Sonntag, 28. November 2010

Thilo der Waisenknabe

Aus gänzlich anderen Zusammenhängen (Rückverfolgung eines Suchzugriffs zu meinem Blott "Backfisch, Fuckbitch - oder Lonely Kraut?")  kam ich heute zu Thomas Mauls [hier hat er übrigens einen Blog] Buch "Sex, Djihad und Despotie. Zur Kritik des Phallozentrismus" (2010, 262 Seiten, 20.-€. ISBN: 978-3-924627-96-6)


Und staunte Bauklötze: Da greift jemand, der offenkundig der Linken zuzurechnen ist, den Islam mit einer derart knallharten Kompromisslosigkeit an, dass mir (gewiss kein Fan dieser Religion) die Ohren schlackern.
"Seit dem 11. September 2001 wird in der westlichen Öffentlichkeit die Frage diskutiert, was der Islam mit dem weltweit agierenden Suizid- und Tugendterror zu tun hat, der in seinem Namen zuförderst gegen Juden, Frauen und Homosexuelle sich richtet. In Thomas Mauls kritischer Analyse des klassisch-schariatischen Geschlechterverhältnisses und der ihm entsprechenden Sexualpolitik im Spannungsfeld von Religion (Eschatologie, Ritualpraxis) und Gesellschaft (Patriarchalismus, orientalische Despotie, Djihad-Doktrin) erweist sich die Gemeinschaft der Gläubigen (Umma) als wesenhaft durch einen Phallozentrismus konstituiert, der in der Moderne notwendig in die Krise gerät. Die gegenwärtige barbarische Gewalt des Kollektivs ist damit nichts anderes denn eine anachronistisch-pathologische Verteidigung der im Verfall begriffenen Tradition und gilt in letzter Instanz immer dem (sexuell) selbstbestimmten Individuum"
fasst der Ca ira-Verlag (Freiburg) den Buchinhalt kurz zusammen.


Merkwürdig ist, wie wenig sein Buch bislang offenbar zur Kenntnis genommen wurde. Dass Gudrun Eussner es (positiv) rezensiert hat ... nun ja ... .
Mauls Meinung schmeckt wohl den Meisten nicht; hier einige Kostproben aus der als Leseprobe vom Verlag ins Internet gestellten "Vorbemerkung" (von der ich nur einen Teil gelesen habe):
"Das Ideal, jede Lebensäußerung, jede individuelle Handlung, den repressiven Anforderungen des Kollektivs unterzuordnen bzw. – was dasselbe ist – an den Verboten und Geboten der Scharia auszurichten, ist nämlich gerade keineswegs “fundamentalistisch” oder “islamistisch” geschweige denn gar auf einen “vorislamischen Tribalismus” zurückzuführen, sondern genuiner Kern des hegemonialen islamischen Selbstverständnisses. .....
Allerdings lassen sich die pathologischen Implikationen und Konsequenzen einer Ideologie – und hier überschneidet sich die islamistische mit traditionslinken und postmodernen Weltanschauungen –, die Kapitalismus, Kolonialismus und Rassismus für das muslimische Elend verantwortlich macht und eine (Rück-) Besinnung auf den Islam als Lösung, gar als identitätsstiftenden emanzipatorischen Widerstand, propagiert, erst kritisch würdigen, wenn zur Kenntnis genommen wird, daß der ordinäre Alltagsislam selbst Verursacher der Krise bzw. entscheidender Entwicklungshemmer war und ist, weshalb die Muslime – folgen sie den Islamisten, Postmodernisten und Linken –, indem sie den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben versuchen, immer weiter verelenden werden, bis sich ihnen nur noch die Alternative stellt: Abkehr vom Islam oder suizidaler Amoklauf in seinem Namen. 
.....  die kategorisch nicht versöhnbare Feindschaft zwischen dem modernen westlichen Leben und den Vorgaben des traditionellen Gesetzesislam. Am sinnfälligsten wird dies nicht zuletzt deshalb am Verhältnis des Islams zur Sexualität, weil die Organisierung des Geschlechterverhältnisses seit jeher das Zentrum der Scharia, der muslimischen Jurisprudenz und Theologie bildet."
 Außerdem ist noch das Kapitel "Der Penis als Schlüssel zum Paradies" online, von dem ich aber garnichts gelesen habe.

Jedenfalls folgere ich schon aus den o. a. Zitaten, dass Thilo Sarrazins Äußerungen gegen den Islam ihn als Waisenknaben erscheinen lassen im Vergleich zu der - sehr scharf, sehr präzise und sehr intellektuell - formulierten fundamentalen Islam-Kritik vom Thomas Maul.


