Sonntag, 18. Februar 2018

Das Führungsversagen des AfD-Bundesvorstands im "Poggenburg-Skandal"

 
WAS WAR DER FALL?
Der politische Aschermittwoch hat eine ehrwürdige Tradition - in Bayern. Mittlerweile hat diese Tradition jedoch auch in anderen Bundesländern (und sogar in Österreich) Fuß gefasst.
Natürlich hat auch der AfD-Landesverband Bayern seinen politischen Aschermittwoch gefeiert. Bzw., da ich jetzt ja auch in BY wohne: haben "wir" gefeiert - freilich ohne mich. Das macht aber nichts, denn die hervorragend humorvolle Rede des AfD-Bundesvorsitzenden Prof. Jörg Meuthen kann man auch auf YouTube anschauen.


Auch der sächsische AfD-Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hatte (wohl erstmalig?) einen politischen Aschermittwoch anberaumt. Wegen des ständig drohenden linksfaschistischen Terrors gegen die AfD musste die Veranstaltung in beinahe konspirativer Weise organisiert werden. Dennoch erschienen 1.200 Besucher und damit sogar noch mehr, als bei der AfD Bayern, wo ca. 1.000 Besucher gemeldet wurden.
Freilich war der Aschermittwoch in Pirna, oder genauer: in Nentmannsdorf, eigentlich eine Art Gemeinschaftstreffen für die AfD-Landesverbände in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen - und eben Sachsen, auf dem die Vorsitzenden dieser vier AfD-Landesverbände sprachen.
 
Für den AfD-Landesverband Sachsen-Anhalt ist das André Poggenburg, dessen Rede - ca. 12 min. - man auf diesem Video sehen kann. Das ließ sich zunächst ganz gut an; aber bei ungefähr der 8. Minute zog Poggenburg gegen Deutschtürken vom Leder. Darüber berichtet die ZEIT:
"Poggenburg hatte die Kritik der Türkischen Gemeinde an der geplanten Schaffung eines Heimatministeriums aufgegriffen. Der Politiker sagte wörtlich: "Diese Kümmelhändler haben selbst einen Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern am Arsch. Und die wollen uns irgendetwas über Geschichte und Heimat erzählen? Die spinnen wohl! Diese Kameltreiber sollen sich dahin scheren, wo sie hingehören."
Und ergänzend in diesem Bericht:
"Diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren, wo sie hingehören, weit, weit, weit, hinter den Bosporus, zu ihren Lehmhütten und Vielweibern. Hier haben sie nichts zu suchen und zu melden", hatte Poggenburg gesagt und Gejohle der AfD-Anhänger ausgelöst."
 
 
WAS STECKT DAHINTER?
 
Der erste ZEIT-Artikel gibt korrekt den Zusammenhang in Poggenburgs Rede wieder: Ausgangspunkt war eine Kritik der "Türkischen Gemeinde" (das ist eine Organisation; näher s. u.) an der im neuen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD (offenbar auf Wunsch des designierten Ministers Horst Seehofer) vereinbarten Ergänzung des Innenministerium um den Begriff "Heimatministerium". Ausgangspunkt war ein Artikel in der Berliner Zeitung vom 09.02.2018 gewesen: "Debatte über neues Ressort: Worum kümmert sich eigentlich das Heimatministerium?" Darin hatte es u. a. geheißen:
Besorgnisse bestehen überdies bei Migranten. Die Fokussierung auf den Heimat-Begriff setzt den falschen Akzent zur falschen Zeit“, sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoglu, dieser Zeitung. „Denn der Begriff Heimat beschreibt einen – von Mensch zu Mensch unterschiedlichen – Erfahrungs- und Gefühlsraum. Ihn auf den politischen Kontext zu übertragen, halten wir nicht nur aufgrund der deutschen Vergangenheit für problematisch.“ Sofuoglu fügte hinzu: „Wir befürchten, dass er nicht Zusammenhalt und Zusammengehörigkeit, sondern Ausgrenzung und Spaltung fördert.“ Nötig sei stattdessen ein inklusives Verständnis unserer pluralistischen Gesellschaft – mit dem Grundgesetz als gemeinsamer Wertebasis für ein friedliches Zusammenleben."
[Eine breitere Debatte zum "Heimatministerium" auf Bundesebene auch im "Migazin".]

 Auf der Unterseite "Über uns" der Homepage der "Türkische Gemeinde in Deutschland" erfährt man leider nichts über den Hintergrund dieser Organisation. Dafür aber auf deren "Info"-Seite bei Facebook:
"Die TGD ist als Interessenvertretung türkeistämmiger [seltsames Wort, steht aber so dort] Menschen 1995 gegründet worden. Die TGD möchte nach dem Grundsatz der Gleichstellung und Gleichbehandlung zur Verwirklichung der Rechte kultureller Minderheiten in allen rechtlichen, sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Bereichen einen Beitrag leisten.  Durch die ständige Präsenz bei integrationspolitischen Fragen und durch die intensiv überparteiliche und ehrenamtliche Tätigkeit seiner Vorstandsmitglieder verfügt die TGD in der nicht-deutschen Wohnbevölkerung, bei der deutschen Fachöffentlichkeit sowie in den deutschen Medien über eine hohe Akzeptanz und Autorität.  Die TGD hat 20 Mitgliedsverbände, die sich in 12 Landesverbände und 8 Fachverbände unterteilen. Diese haben wiederum jeweils mindestens 10 Mitgliedsorganisationen, sodass die TGD insgesamt auf ca. 230 Mitgliedsvereine kommt."
Wie viele Personen dort Mitglied sind, erfährt man also nicht; dafür aber bei Wikipedia: "Auf Bundes- und Landesebene sowie in Berufs- und Fachverbänden vertritt die TGD insgesamt 260 Einzelvereine mit rund 60000 Mitgliedern." Der Verein ist also alles andere als repräsentativ für die Deutschtürken (d. h. die Deutschen mit türkischem Migrationshintergrund und die hier lebenden Türken).
 
