Sonntag, 27. Februar 2011

Mein Kommentar zur Doktorarbeit unseres derzeitigen Verteidigungsministers Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg

Zunächst einmal [um Plagiatsvorwürfen vorzubeugen ;-) ] eine Quellenangabe zu meiner o. a. Angabe der vollständigen Vornamen unseres derzeitigen (noch) Verteidigungsministers: das ist natürlich die Wikipedia.

Mein Eingangssatz klingt bezüglich der Plagiatsvorwürfe etwas schnodderig und könnte den Eindruck erwecken, dass ich die Vorwürfe gegen Karl-Theodor zu Guttenberg, wonach seine Dissertation „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“ - vorsichtig formuliert - nicht den wissenschaftlichen Standards entspricht (weswegen die Universität Bayreuth ihm ja auch den Doktortitel aberkannt hat) für weniger wichtig halte.

Das ist jedoch nicht der Fall;
allerdings habe ich mich nicht sehr intensiv mit der Angelegenheit befasst. Indes steht für mich fest, dass Guttenberg bei seiner Arbeit nicht lediglich geschlampt, eine Mengen von Zitaten ganz bewusst - juristisch gesprochen also: vorsätzlich - nicht als solche gekennzeichnet hat.
Die abgekupferten und nicht mit einer Quellenangabe versehenen Textpassagen sind  mittlerweile auf einem (von wem auch immer) eigens dafür eingerichteten Portal, doppelsinnig als "GuttenPlag-Wiki" bezeichnet, akribisch dokumentiert.



Der Baron wird in verschiedenen Medien sogar mit seinem Standesgenossen Baron von Münchhausen verglichen und als "Lügenbaron" bezeichnet.


Große Teile der Deutschen stehen dennoch hinter Guttenberg. Obwohl Experten eindeutig eine vorsätzliche Täuschung sehen. Diese Stimmen sind z. B. in dem Spiegel Online-Artikel "Top-Juristen unterstellen Guttenberg Vorsatz" vom 26.02.11 benannt.
Auf andere Weise kommt, noch weitaus eindrucksvoller, Jürgen Kaub auf FAZ.Net in seinem Kommentar "Vgl. auch Guttenberg 2009" vom 21.02.2011 zu dem Schluss, dass der Freiherr Karl-Theodor zu Guttenberg sich hier die Freiheit genommen hat, seinen Doktortitel zu mit vorsätzlicher Täuschung zu erschleichen. (Kaub hatte übrigens schon am 16.02., also unmittelbar bei Bekanntwerden des Plagiatsvorwurfs und noch bevor das ganze Ausmaß der freiherrlichen Abschreiberei bekannt war, u. d. T. "Zu Guttenbergs Doktorarbeit. Summa cum laude?" unter Bezug auf bestimmte Passagen festgestellt, dass es sich dabei (im Gegensatz zu anderen Stellen) nicht um versehentliche Fehler handeln könne:
"Hier wird man nicht Nachlässigkeit ohne Bewusstsein der Zitierpflicht an den betreffenden Stellen annehmen können. Niemand vergisst, ob die ersten Absätze eines eigenen Buches aus eigenen Sätzen bestehen oder aus Zitaten. Ein solcher Missgriff und Regelverstoß machen sprachlos."

