Mittwoch, 21. Mai 2008

613a BGB: Eine unbefriedigende Regelung eines Interessenausgleichs zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern


 

Geht ein Betrieb (oder ein Betriebsteil) auf einen anderen Inhaber über, so tritt nach § 613a BGB der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus denjenigen Arbeitsverhältnissen ein, die im Zeitpunkt des Übergangs bestanden haben. (Das Gesetz spricht von einem Übergang "durch Rechtsgeschäft", aber dieser scheinbar einschränkenden Bedingung kommt kaum praktische Bedeutung zu.)

Da man es bei einem Betriebsübergang mit den neuen Betrieben zu tun hat, also nicht mit den u. U. insolventen Firmen der "alten" Betriebsinhaber, geht der Gesetzgeber offenbar davon aus, dass die Arbeitnehmer eventuelle Lohnrückstände hier problemlos einziehen können. Trotzdem sind jedenfalls in Insolvenzfällen auch die Nachfolgebetriebe meist wohl finanziell eher schwachbrüstig und in aller Regel nicht in der Lage, die von der alten Fa. ‚geerbten' Arbeitsentgeltrückstände voll und/oder sofort zu begleichen.

Ich bezweifle (nicht nur für Insolvenzfälle), dass die Norm des § 613a BGB in ihrem derzeitigen Umfang den Interessenausgleich von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen in sinnvoller Weise justiert.

Die tragende Idee hinter der gesetzlichen Regelung dürfte die Überlegung gewesen sein, den Arbeitnehmern, die ja schließlich den Betrieb wesentlich mit aufgebaut haben, bestimmte im Ergebnis eigentumsähnliche Mit-Ansprüche auf den Betrieb einzuräumen. Deshalb sollte beim Verkauf eines Betriebes nicht nur der Alteigentümer einsacken, sondern den Arbeitnehmern sollten zumindest ihre ggf. rückständigen Arbeitsentgeltansprüche sicher sein. Außerdem sollte ihr Besitzstand dadurch gewahrt werden, dass der neue Arbeitgeber sie weiterbeschäftigten muss, und zwar (mindestens) zu den gleichen Konditionen wie der alte Arbeitgeber. (Als weiteres Ziel wird die Kontinuität der Betriebsvertretung angesehen.)

Die Regelung geht also in zeitlicher Hinsicht in 2 Richtungen: in die Vergangenheit, soweit Arbeitsentgeltansprüche (und evtl. Pensionsansprüche) ausstehen, und in jedem Falle in die Zukunft, indem sie den Arbeitnehmern ihre Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen garantiert.

Das beides gehört nicht zwingend zusammen und vor allem passt es auch in vielen Fällen nicht zusammen. Nach (nicht nur:) meiner Überzeugung ist es im Hinblick auf die Arbeitsplatzerhaltung kontraproduktiv, wenn man den neuen Arbeitgeber mit eventuellen Rückständen der alten Firma belastet. (Es gibt auch eine weiter gehende Kritik, bei der das Risiko einer Arbeitsplatzvernichtung hauptsächlich in der Fortgeltung bisheriger, im Marktvergleich evtl. ‚überhöhter' Löhne usw. gesehen wird, aber diese Fragestellung interessiert hier nicht. Anders als beim Wegfall der Haftung, für den die Arbeitnehmer auf andere Weise abgesichert sind, greifen solche Forderungen auch massiv in die Interessensphäre der Arbeitnehmer ein.)


 

Vor Einführung des Konkursausfallgeldes mag es sinnvoll gewesen sein, Betriebsübernehmer für Arbeitsentgeltrückstände haften zu lassen. Mit der Einführung des Konkursausfallgeldes (jetzt: Insolvenzgeld) sowie mit der Sicherung betrieblicher Pensionsansprüche (i. d. R. wohl nur für größere Betriebe relevant) hätte diese Form der Sicherung des Arbeitsentgelts eigentlich hinterfragt werden müssen; aus meiner Sicht ist sie seither überflüssig, u. U. sogar schädlich für die Arbeitnehmer (ggf. vermeidbarer Arbeitsplatzverlust) sowie eine funktionell fragwürdige Einschränkung der Eigentumsfreiheit gegenüber den (neuen) Arbeitgebern.

