Sonntag, 9. Mai 2010

Brandfäule frisst sich durch das alte Europa, weil es zu feige ist, ein heillos krankes Glied zu amputieren!


Europa ist feige in vielerlei Hinsicht:

- Am Horn von Afrika zu feige, die somalischen Piraten so zu bekämpfen, dass es ein schnelles Ende hat mit der Piraterie (vgl. aktuell wieder die gestrige Handelsblatt-Meldung "Deutscher Chemietanker vor Oman gekapert")

- Im Kosovo zu feige, entweder aufzuräumen mit organisierter Kriminalität und den Rivalitäten der Volksgruppen untereinander, oder seine Truppen abzuziehen.

- In Afghanistan zu feige, die eigenen Soldaten moralisch massiv zu unterstützen. Und, wenn man sie schon hinschickt, sie dann auch in den Kampf zu schicken.

- Im Nahen Osten zu feige, Israelis wie Palästinensern einen Friedensplan zu diktieren, und bei Ablehnung den Geldhahn zuzudrehen (vgl. Blott "Den Frieden verliert, wer nach Frieden giert. Frieden im Nahostkonflikt: Europas Wet Dream")

- Im Inneren zu feige, die organisierte Kriminalität wirksam zu bekämpfen.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen,
und diese vielfältigen Feigheiten sind natürlich keineswegs ein Spezifikum der Deutschen, und nicht einmal in allen Fällen auf das Alte Europa beschränkt.

Und gestern haben die Eurozonenländer weitere Dämme zum Schutz der nationalen Steuergelder eingerissen. Dämme um die Europäische Zentralbank, die uns vor der Geldflut und Geldentwertung, der Inflation, schützen sollen, werden folgen.


Griechenland ist nicht zu sanieren. Dennoch steht die Deutsche Volkskammer, äh, der Deutsche Bundestag, fast einmütig (mit Ausnahme von 5 Gegnern aus den Reihen von CDU, CSU und FDP) hinter den deutschen / europäischen sogenannten Krediten an Griechenland (die LINKE hat die Hilfen nur deshalb abgelehnt, weil sie mit Bedingungen verknüpft war, d. h. sie ging ihr nicht weit genug, und die SPD hat sich, von einigen Zustimmern abgesehen, lediglich deshalb der Stimme enthalten, weil sich die Regierungskoalition einem politischen Kuhhandel in Sachen Bankenbesteuerung verweigert hatte).

Diese Kredite werden die Griechen nicht zurückzahlen; sie können es auch garnicht, dazu fehlt dem Land die produktive Basis. (Was übrigens auch für Großbritannien und die USA gelten dürfte!) Eine andere wichtige Einnahmequelle gefährden die Griechen mit ihrem Verhalten selbst: "Schuldenkrise verschreckt Touristen" titelte die Financial Times Deutschland gestern, am 08.05.2010, aber das ist ungenau, den ist wohl nicht in erster Linie die dortige Überschuldung, welche die Touristen von einem Besuch Griechenlands abhalten könnte (obwohl sich auch dieses Faktum psychologisch auswirkt: "Wir stellen seit Februar, als das Problem der Schuldenkrise in den Medien intensiver behandelt wurde, einen Rückgang der Buchungen fest", wird der Präsident des griechischen Dachverbands des Beherbergungsgewerbes zitiert), sondern es sind die Reaktionen der Griechen auf die aktuellen Sparzwänge nach dem Zusammenbruch ihrer potemkinschen Staatskreditfassaden. Auch wenn sich die Krawalle auf Athen und Thessaloniki zu beschränken scheinen, und auch dort wohl kaum gegen Reisende richten werden, könnten sie ängstliche Gemüter von einer geplanten Griechenlandreise abhalten. Dazu kommen natürlich Streiks im Transportgewerbe, wie es sie schon gegeben hat (Fähren, Fluglotsen ...) und wie sie jederzeit wieder ausbrechen können. Jedenfalls liegt das Geschäft ungefähr zehn Prozent unter Vorjahresniveau.