Da erschreckt es mich doch einigermaßen, wenn ein Großteil der Deutschen Guttenbergs Verhalten offenbar als unwesentlich für seine Gesamtbewertung als Politiker einstuft und gar nicht wenige gar von einem "linken Komplott" sprechen (diese Heuchler würden vor Ehrbarkeit ausrasten, wenn ein "Linker" seine Doktorarbeit über weite Strecken aus Plagiaten bestritten hätte, somit zugleich eine falsche eidesstattliche Versicherung gegenüber der Universität abgegeben und auch noch die Öffentlichkeit so lange zu belügen versucht hätte, bis die gegenteiligen Fakten voll auf dem Tisch liegen!).
Die Umfrageergebnisse sind zwar widersprüchlich wie noch nie:
  "Bild.de-Leser revoltieren gegen Guttenberg" schreibt SPON v. 24.02.11;
Bild selbst versucht in dem Artikel: "Schummel-Debatte Umfrage-Rätsel Guttenberg“ (25.02.11) u. a. auch, die Internet-Umfrageergebnisse, die gegen Guttenberg ausgegangen sind, abzuwerten, z. B. mit dem Argument, dass man mehrfach klicken könne. (Das ist nicht falsch, lässt sich aber natürlich in beide Richtungen wenden: warum sollten nur Guttenbergs Gegner mehrfach klicken? )
Im Übrigen ist der Begriff "schummeln" eine krasse Beschönigung des Guttenbergschen Dissertationsbetruges, aber die Tendenz der Bild-Zeitung* wurde bereits in der "Post von Wagner" vom 17.02.2011 u. d. T. "Lieber Dr. zu Guttenberg" vorgegeben* *:
"Immer sah Guttenberg besser aus als alle anderen. Ich glaube, das war der Moment, wo die Jagd auf Guttenberg begann. Hat er als Schüler geklaut? Hat seine Frau ein uneheliches Kind? Hat er die Steuer beschissen? Aaaha, endlich die Doktorarbeit. Die Jäger haben ein Schussfeld. ... Ich habe keine Ahnung von Doktorarbeiten. Ich flog durchs Abitur und habe nie eine Universität von innen gesehen. Also, ich kann von außen sagen: Macht keinen guten Mann kaputt. Scheiß auf den Doktor."
Von einem Journalisten sind derartige Reaktionen erschreckend, aber leider (auch ohne dass die Medien - die in dieser Affäre mehrheitlich gegen Guttenberg plädieren) im Volk weit verbreitet (wovon ich selbst z. B. vor einigen Tagen in der Augsburger Allgemeinen Zeitung - bzw. der Allgäuer Zeitung - überzeugen musste). [Erg. 1.3.11: s. dazu auch die Reaktion des Chefredakteurs der Augsburger Zeitung, Markus Günther, im Kommentar "Guttenberg, ein Missverständnis. Deutschlands beliebtester Politiker ist entzaubert" vom 28.02.11: "Dass es tatsächlich um Hochstapelei geht, ist nicht überall verstanden worden. Statt dessen stehen die Medien selbst in der Kritik, auch diese Zeitung."]
Wir haben in gewisser Hinsicht die gleiche Konstellation zwischen Publikum und Medien wie bei Thilo Sarrazin und Axel Weber: dort waren die Medien mehr oder weniger gegen die Personen Personen, das Publikum für sie. Und ebenso ist es bei Guttenberg. In diesem Falle freilich muss ich mich, anders als in Sachen Thilo Sarrazin und Axel Weber, von großen Teilen meiner Landsleute distanzieren: Plagiatsvorwürfe sind, zumal im wissenschaftlichen Bereich, keine Petitesse. Und, wie Jürgen Kaube in seinem o. a. FAZ-Artikel vom 21.02. richtig feststellt, greift das Relativitäts-Argument nicht durch:
"Selbstverständlich gibt es Wichtigeres. Es gibt auch Wichtigeres als Steuerhinterziehung, Fahren im angetrunkenen Zustand, ... . Soll man darum nicht mehr sagen dürfen, worum es sich handelt? Hier um Täuschung großen Stils, um Unehrlichkeit also. Wer die toten Soldaten in Afghanistan oder die Bundeswehrreform aufbietet, um den Verdacht einer Täuschung mit anschließender Lüge als Petitesse darzustellen, sollte sich mit Vorwürfen, das Plagiat werde politisch instrumentalisiert, zurückhalten. Der Bundestagsabgeordnete Lauterbach (SPD) hat es richtig gesagt: Man kann das Prüfen an den Universitäten einstellen, wenn das Argument, es gebe Wichtigeres, Schule macht. Ein solches Argument ist sogar geeignet, dem Rechtsstaat in die Kniekehlen zu treten."
Und dass es so viele Landsleute gibt, die eben das tun wollen, macht mir ein wenig Angst. Haben wir uns schon so sehr an Berlusconi-Eskapaden gewöhnt, dass wir nun auch unseren eigenen Politikern gravierende Verfehlungen im privaten Bereich, die zwangsläufig auf das Amt ausstrahlen, einfach so nachsehen?
Ich dagegen halte es mit Michael Roesler-Graichen, der auf der Webseite des Börsenblattes des Deutschen Buchhandels meint (23.02.11): "Plagiate: Die falsche Haltung":
"... hier wurde in großem Stil – in einer­ Mischung aus Akribie (1 300 Fußnoten) und Schludrigkeit (unausgewiesene Zitate) – ein Text buchstäblich zusammengekleis­tert. Das mag die Mehrheit der ­Bevölkerung entschuldigen, zumal nicht seine Qualifikation als wissenschaftlicher Assistent gefragt war, wie Angela Merkel betont. Aber es muss befremden, wenn einer­ Regierungschefin nicht bewusst ist, dass durch das Verhalten ihres Ministers nicht nur persönliches Ansehen, sondern auch der Ruf der Wissenschaft und der Universitäten beschädigt wird."
[Dieser Kommentar gab für mich übrigens den konkreten Anstoß zu diesem Blott.]

