Es begab sich anno 1199 (oder war es 1299?) vor der Burg Treuenfels im finsteren Fehdewald, dass ein feindliches Heer im Anmarsch war und die Bauern der Herrschaft sich versammelt hatten, um Einlass und Schutz zu begehren. Doch Graf Trauewem, Herr von Treuenfels, hatte die Zugbrücke hochziehen lassen und seinen Untertanen Zugang und Schutz verwehrt. Die bäuerlichen Nichtsnutze wären ihm nur eine Last: Im Kriegswesen nicht ausgebildet, würden sie bei der Verteidigung kaum helfen, aber als unnütze Esser die Vorräte verfuttern. Und so könnte der Feind die Burg in wenigen Wochen aushungern. So sehr auch das Bauernvolk bettelte und jammerte: Graf Trauewem stand stahlhart zwischen seinen Burgzinnen.
Nun erkühnte sich ein kecker Bursche unter den Supplikanten, den Grafen an seine Pflichten aus dem einstmals zwischen Adel und Bauernschaft geschlossenen Gesellschaftsvertrag zu erinnern: Man habe doch vereinbart, dass die Bauern dem Adel hörig und abgabenpflichtig seien, dafür aber von ihrer jeweiligen Herrschaft gegen feindliche Angriffe beschützet würden? Doch der Graf wandte dem Bauernpack seinen verlängerten Rücken zu, zog seinen Leibrock hoch (Unterhosen gab es noch nicht) und ließ in den Burggraben dasjenige hinunterplumpsen, was normaler Weise aus dem Aborterker gerieselt wäre.Der Chronist berichtet, dass die Burg schon nach wenigen Wochen erobert und der Graf in Gefangenschaft geführt worden sei. Es habe an Verteidigern gefehlt, und so hätten die Belagerer eines Tages im Morgengrauen die Ringmauer an einer unbewachten Stelle übersteigen können. Seine Bauern aber wurden malträtiert und ausgeraubt und die Überlebenden mussten für den neuen Herren fronen.
Es geschah anno 2030 in München-Bogenhausen vor der Villa Gierschlundia. Dort stand Rudi Rackerfix, 65 Jahre alt und gerade nach langjährigen Diensten mit Dank und Blumenstrauß aus der Firma des Unternehmers Volker Vollhals verabschiedet. Nun wollte er seine erste Rentenzahlung abholen.
Vollhals schaute durch das schuss- und schlagfeste Sicherheitsglas seines Wohnzimmerfensters und kommunizierte über eine Gegensprechanlage mit seinem ehemaligen "Mitarbeiter":
"So, so, eine Rente wollen Sie von mir haben? Ei, woher soll die denn kommen? Sie haben doch nichts gespart?"
Schuftefix war zunächst wie geplättet und blieb stumm: Das hatte er nicht erwartet. Doch dann fasste er sich ein Herz und erwiderte:
"Aber, aber ... einstmals hatten doch die Arbeitgeber und wir Arbeitnehmer einen Vertrag abgeschlossen? Wir hatten uns verpflichtet, für Sie zu arbeiten und tüchtig jene Güter zu kaufen, die wir in Ihren Fabriken produzierten. Und Sie sollten als Gegenleistung tüchtig investieren, also im volkswirtschaftlichen Sinne sparen? Hatte nicht Robert Bosch gesagt: 'Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne bezahle'? Ich habe mein Geld nicht zur Bank getragen, sondern immer fleißig konsumiert - und damit haben ich SIE reich gemacht! In der Erwartung, dass Sie absprachegemäß das Geld für mich investieren und mich auch dann an den Erträgen teilhaben lassen, wenn ich mal bedürftig bin." Vollhals aber sog genüsslich an seiner Havanna und zog die Gardinen zu. Dann rief er die Polizei an, um diesen Störenfried vor seinem Haus zu entfernen. Denn dafür (und NUR dafür!) zahlte er doch schließlich Steuern: Dass ihm der Staat den ungestörten Genuss seines hart erarbeitenden Eigentums garantieren solle.
Verträge mit den Arbeitnehmern? ER hatte, außer den Arbeitsverträgen, keinen abgeschlossen. Wieso kamen diese Elendsgestalten plötzlich auf die Idee, SEIN Geld abzugreifen? Bolschewisten waren das! Zum Glück nur wenige; aber dafür hatte er ja auch hunderte von Millionen an diese Schwätzer in den "Denkfabriken" bezahlt, damit die den Arbeitssklaven "wissenschaftlich" verklickern sollten, dass ihr Platz UNTEN sei. Und seiner OBEN. Ach, wie war es doch vordem zur Feudalzeit so bequem! Nostalgisch seufzend dachte Vollhals an jene tempi passati zurück, als der gemeine Pöbel die Propaganda der Kirchen noch selber bezahlen mussten, welche ihm die gottgegebene Ordnung von Fürstenthronen und Untertanen unwiderleglich versicherte. Heutzutage musste er sein eigenes, sauer erarbeitetes Geld (eine bloße Floskel, die aber niemals in seinen inneren und äußeren Diskurse fehlte) für hohle Eierköpfe verschwenden, um seine Arbeitssklaven von teuflischen Umverteilungsgedanken ab- und sie zur Eigentumsheiligung anzuhalten.
Dabei waren die Verteilungsansprüche doch sonnenklar und bereits vom Herrgott in der Bibel festgeschrieben: Wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat. Nicht, dass Vollhals an Gott geglaubt hätte; aber wann immer das Personal unverschämte Forderungen stellte, erweckte er den alten bärtigen Opium-Dealer doch gerne wieder zu neuem Leben. Denn die Bibel bestätigte ihm ja, dass er heute seinen "unnützen Knecht" völlig zu Recht davongejagt hatte!
Weil diese hübsche Geschichte erst in der Zukunft spielt, ist über ihren Fortgang nichts überliefert.
Wir aber merken uns: Es gibt mehr Zusammenhänge in Wirtschaft und Gesellschaft, als sich die Primitivideologie milliardärsgesponserter Sozial-Monadisten träumen lässt. Und als deren Sponsoren das Volk erkennen lassen möchten.
Dieser Beitrag ist die logische Fortsetzung zu meinem vorangegangenen Blott "Der Kapitalismus ist kein reines Tauschsystem - sondern auch ein Tributsystem. Diesem wohnt eine Tendenz zur Überakkumulation inne, die nichts mit irgendeinem "Geldsystem" zu tun hat: It's the Eigentumssystem, Stupid!" Die Idee, einen Gesellschaftsvertrag (Sozialvertrag) zwischen Arbeit und Kapital zu postulieren, hatte ich aber bereits 2004 auf meiner Webseite "Rentenreich".
ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand vom 05.10.2021
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