Unter den veränderten Umständen Mitte der 70er Jahre –Einführung des Konkursausfall- bzw. Insolvenzgeldes und der Pensionssicherung- hätte sich der Gesetzgeber m. E. damit begnügen können und sollen, bei einem Betriebsübergang dem neuen Arbeitgeber die Beschäftigten aufzudrücken. Die Entgeltrückstände und Pensionsansprüchen der Arbeitnehmer sind jetzt in einem vernünftigen Umfang gesichert. Zumindest in Insolvenzfällen dürfte der Wert des alten Betriebes selten so groß zu sein als dass es gerechtfertigt wäre, einen Betriebsnachfolger außerdem noch für die rückständigen Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer haften zu lassen. Und in den anderen Fällen müssten ja die Löhne und Gehälter vom bisherigen Arbeitgeber gezahlt worden bzw. notfalls durch Zwangsvollstreckung einziehbar sein.


 

Bei einer bestimmten Fallgestaltung hat die Rechtsprechung die Ent-Haftung des Betriebsübernehmers im Ergebnis (wenn auch nicht in der juristischen Begründung) tatsächlich auch schon vorgenommen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte nämlich bereits mit Urteil vom 17.01.1980 (Az. 3 AZR 160/79; hier eine Version ohne die Randnummern in der Juris-Datenbank) entschieden, dass ein Betriebsübernehmer nicht für rückständige Ansprüche aus der Zeit bis zur Insolvenzeröffnung haftet. Diese Entscheidung hat das BAG allerdings nicht mit dem Interesse der Arbeitnehmer (und der Gemeinschaft) am Arbeitsplatzerhalt begründet und auch nicht mit Billigkeitserwägungen (fehlende Werthaltigkeit der übernommenen Unternehmen). Vielmehr hielt es eine "teleologische Reduktion" (also eine einschränkende Auslegung der Norm aufgrund ihrer –von der Rechtsprechung unterstellten- Zielsetzung) für geboten, um logische Widersprüche zur (damaligen) Konkursordnung zu vermeiden (Rd.Nr. 30 bzw. II.3.c). [Interessant für die vorliegenden Überlegungen sind in diesem Urteil auch die Ausführungen Rd.Nr. 22 ff. zur Entstehungsgeschichte des § 613a BGB und zu den Motiven des Gesetzgebers.]


 

Während die ratio legis des § 613a BGB im Bereich des Arbeitsplatzschutzes und des Fortbestandes des Betriebsrats auch und gerade im eröffneten Konkursverfahren (und jetzt entsprechend im Insolvenzverfahren) eingreift, sieht das BAG die Arbeitnehmer gegenüber den anderen Konkurs-(jetzt: Insolvenz-)gläubigern unangemessen bevorzugt, und die anderen Gläubiger aufgrund der dann zu erwartenden Wertminderung des Betriebes unangemessen benachteiligt, wenn man auch die haftungsrechtlichen Folgen dieser Regelung bei einem Betriebsübergang im Konkursverfahren zulassen würde (Rd.Nr. 31).


 

Aus Rd.Nr. 34ff. wird allerdings deutlich, dass die Absicherung der Arbeitnehmer durch den Pensionssicherungsverein und das Insolvenzgeld eine notwendige Voraussetzung für dieses Urteil bildet.

Hier untersucht das BAG, ob seine einschränkende Auslegung in das System des gesetzlichen Insolvenzschutzes der betrieblichen Altersversorgung passt und bejaht dies. Anders gesagt: Nur vor dem Hintergrund, dass die Arbeitnehmer durch den PSV geschützt sind, erscheint dem BAG seine den Gesetzeswortlaut einschränkende Auslegung vertretbar. Gäbe es nicht die Insolvenzsicherung von betrieblichen Pensionsansprüchen und das Insolvenzgeld für Arbeitnehmer, hätte das BAG die Betriebsübernehmer nicht aus ihrer Haftung für rückständige Ansprüche aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung entlassen.

Im Rahmen seiner Begründungssystematik folgerichtig lässt das Gericht den Betriebsübernehmer dann auch nicht erst mit der Betriebsübernahme, sondern bereits in dem Moment wieder in die Haftung eintreten, wo der Insolvenzschutz der Arbeitnehmer endet, nämlich mit der Insolvenzeröffnung (Rd.Nr. 38: "Für den nach der Konkurseröffnung erdienten und nicht vom Insolvenzschutz erfassten Teil der Betriebsrente findet ein anderer Schuldnerwechsel statt: nach § 613a BGB muss der Erwerber eines Betriebes in alle Verpflichtungen des Veräußerers eintreten. Das gilt auch für die zur Zeit der Betriebsveräußerung noch bestehenden Versorgungsanwartschaften.").

