Samstag, 25. September 2021

Die Einfalts-Rechnung der "Zeugen Grippinas": Wie Corona-Querstänker das Volk hinter die Fichte führen

 
"Die offizielle Zahl [der Coronatoten] muss mind um 80%(!) nach unten korrigiert werden. Damit ist es endgültig eine völlig normale Grippe"
kommentierte ein AfD-Parteifreund, von dem man eine größere intellektuelle Leistungsfähigkeit erwarten sollte), auf Facebook (Hervorhebung von mir). Der Name tut hier schon deshalb nichts zur Sache, weil das Zitat lediglich repräsentativ für die zahlreichen gleichartigen Meinungen in unseren Reihen steht.
Den angenommenen Korrekturbedarf belegte der Facebook-Kommentator mit einem Link zum WELT-Bericht Corona bei 80 Prozent der offiziellen Covid-Toten wohl nicht Todesursache“ vom 30.08.2021. Dieser Artikel ist kostenpflichtig; der frei zugängliche Textanfang gibt aber genügend Informationen, um sich ein Bild vom Inhalt zu machen.
 
Tatsächlich sind die dort aufgestellten Behauptungen des Mediziners Bertram Häussler nicht unumstritten (vgl. Correctiv-Bericht). Aber schon Häussler selber schränkt (im Correctiv-Artikel) ein:
"Unsere Aussagen beziehen sich ..... nur auf diesen Zeitpunkt [seit Anfang Juli 2021] und nicht die gesamte Laufzeit der Pandemie. Dieser Sachverhalt ist wichtig, da wir uns derzeit in einer anderen Phase der Pandemie mit anderen Inzidenzen als zur Hochzeit der Pandemie im vergangenen Jahr befinden."
Das alles lasse ich hier aber mal außer Betracht und basiere die nachfolgenden Überlegungen auf SEINER Annahme, dass tatsächlich nur ca. 20% der als Opfer der Erkrankung COVID-19 (populär: "Corona") gemeldeten Todesfälle ursächlich auf die Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 zurückgehen. (Mit Sicherheit sind es deutlich mehr, wenngleich zweifellos weit unter 100%.)

Da stellen sich zunächst zwei Sachfragen:
  1. Wie hoch sind die Todeszahlen wegen Grippe und
  2. auf welche Weise werden die ermittelt (also z. B. ebenfalls als "an oder mit" gestorben?).
 Dazu erfahren wir auf der Webseite des Robert-Koch-Instituts (RKI) unter dem Stichwort "Wie werden Todesfälle durch Influenza erfasst?"  (Hervorhebungen und Umkehrung der Reihenfolge der beiden Absätze von mir):
"Todesfälle mit Influenza werden im Rahmen der Meldepflicht für Influenzavirus-Nachweise an das RKI übermittelt. Diese Daten sind jedoch keine Grundlage für Hochrechnungen. Nicht bei allen Todesfällen wird auf Influenzaviren untersucht, ..... . Die offizielle Todesursachenstatistik ist ebenfalls nicht aussagekräftig, sie beruht auf den Angaben auf dem Totenschein, auf dem die Influenza praktisch nie als Todesursache eingetragen wird, ..... .
Die influenzabedingte Sterblichkeit (Mortalität) kann durch statistische Verfahren aus der Zahl der Gesamttodesfälle oder aus der Zahl der als 'Pneumonie oder Influenza' kodierten Todesfälle geschätzt werden. ..... Die Zahl der mit Influenza in Zusammenhang stehenden Todesfälle wird – vereinfacht dargestellt – als die Differenz berechnet, die sich ergibt, wenn von der Zahl aller Todesfälle, die während der Influenzawelle auftreten, die Todesfallzahl abgezogen wird, die (aus historischen Daten berechnet) aufgetreten wäre, wenn es in dieser Zeit keine Influenzawelle gegeben hätte. Das Schätz-Ergebnis wird als sogenannte Übersterblichkeit (Exzess-Mortalität) bezeichnet."
 
Weiterhin enthält dieser Abschnitt den Hinweis: "Das Schätz-Verfahren ist im Epidemiologischen Bulletin in den Ausgaben 10/2011 und 3/2015 ausführlich erläutert."
 
Weitere Informationen enthält der anschließende Abschnitt "Wie viele Menschen in Deutschland sterben jährlich an Influenza?". Dort erfährt man, dass "..... immer laborbestätigte Influenza-Todesfälle im Rahmen der Meldepflicht für Influenzavirus-Nachweise an das RKI übermittelt, meist mehrere hundert". (Also relativ wenige!) Wegen der Daten für die einzelnen Jahre verweist dieses Kapitel auf die "Influenza-Saisonberichte".

Wir schauen uns den Saisonbericht 2018/2019 an und stellen fest, dass dort als "Todesfälle durch Influenza" ZWEI VERSCHIEDENE Werte  aufgeführt werden (S. 47):
  1.  "Exzess-Schätzung (konservative Schätzwerte*)" (also die o. a. "Übersterblichkeit")  und
  2. die "Laborbestätigten Todesfälle". (Das sind relativ wenige; in der Spitze 1.674 für die Saison 2017/2018. Die lasse ich hier außen vor und basiere meine Berechnung auf den aus der "Übersterblichkeit" ermittelten Schätzwerten. Das sind auch die Zahlen, die allgemein herumgereicht werden. Aber in der Regel nur die HÖCHSTWERTE; tatsächlich gibt es jedoch gewaltige Diskrepanzen zwischen den einzelnen Jahren.
* Auf die Unterscheidung zwischen Maximalzahlen und "konservativen Schätzwerte" gehe ich hier nicht ein; wer sich insoweit für Einzelheiten interessiert, kann diese in dem o. a. Epidemiologischen Bulletin von 2015 nachlesen.
 
Der Bericht zur Saison 2018/2019 bringt die 'Übersterblichkeitswerte' für die Jahre 2001/2002 - 2017/2018; in der Summe belaufen sie sich auf 141.000 Todesfälle, von denen man annehmen kann, dass sie DURCH eine Grippe erfolgt sind. Geteilt durch die 17 Jahre ergibt sich ein DURCHSCHNITTSWERT von 8.300 Todesfällen "durch Influenza" pro Jahr.

Mit und an COVID-19 sind aktuell in Deutschland knapp 93.400 Personen verstorben. Aufgerundet 100.000 "Coronatote"; davon 20% = 20.000. Nun ist allerdings noch zu berücksichtigen, dass die ersten (beiden) Todesfälle Anfang März 2020 gemeldet wurden und somit die Pandemie bereits mehr als ein Jahr gewütet hat. Märzr 2020 - Ende August 2021 = 16 Monate. Wir teilen also 20.000 "echte" Coronatote : 16 Monate x 12 = gut 15.000 "echte" Coronatote pro Jahr. Die Differenz zu den durchschnittlichen (mutmaßlichen) Influenzatoten beläuft sich mithin auf 6.700. 
Als Ergebnis unserer Rechenoperation stellen wir fest, dass selbst dann, wenn wir den höchstwahrscheinlich weitaus zu niedrigen Wert von 20% "an" Corona Gestorbenen (unter den insgesamt gemeldeten "Coronatoten") ansetzen, die Zahl der Coronatoten immer noch um gut 80% über dem Durchschnittswert der Grippetoten liegt.
Realistische Berechnungen kommen zu weitaus höheren Werten - vgl. die unten verlinkten Medienberichte sowie diesen "Quarks"-Bericht vom 15.04.2021. Aber mir ging es ja lediglich um den Nachweis, dass selbst dann, wenn man die Zahlen der Corona-Querstänker zugrunde legt, COVID-19 sehr viel gefährlicher ist als normale Grippeepidemien.
 
Das ist aber noch lange nicht alles, was man in diesem Zusammenhang berücksichtigen muss.
Wenn man unterstellt, dass die staatlichen und privaten Abwehrmaßnahmen gegen die Pandemie (Lockdowns, Maskenpflicht, Abstand und zuletzt Impfungen sowie private Vorsichtsmaßnahmen über die staatlichen Maßnahmen hinaus, z. B. möglichste Meidung öffentlicher Orte) die Fallzahlen von COVID-19 tatsächlich massiv gesenkt haben (gegenüber einem hypothetischen Verlauf OHNE diese), dann muss man zu dem Schluss kommen, dass die Pandemie eben gerade deshalb nicht noch dramatischer verlaufen ist, WEIL die Bürger und die Regierungen Angst vor ihr hatten und Gegenmaßnahmen ergriffen haben. (Für die Wirksamkeit spricht spricht u. a. auch die extrem geringe Zahl gemeldeter Grippefälle - in Deutschland ebenso wie in anderen Ländern.)

Jedenfalls ist es LÄCHERLICH, wenn Corona-Querstänker triumphieren, die Pandemie sei ja gar nicht so schlimm, solange sie nicht die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit widerlegen können, dass sie gerade WEGEN der (von den Querstänkern kritisierten Maßnahmen) weitaus weniger verheerend war, als sie es ohne diese gewesen wären.

Zu alledem kommt noch hinzu, dass wir in Deutschland, warum auch immer, im internationalen Vergleich noch relativ glimpflich davongekommen sind. Eine Untersuchung, welche die Gefährlichkeit von COVID-19 im Vergleich mit Grippeerkrankungen WIRKLICH ergründen will, darf sich natürlich nicht auf die deutschen Daten beschränken, sondern muss die INTERNATIONALEN Werte (der vergleichbaren, also der Industrieländer) vergleichen. So ergeben sich aller Wahrscheinlichkeit nach noch weitaus höhere Differenzen zwischen Grippe und "Corona" als wenn man sich auf die deutschen Zahlen beschränkt.

Was ich hier vorgelegt habe, ist natürlich keine wissenschaftliche Auswertung. Gleichwohl geht meine Untersuchung WEITAUS TIEFER als die Zahlen der Corona-Querstänker, die sich als intellektuelle Beutegreifer nur das herauspicken, was in ihren Kram passt. Und konträre Fakten beiseite lassen oder gar rundheraus leugnen.

 
Die Corona-Verniedlicher lassen sich vermutlich von Fakten nicht verwirren. Dennoch hier einige weiterführende Artikel, zufällig gefunden unter der (Über-)Fülle von Medienberichten zum Thema:
  1. "Nein, die Grippe fordert jährlich nicht 25.000 Tote und ist auch nicht komplett verschwunden" (Correctiv 10.12.2020)
  2. "Doppelt so viele Corona- wie Grippetote? So einfach ist das nicht" (RND 13.01.2021)
  3. "Influenza in Deutschland Grippesaison 20/21 ist ausgefallen - Erster Vogelgrippefall bei Menschen" (MDR 02.06.2021) 
  4.  "Faktenfuchs: Warum Covid-19 gefährlicher ist als Grippe" (Bayrischer Rundfunk 04.06.2021; sehr ausführlich)
 
 
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch auf mein Buch hinweisen:
Gesamtschau-Geheimdienst: Wie der Sepia-Haldi die AfD in den braunen Hades laviert: Analyse des "Prüffall"-Gutachtens des VS vom 15.01.2019.
Momentan ist es nur als eBook verfügbar; man braucht jedoch kein Kindle-Gerät, sondern kann die Software für eine Lektüre am PC hier herunterladen.
(Als älterer Mensch mag eigentlich auch ich eher "richtige" Bücher. Der unschätzbare Vorteil einer elektronischen Version ist freilich die Möglichkeit, Internet-Links direkt anzuklicken.) 
Textstand 26.09.2021

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen