Die in der
Berliner Zeitung vorgetragene Kritik an der
Verfassungsrichterkandidatin Prof. Ann-Katrin Kaufhold, die der "Plagiatsjäger" Stefan Weber herleitet
aus deren
Aufsatz „Schmetterlinge und das Verwaltungsrecht: Kann Aufsicht die Antwort
auf systemische Risiken sein?“, erschienen im Februar 2018 in der
japanischen Zeitschrift „Osaka
University Law Review“, ist ebenso undifferenziert wie unfair.
Weber nimmt
eine Textpassage, worin Kaufhold eine „Systemaufsicht“ fordert:„Eine
Systemaufsicht ist … weder Staats- noch Wirtschaftsaufsicht, sie ist weder
Fremd- noch Selbstkontrolle. Sie tritt viel mehr als eigenständige Grundform
der Aufsicht neben die tradierten Kategorien. Der Gesetzgeber sollte sich
dieser neuen Aufsichtsform bedienen, wenn er systemische Risiken abwehren
möchte!“
Diese
kombiniert er mit einer anderen Stelle, wo Kaufhold diese Systemaufsicht eine „neue
Kontrollform“ nennt. Und schlussfolgert schwupps, dass sie „ein
Kontrollorgan Orwell’scher Prägung“ etablieren wolle. Obwohl ihre
Ausführungen in keinster Weise erkennen lassen, wie ihre „Systemaufsicht“ eigentlich
genau funktionieren soll.
Weber
jedoch deduziert unverdrossen, dass diese „Systemaufsicht“ notwendig
eine weltweite sein müsse, somit über den Nationalstaaten und sogar über supranationalen
Gebilden wie der EU stehe. Und weil Kaufhold nicht beschreibt, „wie diese
weltweite neue Kontrollform demokratisch legitimiert werden soll“,
unterstellt er ihr kurzerhand einen „Angriff auf die freiheitliche
demokratische Grundordnung“.
Wem das zu
dünn ist, dem kommt Weber mit einer – mangels Namensnennung freilich
unbeglaubigten – Autorität: Ein „bekannter Rechtswissenschaftler“ habe
die Ausführungen Kaufholds als bedrohlich klingend empfunden und sehe sie „möglicherweise“
(!) in einem „diametralen Gegensatz zu zentralen Grundsätzen liberaler
Demokratien“. ‚Aufsicht‘ bedeute „hoheitlichen Vorrang gegenüber
Individualrechten“ und bedürfe „damit stets einer spezifischen
Rechtfertigung“. „Die Einführung genereller, unbestimmter Aufsichts- und
Interventionsrechte“ rufe „Assoziationen zu Orwell wach“.
Das sind insofern keine überzeugenden Argumente gegen Kaufhold, als diese (jedenfalls in ihrem hier behandelten Aufsatz) weder eine „spezifische Rechtfertigung“ für Ihre Systemaufsichtsideen ausgeschlossen hat, noch deren genauere Bestimmung. Und irgendwelche „Assoziationen“, die ihren Kritikern bei der Lektüre ihrer Ideen kommen, beweisen gleich gar nichts.
So schwenkt der ‚bekannte Rechtswissenschaftler‘ vom verfassungsrechtlichen Feld denn auch rasch auf ein anderes ab: Ihr Modell sei ineffizient und lasse „grundlegende nationalökonomische Kenntnisse vermissen“. Schließlich mute es elitär-bevormundend an; aber auch das liegt nicht in der Macht eines Autors, Anmutungen, die sein Text bei Lesern auslöst, spezifisch zu steuern.
