Montag, 20. Juli 2009

Was willer, der Robert Shiller?


Professor Robert Shiller ist einer der klügeren Ökonomen. Zwar war er sich im Jahre 2003 in dem Zeitungsartikel ("Is There a Bubble in Home Prices?") bzw. 2004 in einer Studie ("IS THERE A BUBBLE IN THE HOUSING MARKET?", zusammen mit KARL E. CASE) noch nicht sicher, ob eine Immobilienblase zu diagnostizieren sei.
Doch warnte er schon damals (2003):
"Judging from the historical record, housing price declines fortunately tend to be relatively local, and nationwide drops are unlikely. This should blunt the macroeconomic impact of bursting bubbles. The bad news, though, is that the run-up of personal debt means that many households will be left with liabilities exceeding the value of their homes, implying a rising number of bankruptcies."


Nun wurde er im Handelsblatt (20.07.09) interviewt: "Yale-Ökonom Robert Shiller: 'Wir brauchen mehr Stimulus'.""Der renommierte Yale-Ökonom Robert Shiller warnt im Handelsblatt-Interview vor einer langen Durststrecke der US-Wirtschaft, vor wachsenden sozialen Spannungen und fordert Deutschland zu einer expansiveren Fiskalpolitik auf."
Er warnt vor einem vorschnellen Optimismus bezüglich der Wirtschaftskrise und sagt auf die Frage nach den Perspektiven der US-Wirtschaft:
"Diesmal könnten wir vor einer besonders langsamen Erholung stehen oder vor einem Szenario, in dem einem kurzen Aufschwung gleich die nächste Rezession folgt."
Und zu Aktienkäufen:
"Die spekulative Stimmung macht Vorhersagen äußerst schwierig. Es ist möglich, dass wir eine weitere Blase bekommen werden - mit Blick auf die Wirtschaftslage aber vermutlich noch nicht jetzt."
Seine Sorgen betr. die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft müssten auch wir uns in mancherlei Hinsicht machen:
Frage: "Amerika hat jahrelang von den Erfolgen der Wall Street gelebt. Jetzt stehen zahlreiche Banken unter staatlichem Schutz, dazu zwei Hypotheken-Riesen, der einst weltgrößte Versicherer und die halbe Autoindustrie. Hat das Land nachhaltig an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt?"
Antwort: "Zum Teil verliert Amerika natürlich seine Dominanz, allein weil der Rest der Welt, insbesondere Asien, so stark expandiert. Hinzu kommt, dass die Anerkennung für Ingenieure und Menschen, die neue Technologien vorantreiben, in den USA nicht mehr so hoch ist wie früher. Unsere Studienprogramme in diesen Bereichen füllen sich zunehmend mit ausländischen Schülern."
F: "Und was macht der US-Nachwuchs?"
A: "Junge Amerikaner zieht es ins MBA-Studium und ins Juraexamen. Der Finanzsektor ist sicher ein gutes Feld, aber manche Berufsentscheidung basiert aus der Annahme heraus, möglichst schnell möglichst reich werden zu können. Vielleicht führt die Krise zu einem Umdenken, aber diese Dinge beunruhigen mich schon - genau wie die herrschende Meinung, Investments in Immobilien seien eine wunderbare Sache."
F: "Was stört Sie daran?"
A: "Es stört mich, dass wir Herrenhäuser bauen - diese sogenannten "Mc Mansions", die wirklich nutzlos sind. Sie sind sogar eine Last für uns, weil wir sie instand halten müssen. Das sind Monumente, die nur den Erfolg einer Person nach außen darstellen. Wir sollten aber keine Gesellschaft sein, die Monumente baut, sondern an Sachen arbeiten, die wirklich bedeutend sind. Das wäre ein Wandel zum Guten."

Etwas erstaunt hat mich freilich seine beiläufige Bemerkung im Zusammenhang mit der Haushaltsführung des US-Bundesstaates Kalifornien (meine Hervorhebung):
F: "Teilen Sie nicht die Auffassung der Finanzmärkte, dass sich eine konjunkturelle Erholung abzeichnet? Die jüngsten Quartalsergebnisse der US-Firmen fallen bisher etwas besser aus als erwartet."
A: "Ich bin da relativ pessimistisch. Mir macht unter anderem Sorge, dass die Verbraucher-Sparrate auf 6,9 Prozent in die Höhe geschnellt ist. Das ist ein Niveau, das wir seit Jahrzehnten nicht gesehen haben. Oder schauen sie nach Kalifornien, die begonnen haben, ihre Rechnungen mit Schuldscheinen zu bezahlen. Derartige Nachrichten haben das Potenzial, Menschen zu verunsichern und das Konsumverhalten negativ zu beeinflussen."

Und was ist mit den Schulden der amerikanischen Bundesregierung? Die Befürworter stärkerer staatlicher Konjunkturspritzen sollten doch eigentlich froh sein über die Weisheit der kalifornischen Wähler, die mit ihrer "wisdom of the crowds" Steuererhöhungen abgelehnt haben und deshalb Arnold Alois ("Arnie") Schwarzenegger zwingen, die Rechnungen des Staates Kalifornien mit Schuldscheinen zu bezahlen.
Ich meine, die müssten doch in gleicher Weise wirken wie die Mefo-Wechsel, welche ein anderer emigrierter Österreicher, in einem anderen Land der Welt, einstmals in Umlauf gesetzt hatte.
Seine Endziele bei dieser Form der Geldschöpfung waren wirtschaftsfern, aber zunächst haben sie die Wirtschaft angekurbelt. Das dürfte für die kalifornischen Schuldscheine ebenso gelten, denn schließlich wäre die Alternative, entweder die Steuern zu erhöhen oder die Ausgaben dieses US-Bundesstaates zu reduzieren. In beiden Fällen würde die Konjunktur wahrscheinlich in Mitleidenschaft gezogen.
Aber klar: längerfristig geht so etwas nicht gut, und einen guten Eindruck macht es auch nicht. Regierungsschulden sind (leider) beinahe normal; die Form der Verschuldung über Schuldscheine ist allerdings ungewöhnlich. Da kann man sich schon vorstellen, dass so etwas die Menschen beunruhigt und die psychologische Wirkung die rein finanzökonomischen Wirkung konterkariert.


Textstand vom 16.06.2023

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