Ergebnis ist sein Artikel "Wohin wollen wir wachsen? Schluss mit der Nachhaltigkeitslüge!" vom 19.03.12 auf der Webseite von FAZ.net.
Dieser Essay ist sowohl hochintelligent als auch strohdumm. Das ist (hier) kein Gegensatz, sondern eine Frage der Perspektive.
Hochintelligent ist er, wenn man ihn als Wahl- bzw. Parteiwerbung behandelt (insoweit erinnert er mich abstrakt an Sahra Wagenknechts FAZ-Artikel "Europa in der Krise. Schluss mit Mephistos Umverteilung!"; s. a. meinen Blott vom Dez. 2011).
Das Wort "Nachhaltigkeit" ist ohnehin in aller Munde, und beim ersten Lesen geht der Artikel (auch mir) runter wie Öl. Wie clever der Artikel angelegt ist zeigt sich beispielsweise daran, dass keiner von den 95 Leserkommentaren zum FAZ-Artikel, die bis zur Abfassung meiner eigenen (4!) Leserkommentare online waren (durch die Verzögerung in der redaktionellen Freischaltung habe sich noch einige dazwischengeschoben) den Nerz-Text unter dem Gesichtspunkt seiner innere Struktur und (fehlenden) Schlüssigkeit überprüft hat. Jeder hat sich irgendeinen Aspekt herausgegriffen, den er/sie offenbar für den wesentlichen hielt, und dazu positiv oder (meist) negativ Stellung genommen.
Mit anderen Worten: Alle diese Leser(innen) waren offenbar fest überzeugt, dass sie die Argumentation von Sebastian Nerz verstanden haben.
In Wahrheit hat Nerz aber gar kein stringentes Argument vorgetragen, sondern letztlich nichts als heiße Luft in die Welt gepustet. Es gibt in seinem Aufsatz keinen relevanten Kern, den man be-greifen könnte: DAS zu verstehen, ist die Aufgabe kritischer Leser!
Nerz' Essay hat gewissermaßen eine doppelte Einleitung. Im ersten Absatz parliert er über den Begriff Nachhaltigkeit und zitiert die Definition von Konrad Otto aus dem Jahr 1999: „Regenerierbare lebende Ressourcen dürfen nur in dem Maße genutzt werden, wie Bestände natürlich nachwachsen.“
Im Folgeabsatz kontrastiert er diese klare Definition mit der wie er sagt missbräuchlichen Verwendung des Begriffs in der politischen Debatte, und leitet dann zur sozusagen 2. Einleitung im 3. Absatz über, wo er eine Debatte auf dem 16. Wirtschaftsforum der European Business School (ESB) Reutlingen, das unter dem Motto "Deutschland auf dem Weg in die Armut" stand und am 15.03.2012 stattfand, als unmittelbaren Ausgangspunkt seiner Überlegungen offenlegt. Bzw. ganz konkret einen Diskussionsbeitrag von Meinhard Miegel, demzufolge wir "das 2,7-fache dessen [verbrauchen], was unser Planet hergibt".
Darüber könnte man nun lang und breit raisonnieren, doch Oberpirat Sebastian Nerz macht ein Wendemanöver, um auf Assoziationskurs zu segeln. Mit der Überleitung
"Schon allein das zeigt, dass unsere Verhaltensweise keine besonders nachhaltige sein kann"
setzt er im 4. Absatz den ressourcenwirtschaftlichen Nachhaltigkeitsbegriff kurzerhand mit dem finanzwirtschaftlichen Nachhaltigkeitsbegriff gleich:
"Das gleiche Problem sehen wir auch an der offiziellen Staatsverschuldung."
Auf der abstrakten Ebene kann man das sicherlich tun: beide "Pfade", der ressourcenverschlingende ökonomische Wachstumspfad wie der Regierungs-Verschuldungspfad sind auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten. Volkswirtschaftlich lassen sich und werden üblicher Weise diese beiden Themen durch den Hinweis verknüpft, dass eine Rückzahlung der Schulden ein ökonomisches Wachstum voraussetzt, welches aber aufgrund der Ressourcenbegrenzung zukünftig kaum noch realisierbar sei. (Das klassische Gegenargument - das ich nicht teile, das aber auch hinter vielen der FAZ-Leserkommentare steht - hat Julian Lincoln Simon in seinem Buch "The Ultimate Resource" formuliert. Simon hatte behauptet, dass das menschliche Ingenium sämtliche scheinbaren natürlichen Schranken in der Ressourcenverfügbarkeit überwinden könne.)
Trotz dieser möglichen Themenverknüpfung haben wir es hier natürlich mit zwei unterschiedlichen Problemfeldern zu tun, die zunächst einmal für sich analysiert werden müssten, und wenn es einen (verschlungenen) Kausalbeziehung zwischen beiden gibt, dann ist sie nicht reziprok, sondern eindimensional von der natürlichen zur finanziellen Nachhaltigkeit gerichtet. So kann z. B. eine Debatte über die Staatsverschuldung keinerlei Beitrag zur Klärung der natürlichen Ressourcenverfügbarkeit leisten. Wenn dagegen - rein hypothetisch - Julian Simon Recht hätte mit seiner Hypothese (die man tatsächlich wohl nur zeitbedingt im Kontext des entfesselten Neoliberalismus und der Ayn-Rand-Gesellschaftsphilosophie verstehen kann), wäre umgekehrt die Sorge um das Verschuldungswachstum hinfällig.
Aber Nerz hält in den Absätzen 5 - 7 seinen Staatsverschuldungs-Thema-Kurs, um dann in Abs. 8 + 9 mit einem neuerlichen abrupten Wendemanöver in die Verknappung konkreter geologischen Ressourcen einzusteigen. Erdöl, das Element Lithium sowie das Seltenerdmetall Neodym identifiziert er hier als Problemfelder. (Auch wenn man diese Aufzählung natürlich nur im Sinne von Beispielen verstehen darf ist es für mich schon etwas überraschend, dass er die möglichen Phosphatverknappung - vgl. meine Links in einem Anhang zu einem Peak-Oil-Blott - ausblendet).
War da noch was? Richtig die Demographiedebatte ist 'n Dauerbrenner: den müssen wir auch noch einwickeln für die Wähler. Also rasch flugs den Abs. 10 in die Tasten gehauen:
"Der demografische Wandel macht dem unbegrenzten Wachstum zumindest in Deutschland ebenfalls einen dicken Strich durch die Rechnung. ... Das Verhältnis von Einzahlern der Renten- und Pensionskassen zu den Empfängern verändert sich zu Ungunsten der Zahlenden. Die eingangs erwähnte Nachhaltigkeitslücke bedeutet hier aber, dass dafür bisher nicht vorgesorgt wurde. Die Last auf den Schultern jedes einzelnen Zahlers steigt also an. Umso mehr, wenn man das unbegrenzte Wachstum bei steigender Schuldenlast und schwindenden Ressourcen beibehalten möchte."
Nerz hat hier einfach die verschiedenen im öffentlichen Diskurs gängigen "kritischen" Meinungen gebündelt, ohne sich über ihre wechselseitige Kompatibilität auch nur die geringsten Gedanken zu machen. Wie stellt sich denn der Herr Nerz eine nachhaltige Rentenvorsorge vor? Dass man Geld in einen Juliusturm legt, und später die Rentner die Scheine verzehren? Und warum sollte (wenn es denn überhaupt möglich wäre) ein weiteres 'unbegrenztes' Wachstum die Rentenzahlungen erschweren? Gerade umgekehrt würde (wenn es nicht, wie gesagt, Utopie wäre) ein Schuh draus: Mit Wachstum könnte eine Gesellschaft relativ steigende Rentenlasten weitaus leichter finanzieren als ohne ein solches.