Indem es für die Zeit vor Insolvenzeröffnung auf den Anspruchsübergang (auf den es eigentlich nicht ankommt) der Versorgungsansprüche vom ANer auf den PSV abstellt und hier davon spricht, dass ein "anderer Schuldnerwechsel" stattfindet, verdeckt das BAG etwas die für seine einschränkende Gesetzesauslegung unabdingbare Voraussetzung der Absicherung der ANer im Insolvenzfall durch den PSV und das Kaug/Insg.


 

Die "Übersicherung" der Arbeitnehmer war kein tragender Grund für dieses Urteil, denn auch bei einer Insolvenzabweisung mangels Masse sind sie durch die Haftung des Betriebsübernehmers und des PSV / Insolvenzgeldes doppelt abgesichert; für diese Fälle gilt die BAG-Rechtsprechung aber nicht.


 

Lediglich der Umstand, dass eine solche Übersicherung in einem eröffneten Insolvenzverfahren die anderen Konkurs- bzw. Insolvenzgläubiger benachteiligt, war eine (weitere) notwendige Voraussetzung für das Urteil. Denn erst die Tatsache, dass ein Konflikt mit dem Haftungsrecht der Konkurs- bzw. Insolvenzordnung vorlag, und das dieser letztlich zu einer Benachteiligung der anderen Gläubiger führen konnte (durch die Wertminderung eines nach § 613a BGB belasteten Betriebes bei Verkauf durch den Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter), erlaubte es dem BAG, hier eine Entscheidung gegen den klaren Wortlaut der Vorschrift zu treffen um einen Normenkonflikt zu lösen.

Dies wird z. B. auch in der Begründung zu dem Urteil 9 AZR 645/03 vom 19.10.2004 (derzeit, also im Jahre 2008, noch auf der Webseite des BAG eingestellt) aus Rd.Nr. 15 deutlich: "Auch unter der Insolvenzordnung gilt - wie schon vorher unter der Konkursordnung - der Eintritt der Haftung des Betriebserwerbers für rückständige Forderungen (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB), nur eingeschränkt. Soweit die besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts eingreifen, gehen diese als Spezialregelung vor. Damit wird sichergestellt, dass alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden." Der Folgesatz "Außerdem werden Betriebsübernahmen in der Insolvenz erleichtert" hat lediglich deklaratorischen Charakter, eine logische Funktion innerhalb der Begründungssystematik kommt ihm allenfalls indirekt zu (wenn man an die Wertminderung eines haftungsbelasteten Betriebes denkt).

Dogmatisch sind dagegen die unmittelbar anschließenden Ausführungen bedeutsam:

"Besondere Verteilungsgrundsätze bestehen nur hinsichtlich der Forderungen, die ein Gläubiger als Insolvenzgläubiger geltend zu machen hat (§§ 38, 174 ff. InsO). Dagegen sind Forderungen, die sich als Masseverbindlichkeiten gegen die Insolvenzmasse richten, aus dieser ohne irgendwelche Beschränkungen vorweg zu berichtigen (§ 53 InsO). Die insolvenzrechtliche Beschränkung des Eintritts der Haftung nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ergreift deshalb lediglich Insolvenz-, nicht jedoch Masseforderungen (dazu Senat 18. November 2003 – 9 AZR 95/03- .....usw.)."

Es wäre als bloße Rechtsauslegung nicht mehr zu rechtfertigen gewesen, wenn das BAG seine Entscheidung etwa mit allgemeinen wirtschaftspolitischen Erwägungen begründet hätte. Das zu beurteilen, ist Sache des Gesetzgebers [s. a. Anm. (1) am Textende].


 

Abgesehen davon, dass es dazu im konkreten Fall keine Veranlassung hatte, durfte das BAG also die Betriebsübernehmer bei anderen Arten von Insolvenzereignissen (also bei Abweisung mangels Masse bzw. Betriebseinstellung mit Masseunzulänglichkeit) auch gar nicht von ihrer rückwirkenden Haftung freistellen, wenn es nicht die der Rechtsprechung gesetzten Grenzen überschreiten wollte.


 

Das BAG-Urteil führt jedoch im Vergleich zu den anderen Insolvenzarten zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Privilegierung von Betriebsübernahmen bei (nach) Insolvenzeröffnungen. Eine Korrektur steht nur dem Gesetzgeber zu; allerdings gibt es keinen vernünftigen Grund, diese auf Insolvenzfälle zu beschränken.

