at once.” (S. 66/67)

All holders of cash, that is, everybody, would prefer an appreciating currency …(S. 68)
Solange die Geldentwertung sich im Rahmen hält ist es den allermeisten Bargeldbesitzern herzlich gleichgültig, wie sich ihre Währung entwickelt. Die große Mehrheit gibt ihr Geld rasch wieder aus; von einer aufwertenden Währung haben lediglich Sparer einen Nutzen. Nur eine galoppierende Inflation wollen auch diejenigen nicht haben, die ‚von der Hand in den Mund leben‘: Sozialleistungsempfänger und große Teile der Arbeitnehmerschaft.

“… though they would all in the short run either lose or gain from changes in the value of the currency on their borrowing or lending business, they would probably all soon discover that these losses or gains were merely temporary and tended to disappear as soon as interest rates adapted themselves to expected price movements.(S. 68)
Das ist eine extrem realitätsferne Sicht auf das menschliche Verhalten. Das sucht immer kurzfristig seinen Vorteil; die Vertröstung ‚heute hast du als Kreditnehmer hohe Zinsen gezahlt; vielleicht sparst du morgen Geld und bekommst dann auch gute Habenzinsen‘ wird kaum jemanden überzeugen.
Ohnehin ist nicht jeder heute Schuldner und morgen Geldbesitzer; Hayeks System ist eindeutig auf die Interessen der Reichen zugeschnitten, während die Armen mit hohen Kreditzinsen gerupft und mit reißerischen Versprechungen sediert werden. [Bei den vulgärösterreichischen Phantasiegeldsystemen unserer Tage ist das noch weit ausgeprägter der Fall. Nicht, dass ich hinter denen zynische Propagandastrategien vermute: Teils ergibt sich das so, und teils ist dort einfach blanke Dummheit am Werke.]
Und schließlich passen sich die Zinsen mitnichten „von selber an erwartete Preisänderungen an“; vielmehr sollen nach seinen eigenen Vorstellungen die Banken ja täglich und stündlich daran herumschrauben, sobald der Zielkorridor der Richtpreise verlassen ist. (Und wohl schon vorher: „The dealings of an issue bank in other currencies would ….. never be a purely mechanical affair“ – S. 65/66.)

“Monetary management cannot aim at a particular predetermined volume of circulation, not even in the case of a territorial monopolist of issue, and still less in the case of competing issues, but only at finding out what quantity will keep prices constant. No authority can beforehand ascertain, and only the market can discover, the 'optimal quantity of money'. It can be provided only by selling and buying at a fixed price the collection of commodities the aggregate price of which we wish to keep stable.” (S. 81)
Zu Hayeks Gunsten will ich annehmen, dass er den letzten Satz falsch formuliert hat. Denn nach dem ganzen sonstigen Text sollen die Banken die Preise ja nicht als Rohstoffhändler manipulieren, sondern über Wechselkursmanipulationen und Geldmengenänderungen.
Gemeint ist also mit „it can be provided“ wohl nicht die Preisstabilität selber (bzw., streng grammatikalisch genommen, die optimale Geldmenge), sondern die Marktinformation darüber. Der Satz meint also wohl: ‚Nur wenn der Preis des Rohstoffkorbes unverändert geblieben ist, war genau die richtige Geldmenge am Markt.‘

Im Übrigen ist der Absatz eine Binsenweisheit. Allerdings besagt er auch, abstrakt formuliert, dass man immer erst im Nachhinein erkennen kann, ob die Geldmenge richtig bemessen war oder nicht. Und somit die Emissionsbanken, die in ihrer Geldmengenpolitik ja auf Korbpreisänderungen reagieren sollen, der Entwicklung zwangsläufig immer hinterher hinken.
Seine Formulierung „finding out what quantity will keep prices constant” müsste also richtig lauten: “… has kept prices constant”. Was natürlich bedeutet, dass private Emissionsbanken vor derselben Unsicherheit stehen wie die gegenwärtigen Zentralbanken.

Nur haben die Zentralbanken den Vorteil, dass sie die Geldmenge einheitlich steuern und ihnen (in einer geschlossenen Volkswirtschaft) keine anderen Akteure ins Handwerk pfuschen (bei der Schöpfung von BASISgeld). Genaue Entwicklungen kann niemand vorhersehen; aber für eine einzige allein zuständige Stelle sind die zukünftigen Entwicklungen (einschließlich der Schöpfung von Bankengeld) leichter abschätzbar und steuerbar als für einen Haufen, bei dem ggf. alle gegen alle agieren, und gegenseitig ihre die Aktionen neutralisieren oder verstärken und damit ihre Ziele zunichte machen oder katastrophal potenzieren würden.
Genau wie das jetzt die Zentralbanken machen, sollen auch Hayeks Emissionsbanken proaktiv handeln; allerdings nicht in der Vorausschau von Güterpreisen, sondern von Wechselkursen: „… it would require a good deal of judgement effectively to defend the short-run stability of one's own currency, and the business will have to be guided in some measure by prediction of the future development of the value of other currencies.(S. 66). Nur hätten es die Emissionsbanken, anders als eine Zentralbank, mit mehreren ‚Playern‘ zu tun. Das steigert nicht nur die Komplexität: Weil sich alle gegenseitig ins Handwerk pfuschen könnten (und würden), könnte der einzelne Emittent letztlich überhaupt nichts mehr verlässlich (d. h. mit berechenbarem Effekt) steuern.

Different people or enterprises will evidently be interested in the prices of different commodities. And the aggregate prices of different collections of commodities would of course move differently. (S. 74)
Diese Aussage kann ich nicht nachvollziehen. Denn schließlich prognostiziert Hayek an anderer Stelle eine Preisstabilität für sein System insgesamt: „Neither a general increase nor a general decrease of prices appears to be possible in normal circumstances so long as several issuers of different currencies are allowed freely to compete without the interference of government.” (S. 95; zum vollständigen Absatz unten mehr.) Und sein ganzer Vorschlag zur Einführung eines neuen Geldsystem beruht ja auf seiner Erwartung, das dieses das gesamte Preisniveau stabiler halten würde als das gegenwärtige (zu seiner Zeit).

„… what would happen if … most members of a community wished to keep a much larger proportion of their assets in a highly liquid form than they did before. Would this not justify, and even require, that the value of the most liquid assets, that is, of all money, should rise compared with that of commodities? The answer is that such needs of all individuals could be met not only by increasing the value of the existing liquid assets, money, but also by increasing the amounts they can hold. The wish of each individual to have a larger share of his resources in a very liquid form can be taken care of by additions to the total stock of money.“ (S. 89)
Und
“To provide a medium of exchange for people who want to hold it until they wish to buy an equivalent for what they have supplied to others is a useful service like producing any other good. If an increase in the demand for such cash balances is met by an increase of the quantity of money ….., it does not disturb the correspondence between demand and supply of all other commodities or services.” (S. 104/105)

Was er hier diskutiert, ist in meinen Augen eine brandheiße Kiste.
Hayek beschreibt eine Situation, wo die Wirtschaftssubjekte mehr Geld zu sparen wünschen. Diesem Wunsch könne auf zwei unterschiedlichen Wegen Rechnung getragen werden:
·         Durch Aufwertung des Geldes, realwirtschaftlich also durch eine Deflation. Da er diese an anderer Stelle ebenso ablehnt wie Inflation, muss man ihn auch hier (obwohl er es zumindest in der Passage S. 89 nicht ausdrücklich sagt) so verstehen, dass er (vielleicht ein Zugeständnis an die keynesianische Sicht der Zusammenhänge zwischen Geldwesen und Realwirtschaft? Vgl. z. B. Keynes, GT S. 210 bzw. hier: "AN act of individual saving means — so to speak — a decision not to have dinner to-day. But it does not necessitate a decision to have dinner or to buy a pair of boots a week hence or a year hence or to consume any specified thing at any specified date. Thus it depresses the business of preparing to-day’s dinner without stimulating the business of making ready for some future act of consumption. It is not a substitution of future consumption-demand for present consumption-demand, — it is a net diminution of such demand.") die Alternative befürwortet, nämlich
·         eine Ausweitung der Geldmenge. 

Wenn ich seine Überlegungen richtig verstehe, dann lassen sie sich zu der Aussage zusammenfassen:
Eine Steigerung der Geldmenge ist insoweit unschädlich, als sie lediglich den (temporären) Entzug von Geld aus dem Wirtschaftskreislauf kompensiert.
Und aus dem „useful service“ sowie aus anderen Stellen im Buch (‚keine Deflation‘) darf man m. E. ergänzen, dass (auch) Hayek einen Ersatz dieser dem Wirtschaftskreislauf entzogenen Geldmengen für erforderlich hält.
Allerdings ist er auf dem falschen Dampfer, wenn er sich das so vorstellt, dass das zusätzlich geschöpfte Geld den Sparern zugute kommen müsse oder würde („increasing the amounts they can hold“ und „provide a medium of exchange for people who want to hold it“).

Im Modell würde das Ganze ja so aussehen:
Der Unternehmer Dagobert D. hatte seine nach eigenem Konsum verbleibenden Gewinne bisher reinvestiert. Doch ab sofort hört er damit auf und stapelt das Geld im Tresor (oder trägt es auf die Bank). Dieses Geld fehlt nicht ihm (die ihm zufließenden Beträge bleiben unverändert), sondern der Wirtschaft. Das Geld ist durch einen Kredit ‚in die Welt gekommen‘, somit benötigt es der „Erstgeldempfänger“ (Kreditnehmer) benötigt eines Tages wieder, um seine Schulden zu tilgen.
Würde man die Dinge einfach laufen lassen, würden die Kreditnehmer insolvent und die Wirtschaft würde zusammenbrechen (vgl. die Great Depression 1929 ff., deren unmittelbare Ursache eine Geldmengenkontraktion war. (Ob ‚Unterkonsum‘ oder ‚Überakkumulation‘ die tieferen Ursachen waren, wie einige vermuten und auch ich für möglich halte, spielt hier keine Rolle). Letztlich würden auch die Bankeinleger ihr Geld verlieren, weil die Banken es verliehen haben und von den Kreditnehmern nicht mehr zurück bekommen.
Um diese Folgen zu verhindern, müssen die Währungsemittenten (bei Monopol- wie bei Parallelwährungen gleichermaßen) dem Wirtschaftskreislauf also gewissermaßen ‚frisches Blut‘ injizieren. Das bedeutet freilich, dass sie mehr Kredite vergeben müssen. Von denen Dagobert D. (wenn auch dieses Geld bei ihm landet) aber möglicher Weise erneut einen Teil bunkert. Die Kredite wären also zunehmend „Ponzi-finanziert“, Zins und Tilgung könnten nicht mehr aus regulären Einnahmen der Kreditnehmer bezahlt werden, sondern nur noch aus immer wieder neuen (und noch höheren) Krediten. Die Bonität der Schuldner würde also in der Summe (wie auch immer sich das im Einzelfall äußern mag) ständig schlechter.
Als „brandheiße Kiste“ bezeichne ich diese Problematik deshalb, weil wir heute m. E. in genau dieser Situation stehen (die Keynes im Kap. 24 seiner „General Theory …“ bereits prognostiziert hatte). Den ganzen Problemkomplex habe ich bereits oben erörtert und muss ihn hier nicht weiter vertiefen.

The benefit of a stable course of the economic activities which, we shall argue, the use of a stable money would produce, would ….. be achieved only if the great majority of transactions were effected in stable currencies. Such a displacement of most bad money by good would, I believe, come about fairly soon, but occasional disturbances of the whole price structure and in consequence of general economic activity cannot be wholly excluded until the public has learnt rapidly to reject tempting offers of cheap money. (S. 89)
Diese Passage zeigt, dass Hayek von (nach eventuellen Anfangsturbulenzen) einer mehr oder weniger universellen (und relativ schnellen) Verbreitung der guten Währungen und einer Verdrängung der aus seiner Sicht schlechten ausgeht. Soweit er in seinem Text Szenarien mit einem dauerhaften Fortbestand „schlechter“ Währungen entwickelt, um bestimmte Sachverhalte zu beweisen, ist das unglaubwürdig und steht im Widerspruch zu seinen sonstigen Annahmen. Es wäre ja auch sinnlos, ein System einzufordern, von dessen benevolenter Wirkung er nicht einmal selber voll überzeugt wäre.

Neither a general increase nor a general decrease of prices appears to be possible in normal circumstances so long as several issuers of different currencies are allowed freely to compete without the interference of government. There will always be one or more issuers who find it to their advantage to regulate the supply of their currency so as to keep its value constant in step with the aggregate price of a bundle of widely used commodities. This would soon force any less provident issuers of competing currencies to put a stop to a slide in the value of their currency in either direction if they did not wish to lose the issue business altogether or to find the value of their currency falling to zero. (S. 95; das hier in Majuskeln gesetzte “general” ist im Originaltext durch Kursivschrift hervorgehoben.)
Diese Passage belegt, dass Hayek als Ergebnis seines Geldsystems eine Stabilität des Gesamtpreisniveaus erwartet (während relative Preisschwankungen weiterhin möglich sein sollen). Zwangsläufig damit verbunden wäre eine Stabilität der Wechselkurse.
Das ist zwar nur folgerichtig, denn ansonsten wäre sein ganzes Modellbasteln sinnfrei. Aber weil er in einzelnen Zusammenhängen auch andere Möglichkeiten durchspielt (abwertende und aufwertende Währungen) ist der Nachweis wichtig, dass Hayek im Grunde (nachdem sich das System eingespielt hat) von einem stabilen Gesamtpreisniveau und stabilen Umtauschkursen ausgeht.

In dem vollständigen 2. Absatz (das obige Zitat ist lediglich ein Auszug) geht Hayek nach meinem Verständnis mit Friedman (ohne diesen zu erwähnen) darin einig, dass Preisänderungen immer eine Folge von Geldmengenänderungen sind. [Auf S. 98 unten benennt er natürliche Knappheit als Ausnahme.] Es gebe keine ‚cost-push‘-Inflation. („…in the strict sense, there is simply no such a thing as a 'cost-push' inflation” – S. 95.)
Das ist keine hinreichend präzise Aussage über den zugrunde liegenden Sachverhalt, wie er ihn beschreibt. Kausal für (z. B.) Lohnerhöhungen ist nie eine Geldmengenänderung. Oder anders gesagt: Eine Geldmengenänderung schlägt sich nie unmittelbar in Lohnerhöhungen nieder. Sondern Lohnerhöhungen haben (nach Hayek, und wohl auch zutreffend) einen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus zur Folge, weil „die Regierung“ [tatsächlich das zweistufige Bankensystem; die Zentralbank/“Regierung“ - muss dabei nur dann mitwirken, wenn die Geschäftsbanken zur Geldmengenausweitung zusätzliches Basisgeld benötigen] die Geldmenge nach oben hin anpasst.
Eine kausale Beschreibung wäre die Annahme, dass es die ERWARTUNG einer Geldmengenausweitung (quasi eines „Bailouts“) ist, welche die Gewerkschaften sowohl ermutigt als auch es ihnen ermöglicht, überhöhte Lohnforderungen zu stellen.
Oder (enger an Hayeks Aussage angelehnt): Sektorale Preissteigerungen (z. B. durch Lohnsteigerungen induziert) haben nur deshalb nicht die (für Preisstabilität erforderlichen) kompensierenden Preissenkungen in anderen Bereichen zur Folge, weil die Geldmenge entsprechend angepasst wird.

Trotzdem bleibt bei der Ursachenforschung zwischen angebots- und nachfrageinduzierter Inflation zu unterscheiden. Nicht zuletzt hinsichtlich der notwendigen Stabilisierungsmaßnahmen ist etwas anderes, ob Lohnsteigerungen oder eine Übernachfrage (aufgrund zu lockeren Kredits) zu Preissteigerungen führt (z. B. bei Immobilien). Im ersten Falle würde es ausreichen, die Geldmenge stabil zu halten, um andere Anbieter zu Preissenkungen zu zwingen.* Die Geldmenge dürfte dann, bei Strafe einer Deflation, auch gar nicht gesenkt werden, weil sie vorher ja genau richtig war. (Nur) bei einer geldmengeninduzierten Inflation müsste (und dürfte) die Geldmenge gesenkt werden.
*[Einschub: Diese Schlussfolgerungen bewegen sich in Hayeks Modellrahmen. Tatsächlich könnte die Realwirtschaft bei starrer Geldmenge und sektoraler Preiserhöhung auch mit einem sinkenden Güterangebot reagieren (z. B. durch insolvenzbedingtes Ausscheiden von Marktanbietern). Dann könnte es passieren, dass die Einzelpreise selbst bei unveränderter Geldmenge steigen. Stabil bliebe in diesem Falle lediglich das, was man vielleicht als ‚Güterpreismenge‘ (Einzelpreise mal gesamter Güterumsatz) bezeichnen könnte. Wir hätten dann also Inflation inmitten einer Depression. Das ist freilich eine abstrakte Überlegung; ob es so etwas real jemals gegeben hat, weiß ich nicht. Andererseits hatten wir bisher ja auch noch nie ein Konkurrenzwährungssystem nach Hayeks Vorstellungen.].

Die folgende Passage von S. 95/96
If government did not increase the quantity of money such a rise in the wages of a group of workers would not lead to a rise in the general price level but simply to a reduction in sales and therefore to unemployment. It is, however, worth considering … what would happen if a cartel or other monopolistic organisation, such as a trade union, did succeed in substantially raising the price of an important raw material or the wages of a large group of workers, fixing them in terms of a currency which the issuer endeavours to keep stable. In such circumstances the stability of the price level in terms of this currency could be achieved only by the reduction of a number of other prices. If people have to pay a larger amount of money for the oil or the books and printed papers they consume, they will have to consume less of some other things
inspiriert mich zu folgenden alternativen Szenarien, welche die Auswirkung von Preissteigerungen näher beleuchten. (Dabei lasse ich den die Problematik noch verschärfenden Sachverhalt der „Haftungsgemeinschaft“ der „Korbgenossen“, der in Hayeks Modell eintreten würde – s. o. – außen vor):
Wir denken uns eine Wirtschaft von 6 Personen. Einer ist Bauer, die anderen heißen Otto Normalverbraucher (oder „Produzent“) und produzieren andere Güter.
1.    Ausgangskosten Otto Normalverbraucher: Automobil 100,- GE; Bekleidung 100,- GE; Lebensmittel 100,- GE, Wohnen 200,- GE. Summe = 500,- GE

2.    Änderung: Preisverdoppelung bei den Lebensmitteln (wg. Knappheit); Einkommen der Bauern verdoppeln sich. Dann gibt es im Modell zwei Alternativen:
a.    Otto pfiff bereits vorher finanziell auf dem letzten Loch; dann muss er seine Ausgaben umschichten, also bei anderen Positionen sparen. Z. B.: Automobil 50,- GE; Bekleidung 50, GE; Lebensmittel 200,- GE; Wohnen 200,- GE = Summe unverändert 500,- GE wie im Ausgangsszenario. (Die Geldmenge bleibt unverändert.)
b.    Otto kann seine Ausgaben steigern; dann neues Ausgabentableau: Automobil 100,- GE; Bekleidung 100,- GE; Lebensmittel 200,- GE; Wohnen 200, GE = Summe 600 GE. (Ob sich die Geldmenge ändern muss hängt davon ab, ob er die Ausgabensteigerung aus Mitteln finanziert, die er früher sparen konnte oder aber aus Lohnerhöhungen bzw., als Unternehmer, aus eigenen Preiserhöhungen.)

Geht man von unelastischen Produktionsverhältnissen aus (bei denen höhere Nachfrage nicht durch Produktionssteigerungen aufgefangen werden kann), dann ergibt sich:

·         Das Zurückstecken der Produzenten in 2a) läuft darauf hinaus, dass nunmehr der Bauer 500,- GE mehr an Kaufkraft zur Verfügung hat. Die kann er ohne inflationäre Folgen in jenen Bereichen ausüben, wo die Produzenten ihre Ausgaben reduziert haben. Das heißt er kann sich für 250,- GE mehr an Bekleidung kaufen hat 250,- GE mehr für Ausgaben rund ums Auto zur Verfügung. Man kann diesen Sachverhalt aber auch moralisch-kritisch bewerten und würde ihn dann z. B. so formulieren: Der Bauer fährt eine fette Beute von 500,- GE in seiner Scheuer ein.

·         Denkbar ist aber auch, dass der Bauer seine nunmehr zusätzlichen 500,- GE gar nicht ausgeben, sondern sparen möchte. Dann müsste, um die Auslastung der Wirtschaft aufrecht zu erhalten, diese Mehr-Ersparnis in Gestalt von Krediten an die Produzenten transferiert werden:
a.    Beim „Transfersparen“ (s. o.) müsste das durch Sekundärkredite geschehen (unveränderte Geldmenge).
b.    Beim „Kopfkissensparen“ (s. o.) müsste sogar nach Hayeks eigenen Vorstellungen die Mehr-Ersparnis durch eine Steigerung der Geldmenge ausgeglichen werden. D. h. den Produzenten müsste ebenfalls im Kreditwege (jedoch durch geldschöpfende Primärkredite) ermöglicht werden, die höheren Lebensmittelkosten zu bezahlen, ohne ihren sonstigen Konsum einzuschränken.

[Einschub: In beiden Fällen wäre die vollumfängliche Aufrechterhaltung der Produktion auf Pump ein Sachverhalt, wie ihn Colin Crouch als „Privatised Keynesianism“ beschrieben hat. (Aufgrund der zwangsläufigen Bonitätsverschlechterung der Kreditnehmer eine höchst problematische Sache, wie sich etwa beim US-Immobiliencrash gezeigt hat!)]

·         Das Szenario 2b) scheint auf Preissteigerungen hinauszulaufen (sofern man, wie wir das hier tun wollen, auch für den Bauern die volle Ausgabe der Mehreinnahme postuliert); von einer inflationären Wirkung geht auch Hayek aus ( „… have to consume less of … other things“ – S. 96). Doch ist ein solches Ergebnis keineswegs zwingend. Entscheidend ist, ob die Produzenten ihre Ausgabensteigerungen (um insgesamt 500,- GE) aus Mitteln finanzieren, die sie vorher gespart haben, oder aber aus eigenen Lohn- bzw. Preiserhöhungen.

a.      Wenn sie ihre Sparquote reduzieren, dann sollte das im Prinzip die Kreditmenge reduzieren und damit letztlich auf andere Nachfrager (Konsumenten oder Investoren) durchschlagen. Bei dieser Variante wäre Hayeks Annahme letztlich gültig, wonach bei unveränderter Geldmenge die Mehreinnahme des einen durch Ausgabeverzicht eines anderen kompensiert werden muss. Nur dass es u. U. auch ganz andere, ursprünglich scheinbar nicht betroffene Wirtschaftsteilnehmer sein könnten, welche (wg. Kreditverknappung) ihre Nachfrage – nach Konsum- oder Investitionsgütern – reduzieren müssten. [Einschub: Die hier ins Spiel gebrachten weiteren Wirtschaftssubjekte, die früher die Ersparnisse der Produzenten als Kredit erhalten hatten, sowie die Ausdehnung der Überlegungen auch auf Investitionen überschreitet eigentlich die Grenzen meines Modells. Aber einerseits entspricht diese ‚Grenzverletzung‘den realen Gegebenheiten. und andererseits erinnert sie daran, dass ALLE wirtschaftswissenschaftlichen Denkmodelle nichts als dürftige Reduktionen der in ihrer Komplexität für uns nicht unmittelbar vollständig erfassbaren, weil hochkomplexen ökonomischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit sind.]

b.      Wirklich spannend ist aber die „Inflationsvariante“ unseres Modells. Ursprünglich hatten wir eine Geldmenge von (6 x 500,- GE = ) 3.000,- GE im System. Von der nehmen wir an, dass mit ihr 3.000 Wareneinheiten (WE) umgeschlagen worden seien. Diese Warenmenge bleibt unverändert (keinerlei Produktionselastizitäten). Jedoch erhöht sich die Geldmenge nunmehr um jene 500,- GE, welche die Produzenten zusätzlich an den Bauern ‚abdrücken‘ müssen. Wir haben also nunmehr folgende Systemparameter:
-        Warenmenge 3.000 (wie auch immer definierte) Einheiten (WE)
-        Geldmenge erhöht auf 3.500,- GE, die sich verteilt auf den Bauern (1.000,- GE statt ursprünglich 500,- GE) und die 5 Produzenten, die unverändert je 500,- GE (insgesamt also 2.500,- GE) zur Verfügung haben.

Hatten wir ursprünglich ein Verhältnis von 1 : 1 zwischen Geld- und Wareneinheiten, so beträgt die Relation nunmehr (gerundet) 1,17 GE zu 1 WE (3.500,- GE : 3.000 WE). Die Güterpreise müssen also von 1,- GE auf 1,17 GE pro Wareneinheit steigen, damit Angebot und Nachfrage wieder ausbalanciert sind.
Um die Verteilungswirkung dieser Inflation zu berechnen, müssen wir die Kaufkraft der einzelnen Wirtschaftssubjekte (bzw. pauschalierend des Bauern einerseits und der Produzenten andererseits) ermitteln; dazu teilen wir die jeweils verfügbaren Geldmittel durch 1,17.
Dann ergibt sich für jeden „Produzenten“ eine Kaufkraft von 427,35 GE (500,- GE : 1,17). (Sie haben zwar jeder jetzt 600,- zur Verfügung; aber die gegenüber dem Anfangsstand zusätzlichen 100,- leiten sie quasi nur an den Bauern durch; ihre sonstigen Ausgaben (inkl. der ursprünglichen 100,- für Lebensmittelkosten), auf die es hier ankommt, belaufen sich nach wie vor auf 500,- GE.
Der Bauer hat jetzt ‚brutto‘ 1.000,- GE; aber auch seine Kaufkraft verringert sich durch die Teuerung. ‚Netto‘ beläuft sie sich auf 1.000,- : 1,17 = 854,70 KE (Kaufkrafteinheiten).
Machen wir die Probe: 5 Produzenten x 427,35 KE = 2.136,75 KE + 854,70 KE des Bauern = 2.991,45 KE. Tatsächlich sollten es 3.000,- KE sein; der Unterschied erklärt sich aus Rundungsdifferenzen (ganz präzise hätte ich nur durch 1,1666666… teilen dürfen); bei genauer Berechnung kämen wir sicherlich exakt auf 3.000,- KE.
Der Unterschied zum Szenario einer rigiden Geldmengenbegrenzung liegt (moralisch-kritisch betrachtet) darin, dass die ‚Beute‘ des Bauern geschrumpft ist; durch die Inflation musste er automatisch einen Teil seiner Preiserhöhung wieder an seine ‚Opfer‘ zurückgeben.
Die unterschiedlichen Verteilungsfolgen (im Modell; die Realität kann zumindest ex ante niemand adäquat abbilden) ohne Inflation und (in Klammern) mit Inflation stellen sich wie folgt dar:
·         Produzenten 400,- KE (427,35 KE)
·         Bauer 500,- KE (354,70 KE) (hier ist nur der Zuwachs an Kaufkraft berücksichtigt).

Mein Modell bildet die reale Realität genauso wenig exakt ab, wie alle anderen Modelle auch. Und es lässt sich beliebig in alle möglichen Richtungen variieren. (Z. B. könnten die Produzenten ihre eigenen Preise so erhöhen, dass sie dem Bauern seine „Beute“ wieder abjagen, oder er sogar noch weniger Kaufkraft als vorher hat.)
Aber, entscheidend: Es wirft ein Schlaglicht auf reale ökonomische und soziale Zusammenhänge, die bei Hayek nicht einmal entfernt aufscheinen. Nämlich die Tatsache, dass eine Unterdrückung von Inflation nicht nur die Geldhalter begünstigt, sondern auch die (um Hayeks moralisierenden Sprachgebrauch von den Emissionsbanken mal auf eine andere Gruppe von Wirtschaftssubjekten zu übertragen: ) „offenders“ (hier also die Preistreiber) völlig ungeschoren davonkommen lässt, und somit alle anderen zu wehrlosen Opfern macht.

Ich glaube nicht, dass Hayek eine wirtschaftswissenschaftliche Rechtfertigung für ein derartiges Ergebnis hat. Wie ich auch nicht glaube, dass er objektive Kriterien benennen kann, um zwischen irgendwie ‚natürlichen‘ (und damit in seinem Sinne wohl zugleich ‚gerechtfertigten‘) und ‚künstlichen‘ (‚nicht gerechtfertigten‘) Änderungen der relativen Preise zu unterscheiden.

Depriving government of the power of thus [durch Erhöhung der Geldmenge] counteracting the effects of monopolistically enforced increases in wages or prices by increasing the quantity of money would place the responsibility for the full use of resources back to where it belongs: where the causally effective decisions are taken-the monopolists who negotiate the wages or prices. We ought to understand by now that the attempt to combat by inflation the unemployment caused by monopolistic actions of trade unions will merely postpone the effects on employment to the time when the rate of inflation required to maintain employment by continually increasing the quantity of money becomes unbearable.” (S. 98)
Actions of trade unions” also von den Gewerkschaften ausgehandelte oder erzwungene Lohnsteigerungen (ob „monopolistic“ oder nicht, kann hier dahingestellt bleiben; Bedingung ist aber natürlich, dass sie zu Preiserhöhungen führen), führen (in dem von Hayek hergestellten Kausalzusammenhang) dadurch zu Arbeitslosigkeit, dass die Geldmenge starr bleibt. Seine Position ist also, kritisch gesehen: ‚Die Arbeitnehmer [als Kollektiv] sollen selber dafür büßen, wenn sie dem Unternehmer Lohnerhöhungen [über die Produktivitätssteigerung hinaus] abtrotzen.‘ Er rechtfertigt dieses Ergebnis mit der Behauptung, dass Inflation selbst in kleiner Dosierung (S. 96: „All inflation is so very dangerous precisely because many people, including many economists, regard a mild inflation as harmless and even beneficial“) fürchterliche Folgen habe: „… an adaptation of the quantity of money to the rigidity of some prices and particularly wages would greatly extend the range of such rigidities and must therefore, in the long run, entirely destroy the functioning of the market.“ (S. 96).
In Wahrheit würde jedoch, wie ich oben bei der Detailanalyse zu einer Passage von S. 95/96 demonstriert habe, ein durch ein monetäres Prokrustesbett erzwungener Lohnverzicht (oder erzwungene Preisreduktionen) anderer Anbieter bzw. Sektoren die relativen Preise künstlich verzerren.

Not all changes in the general level of prices are caused by changes in the quantity of money, or its failure to adapt itself to changes in the demand for holding money; and only those brought about in this manner can properly be called inflation or deflation. It is true that there are nowadays unlikely to be large simultaneous changes in the supply of many of the most important goods, as happened when variations in harvests could cause dearths or gluts of most of the main foodstuffs and clothing materials. And, even today, perhaps in wartime in a country surrounded by enemies or on an island, an acute scarcity (or glut) of the products in which the country has specialised is perhaps conceivable. At least if the index number of commodity prices that guided the issue of the currency in the country were based chiefly on national prices, such a rule might lead to changes in the supply of currency designed to counteract price movements not caused by monetary factors.” (S. 98/99)

1.    can properly be called inflation or deflation”: Es gibt hier kein “properly”, also keine nach irgendwelchen ewigen Regeln gültige Bestimmung der Begriffsinhalte. Wenn man (wie die „Österreicher“ das wohl tun) mit Inflation und Deflation Geldmengenänderungen bezeichnen will, dann kann man Preiserhöhungen ohnehin nicht mit diesen Begriffen belegen, sondern muss sie spezifizieren zu „Preis“(-inflation bzw. –deflation). Bezeichnet man aber Preisänderungen mit den Allgemeinbegriffen, dann ist es egal, wie es zu den Preisänderungen gekommen ist.

2.    Ob Änderungen des Preisniveaus kausal durch Geldmengenänderungen zustande kommen oder umgekehrt ist eine ganz andere Frage als die, ob durch Stabilhaltung der Geldmenge das Preisniveau stabil gehalten werden kann. Allerdings spielen insoweit wohl die Erwartungen der Wirtschaftsteilnehmer die wesentliche Rolle. (Vgl. dazu oben meine Detailerörterung zu S. 95.)

3.    Der letzte, wie ein Wollknäuel verwickelte Satz ist, für mich zumindest, schwer zu verstehen (z. B. „such a rule“: welche?). Allgemein geht es in dem ganzen Abschnitt wohl um Preiserhöhungen, die durch eine natürliche Verknappung zustande kommen. (Ein anderes Beispiel wären gestiegene Produktionskosten, die nicht Lohnsteigerungen bedingt sind. Also z. B. eine Kostensteigerung bei der Rohölförderung, wenn das Zeug aus dem Meer geholt werden muss.) Was soll ich mir unter „changes in the supply of currency designed to counteract price movements not caused by monetary factors”, die Hayek anscheinend befürwortet oder zumindest nicht von vornherein ablehnt, vorstellen? Nahe liegend wäre es, an einen Ausgleich dieser „natürlichen“ Preissteigerungen durch eine entsprechende Geldmengenerhöhung zu denken. Aber mit welcher Begründung? Die Gütermenge steigert man auf diese Weise nicht; und bei einer absoluten Hungersnot (also einer knappheitsbedingten; es gibt ja auch solche, wo die Menschen lediglich zu arm sind, sich das vorhandene Getreide zu kaufen) kann auch mehr Geld nicht mehr Getreide beischaffen. Bei dieser Passage bleibt mir schlicht rätselhaft, was uns der Dichter damit sagen wollte bzw. wie, wenn er in der erörterten Weise zu verstehen ist, sich das stimmig in sein Modell einfügen ließe.

Für den Fall einer Deflation (deren Gefährlichkeit er, anders als manche schlichter gestrickten Epigonen, durchaus sieht) erwartet er folgende Reaktionen
the bank would presumably be driven to buy interest-bearing securities and thereby put cash into the hands of people looking for other investments as well as bring down the long-term rates of interest, with a similar effect. An institution with a very large circulation of currency might even find it expedient to buy for storage quantities of commodities represented in the index that tended to fall particularly strongly in price.(S. 99)
Der Ankauf von “securities” durch die Emissionsbanken entspricht natürlich dem, was die Fed, die EZB und andere Zentralbanken als Geldpolitik des „quantitative easing“ betreiben oder betrieben haben. Soweit es sich bei den Sicherheiten um Anleihen handelt, habe ich damit keine Probleme (grundsätzlicher Natur).
Ein starkes Stück ist allerdings sein Vorschlag, die Emissionsbanken sollten bei einem massiven Preisverfall in ihren Referenz-Rohstoffkörben die entsprechenden Rohstoffe ankaufen. Das wäre zunächst einmal eine künstliche Verzerrung der relativen Preise. Schlimmer ist aber, dass das auf diese Weise emittierte Geld nicht kreditgeschöpft wäre, sondern Willkürgeld: Die Banken drucken sich Scheine und gehen damit einkaufen! (Vergleichbar hatte 1923 die Reichsbank dem deutschen Staat Scheinchen gedruckt, damit der ‚für lau‘ einkaufen konnte.) In einem Deflationsszenario führt das zwar (zumindest anfänglich) nicht zu Inflation und erscheint insoweit als ungefährlich. Aber die Banken würden, wenn sie die Rohstoffe billig einkaufen und später, beim Konjunkturaufschwung, teurer verkaufen, gigantische „windfall profits“ machen. Das gäbe sicher einen ‘Aufstand’, und zwar zu Recht!

under such a system [Konkurrenzwährungen] what is known today as monetary policy would neither be needed nor even possible. The issuing banks, guided solely by their striving for gain, would thereby serve the public interest better than any institution has ever done or could do that supposedly aimed at it. There neither would exist a definable quantity of money of a nation or region, nor would it be desirable that the individual issuers of the several currencies should aim at anything but to make as large as possible the aggregate value of their currency that the public was prepared to hold at the given value of the unit.” (S. 101)
Selbstverständlich gäbe es auch in seinem System eine Geldmengenpolitik. Zwar keine zentral gesteuerte, aber eine individuelle jeder einzelnen Emissionsbank für sich (also präzise: mehrere Geldmengenpolitiken nebeneinander – und, wie oben gezeigt, zumindest beim Aufwertungswettlauf sich in der Wirkung gegenseitig aufhebend). Die aber natürlich auf alle anderen Emittenten und auf die Gesamtwirtschaft durchschlagen würde, und die in ihrer Auswirkung auf die Wirtschaft einer Geldmengensteuerung durch eine Zentralbank entspräche. (Nur dass deren Folgen wohl extrem chaotisch wären, weil es bei Hayek keine Instanz gibt, die das Gesamtinteresse der Wirtschaft an einer verlässlichen Geldversorgung im Auge behält.)
Entsprechend gäbe es sehr wohl eine „definable quantity of money of a nation or region“: Die gewichtete Addition der dort umlaufenden Einzelwährungen.

The supposed chief weakness of the market order, the recurrence of periods of mass unemployment, is always pointed out by socialists and other critics as an inseparable and unpardonable defect of capitalism. It proves in fact wholly to be the result of government preventing private enterprise from working freely and providing itself with a money that would secure stability. (S. 101)
Ich denke eher, dass das Konkurrenzwährungssystem in kürzester Zeit im Chaos enden würde. Und die Arbeitslosigkeit an die Decke gehen würde. [Wie ich überhaupt von seiner Konjunkturtheorie, soweit ich davon etwas mitbekommen habe – z. B. S. 104 seine Kritik am „cheap money“ -, nicht überzeugt bin. Das erscheint mir alles intellektuell gewaltsam zusammengebastelt, und nicht geduldig aus empirischen Beobachtungen hergeleitet.]


The need for such an institution [Zentralbank] is, however, entirely due to the commercial banks incurring liabilities payable on demand in a unit of currency which some other bank has the sole right to issue, thus in effect creating money redeemable in terms of another money. This, as we shall have still to consider, is indeed the chief cause of the instability of the existing credit system, and through it of the wide fluctuations in all economic activity.(S. 105/106)
Also ist doch nicht die Zentralbank als solche an der Instabilität des Kreditsystems Schuld, sondern das zweistufige Bankensystem mit dem Zusammenspiel von Notenbank und Geschäftsbanken?
[Beiläufig: „Instabilität“ heißt auch „Markt“; stabil – und halbtot – sind sozialistische Systeme. Sein scheinbar flexibles, in seinen Mechanismen aber extrem rigide konstruiertes Konkurrenzgeldsystem wäre extrem instabil – und marktzerstörend.]

It might still be argued that central banks are necessary to secure the required 'elasticity' of the circulation. ….. The manner in which elasticity of supply and stability of value of the money can be reconciled is a genuine problem, and it will be solved only if the issuer of a given currency is aware that his business depends on so regulating the quantity of his currency that the value of its unit remains stable (in terms of commodities). If an addition to the quantity would lead to a rise of prices, it would clearly not be justified, however urgently some may feel that they need additional cash-which then will be cash to spend and not to add to their liquidity reserves. What makes a currency a universally acceptable, that is really liquid, asset will be precisely. that it is preferred to other assets because its buying power is expected to remain constant.” (S. 106)
Die notwendige Elastizität der Geldversorgung definiert Hayek hier ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Preisstabilität; die Wünsche der Marktteilnehmer, die zudem gegenläufig sind (Geldbesitzer vs. Kreditnehmer) spielen keine Rolle. Ausgerechnet bei der Geldversorgung hätten sie sich also in diesem Bereich freiwillig einer Benevolenzdiktatur privater Banken unterworfen: Sehr unwahrscheinlich, dass sie ein solches Joch lange tragen würden.
Und dass eine stabile Währung „universally acceptable“ ist nützt wenig, wenn man sie nicht bekommen kann. Wird aber zur Katastrophe, wenn man sie braucht (etwa zur Vertragserfüllung) – und nicht bekommt.

What is necessarily scarce is not liquidity but buying power - the command over goods for consumption or use in further production, and this is limited because there is no more than a given amount of these things to buy. So far as people want more liquid assets solely to hold them but not to spend them, they can be manufactured without thereby depreciating their value. But if people want more liquid assets in order to spend them on goods, the value of such credits will melt between their fingers. (S 106)
Hier weist Hayek darauf hin, dass Geld, was gespart wird (m. E. allerdings nur beim „Kopfkissensparen“ – s. o.) dem realwirtschaftlichen Kreislauf entzogen wird und deshalb problemlos entsprechend mehr Geld in Umlauf gebracht werden kann [und muss!]
Was er hier nicht adressiert, ist der Fall einer möglichen Unterauslastung der Wirtschaft, also brach liegende Kapazitätsreserven. In diesem Falle kann mehr Geld tatsächlich mehr Güter hervorbringen: “there is no more than a given amount of these things to buy” gilt nur bei Vollauslastung (wenn man es versteht i. S. v. „there cannot be more than a given amount of these things to buy“).

With the central banks and the monopoly of the issue of money would, of course, disappear also the possibility of deliberately determining the rate of interest. The disappearance of what is called 'interest policy' is wholly desirable. The rate of interest ….. ought to record the aggregate effects of thousands of circumstances affecting the demand for and supply of loans which cannot possibly be known to anyone agency. (S. 106/107)
Tatsächlich würde die Zinspolitik natürlich NICHT verschwinden: Sie würde sich lediglich auf die (wenigen) konkurrierenden Emissionsbanken verlagern. Wir hätten also ‚Zinspolitiken‘ statt Zinspolitik. Und wenn er meint, dass „The rate of interest ….. ought to record the aggregate effects of thousands of circumstances” dann steht das für sein Modell im Widerspruch zu Forderungen an anderen Stellen, dass sich die Zinspolitiken der Emissionsbanken allein an der Stabilhaltung ihres jeweiligen Referenzwarenkorbpreises orientieren sollen.
Offenbar meint er, dass eine Zentralbank nicht die nötigen Informationen haben kann, um einen irgendwie „richtigen“ Zins festzulegen. Das steht im Widerspruch dazu, dass die wenigen Emissionsbanken seines Systems ihrerseits Zinspolitik machen sollen (um die Preise zu stabilisieren). Denn auf welche geheimnisvolle Weise sollten die genauere oder vollständigere Informationen haben? In Wirklichkeit würden sie sogar noch mehr im Nebel stochern als Zentralbanken, weil sie nicht nur die Marktdaten berücksichtigen sondern obendrein das Verhalten der anderen, gleichberechtigten ‚Mitspieler‘ antizipieren müssten.
Ohnehin gibt es im 2-stufigen Bankensystem nicht „den“ (Kredit-)Zins: Schon die Zentralbank verleiht Gelder nach bestimmten Kriterien zu (leicht) unterschiedlichem Zins, und die Geschäftsbanken erst Recht.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass Hayek für Regionen oder Staaten eine gewisse Dominanz einzelner Währungen erwartet (S. 116: „Nor would I be surprised to find that in large areas only one currency was generally used in ordinary dealings …“;  S. 126: „In various large regions one or two of them would be dominant …“). So dass wir auch in seinem System am Ende wieder bei der Zinspolitik (oder richtiger: Geldpolitik) der guten alten (Monopol-)Notenbanken angelangt wären. Nur dass die Kohle, praktischer Weise, dann private Taschen füllt.

The whole idea that the rate of interest ought to be used as an instrument of policy is entirely mistaken, since only competition in a free market can take account of all the circumstances which ought to be taken account of in the determination of the rate of interest.(S. 107)
Das steht natürlich im Widerspruch zu seiner Forderung, dass die Emissionsbanken eine Geldpolitik (über Kreditverknappung oder ~verteuerung = Zinspolitik) betreiben sollen, um die Referenzwarenkorbpreise stabil zu halten. Es gibt in Hayeks System (auf der Ebene der Emissionsbanken!) auch gar nicht „all the circumstances“ (oder, wie oben: „thousands of circumstances“), sondern ausschließlich die Stabilität der Korbpreise. Und damit selbstverständlich für jede Emissionsban eine Zinspolitik (es sei denn, er wolle die Kreditmenge direkt steuern, also ggf. knallhart rationieren).

“… the lending for investment purposes of all the banks together, if it was not to drive up the price level, could not exceed the current volume of savings (and conversely, if it was not to depress the price level, must not fall short of the current volume of savings) by more than was required to increase aggregate demand in step with a growing volume of output.“ (S. 107)
Zunächst bestätigt Hayek hier unfreiwillig, dass er die Geldmengentheorie eben doch sehr wohl auch für sein System anerkennt („all banks together“).
lending for investment purposes” – Für diese Einschränkung sehe ich keinen Grund; m. E. gilt Hayeks ‚Gleichung‘ (wenn überhaupt) für Konsumentenkredite ebenso (hat er die gar nicht auf dem Schirm?).
Die Geldschöpfung aus dem Nichts ist Hayek offenkundig unheimlich: Kredite sollen nur insoweit vergeben werden, als ihnen Ersparnisse gegenüberstehen. (Bei wachsenden Wirtschaften kommen für ihn – wie ja auch logisch - noch jene Kredite hinzu, die benötigt werden, um ein Wachstum überhaupt zu ermöglichen.) (Übrigens kann die Kreditmenge, sicherlich auch für Hayek, durchaus kleiner sein als die Sparmenge – Stichwort „Kopfkissenparen“: nur eben nicht größer.) Konsequent wäre dann die Forderung nach einem echten Vollgeldsystem. Hayek allerdings fordert ein „100 per cent banking“ (S. 65 und 123; engl. „full reserve banking“ – FRB) lediglich für die Sekundärbanken. Sein System ist jedoch so angelegt, dass die Emissionsbanken auch (oder sogar hauptsächlich?) das direkte Kundengeschäft betreiben – und somit in Konkurrenz zu den Sekundärbanken stehen (vgl. z. B. S. 123, wo er – plausibel - vermutet, dass die Geschäftsbanken das gesamte Kontokorrent-Geschäft an die Emissionsbanken verlieren würden, die keine Gebühren dafür erheben müssten). Woraus für den vorliegenden Zusammenhang folgt, dass die Emissionsbanken, die das Geld ja aus dem Nichts schöpfen, nicht in sein (rudimentäres) Vollgeldsystem einbezogen sind. Wahrscheinlich geht er davon aus, dass über den Mechanismus der Warenkorb-Preissignale verhindert wird, dass die Kreditmenge die Menge der Ersparnisse übersteigt. Und daher auch ohne Vollgeldsystem Kredite nur aus gesparten Geldern vergeben werden. Aber, wenn er doch von der Richtigkeit seiner ‚Gleichung‘ überzeugt ist: Warum dann nicht auch die Kreditvergabe der Emissionsbanken auf genau dieselbe Weise steuern? (Was, ich wohlgemerkt, keineswegs fordere, sondern lediglich als logische Konsequenz aus seinem Satz ableite.)

Much as all historical experience appears to justify the deep mistrust most people harbour against paper money, it is well founded only with regard to money issued by government. Frequently the term 'fiat money' is used as if it applied to all paper money, but the expression refers of course only to money which has been given currency by the arbitrary decree or other act of authority. Money which is current only because people have been forced to accept it is wholly different from money that has come to be accepted because people trust the issuer to keep it stable. Voluntarily accepted paper money therefore ought not to suffer from the evil reputation governments have given paper money. (S. 111)
Dass Hayeks Geld kein Fiatgeld wäre, ist falsch. Hier geht es ihm nicht um Erkenntnisgewinn; das ist (wie der letzte Satz auch sehr deutlich zeigt) reine Propaganda.
Genauer: Ein Autor ist natürlich frei, seine Begriffe zu definieren. Hayek hätte also legitimer Weise für sich selber festlegen können, dass er nur kreditgeschöpftes Regierungsgeld als Fiatgeld bezeichnen will, nicht aber von privaten Banken geschöpftes. Die Frage ist dann freilich, worin der objektive Unterschied beider Geldformen liegt und ob eine solche Umbenennung erkenntnis- oder kommunikationsfördernd ist.
„Fiatgeld“ dient im allgemeinen Sprachgebrauch zur Abgrenzung von Warengeld. Warengeld muss mit großem Arbeitsaufwand produziert werden, und hat (soweit einigermaßen vollwertig ausgemünzt) einen Tauschwert in sich.
Fiatgeld („Papiergeld“ sagt Hayek anschaulich; das Buchgeld ist dabei selbstverständlich eingeschlossen) kann (heutzutage) per Knopfdruck elektronisch in beliebiger Menge produziert werden. Das gilt für ‚Hayek-Geld‘ nicht anders als für ‚Staatsgeld‘; von daher macht es auch keinerlei Unterschied, ob die Wirtschaftsteilnehmer weitgehend eine einzige Währung benutzen müssen oder (mehr oder weniger) frei zwischen verschiedenen Konkurrenzwährungen auswählen können. Beide Geldsorten werden durch Konvention (vielleicht das Staatsgeld auch mit einem gewissen Maß von Zwang) akzeptiert und beide können inflationiert werden. Dass private Anbieter das, wie Hayek meint, nicht tun würden ändert nichts daran, dass sie es in gleicher Weise tun könnten wie Zentralbanken usw. Und das liegt daran, dass beide Geldarten in gleicher Weise hergestellt werden. Nach Herstellungsart und intrinsischer Wertlosigkeit sind beide gleich; der einzige Unterschied liegt im (staatlichen oder privaten) Emittenten. Das aber rechtfertigt es nicht, von zwei Geldarten zu sprechen; eine solche Unterscheidung bringt keinen Erkenntnisgewinn.
[Einschub: Ein derartiger Begriffsrealismus (oder terminologischer Propagandismus) wie hier bei Hayek scheint mir charakteristisch für die „österreichische“ Schule der Wirtschaftswissenschaften zu sein; jedenfalls begegnet man ihm in der Debatte mit „Austrians“ auch beim Inflationsbegriff: ‚Inflation ist Geldmengenausweitung, nicht Preissteigerung‘ heißt es dann. Was natürlich genauso Unfug ist. Fakt ist einfach, dass die Austrians den Begriff anders definieren. Neue Erkenntnisse bringt das nicht; das hat die rein propagandistische Funktion, jede Preisinflation als Folge von Geldmengeninflation hinzustellen, bzw. jede Geldmengenausweitung negativ zu konnotieren. Eine „Wissenschaft“, die auf derartige Mätzchen angewiesen ist, ist keine. Sondern eine Sekte, die sich, wie religiöse Sekten auch, manchen gängigen Begriffsinhalten verweigert und Worte mit eigenen Inhalten neu bestimmt. Weil die allermeisten Menschen (und in der alltäglichen Konversation vielleicht wir alle) Begriffsrealisten sind, kann man nicht wenige mit solchen Tricks verschaukeln.]

“There is no better case for preventing the decrease of the quantity of money circulating in a region or sector of a larger community than there is for governmental measures to prevent a decrease of the money incomes of particular individuals or groups - even though such measures might temporarily relieve the hardships of the groups living there. It is even essential for honest government that nobody should have the power of relieving groups from the necessity of having to adapt themselves to unforeseen changes, because, if government can do so, it will be forced by political necessity to do so all the time.” (S. 114/115)
Mussten auch Sie beim Lesen dieser Zeilen schmunzeln? Nein? Dann helfe ich Ihnen auf die Sprünge: EZB – Griechenland – „Club Med“: So gesehen, klingen die vorstehenden Zeilen geradezu prophetisch, nicht wahr? J
[Einschub: Mein allererster Blott zum Thema meinen Griechenlandrettung datiert übrigens vom 20.02.2009 – weit mehr als ein Jahr bevor es soweit war. (Er richtet sich gegen Bailout-Forderungen, mit welchen die Kapitalgauner also schon lange vorher begonnen hatten, Öffentlichkeit und Politik medial weichzukochen.) Titel: „Lässt Klingklax sich klaglos beklauen? Keine Euro-Anleihen zur Rettung der Mittelmeer-Länder! Keine deutschen Steuergelder gen Süden senden!“]

“A good money, like good law, must operate without regard to the effects that decisions of the issuer will have on known groups or individuals.” (S. 117)
Das hört sich unparteiischer an, als es in Wahrheit ist. Es erinnert mich fatal an den berühmten Ausspruch von Anatole France über die „… majestätische Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen“. Denn Hayeks Geldsystem ist (auch wenn er vorgibt, auf diese Weise die Volkswirtschaft zu optimieren oder gar zu retten) in Wahrheit für die Geldbesitzer maßgeschneidert.
Davon abgesehen, ist diese Forderung auch ausgesprochen undemokratisch (unmittelbar im Anschluss an das o. a. Zitat stellt er Überlegungen über einen hypothetischen „benevolent dictator“ an) und gesellschaftlich primitiv gedacht. Ein absolut „richtiges“ Gesetz gibt es nicht; selbstverständlich muss man die Auswirkungen von Gesetzen auf einzelne Gruppen (manchmal vielleicht sogar einzelne Individuen) im Auge haben und die Regelungen entsprechend konstruieren und ggf. anpassen.
Zur obigen Passage passt auch eine entlarvende Formulierung auf S. 119: „Under the prevailing form of unlimited democracy, in which government has power to confer special material benefits on groups, it is forced to buy the support of sufficient numbers to add up to a majority.“
Völlig falsch ist es natürlich nicht, dass in Demokratien die Regierungen dazu neigen, das Volk mit ‚Geschenken‘ zu bestechen, und das dieses sich auch sehr gerne korrumpieren lässt. (Vgl. dazu auch meinen Blott – ein Fremdtext - „Vom Kardinalfehler zum Kardinalproblem - Die Bestechlichkeit des Wählers in der westlichen Welt“ aus dem Jahr 2011.)


The currencies issued by any surviving government banks would often themselves be driven more and more to accept and even to seek payment in currencies other than those issued by a favoured national institution.” (S. 127)
Ich vermute, dass die ersten vier Worte zu streichen sind (wie ich es hier gemacht habe). Ansonsten wüsste ich nicht, welchen Sinn der Satz machen sollte. Aber auch dann kann ich mir nicht wirklich vorstellen, welchen Sachverhalt und welche Motivation Hayek im Auge hat.

"[Wenn das Regierungsmonopol für die Geldschöpfung erst einmal abgeschafft sein wird, gehe ich davon aus, dass] justice requires debts to be paid in terms of the units of value which the parties to the contracts intended and not in what government says is a substitute for them. (The exception is where the contract explicitly provides for a stated number of tokens rather than for a value expressed in terms of an amount of tokens.) After the development of a widely preferred common standard of value the courts would in most cases have no difficulty in determining the approximate magnitude of the abstract value intended by the parties to a contract for the value of such and such an amount of a widely accepted unit of currency. If one currency in terms of the value of which a contract had been concluded seriously depreciated beyond a reasonable range of fluctuation, a court would not allow the parties to gain or lose from the malpractice of the third party that issued the currency. They would without difficulty be able to determine the amount of some other currency or currencies with which the debtor was entitled and obliged to discharge his obligation.” (S. 128)

In ihrem (nicht paginierten) Papier Der seltsame Fall des Dr. Hayek und Herrn von Hayek diagnostizieren Mark Lindley und James Farmelant auf S. 25 pdf „… eine gewisse intellektuelle Korrosion durch das Alter.“ Das muss man wohl auch für seine vorliegenden Überlegungen so sehen, die sein System vollends ins Chaos stürzen und die Funktion von Währungsvereinbarungen in Verträgen (die üblicher Weise explizit oder implizit auf das jeweilige gesetzliche Zahlungsmittel abstellen) partiell entwerten würden.
Wie stellt sich Hayek das eigentlich vor, dass die Währungen, in der Verträge abgeschlossen wurden, mal eben durch Gerichtsbeschluss geändert werden, wenn die Kaufkraft der Währung verfallen ist? Für Gläubiger ist das natürlich eine prima Sache; Schuldner würden ggf. massiv dabei verlieren. Wenn in Verträgen eine bestimmte Währung festgelegt wird, dann ist in dieser zu erfüllen. Ansonsten käme es zur totalen Unsicherheit und zu Rechtsstreiten ohne Ende. (Dasselbe würde gelten, wenn in der Hayek-Wirtschaft Verträge etwa gar nicht mehr auf Geld, sondern auf wie auch immer determinierte Kaufkraft-Einheiten abgeschlossen werden würden.)]
As a result, even the complete collapse of one currency would not have the disastrous far-reaching consequences which a similar event has today. Though the holders of cash, either in the form of notes or of demand deposits in a particular currency, might lose their whole value, this would be a relatively minor disturbance compared with the general shrinkage or wiping out of all claims to third persons expressed in that currency. The whole structure of long-term contracts would remain unaffected, and people would preserve their investments in bonds, mortgages and similar forms of claims even though they might lose all their cash if they were unfortunate to use the currency of a bank that failed.(S. 128/129)

Hayek nimmt hier ausschließlich die Gläubigerperspektive ein; dass eine gerichtliche Neu-Denominierung der vertraglich vereinbarten Erfüllungswährung für den Schuldner eine Katastrophe sein könnte, kommt ihm nicht in den Sinn – oder ist ihm gleichgültig.

Die Fairness gebietet es, die Anm. 3 auf S. 132/133 in eine Betrachtung von Hayeks Überlegungen einbeziehen:
It has been said that my suggestion to 'construct' wholly new monetary institutions is in conflict with my general philosophical attitude. But nothing is further from my thoughts than any wish to design new institutions. What I propose is simply to remove the existing obstacles which … have prevented the evolution of desirable institutions in money. Our monetary and banking system is the product of harmful restrictions imposed by governments to increase their powers. They are certainly not institutions of which it can said they have been tried and found good, since the people were not allowed to try any alternative. To justify the demand for freedom of development in this field it was necessary to explain what consequences would probably result from granting such freedom. But what it is possible to foresee is necessarily limited. It is one of the great merits of freedom that it encourages new inventions, and they are in their very nature unpredictable. I expect evolution to be much more inventive than I can possibly be. Though it is always the new ideas of comparatively few which shape social evolution, the difference between a free and a regulated system is precisely that in the former it is people who have the better ideas who will determine developments because they will be imitated, while in the latter only the ideas and desires of those in power are allowed to shape evolution. Freedom always creates some new risks. All I can say is that if I were responsible for the fate of a country dear to me I would gladly take that risk in the field I have been considering here.”
Und dazu von S. 134:
“What is now urgently required is not the construction of a new system but the prompt removal of all the legal obstacles which have for two thousand years blocked the way for an evolution which is bound to throw up beneficial results which we cannot now foresee.”

Der Vorwurf, dass Hayek sich mit seinem Entwurf eines neuen Geldsystems als Konstrukteur betätigt (und damit in einen Widerspruch zu seiner sonstigen marktevolutionären Philosophie gerät), stammt von Milton Friedman (vgl. S. 16: „I have … inserted … a reply to a comment by Milton Friedman …). Zum Inhalt:

1.    Sicherlich sollte der Staat den Bürgern erlauben, auch andere Währungen zu benutzen; aber ebenso hat er natürlich das Recht, die an ihn abzuführenden Zahlungen in einer ganz bestimmten Währung zu verlangen. Wahrscheinlich gab es zu Hayeks Zeit noch Restriktionen für die Verwendung ausländischer Währungen im Inland. Ich vermute, dass diese heute zum Großteil weggefallen sind. Und ebenso, dass ich bei Aldi völlig legal mit Dollar, Kaurimuscheln oder mit Buchenblättern bezahlen dürfte – wenn man die dort annehmen würde. Für ggf. noch bestehende Restriktionen gegen private Währungen sehe ich keinen Grund. Freilich glaube ich nicht, dass sich diese (ggf. nach Aufhebung letzter Beschränkungen) durchsetzen würden. Auf jeden Fall ist, wie ich oben gezeigt habe, das Kaufkraft-Stabilisierungskonzept von Hayek undurchführbar, weil selbstwidersprüchlich. Parallelwährungskonzepte stecken, wie ich zu meinem Leidwesen selber entdecken musste, ganz allgemein voller Tücken; die entdeckt man freilich nur, wenn man auch die eigenen Ideen kritisch betrachtet, und sie nicht als Heilsideen versteht, mit denen man die Menschheit um jeden Preis missionieren müsste.

2.    Richtig ist, dass man die möglichen Folgen von Systemänderungen VORHER durchdenken muss – soweit wir das können. Jedenfalls ist ein Hinweis in der Art ‚der Markt wird es schon richten‘ oder ‚das kann man vorher nicht wissen, das muss man dem Findungsprozess der Marktkräfte überlassen‘ eine faule Ausrede für Denkfaulheit. Hayek drückt sich, anders als manche seiner Epigonen, nicht vor dieser Aufgabe. Sein Hinweis, dass unsere prognostischen Fähigkeiten zwangsläufig beschränkt sind, ist berechtigt. Andererseits stelle ich als Ergebnis meiner Analyse fest, dass man doch sehr viel mehr vorhersehen kann, als Hayek das tut. Wenn man sein System nicht mit den Augen der Liebe betrachtet, sondern kritisch, quasi als „advocatus diaboli“.


Schlussbemerkungen

Inhaltlich, das lässt sich (wenn man seine Vorschläge verstanden, d. h. Schritt für Schritt gedanklich nachvollzogen hat) leider nicht leugnen, gehört Hayek mit diesem Aufsatz zu jener Personengruppe, die er selber mehrfach kritisiert: den „cranks“, also den (Geldsystem-)Spinnern. (Zu seiner Kritik vgl. z. B. S. 14: „The demand for the freedom of the issue of money will at first, with good reason, appear suspect to many, since in the past such demands have been raised again and again by a long series of cranks with strong inflationist inclinations.“)

Immerhin bewegt sich der größte Teil seines Buches auf einem so hohen Niveau gedanklicher Anspannung und arbeitet mit einer solchen Fülle von wirtschafts- bzw. geldgeschichtlichen Informationen und Überlegungen, dass die Auseinandersetzung damit auch dann einen intellektuellen Gewinn bringt, wenn man sich seiner Denkfehler bewusst wird und zudem erkennt, dass seine Argumente (objektiv; ihm selber war das sicherlich nicht bewusst und war nicht explizit gewollt) die Interessenlage der Geldhorter widerspiegeln.

Was man ansonsten zu Hayeks Entlastung anführen kann, hat der ehemalige Chefvolkswirt der Bundesbank und später der Europäischen Zentralbank (EZB), Prof. Otmar Issing, in seinem Vortrag „Hayek – currency competition and European monetary union“ vom 27.05.1999 so formuliert: „The monograph has to be seen against the background of decades of worldwide inflation.“ (Issing hat zu diesem Thema auch einen Aufsatz “Hayek’s Suggestion for Currency Competition: A Central Banker’s View” verfasst, den ich jedoch nicht gelesen habe.)

Weitere Werke von Friedrich August Hayek habe ich nicht gelesen. Aber welche Meriten auch immer er auf anderen Feldern der Volkswirtschaftslehre haben mag: Seine vorliegend untersuchten Vorschläge sind nicht mit hinreichender Gründlichkeit durchdacht und wertlos bzw. würden die Wirtschaft ruinieren, wenn man sie umsetzen wollte.

Vergleiche zum vorliegenden Thema auch meinen Blott Irrige Grundannahmen in der Gelddebatte (09.09.2014)

 
Nachtrag 05.03.2017

Auch für die vorliegende Erörterung von Belang ist eine Debatte, die ich momentan gerade mit dem Münsteraner Volkswirtschafts-Professor Alexander Dilger in dessen Blog führe, und zwar in den Kommentaren zu seinem Blogpost "Niederlande lassen Euroausstieg offiziell untersuchen vom 27.02.2017. Dort geht es zwar spezifisch um die Frage, ob die Einführung einer Parallelwährung ein gangbarer Weg hin zu einem Euro-Ausstieg ist oder nicht. Aber letztlich ist damit  irgendwo auch ganz allgemein die Funktionalität von Parallelwährungen tangiert.


Nachtrag 14.08.2020

Vgl. zum vorliegenden Zusammenhang auch meinen Blott "Wie die 'Facebook-Libra' die Geldmenge steigern würde" vom 19.06.2019. Diese Währung soll genau so entstehen, wie Hayek sich das damals vorgestellt hatte: Durch Ankauf bereits bestehender Währungen. Ob den Planern der Text von Hayek bekannt war und ob dieser als Blaupause gedient hat, weiß ich aber natürlich nicht.
 
 
Textstand 14.08.2020

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