Die akademische Welt jedenfalls ist entsetzt über die Verharmlosung (die auch Angela Merkel betrieben hat mit der Bemerkung, dass sie Guttenberg ja nicht als "wissenschaftlichen Assistenten" eingestellt habe) berichtet Spiegel Online u. d. T. "Spitzenforscher stellen Guttenberg an den Pranger" (26.02.11). (Ebenfalls bei SPON, 24.02.11: "Offener  Professoren-Brief. 'Kein Kavaliersdelikt wie Falschparken' ").

Und ich meine mit dem SPON-Kommentator Stefan Kuzmany ("Guttenbergs Ehre. Die Lüge ist ministrabel geworden", 22.02.11), dass Guttenbergs "Verbleib im Amt ... eine Zäsur in der politischen Kultur des Landes" bedeutet.

Unabhängig davon haben wir uns als Deutsche allerdings wieder einmal mit unserem rückständigen Wissenschaftssystem blamiert; vgl. dazu den Kommentar "Fehler im deutschen System. Wider die akademische Vetternwirtschaft" von Dirk Matten auf SPON v. 27.02.11, also von heute.
Unabhängig davon, ob Guttenberg zurücktritt (bzw. zurückgetreten wird) oder nicht : Hier muss sich auf jeden Fall und ganz schnell etwas ändern.

Ich riskiere die Prognose, dass Guttenberg letztlich nicht zu halten sein wird. Zwar fehlt mir die Zeit, um mir einen wirklichen Überblick zu verschaffen, jedoch scheint sich im Internet die Begeisterung für "Copy-Karl in Grenzen zu halten. So titelt z. B. "sachma" am 25.02.11: "Freiherr lächerlich" oder Mark Pentermann in seinem "Webanhalter": "Dr. zu Guttenberg – Oder wie Betrug gesellschaftsfähig wurde"
 "Lichtsuchender" titelt zwar heute "Guttenberg, ein Fels in der Brandung der Vernunft, Moral und Demut", aber das ist bei ihm blanke Ironie. So ebenfalls heute auch bei "hankman" unter "Das Leiden dahinter – Guttenberg richtig verstehen" der dem "Baron von Copy and Paste" eine  "dissoziative Identitätsstörung" attestiert.
Sogar die Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) schämt sich "nicht nur heimlich" für ihren Kabinettskollegen (auch wenn sie "eine zweite Chance für Guttenberg" fordert): "Guttenberg-Affäre Schavan: Plagiatsaffäre ist keine Lappalie" meldet die Süddeutsche Zeitung am 27.02.2011. Sein hoch angesehener Doktorvater ist über den Betrug seines Doktoranden verzweifelt ("Guttenbergs verzweifelter Doktorvater" - SZ 27.02.), und überhaupt verliert Guttenberg zunehmend an Rückhalt in der Union ("Der Westen" v. 27.02.11), wobei "nach Einschätzung von Unionsabgeordneten [besonders stark] ins Gewicht [fällt], dass sich „im wissenschaftlichen Elfenbeinturm ein Sturm der Entrüstung zusammenbraut, den wir völlig unterschätzt haben“."