Bislang ist der Spiegel-Online-Überschrift vom 06.05.2010 "Tourismus-Krise in Griechenland. Das ist demütigend!" wohl nur Sensationsmache; von einer regelrechten Krise kann man wohl noch nicht sprechen. Aber mit Sicherheit erschweren solche Vorgänge die Werbung weiterer Reisegäste. Bereits im Vorjahr war lt. FTD wegen der Weltfinanzkrise und Weltwirtschaftskrise die Besucherzahl um 9% eingebrochen. Und selbst wenn die Übernachtungszahlen gehalten würden, zeichnet sich schon jetzt eine Tendenz zu Preiszugeständnissen ab, die sich natürlich ebenfalls negativ in den Wirtschaftsdaten niederschlägt.
(Weitere Berichte zum aktuellen Stand des griechischen Tourismusgeschäfts: "Griechenland: Touristen springen ab" schreibt ein Journalist "Roman" am 7.5.10 auf der Webseite Wirtschaftsfacts.de. Der STERN meldet: "Urlaub in Griechenland: Angst vor dem Streik der Touristen")

Eine Übersicht über die sektorale Zusammensetzung der Wirtschaftsleistung (auch im Vergleich mit Deutschland) gibt Nadine Oberhuber unter "Produkte aus Hellas. Griechen, das kaufen wir euch ab" in der FAZ vom 04.05.10. Für das "Abkaufen" stellt sie allerdings eine Bedingung:
"Die Griechen müssen mehr verkaufen, um wieder zu Geld zu kommen. Wenn sie ihre Exportschlager billiger machen, nehmen wir die gerne - und kurbeln die Wirtschaft an."


Griechenland wird nie und nimmer die für eine Industriegesellschaft (oder eine Wissensgesellschaft) unverzichtbaren Standards an Erwachsensein, an gesamtgesellschaftlicher Verantwortlichkeit erreichen.
Italien hat es in den 150 Jahren seiner Einheitsgeschichte nicht geschafft, den Mezzogiorno zu einer Bürgergesellschaft zu machen. Am Geld lag es nicht: das floss in Mengen von Nord nach Süd, jedenfalls nach dem 2. Weltkrieg.
Letztlich sind Clanismus und Staatsfeindlichkeit, wie auch eine gewisse Apathie und Anspruchsdenken nicht auszurotten.
(Die Herzlichkeit innerhalb der Großfamilie, wie sie in dem Kapitel "Verwandten-Marathon durch olympische Dörfer" des WELT-Artikels vom 28.04.10 "Warum wir Griechenland trotz der Krise lieben" kann schon begeistern, aber deren Kehrseite ist eben jener Nepotismus, jene Vetternwirtschaft - und auch Patriacharlismus - der nicht nur Griechenland zu schaffen macht.) [Zu dem, was ich "Clanismus" nenne, vgl. auch die Huntington-Rezension "The Future of 'History'" Policy Review, No. 113, Juni/Juli 2002, von Stanley Kurtz, ]
Gut möglich, dass sich diese Elemente (mit Ausnahme des Clanismus) auch bei uns ausbreiten; die Feigheit, dem maladen Balkan-Zipfel unsere Steuergelder zu verweigern, zeigt uns schon auf dem besten Weg dahin.

Meine Aversion gegen Steuergeld-Transfers nach Griechenland (gegen "Die Deutschen in Haftung", wie der wackere Streiter Holger Steltzner gerade wieder am 07.05.10 in der FAZ schrieb) ist übrigens nicht identisch ist mit einer Ausschlussforderung aus der Eurozone! Meinetwegen kann Griechenland auch als Pleitestaat gern Mitglied bleiben, denn das Abstoßen von Ramschanleihen durch die Investoren ist kein Angriff gegen den Euro, wie uns Politik und Medien weiszumachen versuchen. Wenn die Kurse kalifornischer Staatsanleihen einbrechen würden, muss das auch keine Auswirkungen auf den Dollar haben.
Nur dann, wenn sich, wie leider geschehen, die feige politische Kaste von den Besitzenden ins Boxhorn jagen lässt, sind die Folgen fürchterlich. (Aber natürlich werden auch die Besitzenden keine Freude an der nun wohl unvermeidlich kommenden Inflation haben.)
(Am 9.5.10 stößt Holger Steltzner noch einmal nach unter "Europa in der Krise. Der Euro als Weichwährung")

Griechenland wird nicht erwachsen werden (vgl. z. B. in der WELT vom 24.02.2010 "Wir sind der letzte Staat des real existierenden Sozialismus": "Der griechische Schriftsteller Petros Markaris über Korruption, Vetternwirtschaft und die wahren Schuldigen am Ruin") und wir gleitend vergreisend in die Feigheit ab.