Denn entweder hat der alte Arbeitgeber die Entgelte bis zum Betriebsübergang bereits gezahlt oder ist jedenfalls zahlungsfähig und kann von den Beschäftigten erfolgreich in Anspruch genommen werden. Dann ist eine Mithaftung des Betriebsübernehmers überflüssig.

Oder der alte Arbeitgeber ist pleite: dann sind die Betriebsrenten der Arbeitnehmer über den Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) und Lohnrückstände bzw. Gehaltsrückstände (bis zu 3 Monate lang) durch das Insolvenzgeld gesichert.


 

Für die Zeit zwischen einem Insolvenzereignis und einem späteren Betriebsübergang würde allerdings der Schutz des Arbeitnehmers wegfallen, wenn der Gesetzgeber den Betriebsübernehmer ganz aus der Haftung für rückständige Ansprüche entlassen würde. Dies erscheint mir jedoch vertretbar; tatsächlich nimmt auch das BAG, wie die o. a. Entscheidung 9 AZR 645/03 vom 19.10.2004 zeigt, im Einzelfall um der systematischen Folgerichtigkeit willen durchaus massive Nachteile für Arbeitnehmer in Kauf (hier: keine Haftung des Betriebsübernehmers für Ansprüche aus Altersteilzeit in der Freistellungsphase).


 

Ob im Bereich der Pensionsansprüche Sonderregelungen erforderlich wären, um die Ansprüche der Arbeitnehmer zu sichern, kann ich nicht beurteilen.

Auf jeden Fall ist eine Begrenzung der Haftungsbeschränkung von Betriebsübernehmern auf Übernahmen in eröffneten Verfahren sowohl wirtschaftlich (Sicherung von Arbeitsplätzen) wie auch rechtlich (Gleichbehandlung) unbefriedigend.


 

Missbräuche in der Weise, dass Firmen Betriebe mit der Absicht verkaufen, das Geld zu kassieren und anschließend pleite zu machen, dürften auf Einzelfälle beschränkt bleiben. Ohnehin könnte ein Missbrauch ja nur darin liegen, dass die Einnahmen aus einem Betriebsverkauf nicht in die Insolvenzmasse fließen, sondern wieder aus der Firma herausgezogen werden. Das ist aber keine Problematik, die sich auf Betriebsübergänge beschränkt; in gleicher Weise können Betriebseinrichtungen und offene Forderungen der Insolvenzmasse entfremdet werden.


 

Tatsächlich geschieht das auch bei manchen (oder vielen, aber sicherlich nicht allen) "Firmenbestattungen". Da das Problem allgemeiner Natur ist, müssten mögliche Gegenmaßnahmen des Gesetzgebers einen allgemeinen Charakter haben; es wäre verfehlt, hier bei den Betriebsübergängen ansetzen zu wollen.


 

Die Anfechtungsrechte nach der InsO bieten insoweit m. E. einen ausreichenden Schutz, der aber natürlich nur bei eröffneten Insolvenzverfahren auch praktisch wirksam wird. Für alle anderen Fälle wäre zumindest theoretisch eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für eine unterbliebene bzw. grob unvollständige Buchhaltung, etwa in Form einer Beweislastumkehr, denkbar. Als Korrelat der haftungsrechtlich privilegierten Stellung von Kapitalgesellschaften gegenüber Einzelfirmen und Personengesellschaften erscheint das sachlich auch gerechtfertigt.

Ein praktisches Problem könnte allerdings darin liegen, dass wegen der Konkurrenz unterschiedlicher europäischer Formen von Kapitalgesellschaften diejenigen mit dem geringeren Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme der Handelnden die anderen wahrscheinlich verdrängen würden (gewissermaßen eine Art Greshamsches Gesetz des Gesellschaftsrechts innerhalb der Europäischen Union).


 

Zusammenfassend können wir jedenfalls feststellen, dass vieles dafür und so gut wie nichts dagegen spricht, den Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei Betriebsübergängen in der Weise neu zu justieren, dass er nur noch die Weitergeltung (mindestens) der alten Verhältnisse bei einem neuen Arbeitgeber regelt, diesem aber keine Haftung für frühere Verbindlichkeiten aufbürdet.


 

Gesetzestechnisch wäre das wahrscheinlich sehr einfach durch den Einschub von 3 Worten zu erledigen:

"Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser AB DIESEM ZEITPUNKT in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein."