Wer den Rücktrittsvorgang etwas beschleunigen möchte,  kann (auch als Nicht-Akademiker wie ich selbst) diesen offenen Brief an die Bundeskanzlerin Angela Merkel unterschreiben. Darin wird zwar keine Demissionierung Guttenbergs gefordert, doch setzt der Briefinitiator einen Rücktritt voraus. In dem Interview "Wenn Guttenberg zum Beispiel wird, können wir dichtmachen des Südkurier vom 28.02.2011 antwortet der Doktorand Tobias Bunde auf die Frage (meine Hervorhebung):
"Sie fordern also einen Rücktritt?"
"Das fordern wir in dem offenen Brief nicht. Aber dass ein Minister zurücktritt, der so offensichtlich betrogen hat, sollte ohnehin selbstverständlich sein."
Vielleicht tritt der Baron ja doch noch kurzfristig selbst zurück: "Adel verzichtet" wäre eine hübsche Titelzeile für die BILD-Zeitung! [Erg. 1.3.11: Die "Süddeutsche" war schneller mit diesem (Kommentar-)Titel!]
[Erg. 1.3.11: S. auch das Interview v. 28.2.11 "Junge Akademiker proben den Aufstand" mit dem weiteren MitinitiatorFrederik Trettin, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Konstanz: "Am wichtigsten ist jedoch, dass sich auf unseren Listen längst nicht nur Doktoranden und Akademiker eintragen. Offenbar gibt es auch unter Nicht-Akademikern eine Fraktion, die das nicht so einfach durchgehen lassen will."
(Viele Medienberichte stellen den Sachverhalt übrigens falsch dar, indem sie von "23.000 Doktoranden" berichten (hier  in dem ansonsten sehr informativen SZ-Bericht "An einem Rücktritt führt kein Weg vorbei" über die Reaktionen in der Wissenschaftscommunity sind es per 28.2. bereits 30.000 "Doktoranden"), die - nach dem jeweiligen Stand - unterschrieben hätten. Tatsächlich waren zwar die Initiatoren Doktoranden, unterschrieben haben aber auch Promovierte, aber - und wohl sogar mehrheitlich - Nicht-Akademiker - wie z. B. Cangrande.)
S. jetzt auch das SPON-Interview mit Bunde vom 1.3.11, also nach dem Rücktritt von Guttenberg, wo Tobias Bunde u. a. ausführt: "Wir sind stolz darauf, dass wir verhindert haben, dass einfach zur Tagesordnung übergegangen wurde, denn das hatte die Kanzlerin ja vor. Und ich bin begeistert von der Kraft des Internets, das ist ein Zeichen für die neue Politik, die unsere Generation macht". Anscheinend wurden beide Seiten von den Ereignissen überrollt, den eine Frage/Antwort lautet noch (meine Hervorhebung):
"SPIEGEL ONLINE: Aber bringt ein Brief an die Kanzlerin wirklich etwas?
Bunde: Ich bin sicher, dass auch der Rückhalt im Bildungsbürgertum für die Kanzlerin und den Minister schrumpfen wird, wenn sich mehr Menschen damit beschäftigen, was wirklich vorgefallen ist." Interessant auch:
"SPIEGEL ONLINE: Wie erklärt Sie sich die Diskrepanz zwischen der Anti-Guttenberg-Haltung im Internet und der Zustimmung in den klassischen Meinungsumfragen, die in der vergangenen Woche sichtbar wurde?
Bunde: Das ist ein Problem der herkömmlichen Prognosen. Unsere Generation hat keine Faxgerät und oft kein Festnetz-Telefon, wir stimmen im Netz ab. Wenn 500 Leute über Festnetz-Telefone befragt werden, zweifle ich daran, dass so eine Umfrage repräsentative Ergebnisse liefern kann
."]


* Allerdings schrieb am gleichen Tag Ernst Elitz ebenfalls auf der Bild-Webseite unter "Verantwortung im Detail":
"Schlamperei, Stress in der Politik, ein ungeordneter Zettelkasten – was immer der Grund für fehlende Fußnoten ist – der Minister kann das nicht locker nehmen. Verantwortung beweist sich auch im Detail. Aufklären kann nur er. Ganz schnell! Erst in seiner Studierstube, dann öffentlich."
Eine Chronologie der Ereignisse bis einschl. 25.02. bietet die BILD-Webseite am 27.02.2011 unter "Ein Rückblick Die dramatische Woche des Karl-Theodor zu Guttenberg". [Erg. 1.3.: Hier eine neue, aktualisierte Chronologie Stand 1.3., also nach dem Rücktritt.]
Weit ausführlicher ist die Chronologie im GuttenPlag-Wiki.
Am 1.3. stellt auch die FAZ eine Zeitleiste der Ereignisse aus der Zeit vom 15. Februar bis 1. März 2011 ein. Titel "Guttenbergs Plagiatsaffäre. Kopieren, einfügen, aussitzen".


