Donnerstag, 3. März 2011

Plagiatsskandal um Großplagiator Karl-Theodor zu Guttenberg muss 3 Nachspiele haben: für Großkumpan Horst Seehofer, für Staatsanwaltschaft Hof und für die Wissenschaftsorganisation

Großpopulist Horst Seehofer tönte am 2.3.11 in dem BILD-Interview  von Einar Koch u. d. T. "Seehofer nennt Kritik an Guttenberg unsolidarisch":
"Zunächst einmal danke ich der Kanzlerin dafür, dass sie bis zuletzt eindeutig und klar zum Verteidigungsminister gestanden hat. Ein paar andere in der CDU haben sich dagegen völlig unangemessen über Karl-Theodor zu Guttenberg geäußert. Das war nicht solidarisch!
Zum Selbstverständnis der Union sollte gehören, dass man den eigenen Leuten beisteht, ihnen nicht öffentlich in den Rücken fällt. Die Äußerungen von Frau Schavan und Herrn Lammert waren nicht in Ordnung!
Als ich Anfang der Woche davon hörte, war mein Blutdruck deutlich gestiegen. Darüber wird noch zu reden sein – ich habe mir das auf Wiedervorlage gelegt.
"
 Diese Worte des Bayern-Berlusconi sollten wir Wähler uns auf Wiedervorlage legen!

Jedenfalls kann Angela Merkel in dem "wir" nicht Horst Seehofer eingeschlossen haben, als sie sagte (meine Hervorhebung): „Wir müssen uns von niemandem erklären lassen, was Anstand und was Ehre in unserer Gesellschaft sind.
Für den bayrischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer sind Anstand und Ehre ein Schmarrn.
(Für BILD auch: zu dem Artikel werden 8 Leser-Stimmen präsentiert, alle pro-Seehofer; eine offene Kommentierungsmöglichkeit gibt es nicht. Sonst würde sich nämlich herausstellen, dass die Mehrheit der Deutschen die Plagiatsvorwürfe gegen den Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg eben doch nicht für banal hält).



Scharf beobachten sollte die Öffentlichkeit das weitere Vorgehen der Staatsanwaltschaft Hof (vgl. dazu z. B. SZ-Newsticker "Mehr als 80 Strafanzeigen gegen Guttenberg allein in Hof" vom 2.3.11).
Skandalös wäre es, wenn die Staatsanwaltschaft ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung verneint: wann, wenn nicht bei einer Person des Öffentlichen Lebens, soll denn ein solches Interesse gegeben sein? Das gilt auch nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg als Verteidigungsminister und auch nach Aufgabe seines Bundestagsmandats, weil starke Kräfte an seinem Comeback arbeiten  (das übrigens auch ich ihm mittelfristig nicht grundsätzlich verwehren will; nur ist es nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Politiker vor ihren eigenen Fehlern zu schützen).
Inakzeptabel wäre es auch, wenn die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Prüfung des Tatvorsatzes zunächst die interne Klärung der Uni Bayreuth abwartet. Hier geht es schließlich nicht um einen Zivilrechtsprozess, wo z. B. ein Betrugsvorwurf im strafrechtlichen Sinne streitig wäre. Der Sachverhalt ist dank dem GuttenPlag Wiki vollständig aufgeklärt; die juristische Bewertung ist Sache der Staatsanwaltschaft bzw. ggf. der Gerichte, nicht einer Ethikkommission der Uni Bayreuth. Wartet die Staatsanwaltschaft tatsächlich weiterhin ab, müsste man unterstellen, dass sie einem politischen Einfluss unterliegt (der nicht einmal direkt über Weisungen ablaufen muss; ebenso könnte auch sie die o. a. Worte von Seehofer als Warnung verstanden haben!) und die Angelegenheit verschleppen will, bis Gras drüber gewachsen ist.



Nicht zuletzt muss aber auch die Wissenschaftsgemeinschaft Konsequenzen für die Organisation des Promotionsverfahren ziehen. Dazu hatte ich bereits in meinem vorangegangenen Blott zum Thema Doktorarbeit Guttenberg auf den SpiegelOnline-Artikel "Fehler im deutschen System. Wider die akademische Vetternwirtschaft" von Dirk Matten verwiesen.


Eine Vierte Dimension gibt es auch noch: alle jene, die das Vergehen Guttenbergs kleingeredet, und ihn als Opfer der Medien oder der Linken beklagt haben, sollten sich fragen, was sie damit über ihren eigenen Charakter aussagen.
Diese tiefe Spaltung der Meinungen in Deutschland ist beunruhigend, aber wohl nicht aufzuheben.
Gläubige Schafe finden aber leider immer Scheinargumente, die ihre Illusionen  stützen: vgl. z. B. den Blog-Eintrag "Guttenberg und die Folgen" bei "Annuntiator". Auf dem Nährboden einer solchen übertriebenen Nachsicht (mit den eigenen Leuten; bei Verfehlungen "Linker" gibts natürlich keinen Pardon!) konnten auch die jahrzehntelangen Verschleierungen der Päderastenskandale in der katholischen Kirche prächtig gedeihen.
(Das Motto im Profil von Annuntiator lautet übrigens: "Laudare - Benedicere - Praedicare", das übersetze ich mir in diesem Zusammenhang mit "Loben, Missetaten absegnen und Klerikal-Politik predigen" . Das Profil ist übrigens anonym. "Jesses," würde Jesus Christus über einen solchen Jünger sagen: "Bekennermut sieht anders aus!").


Nachtrag 07.05.2011
Zu dem vorliegend behandelten Aspekt des Guttenbergschen Plagiatsskandals vgl. jetzt auch den FAZ-Artikel "Bayreuths Urteil. Die Plagiatsaffäre und die Folgen" von Heike Schmoll (06.05.11):
"Die Kommission der Universität Bayreuth müsste sich eigentlich auch mit der Selbstkontrolle der Forschung befassen. Wer Absolventen bestraft, muss auch nach der Verantwortung der Professoren und Wissenschaftler fragen."





Textstand vom 11.06.2011. Auf meiner Webseite
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1 Kommentar:

  1. Es sollte auch ein Nachspiel für den Pöbel geben, die nach wie vor Guttenberg nachtrauern und ihn am liebsten wieder zurück im Amt sehen würden. Menschen die sich so emotionalisieren lassen, sollten nicht wählen dürfen bzw. bräuchten Nachhilfe in Demokratie und Redlichkeit.

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