Allerdings konnte ein Hörer dieser Rede nach meinem Eindruck davon ausgehen, dass André Poggenburg ALLE in Deutschland lebenden Türken meinte.
Das mag die Staatsanwaltschaft entscheiden, bei der mittlerweile mehrere Strafanzeigen vorliegen. Er selber war sich keiner Schuld bewusst:
"Poggenburg selbst war sich keiner Schuld bewusst. Er sei während seiner Rede nur "etwas angeheitert, aber schon noch Herr meiner Sinne gewesen", versicherte er der Deutschen Presse-Agentur. Das von ihm verwendete Vokabular sei "für Fasching oder Aschermittwoch" angemessen. "Polemik und Politsatire muss an so einem Tag erlaubt sein." Er habe niemanden persönlich beleidigt. Seine Rede sei "markig und deutlich gewesen, da stehe ich dann auch zu".
Er freute sich (auf seiner Facebook-Politikerseite) über die "grandiose Aschermittwochsfeier" und schrieb auf seiner privaten FB-Seite:
"Deutsche als #Köterrasse und friedliche Demonstranten als #Pack zu bezeichnen ist ja bekanntermaßen keine Volksverhetzung, sogar wenn dies außerhalb des Faschingsmodus geschieht. Wie können dann allerdings die Äußerungen "Kameltreiber" oder "Kümmelhändler" für Türken während einer Aschermittwochsrede als volksverhetzend bewertet werden? Das ist doch sehr abenteuerlich und man erkennt deutlich, dass hier nur wieder ein durchschaubarer linker Diskreditierungsversuch gestartet wurde, das ist alles."
 
Und auf der MDR-Webseite lesen wir noch: "Sich für seine Äußerungen zu entschuldigen lehnte er ab: "Statt mich zu entschuldigen, bitte ich auch die Türkische Gemeinde darum, das Ganze mit einer ganzen Ecke mehr Humor aufzunehmen und keine große politische Debatte daraus zu machen", so Poggenburg."
 
Jedenfalls: Betrunken war Poggenburg sicherlich nicht, denn er las (auch) diese Ausfälle von seinem Manuskript ab (womit dann auch mildernde Umstände wegfallen).
Und lustig war sein Vortrag in keinster Weise: Weder inhaltlich, noch vom Gestus her. Er hat dabei nicht gelacht, sondern tendenziell eher "gewütet".
 
Wer in einer öffentlichen Rede so spricht (und das für ganz normal hält), von dem ist anzunehmen, dass er im privaten Kreis erst Recht so redet.
Ich persönlich halte André Poggenburg NICHT für einen Rechtsradikalen oder gar "Nazi". Es ist wohl eher so (und darauf lässt - leider - auch der Jubel der Zuhörer bei diesen Passagen schließen), dass sehr viele Mitbürger in den Neuen Bundesländern diese Art von Diskurs für ganz normal halten - und regelmäßig pflegen.
Und gemeinsam mit diesen lebt Poggenburg wohl in einer Filterblase, deren Existenz er nicht realisiert, sondern die er für den in Deutschland üblichen oder zumindest zulässigen Diskurs hält.
 
SO ETWAS IST FÜR EINE PARTEI DES VERFASSUNGSBOGENS - in diesem Falle für die AfD - absolut inakzeptabel.
Und nicht nur für die Partei, sondern auch für alle ANSTÄNDIGEN Mitglieder dieser Partei.
Denn alle, Partei wie Einzelmitglieder, werden von der öffentlichen Meinung für derartige Tiraden in "Sippenhaft" genommen und in ihrem Ansehen massiv beschädigt.
 
Auch Medien bzw. Personen, die der AfD sehr positiv gegenüberstehen, waren von dieser Ausdrucksweise schockiert:
 
 
EIN SKANDAL IST EINE - CHANCE!
 
Das hat auch der AfD-Bundesvorstand erkannt und eine Abmahnung ausgesprochen.
Das war richtig; es war aber WEITAUS ZU WENIG.
 
DER AFD-BUNDESVORSTAND HAT IN SEINEN REAKTIONEN IN SEINER FÜHRUNGSAUFGABE FÜR DIE PARTEI VERSAGT!
Und zwar deshalb, weil er verkannt hat, dass es manchmal besser ist, EINEN SKANDAL KONSTRUKTIV ZU NUTZEN, anstatt ihn verschämt unter den Teppich zu kehren.
 
Wie ich oben gezeigt habe, sind Poggenburgs Beleidigungen wahrscheinlich einem diskursiven 'Myzel' entsprungen, dass sich in den Neuen Bundesländern in breiten Kreisen, die sich selber ganz und gar nicht als "Rechtsradikale" verstehen, munter ausgebreitet hat. Und dem entsprechend auch in Teilen der AfD sein widerliches Wurzelgeflecht entfaltet.
Bei dieser Sachlage kann und darf es für eine verantwortungsbewusst handelnde Parteiführung nicht einfach darum gehen, der Öffentlichkeit eine "scharfe" Reaktion vorzugaukeln - und im Übrigen alles beim Alten zu lassen.
Leider hat der Bundesvorstand insoweit auf allen Ebenen versagt: Als Kollektiv wie als Einzelpersonen (die beiden Bundesvorsitzenden Prof. Jörg Meuthen und Alexander Gauland).
 
Geradezu skandalös muss man, leider, die Reaktion des (normalerweise von mir hoch geschätzten) Alexander Gauland nennen:
"„Ach, das ist halt Karneval“, gibt sich dagegen Parteichef Alexander Gauland gegenüber der JF betont gelassen. Er sehe da keinen Bedarf für eine innerparteiliche Debatte: „Das bewegt mich nicht.“
Nun ist Alexander Gauland mit seinen 76 Jahren nicht mehr der Jüngste und hatte sich ohnehin überhaupt nur deshalb in den Bundesvorstand (zusätzlich zu seiner Aufgabe als AfD-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag!) wählen lassen, um ein Ausufern der Flügelstreitigkeiten in der AfD zu verhindern.
 
