Dienstag, 17. Dezember 2019

Rentenfinanzierung: Merz (CDU) und Meuthen (AfD) als Hütchenspieler der Kapitalinteressen


Grundsätzlich gibt es zwei (und nur zwei) verschiedene Wege, die Rentenfinanzierung zu organisieren:
  • das Umlageverfahren (UV; laufende Renten werden aus laufenden Rentenbeiträgen bezahlt) und
  • das Kapitaldeckungsverfahren (KDV; Renten werden aus Erträgen und Auflösung eines angesammelten Kapitalstocks finanziert; dieses Verfahren wird auch als angebliche „Eigenvorsorge“ propagiert)

In der Vergangenheit gab es (als übliche und meist sogar einzige) Vorsorge die Altenversorgung durch die eigene Familie. Wer so etwas heute wieder einführen will oder ernsthaft als Alternative vorschlägt, ist nicht mehr ganz bei Troste und total aus der Zeit gefallen.
 
Hütchenspieler vertrauen darauf, dass die Opfer ihren eigenen Augen trauen (und sich dadurch täuschen lassen).
In ähnlicher Weise agieren bei der Debatte um die zukünftige Rentenfinanzierung die Lobbyisten des sog. „Kapitaldeckungsverfahrens“. Denn DAS sieht doch wohl jeder ein: Wenn es zukünftig nicht mehr genügend Arbeitende als Beitragszahler gibt, dann muss (und kann) doch jeder SELBER für sein Alter vorsorgen?

In Wahrheit ist diese Überzeugung aber ebenso eine Illusion wie der vermeintlich todsichere Gewinn beim Hütchenspiel: In der Masse können die Rentner genauso wenig selber für ihr Alter vorsorgen, wie die Einfaltspinsel beim Gaunerspiel gewinnen können.
Sie können zwar Geld ansammeln (meinetwegen auch Goldstücke in der Kartoffelhorde). Aber sie können (mehr oder weniger) immer nur diejenigen Güter konsumieren, welche die Arbeitenden IN DEM JEWEILIGEN ZEITRAUM produzieren (und ihnen, wie auch immer, "abgeben"). (Das ist der Kern der Mackenroth-These)

Die Kleinen Leute sowie jener Teil der KDV-Lobbyisten, der bloß ökonomisch unbedarft oder denkfaul ist (also nicht diejenigen, die das Volk ganz bewusst begaunern), vermanschen in ihrem Denken 2 x 2 volkswirtschaftliche Ebenen:
  1. Mikro- und Makroökonomie und  
  2. Realwirtschaft und Finanzwesen.
Geldsparen ist eine Tugend - sagt man uns und denken wir als Einzelpersonen. Aber das ist eine mikroökonomische Sicht (die Froschperspektive).
Sobald das Geldsparen zum Massenphänomen wird und die Leute ihre Einnahmen großenteils nicht mehr ausgeben, sondern sparen (egal, ob unterm Kopfkissen oder auf der Bank), bricht die Wirtschaft mangels Güternachfrage zusammen. Denn logischer Weise kann niemand Einnahmen erzielen, wenn andere keine Ausgaben mehr tätigen: Die Einnahmen des einen sind IMMER anderer Leute Ausgaben.

Vor allem IST GELDSPAREN ETWAS VÖLLIG ANDERES ALS VOLKSWIRTSCHAFTLICHES SPAREN: Auf der Makro-Ebene bilden nur echte Investitionen (in die Realwirtschaft, nicht etwa „Investitionen“ in Staatsanleihen!) „Ersparnisse“. Und diese Investitionen müssen, um nützlich zu sein, eine realwirtschaftliche Rendite erbringen (ggf. auch indirekt, wie z. B. Straßen), sonst sind sie, als „Überinvestitionen“, pure Geldverschwendung.

Letztlich ist das Problem der Rentenfinanzierung bei sinkenden Arbeitnehmerzahlen nicht ein Mangel an Geld (das könnte man beliebig drucken), sondern ein Mangel an Gütern: Weniger Arbeitskräfte produzieren weniger Güter als mehr Arbeitskräfte. Das gilt natürlich nur bei gleicher technologischer Ausstattung; nimmt man die Rationalisierung hinzu, dann kann man im Prinzip sogar mit sehr viel weniger Arbeitskräften sehr viel mehr Güter produzieren. Um 1900 konnte ein Landwirt vier Personen versorgen; heute 155 Personen.

Der bekannte Wirtschaftswissenschaftler Prof. Hans-Werner Sinn hat immerhin erkannt, was den allermeisten KDV-Missionaren Hekuba ist: Dass der „Flaschenhals“ bei der Rentenaufbringung LETZTLICH nicht in den Beitragsleistungen, sondern in der Güterproduktion liegt. Drum hat er gemeinsam mit 32 weiteren VWL-Professoren (die aber vermutlich sein Papier lediglich mit unterschrieben haben) einen schlauen Plan ausgeheckt: „Fehlendes Humankapital durch Realkapital“ ersetzen. Die Details enthält das Gutachten „Grundlegende Reform der gesetzlichen Rentenversicherung“ vom 20.02.1998, erstellt für das Bundeswirtschaftsministerium.

Auch dieser Plan ist ebenso einleuchtend wie - falsch.
Prof. Sinn glaubte, den Markt überlisten und der deutschen Wirtschaft durch höhere Investitionen ein überdurchschnittliches Wachstum ermöglichen zu können. Höhere Investitionen sollten automatisch dadurch eintreten, dass der Staat die Arbeitnehmer zum Geldsparen (für das Alter) zwingen würde. Abgesehen davon, dass Prof. Sinn die (vermeintliche) Eigenvorsorge zwingend vorschreiben wollte, dürfte sein scheinschlauer Plan die Blaupause für die (staatlich geförderte, aber freiwillige) „Riester-Rente“ gewesen sein.

Dummer Weise enthalten Sinns Überlegungen jedoch eine ganze Reihe von Denkfehlern und beruhen auf einer unzutreffenden Vorstellung über die Zusammenhänge zwischen Geldsparen, realwirtschaftlichen Investitionen und Kreditgewährung durch die Banken.
  1. Für einen Marktwirtschaftler ist es bereits widersinnig, die Investitionen quasi zwangsweise steigern zu wollen. Es impliziert nämlich, dass der Markt unfähig wäre,   a) die „richtige“ Investitionshöhe zu finden und   b) das dafür nötige Geld aufzubringen, also ein Marktversagen, das durch einen staatlichen Eingriff leicht korrigierbar sei. 
  2. Investitionen werden aus Erträgen finanziert und, soweit diese nicht ausreichen, aus Krediten. Diese Kredite schöpfen die Banken im Prinzip „aus dem Nichts“. Zwar brauchen sie dafür eine gewisse (relativ kleine) Menge an Kundeneinlagen; aber es ist NICHT so, dass Banken die Kredite unmittelbar aus den Kundeneinlagen finanzieren würden (und somit nicht mehr Geld verleihen könnten, als Menschen bei ihnen gespart haben). Von daher ist Sinns Ansatz, dass man Arbeitnehmer zum Geldsparen zwingen müsse, damit die Unternehmer mehr investieren könnten, ökonomischer Schwachfug: Wer seine Bank von seinem Geschäftsmodell überzeugen kann, bekommt im Prinzip auch den nötigen Kredit dafür.
  3. Im Gegensatz zu Sinns Annahme würden nach den Gesetzlichkeiten einer geldgesteuerten Marktwirtschaft die Investitionen nicht nur nicht steigen, sondern sogar SINKEN, wenn die Arbeitnehmer ihr Geld sparen, anstatt es (größtenteils) auszugeben. Unternehmer gehen nicht morgens mit dem Hut durch die Banken und fragen, ob sie Kredit bekommen können, weil ihre Arbeitnehmer gestern ihr Geld aufs Sparkonto gelegt haben. Die fragen vielmehr überhaupt nur dann Kredite nach, wenn sie für diejenigen Güter, die sie mit ihren (Neu-)Investitionen produzieren wollen, realistische Absatzchancen sehen. DIESEN Zusammenhang hat Prof. Sinn überhaupt nicht in seine Überlegungen einbezogen.
  4. An einer Stelle in einem um 2010 von ihm verfassten Buch (in das ich nur reingeschaut habe und dessen Titel mir entfallen ist) wundert sich Prof. Sinn, dass die deutschen Ersparnisse aus der „Riester-Rente“ nicht in inländische Investitionen geflossen sind, sondern in amerikanische Granitküchen. Das ist freilich nicht überraschend: Die Riester-Rente hat die Inlandskaufkraft reduziert; unsere Spargelder wurden ins Ausland (USA, Griechenland, Italien …..) verliehen (wenn man für den Moment mal ex-ante-Ersparnisse mit Krediten gleichsetzen will). Und weil auch die amerikanischen Unternehmen keinen zusätzlichen Kapitalbedarf hatten, sondern sich weitestgehend aus ihren Einnahmen finanzieren konnten, wurden unsere Altersersparnisse nicht im volkswirtschaftlichen Sinne investiert, sondern einfach nur in anderen Ländern verkonsumiert. Hätten die amerikanischen Häuslebauer nicht wie verrückt weltweit Kredite aufgenommen, dann hätte unserer Wirtschaft dieser Teil der Nachfrage gefehlt und sie wäre in die Krise gerutscht. Dass wir diese Kredite dann (via Bankenrettung) teilweise aus deutschen Steuermitteln selber bezahlen mussten, ist nur die logische Konsequenz eines falschen ökonomischen Denkens.
  5. Eine weitere Fehlannahme von Prof. Sinn war, dass man die Wirtschaftsleistung quasi BELIEBIG steigern könne. Im Grunde denkt er sich die Volkswirtschaft als einen Automaten, wo man nur „oben“ genügend Geld reinwerfen müsse, um „unten“ eine proportional gesteigerte Wirtschaftsleistung herauszubekommen. Tatsächlich gibt es aber außer der Anzahl der Arbeitnehmer (und deren Qualifikation) noch einen anderen limitierenden Faktor: Das jeweils erreichte technologische Niveau. Dass die Landwirtschaft ihre „Versorgungsquote“ seit 1900 von vier auf hundertfünfundfünfzig steigern konnte heißt eben NICHT, dass sie schon längst die zweihundert erreicht haben könnte, wenn die Bauern nur mehr Geld in ihre Betriebe investiert hätten. Tatsächlich sinken die Rationalisierungsgewinne schon seit Jahren - und das ganz sicher NICHT, weil die Unternehmen zu wenig Geld investieren würden. Seine Gleichung: Einfach mehr rationalisieren, wenn es weniger Arbeitnehmer gibt, funktioniert also nicht BELIEBIG. (Und soweit sie funktioniert, sorgt der Markt schon ganz von alleine dafür.)


Investieren im Ausland:

Man könnte nun glauben, was viele behaupten: Alles kein Problem; wenn die inländische Wirtschaft nicht hinreichend absorptionsfähig ist für zusätzlich gespartes Geld, investieren wir es halt im Ausland.
Nur fragt sich dann a) welche ausländischen Volkswirtschaften überhaupt vom Grundsatz her (Rechtssicherheit, Aufnahmebereitschaft für Auslandskapital usw.) für Investitionen in Betracht kommen; b) um welche Summen es geht; c) ob die jeweilige Volkswirtschaft überhaupt Investitionskapital braucht bzw. aufnehmen kann und d) ob das Ausland wohl auf Dauer unsere Alten finanzieren wird (selbst wenn die glauben, Eigentumsansprüche darauf zu haben).
Schaut man sich in der Welt um, dann gibt es
a) sehr, sehr viele Staaten, wo allenfalls extrem risikofreudige Anleger überhaupt investieren würden;
b) sehr, sehr viele Staaten, die genau dieselben demographischen Probleme haben wie wir. Unter anderem gehört der bevölkerungsreichste Staat der Welt, China, dazu. Und wenn Kapitaldeckungsverfahren und Auslandsinvestitionen so eine tolle Idee wären, wie deren Verfechter dem Volk vorgaukeln, dann würden ALLE DIESE STAATEN dasselbe machen wie wir. Es kämen also Jahr für Jahr hunderte von Milliarden Euro ZUSÄTZLICH an den Markt und würden nach Anlagemöglichkeiten suchen.
c) Die US-Unternehmen finanzieren sich in der Summe aus ihren Erträgen; die brauchen unser Kapital gar nicht bzw. haben keine Verwendung dafür. In vielen anderen Ländern dürfte es ähnlich aussehen; jedenfalls könnten die ggf. benötigte Kredite problemlos auf ihrem eigenen Finanzmarkt beschaffen.
d) Und ganz sicher wird KEIN LAND DER WELT, Eigentumsansprüche hin oder her, über Jahrzehnte fremde Länder (bzw. die Alten in diesen Ländern) mit hunderten von Milliarden durchfüttern. Wer anderes glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann. 


Zurück zu den KDV-Aposteln:

Der Emeritus Hans-Werner Sinn hat zumindest den Geldschleier von den realwirtschaftlichen Zusammenhängen, um die es eigentlich geht, weggezogen und stellt richtiger Weise die GÜTERWIRTSCHAFT in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Nur bauen seine Gedankengänge leider auf (unausgesprochenen) falschen Prämissen auf und stellen im Grunde einen Versuch dar, den Markt mit staatlichen Zwangsmaßnahmen (Zwangssparen) zu überlisten. (Was bekanntlich noch niemals und nirgends auf längere Zeit funktioniert hat.)

Friedrich Merz von der CDU hingegen macht sich erst gar nicht die Mühe, sein Eintreten für ein Kapitaldeckungsverfahren (mit Investitionen spezifisch in Aktien) theoretisch zu begründen; jedenfalls findet sich bei der Seitensuche auf seiner Homepage der Begriff „Kapitaldeckungsverfahren“ überhaupt nicht. Als Aufsichtsratsvorsitzender und Lobbyist des deutschen Ablegers des weltweit größten Vermögensverwalters BlackRock ist ihm natürlich daran gelegen, möglichst viel Kohle in die Kassen seines Konzerns zu spülen.

Prof. Jörg Meuthen von der AfD hat für die parteiinterne Debatte um das Rentenprogramm zwar ein eigenes Konzept erstellt. Dieses hat er allerdings nicht veröffentlicht, so dass es auch der großen Masse der Parteimitglieder unbekannt ist.
Er fordert darin
  • eine steuerfinanzierte Mindestrente mehr oder weniger knapp über dem Existenzminimum
  • im Übrigen einen Umstieg vom UV auf das KDV und
  • die Finanzierung der Altansprüche aus dem UV ebenfalls durch die Steuerzahler.



Volkswirtschaftliche Überlegungen stellt auch er nicht an; überhaupt findet sich nicht eine einzige Referenz auf irgend einen Fachaufsatz aus der überquellenden Literatur zum Themenkomplex Rentenfinanzierung, Umstiegs-Effizienz von UV auf KDV (vgl. z. B. Prof. Wolfgang Wiegard, „Der Grundsatz der Effizienz bei der Reform der Rentenversicherung“) usw. Nicht einmal mit der „Mackenroth-These“ setzt er sich auseinander, obwohl dieses seit Jahrzehnten fundamental für die deutsche Debatte um die Rentenfinanzierung ist.
Zwar behauptet er „Die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung liegt eklatant unter der Verzinsung am Kapitalmarkt.“ Aber auch das ist Mumpitz, weil der Vergleich sicha) auf vergangene (und zweifellos sorgfältig ausgewählte) Zeiträume stützt und
b) völlig unwissenschaftlich außer Betracht lässt, dass ein (dramatisch) steigendes Kapitalangebot die Renditen nach den Marktgesetzlichkeiten (dramatisch) senken muss.Überhaupt traut er der Aktienanlage wohl nicht so ganz, weil er auf die seiner Meinung nach künstlich durch die EZB niedrig gehaltenen Zinsen schimpft, die eine „umverteilende Wirkung“ hätten. Die Kosten würden die Sparer tragen: Auch das ist richtig.

Meuthen schimpft wie ein Rohrspatz auf das UV und schreckt auch nicht vor Falschbehauptungen zurück, um es zu diskreditieren. Wenn er sagt, dass „Mittlerweile rund 30% des gesamten Bundeshaushalts für die Renten aufgewendet“ werden, dann ist das zwar für sich genommen nicht falsch. Auch nicht seine Behauptung „Die Beiträge der Beitragszahler allein reichten bei Weitem nicht aus, um die Renten zu finanzieren.“ Die Täuschung liegt darin, dass er (vorsätzlich oder aus blanker Unkenntnis?) verschweigt, dass die große Masse der Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung der Finanzierung VERSICHERUNGSFREMDER LEISTUNGEN dienen. Für diese sind die „Beiträge der Beitragszahler“ überhaupt nicht gedacht - und somit müssen und können sie gar nicht dafür ausreichen. Volksverarsche von der Lügenpresse (oder Lückenpresse) gelernt?
Wissenschaft geht deutlich anders!

Überhaupt scheint sein einziges Interesse darauf gerichtet zu sein, den Arbeitnehmern die umlagefinanzierte Altersrente wegzunehmen. Irgendwelche Angaben zu Zeitplan und Umsetzungskosten seines Konzepts sucht man vergeblich, und natürlich erörtert er auch nicht, welchen sozialen Schichten er denn die nötigen Steuererhöhungen (ich schätze, ca. 50%!) aus dem Kreuz leiern will.
Seriös geht deutlich anders.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Merz und Meuthen dem Volk (bzw. zunächst ihren beiden Parteien) eine Rentenfinanzierung unterjubeln wollen, über deren Tauglichkeit sie sich keinerlei Gedanken gemacht haben und die tatsächlich gar nicht funktionieren kann.
Während im Volk große Teile der Getäuschten leider nicht merken (bzw., wenn man sie drauf hinweist, nicht wahrhaben wollen), dass die Opfer einer brutalen Täuschung im Interesse der Kapitalbesitzer sind.

Disclaimer: Der Verfasser ist selber Parteimitglied in der AfD. Doch fehlt ihm die erforderliche Dummheit, sich von den Kapital-Lobbyisten in seiner Partei verscheißern zu lassen.

ceterum censeo

Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":

Der hat den A.... offen!
Textstand vom 20.01.2020

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