Noch abenteuerlicher ist, im Rahmen des Effizienzsarguments, die Berufung des (offenbar mehr oder weniger libertären) ‚bekannten Rechtswissenschaftlers‘ auf Ludwig von Mises. Der konnte sich logischer Weise zu seiner Zeit noch gar nicht auf das (potentiell weltweite) Systemaufsichtsmodell der Juristin Kaufhold beziehen. Mises war ein Marktradikaler; wenn der gegen staatliche Aufsicht war, dann gegen JEDE Form. Wenn also der von Weber angeführte Rechtswissenschaftler behauptet, Mises habe „schon gezeigt“, dass „ein solches dirigistisches Gesellschaftsmodell gegenüber einem individualrechtsorientierten, marktbasierten Modell schon auf der Effizienzebene unterlegen“ sei, dann lehnt er (und mithin auch Weber, der ihn zustimmend zitiert) JEDE staatliche Aufsicht über private Wirtschaftsaktivitäten ab. Solche Leute glauben, die unsichtbare Hand des Marktes richte ganz von alleine alles zu unserem Besten.
Das sind insofern keine überzeugenden Argumente gegen Kaufhold, als diese (jedenfalls in ihrem hier behandelten Aufsatz) weder eine „spezifische Rechtfertigung“ für Ihre Systemaufsichtsideen ausgeschlossen hat, noch deren genauere Bestimmung. Und irgendwelche „Assoziationen“, die ihren Kritikern bei der Lektüre ihrer Ideen kommen, beweisen gleich gar nichts.
So schwenkt der ‚bekannte Rechtswissenschaftler‘ vom verfassungsrechtlichen Feld denn auch rasch auf ein anderes ab: Ihr Modell sei ineffizient und lasse „grundlegende nationalökonomische Kenntnisse vermissen“. Schließlich mute es elitär-bevormundend an; aber auch das liegt nicht in der Macht eines Autors, Anmutungen, die sein Text bei Lesern auslöst, spezifisch zu steuern.
Noch abenteuerlicher ist, im Rahmen des Effizienzsarguments, die Berufung des (offenbar mehr oder weniger libertären) ‚bekannten Rechtswissenschaftlers‘ auf Ludwig von Mises. Der konnte sich logischer Weise zu seiner Zeit noch gar nicht auf das (potentiell weltweite) Systemaufsichtsmodell der Juristin Kaufhold beziehen. Mises war ein Marktradikaler; wenn der gegen staatliche Aufsicht war, dann gegen JEDE Form. Wenn also der von Weber angeführte Rechtswissenschaftler behauptet, Mises habe „schon gezeigt“, dass „ein solches dirigistisches Gesellschaftsmodell gegenüber einem individualrechtsorientierten, marktbasierten Modell schon auf der Effizienzebene unterlegen“ sei, dann lehnt er (und mithin auch Weber, der ihn zustimmend zitiert) JEDE staatliche Aufsicht über private Wirtschaftsaktivitäten ab. Solche Leute glauben, die unsichtbare Hand des Marktes richte ganz von alleine alles zu unserem Besten.
Das ist ein
Kinderglaube für Denkfaule. Und natürlich Wasser auf die Mühlen derjenigen, die
von einem total entfesselten Markt zu profitieren hoffen. Die Masse des Volkes gehört
nicht dazu; aber auch viele Reiche sowie jene Libertären „Austrians“, die sich
für schlau genug halten, am freien Markt die schnelle Mark zu machen, würden an
einem komplett deregulierten Markt ihr blaues Wunder erleben. (Unter anderem
deshalb, weil eine von Staatseingriffen freie Wirtschaft rasch von den großen
privaten Akteuren vermachtet würde und deshalb alles andere als wirklich frei
wäre.)
In Wahrheit ist die Finanzmarktregulierung, mit der sich Kaufhold als Juristin beschäftigt, jedenfalls im Prinzip nicht nur für die gesamte Volkswirtschaft sinnvoll und notwendig, sondern liegt auch im wohlverstandenen Interesse der allermeisten Finanzmarktakteure selber.
Trotz alledem hat Weber einen Punkt – wenn auch nicht den, den er selber zu haben glaubt. Der Aufsatz von Frau Prof. Kaufhold hat nämlich gewaltige Mängel, von denen ich einige hier darstelle.