Nachtrag 29.11.10
Nachfolgend einige Auszüge aus der "Vorbemerkung":
"Wie groß auch immer die Anziehungskraft des Islam auf moralisch verwahrloste und autoritäre Charaktere ist, die akute Bedrohung individueller Freiheit geht weltweit weniger vom Islam und den bekennenden Muslimen selbst aus. Im Gegenteil: deren Aggressivität, Gewaltbereitschaft und Irrationalität sind Ausdruck eines ökonomischen und kulturellen Bankrotts, der sich nicht zuletzt auch in militärischer Impotenz niederschlägt. Daher ist es vielmehr der vom Westen praktizierte “Dialog der Kulturen”, der sich dem Islam als Viagra andient. Schließlich beginnt auch das proislamische Appeasement bzw. die Kollaboration nicht erst da, wo diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zu Regimen unterhalten werden, die Israel mit einem zweiten Holocaust drohen und/oder Terrorbanden unterstützen, die die systematische Ermordung von Juden bereits organisieren, sondern schon bei den regelmäßigen Integrations- und Islamgipfeln mit den Mullahs des bundesrepublikanischen Verbandsislam. So ist eine Gesellschaft, die überhaupt Kopftuchdebatten führt, nicht besonders demokratisch oder migrationsfreundlich. Sie ist längst schamlos dazu übergegangen, die Bürgerrechte von Frauen (die anderen Kulturkreisen entstammen) für diskutierbar zu erklären.
Man mag darüber streiten, in welchem Mischungsverhältnis Dummheit, Feigheit, ideologische Nähe zum Umma-Sozialismus, ökonomische und geostrategische Interessen jene Islamophilie begründen, welche die entsprechende Innen- und Außenpolitik der jeweiligen westlichen Staaten bestimmt. Die Bedingung ihrer Möglichkeit liegt zweifellos darin: einer seit Jahrzehnten im Zeichen der Postmoderne systematisch von Orient-Instituten, islam- und kulturwissenschaftlichen Fakultäten sowie den Gender Studies betriebenen Wirklichkeitsverdrängung und Begriffsakrobatik ist das schier Unglaubliche gelungen, nämlich inmitten der bürgerlichen Intelligenzia eine politische Haltung hegemoniefähig zu machen, nach der Verharmlosungen und Beschönigungen des offensichtlich Barbarischen als Ausdruck antirassistischen und gar feministischen Gutmenschentums gelten können, während eine an Bürgerrechten orientierte konsequente Islamkritik als dem Antisemitismus angeblich verwandte Islamophobie denunziert wird. .....
Dagegen [gegen Lessings Religionen-relativierende Ringparabel] wird auf die Einzigartigkeit des dem Judentum und Katholizismus fremden Phallozentrismus zu insistieren sein, der gerade die Herausbildung eines humanistischen Kerns im Islam verhinderte. .....
[Aus Anm. 12:] Da nun die Regulation des Sexuellen, statt randständig zu sein, zum Fundament einer jeden Gesellschaftsordnung gehört, also die Individuation der ihr jeweils Zugehörigen maßgeblich mitbestimmt, und die Welt zunehmend eine globalisierte ist, kann es, selbst dann, wenn es wünschenswert wäre, kategorisch keine friedliche Koexistenz antagonistischer Sexualethiken geben, sondern – hier früher, da später – nur tödliche Feindschaft."
Besonders der letzte Satz hat für mich eine ganz erhebliche Überzeugungskraft. Ich fürchte freilich, dass Thomas Maul nicht ausschließlich ein sprachmächtiger Kämpfer für abendländische Werte ist. Vielmehr folgere ich aus verschiedenen Indizien (Rezension durch Gudrun Eussner, Verlinkung eines Dossiers von Maul bei der Achse des Guten, 
[anscheinend:] Redebeitrag zu einer Kundgebung „Gegen das Bündnis der Kriegstreiber von Linkspartei und Hamas! Solidarität mit Israel“, dass Mauls außergewöhnliche Invektiven gegen den Islam wesentlich durch eine pro-israelische Einstellung motiviert sind. Das macht seine Islamkritik nicht per se falsch, sollte uns aber zur Vorsicht mahnen. Ich jedenfalls lasse mich ungern für politische Interessen anderer Völker, die nicht unbedingt mit den unseren identisch sind, am Halsband führen.
Und, nebenbei bemerkt: Eine Hochburg der erotischen Freizügigkeit  ist Israel auch nicht gerade.


Nachtrag 09.12.10
Bei Indymedia übt ein Peter Nowak aus linker Perspektive Kritik an Maul ("Moslemshass auf linken Buchtagen in Berlin" - 26.06.10).  Freilich entgeht ihm vor lauter gewissenhafter Beschäftigung mit der Frage, wie eine korrekte linksemanzipatorische Islamkritik auszusehen habe, der pro-zionistische Lobbycharakter von Mauls Buch.






Textstand vom 11.06.2011. Auf meiner Webseite
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