** Der Bild-Blog hat einen erstaunlichen Meinungswandel von Franz Josef Wagner aufgedeckt, der  am 27.08.2009 unter "Lieber falscher Dr.Schmidt" u. a. geschrieben hatte:
"Der Doktortitel war einmal das Edelste der forschenden Studierenden. Wenn der Doktortitel heute verramscht wird, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn Nobelpreise andere kriegen. Der Doktortitel war früher ein Juwel, er ist heute Blech. Er ist für Geld zu kaufen. Ein weiteres ­„Made in Germany“ geht kaputt."


Die Wikipedia bietet auch ein Stichwort speziell über die Guttenbergs Dissertation: "Verfassung und Verfassungsvertrag".

Sukkurs kriegt der 'Kriegsminister' dagegen von Linksaußen. Dr. Freerk Huisken verwahrt sich zwar dagegen, dass sein Text als eine Verteidigung des Karl-Theodor zu Guttenberg angesehen wird, und zweifellos ist er auch nicht als solche gedacht. Dennoch: wenn er unter "Der Fall Gut­ten­berg: Geis­ti­ges Ei­gen­tum oder der Unfug der Pri­va­ti­sie­rung von Er­kennt­nis" (25.02.11) grundlegende Kritik an der Konzeption des Geistigen Eigentums übt (die freilich auch mir in mancherlei Hinsicht suspekt ist, aber doch eher in den Übertreibungen als vom Grundsatz her), kommt das objektiv betrachtet natürlich dem Plagiator zu Gute.

Die Mittelbayerische Zeitung rückt heute unter "Der Schein trügt" bereits dem Mythos von Guttenberg als gutem Verteidigungsminister zu Leibe und fordert seinen Rücktritt.

Auch bei Facebook wächst die Anhängerschar von "Dr. Googleberg" nicht mehr.

Stefan Sasse, der "Oeffinger Freidenker" hat eine lange Liste mit Guttenberg-Witzen zusammengestellt. Manche Leser-Kommentatoren fügen noch welche hinzu, z. B.
"Str1k3 hat gesagt…Warum ist Guttenberg nicht zurückgetreten? Sein Ghostwriter schreibt noch an der Rücktrittsrede."
Mein eigener (nur mäßig witziger) Beitrag zum Witzefundus: "Als Doktor ein Spätzünder, für die Unionschristen ein Zeitzünder!"

Einen "Guttengate"-Blog gibt es auch schon. Der wirft in der aktuell letzten Eintragung (vom 26.02.11) die Frage auf: "Wann sagt er 'Guttbye'?"

Einen Parallelfall (bei dem ein anderer Doktorand-Politiker längere Passagen aus fremden Texten übernommen hatte) stellte RP Online am 25.02.11 u. d. T. "Plagiat in Doktorarbeit. Guttenberg und der Fall des Andreas K." ins Netz.
Mit Verurteilungen wegen Urheberrechtsverletzung, bzw. überhaupt mit Urheberrechtsverletzung als Straftatbestand, habe ich allerdings gewisse Schwierigkeiten: Wann handelt es sich um erlaubte Zitate - ggf. auch Langzitate -, wann ist die Grenze überschritten? Logischer wäre für mich eine Verurteilung wegen Verstoß gegen die bei Einreichung der Doktorarbeit abzugebende eidesstattliche Versicherung, den Text selbst verfasst zu haben usw.
Recht ausführlich über die rechtlichen, insbesondere strafrechtlichen, Implikationen von Plagiaten berichtet die Webseite "Recht gehabt" am 27.02.11 u. d. T. "Plagiate bei Doktorarbeit und Co. – das sind die Konsequenzen".


Nachträge 01.03.11
Harald Martenstein erinnert im Tagesspiegel vom 28.2.11 ("CSU. Viele krumme Dinger") an zahlreiche andere CSU-Politiker, die in Skandale verwickelt waren und ätzt:
"Die Guttenberg-Affäre ist also gar keine Affäre, sondern ein Initiationsritual, das jeder CSU-Politiker absolvieren muss, um der Partei seine Befähigung für höchste Ämter zu beweisen. Du musst nach Möglichkeit Jurist sein, vor allem aber musst du ein paar krumme Dinger gedreht haben, sonst wirst du in der CSU nichts. Der parteiinterne Codename für dieses Ritual lautet „Ehre und Anstand“."

Nicht ausreichend informiert von den Medien fühle ich mich über die Frage, ob die Uni Bayreuth die Frage des Vorsatzes bei Guttenbergs Täuschungsmanövern nun prüft, oder ob sie, wie es vielfach heißt, "kneift". Hier hilft ein Bericht des "STERN" vom 25.02.2011, den ich erst heute gefunden habe: Guttenbergs Uni im Visier der Kritik":
"Für Guttenberg ist die Promotionsdebatte trotz des ersten Bayreuther Beschlusses nicht zu Ende. Denn an der dortigen Universität gibt es noch eine weitere Kommission, die sich mit seiner Arbeit befassen wird, nämlich die Kommission zur "Selbstkontrolle in der Wissenschaft". Nach Angaben des Universitätspräsidenten Bormann beschäftigt sich dieses Gremium mit seinen vier Mitgliedern nicht nur mit Guttenbergs Arbeit, sondern auch mit der Frage, ob der CSU-Politiker bewusst getäuscht hat. "Die Kommission wird sich insbesondere auch damit beschäftigen, wie die Schwere des Fehlverhaltens zu bewerten ist", sagt Bormann . "Ist nicht ordentlich zitiert worden? Ist gar nicht zitiert worden? Wie wichtig ist das in dem Gesamtzusammenhang der Arbeit? Lässt sich aus den Fehlern ein Täuschungsvorsatz ableiten?" Um diese Fragen zu beantworten, werde die Universität möglicherweise auch "externen Rat" hinzuziehen. Eine Stellungnahme Guttenbergs hat diese Kommission bereits angefordert. Die nächste Sitzung ist bisher auf den 15. März terminiert. Bis hier ein Ergebnis bekannt wird, wird es dauern, Wochen, vielleicht sogar Monate."
Ein interessanter Aspekt der Debatte ist der Umstand, dass die Medien nun doch so langsam beginnen, das 'Krähensyndrom' abzuschütteln und sich stattdessen kritisch zu beäugen. Der STERN z. B. tut das in dem Artikel "Bild und Guttenberg: Der treueste Freund des Volksminister" vom 24.02.11.

Äußerst befremdlich ist der Kommentar des Zeit-Chefredakteurs Giovanni di Lorenzo "Doktor a. D." vom 25.02.11, der zwar konstatiert "Auch die Resonanz auf die Vorwürfe gegen zu Guttenberg hat etwas Verstörendes: Der Großteil der Bürger, dem die deutschen Promotionsordnungen ohnehin schnurzpiepegal sind, hat den Eindruck gewonnen, hier werde ein besonders populärer Mann von Medien und Politikern wie auf einer Treibjagd gehetzt, weil ihm anders nicht beizukommen sei," aber letztlich doch, ohne eigentliche Begründung, zu der Bewertung kommt:
"Die Aussicht jedoch, dass jeder, der ein politisches Amt bekleiden soll, auch sein Vorleben auf jeden Makel durchleuchten lassen muss, ist nicht nur abschreckend, sie ist weltfremd. Karl-Theodor zu Guttenberg ist seinen Doktor jur. los. Das ist angemessen. Sein Amt soll er behalten." 
Es mag ja sein, dass "Die Rigorosität, mit der auf Fehlleistungen von Politikern geschaut wird, ... nicht frei von Willkür [ist und, sie ... sich über die Jahre auch erheblich verändert [hat]." Und sicher trifft es auch zu, dass es "In der von vielen als gute alte Zeit verklärten Bundesrepublik ... in Politik und Wirtschaft viel mehr Steuerhinterziehung, Korruption und illegale Spenden als heute" gab. Aber das ist, wenn es öffentlich bekannt wurde, zweifellos auch damals schon verurteilt worden; und im Übrigen: wieso sollen sich die moralischen Maßstäbe nicht ändern? Bei Karl-Theodor zu Guttenberg geht nicht um "jeden [d. h. irgendeinen] Makel", beispielsweise nicht um außereheliche Kinder [ein Sachverhalt, den die seriöse politische Diskussion z. B. bei Horst Seehofer völlig zu Recht ausblendet], nicht um einen Blowjob wie seinerzeit bei dem US-Präsidenten Bill Clinton: hier geht es eindeutig um Betrug. Da hört, selbst wenn Guttenberg nicht als Politiker betrogen hat (wohl aber belügt er uns, wenn er Vorsatz abstreitet!), der Spaß denn doch auf.