 

Anmerkung (1)

Diese Grenze hatte das BAG in einer Entscheidung vom 3. Juli 1980, Az. 3 AZR 751/79 allerdings bereits überschritten. In seinem Urteil vom 20.11.1984, Az. 3 AZR 584/83, hat es offenbar erkannt, dass es damit die einer Gesetzesauslegung gesetzten Grenzen überschritten hatte und sich deshalb korrigiert (Rd.Nr. 22 + 23):


 

"22. In einem späteren Urteil vom 3. Juli 1980 (BAG 34, 38 = AP Nr. 22 zu § 613 a BGB) hat der Senat die insolvenzrechtliche Ausnahme von § 613 a BGB wesentlich erweitert. Nach dieser Rechtsprechung soll der PSV auch dann eintreten müssen, wenn vor der Betriebsveräußerung die Konkurseröffnung über das Vermögen des Veräußerers mangels Masse abgelehnt wurde. Bei der Veräußerung notleidender Betriebe sei abzuwägen zwischen dem Insolvenzschutz der Anwartschaftsberechtigten und dem wirtschaftlichen Interesse, notleidende Betriebe mit anderen Trägern fortzuführen und damit Arbeitsplätze zu erhalten. Bei einer solchen Interessenabwägung sei ein Fall der Masselosigkeit nicht anders zu beurteilen als ein Fall der Konkurseröffnung. An dieser Auffassung hält der Senat nicht fest. Liquidationen außerhalb des Konkursverfahrens können nicht zu einer Einschränkung der Haftung nach § 613 a BGB führen.

23. Die tragende Überlegung für die einschränkende Interpretation des § 613 a BGB ist nicht die Gewährleistung eines angemessenen Insolvenzschutzes der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer. Für diese ist die Haftung des Betriebserwerbers nicht ungünstiger als die Einstandspflicht des PSV. Deshalb kann auch eine interessenorientierte Betrachtung hier nicht ansetzen. Vielmehr beruht die Grundsatzentscheidung vom 17. Januar 1980 (aaO) auf einer konkursrechtlichen Überlegung. Der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung wäre in einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Maße durchbrochen, wenn langjährige Versorgungsbesitzstände bei der Betriebsveräußerung im Rahmen der Kaufpreisberechnung realisiert werden müßten. Aber außerhalb eines Konkursverfahrens gilt der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung nicht. Deshalb läßt sich hier eine Einschränkung des § 613 a BGB nicht begründen (ebenso Willemsen in Anm. zu AP Nr. 22 zu § 613 a BGB)."


 


Nachtrag 30.05.2008:
Informationen zur gesetzlichen Regelung der Arbeitnehmerrechte in Großbritannien gibt's beim "BERR": "Employment rights on the transfer of an undertaking: a guide to the 2006 TUPE regulations for employees, employers and representatives" vom März 2007.
Das BERR ist das "Department for Business Enterprise & Regulatory Reform" und ein "TUPE" entspricht dem, was wir in Kurzform als "(Betriebsübergang nach) Paragraph 613a BGB" bezeichnen: "Transfer of Undertakings (Protection of Employment)", Regulations 2006. Mehr dazu auch hier in der englischsprachigen Wikipedia. Im übrigen ist aber die o. a. Broschüre des "BERR" selbst für Laien wie mich vorzüglich lesbar. So bringt man das Recht verständlich unter das Volk - da könnte sich die eine oder andere von unseren staatlichen Institutionen 'ne Scheibe von abschneiden!
Die Gewerkschaften sind aber mit den Regelungen anscheinend noch nicht ganz zufrieden; hier ein Forschungspapier des britischen Unterhauses zu einer kürzlich von einem Abgeordneten vorgeschlagenen Neufassung des Gesetzes.



Zusammenhangsferner Nachtrag vom 25.07.2010
Auf welche Weise ich von der Suche nach dem "islamischen Ornament" zur Webseite eines gewissen Klaus Heitmann kam, weiß ich nicht mehr.
Gewiss aber ist, dass er unter dem Titel "Eine Pizza für die Wahrheit" eine heitere Betrachtung (ich sag's mal ziemlich unscharf, für eine genauere Zuordnung - wie leider auch für ein umfassendes Studium seiner anscheinend außerordentlich interessanten Webseite - fehlt mir die Zeit): "Der Jurisprudenz" produziert hat.



 

Textstand vom 25.07.2010. Gesamtübersicht der Blog-Einträge (Blotts) auf meiner Webseite http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm. Soweit die Blotts Bilder enthalten, können diese durch Anklicken vergrößert werden.

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