Das beginnt schon mit der Überschrift, denn auf ihre dort selbstgestellte Frage „Kann Aufsicht die Antwort auf systemische Risiken sein?“ liefert Kaufholds Aufsatz keine Antwort. Sie verzettelt sich im Laufe des Textes immer mehr ins Klein-Klein: Welchen Akteuren man die Kosten für Sicherungsmaßnahmen auferlegen darf, ob die Verantwortung für evtl. Systemprobleme den Akteuren zuzurechnen ist und dass die deutsche Verwaltungsrechtswissenschaft „die Begriffe der Aufsicht, Kontrolle und Überwachung … ganz unterschiedlich gebraucht.“
In Wahrheit ist die Finanzmarktregulierung, mit der sich Kaufhold als Juristin beschäftigt, jedenfalls im Prinzip nicht nur für die gesamte Volkswirtschaft sinnvoll und notwendig, sondern liegt auch im wohlverstandenen Interesse der allermeisten Finanzmarktakteure selber.
Trotz alledem hat Weber einen Punkt – wenn auch nicht den, den er selber zu haben glaubt. Der Aufsatz von Frau Prof. Kaufhold hat nämlich gewaltige Mängel, von denen ich einige hier darstelle.
Das beginnt schon mit der Überschrift, denn auf ihre dort selbstgestellte Frage „Kann Aufsicht die Antwort auf systemische Risiken sein?“ liefert Kaufholds Aufsatz keine Antwort. Sie verzettelt sich im Laufe des Textes immer mehr ins Klein-Klein: Welchen Akteuren man die Kosten für Sicherungsmaßnahmen auferlegen darf, ob die Verantwortung für evtl. Systemprobleme den Akteuren zuzurechnen ist und dass die deutsche Verwaltungsrechtswissenschaft „die Begriffe der Aufsicht, Kontrolle und Überwachung … ganz unterschiedlich gebraucht.“
Darüber jedoch, wie ihre Super-Aufsicht KONKRET funktionieren soll, schweigt
sie sich aus. Ob sie diesen Aspekt in ihrem Buch „Systemaufsicht:
Anforderungen an die Ausgestaltung einer Aufsicht zur Abwehr systemischer
Risiken - entwickelt am Beispiel der Finanzaufsicht“ von 2016
(zufriedenstellend) behandelt hat, weiß ich nicht.
Gleich eingangs, auf S. 47, spricht sie von "eine[r] mit ihrer [der Systemrisiken] Abwehr beauftragte[n] Aufsicht". (Meine Hervorhebung)
Dieser hauptsächlich im Sicherheitswesen (Militär, Polizei, Geheimdienste) gängie Begriff suggeriert nach meinem Empfinden eher die nachträgliche Bekämpfung (eines ins Land eingedrungenen Feindes - bzw. einer Krise). Aber man kann wohl auch die Verhinderung (Vorbeugung) darunter verstehen. Und das scheint tatsächlich auch der Schwerpunkt von Kaufholds Überlegungen zu sein (auf S. 52 spricht sie von "Aufsicht und Überwachung").
Erstaunlich ist es, zumal für eine Sozialdemokratin, dass Kaufhold jegliche personale Verantwortlichkeit der Finanzmarktakteure negiert, und alle Verantwortung kurzerhand ins Nirwana der Relationalitäten auslagert: Weil in einem System alles von allem abhängt, soll sozusagen niemand an nichts schuld sein. (Z. B.. S. 59: "Im Fall systemischer Risiken ist ... diese Unterscheidung zwischen
Verantwortlichen und Nicht-Verantwortlichen ... nicht möglich".)
Das ist selbstverständlich blanker Unsinn. Richtig ist zwar, dass die Akteure in einem solchen System nicht unbedingt eine STRAFRECHTLICHE Schuld trifft. (S. 61: "Rechtswidriges Verhalten kann zur Systemrisikoentwicklung beitragen, typisch ist das aber nicht. Im Gegenteil, systemische Risiken entstehen in der Regel als Folge rechtmäßiger Freiheitsbetätigungen.")
