Samstag, 15. Oktober 2022

Den Schierlingsbecher mögen sie nicht: Wider die Wortwichserei der Bionade-"Philosophen"!

 
Die Wochenendbeilage der AUGSBURGER ALLGEMEINEN (bzw. hier bei uns der ALLGÄUER ZEITUNG) vom 15.10.2022 enthält ein Interview mit dem Philosophen Markus GABRIEL:
Dazu habe ich einen kritischen Leserbrief verfasst, den ich nachfolgend (jedoch u. a. im letzten Satz verändert) wiedergebe:

 
Die Philosophie verhält sich zur Welt ungefähr so, wie das Strandburgenbauen zu den Meeresgezeiten: unterkomplex. Schon ein Naturbegriff, der den Menschen teilweise ausklammert, ist ein bloßes Gedankenkonstrukt. Was immer das Bewusstsein sein mag: Es existiert in der Welt und ist somit ein Teil der Welt = Natur. Der Mensch ist ganz und gar Natur und nichts als Natur. Genauso, wie die Sense oder der Mähdrescher Werkzeuge sind, oder das Ameisenhirn und der hypothetische Quantenrechner Datenverarbeitungsanlagen: jeweils in einfacheren und komplexeren Ausführungen.
 
Gleichwohl bauen Philosophen auf dem konstruierten Gegensatz zwischen Mensch und Natur munter weitere Wortkonstrukte auf und reflektieren noch nicht einmal, dass sie mit Aussagen wie "Im Menschen kommt die Natur zur Selbsterkenntnis" keine Erkenntnis gewinnen, sondern lediglich die Natur anthropomorphisieren. Das tut, auf andere Weise, bereits das magische Denken (der Animismus) primitiver Völker. Und heute findet sich, in wiederum anderer Gestalt, der Anthropomorphismus im Verschwörungsdenken wieder. Wenn schließlich noch die uralten Verabsolutierungskonstrukte recycelt werden ("Die Freiheit", "Das Gute"), dann hat sich das klassische selbstreferentielle Wort-Umwälzungsprogramm "erfolgreich" selber bespiegelt. Erkenntniswert null. Aber das, was ohnehin alle zu "wissen" glauben, wurde wieder einmal "philosophisch" bestätigt.
 
Anthropomorphismus ist es auch, einen "Sinn des Lebens" herbeizuphantasieren. Mit dieser Gedankenoperation wird die Fähigkeit des Menschen zu planvollem ("sinnvollem") Handeln kurzerhand externalisiert: Der Mensch formt sich seine Götter zwar auf verschiedene Weise, aber letztlich immer nach seinem eigenen Bilde. Und genauso wenig, wie es einen irgendwo festgelegten (und somit grundsätzlich erkennbaren) "Sinn des Lebens" gibt, lassen sich auch keine objektiven Kriterien für "sinnvoll gelebte zwischenmenschliche Beziehungen" angeben. Am Ende seiner ganzen pompösen Phrasendrescherei fällt auch diesem beamteten Philosophen nichts anderes ein, als "Nicht jeder ökonomische Wohlstand ist auch wünschenswert". Das ist nichts als das gängige Geplapper von 'Wenn wir doch alle mit etwas weniger zufrieden wären' in geringfügig anderer Formulierung. Deshalb wird auch jeder Leser zustimmend nicken: Wie alle Märchen ist es eben ein vertrautes Narrativ.
 
Das Denken der Menschheit ist in vieler Hinsicht leider ebenso primitiv, wie es unter anderen Gesichtspunkten hochentwickelt ist. Jedoch scheinen die Philosophen, jedenfalls diejenigen, die heutzutage brav ihre Bionade trinken und niemals einen Schierlingsbecher anrühren würden, am allerwenigsten berufen, uns aus unserer "selbst verschuldeten Unmündigkeit" herauszuführen.
 

ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!

Textstand 16.10.2022

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