Soeben (01.03.11, ca. 11.40 h) lese ich, dass Karl-Theodor zu Guttenberg als Bundesminister für Verteidigung zurückgetreten ist (nachdem er noch vor einigen Tagen sinngemäß gesagt hatte: "Eine fränkische Wettertanne hauen solche Stürme nicht um".) Rückblickend ist u. a. auch der FAZ-Artikel "In der Guttenberg-Falle" (bezogen auf CDU und CSU) vom 27.02.11 (Eckart Lohse) interessant (meine Hervorhebung):
"Angela Merkel schlingert zwischen Skylla und Charybdis hindurch. Hält sie an Guttenberg fest, vermeidet sie die Attacken der Parteifreunde aus Baden-Württemberg. Vielleicht kann dort die CDU noch die Wahl gewinnen, vielleicht sogar mit Hilfe des Wählermagneten Guttenberg. Senkt sie jetzt den Daumen über dem Verteidigungsminister, riskiert sie zwar das Wutgeheul aus dem Südwesten, aber sie schützt den längst bröckelnden Ruf der Union als Hüterin bürgerlicher Werte, zu denen es gehört, geistiges Eigentum nicht zu stehlen. Am Ende könnte das langfristig wichtiger sein für den Erfolg der CDU als eine Landtagswahl. Das muss Angela Merkel entscheiden. Wenn sie es nicht schon entschieden hat."
Entweder hat sie es entschieden, und den Verteidigungsminister sanft zum Rücktritt gedrängt, oder der hat ihr die Entscheidung - und den Unionsparteien eine immense Belastung - abgenommen.
Von meinen o. a. Prognosen hat sich bewahrheitet, dass Guttenberg nicht im Amt bleibt. Ob er für die Christenparteien und speziell für seine dummdreisten Verteidiger (speziell Horst Seehofer und Angela Merkel) längerfristig zum "Zeitzünder" wird, wie ich oben ebenfalls vermutet hatte, bleibt abzuwarten.
Möglich, dass sein Rücktritt gerade noch rechtzeitig kam, um den Unionschristen eine massive Glaubwürdigkeitskrise zu ersparen.

BILD Online ehrt seinen Schützling in dem Artikel "Die Rücktritts-Erklärung im Wortlaut Guttenberg: „Ich habe die Grenze meiner Kräfte erreicht“ " mit einem dramatischen Foto vom Typ "tragische Gestalt". Und eben mit der Wiedergabe der vollständigen Rücktrittserklärung. Und der "BILD.de Zwischenruf": "Guttenberg weg – eine tiefe Zäsur" von Nikolaus Blome (
01.03.2011 - 13:57 UHR) weint ihm heiße Tränen nach:
"Die Mehrheit [glaube ich nicht!] der Bürger stellte Guttenbergs Glaubwürdigkeit als Minister bis zuletzt nicht in Frage, ganz gleich, wer sie ihm von Opposition oder aus dem eigenen Lager auch absprach. Doch am Ende schützte ihn die Zustimmung der Bürger nicht. Denn in Berlin kann nicht sein, was nicht sein darf. [In der Tat: Betrüger als Minister: das darf nun wirklich nicht sein!] Nun sollen die, die Guttenbergs Rücktritt wollten und bekamen, erklären, ob die Politik in Deutschland ohne diesen Minister unter dem Strich wirklich besser da steht."


Nachtrag 02.03.2011
Eigentlich wollte ich hier nichts mehr nachtragen. Indes bringe ich es einfach nicht über's Herz, eine derart nicht nur umfangreiche, sondern auch brillante Analyse der Abläufe unmittelbar vor dem Rücktritt Guttenbergs, wie sie der ZEIT-Artikel "Eine spaltende Persönlichkeit" vom 02.03. darstellt, hier nicht zu verlinken. Es ist freilich auch ein ungewöhnlich großes Journalistenkollektiv, das diesen Artikel erarbeitet hat: Marc Brost | Peter Dausend | Matthias Geis | Tina Hildebrandt | Mariam Lau | Elisabeth Niejahr | Petra Pinzler |
[Natürlich habe auch ich hier mit "Copy & paste" gearbeitet! ;-) ]



Nachtrag 07.05.2011
Die Universität hat gesprochen: "Universität Bayreuth. 'Guttenberg hat vorsätzlich getäuscht' " titelt FAZ.net am 06.05.11:
"Die Universität Bayreuth wirft Karl-Theodor zu Guttenberg vor, bei seiner Dissertation „vorsätzlich getäuscht“ zu haben. Zu diesem Ergebnis kommt die Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“. Guttenberg habe wissenschaftliche Standards „evident grob verletzt“."





Textstand vom 30.11.2011. Auf meiner Webseite
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