Das Aber WENN ich
Kausalursachen für ein (potentielles) Systemversagen identifizieren kann, dann
muss ich (wiederum: im Prinzip) auch Personen identifizieren können, deren
Handeln oder Unterlassen diese Ursachen gesetzt haben. Die Frage, ob diese
Akteure dabei rechtmäßig gehandelt haben oder nicht, liegt auf einer anderen
Ebene. Kann ich dagegen KEINE Kausalursachen ausmachen, ist auch jegliche
Aufsicht sinnlos: An welchen Schwachstellen sollte Regulierung denn dann
ansetzen?
Das Kernproblem an Kaufholds Aufsatz ist freilich die Abstraktionsfalle, in die sie ebenso beherzt wie ahnungslos reintappt.
Alle Welt redet von „Systemrisiken“ – also muss es doch eine reale Entität, Wesenheit o. ä. geben, deren Eigenschaften und Reaktionsweisen man erforschen kann? Macht doch z. B. die Physik genau so: Materie, Energie, Masse usw.?
Das Kernproblem an Kaufholds Aufsatz ist freilich die Abstraktionsfalle, in die sie ebenso beherzt wie ahnungslos reintappt.
Alle Welt redet von „Systemrisiken“ – also muss es doch eine reale Entität, Wesenheit o. ä. geben, deren Eigenschaften und Reaktionsweisen man erforschen kann? Macht doch z. B. die Physik genau so: Materie, Energie, Masse usw.?
Das
jedoch sind Eigenschaften, die Dingen innewohnen oder die jedenfalls eine objektive Realität haben. Und die man zu
Erkenntniszwecken isolieren kann und muss, weil es das „Ding an sich“ nicht
gibt und weil eine Debatte über irgendein „wirkliches Wesen der Dinge“
sinnfreies Geschwafel wäre.
Gewiss erforscht auch die Physik Systeme: Das Wetter z. B. Doch dieses System existiert unabhängig von den Menschen (selbst wenn wir es, gewollt oder nicht, graduell beeinflussen können).
Gewiss erforscht auch die Physik Systeme: Das Wetter z. B. Doch dieses System existiert unabhängig von den Menschen (selbst wenn wir es, gewollt oder nicht, graduell beeinflussen können).
Der Finanzmarkt dagegen ist ein rein
menschengemachtes und menschengesteuertes System, das mit der Natur nichts mehr
zu tun hat. (Auch das gilt zwar nur „im Prinzip“, nicht mit totaler
Absolutheit. Dennoch grenzt diese Beschreibung beispielsweise das
Finanz“system“ mit hinreichender Genauigkeit vom Wetter“system“ ab.)
Über die Funktionsmechanismen des Finanzsystems haben Menschen immerhin hinreichend konkret und nicht ganz erfolglos nachgedacht. Mit diesen Erkenntnissen konnten die Verantwortlichen (insbesondere die Zentralbanken und die Regierungen) z. B. verhindern, dass die Finanzkrise 2007 ff. zu einer Kernschmelze geführt hat, wie seinerzeit die Weltwirtschaftskrise von 1929 ff..
Über die Funktionsmechanismen des Finanzsystems haben Menschen immerhin hinreichend konkret und nicht ganz erfolglos nachgedacht. Mit diesen Erkenntnissen konnten die Verantwortlichen (insbesondere die Zentralbanken und die Regierungen) z. B. verhindern, dass die Finanzkrise 2007 ff. zu einer Kernschmelze geführt hat, wie seinerzeit die Weltwirtschaftskrise von 1929 ff..
(Am Rande: Anders als bei natürlichen Systemen werden menschliche Systeme durch unser Wissen über deren Mechanismen beeinflusst. Eine für meine Wahrnehmung prägende Beschreibung dieser "Rückkoppelung" hat George Soros in seinem brillanten Essay „The Capitalist Threat“ geliefert.)
