Unsere not-so-extremely-jolie Angelina will die Umsatzsteuer (so heißt sie offiziell mittlerweile - wieder und ehrlicher -; in der Publizistik und im Volksmund ist sie allerdings die "Mehrwertsteuer" geblieben) erhöhen. (Die Wikipedia bietet mit einem Volumen von 11 Druckseiten auch zu diesem Thema alles, was man eigentlich darüber wissen sollte, sich aber nie zu fragen getraute: http://de.wikipedia.org/wiki/Umsatzsteuer).Pro und Kontra werden heute im Handelsblatt diskutiert: Für Olaf Storbeck ist die Mehrwertsteuer: "Der ökonomische Super-Gau", weil sie die Konsumzurückhaltung verstärkt
(http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1093364).
Ruth Berschens (http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1093360 ) stellt geographisch zutreffend fest, dass "Deutschland ..... keine Insel" sei [obwohl: Rhein und Oder sind Wasser, und da momentan das Alpenvorland so ungefähr vom Königssee bis zum Bodensee überschwemmt ist, leben wir derzeit ja vielleicht doch auf einer temporären Insel?]. Ob freilich ihre positive Bewertung einer Mehrwertsteuererhöhung, die sie mit einer dadurch ermöglichten Senkung der Lohnnebenkosten begründet, auch ökonomisch richtig ist, scheint mir noch zweifelhafter als die aktuelle Nicht-Insellage Deutschlands zu sein.
Auffallend ist nur, dass beide die Frage der Steuergerechtigkeit nicht behandeln. Storbeck will die Staatsausgaben zurückfahren, was wohl zu Lasten der Kleinen Leute gehen würde. Und die Erhöhung der Verbrauchssteuern trifft diejenigen, welche ihr Geld nicht (größtenteils) durch den Ankauf von Aktien verbrauchen, sondern es in den Kassen von Aldi lassen.
Ein Blick zurück in die Geschichte der Verbrauchssteuern, weiland "Akzise" genannt (oder in Italien: dazio comunale) ist recht interessant, und auch da hilft uns (knapp aber präzise) die Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Akzise):Im Feudalismus, in dem bevorrechtigte Stände sich gegen die Auferlegung direkter Belastungen mit Erfolg wehren konnten (Steuerprivilegien), spielten Verbrauchsteuern und Zölle eine wesentliche Rolle bei der Umgehung der Widerstände dagegen. Dies kam besonders beim sogenannten Accisenstreit des 17. und 18. Jahrhunderts zum Ausdruck. Nachdem die Steuerprivilegien bei den direkten Steuern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr abgebaut wurden, wandelte sich die Beurteilung der Verbrauchsteuern. Damals wäre demnach die (aus nahe liegenden Gründen meist an den Stadttoren erhobene) Akzise (die allerdings bereits im Mittelalter erhoben worden war - vgl. z. B. hier: http://www.zoll.de/h0_wir_ueber_uns/h0_zollmuseum/b0_rundgang/f0_verbrauchsteuern/ oder da: http://www1.uni-hamburg.de/Landesforschung/Staende/staende1431.html), eine fortschrittliche Steuer gewesen, die insbesondere die früher Privilegierten getroffen hätte.Dass die Umsatz- oder Mehrwertsteuer nichts anderes ist als die alte Akzise, wird ausdrücklich gesagt in: http://www.preussen-chronik.de/_/begriff_jsp/key=begriff_akzise.html.
Eine Steuer zu Lasten der Privilegierten ist sie heute allerdings nicht mehr; in ihren verschiedenen Formen (auch die Benzinsteuer ist ja eine "Akzise"; so auch ausdrücklich hier http://europas.verfehlte.oelpolitik.at.german.pages.de/ nachzulesen; die dortigen Ausführungen lassen sich analog auch gut auf die Tabaksteuer übertragen) trifft sie vorrangig die breite Masse.Und deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass unsere Krise sich verschärft, wenn die Akzise noch mehr Miese auf unseren Konten akkumuliert. Und die Riesen auf den Konten der anderen.Merk-el dir das, Angela!
Während die Akzisen in Deutschland spätestens zur Zeit der Reichsgründung wohl ganz verschwunden waren, gab es sie z. B. in Prag um 1900 noch, und in Italien noch bis in die 20er Jahre. Bei Heinrich Mann findet man (in seinem Roman "Die kleine Stadt"?) eine entsprechende Schilderung, und in der Reihe "Langenscheidts Handbücher für Auslandkunde", Band "Land und Leute in Italien", informiert uns der Verfasser Gustavo Sacerdote über die Situation noch um 1925:"Der Dazio comunale, die Akzise, bildet heute noch eine der Hauptquellen für die Gemeindekassen der italienischen Städte. Dem dazio comunale unterliegen nicht nur die meisten Nahrungsmittel und Getränke, vor allem Brot, Mehl, Fleisch, Fische, Wein usw., sondern auch Brenn- und Baumaterial, Möbel usw. Um diese Akzise zu erheben, unterhalten die größeren Städte Italiens an den Bahnhöfen und an den Stadttoren eine kleine Armee von Torwächtern und Zöllnern (...), die die Steuergrenze des Gemeindebezirks unter strenger Aufsicht halten und jeden Eintretenden einer mehr oder minder strengen Prüfung auf steuerbare Gegenstände unterwerfen."
Das mit der "kleinen Armee" könnte auch bei uns wieder klappen: die Steuerfahnder sind schon jetzt mit der Aufdeckung der Mehrwertsteuerhinterziehung überfordert.
Und weshalb die Umsatzsteuer bereits auf die bloße Vorlage entsprechender Rechnungen erstattet wird, ist mir schleierhaft. Logisch wäre es eher, wenn sie im Wege des Vorsteuerabzuges erst beim Weiterverkauf der Waren von der dann entstehenden (höheren) Umsatzsteuerschuld abgezogen dürfte - und bei Verkauf mit Verlust eben gar nicht.Oder muss man Dagobert Lindlau fragen, oder Jürgen Roth ("Ermitteln verboten"), warum die Mehrwertsteuererstattungserschleichung nicht durch eine nahe liegende Umgestaltung der einschlägigen Regeln bekämpft wird?
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