Das ist ja die gängige Mythologie der Mainstream-Wirtschaftswissenschaft, die als ökonomische Pseudo-Rechtfertigung der Riester-Rente unterliegt: 'Wir müssen jetzt mehr sparen; dieses Geld wird investiert; dann kann unsere Wirtschaft später (auch) für die Rentner mehr herstellen'. (Vgl. die ausführliche Darstellung der - gedachten und der gegenläufigen tatsächlichen - Zusammenhänge bei der Rentenfinanzierung auf meiner Webseite "Rentenreich".)
Nur, wenn man in diesem Sinne Geld (produktiv!) zurücklegen würde, und wenn man dadurch für die jeweilige Volkswirtschaft einen steileren Wachstumspfad erschließen könnte, würde sich zwangsläufig auch der Ressourcenverbrauch erhöhen. In diesem Falle wäre es also gerade die finanzielle Vorsorge (deren Fehlen Nerz implizit beklagt), welche den (früher oder später ohnehin unvermeidlichen) Eintritt von Versorgungsschwierigkeiten (für die Alten wie für die Jungen!) sogar noch beschleunigen würde.
Und überhaupt müsste er (und müssten noch mehr die Grünen, die aber gar nicht daran denken!) gerade unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenschonung eine (möglichst auf natürlichem Wege eingetretene) Reduzierung der Population begrüßen, anstatt sie als Problem hinzustellen.
Solche Betrachtungsweisen setzen allerdings etwas voraus, was in der Population ganz allgemein, bei sog. "Umweltschützern" aber oft ganz besonders fehlt: die Fähigkeit zu vernetztem (und natürlich auch illusionslosen) Denken. Mit einer solchen Zumutung ist der Piraten-Kapitän Sebastian Nerz offenbar überfordert; dessen intellektuelle Kapazitäten reichen offenbar gerade dafür hin, jene Diskursstränge aufzunehmen, von denen er sich eine Aura als Gesellschaftskritiker erhoffen darf.
Das mögen die Wähler, nur darf es nicht allzu kritisch werden, und vor allem die Gegenmaßnahmen nicht konkret: dann kann sich jeder damit identifizieren - genau wie beim Subventionsabbau auch. Oder kennen Sie jemanden, der grundsätzlich dagegen ist? Bzw. kennen Sie umgekehrt Leute, die jeweils für ihren eigenen (subjektiven oder objektiven) Interessenbereich Subventionen fordern oder akzeptieren würden?
Dass Nerz bloß daherredet, ohne das mindeste Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Finanz- und Realwirtschaft, zeigt sich bei einem Rückblick in seinen 6. Absatz:
"Bisher ging das Pyramidenspiel Staatshaushalt gut, da das nominelle Wirtschaftsprodukt jedes Jahr stark genug wuchs, um die steigenden Kosten zu decken. ..... Zum einen ist ein nicht gerade kleiner Teil dieses Wachstums tatsächlich nur inflationsbedingt."
Insoweit, als finanzielles Wachstum nur nomineller Art ist (also "inflationsbedingt") kann man das umweltpolitisch doch nur begrüßen, denn diese Art von "Wachstum" verbraucht nicht ein einziges Gramm Rohstoff: weder nicht erneuerbare noch nachwachsende Ressourcen.
Genau das ist ja auch die (teils offen ausgesprochene, teils stillschweigende) Hoffnung vieler Ökonomen (und vermutlich auch der Politiker): dass die Staaten durch Geldentwertung aus ihren Schulden herauswachsen. Das träfe zunächst einmal die Geldbesitzer, und wenn man für die kleinen Geldbesitzer einen Ausgleich schaffen und nur die großen Kapitalisten rupfen könnte, und wenn die Sache ansonsten frei von Risiken und Nebenwirkungen wäre, hätte man damit das Ei des Kolumbus entdeckt. Ich persönlich glaube daran nicht; aber wer als Politiker reales Wachstum für nicht wünschenswert hält, aber gleichzeitig kritisiert, dass anderes Wachstum "nur inflationsbedingt" ist, muss sich schon fragen, ob er nicht gerade unter seinen eigenen Prämissen ein nominales Wachstum einem realen Wachstum vorzuziehen sollte.
Treten wir aber wieder ein in die Reihe der Chronologie und entdecken in Abs. 11 ff., welche Schlussfolgerungen Nerz aus seinen Erörterungen zieht.
Zunächst einmal die klare (aber wenig sensationelle) Botschaft 'The party is over':
"Wir hatten eine schöne Zeit. ... Aber nach jeder guten Party kommt der traurige Moment, in dem es nach Hause geht – gefolgt vom Katzenjammer am nächsten Morgen."
Aber dann wird sein Text rein politisch, also wolkig:
"Wir können ihn [den Katzenjammer] natürlich noch hinausschieben und noch ein letztes Glas für den Weg trinken. Aber eigentlich sollte uns klar sein, dass dieses Glas das berühmte Glas zu viel ist. Wir können nicht einfach so weitermachen, wie es uns gefällt. Wir sitzen auf einer riesengroßen Seifenblase. Und anstatt sie immer weiter aufzupusten, müssen wir versuchen, die Luft langsam herauszulassen."
Wer würde dem nicht aus ganzem Herzen zustimmen? Und selbstverständlich sind die, bei denen zu viel Luft drin ist, ohnehin immer die anderen. Auch Nerz möchte keinem wehtun (außer der FDP):
"Eine Politik, die sich selbst und den Menschen in die Tasche lügt, hilft nichts. Ich möchte an dieser Stelle nicht gegen Wachstum an sich reden, nur gegen Wachstum um jeden Preis. Und sowohl für die FDP als auch für die Endzeitfilm-Fans habe ich noch eine unangenehme Nachricht: Unbegrenztes Wachstum gibt es nicht."
Wow, welch ein genialer Denker! Oder doch nur Heißlufthersteller?
Anscheinend hat Sebastian Nerz selbst gemerkt (und insoweit ist er durchaus intelligent), dass er an dieser Stelle auf irgend eine Weise was (Schein-)Konkretes herbeischaffen muss. Sich nicht in die Tasche zu lügen ist ja schön, aber was bedeutet das realpolitisch?
Das weiß Nerz natürlich ebenso wenig wie wir alle; also fädelt er kurzerhand einfach einen weiteren aktuellen Diskursfaden in seinen Text ein: die Komplexitätsdebatte (die üblicherweise - und so auch bei Nerz - zur Bürokratiekritik verkürzt wird):
"Um diese Ehrlichkeit zu erreichen, müssen dringend notwendige Reformen im Staat endlich umgesetzt werden. Der ganze Apparat ist so groß und komplex geworden, dass er nicht mehr überschaubar ist."
Ach ja? Nur für die Ehrlichkeit? Nicht für die Wirtschaftlichkeit? Politik ist Interessenvertretung; gewiss: für die breite Bevölkerung werden die jeweils im Einzelfall verfolgten Interessen transparenter, wenn das Gesamtsystem einfacher ist. Wahrscheinlich hat Nerz an dieser Stelle die Piraten-Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen vor Augen, die alle möglichen anderen Einzelförderungen ersetzen soll. Das mag eine größere Transparenz im Verteilungskampf schaffen; für die Umwelt ist dadurch freilich zunächst einmal gar nichts gewonnen, und für den Kampf gegen die steigende Staatsverschuldung noch viel weniger.
Kein Aprilscherz (es geschah ja auch bereits am 31.03.12): die WELT brachte einen außerordentlich klugen Artikel von Thomas Schmid über die Piraten. Titel: "Utopie der Piraten infantilisiert die Gesellschaft". Einige der darin gemachten Aussagen lassen sich auch auf den Nerz-Artikel beziehen bzw. aus ihm ableiten.
Zusammenfassender "Vorspann: "Die Laptop-Partei ist nicht eine radikale Avantgarde, sondern das
Symptom für ein zur Mitte hin klumpendes politisches System, das die
Fragen der Zukunft auf die lange Bank schiebt."
Weitere Auszüge:
"Trotz allen vordergründigen Krawalls gelingt es kaum einer herkömmlichen
Partei noch, politische Angebote zu formulieren, die sich sichtbar und
scharf vom Angebot anderer Parteien unterscheiden. Alles klumpt sich in
der Mitte. ..... Dieser Fortschritt birgt aber auch einen Rückschritt. Will man an der
für eine Bürgergesellschaft eigentlich unverzichtbaren Idee festhalten,
dass Politik letztlich Streit, Diskurs und Wettbewerb zwischen
Alternativen sein muss, die sich in mehr als nur Nuancen unterscheiden,
die den Bürger angehen und für die er sich begeistern kann – dann wäre
die mittige Verklumpung der Politik eine Gefahr für die Demokratie. ..... Während wir hoffen, das System der Interessenartikulation durch mehrere
Parteien werde sich weltweit mehr und mehr durchsetzen, sieht mancher,
der von außen auf die westlichen Demokratien schaut, eine gegenläufige
Tendenz. Wenn, so das Argument, Parteien zwar von unterschiedlichen
Ausgangspositionen aus starten, dann aber doch alle im Kern dieselbe
Politik machen – warum braucht es dann mehrere Parteien? .....
Weil sie vor Laptops
sitzen, gelten sie als modern. Doch sie verkörpern nicht die Abenteuer-
und Expeditionsreisen, deren Möglichkeiten das Internet
vervielfacht hat; sie verkörpern nicht die Exzellenz, die das Netz
befördern kann. Sie verkörpern das sich downgradende Mittelmaß, das so
gern im Netz schwimmt. Sie strahlen interesselose Offenheit und deswegen
letztlich Leere aus: Wir sind, wie wir sind – entschieden, verändert,
gemacht, gekämpft wird morgen. Die „Piraten“
sind – auch hier ganz im Einklang mit einem Geist der Zeit –
Attentisten, Künstler des Vertagens, Begründungsverweigerer. Auch das
ist eine Form des Verzehrs der Zukunft durch die Gegenwart. Die
Transparenz, die sie fordern, verhilft nicht zu scharfer Einsicht und
Kommunikation, sondern führt in die Ödnis, in eine flirrende Wüste, in
der gar nichts mehr zu erkennen ist. ..... Nehmen wir daher aus brennendem Interesse am Fortschritt auch in der
wirklichen Welt die überraschend mühelose Ankunft der „Piraten“ in
einigen Parlamenten zum Anlass, das herkömmliche Instrumentarium der
repräsentativen Demokratie zu erneuern. Denn es ist viel besser,
schärfer und moderner als das Plastikbesteck der „Piraten“, die vor
allem eine Selbstgenügsamkeit verkörpern, die die ganze Gesellschaft –
die Arbeitswelt eingeschlossen – zu infantilisieren droht."
Nachträge 02.04.2012
Ohne mich dem Kesseltreiben der Zeitschrift bzw. Webseite "Cicero" (deren Artikel gelegentlich interessant ist, oft aber auch ideologisch im Mainstream verbohrt) anschließen zu wollen, verlinke ich hier 'pro memoriam' den Artikel "Saarlands Oberpiratin Maurer. Verhängnisvolle Spuren im Netz" von Paul Solbach vom 30. März 2012. Schon klar, dass ein Journalist sich ein solches Thema nicht entgehen lassen kann, wenn er darauf gestoßen ist. Aber etwas heuchlerisch wirkt es doch, wenn Solbach seine konkrete Kritik an Jasmin Maurer am Schluss salbungsvoll ins Allgemeine zu wenden vorgibt:
"Natürlich hat jeder Mensch das Recht, sich neu zu erfinden, politische
Ansichten zu ändern, Äußerungen zu bereuen und Fehler einzugestehen. Der
Fall Jasmin Maurer wirft deshalb auch die Frage auf, ob die
unbarmherzige Erinnerungsmaschine Internet dies überhaupt noch zulässt.
Fast scheint es so, als habe sich der Lebensraum Internet als Raum für
die freie charakterliche Entfaltung überlebt. Viele Jugendliche gehen zu
kritiklos mit dieser Kulturtechnik um."
Davon abgesehen, jenseits vom Rechts-Links-Schema: intellektuelle Vertiefung dürfen wir bei der Saar-Piratin offenbar noch weniger als beim Bundespiraten Sebastian Nerz erwarten. Insofern kann man auch die Enthüllungen von Paul Solbach begrüßen, weil sie am konkreten Beispiel weitere Belege für die Thesen von Thomas Schmid (DIE WELT, s. o.) liefern.
Erg.: Paul Solbach vom Magazin "Cicero" hat anscheinend geschlampt. Nils Minkmar schreibt heute in der FAZ v. u. d. T. "Detektive im Netz.
Jasmine oder Jasmin?": "Netz-Recherche ist nicht ungefährlich. Zumal, wenn zwei Personen
den gleichen Namen tragen: Wie „Cicero“ einen Piratenskandal suchte und
fand. ..... „Cicero“ findet eine Jasmin Maurer, also fast, denn sie nennt sich
Jasmine Maurer und kommt aus Friedrichstal, während die
Landtagsabgeordnete aus dem lieblichen Blieskastel kommt. Beide Orte
liegen bei Googlemaps nicht weit voneinander entfernt, kulturell aber
trennen sie Welten. Dass eine Blieskastelerin sich als eine
Friedrichstalerin ausgibt, ist ungefähr so wahrscheinlich, wie dass ein
Dudweilerer sagte, er stamme aus Sulzbach, oder ein Münchner aus
Falludscha oder Nürnberg. Jedenfalls erklärte Jasmin nach
Veröffentlichung des Artikels, sie sei nicht Jasmine und benutze auch
nicht die Mailadresse „SatansBraut89“, sondern „satansbraut89“ mit
kleinem b. ..... Schon skandalöser klingt ein alter Blogeintrag des Lebensgefährten von
Frau Maurer, der sich zu gnädig mit der NPD befasst. Doch der Mann ist
ja nicht gewählt, und Politiker für die Blogs ihrer Angehörigen haftbar
zu machen ist Ausweis journalistischer Materialknappheit bei
gleichzeitigem Skandalisierungswillen, das österliche Pendant zum
entlaufenen Panther im Stadtwald, der uns die Sommermonate füllt.
„Fischen die Piraten ihre Wähler in den trüben Gewässern des
Rechtspopulismus ab?“, fragt „Cicero“ besorgt. Und was für eine perfide
Form des Populismus wäre das: ein Geheimpopulismus!"
Andererseits: zwei Personen mit der gleichen Mailadresse, unterschieden nur durch großes oder kleines "b"??? Seit wann macht unterscheidet eine Mailadresse beim Anwählen zwischen Groß- und Kleinschreibung???
Nachtrag 4.4.12: Auch ein FAZ-Leserkommentator weist auf das Mail-Problem hin:
"
Andreas Redeker (Leontes)
- 02.04.2012 18:23 Uhr
3 FAZ-Artikel der jüngsten Zeit:
- "Gespräch mit Sebastian Nerz: Überall lauern Fettnäpfchen" 28.03.12
- "Der Erfolg der Piratenpartei. Piraten der Parteienlandschaft" 29.03.12 und
- "Piratenpartei-Vorsitzender Nerz: Der bürgerliche Pirat" 30.03.12
Peinlich.
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