Wie jede menschliche Einrichtung (bzw. genauer: weitaus mehr als viele andere gesellschaftlichen Konstruktionen!) ist auch das Finanzsystem risikobehaftet. Diese Risiken kann man im Prinzip identifizieren; man kann ihnen entgegenwirken. Häufig erfolgreich, manchmal nicht.
Aber aus unserem diesbezüglichen Wissen ein
allgemeines „Risikosystem“ zu destillieren, und aus einem solchen Abstraktum allen
möglichen anderen Lebensbereichen Vorsorge- und/oder Gegenmaßnahmen herleiten zu wollen, in denen für unser
Empfinden krisenhafte Erscheinungen vorkommen: Das geht einfach nicht. Damit
unterliegt Kaufhold dem Trugschluss der Reifikation.
(Ein anderes Wikipedia-Stichwort nennt das den „Fehlschluss der deplatzierten Konkretheit“. Ich halte auch die Bezeichnung „Trugschluss der BEGRIFFSVERDINGLICHUNG“ für gut geeignet.)
Dass Kaufhold ihre Ausführungen an einem ihrer Forschungsgebiete, der Finanzmarktaufsicht, orientiert, ist ihr selbstverständlich nicht vorzuwerfen. Wohl aber, dass sie vom Boden der Realität abhebt und mit Begriffen jongliert, die zunehmend inhaltslos werden. So etwa, wenn sie schreibt: “Systemrisiken sind relational. Systemische Risiken entwickeln sich aus dem Zusammenspiel – also dem parallelen und/oder wechselwirkenden Verhalten – mehrerer Systemelemente, nicht aus dem Zustand oder Verhalten einzelner Bestandteile.“
Systemkrisen kommen nicht wie eine einzige platzende Granate über uns. Sie entwickeln sich als eine Kaskade von Kausalzusammenhängen, die aus objektiver Sicht bloß Ereignisse (Entwicklungen) sind. Wir Menschen (zumindest die meisten von uns; Krisenprofiteure gibt es natürlich auch!) empfinden und beschreiben sie als Fehlentwicklungen. Entsprechend versuchen wir, sie je nach Sachstand zu verhindern oder zu bekämpfen. Solche Krisen sind eine Folge von (aus unserer Sicht: unerfreulichen) Kausalverkettungen. Aber jede einzelne Kausalursache entwickelt sich aus dem Zustand oder Verhalten eines einzelnen Systemelements und aus dessen Wirkung auf andere. Ihre Kausalursache liegt nicht in irgendeinem relationalen Interdependenzraum zwischen den Akteuren. Dieser Raum ist absolut eigenschaftslos und als reines Abstraktum unserer Beobachtung und Beeinflussung unzugänglich.
Das beschreibt Kaufhold auf S. 57 sogar selber:
„Eine Systemaufsicht muss Beziehungen
steuern. Beziehungen oder Muster lassen sich jedoch ebenso wenig unmittelbar
regeln, wie man sie unmittelbar beobachten kann. Eine Aufsicht kann sie nur
mittelbar beeinflussen, indem sie mehrere einzelne Elemente steuert und die
Steuerung dieser einzelnen Elemente koordiniert.“
Es bleibt schleierhaft,
warum sie dann in ihren konkreten Ausführungen dennoch die Relationen so behandelt, als ob sie irgendwelche realen Eigenschaften hätten.
Gut veranschaulichen lässt sich die, ich sage mal: „Substanzleere des Zwischenraumes“ an einem Beispiel, das aus bekannten Gründen aktuell sozusagen in der Luft liegt: Trifft eine Drohne einen Panzer, dann kann man behaupten, dass das „an ihrer Flugbahn liegt“
Gut veranschaulichen lässt sich die, ich sage mal: „Substanzleere des Zwischenraumes“ an einem Beispiel, das aus bekannten Gründen aktuell sozusagen in der Luft liegt: Trifft eine Drohne einen Panzer, dann kann man behaupten, dass das „an ihrer Flugbahn liegt“
Aber „Flugbahn“ ist ein Abstraktum; als
solche ist sie keine Kausalursache und niemand kann auf sie einwirken.