Als "eigentlichen" Parteivorsitzenden sehe ich deshalb eher Prof. Jörg Meuthen an. Der übte zwar Kritik, relativierte diese aber im gleichen Atemzug:
"Meuthen erklärte: «Am Aschermittwoch geht es bekanntermaßen gerne mal verbal auch etwas derber zu. Die Wortwahl André Poggenburgs geht dessen ungeachtet deutlich zu weit und hätte nicht vorkommen sollen.» Es sei aber dennoch bedenklich, «wenn sich Verbände in unserem Land gegen ein Ministerium für Heimat aussprechen, das in anderen Ländern aus guten Gründen eine selbstverständliche Realität ist»."
Auf gut Deutsch gesagt, hat er sich also gewunden wie ein Aal.
Das ist sicherlich innerparteilichem Taktieren geschuldet, was grundsätzlich ja auch legitim und verständlich ist.
Aber in der Politik gibt es Situationen, wo man flexibel sein darf - und andere, wo man Härte zeigen MUSS. Und dies wäre bei dem vorliegenden Skandal absolut notwendig gewesen.
 
Wie man Skandale produktiv nutzen kann, habe ich einmal (mehr oder weniger) "hautnah am eigenen Leibe" erlebt.
 
In meiner aktiven Zeit (jetzt bin ich Rentner) war ich in Frankfurt bei der Bundesagentur für Arbeit (früher: "Bundesanstalt für Arbeit") beschäftigt. Dort gab es, relativ kurz hintereinander, zwei Skandale:
Bereits unter Gerster und dann verstärkt unter seinem Nachfolger Frank-Jürgen Weise wurde die BA massiv restrukturiert (und wird das heute immer noch). Für uns Beschäftigte war das kein Zuckerschlecken (insoweit bin ich nicht unparteiisch); ich will aber hier mal unterstellen, dass die Effizienz dieser Behörde auf diese Weise gesteigert wurde. Das heißt: Der Skandal wurde KREATIV GENUTZT, um die gesamte Organisation sozusagen auf eine neue Schiene zusetzen. Statt "Behörde" wurde sie jetzt (wenigstens war das die Intention; ich persönlich kann nicht beurteilen, ob das wirklich gelungen ist, unterstelle es hier aber) nach Managementprinzipien als "Unternehmen" umorganisiert.
 
In einem anderen Fall habe ich (mehr oder weniger) "hautnah" miterlebt, wie eine wunderbare Gelegenheit versäumt wurde, um aus einem Skandal einen Segen zu machen. Nämlich im Falle des Stuttgarter AfD-MdL Dr. Wolfgang Gedeon. Das ist ein eingefleischter Antisemit (sich selber auch keiner Schuld bewusst), den - und dessen Anhang, den er leider hat - wir in der AfD so nötig brauchen wie einen Kropf.
Prof. Meuthen als damaliger Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg hatte, nachdem in der Fraktion das erforderliche Quorum für einen Ausschluss von Dr. Gedeon nicht erreicht wurde, mit der Mehrheit der Abgeordneten eine neue (Teil-)Fraktion gegründet. Eine Minderheit, allerdings immer noch für eine Fraktionsbildung ausreichend, verblieb in der bisherigen Fraktion, so dass es nunmehr ZWEI AfD-Fraktionen im Stuttgarter Landtag gab. (Die Rechtmäßigkeit dieser Konstellation wurde auch gutachterlich überprüft und bestätigt.)
 
Daraufhin intervenierte Dr. Frauke Petry, damals gemeinsam mit Prof. Meuthen Bundesvorsitzende der AfD (gegen dessen Willen) in Stuttgart und erreichte, dass
a) Dr. Gedeon von sich aus aus der (alten) Fraktion austrat und
b) sich beide Fraktionen wieder vereinten.
 
Rein abstrakt gedacht eine gute Sache. Tatsächlich aber nicht im wohlverstandenen Interesse einer längerfristig vernünftig aufgestellten AfD gelegen, sondern nur vordergründig im Parteiinteresse, tatsächlich aber mehr im Interesse ihres eigenen Images als Bewahrerin der Einheit gelegen, wo Meuthen, mit dem sie rivalisierte, als Loser erscheinen musste.
 
Bei anderer Gelegenheit hatte sich (die inzwischen ausgetretene) Frauke Petry darüber beklagt, dass die AfD nach rechts rutsche. Wäre ihr wirklich daran gelegen gewesen, dieser Entwicklung etwas entgegen zu setzen, dann hätte sie in Stuttgart ganz anders agiert: Nämlich so viele (vernünftige) Mitglieder der Altfraktion zum Übertritt in Meuthens neue Fraktion überredet, bis nur noch die neue Fraktion die nötige Stärke gehabt hätte und damit wieder die alleinige AfD-Fraktion im Landtag geworden wäre.
Der Rest, die Gedeon-Fans, wären dann als Einzelabgeordnete im Landtag verblieben; in die Fraktion hätte man sie nicht mehr aufnehmen dürfen.
 
Das hätte die AfD natürlich parlamentarisch geschwächt; und auch an Mitgliedern wären vermutlich eine ganze Reihe ausgetreten. Aber so einen purgierenden Aderlass muss man durchführen, um nach innen wie nach außen zu signalisieren: Bei uns ist kein Platz für Antisemiten und andere Rechtsausleger.
 
Und nun Poggenburg. Hier geht es, für mich jedenfalls, nicht um Parteiausschluss. Sondern darum, ebenfalls nach außen, hauptsächlich aber nach innen,
  • a) durch eine knallharte Verurteilung seiner Äußerungen und
  • b) durch eine überzeugende Entschuldigung gegenüber den Beleidigten (bzw. denen, die sich durch die Rede beleidigt fühlen konnten)
ein Signal zu setzen.
 
Einige Parteifunktionäre bzw. Mandatsträger der "2. Reihe" haben das tatsächlich getan:
"Das AfD-Bundesvorstandsmitglied Steffen Königer kritisierte: "Beim politischen Aschermittwoch ist es normal, dass man sich deftig äußert. Aber das ist nicht deftig, das ist Dummheit"
und
"Frank Hansel, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, twitterte: "Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde!" Zudem warnte er vor Schaden für die Partei in der Wählerzustimmung: "Sind unsere AfD-Werte wieder zu hoch, um sie mutwillig nach unten zu drücken?"  
erfährt man aus dem ZEIT-Bericht "Rassismusvorwürfe nach 'Kameltreiber'-Rede" vom 15.02.2018.
 
Die schönste Reaktion jedoch kam von dem "schönsten Bundespolitiker", dem AfD-MdB Jan Nolte. Der schrieb auf Facebook:
"Wir stehen für eine maßvolle Einwanderung. Und zwar nur in den Arbeitsmarkt. Für Fanatiker, Integrationsunwillige und Kriminelle darf in Deutschland kein Platz sein. Es ist richtig, dass wir klar aussprechen, dass es viele schlecht integrierte Türken in Deutschland gibt, die nichtmal ansatzweise eine Bereicherung sind. Ich will aber klarstellen:
Es gibt jede Menge Türken in Deutschland, die mehr ...für dieses Land tun, als Claudia Roth, Andrea Nahles und Konsorten. Viele dieser Menschen haben ebenfalls keine Lust auf Anarchie und Massenmigration. Es ist so selbstverständlich, dass ich dachte, es nicht erwähnen zu müssen: Auch für diese Menschen machen wir Politik. Es gibt hier Türken und auch Menschen anderer Herkunft, von denen mancher Deutsche noch was lernen kann."
Diese Reaktion hätte von unserem Bundesvorstand kommen müssen. Dass das NICHT geschehen ist, gereicht unserer Partei, leider muss ich es mit Beschämung sagen, zur TIEFEN SCHANDE!
 
Es ist aber nicht nur die rein formalistische Reaktion des BuVo, mit der ich ein gewaltiges Problem habe.
Auf der AfD-Bundesseite bei Facebook kam nichts über die Poggenburg-Rede.
Auch auf der Homepage des AfD-Bundesverbandes kein Wort über den Vorgang: Nicht unter "Aktuell" und nicht einmal bei den Pressemeldungen! Die Information über die offizielle Abmahnung des Bundesvorstands an Poggenburg wurde also zwar der Presse gemeldet, auf der eigenen Webseite jedoch wird sie verschwiegen!
Das ist schon ganz grundsätzlich eine Sauerei: Solche Dinge gehören, auch wenn sie schmerzhaft sind, auf der Parteiseite dokumentiert! Im vorliegenden Falle ist das die reine Katastrophe. Die Ratio hinter diesem Vorgehen ist klar: Wegducken, abwarten, bis sich die öffentliche Aufregung legt, und keine Spuren hinterlassen.

Das mag in manchen Fällen eine adäquate Reaktion sein; in diesem Falle war es grob falsch! Hier hätte es einerseits ein reinigendes Donnerwetter geben müssen und andererseits überzeugende Entschuldigungen, vielstimmig vorgetragen: Offiziell vom BuVo insgesamt, aber auch von den Vorsitzenden. Und auf vielen Kanälen vorgetragen: Auf der Facebook-Seite, der Webseite und in den YouTube-Kanälen unserer Partei. Um auch dem letzten Volltrottel in unseren Reihen klarzumachen: So nicht!

Unterblieben sind solche Reaktionen wohl nicht nur in der Hoffnung, durch Kopfeinziehen möglichst ungeschoren in der öffentlichen Meinung davonzukommen.
Da dürfte auch politische Feigheit unserer Spitzenleute eine Rolle gespielt haben, es sich nicht mit André Poggenburg und zahlreichen AfDlern, insbesondere (leider) in den neuen Bundesländern, zu verderben.

Und das "Ergebnis"? In Mecklenburg-Vorpommern tanzen die Mäuse auf dem Tisch, bzw. tanzt ein entfesseltes Patridiotenpack der gesamten Partei auf der Nase herum:
"Die AfD-Landtagsfraktion und das Pegida-Bündnis Mecklenburg-Vorpommern wollen in Zukunft zusammenarbeiten. Das haben AfD-Parteiabgeordnete und Pegida-Leitung am Freitagabend auf einem sogenannten Bürgerdialog in Schwerin bekannt gegeben."
Einen sachlichen Grund für diese Zusammenarbeit gibt es nicht; Dresden ist weit weg von MeckPom. Hier geht es allein darum, "Böckchen" zu zeigen und sich an der eigenen Politikunfähigkeit und politischen Disziplinlosigkeit aufzugeilen. [s. jedoch unten den Nachtrag vom 21.02.2018, wo die vom NDR behauptete Zusammenarbeit bestritten wird!]

Zugegeben: Die NDR-Meldung über diese Zusammenarbeit datiert vom 17.02.; eine andere Reaktion des AfD-BuVo auf die Poggenburg-Rede hätte darauf sicherlich keinen Einfluss mehr gehabt. Aber sie hätte ein Signal setzen können, um eine weitere Erosion unserer Seriosität als Partei zu stoppen.
Einen praktischen Nutzen hat eine Kooperation zwischen AfD und Pegida Dresden, mit ihren vielleicht noch 1.000 - 2.000 Demonstranten nicht. Hier geht es allein um ein innerparteiliches Fingerhakeln von Höcke, Poggenburg und anderen Konsorten aus den Neuen Bundesländern, um die AfD auf die schiefe Ebene Richtung NPD 2.0 zu bringen.
 
Ich bin (auch wenn unsere Patridioten mir das nicht abnehmen werden) der Letzte, der die AfD zu einer FDP 2.0 machen wollte (vgl. meinen letzten Blott "Weder Narrensaum noch Steigbügel-Clown: Tertium datur! Zum Strategiepapier des stellvertretenden Bundesvorsitzenden Georg Pazderski.")
Nachtrag 19.02.: Wer mich von Facebook kennt, der weiß außerdem, dass ich der Letzte bin, der nicht "klare Kante" zeigen würde. Im Gegenteil: Bei manchen meiner Ausdrücke (Buntioten, Immiggressoren, Schurkenregime .....) zucken selbst manche Parteifreunde zusammen. Aber dass trifft dann auch immer präzise die Gemeinten - und das Richtige. Und nicht beispielsweise eine ganze Bevölkerungsgruppe (so kann man, wie gesagt, Poggenburgs Äußerungen verstehen und so hatte ich sie auch beim ersten Anhören verstanden), von der der weitaus überwiegende Teil grundanständige, fleißige Menschen sind!
 
Aber ich habe, verdammt nochmal, gestrichen die Schnauze voll davon, dass einige Filterblasen-Vollhonks sich unsere AfD kapern und - so würde oder wird es leider kommen - kaputt machen wollen.
Womit dann (insoweit gehe ich durchaus mit Björn Höcke konform), die letzte evolutionäre Chance vertan wäre, Deutschland vor der Massenimmiggression und vor der Ausplünderung durch unsere europäischen "Partnerländer" zu retten.
 
 
ALLGEMEINE AUSFÜHRUNGEN EINES SOZIOLOGEN ZUM THEMA SKANDALE

Nicht direkt einschlägig, weil es mir nicht um die journalistische Aufarbeitung, sondern um die innerparteiliche geht, aber im vorliegenden Zusammenhang doch sehr interessant ist der Aufsatz (pdf-Datei) "Skandal, medialisierter Skandal, Medienskandal: Eine Typologie öffentlicher Empörung" von Steffen Burkhardt (offensichtlich ein Soziologe aus der Luhmann-Schule). Daraus einige Auszüge:
"Im religiösen Begriffsursprung wird die normative Funktion des Skandals deutlich. Er ist ein zentrales, historisch gewachsenes Konzept zur öffentlichen Aushandlung von Normen. .....
Der Journalismus scannt im Medienskandal nicht nur moralisch bedenkliche Verhaltensmuster, die sich virusartig ausbreiten könnten, sondern setzt diese Abläufe auch in Bezug zum politischen Geschehen. Es werden also nicht nur die Folgen des Verhaltens des Skandalisierten für den jeweiligen Teilbereich beleuchtet, sondern auch die Konsequenzen für das politische System insgesamt thematisiert. Medienskandale leben von der Konstruktion politischer Relevanz. So wie Aristoteles für das Drama forderte, es möge am Kleinen das Große erklären, wird im Medienskandal an einem konkreten Fallbeispiel der politische Kosmos einer Gesellschaft diskutiert. Eine wichtige Strategie zur Verortung der Erzählung im politischen Milieu ist dabei die Konstruktion von politischer Relevanz. Sie ist die Basis für das öffentliche Interesse am Medienskandal. Auf die Konstruktion politischer Relevanz erfolgt in Medienskandalen in der Regel die Konstruktion von politischem Handlungsbedarf. Damit wird die Inszenierung des öffentlichen Interesses in der Berichterstattung weiter gesteigert. In Medienskandalen wird nicht nur das vermeintliche Fehlverhalten einzelner Individuen analysiert, sondern auch die Fehlentwicklungen im sozialen System selbst und vor allem in dessen politischen Apparat untersucht. Die Problematisierung des politischen Systems stützt sich dabei vor allem auf vermutete Versäumnisse bei der Einlösung des politischen Handlungsbedarfs. .....
Soziale Systeme brauchen Medienskandale, weil die Mitglieder des sozialen Systems über die Skandalisierung in relativ einfachen Geschichten (v.a. in den populären Medien) für die gesellschaftliche Kommunikation zentrale Informationen erhalten. Medienskandale können daher als Elementargeschichten des sozialen Systems bezeichnet werden. .....
Medienskandale sind, funktional betrachtet, Märchen für Erwachsene. Damit ist nicht gemeint, dass Medienskandale erfunden sind, sondern intendiert, dass Medienskandale für die Mitglieder des sozialen Systems ähnlich wie Märchen moralische Geschichten darstellen, die einfach zu verstehen sind und den Leitcode aus Moral, Werten und Normen in der Gesellschaft aktualisieren. Ähnlich wie in Hausmärchen erfahren die Mitglieder sozialer Systeme was alles böse ist in Geschichten wie Watergate (Machtmissbrauch und Vertuschung), Barschel (Intrigen und Rufschädigung) oder Brent Spar (Umweltverschmutzung). .....
Durch die Binarität der Stereotypisierung werden im Medienskandal konkurrierende Bezugssysteme für Bewertungssicherheiten verhandelt, die als moralische Normen verstanden werden können, wie z.B. christliche versus islamische Moralvorstellungen, liberale versus konservative Moralvorstellungen oder ökologische versus ökonomische Moralvorstellungen. .....
Durch die emotionalen Bilder des Medienskandals verknüpft mit einer kognitiv dekodierbaren Geschichte wird eine reflexive Bezugnahme der Aktanten in sozialen Beziehungen aufeinander geschaffen, die sich auch als Bewertung des Verhältnisses zwischen sozialem Alter und sozialem Ego aktualisiert. Der Medienskandal qualifiziert so die Differenz von sozialem Ego und sozialem Alter mit gut und böse. Er erinnert die Aktanten des sozialen Systems an diesen reflexiven Unterscheidungsmechanismus, den sie vor allem sozialisatorisch verinnerlicht haben, und führt ihnen in einem Fallbeispiel vor Augen, dass jeder damit rechnen muss, dass ihr gesamtes Handeln dieser sozial verbindlichen und konstitutiven Bewertungssystematik des Präferenzcodes unterworfen werden kann.
Dieser permanent aktualisierte Zivilisationsprozess führt zu individuellen Entwicklung eines relativ systemkonformen Schamgefühls: Wer gegen den übernommenen Präferenzcode der Moral verstößt, schämt sich, selbst wenn er nicht beobachtet wird. Die Moral als Invisibilisierung der Kontingenz von Wertorientierungen funktioniert daher sehr unauffällig und effektiv. Wenn es jedoch, wie im Medienskandal, zu einem öffentlich konstruierten Bruch eines Systemmitglieds mit der Moral kommt und es ihm nicht gelingt, seine moralische Integrität zu beweisen, so wird von ihm erwartet, dass er sich öffentlich schämt. Noch wichtiger als öffentliche Entschuldigungsrituale ist dementsprechend die öffentliche Demonstration von Demut." 

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Nachtrag
Was solche Reden mit dem Image unserer Partei - und damit potentiell auch jedes einzelnen Mitglieds - anrichten, zeigt z. B. der Kommentar "Auch Protestwähler tragen Verantwortung für das Land" von Peter Huth in der WELT vom 18.02.2018:
"Ein Aufritt wie der poggenburgsche am Aschermittwoch darf – ähnlich wie die Forderungen von Björn Höcke, eine „180-Grad-Kehrtwende in der Erinnerungskultur“ zu vollziehen – nicht unwidersprochen bleiben. Auch auf die Gefahr hin, dass sich die Partei wie üblich in eine Opferrolle hineinfantasiert. Die mag beim enthemmten Kern ihrer Anhängerschaft verfangen, der sich sehr wohl darin fühlt, sich unverstanden und ungehört zu geben. Ob Menschen wie jene im Saal, die sich an Poggenburgs Hetze aufgeilten, überhaupt für die Demokratie zu retten sind, darf man durchaus bezweifeln."


Nachtrag 21.02.2018

Ausführlich über die Vorgänge in MeVoPom berichten die WELT-Journalisten Matthias Kamann und Annelie Naumann am 20.02.2018 unter "Radikalisierung im Osten. AfD und Pegida – Seit an Seit ganz weit nach rechts" (meine Hervorhebung):
"Immer noch in Kraft ist der Beschluss des AfD-Konvents, des kleinen Parteitags vom Juni 2016, wonach Parteimitglieder weder als Redner noch mit AfD-Symbolen bei Pegida-Veranstaltungen auftreten dürfen. Ebenfalls untersagt ist eine offizielle Teilnahme von Pegida-Repräsentanten bei AfD-Zusammenkünften. Aber dieser Unvereinbarkeitsbeschluss ist in Ostdeutschland längst Makulatur. Bewusst ist das dem AfD-Bundesvorstand. Dort wurde unlängst diskutiert, ob sich die Distanzierung von Pegida aufrechterhalten lasse – allerdings ohne Ergebnis. Faktisch abgeschafft wurde sie jedenfalls schon bei Demonstrationen. ..... Nun kommen Pegida und AfD auch im Nordosten zusammen.Ein erstes Treffen fand kürzlich in Neubrandenburg statt. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Enrico Komning unterhielt sich öffentlich mit Bachmann sowie Siegfried Däbritz (ebenfalls Pegida) und Michael Stürzenberger, Autor auf dem extrem islamfeindlichen Blog „Politically Incorrect“. Tags darauf wurde in Schwerin weiter diskutiert, bei einem „Bürgerdialog“ der AfD, wieder mit Bachmann, Däbritz und Stürzenberger, auf Parteiseite mit den Landtagsabgeordneten Bert Obereiner und Christoph Grimm. ..... Hingegen sagte der Chef der AfD-Landtagsfraktion, Nikolaus Kramer, auf WELT-Anfrage: „Es gibt keine Zusammenarbeit mit Pegida, weder offiziell noch inoffiziell.“ Auszuschließen sei das schon deshalb, weil die Arbeit der AfD in Parlamenten stattfände, Pegida auf der Straße. „Wir sind eine Partei, und Pegida ist eine Bewegung“, sagte Kramer – distanzierte sich aber inhaltlich nicht von Pegida und betonte, dass dort „Islamkritik ein wesentlicher Bestandteil“ sei. In einer Presseerklärung bekräftigten Obereiner und Grimm, dass es keine Vereinbarung über eine Zusammenarbeit gegeben habe. Man habe diskutiert. Die durch den AfD-Konventsbeschluss verbotenen „Redeauftritte“ hätten „nicht stattgefunden“."



Nachträge 22.02.2018

André Poggenburg fühlt sich weiter als verfolgte Unschuld, worin er vermutlich durch seine Anhänger massiv bestätigt wird. Filterblase halt. Hier sein Facebook-Statement von gestern; daraus Auszüge:
"Schnell fand die linke Lückenpresse allerdings ihren gesuchten Eklat oder besser - sie produzierte ihn künstlich. Als Vorlage diente ihr diesmal meine Aschermittwochsrede. Selbstverständlich wäre auch eine andere gut geeignet gewesen, allein es wurde nun mal meine erwählt. ..... Dürfen wir den stark provokanten, aber in den letzten Jahren zweifelsfrei erfolgreichen Kurs unserer AfD, - die AfD Sachsen wurde bspw. mit einem verbalaggressiven und #Pegida-gestützten Wahlkampf stärkste Kraft und ich bin stolz dabei gewesen zu sein - einfach verlassen, nur weil Aussagen unserer Politiker ein Aufheulen der Systempresse und der Merkel-Riege nach sich ziehen? Oder ist es nicht sogar äußerst hilfreich für die basisverbundene Wahrnehmung der AfD, wenn Bundespräsident Steinmeier, Justizminister Maas und verschiedenste Ministerpräsidenten sich genötigt fühlen direkt gegen eine AfD-Rede zu wettern und zu zetern? Haben wir nicht genau DANN alles richtig gemacht? Und dürfen wir es zulassen, dass nun sogar zu Aschermittwoch, wo eben auch ein Politiker mal Satiriker sein kann, die Zensur greift? Wie weit müssen und wie weit dürfen wir uns "anpassen" um eine Alternative zum Etablierten zu bleiben?"

"AfD - Maske verrutscht" titelt CHRISTOPH SCHWENNICKE auf Cicero Online vom 20. Februar 2018:
"Der schändliche politische Aschermittwoch der AfD [nicht "der" AfD, sondern des sächsischen AfD-Kreisverbandes Südost-Erzgebirge!] ist fast eine Woche her, doch eine wirkliche Distanzierung der Parteiführung ist ausgeblieben. ..... Fast eine Woche ist das jetzt her. Passiert ist nichts. Oder fast nichts. Eine Rüge des Parteivorstandes. Das war‘s. Mehr ist der AfD nicht eingefallen zu André Poggenburgs Rede beim offiziellen politischen Aschermittwoch der Partei [das ist, wie gesagt, falsch] im sächsischen Pirna. Diese Stille ist sprechend. Sie spricht aus: In dieser Partei gibt es keinen Aufstand der Anständigen, wenn sich jemand wie Poggenburg als Funktionsträger (er ist Fraktionsvorsitzender im Landtag von Sachsen-Anhalt und Landesvorsitzender) bei der zentralen Veranstaltung mit einer ausländerfeindlichen, von Nazi-Anspielungen gespickten, rassistischen Rede ins Szene setzt."
Wie gesagt: Eine "zentrale Veranstaltung der AfD" war das nicht. Als solche könnte man allenfalls den Aschermittwoch des AfD Landesverbandes Bayern bezeichnen, bei dem Prof. Meuthen (sehr gut) gesprochen hat (s. o.) und Alice Weidel anwesend war. Und die
Charakterisierung der Rede im letzten Satz erscheint mir einigermaßen übertrieben. Dennoch wäre natürlich eine knallharte Distanzierung seitens des BuVo geboten gewesen.
"Wenn diese Rede, die sich jeder in Gänze anschauen kann, nicht mit einem allgemeinen Aufschrei der Empörung, nicht mit einem Parteiausschlussverfahren und einer Entschuldigung in die verschiedensten Richtungen quittiert wird, nimmt man nicht nur billigend in Kauf, dass sich das Braune zum Blauen gesellt. Wer einem Redner wie Poggenburg bei der offiziellen Veranstaltung die zentrale Rede zugesteht, der will das so. Anders gesagt: Parteichef Alexander Gauland und Fraktionschefin Alice Weidel wollen das offenbar so."
Ein PAV wäre überzogen; und die Vorwürfe gegen Gauland und Weidel sind schlicht falsch, weil es sich nicht um eine Veranstaltung des Bundesverbandes gehandelt hat und dem entsprechend der Bundesvorstand bei der Rednerauswahl nichts zu sagen hatte und mit Sicherheit auch nicht mitgewirkt hat. Aber Empörung, und vor allem Entschuldigung gegen alle, die sich beleidigt fühlen konnten, wäre in der Tat Pflicht gewesen.
Schwennicke ist beileibe kein "Rechten-Hasser", wenngleich er die AfD schon länger kritisch sieht. Jedenfalls sollten solche Stimmen unserer Partei ein Warnsignal sein.

 
Nachträge 23.02.2018
 
In der Basler Zeitung habe ich schon eine ganze Menge Artikel gelesen, die unserer AfD bzw. deren politischen Zielen durchaus positiv gegenüberstanden. Jetzt platzt freilich auch denen der Kragen. "Politische Korrektheit, nötiger denn je" überschrieb Christine Richard ihren kritischen Kommentar vom 21.02.2018:
"Ja, es tut gut, die Sau rauszulassen. Und es bringt auch politisch wieder viel ein. Denn wer sich offen zu Gefühlen bekennt, seien sie noch so übel, wirkt ehrlicher als ein vernunftverklemmter Tugendbolzen. Werden Leute wie Poggenburg zur Raison gerufen, reagieren sie feige und nennen ihre Hetzrede eine «Satire». Und machen weiter. ..... Vertrackte Dialektik: Je stärker die einen «politisch korrekt» handeln, um alle Sonderinteressen unter einen Hut zu bringen, desto stärker haben die anderen das «heuchlerische Gutmenschentum» satt. Hier die «Rotgrünbürgerlichelitären», dort die «ehrlichen einfachen Bürger». Die AfD-Rabauken sind stolz auf ihren hemmungslosen Egoismus und ungehobelten Politikstil."
In der deutschen Journaille sind die notorischen AfD-Hasser weniger zimperlich und fordern bereits eine Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz:

Im Titel relativ zurückhaltend, im Text schon recht eindeutig ist Frank Jansen im Tagesspiegel vom 20.02.2018: "Rechte Hetze von Höcke bis Poggenburg: Wie der Verfassungsschutz sich zur AfD verhalten kann":

" Der Nachrichtendienst, ein Verbund von 17 Behörden, sollte zumindest in einer konzertierten Aktion prüfen, ob Teile der AfD regional oder auch überregional derart menschenfeindlich agitieren, dass die Grenze zum Rechtsextremismus erreicht, wenn nicht überschritten ist."

"Fall für den Verfassungsschutz. Die AfD tritt das Erbe der NPD an" n-tv, Benjamin Konietzny, 20.02.2018.
 
"Nach Gaulands rassistischen Pöbeleien: Die AfD ist ein Fall für den Verfassungsschutz!" Hamburger Morgenpost, Mathis Neuburger, 23.02.2018 (auch vom "FOCUS" übernommen). Er beginnt mit einem Hinweis auf die Poggenburg-Rede und fährt dann fort: "Ein „Ausrutscher“? Im Gegenteil. Im „Stern“ legt AfD-Chef Alexander Gauland jetzt nach und behauptet: „Das ist kein Rassismus, wenn ich sage: ,Die Türken gehören nicht zu uns.‘“ Poggenburg und Gauland hätten auch gleich „Deutschland den Deutschen“ rufen können. Und zwar den weißen, nichtmuslimischen Deutschen. Denn das ist der Kern ihrer Äußerung: purer, reiner Rassismus. Es  ist der Sound der NPD."
Journalistisch unseriös ist, dass Neuburger nicht zu der angeblichen Gauland-Äußerung verlinkt. Die wurde referiert in dem STERN-Artikel "Alexander Gauland im stern. "Es ist kein Rassismus, wenn ich sage: 'Die Türken gehören nicht zu uns' " vom 21.02.2018. Im "Vorspann" lesen wir (meine Hervorhebung):
"Trotz aller Empörung hält AfD-Chef Alexander Gauland am rechten Sound seiner Partei fest. Im Interview mit dem stern sagte er: "Die Türken gehören nicht zu uns." Und auch eine Zusammenarbeit mit Pegida hält er für 'möglich'."
Unter dem Artikel wird behauptet: "Mehr dazu lesen Sie im neuen stern".

Tatsächlich enthält die Druckausgabe des STERN vom 22.02.2018 einen längeren Artikel über die AfD (eigentlich nur eine ausgewalzte Version des Online-Artikels). Aber KEIN Interview mit Alexander Gauland. Das ist natürlich eine extrem halbseidene Form von Journalismus: Aus einem Interview zu zitieren, ohne dieses zu veröffentlichen. Fragt sich nur, aus welchem Grund eine Publikation unterblieben ist:
- Liest sich die Äußerung im Zusammenhang weit weniger skandalös als sie hier erscheint, und ging es dem STERN um brutalstmögliche Diskriminierung der AfD?
- Oder hat Gauland die Zustimmung zur Veröffentlichung verweigert oder zurückgezogen? Dann könnte man als Leser allerdings eine entsprechende Klarstellung von der Illustrierten erwarten. Zunächst einmal gehe ich davon aus, dass die Äußerung IM ZUSAMMENHANG GELESEN eher undramatisch ist, und dass der STERN sie in hetzerischer Weise vorsätzlich aus eben diesem Zusammenhang herausgelöst hat - und dem Leser vorsätzlich die Kenntnis des Zusammenhanges vorenthält.
 
Aber egal wie: Ausgehend von der Poggenburg-Rede gerät unsere AfD, von außen reingeprügelt und, leider, auch von innen von manchen reingezogen, immer mehr in ein extrem gefährliches Fahrwasser.
Eine Observierung durch den Verfassungsschutz würde, wenn umgesetzt, de facto auf eine Zerschlagung der AfD hinauslaufen, denn dann dürften sich z. B. Beamte nicht mehr bei uns engagieren. Und bei den Wählern wären wir natürlich ebenfalls unten durch.

Dann wären der Sieg und die Allmacht des herrschenden konsensfaschistischen Regimes perfekt. Und die "letzte evolutionäre Chance" (Zitat Björn Höcke) zur Rettung unseres Vaterlandes wäre verspielt - worden. Letztlich von uns selber.

Nachtrag 27.02.2018

Für André Poggenburg ist die Sache noch nicht ausgestanden: "
Poggenburg im Dauerfeuer: Kritische AfD-Abgeordnete haben 'den Kanal voll' " titelt heute die Mitteldeutsche Zeitung und informiert u. a.:
"Der AfD-Bundesvorstand erteilte eine Abmahnung, die Bundestagfraktion stellte sich einstimmig hinter diese Entscheidung - immerhin sitzen auch vier Sachsen-Anhalter in Berlin."
Wusste ich noch gar nicht, dass auch unsere Bundestagsfraktion darüber abgestimmt hatte. Offenbar hat man auch das, leider, nicht offensiv kommuniziert. Und weiter:
"Es brodelt auch in Magdeburg: Einige Abgeordnete „haben den Kanal“ voll, sagt ein Mitglied. „Das ist nicht mein Ton“, sagte ein anderer."
Sehr bemerkenswert ist diese Stimme (meine Hervorhebung):
"Poggenburg wird nun auch von einem gerügt, der lange als geistiger Verbündeter galt: dem neurechten Verleger Götz Kubitschek aus Schnellroda (Saalekreis). „Ich bin ein strikter Gegner solcher Vokabeln wie Halbneger, Kameltreiber oder Kümmelhändler“, sagte Kubitschek jüngst auf einer Demo in Cottbus. „Uns [recte: Und?] wohlgesonnene Bürger, die den Schritt zu uns herüber wagen wollen, schreckt das zurück!

(Übrigens hatte Kubitschek seinerzeit auch Björn Höcke für Passagen in seiner Dresdner Rede getadelt.)


 
ceterum censeo 

Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand vom 27.02.2018

1 Kommentar:

  1. Auch wenn er vorgibt, besoffen gewesen zu sein, ist es eine Frechheit. Eine Unmöglichkeit in einem Land, dessen Bewohner zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen und auch die Bürger anderer Länder hier unter diesen Schutz stellen. Aber was will man von einer "Knalltüte" wie Poggenburg und Consorten anderes erwarten. Pöbel halt.

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