Wir nennen es nicht Feigheit sondern Ethik, wenn wir die andere Wange, oder auch die andere Backe, hinhalten, und die folgsame Entleerung unserer Brieftaschen für fremde Völker und eigene Anleihebesitzer heißen "Verantwortungsbewusstsein", "Alternativlos / ohne Alternative", "Unumgänglich", "keine andere Wahl" usw.
Deutschland und Europa brauchen eine Neue Härte! Fair sein gegenüber den anderen, aber auch fair gegenüber sich selbst!
Sonst sind nicht nur wir bald am Ende, sondern der Europagedanke wird begraben.
Bei uns ist der Weg zur Hölle mit guten Taten gepflastert!


Nachtrag 21.07.2010
"Harter Realitätssinn" würde Oswald Spengler genannt haben, was der amerikanische Fondsmanager John Taylor sowohl praktiziert als auch in einem Interview der Financial Times Deutschland (16.07.10) argumentativ vorbringt, nämlich GEGEN den europäischen Bailout-Wahn:
"Devisenspezialist im Interview. 'Die D-Mark würde den Dollar alt aussehen lassen' ":
"John Taylor, Chef des weltgrößten Devisen-Hedge-Fonds, geißelt die EZB-Strategie, gibt Griechenland verloren und möchte die D-Mark zurück. Andere Länder würden sich einem Austritt Deutschlands aus der Währungsgemeinschaft sofort anschließen, glaubt er. "Der Euro-Exitus kommt."

Textstand vom 11.06.2011

2 Kommentare:

  1. Hallo :) Dein Post wird übrigens auf Handelsblatt.com gezeigt! Handelsblatt, WiWo.de, Karriere.de, Freitag.de, LR-Online.de und T-Online.de zeigen Deine Bloglinks mit Hilfe von Twingly. Schönes Wochenende! VG, Anja.

    P.S.: Klasse, dass Du es mit unserem Widget versuchst! Ich hoffe, dass dort auch bald auf Dich verlinkende Blogs erscheinen. Wir haben übrigens ein CSS, dass Du anpassen könntest. Wenn Du willst, schicke mir eine Email an anja@twingly.com, und ich lasse es Dir zukommen.

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  2. Hallo Frau Rauch,

    und danke für die Info. Leider überschätzen Sie meine Internetkompetenz wenn Sie annehmen ich wüsste, was ein CSS ist, geschweige denn, dass ich es in irgend einer Weise anpassen könnte.

    Die Hoffnung, in anderen Blogs verlinkt zu werden, habe ich schon längst begraben.
    Dass allerdings ein Link zu meinen Einträgen im Handelsblatt erscheint (und auch in Focus und wohl auch in der Welt?) wusste ich schon: vgl. meine Blotts "Twingly als teuflische Versuchung: Intellektuelle Jingle Mail von mir zum Handelsblatt?" (http://beltwild.blogspot.com/2009/03/twingly-als-teuflische-versuchung.html) und "http://beltwild.blogspot.com/2009/10/plotzlich-und-unerwartet-steht-mein.html" (http://beltwild.blogspot.com/2009/10/plotzlich-und-unerwartet-steht-mein.html).
    Das war auch der Grund, weshalb ich Ihr sogenanntes "Widget" überhaupt in meinen Blog integriert habe (was immer ein Widget sein mag - irgendwie hab' ich es geschafft, das Ding einzubauen).

    Weitere Bemühungen in diese Richtung erscheinen mir freilich wenig lohnend; dennoch Dank für Ihr freundliches Angebot.

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