Beeinflussbar ist lediglich die Drohne selber (sowie u. U. auch das - potentielle- Ziel: etwa durch Standortwechsel, baulichen Schutz oder Tarnung): Mittels elektronischer Störung oder
Abschuss; theoretisch vielleicht auch durch große Windmaschinen oder durch ein Geschwader
suizidaler Schmetterlinge kann man ihren Lauf verändern (oder, vorzugsweise,
vorzeitig beenden 😉).
Kaufhold dagegen unterliegt, wie gesagt, dem Fehlschluss der Begriffsverdinglichung. Weil die Probleme in einem System erst durch ein (negatives) Zusammenspiel der einzelnen Elemente entstehen, attribuiert sie (ohne das selber zu bemerken und zu reflektieren) den Relationen als solchen ein quasi-dingliches Eigenleben. Das diese in Wahrheit natürlich nicht haben.
Es ist ja richtig, dass „eine Blase und damit ein systemisches Risiko“ entsteht, „nur weil und erst wenn viele Banken ihren Geschäftsentscheidungen dieselbe Erwartung und Risikobewertung zugrunde legen“. Aber verhindern oder stoppen kann ich ein derartiges Herdenverhalten allenfalls dadurch, dass ich, wie auch immer, auf die (Vielzahl der) einzelnen Banken (der "Sender" wie der "Empfänger" von -potentiell- problematischen "Signalen") einwirke.
Daher ist auch ihre Meinung irrig „Weil systemische Risiken relational sind und weil zudem sämtliche Elemente eines Systems für ihre Entstehung potentiell von Bedeutung sind, kann sich die Entscheidung einer Systemaufsicht jedoch nicht an der Verantwortung für das Risiko orientieren.“
Dass „systemische Risken“ erst durch eine Wechselwirkung von Einzelelementen zur Krise werden bedeutet eben nicht, dass die Wechselwirkung (die „Drohnenflugbahn“) als solche die Kausalursache wäre. Sie ist und bleibt eine bloße Abstraktion.
Schlicht falsch ist Kaufholds Darstellung „Die Beteiligten können ihr eigenes Verhalten ändern und damit eine, aber keine bestimmte Modifikation bewirken und das Risiko deshalb alleine nicht abwehren.“ Wäre z. B. die Bank Lehman Brothers ein geringeres Risiko eingegangen, wäre sie vermutlich nicht pleite gegangen. Dann wäre auch nicht der Geldmarkt zusammengebrochen usw. Das ist natürlich eine verkürzte Darstellung der damaligen Situation. Marode war seinerzeit nicht nur diese Bank, sondern waren, aus unterschiedlichen Gründen, auch viele andere, vielleicht sogar „das gesamte Finanzsystem“. Aber welche konkreten Hebel hätte denn überhaupt irgendeine makroprudentielle Aufsicht, um auf das System einzuwirken, wenn nicht die über die je einzelnen Finanzinstitute? Sie selber schreibt auf S. 58/59:
Kaufhold dagegen unterliegt, wie gesagt, dem Fehlschluss der Begriffsverdinglichung. Weil die Probleme in einem System erst durch ein (negatives) Zusammenspiel der einzelnen Elemente entstehen, attribuiert sie (ohne das selber zu bemerken und zu reflektieren) den Relationen als solchen ein quasi-dingliches Eigenleben. Das diese in Wahrheit natürlich nicht haben.
