Dienstag, 2. August 2022

Gesundes Volksempfinden über Grundgesetz? Staatlicher Meinungsterror gegen russische Künstler; hier: Landesfinanzminister BaWü Danyal Bayaz

 
Mit E-Mail vom 11.07.2022 hatte ich gegen Danyal Bayaz (Grüne), Finanzminster des Landes Baden-Württemberg, Strafanzeige wg. Nötigung zum Nachteil der russischen Sängerin Anna Netrebko erstattet. Text vgl. meinen Blott "Darf in Deutschland jeder grüne Minister-Despot verfassungswidrigen Meinungsterror gegen russische Künstler ausüben?"

Diese Strafanzeige hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit lobenswerter Schnelligkeit bearbeitet: Bereits am 27.07.2022 erging eine (ablehnende) Entscheidung die heute, am 02.02.2022 bei mir eingegangen ist. Nachfolgend der von mir eingescannte Bescheid:



 
Trotz der rekordverdächtigen Geschwindigkeit besticht die Entscheidung auch durch ihre formale Professionalität. Wie in einer Uni-Arbeit handelt sie Punkt für Punkt ab und lässt den Kern der Argumentation klar erkennen.
 
Dass die Absage als solche keine Nötigung ist (S. 2 Abs. 2), ist klar. 
Die Meinung, dass (S. 2 Abs. 3) das (faktische) Auftrittsverbot an der vereinbarten Stelle möglicher Weise kein "empfindliches" Übel sei, weil es sich nicht um ein generelles Auftrittsverbot für die Stadt oder das Bundesland handelt, kann ich freilich nicht nachvollziehen.
 
Den Schwerpunkt ihrer Argumentation legt die StA jedoch auf die angebliche Nicht-Verwerflichkeit des Verhaltens des Beschuldigten (S. 2 Abs. 3):

Der Einsatz des Nötigungsmittels muss zu dem angestrebten Zweck verwerflich sein. Eine solche Verwerflichkeit kann in dem Verhalten des Finanzministers - auch unter Berücksichtigung der vom Anzeigeerstatter angebrachten negativen Meinungsfreiheit und der Anna Netrebko drohenden Nachteile in ihrer Heimat - nicht gesehen werden. Die Erwartung an eine russische Künstlerin die in der Vergangenheit vom Regime des russischen Präsidenten Putin profitiert hat und diesem nahestand, sich vor einem Auftritt auf einem staatlichen Grundstück in einer Zeit, in der Putin einen menschen- und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit zahlreichen unschuldigen Opfern führt und alles, wofür die Freiheitliche Demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland steht, mit Füßen tritt, von Putin glaubhaft zu distanzieren, ist nicht als verwerflich im Sinne dieser Vorschrift anzusehen.
 
Hier endet freilich die ansonsten überzeugende Logik der Entscheidung, denn die Staatsanwaltschaft drückt sich um den logischen Knackpunkt herum, indem sie ihn einfach beiseite lässt:
  1. Ist der Versuch (zumal von Seiten des Leiters einer staatlichen Stelle!), jemandem trotz der verfassungsrechtlich garantierten negativen Meinungsfreiheit unter Androhung eines (mehr oder weniger empfindlichen) Übels eine Stellungnahme - wozu auch immer - abzupressen, verwerflich i. S. des § 240 StGB?
  2. Wenn nein: Warum nicht?
  3. Wenn ja: Gilt das absolut oder kann die grundsätzlich bejahte Verwerflichkeit durch andere Umstände ausgehebelt werden?
 
Ich würde meinen:
  1. Ja
  2. entfällt
  3. Grundgesetzliche Garantien können nur durch Gesetze eingeschränkt werden bzw. alternativ dadurch, dass (und insoweit als) sie mit anderen derartigen Garantien kollidieren. 
Keiner der einschränkenden Umstände ist m. E. gegeben. Die Begründung der StA stützt sich weder auf ein einschlägiges Gesetz (das dann noch auf seine verfassungsmäßige Rechtmäßigkeit zu überprüfen wäre!), noch auf eine Wertekollision. Dass Putin möglicher Weise Grundrechte verletzt, kommt insoweit nicht in Betracht. (Zumal sich Anna Netrebko hinsichtlich des Ukrainekrieges ja nicht einmal hinter ihn gestellt, sondern den Krieg als solchen sogar ausdrücklich und öffentlich verurteilt hat.)
Im Grunde leitet die StA ihre Entscheidung aus der vorherrschenden Meinung in Deutschland und in der westlichen Welt über Putins Ukrainekrieg her. Die entspricht übrigens, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, durchaus auch meiner eigenen Meinung. Aber natürlich ist die herrschende Meinung nicht geeignet, grundgesetzliche Rechtsgarantien für die Bürger und sonstigen Normadressaten außer Kraft zu setzen. Letztlich stützt sich die StA nicht auf gesetzliche Normen sondern auf das, was man in anderen Zeiten als "gesundes Volksempfinden" bezeichnet hätte. Das jedoch ist in einem Rechtsstaat unzulässig und eines solchen unwürdig.


Meine Möglichkeiten in dieser Sache sind freilich erschöpft. 
Es ist schade, dass Anna Netrebko offenbar davor zurückschreckt, ihre Rechte in diesem Falle selber strafrechtlich und zivilrechtlich weiterzuverfolgen und durchzusetzen. Unter anderem könnte sie ein Klageerzwingungsverfahren gegen die Staatsanwaltschaft führen - und das in diesem Falle möglicherweise bis hinauf zum BVerfG. 
Ganz abgesehen davon, dass ich mir so etwas finanziell gar nicht leisten könnte, ist mir als Außenstehendem dieser Verfahrensweg ohnehin verwehrt.
Deutschlands Sofa-Soldaten dürfen also weiterhin gratismutig gegen russische Künstler kämpfen .....



ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand 02.08.2022

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