Es ist ja richtig, dass „eine Blase und damit ein systemisches Risiko“ entsteht, „nur weil und erst wenn viele Banken ihren Geschäftsentscheidungen dieselbe Erwartung und Risikobewertung zugrunde legen“. Aber verhindern oder stoppen kann ich ein derartiges Herdenverhalten allenfalls dadurch, dass ich, wie auch immer, auf die (Vielzahl der) einzelnen Banken (der "Sender" wie der "Empfänger" von -potentiell- problematischen "Signalen") einwirke.
Daher ist auch ihre Meinung irrig „Weil systemische Risiken relational sind und weil zudem sämtliche Elemente eines Systems für ihre Entstehung potentiell von Bedeutung sind, kann sich die Entscheidung einer Systemaufsicht jedoch nicht an der Verantwortung für das Risiko orientieren.“
Dass „systemische Risken“ erst durch eine Wechselwirkung von Einzelelementen zur Krise werden bedeutet eben nicht, dass die Wechselwirkung (die „Drohnenflugbahn“) als solche die Kausalursache wäre. Sie ist und bleibt eine bloße Abstraktion.
Schlicht falsch ist Kaufholds Darstellung „Die Beteiligten können ihr eigenes Verhalten ändern und damit eine, aber keine bestimmte Modifikation bewirken und das Risiko deshalb alleine nicht abwehren.“ Wäre z. B. die Bank Lehman Brothers ein geringeres Risiko eingegangen, wäre sie vermutlich nicht pleite gegangen. Dann wäre auch nicht der Geldmarkt zusammengebrochen usw. Das ist natürlich eine verkürzte Darstellung der damaligen Situation. Marode war seinerzeit nicht nur diese Bank, sondern waren, aus unterschiedlichen Gründen, auch viele andere, vielleicht sogar „das gesamte Finanzsystem“. Aber welche konkreten Hebel hätte denn überhaupt irgendeine makroprudentielle Aufsicht, um auf das System einzuwirken, wenn nicht die über die je einzelnen Finanzinstitute? Sie selber schreibt auf S. 58/59:
"Die bekanntesten makroprudentiellen Instrumente der Finanzaufsichtsbehörden sind Eigenkapitalpuffer. Denkbar wären aber z. B. auch zusätzliche Anforderungen an das Risikomanagement oder an die Besicherung von Krediten."
(M. W. werden diese von ihr als "denkbar" bezeichneten Vorsorge-Maßnahmen längst praktiziert und in Gesetzen bzw. von Aufsichtsbehörden vorgeschrieben!)
Eine Zentralbank hat natürlich andere Möglichkeiten, zu reagieren: Die kann einfach das ganze Finanzsystem mit Geld fluten. Und genau das geschah 2007 ff. ja auch: Zum Glück! Hätten die Notenbanken das bereits 1929 getan, wäre der Menschheit großes Leid erspart geblieben! Aber der Kaufhold-Aufsatz beschäftigt sich mit der Aufsicht, also mit der Vorbeugung gegen und der Verhinderung von Krisen. Während solche Zentralbank-Aktionen der Bekämpfung bereits eingetretener Krisen dienen. In ihrem Aufsatz wird nicht klar, ob sie sich ihre - ich sage mal - "Überinstanz" als eine Vereinigung von Krisenvorsorge- und Krisenbekämpfungsinstitution vorstellt. Das läge eigentlich in der Ratio einer "Superbehörde". (Ob eine solche Vereinigung beider Funktionen in einer Institution auch zweckmäßig wäre, ist eine andere Frage.)
Eine Zentralbank hat natürlich andere Möglichkeiten, zu reagieren: Die kann einfach das ganze Finanzsystem mit Geld fluten. Und genau das geschah 2007 ff. ja auch: Zum Glück! Hätten die Notenbanken das bereits 1929 getan, wäre der Menschheit großes Leid erspart geblieben! Aber der Kaufhold-Aufsatz beschäftigt sich mit der Aufsicht, also mit der Vorbeugung gegen und der Verhinderung von Krisen. Während solche Zentralbank-Aktionen der Bekämpfung bereits eingetretener Krisen dienen. In ihrem Aufsatz wird nicht klar, ob sie sich ihre - ich sage mal - "Überinstanz" als eine Vereinigung von Krisenvorsorge- und Krisenbekämpfungsinstitution vorstellt. Das läge eigentlich in der Ratio einer "Superbehörde". (Ob eine solche Vereinigung beider Funktionen in einer Institution auch zweckmäßig wäre, ist eine andere Frage.)
Ihren Aufsatz leitet sie mit Ausführungen über die SARS-Krankheit 2002 ff. ein. Dabei zitiert sie aus einer Quelle:
„Die Auslöser der Krankheit waren unbekannt.
Ob und wie sie zwischen Menschen übertragen werden konnte, wusste man nicht.
Panik brach aus. Die Hotelbelegungsrate in Hong Kong fiel abrupt um 80 %,
Hotels in Peking waren schon bald zu nur noch 2 % belegt. … Die
wirtschaftlichen Folgekosten von SARS werden auf insgesamt etwa 100 Mrd. Dollar
geschätzt“.
Was soll in einem solchen Fall (oder ganz allgemein bei einer Pandemie) überhaupt das „System“ sein, auf das man einwirken müsste bzw. für das man eine krisenverhindernde - und ggf. auch krisenbekämpfende - Systemkrisenbehörde einrichten müsste und worauf man diese ausrichten könnte? Die Gesundheitsversorgung? Die Gastronomie? Die Medien bzw. allgemein die Kommunikation der Bürger? Und wie könnte eine präventive Aufsicht auf Ereignisse einwirken, die gar nicht vorhersehbar sind?
Was soll in einem solchen Fall (oder ganz allgemein bei einer Pandemie) überhaupt das „System“ sein, auf das man einwirken müsste bzw. für das man eine krisenverhindernde - und ggf. auch krisenbekämpfende - Systemkrisenbehörde einrichten müsste und worauf man diese ausrichten könnte? Die Gesundheitsversorgung? Die Gastronomie? Die Medien bzw. allgemein die Kommunikation der Bürger? Und wie könnte eine präventive Aufsicht auf Ereignisse einwirken, die gar nicht vorhersehbar sind?
Hätte sich Kaufhold selbstkritisch solche Fragen
gestellt, dann wäre ihr unmittelbar klar geworden, dass die mit ihrer abstrahierend-deduzierenden Methodik gewonnenen "Einsichten" über Systemrisiken schlechthin und an sich bloße Scheinerkenntnisse sind. Und ihrer Luftschlossbehörde wäre gleich am Anfang die Luft ausgegangen.
Jedoch bekennt sogar der wirklich große Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes in der Einleitung zu seiner „General Theory …“ offen über sich selber:
„Es ist erstaunlich, auf welch törichte Ideen man zuweilen kommt, wenn man zu lange allein für sich nachdenkt, ganz besonders in der Volkswirtschaftslehre (aber auch anderen Geisteswissenschaften), wo es oft unmöglich ist, seine Ideen beweiskräftigen formalen oder experimentellen Tests zu unterziehen.“
Von daher wäre es unfair, die Verfassungsgerichtskandidatin Prof. Ann-Katrin Kaufhold allein nach einem einzigen Aufsatz be- und verurteilen zu wollen. Wie oben berichtet, hat sie 2016 hat das Buch „Systemaufsicht: Anforderungen an die Ausgestaltung einer Aufsicht zur Abwehr systemischer Risiken – entwickelt am Beispiel der Finanzaufsicht“ verfasst. Ich habe nicht die Absicht, mich darin „einzugraben“. Aber dieses Buch müsste man schon kennen und in die Analyse einbeziehen, um fundierter über die Kandidatin zu urteilen, als Weber das tut.
Allemal ist aber ihr hier behandelter Aufsatz kein Glanzpunkt; wir können nur hoffen, dass er von den Japanern nicht als Spitzenleistung deutschen Denkens rezipiert wird.
ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand 25.09.2025
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen