In meiner
Anfangszeit auf Facebook, bevor es die AfD gab bzw. bevor die
intern-öffentliche Debatte unter Parteimitgliedern und Anhängern dort vollen
Schwung aufnahm, habe ich des Öfteren auch mit Libertären diskutiert. Das waren
ganz angenehme Zeitgenossen, die andere Meinungen aushalten konnten. (Und ich war
so gut wie immer anderer Meinung! 😊)
Am
Samstag, 23.03.2013, bin ich sogar in einer
Demo der libertären „Partei der Vernunft“
(PdV) in München gegen die GEZ-Gebühren-Gier-Ganoven [mein Ausdruck]
mitgelaufen. Auch das war eine friedlich-fröhlich entspannte Sache; jeder, der
Lust hatte, konnte aufs Podium gehen und eine Rede schwingen (ich wollte nicht).
Ende 2012, also vor Gründung der AfD (06.02.2013), habe ich sogar für deren
Wahlbeteiligung an der Bundestagswahl im September 2013 unterschrieben. Dies
definitiv nicht in der Absicht, die PdV zu wählen (ohne AfD wäre ich wohl gar
nicht zur Wahl gegangen). Sondern einfach weil ich der Meinung war, dass auch
die ihre Chance bekommen sollte.
Gelegentlich
greife ich auch gern auf den libertären Wortschatz zurück: Wenn ich z. B. von „Steuersklaven“ oder „Staatssklaven“ spreche. Das heißt
allerdings nicht, dass ich dieser Ideologie anhängen oder ihr zustimmen würde.
Als Korrektiv gegen unsere totale „Verhausschweinung“
(übrigens ein Ausdruck von Björn Höcke, den ich ebenfalls nicht
goutiere, der aber mit dieser Diagnose tendenziell richtig liegt) ist ein Schuss
Libertarismus nicht verkehrt. Als ausgewachsene Ideologie dagegen ist der
Libertarismus einfach nur ekelhaft.
Ja, er IST
eine Ideologie! Und wie jede Ideologie in unterschiedlichen Varianten
ausgeprägt. Die „österreichische Schule“
der Wirtschaftswissenschaften (bekannter als „Austrians“), auf die er sich beruft, ist heutzutage inexistent. Was
davon noch an Trümmerstücken in der Welt herumschwimmt, ist eine Pseudo- oder
Vulgär“wissenschaft“, die besonders in der US-Bloggerszene sehr aktiv ist. Als
gemeinsamen Nenner ihrer im Detail dann doch recht unterschiedlichen (und nicht
selten widersprüchlichen) „Lehren“ kann man wohl den (einfältigen) Ansatz sehen,
Vorgänge in der Makroökonomie aus der mikroökonomischen Froschperspektive zu
erklären bzw. zu gestalten.
Mehr oder
weniger Libertäre gibt es auch in „meiner“* Alternative für Deutschland (AfD;
dort spreche ich meist von „Marktradikalen“).
Anfang 2016 hatten diese Kreise sogar versucht, unserer Volkspartei ein stark
libertär geprägtes Parteiprogramm auf- und sozialstaatliche Institutionen
teilweise weg-zudrücken. Da war für mich definitiv Schluss mit lustig (vgl.
meinen seinerzeitigen Blott „AfD-Programmentwurf: Libby Langfingers
Dschihad gegen den Sozialstaat“). Solchen Kreisen und Tendenzen
werde ich auch in Zukunft mit aller mir möglichen Vehemenz entgegentreten (und
habe das z. B. in der Debatte über das AfD-Rentenprogramm auch bereits getan).
Dies alles
als Hintergrundinformation dazu, warum und in welcher Weise mich der libertäre Diskurs
überhaupt interessiert und tangiert.
* Erg. 03.11.2023: Zum 31.07.2022 bin ich aus der AfD ausgetreten.
Vorliegend geht es um die Staats-
und Gesellschaftsvorstellungen von Dr.
Markus Krall. Krall ist der im
deutschsprachigen Raum vielleicht bekannteste unter den lebenden Libertären. („Libertärer“ ist keine Zuschreibung von
mir; so bezeichnet er sich auch selber).
Da ich ein unbedingter Gegner von
unsubstantiiertem Gelaber bin, formuliere ich meine Kritik ganz konkret anhand einer
Rede, die Krall am 21.08.2020 im Rahmen der 10. Hamburger Mark Banco Anlegertagung
im Europäischen Hansemuseum in Lübeck gehalten hat. Es war eine Dankesrede für
die ihm Anfang
März 2020 zuerkannte „Roland-Baader-Auszeichnung“.
Der Verleihungsakt war ursprünglich für den
06.06.2020 angesetzt; jedoch wurde die Veranstaltung verlegt auf den 21.08.2020.
Das Video
seiner Rede wurde am 25.08.2020auf YouTube eingestellt.
Der 2012
verstorbene Roland Baader (Wikipedia) war (und
ist wohl immer noch) der bekannteste deutschsprachige Libertäre überhaupt.
Seine Anhänger ehren ihn mit dieser Webseite.
Diese Anhänger (und ebenso viele andere Menschen) werden es kaum verstehen,
wenn ich Baaders wohl populärstes Zitat als einen der dümmsten jemals
formulierten Aussprüche zur Ökonomie bezeichne:
„Was wir in den letzten Jahrzehnten im
papierenen Kreditrausch vorausgefressen
haben, werden wir in den nächsten Jahrzehnten nachhungern müssen.“ (Aus diesem Interview
vom August 2010.)
Auf den
ersten Blick klingt das höchst plausibel und ich vermute, auch Sie werden
Baader spontan Recht geben: Ist denn nicht wirklich viel zu viel Geld in der
Welt? Und können wir das überhaupt noch zurückzahlen?
Hinter
einer solchen Sichtweise steckt freilich eine rein MIKROÖKONOMISCHE
Perspektive, eine Zwergensicht auf das, was eine Volkswirtschaft ist und
leisten soll. Und ein Denken, das nicht die GÜTERPRODUKTION in den Mittelpunkt stellt,
sondern das Geldwesen.
Das
freilich sollte eigentlich eine nur dienende Funktion haben. Rein abstrakt
sehen das auch die „Austrians“ so;
Geld ist angeblich
nur ein kleiner Umweg zur rationelleren Organisation von
Güter-Tauschvorgängen. Indes ist die Tauschvorstellung von Ökonomie (die auch
die Mainstream-VWL kultiviert) schon für sich genommen eine (unzulässige) Vereinfachung,
die wesentliche Zusammenhänge verschleiert oder verfälscht.
Und zudem
ist die eigentumsbasierte Geldwirtschaft, wenn man sie zunächst als ein Tauschsystem
ansehen will, eben nicht NUR ein solches – sondern zugleich ein System, in
welchem die Habenichtse den beati possidentes im Prinzip
bis in alle Ewigkeit tributpflichtig sind.
Doch zurück
zu dem o. a. (für uns alle zunächst so herrlich eingängigen) Baader-Ausspruch.
Sinn und Zweck einer Volkswirtschaft ist es, diese für möglichst lange
Zeiträume möglichst voll ausgelastet zu halten. Der eigentliche Reichtum, an
dem (mehr oder weniger) alle partizipieren (können), ist nicht das Geld. Egal,
ob man an „Fiatgeld“ oder „Goldgeld“ denkt – oder sogar an Sachwerte wie Unternehmen,
Aktien usw.: Der eigentliche Reichtum ist die LAUFENDE PRODUKTION. In einer
belagerten Stadt, wo die Lebensmittel ausgehen, ist selbst Gold völlig wertlos.
Und ein bilanziell gestern noch wertvolles Unternehmen wird wertlos, wenn es
nichts mehr produziert (weil z. B. eine Gesellschaft nicht – mehr - genügend
Arbeitskräfte hat; aktuelles Stichwort: „demographische
Krise“).
Staat und
Gesellschaft (konkret: Die Notenbanken mit ihrer Geldpolitik; ggf. auch der
Staat mit seiner Fiskalpolitik) müssen dafür sorgen, dass die Wirtschaft brummt: DAS ist Sinn und Zweck jedes
Wirtschaftens. Und dafür muss der Rubel ROLLEN – anstatt im Tresor von Dagobert
Duck zu versauern.
Aber wenn
Libertäre in einem solchen Zusammenhang von „wir“ sprechen, dann meinen die gar
nicht wirklich die Gesellschaft insgesamt. Sondern ganz speziell die Kleinen
Leute, Arbeitnehmer usw.: DENEN geht es nach dem Geschmack der Libertären viel
zu gut!
Dass sich
die Reichen die Taschen bis zur Halskrause vollstopfen, kritisieren auf der
abstrakten Ebene und in ganz spezieller Hinsicht zwar auch die Libertären. Die
wettern gerne gegen die bösen Konzerne, insbesondere die Finanzkonzerne. Wenn
es dann allerdings zum Schwur kommt, wenn es um ganz konkrete Unternehmen und
Unternehmer (z. B. Bill Gates) geht, dann haben die jedoch stets ihr Vermögen
„selber erarbeitet“. Die Milliarden, die sie zusammengebracht haben (und die
ich denen keineswegs missgönne), sind nichts als der wohlverdiente Lohn für die
Risiken, an denen sie so schwer geschleppt haben wie einstmals Atlas am
Himmelsgewölbe. Im Prinzip haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils genau jenen
Anteil bekommen, den „der Markt“ ihnen zugesprochen hat. Allerdings hat der
böse Staat anschließend den Kapitalbesitzern ihr sauer verdientes Geld
teilweise wieder abgenommen („geraubt“) und an die Arbeitssklaven verteilt; DAS
GEHT GAR NICHT für die Gemeinschaft der Taschenfüller.
Den
Libertarismus als eine Ideologie der Reichen selber zu begreifen, wäre falsch.
Tatsächlich ist diese Denkweise eine Ideologie kleiner Krauter (schon in
diesem früheren
Blott hatte ich den Begriff „Krauterideologie“
gebraucht), die gerne reich wären – und sich bis dahin schon mal auf die Seite
der Reichen stellen. Und die glauben, dass es ihnen dabei hilft, wenn sie nach
oben buckeln und nach unten treten. Sozialneid ist diesen Krauter-Kreise fremd:
Die missgönnen keinem Superreichen seine Milliarden. Den Arbeitssklaven
freilich, denen gönnen sie nicht das Schwarze unterm Fingernagel. Wenn der Staat
durch die Einführung eines Mindestlohns die unternehmerische Freiheit
einschränkt, Hungerlöhne zu zahlen (welche der Staat dann wiederum mit ALG II –
„Hartz IV“ – subventionieren „darf“), dann quillt die Volksseele des
Lumpen-Plutokratiats vor Wut über.
Wirklich
Reiche dürften in der Regel intelligenter sein und so denken, wie Robert Bosch: „Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel
Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle.“ Und
selbst die hyperreichen Koch-Brüder, die in den USA zahlreiche libertären
Bewegungen und Denkfabriken (Think Tanks) finanzieren, scheinen mittlerweile
nicht mehr NUR gegen
jedwede Form von staatlicher Daseinsvorsorge zu kämpfen, sondern so etwas
wie soziale Verantwortung zu entwickeln und eingesehen zu haben, dass der
totale Libertarismus vielleicht doch nicht die beste aller möglichen Welten
ist.
Jedenfalls:
Die Kredite, die der Staat aufgenommen hat, sind zwar einerseits Schulden aller
Steuerzahler. Aber andererseits auch Guthaben einiger Steuerzahler (und ggf.
auch Gebietsfremder). Für „die“ Gesellschaft insgesamt ist die Kreditaufnahme also
tendenziell ein Nullsummenspiel (solange sie nicht zu Inflation führt).
Und auf
jeden Fall hat diese Staatsverschuldung geholfen, die Realwirtschaft auf
Touren zu halten.
Überhaupt
ist es abenteuerlich, wenn ausgerechnet die „Austrians“ mit ihrem
mikroökonomischen Sparfimmel gegen Schulden wettern: Wem wollen die eigentlich
ihr Geld leihen, wenn Schuldenmachen verwerflich ist? Denn Zinsen wollen diese
Hybrid-Dagobertisten natürlich kassieren (diejenigen, die nicht mit Gold
spekulieren); das ist für die gewissermaßen ein Menschenrecht. Schließlich
„arbeitet“ ihr Geld doch?
Es gibt
aber noch einen anderen Hintergrund bei der „österreichischen“ Kritik an
staatlicher Kreditfinanzierung: In gewisser Weise sind diese Kreise ökonomische
Sadisten*, die mental in der Wirtschaftswelt des 19. Jahrhunderts
steckengeblieben sind. Krisen, die damals alle Jahre wieder einzelne Länder (und
auch schon ganze Weltteile) heimsuchten, sind für diese atavistischen
Vulgärökonomen naturgesetzlich notwendig. Dass die westliche Welt seit dem Ende
des 2. Weltkrieges weitgehend krisenfrei war (wenn man die Weltwirtschaftskrise
als „richtige“ Krise zum Vergleichsmaßstab nimmt), ist für diese Herrschaften
sozusagen ein bedauerlicher Betriebsunfall der Geschichte.
* Einen „strong cruel streak“ konstatierten
ihre Wegbegleiter auch bei der libertären Vordenkerin Ayn Rand, auf die ich unten ausführlich
eingehe. Oder hier: „She invited her readers to rejoice in
cruelty”. Und dort: “Sex is plentiful [in ihren Romanen; in
ihrem Leben wohl auch] ….. and rough.”
In diesen Zusammenhang gehört auch ihre Begeisterung
für die Kriminalromane von Mickey Spillane.
Im Gefolge
der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise, also in den Jahren 2008 ff., habe
ich mich ausgiebig in der anglophonen, also speziell der US-amerikanischen,
Bloggerszene eingelesen (hier z. B.
wird das ein wenig sichtbar). Und bin dabei auf „österreichische“ Blogposts aus
den 90er Jahren gestoßen, welche schon damals eine Krise vorhersagten. Ich bin
überzeugt, dass die „Austrians“ in allen Jahren nach dem II. WK so sehnsüchtig auf
eine Krise gewartet und deren unmittelbar bevorstehenden Eintritt prognostiziert
haben, wie religiöse Endzeitsekten das Jüngste Gericht erwarten und vorhersagen.
(Die Austrians sind tatsächlich eine – wirtschaftswissenschaftliche - Sekte mit
vergleichbaren Zügen, wie religiöse Sekten. Nur haben die „The Market as God“, bzw. ist
genau genommen lediglich der Mammon ihr Götze.)
Daher sind
diese Leute fürchterlich enttäuscht, dass nicht nur die finale Krise dessen,
was sie als „Papiergeldsystem“ verunglimpfen, nicht eingetreten ist, sondern
dass es überhaupt keine großen Wirtschaftskrisen (gemessen an der Great
Depression) seit 1945 gab. (Dass es beim „Papiergeld“ einen
Unterschied zwischen gedecktem Kreditgeld und ungedecktem Willkürgeld gibt,
übersteigt deren intellektuellen Horizont und wird, wie freilich auch im
ökonomischen Mainstream, ausgeblendet). So produzieren sie am laufenden Band
Krisenvorhersagen (wobei die Panikmache nicht selten auch den eigenen
Geschäftsinteressen dient: Vgl. den SZ-Bericht „Crash-Propheten im Crash-Test“ vom
27.12.2019). Dass sich diese Prophezeiungen niemals erfüllen, ficht sie und
ihre Gläubigen genauso wenig an wie andere Chiliasten die vielfachen Fehlprognosen
des Weltuntergangs: Beim nächsten Mal kommt er ganz bestimmt! Krall erwartet
den Crash noch in diesem Jahr (bzw., wie man hier liest „Ende 2020 oder Anfang 2021“);
tatsächlich wird er natürlich auch diesmal ausbleiben.
Tendenziell
sind diese (nach
bestimmten „Beweismustern“ aufgebauten) Krisenprognosen
verschwörungstheoretischer Art. Das ist zwar nicht ganz so primitiv und vor
allem nicht so offensichtlich wie etwa Theorien, wonach 9/11 ein Insiderjob
gewesen sei. Aber irgendwie sitzen in den Notenbanken böse Buben, die ständig
an einem Geldsystem herumschrauben, welches doch ganz phantastisch
funktionieren würde, ließe man es nur in Ruhe. Unterkonsum
bzw. (Geld-)Überakkumulation kommt im ökonomischen Denken der
„Austrians“ nicht vor bzw., wenn es in der Realität doch vorkommt, dann ist das
halt so und muss man damit leben: Jedes Herumfummeln an den ehernen
Marktgesetzlichkeiten würde alles nur noch schlimmer machen. Und dass es in
unserem Wirtschaftssystem Ungleichgewichte geben könnte, die im
Eigentumssystem begründet liegen (und nicht etwa im Geldsystem), das
ist den Libertären nicht nur Hekuba: Nur sozialistische Ketzer können so etwas
behaupten! Folglich liegt es auch jenseits ihrer Vorstellungskraft, dass die
Notenbanken (Zentralbanken) wahrscheinlich Sachzwängen unterliegen, wenn sie die
Welt mit Geld fluten. Vermutlich tun sie das, um die
Wirtschaft überhaupt funktionsfähig zu halten und damit unser aller
Wohlergehens zu sichern.
Für
Libertär-Austrians dagegen existieren nur sozusagen „Schuld und Sühne“. Wenn es den Menschen mal richtig gut gegangen
ist, dann haben sie garantiert ZU gut gelebt. Dafür haben sie Sühne in Form von
Wirtschaftskrisen zu leisten: So ist nun einmal der Lauf der Welt - glauben
jedenfalls diese spießbürgerlichen ökonomischen Folter-Fans.
Doch nun
zur Krall-Rede. Die ist
sprachlich funkelnd und voller origineller Einfälle in Worten und Vergleichen. Zumindest graduell trifft auch auf ihn zu, was über die Bücher von der Ultralibertären Ayn Rand
gesagt wurde: „….. her language is so uplifting -- it goes
swooping up into the clouds when she talks about the characters she considers
heroes. The reader
travels along with her.”
Ich könnte
mir gut vorstellen, dass sich ein echter „Österreicher“ auch an Kralls
rhetorischem Aufstieg in Wolkenkuckucksheime berauscht. (Überrascht hat mich
deshalb der insgesamt doch recht magere Beifall. Entweder war die Zahl der
Anwesenden gering, oder, wahrscheinlicher, die Zuhörer hatten Mühe, seinem stakkatoartigen
Vortrag zu folgen und viele – äußerlich - brillante Pointen sind untergegangen.)
Auch ich
habe jedenfalls diese Fassaden-Dimension seines Vortrages durchaus genossen. Doch
vernebelt sie mir nicht den kritischen Verstand: Ich verwechsele die Verpackung
nicht mit dem Inhalt. Und ich höre Kralls Worte eben auch mit dem aus
zahlreichen Debatten mit libertär-„österreichischen“ Zeitgenossen entstandenen Hintergrundwissen
um die inneren Widersprüchlichkeiten dieser „Schule“ und um Wortbedeutungen,
die vom gängigen Sprachgebrauch abweichen.
Krall will (20:56 ff) „ .. eine kleine Bestandsaufnahme machen.
Nicht im Stil von Buchhaltern, sondern mit der Sprachgewalt und mit der
Frechheit und mit dem Humor, welchen die Sozialisten, diese Propheten der
Freudlosigkeit, so sehr hassen, dass sie uns am liebsten nicht nur das Rückgrat,
sondern auch gleich das Zwerchfell operativ entfernen lassen würden.“
Und das (21:17 ff) „… in zwei Schritten, Diagnose und Therapie.“
Die Bürokratie habe „ihre alles
erstickenden Tentakel in jeden Bereich unseres Lebens so tief reingesteckt,
dass man schon von sexueller Belästigung sprechen“ müsse. In diesem Duktus
geht es dann weiter bis zum Lösungsvorschlag (22:15 ff):
„Da ich mit Roland Baader die Liebe zu Spanien, meiner Wahlheimat teile,
sage ich, nach der baldigen Wende machen wir mit diesem Tintenfisch das einzig
Sinnvolle: Pulpo nach galizischer Art, klein gehackt in leicht konsumierbare
und gut verdauliche Stücke und spülen das Ganze mit einer guten Flasche
spanischen Rioja herunter.“
Die zweite Diagnose beginnt mit
einem „kurzen Blick auf die Wirtschaftspolitik.“
Hier kritisiert er (22:58 fff.), dass „in
dieser früheren Bastion der Marktwirtschaft, dem in lichteren Zeiten von Ludwig
Erhard geführten Ministerium“ „keine
Wirtschaftspolitik mehr“ stattfinde, „sondern
stattdessen Industriepolitik à la Francaise“. Diese Kritik ist, von Krall
kommend, insofern unverständlich, als doch seiner Meinung nach die vom Staat
ungegängelte Privatwirtschaft alles bestens erledigt: Wozu braucht man dann
überhaupt noch „Wirtschaftspolitik“ und worin soll die bestehen?
„Und dort zeigt sich: Die Negativauswahl der politischen Klasse
manifestiert sich nirgendwo so gnadenlos, wie in der Wirtschaftspolitik unserer
Mächtigen.“ Worin sich das zeigen soll: Man weiß es nicht. Ob Krall selber
insoweit ganz konkrete Punkte im Visier hat, darf man bezweifeln.
(23:21) „Die adverse Selektion der Inkompetenten und Rückgratlosen hat
mittlerweile eine Wagenburg gebaut, die Reihen fest geschlossen, das Niveau so
tief, dass ein Mensch bei Verstand den Grad an Debilität nicht mehr
heucheln kann, der notwendig wäre, um nicht sofort aufzufallen und von der
Armee der Berliner hinauskomplimentiert zu werden.“ Diese von den Hörern
mit Applaus aufgenommene Feststellung ist zwar wiederum äußerst „süffig“
formuliert. Aber zugleich ersetzt die Polemik jedweden Inhalt. Man kann ein
System ablehnen, auch ohne dessen Akteure zu rückgratlosen „Demenzzombies“ zu erklären. Doch geht es Krall hier
wie insgesamt in seiner Rede nicht um Analyse, sondern darum, die
Zustimmung seines Publikums zu erhaschen, indem er es mit genau jenem
intellektuellen Schnellfutter abfüttert, das dieses Publikum erwartet. Er will kein Wissen verbreiten, sondern die Spießbürger in einem Zustand des erbaulichen Behagens einlullen. Um selbigem zu frönen
benötigen die Frommen imaginäre oder tatsächliche Sünder, über die sie sich
moralisch erheben können. (Wobei die
Frommen gar so fromm gar nicht immer sind.)
(23:47) „Die Politik in Deutschland ist der einzige Ort, an dem die
Schulversager, Berufsversager, Arbeitsverweigerer, kurz: die Kevins und Roberts
dieser Welt, ihr Auskommen ohne jede Leistung finden. Sie müssen, ja, sie
dürfen diese Leistung nicht einmal vortäuschen, denn das würde sie in den Augen
der anderen, die in der Politik die Mehrheit stellen, verdächtig machen.“
Als AfDler bin ich weiß Gott kein
Fan des Angela-Schurkel-Regimes und der Blockparteien und ganz sicher nicht von
Kevin Kühnert (SPD) oder Robert Habeck (Grüne). Aber jenseits der inhaltlichen
Dimension (bei der natürlich auch nicht alles falsch oder schlecht ist, was die
Regierung tut oder die Blockparteien sagen) denke ich schon, dass man einige
Arbeit (also - subjektive - „Leistung“) investieren muss, um sich in der Politik überhaupt und
insbesondere auf einem der vorderen Plätze zu behaupten. Auch ich rede durchaus
polemisch über die politischen Gegner. Aber dieses allgemeine Gelüll von Krall
ist ein weiterer unreflektierter Griff in die Stereotypenkiste und verrät mir,
dass er keinerlei Verständnis von realer Politik hat. Auch hier sucht er die
unio mystica mit seinen Zuhörern und plappert der kindischen Volksmeinung
nach, die Politiker seien sämtlich Idioten und besser machen könne es doch
eigentlich jedes Kind.
(24:14) „… Die Schulen bereiten unsere Kinder nicht mehr auf das Leben vor,
sondern auf den Unterbietungswettbewerb des Big Brother Containers und des
parteipolitischen Promi-Dschungelcamps.“
Das ist mit Sicherheit Quatsch,
auch wenn es anscheinend Tendenzen gibt, die Standards abzusenken, um (noch)
mehr Abiturienten den Zugang zu den Universitäten zu ermöglichen.
(24:29) „Immer mehr unserer Schulen sehen aus wie einem amerikanischen
Ghetto-Movie der 70er Jahre entsprungen. Die Toiletten für Mädchen und Jungen
sind mehr oder weniger nur benutzbar, wenn man seinen Ekelreflex unterdrücken
kann. Aber Geld für eine Toilette für das nur in der Fantasie vorhandene dritte
Geschlecht in den Schulen ist da. Zu diesem Wahn sage ich: Es gibt ein Recht
auf Geisteskrankheit!“
Der Zustand der Schultoiletten
sagt nichts über das aus, was im Unterricht gelehrt wird. Und Toiletten für das
„dritte Geschlecht“ mag es in bestimmten Bezirken Berlins geben; auf ganz
Deutschland übergegriffen hat dieser (tatsächliche) Wahn zum Glück (noch?)
nicht.
(24:50) „Der Lehrkörper besteht zu einem immer größeren Teil aus Alt-68er-Zauseln
und der nächsten Generation des Bildungsabstiegs, der ihnen nachgefolgt ist. In
einigen Berliner Schulen, so habe ich gehört, zog im letzten Jahr der Direktor
am Freitag von Klasse zu Klasse, um die Schüler zu Gretels Schulschwänzparty zu
schicken.“
Die „68er-Zausel“ (zu denen, rein generationsmäßig betrachtet, auch ich
gehöre) sind längst aus dem Schuldienst ausgeschieden. Und wie der von Krall
diagnostizierte Bildungsabstieg mit den Erfolgen Deutschlands im weltweiten
Wirtschaftswettbewerb zusammenzubringen ist: Darüber macht er sich offensichtlich
keinerlei Gedanken. Er versucht noch nicht einmal, Kausalzusammenhänge zwischen
dem angeblichen Bildungsabstieg und dem von ihm kritisierten Übermaß an
staatlicher Regulierung zu ziehen und zu beweisen, weshalb und wie der von ihm
geforderte Minimalstaat es besser machen würde. (Bzw. die Privaten, die auch diesen Sektor übernehmen sollen.) Ganz im Gegenteil weist er in seinem Nachtwächterstaat
den Bundesländern sogar „die Festlegung
von Mindeststandards im Bildungswesen“ (51:33 ff.) bei der Ausbildung zu. (Warum
übrigens nicht auf Bundesebene? Würde schließlich zahlreiche Bürokraten
überflüssig machen?)
Außerdem ist diese Aussage eine
dümmlich-arrogante Unverschämtheit gegenüber den heutigen Lehrern, die sich
aufreiben zwischen den Mühlsteinen der Kultusbürokratie, zu integrierenden
fremdkulturellen Schülern und zu inkludierenden Behinderten. Diese Lehrer
tragen VERANTWORTUNG für die ihnen anvertrauten jungen Menschen – und damit
zugleich für unsere Zukunft als Gesellschaft. Krall trägt Goldsäcke,
gewissermaßen. Die zu haben, ist schön; aber eine (Aus-)Bildung zu haben, ist
um Potenzen wichtiger. Gleichwohl bin ich überzeugt, dass Krall sich als jener
Atlas fühlt, der nach der griechischen Mythologie das Himmelsgewölbe auf seinen
Schultern trägt: Ist er denn nicht derjenige, der es seinen Kunden ermöglicht,
ihr Geld inflationssicher anzulegen? Dass Gold als Zahlungsmittel ein
„barbarisches Relikt“ ist (Keynes), dass seine Haltung keinerlei Zinsen
einbringt, die „Investition“ in Gold keinen Nutzen für die Gesellschaft, dass
für die Haltung Kosten anfallen und dass schließlich auch der Goldkurs (teils
heftig) schwankt: Geschenkt! Für Kralls Mammoniten-Gemeinde alles keine
Argumente. Denen geht es ausschließlich ums Geld, und um das Ersinnen von
Schlichen und Kniffen, wie man möglichst viel davon erraffen kann. Das Wort
„Leistung“ ist ein bloßes Feigenblatt; „Leistungsträger“ ist für Krall, wer
Geld hat – und sei es ihm von Ur-Ur-Ur-Ahnen in den Schoß gefallen.
Es ist eine Frechheit, wenn solche
Gestalten mit primitiven Klischees Beifall erheischen. Aber Lehrer sind
natürlich nicht unter der Krall-Kundschaft; von daher kann er unbesorgt gegen
diese WAHREN Leistungsträger hetzen.
(26.30): „In den Schulen wird keine Bildung mehr vermittelt, sondern Ideologie indoktriniert.
Die Schulfächer heißen Genderismus, Klimasozialismus und Ökologismus.“
Ich selber habe kaum Kenntnisse
über die Inhalte des heutigen Schulwesens. Und glaube allerdings auch nicht,
dass Krall insoweit wirklich tiefe Einsichten halt. Der erste Satz ist nach dem
Muster „Früher war alles besser“
moduliert. Tatsächlich haben aber sicherlich zu ALLEN Zeiten die Schulen neben
Wissen auch Werte vermittelt – und natürlich diejenigen, die zu ihrer
jeweiligen Zeit die herrschenden waren. Im Kaiserreich, in der Nazizeit, in der
DDR – und selbstverständlich auch in unserer Demokratie. Gerade in der
Krallokratie wäre die Schule mit Sicherheit ein zentrales Wirkungsfeld der
libertären Ideologie: DIE ist tatsächlich eine Ideologie; die Demokratie nicht.
Allerdings geht es für Krall bei
dem, was er als derzeit gelehrte Ideologie versteht, (nur) um „Genderismus, Klimasozialismus und
Ökologismus“. Gut möglich, dass auch diese Themenfelder hier und da im
Unterricht behandelt werden. Insbesondere für den anthropogenen Klimawandel und
die Einflüsse der Menschen auf die Umwelt könnte ich mir das durchaus
vorstellen (beim Genderismus
weniger). Dass das allerdings tatsächlich Schulfächer sind, glaube ich Krall
nicht. Und auch nicht, dass die einen so breiten Raum einnehmen, dass die
eigentlichen Fächer nicht mehr gelehrt werden. Auch hier erhascht er
offensichtlich mit falschen Klischees den Beifall seiner Zuhörer.
Die anschließende Darstellung „Und wie tief die Genderismus-Logik
Menschenverstand und Wissenschaft mittlerweile hinab zieht, möchte ich kurz
anhand eines Vortrags an einem Seminar der Universität Köln demonstrieren …. “
beleuchtet, ebenso amüsant wie erschreckend, einen in der Tat krassen
Sachverhalt und macht seine anschließende rhetorische Frage (27:51) absolut
nachvollziehbar: „Kurz, da frage ich
mich: Schüttet man an den Universitäten was ins Trinkwasser?“. Nur hat
dieser Vorfall weder mit den Schulen zu tun, noch mit Kralls
Minimalstaats-Vision.
(28:01) „Lassen sie mich zum nächsten Desasterfeld kommen, dem im vollen Gange
befindlichen Angriff auf den Rechtsstaat. ….. Wir erleben seine Aushöhlung
täglich und das Tempo steigert sich, weil man eine vermeintliche Moral, die nur
eine sozialistische Beraubungsmoral ist, über das Recht stellt.“
Auch ich bin nicht glücklich
darüber, dass die Rechtsbrüche der Schurkel-Regierung bei der illegalen
Massenimmiggression ungesühnt bleiben, oder wie das Bundesverfassungsgericht
uns Bürger mit seiner „Recht“sprechung in Sachen Eurozonen-Bailout regelrecht
an der Nase herumgeführt hat. Aber auch hier übertreibt Krall gewaltig, zumal
wenn man die Lage in Deutschland mit den zahlreichen
Angriffen der Trump-Administration auf Administration und
Rechtsprechung in den USA vergleicht. Seine pathetische Formulierung (29:41) „Aber es gilt der Satz des heiligen
Augustinus von Hippo: Nehmt vom Staat das Recht weg, was bleibt dann, als eine
große Räuberbande?“ kann mich insofern wenig überzeugen, als Krall selber
vom Staat das Recht wegnehmen will – d. h. jenen Teil, der nicht den Reichen
nützt, sondern die Schwachen schützt: (47:54) „Ihre [der Justiz] Hauptaufgabe
ist nicht das Miet- oder das Arbeitsrecht, sondern die Sicherung der
Vertragsfreiheit und die Durchsetzung von Verträgen, sowie der Schutz der
Menschen vor Verbrechen.“
(29:57) „Keine Auflistung des gesellschaftlich-wirtschaftlich-politischen
Desasters unseres Kontinentes wäre natürlich komplett ohne die Erwähnung der
feministisch-lagardistischen Geldpolitik.“
Was an der Geldpolitik der EZB „feministisch“ sein soll, erschließt sich
mir nicht. Aber insgesamt teile ich seine Kritik (30:18) durchaus:
„Die EZB steht über jedem nationalen Recht, obwohl das so nie abgemacht
war. Sie ist eine Schattenregierung, die sich allzuständig erklärt hat. Sie ist
zuständig fürs Klima, sie ist zuständig für Corona.“
Bei Krall geht es allerdings nicht
wirklich (nur) um die EZB; er hasst jede Zentralbank, weil er das Fiatgeld
hasst. Bezüglich des EuGH gebe ich ihm allerdings Recht; nur muss ich die
einschlägige Passage insgesamt wiedergeben, weil der Zusammenhang rund um die
von Krall kritisierte „monetäre Matrix“
sonst unverständlich wäre:
(30:28) „Ihr [der EZB] willfähriger
Helfershelfer, der Europäische Gerichtshof, der nicht dem Recht dient, sondern
der immer tieferen Union, kennt nicht einmal das Konzept der Befangenheit. So
kommt es, dass Richter dort richten, deren Heimatländer ohne die Beraubung durch die monetäre Matrix sofort Konkurs
anmelden und sich reformieren müssten.“
Auf welche Weise irgendeine „monetäre Matrix“ die (wie ich sie nenne)
„Schlender-Länder“ berauben könnte, erschließt sich mir nicht. Der Begriff
„Matrix“ bezieht sich vielleicht auf die Filmserie unter
diesem Namen. Ich kenne sie nicht und weiß nicht genau, welche Bezüge Krall
damit herstellen will. Bei min 42:32 spricht Krall von „Matrix des Fiatgeldes, das die Bürger zu Sklaven macht“. „Fiatgeld“ ist für Gold-Dealer seiner
Sorte der innerweltliche Satan schlechthin. Aber ausgeraubt werden im
Euro-System ganz sicher nicht die PIGS (oder PIIGS), wie die Schlender-Länder
zu Zeiten der Staatsschuldenkrise genannt wurden. Sondern die SOLIDEN Länder,
darunter an erster Stelle natürlich Deutschland.
(30:59; meine Hervorhebungen) „Dieses Land und dieser Kontinent stehen vor
dem Umbruch. Die Leistungsträger müssen nach dem Vorbild des Werkes „Der Streik“,
unter uns Österreichern besser bekannt unter dem englischen Originaltitel „Atlas Shrugged“, erkennen, dass sie die
ausgebeutete Arbeiterklasse des einundzwanzigsten Jahrhunderts sind, für die
gilt: ‚Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will‘!“
Hier enthüllt Krall den
Hintergrund seiner simplen Gesellschaftssicht: Es ist die radikallibertäre
„Philosophie“ der aus der Sowjetunion emigrierten Alissa Sinowjewna Rosenbaum, die sich in den USA den
Schriftstellernamen „Ayn Rand“ zulegte, unter welchem
sie heute allgemein bekannt ist.
Mir persönlich war Ayn Rand schon
Anfang der 70er Jahre zum ersten Male „begegnet“. Damals war ich freier Busreiseleiter
für meist US-amerikanische Touristen. Eine dieser Gruppen war ein College Choir
aus Kentucky. Irgendwie kam ich mit einer der Studentinnen in ein Gespräch über
Philosophie. Wahrscheinlich habe ich ihr was von Oswald Spengler vorgeschwärmt;
sie aber empfahl mir als wegweisendes philosophisches Werk eben jenen Atlas,
der mit den Schultern zuckte. (Sie
gehörte also wohl zu denjenigen “… young recruits who were once
the backbone of the Rand insurgency.” Und die sich dort heute rarmachen,
weil das Meinungspendel in den USA wieder in Richtung Sozialstaat oder gar
Sozialismus ausschlägt.) Der Wikipedia-Eintrag zum Roman „Atlas shrugged“ (auf Deutsch in verschiedenen Übersetzungen
erschienen: „Atlas wirft die Welt ab“, „Wer ist John Galt“ und 2012 mit dem von
Krall zitierten Titel „Der Streik“?)
erläutert den Hintergrund wie folgt: „Der
Titel, wörtlich übersetzt ‚Atlas zuckte mit den Schultern‘, ist eine Anspielung
auf den mythischen Titanen Atlas, der das Himmelsgewölbe auf den Schultern
trägt – Rand stellt hier die Frage, was passieren würde, wenn die „tragenden“
Menschen der Gesellschaft plötzlich verschwinden würden.“
Irgendwann habe ich mir das Buch
dann auch gekauft. Vermutlich eine gekürzte Ausgabe, denn 1.096 S.,
wie die vollständige Ausgabe, hatte es nicht. Vermutlich
fliegt es noch heute irgendwo in meinen Bücherbeständen herum; gelesen habe ich
es allerdings nie. Nur angelesen: Und dann erschien es mir dermaßen banal, dass
ich nicht verstanden habe (und bis heute nicht verstehe), wie man ein solches
Werk als „Philosophie“ bezeichnen
kann. Andererseits ist heute ja alles „Philosophie“: Unternehmens“philosophie“,
Lebens“philosophie“ usw.
Den Inhalt des Buches fasst die NZZ in einem Satz
zusammen: „In ihrem Roman geht es in
dramatischer Weise um schöpferische und schaffenswillige Helden, die von faulen
Nutzniessern, salopp: vom Wohlfahrtsstaat, missbraucht werden, bis sie nach und
nach verschwinden, gewissermassen individuell in Streik treten.“ Und
bewertet die Botschaft so: „Ayn Rands
Roman ist das Hohelied auf den Individualismus schlechthin, wird aber nach wie
vor oft als Empfehlung eines rücksichtslosen Egoismus missinterpretiert.“
Da bin ich mir nicht so sicher, ob sich tatsächlich guter und böser Egoismus so
einfach unterscheiden lassen – in ihrem Buch (bzw. ihrem Gesamtwerk) wie im
Leben. Wenn die Libertären a priori unterstellen, dass jedwedes Handeln für den
‚Eigennutzen‘ automatisch dem ‚Gemeinnutzen‘ zugutekommt, dann hat man Probleme
damit, überhaupt einen „schlechten“ Egoismus zu identifizieren oder zuzugeben.
Und wenn man umgekehrt einräumt, dass es sowohl „guten“ als auch „schlechten“
Egoismus geben kann, dann bringt man die Fundamente des Libertarismus ins
Rutschen. Dass das durchaus auch im Denken von Ayn Rand „kippt“, zeigt die
Philosophin Skye C. Cleary in ihrem Artikel „Philosophy shrugged: ignoring Ayn Rand won’t
make her go away“ am Beispiel einer Vergewaltigungsszene in Ayn
Rands Buch „Fountainhead“ (1943):
“Might makes right and, as Roark [der
Vergewaltiger] states earlier in the
novel, the point isn’t who is going to let him do whatever he wants: ‘The point
is, who will stop me?’ Rand’s championing of selfishness, and her callousness
to the unfortunate, finds echoes in contemporary politics. It would not be
stretching a point to say that her philosophy has encouraged some politicians
to ignore and blame the poor and powerless for their condition.”
Auch auf der
persönlich-psychologischen Ebene zeigte Ayn Rand ein recht beunruhigendes
Interesse, wenn nicht gar Verständnis, für abweichendes Verhalten von
gesellschaftlichen Normen. Und zwar nicht für ein alle überragendes Genie,
sondern für einen
extrem widerlichen Sexualverbrecher (vgl. auch hier).
Aber von solchen Feinheiten
abgesehen und zurück zur Frage, ob Ayn Rands Ansicht überhaupt in die Kategorie
„Philosophie“ einzureichen sind: Die ist ebenso „philosophisch“ wie
beispielsweise Max Stirner („Der Einzige
und sein Eigentum“). Mit Textbausteinen aus der Philosophiegeschichte und
dem Begriff des „Objektivismus“
kleistert sich Ayn Rand eine Gedankenwelt zusammen, die sie selber zweifellos
als geistige Riesenleistung eines philosophischen Atlas ansieht. Die aber an
Originalität sogar noch hinter Stirner zurückstehen dürfte. „Her philosophy
is a vulgarized cross between Adam Smith and Friedrich Nietzsche, a flat
Enlightenment rationalism aspiring to an ethic of heroism” urteilte der Soziologe Peter L. Berger 1986. Der Konservative Whittaker Chambers ätzte: “….. the author has, with vast effort,
contrived a simple materialist system, one, intellectually, at about the stage
of the oxcart, though without mastering the principle of the wheel.”
Als Lebensphilosophie mag ihre
Weltanschauung taugen: Für Besitzende, für Menschen mit Ellenbogen und für die
Sykophanten der Kapitalinteressen, die sich selber schon dadurch am Reichtum
anderer beteiligt glauben, dass sie ideologisch für deren (tatsächliche oder
vermeintliche) Interessen kämpfen. (Also gewissermaßen für die heutigen
männlichen Äquivalente der einstmaligen weiblichen Hedwig-Courths-Mahler-Fangemeinde.)
In den Reihen der „zünftigen“
Philosophen wurde sie zu Recht kaum rezipiert und nicht ernst genommen: „Philosophers love to hate Ayn Rand. It’s
trendy to scoff at any mention of her. ….. Many propose that she’s not a
philosopher at all and should not be taken seriously” erfährt der Leser in diesem Artikel vom Juni 2018.
Zutreffend ist allerdings auch die
gleich anschließende Feststellung der Artikelverfasserin: „The problem is that people are taking her seriously. In some cases,
very seriously.“ Nur erhebt selbst eine breite Rezeption ihrer Anschauungen
diese noch nicht zu dem, was Philosophie ausmacht. Für mich ist Philosophie
eine intellektuell anspruchsvolle Weltsicht, mit der man „ringen“ muss, die man
annehmen oder ablehnen kann, die ihren Lesern aber auf jeden Fall viel „Food
for thought“ offerieren und Nüsse zu knacken geben muss. Nach allem, was ich
über den „Objektivismus“ weiß, ist
das nicht der Fall – auch wenn die Stanford Encyclopaedia of Philosophy Ayn
Rand einen
langen Eintrag widmet (der mir merkwürdig flach und wenig kritisch vorkommt).
In
Harvard, wo sie ihre Ideen mal vortragen durfte, lehnte
man ihre „Philosophie“ ab. Weil sie die dort geäußerte Kritik nicht ertragen
konnte, verkroch sie sich in der Filterblase ihrer Jüngerschaft. Dennoch hat sie unter der Kritik der Fachwelt
gelitten: „When the culmination of her
life's work was greeted with derision by the educational establishment, she
lost much of her energy and curiosity. In many ways, she became a very ordinary
person“ urteilt eine Biographin.
Im
Kreise ihrer Gefolgschaft jedoch war ihre Dominanz durch strenge Regeln abgesichert: “1) Ayn Rand is the
greatest human being who has ever lived, and 2) her novel Atlas Shrugged is the
greatest human achievement in the history of the world.”
Wo man versucht hat, libertäre
Ideen umzusetzen, war das Ergebnis
kontraproduktiv.
Doch bin ich mir sicher, dass die
Fans des Libertarismus auf solche Fakten die gleiche Antwort parat haben, mit
der sich auch Marxisten über das Versagen ihrer Systeme hinwegtrösten: Das war
halt nicht der RICHTIGE Kommunismus (das RICHTIGE Libertariat).
Der bereits oben erwähnte
Konservative (und vorher langjährige Kommunist: er muss es also wissen!)
Whittaker Chambers macht auf die totalitären
Konsequenzen des Denken von Ayn Rand aufmerksam:
“..… when a
system of materialist ideas presumes to give positive answers to real problems
of our real life, ….. mischief starts. In an age like ours, in which a highly
complex technological society is everywhere in a high state of instability,
such answers, however philosophic, translate quickly into political realities.
And in the degree to which problems of complexity and instability are most
bewildering to masses of men, a temptation sets in to let some species of Big
Brother solve and supervise them.”
Und
weiter:
“When she calls “productive achievement”
man’s “noblest activity,” she means, almost exclusively, technological
achievement, supervised by such a managerial political bureau. She might object
that she means much, much more; …... But, in sum, that is just what she means.
For that is what, in reality, it works out to. And in reality, too, by contrast
with fiction, this can only head into a dictatorship, however benign, living
and acting beyond good and evil, a law unto itself (as Miss Rand believes it
should be), and feeling any restraint on itself as, in practice, criminal, and,
in morals, vicious — as Miss Rand clearly feels it to be. Of course, Miss Rand
nowhere calls for a dictatorship. I take her to be calling for an aristocracy
of talents. We cannot labor here why, in the modern world, the pre-conditions
for aristocracy, an organic growth, no longer exist, so that impulse toward
aristocracy always emerges now in the form of dictatorship.”
Das ist eine faire Beschreibung –
und die trifft, unabhängig davon, wo er seine eigene Position im Verhältnis zum
„Objektivismus“ versteht, noch weitaus mehr auf die Krallokratie zu.
Krall verkündet (37:11):
„Meritokratie, also die Herrschaft der Verdienstvollen, ist das große
Zauberwort.“
Und bastelt sich seine ideale
Staatsform mit beschränktem Wahlrecht zusammen:
(37:29) „Unser gegenwärtiges Wahlrecht ….. ist die Manifestation des Satzes,
dass vier Wölfe und ein Schaf darüber abstimmen, was es zum Abendessen gibt.
….. (37:38) „Diese Einsicht führt uns zum ersten Element eines freiheitlichen
Utopia: Es wählt, wer beiträgt, nicht wer entnimmt. Und das bedeutet,
das Wahlvolk ….. besteht aus denen, die keine Transfers des Staates in Anspruch
nehmen, weder in Form von Sozialtransfers noch von Subventionen. Wer von anderer Leute Fleiß und Mühe lebt, ist unmündig,
und wer unmündig ist, wählt nicht.“
Die Story von der Meritokratie ist
blanker Schwindel. Krall selber ist seine Lüge aber wohl nicht einmal bewusst. An
einem selbstkritischen Durcharbeiten seiner schlichten Gesellschaftssicht ist
er nicht interessiert – und dazu wohl auch nicht befähigt. Tatsächlich aber
besteht bei ihm das „Verdienst“, das zum Wählen berechtigt, einzig und allein
darin, Geld zu haben. Wer mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde ist in
der Krallokratie auch dann ein „Leistungsträger“,
wenn er den ganzen Tag auf seiner Südseeinsel herumliegt und sich hübsche
Frauen (oder, bei entsprechend devianter Präferenz, Kinder) einfliegen lässt.
Ein Schmarotzer, und folglich ohne Wahlrecht, wäre dagegen in Kralls schöner
neuen Werte-Welt der Student, der mit einem Staatsstipendium büffelt: Weil er
den Besitzenden auf der Tasche liegt.
Wenn es Krall ernst wäre mit
seiner pathetischen Phrase „Wer von
anderer Leute Fleiß und Mühe lebt, ist unmündig“, dann würde er sämtlichen
reichen Erben das Wahlrecht entziehen. Aber die leben, in der Vorstellungswelt
von Krall und den Libertären, tatsächlich von EIGENEN Fleiß und eigener Mühe:
Die Arbeit, ihr Geld renditeträchtig anzulegen, macht sie zu den wahren Helden
des Fortschritts. Und das selbst dann, wenn sie auch diese Arbeit an
Angestellte delegieren. Denn schließlich erlauben sie den Arbeitssklaven ja, mit
ihrem Geld zu wirtschaften. Und dafür hat ihnen der Pöbel gefälligst dankbar zu
sein.
Welche weiteren Stellschrauben
Krall, bewusst oder nicht, in sein Politsystem eingebaut hat, um den Reichen
die absolute Macht zu sichern, also eine Plutokratie zu installieren, werden
wir unten noch sehen.
Theoretisch sind zwar auch
diejenigen Besitzenden vom Wahlrecht ausgenommen, die etwa für ihre Unternehmen
Subventionen erhalten. Das ist jedoch blanke Augenwischerei: Kralls
anorexischer Staatshaushalt lässt Subventionen überhaupt nicht zu. Und wenn
doch welche fließen, wird man sie als Dienstleistungen für den Staat (z. B.
Waffenentwicklung usw.) deklarieren (was sie u. U. ja auch sind).
In Wahrheit geht es ihm also
einzig und allein darum, die ‚unnützen
Esser‘ von jenen Früchten fernzuhalten, deren Saat sie zwar u. U. selber
(früher) mitgesät haben; deren Genuss die antisoziale Kleptokraten-Clique von
Krall & Co. jedoch einzig und allein sich selber gönnen möchte. Zwar wird
diese Form von Kleptokratie mit dem Begriff „Markt“ verschleiert; doch beruht
auch sie letztlich auf staatlichem Zwang, denn sowohl bei Ayn Rand wie bei Dr.
Markus Krall soll ein Minimalstaat das Eigentum schützen. Dafür, dass er den beati
possidentes eine ungehinderte Ausbeutung der Habenichtse ermöglicht, ist er
ihnen dann doch wieder lieb und teuer. (Auf Ausbeutung versteht sich
selbstverständlich auch das Ayn Rand Institute, welches seine Zeloten bei einem
Kongress nach allen
Regeln der Kunst schröpfte: “The
event organizers were exploiting young adherents of Objectivism as any number
of Rand’s fictional mouthpieces treated the contemptible untermenschen doomed
to toil anonymously in the shadows of history’s Great Men.” Herrenmenschen
unter sich halt ….. .)
Bei Ayn Rand wird für gewöhnlich
eine „Zweiteilung der Menschheit“
diagnostiziert: in „schaffende und
konsumierende Individuen“, meint die FAZ; im Wikipedia-Eintrag heißt es
insoweit: „Rand zieht einen scharfen
Kontrast zwischen den aufbauend ‚Schaffenden‘ und den zerstörerischen
‚Plünderern‘.“ Auch hier ist von
einer „bifurcated class analysis“ die
Rede. Diese vordergründig binäre Gesellschaftseinteilung blendet jedoch zwei soziale
Gruppen komplett aus:
- Die ganz normalen ‚Arbeitsameisen‘ und
- Diejenigen, die einfach nur reich sind, ohne als Unternehmer usw. aktiv (gewesen) zu sein.
Durchdenkt man ihre
sozioökonomische „Vision“ konsequent (wie sie gedacht ist und wie sie sich
voraussichtlich entwickeln würde), dann kommt man zu dem Schluss, dass es in
ihrer Welt eigentlich DREI gesellschaftliche ‚Klassen‘ gibt:
1.
Die (Hoch-)Leistungsträger (Genies usw.). Zu dieser
Gruppe kämen in der Realität still und leise die Besitzenden hinzu. (Wenn Sie
es nicht schon in Rands Vorstellung sind; aber um das zu beurteilen, müsste ich
mit ihrem Werk, ihren Briefen und Tagebüchern vertraut sein.)
2.
Die Arbeitssklaven, die von den großen Führern aus
der 1. Klasse angeleitet, zur Arbeit angehalten und vermutlich mit möglichst
wenig Lohn abgespeist werden. Denn ohne die Erstklassigen wären sie, nach Rands
Meinung, ja komplett wertlos.
3.
Und schließlich sind da noch die Transferempfänger (jedenfalls
in einem Wohlfahrtsstaat europäischer Prägung, der aber zu nicht geringen
Teilen auch in den USA existiert – und sogar von Ayn
Rand selber in Anspruch genommen wurde). Die sind, auch wenn Ayn Rand
das anscheinend nicht in Form einer 3-Klassen-Gesellschaft thematisiert, in
ihrer sozialen Hierarchie die Parasiten. Da sie auch private ‚Sozialleistungen‘
weitestgehend ablehnt (allenfalls unter Freunden akzeptiert sie solche), und
staatliche Armenhilfe sowieso, läuft es rein logisch letztlich darauf hinaus,
dass man diese Schmarotzerklasse – man könnte auch sagen: diese Unter-Menschen
– verrecken lässt. Gegensätze berühren sich manchmal; so in diesem Falle der
Randsche Radikal-Libertarismus mit dem Nationalsozialismus. Überlegungen zur
Vernichtung von „Untermenschen“ und
von „lebensunwertem Leben“ drängen
sich in einer solchen Vorstellungswelt geradezu auf; zumindest gibt es dort
keine grundsätzlichen Dämme mehr gegen ein derartiges Denken. (Der gemeinsame
Nenner zwischen NS-Ideologie und „Randism“ dürfte der Sozialdarwinismus sein,
bei den Nazis bewusst und im Vordergrund, bei Rand verschleiert und im
Hintergrund stehend.)
Auf etwas andere Weise komme ich damit
zum gleichen Ergebnis wie Whittaker Chambers, der in seiner Rezension „Big Sister Is Watching You“ von 1957
(also unmittelbar nach Erscheinen des Buches) die Sache freilich mehr
sozialphilosophisch angeht:
“… the world, as seen in materialist view from the
Right, scarcely differs from the same world seen in materialist view from the
Left. The question becomes chiefly: who is to run that world in whose
interests, or perhaps, at best, who can run it more efficiently?”
Weiterhin identifiziert er in
Rands “Atlas“-Buch einen “dictatorial
tone” und folgert:
„… the mind which finds this tone natural to it
shares other characteristics of its type.
1) It consistently mistakes raw force for strength, and the rawer the
force, the more reverent the posture of the mind before it. 2) It supposes itself to be the bringer of a
final revelation. Therefore,
resistance to the Message cannot be tolerated ….. .”
Wohin solche Einstellungen
letztlich führen können, beschreibt Chambers mit einem drastischen Vergleich
(meine Hervorhebung):
“Dissent from revelation so final (because,
the author would say, so reasonable) can only be willfully wicked. There are
ways of dealing with such wickedness, and, in fact, right reason itself enjoins
them. From almost any page of Atlas Shrugged, a voice can be heard, from
painful necessity, commanding: ‘To a gas
chamber — go’!”
(Nachtrag 25.10.2023: Ayn Rand war, wie aus Ihrem eigentlichen Familiennamen "Rosenbaum" unschwer zu erschließen, selber eine Jüdin! Jedenfalls von ihrer Herkunft her.)
Das alles geht natürlich weit über
Krall hinaus, der den Sozialstaat nicht gänzlich abschaffen will, sondern ‚nur‘
auf eine Armenfürsorge wie im 19. Jahrhundert reduzieren (dazu unten mehr).
Dennoch darf man, was Masha Gessen
in einem Artikel
vom Juni 2019 über das Verhältnis zahlreicher Figuren der
Trump-Administration zu Ayn Rand formulierte, auch auf Dr. Markus Krall ummünzen:
“Their version of Randism is stripped of all
the elements that might account for my inability to throw out those books: the
pretense of intellectualism, the militant atheism, and the explicit advocacy of
sexual freedom. From all that Rand offered, these men have taken only the
worst: the cruelty. They are not even optimistic. They are just plain mean.”
Auch Krall ist “just plain mean“: Er will die Reichen
reicher und die Armen nicht nur ärmer machen, sondern sogar politisch
entrechten. Und lügt zu diesem Zwecke dem einfältigen Volk vor, dass er eine „Meritokratie“ einführen wolle.
Freilich beweist der Umstand, dass
sich Krall auf Ayn Rand beruft (und weitgehend sogar mit ihr übereinstimmt),
keineswegs eine völlige Identität seiner Ansichten mit denen der
ultralibertären Vordenkerin. Wie ich eingangs bereits geschrieben hatte, gibt
es bei den „Libertarians“, genau wie
bei anderen weltlichen Ideologien und religiösen Sekten auch, durchaus
Unterschiede und natürlich auch Auseinandersetzungen. Den Kultcharakter der
Bewegung, die sich in den 60er Jahren um Ayn Rand gebildet hatte, kritisierte sogar
der Libertäre Murray Rothbard “The Sociology of the Ayn Rand Cult” (1972; zum
Kultartigen ihrer Bewegung vgl. auch diesen Artikel
von Jonathan Chait aus dem Jahr 2009). Ayn Rand distanzierte sich zwar von den
Libertären: „she dismissed us [libertarians] as ‚hippies of the right‘ (pronounced
‚ippes of de racht‘)“ schreibt dieser Autor.
Das ändert freilich nichts daran, dass ihre Position objektiv innerhalb dieser
Ideologie zu verorten ist.
Aber genau wie Ayn Rands Ideologie
gleichzeitig Ausfluss ihres extremen Narzissmus
und Egoismus war und andererseits zu dessen Rechtfertigung diente
(„Rand, whose intellectual adjudications …..
eerily tracked her self-interest“), will auch die Krallokratie
einer verschärften Bereicherung der Reichen dienen. Oder präziser: Einer
Bereicherung derjenigen (noch-nicht-ganz-so-reichen) Beutegreifer, die gerne
ebenso reich wie die Superreichen wären: Sie wollen, wie Jonathan
Chait in einer Kritik aus dem Jahr 2009 genial enthüllt hat, die „healthcare“ [Gesundheitsfürsorge] abschaffen
und die Staatsaufgaben auf die totale „Wealthcare“ [Reichenfürsorge] reduzieren.
(Der Chait-Artikel war auch die Quelle für meine Begriffsverwendung in der
Überschrift). Sie basteln sich eine diesem Zwecke dienlich erscheinende
Staatsform zusammen, und das tun Krall und Kumpanen mit der gleichen
intellektuellen Penetrationstiefe wie Kinder, die mit Bauklötzen hantieren.
Krall hofft, sein politisches
Süppchen dank Corona-Krise kochen zu können (32:06):
„Das Seigniorage-Kapital der Fiatgeldmonopolisten wird in wenigen
Monaten ausgegeben sein. Alle wirtschaftlichen Indikatoren zeigen nach Süden.
Im zweiten Quartal schrumpfte Deutschlands wirtschaftliche Leistung mit
annualisiert 40 Prozent, und das ist erst der Anfang. ….. Um den Schaden abzuwenden,
wird es leider zu spät sein. Aber es wird nicht zu spät sein, eine Wende zum
Besseren zu erreichen.“
Mit „Wende zum Besseren“ meint Krall (auch wenn er im Kontext lediglich
von einer Wiederaufrichtung eines Europas der Vaterländer spricht) natürlich
seine schöne neue Plutokraten-Welt. Ausgerechnet inmitten der Corona-Krise
würde damit denjenigen, die unter ihr leiden, die staatliche Hilfe entzogen,
oder zumindest das Wahlrecht entzogen und die Hilfe auf ein reines Subsistenzniveau
geschrumpft.
Was die „Seigniorage“
angeht, d. h. den Gewinn des Staates aus der Geldschöpfung (historisch
„Schlagschatz“ genannt), beschränkt sich dieser beim kreditgeschöpften Fiatgeld
auf die Zinsen, welche die Notenbanken aus der Kreditgewährung an die
Geschäftsbanken ziehen. (In der aktuellen Situation kommen die Minuszinsen
hinzu, welche die Geschäftsbanken für ihre Guthaben bei der EZB bezahlen
müssen.) Aber Krall glaubt offenbar, dass die gesamte (Basis-)Geldschöpfung dem
Staat als Ertrag zufällt. Diesen Unsinn glauben allerdings erstaunlich viele
Mainstream-Wirtschaftswissenschaftler ebenfalls.
(33:05) „Die Rückeroberung der Freiheit muss dem Diktum folgen: Der Baum der
Freiheit muss von Zeit zu Zeit mit dem Blut von Patrioten und Tyrannen begossen
werden.
Jefferson
hat das gesagt. Oder frei nach Luther: Hier stehe ich, ich kann noch ganz
anders; dann helfe euch Gott! Amen.“
Das sind ausgesprochen seltsame
Töne.
(33:38) „Nur was der Einzelne nicht in freier Selbstbestimmung und im direkten
Austausch mit anderen selbst regeln kann, soll dann an eine zunächst kleine überschaubare Gemeinschaft, nämlich die
Kommunen, übertragen werden. Und nur was die Kommunen nicht leisten können,
sollte Ländersache seien, und nur was die Länder nicht können, sollte
Bundessache sein.“
Die „kleine überschaubare Gemeinschaft“ ist eine der beiden zentralen,
jedoch unbewussten „Hintergrundannahmen“ in den libertären
Gesellschaftsvorstellungen. Libertarismus
ist Dorfdenke, welche sich die reale Welt auf die Dimension eines Dorfes
(genauer: eines vorneuzeitlichen Dorfes!)
zurechtstutzt: Jeder kennt jeden und weiß also, wem er vertrauen kann; komplexe
Probleme, die entsprechend komplexer Regelungen bedürfen, gibt es nicht.
Deswegen sind für Krall auch die allermeisten Gesetze, Ämter und Bürokraten
überflüssig, und reicht es aus, wenn der Bundestag 2 Monate im Jahr
zusammenkommt.
Tatsächlich wäre eine Welt, in der
die Anbieter ihre eigenen Regelungen machen und diese nach Belieben ändern
könnten (das ist die „Vertragsfreiheit“,
die Krall besonders wichtig ist – s. u.) extrem kompliziert. Im Prinzip genau
wie der Kommunismus, würde auch diese Gesellschaft an der Informationsproblematik
scheitern. Nur kann im Kommunismus (technisch: in der
Zentralverwaltungswirtschaft) die zentrale Behörde nicht alle relevanten Daten
verarbeiten: Das kann der Markt deutlich besser. Im Libertariat wäre es der
Einzelne, der mit der Inflationsflut überfordert wäre: Vor jeder Transaktion
müsste er sich über die Geschäftsbedingungen des Anbieters informieren, vor
jeder Reise müsste er neu ausklamüsern, welche Maut für welche Route anfällt, usw..
Die andere stillschweigende
(Fehl-)Annahme, aus der das libertäre Denken seine Rechtfertigung zieht, ist
der Glaube, im Libertariat wäre ‚alles
wie jetzt – nur besser‘. Oder, abstrakt gesprochen, die Annahme, dass die
tiefgreifende Änderung der gesellschaftlichen Parameter zwingend zu einer
besseren Gesellschaft führen müsse und keinerlei negative Folgen haben könne.
Nicht anders als die Kommunisten (und wohl auch alle anderen Ideologien;
teilweise übrigens auch die Wirtschaftswissenschaft) denken die Libertären in
Begriffen. Ein Denken in Modellen, ein Test ihrer Annahmen durch Gedankenexperimente:
Das alles ist denen fremd. Sie scheuen es wie der Teufel das Weihwasser, weil kritisches
Denken Löcher in die Luftballons ihrer Illusionen piksen würde.
Zurück zum Krall-Text: Die Zuständigkeitsabgrenzung
der unterschiedlichen staatlichen Ebenen ist in der Form, wie Krall sie hier
formuliert, ausgesprochen unzweckmäßig. Sinnvoll ist es, Regelungskompetenzen
nicht schematisch auf derjenigen Ebene anzusiedeln, welche eine Aufgabe
ÜBERHAUPT leisten kann, also z. B. die Organisation oder die Überwachung des
Schulwesens auf Länderebene. (Und warum geht Krall, im Rahmen seines Leitprinzips, bei Millionenstädten für das Schulw4esen nicht sogar auf die
kommunale Ebene herunter?) Effizienter wäre es dagegen, die Entscheidungskompetenz dort zu installieren, wo eine Aufgabe AM BESTEN UND AM EFFEKTIVSTEN gelöst werden kann.
Warum sollen beispielsweise
Lehrpläne in 16 Bundesländern jeweils eigenständig „erfunden“ werden? Würde man
diese Aufgabe auf der Bundesebene ansiedeln, könnte man zahlreiche
Staatsbedienstete einsparen! Noch deutlicher wird der Nachteil einer möglichst
weit nach „unten“ verlagerten Regelungskompetenz bei Bauvorschriften. Deren
Verlagerung auf die „hohe“ Bundesebene würde nicht nur Zahl der Bürokraten reduzieren,
sondern auch die "Bürokratiekosten" für Bauherren und Bauunternehmen bei „grenzüberschreitenden“
Aktivitäten in anderen Bundesländern senken.
Hier steht die tendenzielle
„Dorfdenke“ der Libertären einer möglichst effizienten Staatsorganisation
entgegen. Man fühlt sich an Schildbürgerstreiche der FDP erinnert, wie der
einstigen Verlagerung der Kindergeld-Auszahlung an die Unternehmen, um
(vermeintlich) Bürokratie einzusparen, oder der einstigen Verpflichtung der Bundespost, bei
Telefon- und Internetanschlüsse die „letzten Meter“ bis zum Haus von Privaten
legen zu lassen.
Auch im AfD-Grundsatzprogramm findet
sich ein ähnlicher Geniestreich (Ziff. 5.2): Die Bundesagentur für Arbeit will
man auflösen und deren Aufgaben auf kommunale Jobcenter übertragen (also die
historische Entwicklung der Arbeitsvermittlung umkehren, die ihren Ursprung in
großstädtischen Vermittlungsbüros z. B. für Dienstmädchen hatte).
(35:56) „Unser Utopia ist eine Zitadelle der Freiheit und ruht auf den fünf
Säulen jeder freien Zivilisation: Individualität, Eigentum, Familie, Religion
und Kultur.“
Bezeichnend ist, dass Krall in
seiner Auflistung die Arbeit vergisst, obwohl doch diese (als „Leistung“)
angeblich ein tragendes Element seiner Gesellschaftsorganisation sein soll.
Was er hier unter „Kultur“ versteht,
ist mir unklar. Im anthropologischen Sinne IST jede Zivilisation eine „Kultur“.
Meint er dagegen lediglich die Kunst, dann stellt sich die Frage, ob bzw.
inwieweit diese durch den Staat gefördert werden muss: Sollen z. B. Museen und
Theater aus Steuermitteln subventioniert werden?
Religion hat für die libertäre
Ideologie den unschätzbaren Nutzen, dass sie die Idee des Eigentums dem
diskursiven Zugriff entziehen kann. In gleicher Weise, wie sich früher die
Feudalherrschaften als gottgegeben darstellten (und zweifellos auch selber
empfanden), kann man heute die Religion dafür verwenden, das Eigentum – und
dessen zeitlich unbegrenzte Weitergabe innerhalb der Familie – metaphysisch zu überhöhen. Unabhängig davon, ob Krall das bewusst anstrebt oder nicht: In der
Tendenz läuft es darauf hinaus, das einstige „Bündnis zwischen Thron und Altar“
durch einen neuen Bund zwischen Tresor und Altar zu ersetzen.
Für mich erstaunlich und
rätselhaft ist die hohe Affinität zwischen Libertarismus (als soziale Bewegung) und Katholizismus. Vielleicht
spielt dabei das (im gängigen Diskurs meist aus dem
historischen Zusammenhang gerissene) Pauluswort eine Rolle: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“.
Krall selber ist
Katholik. Roland Baader, einst der führende Libertäre in Deutschland, war lt. Frank
Schäffler ein „gläubiger Katholik“. Ebenfalls
katholisch ist der (tendenziell mehr oder weniger libertär orientierte)
ehemalige AfD-Politiker Prof. Jörg Meuthen. Und ich hatte, bei
Facebook, die heftigsten Auseinandersetzungen mit denjenigen Libertären, die
sich zugleich als gläubige Katholiken geoutet haben.
In den USA existiert eine Webseite
„The Libertarian Catholic“ und eine Facebook-Seite „CatholicLibertarians“. Ebenfalls katholisch ist der
führende republikanische Politiker Paul Ryan (der
wegen seines Libertarismus in Konflikt
mit einem katholischen Kleriker kam). Ryan beruft sich – wie auch
deutsche katholische Libertäre – auf die Subsidiaritätslehre der katholischen
Theologie; jedoch widersprechen
ihm Theologen und Professoren einer katholischen Universität mit aller
Schärfe: "….. your continuing misuse
of Catholic teaching to defend a budget plan that decimates food programs for
struggling families, radically weakens protections for the elderly and sick,
and gives more tax breaks to the wealthiest few. ….. Subsidiarity
is not a free pass to dismantle government programs and abandon the poor to
their own devices. ….. In short, your budget appears to reflect the values of
your favorite philosopher, Ayn Rand, rather than the Gospel of Jesus Christ."
Andererseits
erfahren wir hier: „Many bishops ….. have become prominent
advocates of the idea that Catholicism and libertarianism can coexist or even
support each other“.
Der
Bericht “The Rise
of the Catholic Right. How right-wing billionaires are attempting a hostile
takeover of the U.S. Catholic Church” vom März 2019 erhellt, auf welche Weise in die Besitzenden in den USA
die libertäre Ideologie auch in der katholischen Kirche mit gigantischen
Geldmitteln vorantreiben: “….. groups
including the Napa Institute, Legatus ….. and the Acton Institute push an
extreme libertarian economic agenda. Their devotion to individualism,
unrestricted capitalism, and diminishment of government services, especially to
the poor and marginalized, runs counter to the central tenets of Catholic
social teaching.” Die Soziallehren der Kirchen haben aber keinen
dogmatischen Status; man kann sie also ablehnen, ohne sich „extra ecclesiam“ zu stellen. (Wie
darüber am Ende der Liebe Gott urteilen wird, ist natürlich eine andere Frage.😊)
Im gewisser Hinsicht
widersprüchlich sind die ‚Zivilisationssäulen‘ Individualität und Familie.
Potentiell hat die Hochhaltung der
Familie im libertären Diskurs eine Doppelfunktion (und in beiden Fällen zum
Wohle der Besitzenden und zum Nachteil der Habenichtse):
- Allgemein wird in libertären
Kreisen die Familie nicht selten als ein soziales Sicherungssystem gepriesen,
mit dem Hintergedanken, staatliche Sozialleistungen abbauen zu können, indem
man sie den Familien aufpackt. So hieß es z. B. in einem (von mir
heftig kritisierten) Entwurf libertärer Kreise für das
AfD-Grundsatzprogramm: „Die staatliche
Sicherung ist für Notlagen gedacht, darf nicht überfordert werden und soll und
kann die Familie als Keimzelle gesellschaftlicher Solidarität nicht ersetzen.“
(Kap. VI: „Soziale Sicherheit in Not und
Alter“). Ethisch hochtrabend begründet Roland
Baader seinen Angriff auf den Sozialstaat: „Wird die Abhängigkeit der Kinder und Alten, der Kranken und Behinderten
vom Liebesverband und von der gewachsenen Verantwortungs- und
Solidargemeinschaft der Familie auf das „kälteste aller Ungeheuer“ (Nietzsche),
den Staat, übertragen, erlöschen die Lichter der Zivilisation und der Freiheit.“
Ob Krall diese Meinung teilt, weiß ich nicht. Allerdings würde der in seinem
System gewollte bzw. (mangels staatlicher Mittel zwangsläufige) drastische
Abbau von Sozialleistungen automatisch den Familien im Durchschnitt auf die
Schultern fallen. (Ganz abgesehen davon, dass Krall auch die
Ausgleichsleistungen für Familien abschaffen will; dazu unten mehr.)
- Auf der anderen Seite sorgt die Sakralisierung
der Familie für die gesellschaftliche Akzeptanz einer Vermögensübertragung
zwischen den Generationen, die jeglichem staatlichen Zugriff entzogen bleibt.
Als Fakt ergibt sich das bereits durch den Wegfall jeglicher direkten Steuern. Indes
kann es nicht schaden, diesen Zustand tief in den gesellschaftlichen
Anschauungen zu verankern. Denn eigentlich widersprechen Erbschaften ja dem
Leistungsprinzip, mit welchem das libertäre Denken die sozialen Ungleichheiten
vordergründig rechtfertigt (vgl. z. B. Jens Beckert, „Unverdientes Vermögen: Soziologie des
Erbrechts“). Doch wo die reine Lehre dem unmittelbaren
eigenen Interesse entgegensteht, wird sie halt entsprechend zurechtgebogen.
Krall betrachtet „die Familie“
offenbar als eine anthropologische Konstante. Dass es himmelweite Unterschiede
zwischen der Kleinfamilie gibt, die für unsere abendländische Kultur prägend
ist (und die den Spielraum für „Individualität“ erweitert!), und den für
rückständigere Kulturen charakteristischen Großfamilien (Clans), wird
ausgeblendet. Und ebenso, dass die soziale „Auffangfunktion“ der Clans
überhaupt nur dort und deshalb erforderlich ist, wo und weil der Staat weniger
leistungsfähig ist. Auch hier tritt der erschreckende doppelte Atavismus des libertären Denkens zutage.
„Doppelt“ ist der libertäre
Atavismus deshalb, weil er sich – in unterschiedlicher Weise - auf den Ebenen
des Denkens und der Wirklichkeit bewegt: Die libertäre Ideologie legt
unterschwellig längst überholte gesellschaftliche Zustände zu Grunde - und ihre
Umsetzung würde eben diese wieder hervorbringen.
(36.10; meine Hervorhebung) „Wenn wir radikal im Sinne der fünf Säulen
einer funktionierenden freien Zivilisation denken wollen, so müssen wir etliche
Denkstrukturen, an die wir uns seit 100
Jahren gewöhnt haben, über Bord werfen.“
Welche Vorstellung verbindet Krall
mit der relativ präzisen Zeitangabe „seit
100 Jahren“? Was genau hat sich vor ungefähr 100 Jahren in Deutschland in
welche Richtung verändert, und warum bewertet Krall das negativ?
Historisch geht es um den Übergang
von der Kaiserzeit zur Demokratie. Auch wenn das Kaiserreich keine
absolutistische Herrschaft, sondern eine „nur“ konstitutionelle Monarchie war,
hatte der Kaiser doch eine relativ starke Stellung. Wahlberechtigt waren damals
nur Männer ab 25 Jahren.
Mit der Einführung der Weimarer
Republik wurde die Demokratisierung vorangetrieben und nicht zuletzt wurde das Frauenwahlrecht eingeführt. Aufgrund
seiner Äußerungen an anderer Stelle (vgl. anschließend) gehe ich davon aus,
dass ihm das gar nicht gefällt. Soziale Errungenschaften (für Krall zweifellos „sozialistische
Sünden“) waren zwar schon im Kaiserreich eingeführt worden (Kranken-, Renten-
und Unfallversicherung). Die Weimarer Republik hat sie (1924) durch eine „Reichsfürsorgepflichtverordnung“ und
(1927) durch die Arbeitslosenversicherung ergänzt.
Bereits 1918 war der 8-Stunden-Tag eingeführt worden (dem ebenfalls schon im Kaiserreich Reduzierungen
der Wochenarbeitszeit vorausgegangen waren). Man muss wohl davon ausgehen, dass
Krall diese Demokratie als eine Pöbelherrschaft ansieht, die uns (endgültig) in
den „Sozialismus“ geführt hat. (Für Libertäre ist jeder Sozialstaat
„Sozialismus“.)
Dass es uns heute weitaus besser
geht als zu Kaiser’s Zeiten, müsste für Krall eigentlich ein rätselhafter
Betriebsunfall der Geschichte sein – ebenso wie für die „Austrians“ insgesamt die
(schon viele Jahrzehnte andauernde) Nichterfüllung ihrer unstillbaren Sehnsucht nach dem ‚erlösenden‘ Zusammenbruch
unseres Finanzsystems und der großen Wirtschaftskrise.
Bemerkenswerter Weise findet
Kralls Präferenz für die Zeit um 1900 ihre Entsprechung bei Ayn Rand: „… the 1890s, which Rand insisted was the only
historical period of true human flourishing.“ Der Artikelverfasser, der uns
das
mitteilt, weist zugleich auf die sozio-ökonomischen Zeitumstände hin: It was [in den USA] an era of unfettered capitalism — child labor, robber barons,
tenements [Mietskasernen] — which she
loved not in spite of those things, but because of them.”
(36:34) „Das Wahlrecht war ….. in keiner Phase der demokratischen Entwicklung
ein absolutes. Es war ein Bürgerrecht, kein Menschenrecht. Im antiken
Griechenland durften nur wehrfähige Männer wählen. Das Frauenwahlrecht wurde in
Europa erst im zwanzigsten Jahrhundert eingeführt: zum Glück, darf ich dazu hin[zu]fügen.“
Hier kommt Krall zu seinem
zentralen Anliegen: der Kastration dessen, was wir heute unter „Demokratie“
verstehen, zugunsten einer Plutokratie, in der zwar nicht nur die Reichen wählen
dürfen, aber doch alle diejenigen ausgeschlossen sind, die Hilfen des Staates
in Form von Sozialleistungen oder Subventionen in Anspruch nehmen (müssen).
Um seinen Anschlag auf das
Wahlreicht breiter Bevölkerungsschichten zu legitimieren, greift Krall in die
Mottenkiste der Geschichte: mit dem Verweis auf das auf männliche Bürger beschränkte
Wahlrecht im alten Griechenland, das sich selbst als demokratisch verstand und
dessen reife Staatsform („attische
Demokratie“) auch wir heute als „demokratisch“ bezeichnen. Krall will damit wohl
„beweisen“, dass das Wahlrecht aller Bürger nicht zum „Wesen“ „der“ Demokratie
gehört. Aber indem er von „Phase[n] der demokratischen Entwicklung“ spricht,
widerlegt er sich im Grunde selber: Es gibt kein überzeitliches „Wesen“ von
Demokratie, und warum sollten wir Heutigen in unserer ganz allgemein gegenüber
der Antike weitestgehend veränderten und höherentwickelten Zivilisation uns
diese Zeit zum Vorbild nehmen? So demokratisch das alte Athen im Vergleich etwa
zur absoluten Monarchie der Perserkönige war, war es gleichwohl eine
Sklavenhaltergesellschaft. Was wir heute allgemein abhorreszieren, scheint
Krall nicht zu stören. Und tatsächlich geht seine Forderung, den ‚Schmarotzern‘
[nicht sein Ausdruck, aber offenkundig seine Meinung über alle Empfänger von
Staatshilfen] das Wahlrecht zu entziehen, der Tendenz nach in diese Richtung.
Wie wir später noch sehen werden, baut Krall in seine Staatsvorstellungen
einige Spezialregelungen ein, die auf den ersten Blick harmlos wirken, tatsächlich
aber dafür sorgen würden, dass in der Krallokratie auch unabhängig vom Wahlrecht die tatsächliche Macht bei
den Reichen läge.
Beim Frauenwahlrecht spielt Krall
listig mit der Sprache. Dem Wortlaut nach ist er glücklich darüber, dass das
Frauenwahlrecht nicht schon früher eingeführt wurde, sondern „erst“ im 20.
Jahrhundert. Auf entsprechende Vorhaltung würde er das sicherlich abstreiten
und behaupten, sich über dessen ‚endlich‘ erfolgte Einführung zu freuen. Indes
indizieren seine positive Bewertung der Zeiten ohne Frauenwahlrecht (antike
„Demokratien“ und Kaiserzeit) wiederum das Gegenteil.
(36:49, meine Hervorhebung) „Im Deutschland von 2020 darf nicht wählen,
wer kein Staatsbürger ist, wer unter 18 Jahre alt ist, wer an einer schweren
psychischen Krankheit leidet, die sein Urteilsvermögen massiv behindert, oder
wer eine Freiheitsstrafe verbüßt. Das Wahlrecht zu verabsolutieren heißt, seine historischen Begrenzungen zu
ignorieren.“ Diese Einschränkungen waren meist, aber leider nicht immer,
von der Idee getragen, dass diejenigen Entscheidungen treffen sollen, die das
Gemeinwesen tragen.“
Auch hier hat Krall offenkundig
das antike Griechenland im Sinn. Und indem er die damaligen Wahlberechtigten,
also die Stadtbürger, mit denjenigen gleichsetzt „die das Gemeinwesen tragen“, spricht er den Sklaven eben diese
tragende Eigenschaft ab.
Seine Kritik, der zufolge eine
Verabsolutierung des Wahlrechts dessen „historische
Begrenzungen“ ignoriere, ist ein weiteres Beispiel für libertären
Atavismus: Was zu irgendeiner Zeit, die der Sprecher nach seinem ideologischen
Gusto festlegt, in irgendeinem Bereich Gültigkeit hatte, wird heiliggesprochen
und zur ewig gültigen Wahrheit hochgejubelt.
37:11 „Meritokratie, also die Herrschaft der Verdienstvollen, ist das große
Zauberwort. Die Gegner einer solchen Idee behaupten gerne, dies würde auf eine
Wiederbelebung des Dreiklassen-Wahlrechts des neunzehnten Jahrhunderts
hinauslaufen. Das ist natürlich Unsinn, denn ein Klassenwahlrecht ist genau das
Gegenteil des meritokratischen Prinzips.“
Auf den ersten Satz war ich schon
oben eingegangen und hatte ihn als Unwahrheit entlarvt, mit der Krall aber wohl
nicht nur seine Hörer, sondern auch sich selber belügt.
Auch ist ein Klassenwahlrecht
keineswegs „genau das Gegenteil des
meritokratischen Prinzips“ (das wäre vielmehr die exklusive Zuerkennung des
Wahlrechts an die Nicht-Leister): Es hat schlicht und einfach nichts damit zu
tun.
Eben das trifft freilich auch auf
Kralls Vorhaben zu, das Wahlrecht allen denjenigen wegzunehmen, die staatliche
Hilfen bekommen – und es denjenigen zu belassen, die von ihrem eigenen Geld
(freilich nicht unbedingt von ihrer eigenen Arbeit) leben. Denn, wie ich oben
schon sagte: Es ist keine Leistung und bringt der Gesellschaft keinen Nutzen,
wenn jemand mit dem goldenen Löffel im Munde geboren wurde.
Und durch einige weitere
Regelungen in seinem Staatsaufbau, die in der Praxis auf eine Dominanz der
(Super-)Reichen in der Politik hinauslaufen, wäre die Krallokratie sogar noch
ungeschminkter eine Plutokratie, als eine „Demokratie“ mit Klassenwahlrecht.
38:07 „… jeder ist frei und aufgefordert, sich für das Wahlrecht und gegen die
Unmündigkeit des transferfinanzierten Lebens zu entscheiden. Er kann das in
jeder Wahlperiode aufs Neue tun, und somit bleibt das Wahlrecht auch allgemein.“
Die „Unmündigkeit“ bezieht sich
auf Kralls (ausgesprochen unverschämte) Behauptung „Wer von anderer Leute Fleiß und Mühe lebt, ist unmündig, und wer
unmündig ist, wählt nicht“. Die hatte ich schon oben abgehandelt; hier
bleibt der Modus des ‚Selbstausschlusses‘ vom Wahlrecht zu untersuchen. Diese
Option sollen die Bürger VOR Beginn einer Wahlperiode ausüben. (Vgl. dieses Interview
mit Roland Tichy). Dafür müssten sie freilich Hellseher sein und z. B. im
Voraus wissen, dass in einigen Jahren die „Corona-Krise“ kommen und sie als
Arbeitnehmer zu „Transferempfängern“ von Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld
machen wird. Offen bleibt bei Krall, was mit denjenigen passiert, die nicht
schon vorab auf ihr Wahlrecht verzichtet haben, aber plötzlich und unerwartet
hilfebedürftig werden: lässt der Staat die dann verhungern?
Der Tendenz nach hätte die Pflicht
zur Vorab-Entscheidung über eine ungewisse Zukunft für die Krallokratie
höchstwahrscheinlich den Effekt, dass viele Bürger wohl für ihre materielle
Existenzsicherheit und damit gegen ihr Wahlrecht optieren würden. Ein weiteres
Mosaiksteinchen, wie eine „Krallokratie“ die relative Position der
(Super-)Reichen stärken würde.
(38:41) „Das NEUE DEUTSCHLAND, Leib- und Magenblatt sowie Sprachrohr der ach so
demokratischen kommunistischen SED, heute firmierend unter ihrem neuen
Pseudonym „Die Linke“, hat mich dafür zum gefährlichsten Mann Deutschlands
ernannt, Franz Josef Strauß auf Speed sozusagen. Panik ist schon was Schönes,
wenn es die Richtigen trifft.
P. S. Dass
Lieschen Neubauer, das verwöhnte reiche Erbenkind aus
dem Imperium einer salonkommunistischen Zigarettendynastie, und Thunbergs
Gretel ganz offen die Abschaffung der Demokratie und die Einrichtung einer Öko
Diktatur gefordert haben, war der linken Mainstreampresse natürlich keine Zeile
wert.“
Krall bezieht sich auf das
Interview „Vorbereitung auf die Konterrevolution“ des ND
mit dem Soziologen Andreas Kemper vom 25.05.2020. Der nennt ihn „die unbestritten gefährlichste Figur“
und begründet: „Krall präsentiert sich
nach außen als katholischer Familienmensch. Aber seine wichtigste Aufgabe
besteht offensichtlich in der Vorbereitung und Durchführung der
»Konterrevolution«, wie er das nennt.“ Konkret auf die Frage „Wie soll der Sturz der Regierung nach Kralls
Vorstellungen genau ablaufen?“ behauptet Kemper: „Das können Sie ganz detailliert in einem Aufsatz in »eigentümlich frei«
vom 18. April dieses Jahres nachlesen.“ Es muss sich um „Politik als Pandemie. Großangriff auf die
Freiheit. Nach Corona ist vor der bürgerlichen Revolution“ handeln;
leider ein kostenpflichtiger Text.
Dennoch glaube ich nicht, dass
Krall tatsächlich einen Umsturz vorbereitet. Sehr wohl meine ich indes, dass
die Demokraten und insbesondere wir Kleinen Leute Kralls politische Kastrationsprojekte
mit aller Entschiedenheit bekämpfen müssen: „Wehret den Anfängen“!
Mit der abschätzigen Bemerkung
über „das verwöhnte reiche Erbenkind“
gibt Krall seinen Affen Zucker. Seine Gefolgsleute sind, wie gesagt, nicht arm,
aber doch nur Möchtegern-Reiche. Deswegen kommt dieser Seitenhieb wohl auch
in seinen Kreisen gut an. Offenen Neid auf die Reichen würden die zwar niemals
bekunden; unterschwellig ist er aber natürlich vorhanden. Beim einfachen Leser wird
die Bemerkung sogar den Eindruck erwecken, dass Krall doch eigentlich auf
seiner Seite stehe. Ob der nun wirklich, wie Kemper
glaubt, ein Sprachrohr (oder libertärer Einflussagent) des Multimilliardärs August
Francois von Finck (Finck jr.) ist, lasse ich mal dahingestellt. Ein
Freund des Kleinen Mannes ist er definitiv nicht; seine Krallokratie würde
ausgerechnet die Erben noch mehr verwöhnen, als unser Staat das ohnehin schon
tut. Erben müssen keine Faulenzer sein; aber für das ererbte Vermögen selber
haben sie keinerlei Leistungen erbracht.
(39:20) „Der zweite Baustein der freiheitlichen Utopie, die ich vortragen
möchte, ist eine gestärkte und neue formulierte Gewaltenteilung. Sie kennt
künftig nicht drei, sondern vier
Gewalten, von denen jede einzelne durch den Souverän direkt gewählt wird.“
Das klingt harmlos oder sogar
vernünftig. Wie sich unten zeigen wird, ist zieht Krall damit aber nur einen
weiteren Trick seiner Demokratie-Demontage aus dem Ärmel.
(39:31) Die erste Gewalt ist die
Legislative. Sie wird auf 201 Abgeordnete begrenzt, die in 201 Wahlkreisen
nach dem englischen Mehrheitswahlrecht vom Volk direkt und ohne Parteilisten
gewählt werden. Die Kandidaten müssen dem Wahlvolk angehören, dürfen also auch
keine Transfers in Anspruch nehmen. Sie dürfen keiner
Partei angehören, sondern sie müssen sich dem Wahlvolk in ihren Wahlkreisen als
gestandene freie Männer und Frauen präsentieren, die kraft ihrer Autorität die
Mehrheit der Wählerstimmen auf sich vereinen können.
(39:58) Sie
dürfen zweimal ins Parlament einziehen, aber nicht zweimal hintereinander. Ihre
einzige Aufgabe ist die Verabschiedung und Aufhebung von Gesetzen und sie
wählen nicht die Regierung, also die Exekutive. Die Bezahlung der Abgeordneten
darf nicht höher liegen als das durchschnittliche Einkommen, das sie in der
Legislaturperiode vor ihrer Wahl in der freien Wirtschaft verdient haben.
(40:15) Idealerweise erhalten sie gar kein
Abgeordnetengehalt und tagen auch
nur 30 bis 60 Arbeitstage im Jahr, dann haben sie weniger Zeit, neue Gesetze zu
machen.
(40:29) Politik ist in dieser Ordnung der freien Gesellschaft keine Karriere
und kein Broterwerb, sie ist ein Dienst am Volk und eine patriotische Tat für den Souverän.“
Derzeit
hat Deutschland über 700 Bundestagsabgeordnete; Krall will die Zahl auf 201
reduzieren. Wie er auf genau diese Zahl kommt, weiß ich nicht. Für Krall ist
Politik etwas ganz Simples; die Parlamentsarbeit kann in ca. 2 bis 3 Monaten
locker erledigt werden. Aus meiner Sicht urteilt der Gold-Dealer
Krall über die in Wahrheit immense Komplexität von Politik und Gesellschaft mit
jener dümmlichen Überheblichkeit, wie sie für ignorante Außenstehende typisch
ist. Diese Attitüde kommt bei seinen Hörern an, weil sie im Volk weit
verbreitet ist. Krall würde vermutlich argumentieren, dass die Politik nur
deshalb derzeit komplizierter als nötig ist, weil sie ihre Nase überall
reinsteckt und Dinge reguliert, die „der Markt“ ganz von selber regeln würde.
Wer sich
selber ein Bild darüber machen möchte, welche Gesetze in der Krallokratie noch
erforderlich wären, und welche (zumindest theoretisch) nicht, kann sich die „Liste der Rechtsnormen der Bundesrepublik
Deutschland/Gesetze“ in der Wikipedia anschauen.
Was er dort
natürlich nicht findet sind diejenigen Gesetze, die überhaupt erst durch die
Änderungen erforderlich würden. Krall würde eine solche Notwendigkeit sicherlich bestreiten oder
herunterspielen; aber jeder kennt das „law
of the unintended consequences“: „Erstens kommt es anders, zweitens als man
denkt“.
Und selbst
dann, wenn wir unsere Überlegungen auf diejenigen Gesetze beschränken, die
eindeutig im Interesse der Geld- und Unternehmensbesitzer liegen, können wir
schon eine Fülle von Regelungen identifizieren, die durchaus kompliziert sind,
die aber die Besitzenden ganz sicher nicht würden abschaffen wollen:
Aktienrecht (insbesondere den dortigen Minderheitenschutz),
Kommunikationspflichten der Unternehmen, Börsen- und Wertpapierrecht,
Haftungsregelungen für Vermögensberater usw.
Dass die
Abgeordneten „keiner Partei angehören“
dürfen, ist, was Krall angeht, subjektiv bestenfalls naiv. Objektiv ist es ein
weiterer Baustein, um die Krallokratie in der Realität zu einer Plutokratie zu
machen, einer Herrschaft des Geldes.
Denn dass im
Falle von Direktwahlen die Kandidaten „kraft
ihrer Autorität“ gewählt würden, ist zwar im Volke ein durchaus weit
verbreiteter Glaube. Doch wer von denjenigen, die diese Meinung äußern, kann
überhaupt die Kandidaten nennen, die in seinem Wahlkreis bei der letzten
Bundestags- usw. Wahl angetreten sind? Ich könnte es nicht. Und wer würde deren
Programme durchackern? Richtig: Genau diejenigen, die derzeit auch alle
Parteiprogramme durchlesen: Also so gut wie niemand!
Die
Annahme, die Kandidaten müssten „sich dem
Wahlvolk in ihren Wahlkreisen als gestandene freie Männer und Frauen
präsentieren“ ist ebenfalls im besten Falle naiv, ansonsten perfide.
Gewinnen wird, wer die beste Werbung macht. Die kann im Prinzip nur derjenige
machen, der über viel Geld verfügt. Und über viel Geld verfügt nur, wer
entweder selber superreich ist – oder wer sich meistbietend an Superreiche
„verkauft“. Die Krallokratie würde in der konkreten Umsetzung ZWANGSLÄUFIG auf
eine korruptionsverseuchte Plutokratie hinauslaufen.
Auch die
Abschaffung der Parteien ist eine in weiten Kreisen populäre Forderung, weil
die Parteien sich vermeintlich allzu weit vom Volk entfernt haben und nur ihre
Eigeninteressen verfolgen. Tatsächlich würde die Abschaffung jedoch die Wähler
vollends orientierungslos machen. Auch wer (wie fast alle, den Verfasser
weitgehend eingeschlossen) keine Parteiprogramme liest, weiß doch wenigstens aus der
Berichterstattung der Medien in etwa, welche Partei für bzw. gegen welche
politischen Ziele eintritt. Und eine Partei kann man abstrafen, wenn sie die
Erwartungen nicht erfüllt. Bei Kralls Abgeordneten ist das faktisch unmöglich:
Sie sollen ja ohnehin nur für eine Legislaturperiode wählbar sein dürfen, und
danach nur noch für eine weitere, aber das erst nach einer Unterbrechung. Wer
wird an einem solchen Amt überhaupt ein Interesse haben? Wer wird unter diesen
Bedingungen versuchen, Gemeinsinn zu entwickeln und an das Große Ganze zu
denken? Es wird ihm ja noch weniger gelohnt, als jetzt schon! Real wird sich also
auch für die Abgeordneten das Grundgesetz
der Krallokratie zur Richtschnur ihres Handelns entwickeln: „Kralle dir Kohle, so viel du nur kannst!
Gehe nicht über Los, sondern über Leichen – und lass dich nicht erwischen!“
Dass die
Abgeordneten in nur 2 – 3 Tagungsmonaten pro Jahr eine vernünftige Arbeit
abliefern könnten und würden: Das kann nur ein ignoranter Gold-Höker glauben,
der sich mit Politik gar nicht ernsthaft beschäftigt, sondern sie gedanklich
auf Kindergarten-Niveau reduziert. Selbst diejenigen Hobby-Abgeordneten, die
nicht korrupt wären, könnten sich gar nicht hinreichend spezialisieren und mit
der notwendigen Tiefe in die unterschiedlichsten und komplexesten Sachverhalte
einarbeiten. Entsprechend undurchdachte, schlampige und schlechte Gesetze
würden sie machen.
Zugleich
wären diese Hobbypolitiker Haifischfutter für die Bürokraten: Bis sie deren
Wissensstand über Gesetze, Rechtsprechung und Faktenzusammenhänge in nur einem
größeren Politikfeld auch nur annähernd erreicht hätten, wären sie schon wieder
„weg vom Fenster“.
Ebenso
wären sie ideale Opfer für Lobbyisten. Nicht nur, weil die schlecht bezahlten
Abgeordneten tendenziell „die Hand aufhalten“ werden. Sondern vor allem auch,
weil alle Bestimmungen in der Krallokratie darauf hinauslaufen, Profi-Politiker
zu verhindern und die Politik von puren Amateuren betreiben zu lassen, die
überhaupt nur kurzzeitig in diesem Gebiet tätig sind. Auch da werden viele
Beifall klatschen. Weil sie sich von derartigen Hobbypolitikern „Volksnähe“ erträumen
und nicht begreifen, dass Dilettanten zwangsläufig eine dilettantische Politik
abliefern werden. Als blutige Amateure und „befristet Beschäftigte“ könnten die
gar keinen Durchblick entwickeln und würden von den mit allen Wassern
gewaschenen PROFI-Lobbyisten locker über jeden Tisch gezogen.
Mit seiner
Forderung, möglichst geringe, am besten gar keine Diäten zu bezahlen, deutet Krall
zugleich an, wie er sich die Stellung der Arbeitnehmer in seiner schönen neuen
Welt vorstellt: Als möglichst schlecht bezahlte Arbeitssklaven.
Die
Schlecht- oder gar Nicht-Bezahlung der Abgeordneten ist nichts anderes als eine
beabsichtigte Ausbeutung der politisch Schaffenden durch die finanziell
Raffenden. Wer die Abgeordneten (ebenso die Kirchenleute: vgl. unten zur
Abschaffung der Kirchensteuer) um einen angemessenen Lohn für ihre Arbeit
prellen will, der will sich Kosten (Steuern) ersparen. Und der will auch ganz
allgemein für die Dienste anderer Menschen so wenig wie möglich bezahlen. Krall
und seine Anhänger wollen auch und gerade die Arbeitnehmer mit einem möglichst
niedrigen Lohn abspeisen, denn schließlich nehmen sie (nach libertärer
Denkweise) den Unternehmens- und damit den Kapitalbesitzern ja etwas von ihrem
Eigentum weg. Und das geht gar nicht.
(Krall
würde natürlich niemals zugeben, dass er und seine Gesinnungsgenossen auf
blanke Ausbeutung aus sind. Aber wenn man mit Libertären über den Mindestlohn debattiert
und erlebt, wie die einen regelrechten Hass dagegen entwickeln, dass der Staat
arbeitenden Menschen dieses ohnehin dürftige Minimum sichert, dann weiß man,
wohin die Reise für diese Kreise gehen soll.)
In der
Welt der Realitäten ist es auf den ersten Blick saudumm, die Abgeordnetenarbeit
nur mager zu vergüten. Die „Betrogenen“ werden sich dann anderweitige
Einkommensquellen suchen. Das tun einige zwar ohnehin, und vielleicht ist der
eine oder andere sogar jetzt schon, trotz üppiger Diäten, korrupt. Aber wenn
man die Diäten allzu dürftig ansetzt (Krall will ja „idealerweise gar kein Abgeordnetengehalt“ bezahlen), dann wird die
Korruption endemisch werden.
Andererseits
wäre diese Situation eine Bonanza für die Interessen der Superreichen: Alle
gewünschten Parlamentsentscheidungen könnten sie unschwer „einkaufen“.
Ob Krall
das alles klar ist, kann ich natürlich nicht wissen. Seine Anhänger
durchschauen diese zwangsläufigen Folgen mit Sicherheit nicht. Das dürften in
der großen Masse Kleinbürger sein – und häufig nicht einmal diejenigen, die
einer Volkswirtschaft den größten Nutzen bringen. Sondern
Versicherungsvertreter, Ladeninhaber (z. B. Apotheker, obwohl gerade die mehr
als andere Berufsgruppen von staatlichen Schutzzäunen profitieren, die dann
wegfallen würden), Börsenspekulanten, Vermögensberater und andere Freiberufler
(Rechtsanwälte, Architekten usw.). Die träumen sich in die Position von
Superreichen, aber die verwirklichte Krallokratie wäre eine binäre
Ayn-Rand-Gesellschaftsordnung: Wer das Geld hat, hätte die Macht. Echte Meriten
würden wenig zählen: Sogar Genies wären dort nur das „wert“, was die Geldsäcke
ihnen bezahlen. Der Rest der Menschheit, ob abhängig beschäftigt oder
selbständig, wäre Pöbel und nichts als ein Spielball der wahren Herren. (Die
ihrerseits den Hals niemals voll genug kriegen und sich gegenseitig bekämpfen
würden. Dazu würden sie immerhin die Unterstützung des ‚Fußvolks‘ benötigten,
dessen Interessen sie daher bis zu einem gewissen Grade dann doch wieder berücksichtigten
müssten.)
Am Ende
wäre die Krallokratie eine Klientelgesellschaft nach altrömischem Muster: Die
Superreichen (in der römischen „Republik“ die Patrizier) schaffen sich mit Geld
und auf andere Weise eine Gefolgschaft (Klienten, Klientel), die sie dann im
innenpolitischen Kampf gegen andere Superreiche (Patrizier) einsetzen, um die
größtmögliche Macht zu erlangen. Die Gesellschaft würde „tribalisiert“. (Und bereits bestehende
Clan-Strukturen, wie in Deutschland die berüchtigten Araber- und Kurden-Clans, hätten einen
„Startvorteil“!)
Wer andere
(z. B. seine Volksvertreter) um ihren verdienten materiellen Lohn prellen will,
muss sie wenigstens mit warmen Worten „honorieren“: „Dienst am Volk“, „patriotische
Tat“.
Solche
Formulierungen erwachsen aus der libertären Fundamentalillusion, im Libbyland wäre
‚alles wie jetzt – nur besser‘. „Volk“ versteht Krall hier als eine
GEMEINSCHAFT. Aber eine solche bildet sich aus Geben und Nehmen: Ich empfinde
mein Volk bzw. meinen Staat deshalb als Gemeinschaft, weil ich mir von ihm
Schutz nach innen und außen erwarte, aber auch Hilfe in individuellen und Beseitigung
von gesellschaftlichen Notlagen. Krall dagegen reduziert die Gemeinschaft auf
eine bloße Gesellschaft: Man schließt sich zusammen, um den Schutz seines
Vermögens nach innen (Polizei) und nach außen (Streitkräfte) zu sichern – das
war’s dann. Ansonsten verfolgt jeder ausschließlich seine eigene Interessen.
Was soll
einen (zudem noch schlecht oder gar nicht bezahlten) Abgeordneten dazu bewegen,
seine Arbeit als „Dienst am Volk“ zu
verstehen, wenn er z. B. damit rechnen muss, nach dem Ende der
Legislaturperiode keine Arbeit zu finden oder anderweitige Nachteile zu
erleiden? Und wenn er weiß, dass „sein“ Volk ihm in dieser Lage seinen Einsatz
für die imaginäre Gemeinschaft mit Hohn und Spott „danken“ würde: „Eigene
Schuld! Hättest ja was Richtiges arbeiten können, anstatt im Parlament
herumzulungern und auf unsere Kosten zu leben! Dann hättest du genügend
verdient und Rücklagen für schlechte Zeiten bilden können – wie wir das auch
tun!“
Dass Krall
selber ganz genau so denkt und die Arbeit der Abgeordneten nicht ernst nimmt,
zeigt jede seiner Bemerkungen und seiner geplanten Bestimmungen. (Und so denken
leider auch sehr viele ganz normale Bürger.)
An dieser
Stelle ist vielleicht ein klärender Exkurs angezeigt, was der Libertarismus
bedeutet und was er bei konsequenter Umsetzung bewirken würde. Ein gewisser
Robert Hutchinson hat das in seinem Essay “Why Libertarianism fell short”
(09.04.2019) vom Standpunkt eines Katholiken (und zugleich eines ehemaligen und
teilweise immer noch Libertären) nach meiner Meinung gültig beschrieben (meine
Hervorhebungen):
“Many Catholics,
like many Americans, pass through a libertarian phase. ….. Like nominalism in
philosophy and materialism in physics, libertarianism is almost inevitable when
you first begin to examine things with your own eyes and think for yourself.
One day you wake up from the statist dream. You begin to notice that government
isn’t always benign and wise, that wars are often pointless, and that many
policies proposed to help the poor are actually designed to help politicians
and profiteers, anyone but the poor.
And as
political ideologies go, my sympathies are still libertarian. I dislike the
surveillance state. I distrust most politicians. I supported Ron and then Rand
Paul in the last three presidential elections.
Yet libertarianism
is, in the final analysis, like chemotherapy: a necessary but temporary
treatment for sick patients, not something you want to stay with for life. At bottom, libertarianism sees the entire
world as nothing more than a gigantic marketplace in which human beings are
simply interchangeable economic units – without regard to language, culture or
religion — that multinational
corporations can import and export the way they do silicon wafers and steel.” “Americans
today, and Europeans as well, feel they are losing too much of their souls in
the neoliberal economy of unfettered global markets, mass immigration and
corporate censorship. Their innate sense
of solidarity with their fellow citizens make them question policies that
raise quarterly GDP an extra percentage point and maximize shareholder value
but destroy entire communities in the process.”
Patriotismus
und Libertarismus sind tatsächlich ideologisch genauso unvereinbar, wie Libertarismus
und (katholisches oder sonstiges) Christentum („Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“). Rein logisch betrachtet,
sind „Rechtslibertäre“ ein
Widerspruch in sich. Doch diejenigen, die eigentlich kontradiktorischen
Ideologien, Religionen oder Zielen anhängen, wissen, wie sie mit solchen
Widersprüchen umgehen: Sie leugnen sie und stricken sich kurzerhand ihre eigene
Weltsicht zusammen. (Insofern sind die wie Gott, den der mittelalterliche
deutsche Theologe Nikolaus von Kues als eine „Coincidentia oppositorum“
definiert hatte, ein Zusammentreffen oder eine Vereinigung der Gegensätze.😊)
Das dürfte
auch für Markus Krall gelten, den Martin Sellner in seinem (in der historischen
Übersicht beeindruckenden) Essay „Kapitalistische Willkommenspolitik“
(13.11.2019) einer „libertär-patriotischen
Gegenöffentlichkeit“ zurechnet.
Sellner
ist der Kopf der „Identitären Bewegung“.
Konkret geht es ihm darum, „heftige bis
bösartige ….. Attacken aus dem libertär-patriotischen Bereich gegen das
nationalkonservative Lager“ (wo er demnach sich selber verortet)
abzuwehren. Dabei konstatiert er zutreffend (und im Ergebnis wie oben
Hutchinson), dass „die Liberalen sich selbst und ihre zahlreichen
patriotischen Anhänger täuschen, indem sie einem Patriotismus und einer
Migrationskritik das Wort reden, die sie aus ihrer eigenen Ideologie kaum
begründen können.“ Das gilt natürlich noch weitaus mehr für die liberale
Teilmenge der Libertären.
Kehren wir
jedoch zurück zu Kralls Design dessen, was man mit guten Gründen auch als
„Krallokratur“ bezeichnen könnte.
(40:38) „Die
zweite Gewalt ist die Exekutive. Das
Wahlvolk wählt aus seiner Mitte in Direktwahl einen Kanzler für vier Jahre, der
das Amt nur einmal antreten darf, dann hat sich's abgekanzelt.“
Gegen eine
solche Beschränkung der Wahlperiode gelten mutatis mutandis dieselben Argumente
wie oben bei den Abgeordneten:
- Zu wenig
„Einarbeitungszeit“
- Wissensdefizite;
struktureller Nachteil gegenüber Bürokratie und Lobbyisten
- Motivatorisch
kontraproduktiv, weil gute Politik nicht mit Wiederwahl belohnt werden darf. Überhaupt
ist es seltsam, wenn ausgerechnet Libertäre (hier Krall), welche die gesamte
Gesellschaftsstruktur auf Eigennutz aufbauen wollen (und als Sozialmonadisten
erwarten, dass diese dann im Sinne einer prästabilierten Harmonie funktionieren
würde), in ihrem politischen System genau diese Motivationsstruktur regelrecht
vernichten. Aber Libertäre sind anscheinend tendenziell Autisten, die sich
nicht in andere Menschen hineinversetzen können oder wollen.
(40:49) „Er ernennt nur vier Minister: Äußeres,
Verteidigung, Finanzen und Inneres-Justiz. Alle anderen Ministerien werden
ersatzlos abgeschafft; wir brauchen sie nicht.“
Auch hier kommt
wieder die Arroganz eines Nicht-Politikers zum Vorschein, der von REALER
Politik keine Ahnung hat und daher deren Komplexität krass unterschätzt. Im
Hintergrund steht wohl die weit verbreitete Meinung, die Politiker bräuchten
doch nur „den Willen des Volkes“ umzusetzen, dann wäre alles okay. Dass die
Menschen in einem Volk einerseits sehr unterschiedliche objektive Interessen
haben, und andererseits und darüber hinaus noch sehr unterschiedliche
subjektive Sichtweisen, verstehen Polit-Banausen wie Krall & Co. nicht.
(Und diese Unterschiede werden auch keineswegs dadurch ausgehebelt, dass man
die Transferempfänger gleich ganz von jeglicher politischen Beteiligung
fernhält.)
(41:02) „Die dritte Gewalt ist die
Judikative. Das Volk wählt die Richter, die sowohl dem Wahlvolk angehören
als auch die entsprechende juristische Qualifikation vorweisen müssen.“
Auch das klingt super demokratisch.
Aber noch weniger als bei den Abgeordneten würden sich die Wähler über die
inhaltlichen Positionen der Richter informieren. Und noch mehr als bei den
Abgeordneten würde diese vordergründig so herrlich basisdemokratische Regelung
in der Wirklichkeit damit enden, dass finanziell gut gepolsterte Kreise mit entsprechender
Werbung „ihre“ Richter durchsetzen. Und mit der Bestimmung, dass die Richter
„dem Wahlvolk“ angehören müssen, hat Krall die Transferempfänger und damit
einen großen Teil der Bürger auch hier von jeglicher aktiven wie passiven
Beteiligung ausgeschlossen.
Dieser Bevölkerungsteil ist für
ihn offenbar eine Art von Sklavenpopulation, die das hinzunehmen hat, was die
anderen mit ihnen machen. Einfach nur ekelhaft, ein derart anmaßendes
plutokratisch-faschistisches Staatskonzept!
(41:23) „Und damit kommen wir zur vierten
Gewalt, einer Kontrollinstanz ohne aktive legislative, exekutive oder
judikative Macht. Diese Instanz, ich nenne sie hier einen demokratischen
Wahlkönig, wird auf Lebenszeit von Wahlvolk gewählt. Er kann mit zwei Dritteln
der Stimmen vom Wahlvolk abgerufen werden; ansonsten endet seine Amtszeit nur
mit Rücktritt oder Tod. Seine einzige
Aufgabe - und dafür braucht er diese Art von Unabhängigkeit - ist die Überprüfung neuer Gesetze und
exekutiver Maßnahmen auf ihre Kompatibilität mit der freiheitlichen Verfassung und seiner damit verbundenen
unbegrenzten Vetomacht. Er kann
das Veto ausüben, wenn er nur der Meinung ist, dass ein Gesetz sich
gegen die freiheitliche Ordnung richtet.“
(42:01) „Im Veto ist seine Macht absolut, in der Gestaltung ist sie nicht
existent.“
Auch diesen „König“ dürfen die
Bürger (d. h. die gesellschaftlichen Nützlinge; die Parasiten bleiben auch hier
ausgeschlossen) zwar wählen. Aber wehe, sie haben ihn einmal eingesetzt: Dann
kann er nach Belieben („wenn er nur der Meinung ist …“) nicht nur sämtliche
Gesetze aufheben, sondern sogar Maßnahmen der Exekutive. Im Negativen ist er
also ein totaler Herrscher. Und das (auch wenn Krall diese Frage nicht
thematisiert) vermutlich auf allen Eben. Wenn also eine Gemeinde z. B. eine
Arbeitslosenunterstützung beschließt, hätte er das Recht, diese aufzuheben –
und die Notleidenden kurzerhand verhungern lassen.
Natürlich würde der Kampf auch
(bzw. gerade) um diesen Posten von den Superreichen unter Einsatz gigantischer
Geldmittel geführt werden. Und wenn dann z. B. das Verteidigungsministerium
einen Auftrag für, sagen wir, eine U-Boot-Flottille an die „falsche“ Firma
vergibt, könnte und würde er (natürlich mit „bürgerfreundlichen“ Vorwänden)
diesen stornieren, damit das „richtige“ Unternehmen an die Fleischtöpfe
Ägyptens gelangt.
Auch die Gerichtshöfe wären
machtlos gegen ihn. Wobei sich in diesem Zusammenhang die Frage stellt, ob er
etwa auch Gerichtsurteile aufheben dürfte?
Eine Abwahl wäre äußerst
unwahrscheinlich, so lange er genügend Geldmittelt und damit Werbepower hinter
sich hat.
Und wofür braucht ein Staat dann überhaupt
noch „oberste Gerichte“? Zumindest ein Verfassungsgericht bräuchte man NICHT mehr. Aber wieso sollte ein „demokratischer
Wahlkönig“ besser geeignet sein, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen zu
beurteilen, als ein Kollektivgremium mehrerer Verfassungsrichter? Ach so: Er
soll gar nicht objektiv urteilen. Für Krall reicht es aus, dass der
‚Demokratiekönig‘ „der Meinung ist“,
Gesetze würden gegen die Verfassung verstoßen. Welchen Nutzen soll das für „das
Volk“ haben? Richtig: Keinen! Auch hier ist lediglich eine Institution zum
Schutz der Besitzenden geschaffen, die mit entsprechendem Propagandaaufwand schon
dafür sorgen würde, dass „der Richtige“ gewählt wird! Eine Einzelperson, die
mit einem Federstrich alles aushebeln könnte, was die 201 gewählten
Abgeordneten im Bund, und die Volksvertreter auf Länder- und kommunaler Ebene
beschlossen haben. Cui bono?
Zudem birgt diese Instanz die
Gefahr einer massiven politischen Inkohärenz in sich: Wenn der
‚Demokratiekönig‘ den Sinn von Regelungen des Gesetzgebers oder von Maßnahmen
der Exekutive entweder nicht versteht, oder wenn er sich einfach nur Popularität
durch sein Veto verspricht (oder den Interessen seiner Hintermänner dienen muss) und kurzerhand zerschlägt, was andere Zweige der
Staatsverwaltung aufgebaut haben, dann wird es gewaltig knirschen im
Staatsgetriebe.
(42:06) „Damit komme ich zur finalen Frage: Wie schaffen wir wieder nachhaltig
Wohlstand? Die Lösung kann nur sein, den Staat zu beschneiden, und zwar so
lange, bis die Heilungskräfte des marktwirtschaftlichen Immunsystems sich gegen
den Krebs der umverteilenden, beraubenden, dem menschlichen Maß
widersprechenden und zerstörenden Verzerrung aller Preise und Güter durch den
Staat durchgesetzt haben. Und je radikaler man das tut, desto schneller wird
die Heilung vonstattengehen.“
Haben wir denn insgesamt gegenwärtig
keinen Wohlstand? Leben wir etwa im Elend? Krall würde vermutlich erwidern: Das
nicht gerade, aber derzeit ist unser Wohlstand nicht „nachhaltig“, weil nur
durch „Geldsozialismus“ geschaffen. (Unten
spricht er vom angeblich: „jetzt
anstehende[n] Kollaps des
sozialistischen Staats“.
Wahrscheinlich glaubt er auch, dass
wir noch viel mehr Wohlstand hätten, wenn wir den Staat auf eine
Nachtwächter-Rolle beschränken würden. Diesbezügliche Ansätze beispielsweise in
den USA sind freilich nicht sonderlich ermutigend. Dort wurden die öffentlichen
Dienstleistungen etwa im Gesundheitswesen weitgehend zurückgeschraubt – mit
entsprechend negativen
Folgen im Umgang mit der „Coronakrise“.
Und schon rein theoretisch kann
man prognostizieren, dass eine Umsetzung von Kralls Vorstellungen nicht zu
einer Wohlstandsmehrung führen würde, sondern zu einer Wirtschaftskrise
riesigen Ausmaßes. Wer das nicht erkennt, der versteht nicht, wie eine
geldbasierte Marktwirtschaft überhaupt funktioniert.
In der Krallokratie wären die
breiten Massen gezwungen, für die unvorhersehbaren Wechselfälle des Lebens
durch eigenes Sparen vorzusorgen. Täten sie das nicht, würden sie ihr Wahlrecht
verlieren. Darauf würden zwar vermutlich viele Menschen leichten Herzens
verzichten (zumindest diejenigen, die dieses Recht schon jetzt nicht wahrnehmen).
Doch vor allem wäre der Umfang der staatlichen Versorgung in Notlagen äußerst
dürftig, auf das bloße Existenzminimum reduziert (und außerdem, da auf die
kommunale Ebene zurückverlagert, von der finanziellen Leistungskraft der
Gemeinden abhängig.) Auf solche Aussichten würden die Menschen mit exzessivem
Sparen reagieren – und dadurch der Wirtschaft in großem Umfang Nachfrage
entziehen. [Ein Praxisbeispiel ist China mit seinen noch größeren Exportüberschüssen als Deutschland. Ausgerechnet Ben Bernanke, einst als Chef der Fed sozusagen der Hohepriester des weltweiten Kapitalismus, hatte für dieses Land die Einrichtung einer umfassenden gesetzlichen Rentenversicherung gefordert: Um das exzessive Geldsparen der chinesischen Wanderearbeiter einzudämmen, den dortigen Konsum anzukurbeln - und in der Konsequenz die Exportüberschüsse zu reduzieren. Etwas ironisch habe ich das hier thematisiert.] Eine gewaltige Wirtschaftskrise wäre die zwangsläufige Folge und am
Ende wären, trotz Wegfall der bösen „Umverteilung“, ALLE Bürger ärmer – selbst
die Reichen (und das soziologische „Kleinvieh“ der Libertären sowieso).
Diese
Wirtschaftskrise ließe sich auch nicht durch eine „antizyklische“ Fiskalpolitik
überwinden. Zum einen, weil der Staat dazu keine Mittel (mehr) hätte. Vor allem
aber auch, weil es sich um eine dem Krallschen Gesellschaftsentwurf
„eingebaute“ Krise handelt, eine Dauerkrise, die völlig anderer Natur ist als
die bekannten „Konjunkturzyklen“.
„Für sich
selber arbeiten“ kann man in einer arbeitsteiligen modernen Gesellschaft eben
nur dadurch, dass man für andere
arbeitet (und, vordergründig betrachtet, vom dafür erhaltenen Geld möglichst
wenig abgibt). Kaufen die anderem einem die Produkte der eigenen Arbeit nicht
ab, kann man praktisch überhaupt nicht arbeiten (zumindest mit seiner Arbeit
keine Erträge erwirtschaften). Und "die anderen" bin in anderen Zusammenhängen natürlich "ich selber".
Wer seine
Weltsicht naiv aus der mikroökonomischen Froschperspektive heraus konstruiert, dem bleiben freilich die vielfältigen Interdenpendenzen einer Volkswirtschaft ein Buch mit sieben Siegeln.
An dieser Stelle ist vielleicht
ein weiterer Exkurs sinnvoll, zu den
beiden möglichen Begründungsansätzen für den Libertarismus. Eine diesbezügliche
Erörterung findet sich z. B. in dem Beitrag „Catholic & Libertarian? It Depends“ auf der
Webseite der Loyola-Universität in Chicago (2014; meine Hervorhebungen):
„Broadly speaking, there are two species of economic libertarian.
For Ayn Rand and others in the natural-rights tradition, property rights are
conceived as virtually absolute in scope, limited only as necessary for the
protection of other property rights. For
these libertarians, the protection of property rights — the freedom from interference
by government — is a moral imperative,
irrespective of the outcomes it produces. In contrast, for libertarians whose outlook is based in economics (think Milton
Friedman), the commitment to state
noninterference in private-property rights rests on empirical — and, at least
in theory, testable — claims about how the world works.”
Allerdings darf man vermuten, dass
die ökonomischen Begründungen für den Libertarismus sehr häufig lediglich
vorgeschoben sind, um eine bereits vorhandene Präferenz für diese Ideologie
(scheinbar) zu rechtfertigen. Als
Beispiel für einen solchen Fall nennt der Autor Eduardo M. Peñalver das Buch „Defending the Free Market“ von Robert
Sirico (meine Hervorhebung): „Sirico’s
supposedly empirical and utilitarian arguments against government
redistribution or intervention in labor markets are little more than ideological assertion masquerading as
empiricism.”
In diesen Zusammenhang gehört auch
die Feststellung von Jonathan Chait („Wealthcare“, 2009): „… [Ayn] Rand …..
argued for laissez-faire capitalism as an ethical system. She did believe that
the rich pulled forward society for the benefit of one and all, but beyond
that, she portrayed the act of taxing the rich to aid the poor as a moral
offense. Countless conservatives and libertarians have adopted this premise as
an ideological foundation for the promotion of their own interests.”
Die Libertären überhaupt und Krall
und sein Gefolge im Besonderen sind keine tiefschürfenden Denker. In der Masse
geht es denen nur darum, sich im Verteilungskampf selber ein möglichst großes
Stück vom Kuchen abzuschneiden, bzw. zu behalten: Die sind gierige Materialisten im
vulgären Wortsinne. Dass sie subjektiv vollauf überzeugt sind, auch Ethik und
Religion auf ihrer Seite zu haben, glaube ich gerne. Aber diese Überzeugungen
sind interessengeneriert und interessengeleitet, nicht das Ergebnis eines
intensiven und aufrichtigen Ringens um philosophische Wahrheiten.
Nun kommt Krall zum Geldwesen:
(42:32) „Der erste Schritt wird es sein, die Matrix des Fiatgeldes, das die
Bürger zu Sklaven eines unsichtbaren Netzes aus Papiergeld macht, zu beseitigen
und ein transparentes und betrugsfreies Geldsystem zu etablieren.“
Als Voraussetzung für die
Erschaffung des erhofften libertären Wohlstandsparadieses sehen die
libertär-„österreichisch“ ausgerichteten Propagandisten und Profitsucher eine
Reform des Geldwesens an. Schon oben (Stichwort „verwöhntes Erbenkind“) hatte ich darauf hingewiesen, dass die
Libertären ihren Sozialneid zwar nicht offen bekunden, aber sehr wohl
Ressentiments gegen die richtig Reichen haben. Wenn es um konkrete Superreiche
geht, dann haben die sich in der libertären Mythologie ihr Vermögen zwar
allesamt selber „erarbeitet“ (George Soros vielleicht ausgenommen😊).
Abstrakt schimpfen sie allerdings gerne auf diejenigen, die ihren Reichtum
angeblich staatlichen Hilfen (Subventionen) verdanken, oder dem „Geldsozialismus“ der Notenbanken. Über
letzteren schwafeln die Austrians andauernd; eine Definition liefern sie
nirgends. Roland Baader (der Urheber dieses Begriffs?) grenzte
2007 „sozialistisches“ und „Goldgeld“ voneinander ab mit seiner Forderung, „das sozialistische (staatsmonopolistische)
Geld aufgeben und zum echten Geld (Goldgeld) zurückkehren“. 2010 hat er ein
Buch veröffentlicht „Geldsozialismus: Die
wirklichen Ursachen der neuen globalen Depression.“
In Wahrheit ist aber der „Geldsozialismus“ ein Pappkamerad mit
doppelter Schauseite: Nach außen behaupten sie, dass er „die Reichen reicher und die Armen ärmer“ machen würde.
Mit diesem (Schein-)Argument wurden bereits im England des
Jahres 1816 Forderungen nach Rückkehr zum Goldstandard begründet. In einem Buch oder Buchauszug von Theodore Jerolaman
(ein Extrakt aus diesem
Buch?) über die „History
and Science of Money“ (1896) erfahren
wir (meine Hervorhebung): „… the contractionist sharks
[die Geldverknappungshaie] were loud
in their assertions that the contraction of the currency, which began in 1816,
was solely for the benefit of the producing classes, the laboring-man…… The victory of the fund-holding classes
of England in 1816 was completed [“by
a bill which demonetized silver, and placed England on the single gold standard”],
and then they commenced systematically to
contract the currency. ….. The effect
upon the toiling millions of old England was frightful in the extreme; in a
short time ‘money became scarce, industry paralyzed, debts multiplied, and
famished thousands walked the streets vainly seeking for work to keep their
wives and little ones from starvation. ….. The currency volume of England was
contracted in a few brief years to one-third of the circulating medium in 1815
— contracted for the sole purpose of enriching the fund-holding and
fixed-income classes. As a direct result of that contraction, which began in
1816, more than 120,000 farmers were deprived of their landed possessions.”]
Dem libertären Monetär-Schmonzes sitzt
offenbar auch der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke auf, wenn er sich aufs Trittbrett
schwingt und, um seinen Anhängern eine tiefe Einsicht ins Geldwesen vorzutäuschen,
das gängige
Geschwafel der Vulgär-Austrians nachplappert (Facebook, 18.03.2016, meine
Hervorhebung): „Das Scheingeld des Geldsozialismus ist der Treibstoff des
Kasinokapitalismus, der marktwirtschaftliche Selbstregulierungsprozesse
teilweise außer Kraft setzt. Der Wachstums- und Rationalisierungsdruck, der auf
der Realwirtschaft lastet, und der auch dazu führt, daß der Mittelstand
verschwindet und immer mehr Menschen in Deutschland von ihrer Hände Arbeit
nicht mehr leben können, hat seinen Ausgang auch in einem kranken Geldsystem.“
Tatsächlich hassen die Libbys das
„Papiergeld“ aber deshalb, weil es einen Wohlfahrtsstaat möglich macht, weil es
also (theoretisch zumindest) „umverteilt“: Nämlich die Reichen ein klein wenig ärmer
macht und den Armen ein etwas menschenwürdigeres Leben ermöglicht.
So ist die Meinung von Roland
Baader zu verstehen, dass wir „nachhungern“
müssten, was wir vermeintlich „vorausgefressen“
haben (s. Einleitung). Zustimmend zitiert er in einem Artikel „Wie wir uns betrügen — Wohlfahrtsverwahrlosung [sic!]“ (2009) einen anderen
Autor, der den Wohlfahrtsstaat als „nicht
mit reellen Mitteln finanzierbares Paradies auf Pump“ geschmäht hatte. DAS
ist die WAHRE Rolle des Begriffs „Geldsozialismus“
für die libertär-vulgärösterreichische Avantgarde der Plutokraten: Hetze gegen
den modernen Wohlfahrtsstaat!
[Ich selber bestreite keineswegs,
dass man den Wohlfahrtsstaat überziehen kann. Aber um Maß und Mitte geht es den
Libertären nicht; die kultivieren einen blanken Hass. Der richtet sich
vordergründig gegen den Staat; tatsächlich handelt es sich aber um die übelste
Form von Sozialneid überhaupt, nämlich gegen die Kleinen Leute gerichtet. Ihre
„Freiheit“ wollen diese Widerlinge dadurch erringen, dass die da unten tiefst
möglich ins Elend treten – während sie ihre hohlen Köpfe tief ins Gedärm der
Superreichen stecken!]
Dass die Libertären vom WIRKLICHEN
Geldwesens rein gar nichts verstehen, war mir schon vor
mehreren Jahren aufgefallen. Nun habe ich, um die Hintergründe von Kralls
Goldstandard-Phantasien besser zu verstehen, einige Texte von Roland Baader näher unter die Lupe genommen, die
man wohl als repräsentativ ansehen darf: (Baader dürfte der unmittelbare
Inspirator von Krall sein, noch vor Ayn Rand.)
1) Roland Baader über die Entwicklung vom Tausch zum Geld:
Der Schuster, der Bauer und der Fürst. Hier
erklärt Baader, „in Form einer Geschichte“,
was Geld seiner Meinung nach eigentlich ist.
Wie das Geld historisch
tatsächlich entstanden ist, ist umstritten. U. a. wird vermutet, es sei zur
Bezahlung von Strafen oder von Söldnern erfunden worden, im
sakralen Umfeld (Opfer im Tempel oder gar „Reliquiengeld“) oder im
Zusammenhang mit der Errichtung von Abgaben. Geld wäre dann von Obrigkeiten –
dem „Staat“ – eingeführt worden, und keine Erfindung des Marktes. Baaders „Story“
ist also lediglich ein Denkmodell (und ohnehin haben unterschiedliche Kulturen
unabhängig voneinander in unterschiedlicher Weise Geld erfunden). Als
didaktische Hinführung zum Geldverständnis ist die Baader-Story aber vorzüglich
geeignet. (Sich selber freilich versperrt Baader ein solches Verstehen, weil er
die jeweiligen „realen“ Fort-Schritte in seinem Modell auf der Ebene
gedanklicher Abstraktion mit der Vorstellung „unverändert alles nur Tausch“ verkleistert.)
Sein Denkmodell beginnt mit einem Schuster, der bei einem Bäcker ein
Paar Schuhe gegen 30 Brote eintauscht und zwar „je ein frischgebackenes Brot an 30 Tagen“. Bei der Umformulierung auf
die Abstraktionsebene: „Bei der
Transaktion wurde ….. ein bereits produziertes Gut gegen 30 noch zu
produzierende Güter getauscht“ lässt er ein wesentliches Element aus. Hier
findet nämlich KEIN „Tausch“ im üblichen Sinne statt, wo Schuster und Bäcker gleichzeitig
die Schuhe und die 30 Brote „über den Ladentisch schieben“ würden. Sondern ein
ZEITVERZÖGERTER „Tausch“. Und damit ist dieser „Tausch“ gleichzeitig eine
KREDITGEWÄHRUNG des Schusters an den Bäcker, der seine Brote erst später
liefert (bzw. zu liefern verspricht). Indem Baader das übersieht, hat er sich ein Verstehen der tatsächlichen Funktionsweise von Geld verschlossen. Eine Erweiterung von
Baaders Modell auf VIER Stufen, beginnend mit dem Szenario eines
„Direktausches“ (alle Güter gehen gleichzeitig über den Ladentisch), hätte ihm diese Denkfalle wohl erspart.
Im Folgeschritt nimmt Baader an, dass sich der Schuster vom Bäcker
einen Zettel ausstellen lässt mit der Zusage „Ich liefere an 30 Tagen des Jahres X je ein frisches Brot an den
Inhaber dieses Zettels“. Dieser Zettel stellt einen weiteren Schritt in
Richtung „Geld“ dar. Hier kommt Baader der Funktionsweise von Geld sehr nahe: „Der Zettel fungiert also als Geld, das den
Tausch erleichtert.“ Doch versperrt er sich wiederum diesen Zugang auf der abstrakten
Ebene: „Das ändert aber nichts an der
Tatsache, dass nach wie vor Produktion gegen Produktion getauscht wird – nur
eben mit Hilfe von Geldzetteln.“
Wiederum blendet er aus, was sich
in diesem Schritt geändert hat: Der „Tausch“ ist jetzt nämlich ein INDIREKTER
geworden.
In seinen 3. Gedankenschritt lässt Baader die Marktteilnehmer „ ‚echtes‘ Geld“ einführen, „in Form von Gold und Silber“. Damit
ersetzen sie das Versprechen einer Lieferung KONKRETER Güter durch ein
abstraktes „Warenlieferungsversprechen“. Hier macht Baader einen großen
Gedankensprung, der nunmehr neuerlich verschleiert, was hier eigentlich
passiert ist. Denn für die „Geldwerdung“ der Zettel ist die Einführung von
Goldgeld nicht erforderlich und nicht einmal logisch folgerichtig. Weitaus
näher liegt die Annahme, dass „der Markt“ nunmehr einen abstrakten Wertmaßstab
für die Güterpreise einführt (z. B. „1 B“ = Wert eines Brotes, 1/30 Paar
Schuhe, 1/25 Schwein, 500 Hühnereier usw.) und die „Geldzettel“ mit diesem Wert
bedruckt. Damit haben wir bereits ECHTES GELD!
Anschließend kann man natürlich
die Geldzettel durch (Gold- usw.) Münzen ersetzen. Aber dieser Schritt hat
keinerlei Erklärungswert mehr dafür, „was Geld eigentlich ist“ Hier ersetzt
Baader kurzerhand das logisch saubere Gedankenexperiment durch seine private
Vorstellung von „echtem“ Geld (die freilich, wie wir unten sehen werden, stark
oszilliert).
Jedenfalls haben wir auf dieser 3.
Stufe „echtes“ Geld, und das hat NICHTS damit zu tun, ob Edelmetallgeld
eingeführt wird (bzw. für einen „Brotwert“ billigere Metalle) oder nicht.
In Baaders Modell haben sich (was
er selber nicht verstanden hat) jene DREI ELEMENTE entwickelt, die „echtes
Geld“ von einem einfachen Tausch unterscheiden - und damit seinen Nutzen für Handels-
(und Abgaben!-)Transaktionen begründen:
0. DIREKTTAUSCH
1. KREDITISIERUNG der Lieferbeziehung (Zeitverzögerung)
2. MEDIATISIERUNG der Lieferbeziehung (indirekter „Tausch“ zwischen prinzipiell
beliebig vielen Teilnehmern)
3. UNIVERSALISIERUNG des Güterversprechens (abstrakter Wertmaßstab für ALLE am
Markt angebotenen Güter). Nunmehr sind
die Geldzettel „richtiges“ Geld!
Marktlogisch wäre das Geld also durch
Kreditgewährung entstanden. In China war das vielleicht tatsächlich
der Fall. Grundsätzlich darf man aber das o. a. logische Modell der Geldentwicklung nicht mit der historisch
realen Geldentstehung gleichsetzen (wie die „Austrians“ das häufig tun).
Baader hatte, wie wir gesehen
haben, die in seinem Modell eigentlich logisch zwingende Stufe des
„Zettelgeldes“ übersprungen und das Gold zur ersten Geldform erklärt. Wie
daraus wiederum Zettelgeld geworden ist - Banknoten erklärt er mit
Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten: Die Wirtschaftssubjekte hätten ihre Goldbestände
bei Goldschmieden deponiert. Die dafür ausgehändigten Quittungen (also quasi
Lagerscheine) wären dann selber in der Wirtschaft als Geld akzeptiert worden.
Das ist historisch nicht falsch (auch wenn es möglicher Weise noch andere
Entstehungsstränge für das Papiergeld gab, wie etwa die Wechsel). Die
‚Goldquittung-Banknoten‘ entstanden im 17. Jahrhundert in London. Eine ausführliche
Beschreibung dieser Vorgänge “How modern banking originated: The London
goldsmith-bankers' institutionalisation of trust.”
Baader führt freilich seine Leser
an der Nase herum, indem er die Vorgänge so darstellt, als ob die Goldschmiede
solche Quittungen stets nur auf vorhandene Goldbestände emittiert hätten.
Tatsächlich haben aber schon DIE eine GoldSTANDARD-Währung geschaffen, bei der
mehr Banknoten (hier: ‚Lagerquittungen‘) ausgegeben wurden, als tatsächlich
vorhanden waren. Das „ungedeckte
Papiergeld“ war also genau das, was die „Austrians“ sonst so hochhalten:
Eine ERFINDUNG FREIER MÄRKTE. Und nicht erst (wie Baader es hinstellt) eine
Erfindung gieriger Fürsten (Staaten). Aber, wie ich bereits oben konstatierte:
Wenn Fakten ihrer Ideologie (hier: ‚Private tun nichts Böses‘) entgegenstehen,
ignorieren die Libbys diese einfach.
2) Baader-Zitatensammlung zum Geldwesen:
Roland Baader ist im Jahr 2012
verstorben. 2016 hat ein gewisser Rahim Taghizadegan (Wikipedia; s. a. hier), „Privatgelehrter und Gründer des scholarium
in Wien“, ein Buch u. d. T. „Das Ende des Papiergeld-Zeitalters. Ein
Brevier der Freiheit“ herausgebracht. Auf 240 Seiten sind darin,
nach Themenfeldern geordnet, Zitate aus den Werken von Baader zusammengestellt.
Das Inhaltsverzeichnis und fünf Kapitel aus dem Buch (sowie Kurzbiographien des
Autors und des Herausgebers) kann man auf der
Verlagsseite gratis runterladen. Daraus habe ich mir die
Zitatensammlung zum Thema „Geld und Gold“
vorgeknöpft.
Baader ist ein (wortgewandter)
Agitator; ein kritischer, um Erkenntnis ringender Denker ist er nicht. Er
„predigt“ seinen libertären „Glauben“; innere Widersprüche, zumindest in seinem
Denken über das Geldwesen, bemerkt er wohl nicht einmal.
1981 hatte er geschrieben: „Fauler Kredit ….. ist mit Gold nicht
machbar. Deshalb können große und dauerhafte Kulturen und Zivilisationen nur
mit wahrhaftigem Geld und wahrhaftigem Kredit entstehen – und das ist Goldgeld
und Goldkredit, und deshalb gehen Zerstörung und Niedergang von Völkern und
Nationen mit unwahrhaftigem Geld und faulem Kredit einher; und dieser Schwindel
hat tausend Namen – nur einen nicht: Gold!“ Was ein „Goldkredit“ sein soll, ist mir schleierhaft – und ebenso, wieso
Baader offenbar alle im derzeitigen Bankensystem vergebenen Kredite für „faulen
Kredit“ hält. Jedenfalls sind Kredite im System eines bloßen GoldSTANDARDS ebenso
„Schwindel“ (i. S. v. Baader), wie im Papiergeldsystem: Beide sind nicht durch
hinterlegtes Gold gedeckt. In Gold einlösbar waren lediglich Banknoten; aber
selbst für die war nur ein Bruchteil an Goldbeständen vorhanden. Darüber klärt
Thorsten Polleit auf (übrigens Chefvolkswirt der von
Krall geleiteten „Degussa Goldhandel“; meine Hervorhebung):
„Laut Reichsbankgesetz §17 muss[ten ] nur 1/3 der umlaufenden Reichsbanknoten
gedeckt sein: durch gültiges deutsches Geld, also Goldmark,
Reichskassenscheine [also Staatsanleihen direkt bei der Notenbank!], Gold in Barren oder ausländischen Münzen; die übrigen 2/3
Drittel sind in Form von diskontierten Wechseln vorzuhalten.“ Zutreffend
urteilt Polleit daher: „Wenn man … davon
spricht, das Kaiserreich hätte einen klassischen Goldstandard gehabt, dann ist
das eine falsche Deutung der Fakten. Es handelte sich vielmehr um einen Mogel-
oder Pseudo-Goldstandard! Das Kaiserreich ist da übrigens kein Einzelfall. Auch
in den USA, England, Frankreich und anderswo operieren Zentralbanken und
Geschäftsbanken mit einer Teilreserve!“ Trotzdem erwartete
er für ein vermeintlich ideales Geldsystem ebenfalls einen Goldstandard
(2009; meine Hervorhebung): „ ‚Free
Banking‘ heißt die Lösung, also das Privatisieren des Kredit- und Geldsystems.
Die vorhandenen Bankverbindlichkeiten werden an das Gold angebunden, das noch
in den Kellern der Zentralbanken lagert. So erhält die ausstehende
Papiergeldmenge einen Anker. Danach können Angebot und Nachfrage frei über die
Quantität und Qualität des Geldes befinden. Vermutlich würde ein Goldstandard entstehen, oder ein
Bimetallismus, in dem Gold und Silber Anker des Geldes werden.“
„Das nach Aufgabe der Goldwährung weltweit ausgebrochene Währungs- und Wirtschaftschaos“
(1988). Diese Behauptung ist ein Schmarrn. Die Goldwährung wurde (entgegen „österreichischer“
Forenmythologie) bereits um 1930 aufgegeben. Die fortbestehende
Goldeinlösepflicht für US-Dollars berechtigte nur noch ausländische Notenbanken
zum Umtausch, so dass deren 1971 erfolgte Aufhebung („Nixon-Schock“) nur
noch die Wechselkurse betraf (doch sogar dieses Ergebnis stellte sich erst 1973 ein).
Tatsächlich gab es bereits seit 1945 jedenfalls in den entwickelten Ländern
relativ wenige Finanz- bzw. Wirtschaftskrisen; von einem „Chaos“ habe ich (* 1945) zu keiner Zeit etwas gemerkt. (Und
ausgerechnet die „Austrians“ sollten freie Wechselkurse eigentlich begrüßen,
anstatt sie zu verteufeln und somit den Zerfall des Bretton-Woods-Systems begrüßen.) Vor 1945, und besonders im 19. Jahrhundert,
hatte es Finanz- und Wirtschaftskrisen in rauen Mengen gegeben. (Daten liefern
z. B. die Wikipedia-Einträge „Aus der Wirtschaftsgeschichte bekannte Krisen“; „List of banking crises“ und „List of economic crises“. Aber
„Austrians“ sind ebenso faktenresistent wie Trumpfbacken.)
Dies ganz besonders in den USA,
die erst 1913 eine Zentralbank gründeten: Die „Fed“. Ab diesem Datum datieren
viele Vulgäraustrians den monetären Weltuntergang. In Wahrheit waren die
Amerikaner finanztechnisch rückständige Nachzügler; die europäischen Länder
hatten damals bereits seit Jahrzehnten Notenbanken.
Im Übrigen widerspricht sich
Baader selber, wenn er (nachfolgend) zutreffend schreibt: „auch unter der Ägide des klassischen Goldstandards [gab es] wiederkehrende Zyklen von Aufschwung und
Abschwung“.
„… das
einzig wahre Geld und die einzige der Reichtumsmaschine Marktwirtschaft
wesensgerechte Währung – nämlich die Goldwährung“. (2003)
Dass Baader unter „Goldwährung“ ein
‚Vollgold-Geld‘ versteht, ergibt sich aus einem Zitat von 2004 (meine
Hervorhebungen): „… leider findet sich
auch unter den Ökonomen, die eine Rückkehr zum Goldgeld befürworten, nur eine
Handvoll, welche die Idee eines rein privaten Goldgeldes mit 100%-Deckung der
ausgegebenen Goldzertifikate vertreten. Die meisten gold bugs [Goldfans
oder Goldnarren – br.] wollen zum
klassischen Goldstandard zurück, wie er in etwa von der Mitte des 19.
Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs in den wichtigsten
Industrienationen geherrscht hat. Dieser hat zwar unvergleichlich viel besser
funktioniert als unser gegenwärtiges Chaos des vom permanenten Kaufkraftzerfall
geprägten fiat money, aber er hatte zwei entscheidende Schwächen: 1) stand der klassische Goldstandard unter Staatshoheit,
weshalb er auch sofort abgeschafft werden konnte, sobald er der staatlichen
Machtexpansion im Wege stand; und 2)
war er (weil nicht privater Natur)
ein Fractional Reserve Standard, d. h. er beruhte auf dem System von
Bruchteils-Goldreserven [falsch: für Buchgeld gab es gar keine Goldreserven!] im Kreditwesen der Banken. Und das hatte
zur Folge, daß auch
unter der Ägide des klassischen Goldstandards wiederkehrende Zyklen von Aufschwung
und Abschwung, von boom and
bust, von Euphorie und Krise aufgetreten sind.“
Dass im Goldstandard a) überhaupt nur Banknoten gedeckt waren,
und diese b) nur teilweise und c., (was
Baader und viele andere unterschlagen): die schon damals sehr viel größere
Buchgeldmenge überhaupt nicht, hat natürlich gar nichts damit zu tun, dass die
Basisgeldschöpfung damals in staatlicher Hand lag. [Baader wie auch andere
„Austrians“ unterscheiden selten zwischen Basisgeld und Bankengeld. Dadurch
verschleiern sie, dass der allergrößte Teil der Geldmenge – das Bankengeld -
gar nicht von den Zentralbanken geschöpft wird, sondern von den Banken, also durch
Marktvorgänge und von der „freien Wirtschaft“!] Vielmehr war die vorhandene
Goldmenge schon zu jener Zeit viel zu gering, um die Menge der Transaktionen im
Handels- und Finanzwesen abzudecken. Bereits 1876 hatte ein gewisser William
Berkey (offenbar aus amerikanischer Perspektive) in seinem Buch „The Money Question. Paper
Monetary System“ berichtet: „Population, commerce and trade have long …..
outgrown the world’s supply of the precious metals.”
Es lohnt sich übrigens, dort noch
etwas weiter zu lesen. Denn schon zu jener Zeit hatte er erkannt, dass das Goldgeld
(weil knapp) keineswegs den Wohlstand aller fördert, sondern die Geldbesitzer
begünstigt und die Anbieter von Arbeitskraft, aber auch von Gütern,
benachteiligt (so jedenfalls interpretiere und ergänze ich seine folgenden
Ausführungen; meine Hervorhebungen):
“Bank
notes, it will be perceived, are purely an offshoot or development of
the credit system, invented to
remedy the want of an adequate medium of exchange. [Darüber,
ob sie zu diesem Zweck ERFUNDEN wurden, kann man vielleicht streiten. Aber zumindest
wurden sie schon kurz nach ihrer Erfindung in diesem Sinne benutzt, als die
Goldschmiede mehr ‘Lagerquittungen’ ausgaben, als sie Goldbestände hatten. Und auch logisch sind Banknoten, also "Zettelgeld" eine Folge von Kreditgewährung: Vgl. das Modell oben.] In this
manner a monetary system of a peculiar character has been developed in Great
Britain, which has exercised a powerful influence upon the destinies of the
people of that kingdom and also upon the rest of the world. The
monetary system thus developed in Great Britain, although based on specie, is
made up almost wholly of credit. The
statement of Sir John Lubbock, given on page 48, shows that of £19,000,000,
paid into his bank in a few days, only one-half of one per cent consisted of
coin. Every dollar in coin in Great Britain thus becomes the basis of an
immense superstructure of credit.
Gold coins are the legal tender money of the country, silver being a
tender only for small sums. As the
exchanges of the country are carried on with a medium of exchange only a small
percentage of which is coin, whenever a stringency occurs, or a want of confidence
prevails, which inevitably happens as soon as the credit of the nation becomes
fully inflated, everybody seeks to obtain possession of this small percentage
of the circulating medium, which alone is a tender in payment of debts. Coin consequently rises in value and is no
longer a proper measure of other values.
In this respect at least, its functions as money are totally
perverted. Money thus instituted is given a tremendous power over property and
labor, and the whole tendency of the system is to make the rich richer and the
poor poorer. The system, however, is
in accord with the views held by the aristocratic or governing class of Great
Britain, and finds its champions in a school of political economists, who profess to believe, and strive to inculcate,
the doctrine that it is natural and proper that poverty and want and disease
and misery should be next door neighbors of wealth and unbounded
prosperity. It is due chiefly to this
system of money that such great extremes of wealth and poverty are to be found
in Great Britain”.
Hier hat also bereits vor 150
Jahren jemand exakt beschrieben, was das geheime Ziel auch der
„Libertär-Austrianer“ („Austrians“)
ist!
Aber weiter mit Roland Baader. Wenn man
dessen Zitate über das Geldwesen liest, gewinnt man den Eindruck, dass er
selber keinerlei konsistente Vorstellungen davon hatte, sondern jeweils
nachgeplappert hat, was er aktuell gerade aufgeschnappt hatte So schrieb der
anno 2004:
„Die Rückkehr zu einem staatlich geregelten Goldstandard zu fordern,
wäre närrisch. Dieses System hat im 20. Jahrhundert in hundert Prozent aller
Fälle versagt.“
Im März 2008 hieß es
dann:
„Es gab ….. vor dem 1. Weltkrieg ein Jahrhundert des gesunden Geldes. In
diesem Jahrhundert erhöhte sich der Reichtum der Welt mehr als in allen
vorangegangenen Zeiten der Menschheit. In diesem Jahrhundert des Goldes hat der
Staat das Geld und den Kredit nicht manipuliert.“ Dabei hatte Baader 2004
(s. o.), den Goldstandard als „Fractional
Reserve Standard“ bezeichnet und für Krisen verantwortlich gemacht: „… d. h. er beruhte auf dem System von
Bruchteils-Goldreserven im Kreditwesen der Banken. Und das hatte zur Folge, daß
auch unter der Ägide des klassischen Goldstandards wiederkehrende Zyklen von
Aufschwung und Abschwung, von boom and bust, von Euphorie und Krise aufgetreten
sind.“
Nachdem sich der Reichtum seit dem
Ersten (und insbesondere seit dem Zweiten) Weltkrieg weitaus mehr erhöht hat „als in allen vorangegangenen Zeiten der
Menschheit“, und das für weitaus mehr Menschen, beweist die Baadersche Art
von Beweisführung, dass das Papiergeldsystem unschlagbar wohlstandsfördernd
ist. Man hätte erwarten können, dass diese Widersprüchlichkeit Baader auffällt
und er sich damit auseinandergesetzt hätte. Aber dafür hätte er ja noch weiter
denken müssen als von Zwölf bis Mittag: Das kann man „Österreichern“ nicht
zumuten! Wieso sollte jemand nachdenken, wenn er doch einen gefestigten Glauben
hat? Credo, quia absurdum est! Von Fakten lassen Libertäre sich nicht
verwirren: Umso schlimmer für die Wirklichkeit, wenn diese es wagt, anders zu
sein, als sie der ideologischen Konstruktion nach sein müsste!
(In dem o. a. Artikel von 2008 war
sich Baader übrigens auch „sicher, dass
die Domäne des reinen Papiergeldes die nächsten 10 Jahre nicht überleben wird“.😊)
„Das am Markt entstandene Geld, also letztlich die Gold- und
Silberwährungen, waren gesundes Geld; das uns vom staatlichen Gewaltmonopol
aufgezwungene, durch nichts gedeckte Papiergeld, das fiat Money, ist krankes
Geld.“
Welche „Gold- und Silberwährungen“ er meint, weiß man nicht; vermutlich
denkt er an den Goldstandard. Falsch ist die nicht nur von ihm, sondern von allen
„Austrians“ gebetsmühlenartig wiedergekäute Behauptung, wonach das
Fiatgeld durch nichts gedeckt sei: Tatsächlich ist es durch den
„Rückleistungsdruck“ gegen die Kreditnehmer gedeckt: Vgl. z. B. meinen Blott „Wessen ‚Schuldschein‘ ist das Geld?“
(1.2.16).
„So wenig wie irgendjemand – auch nicht der klügste Mensch der Welt –
wissen kann, was der «richtige Preis» und die «richtige Menge» und die
«richtige Art» des Käses ist, der in einer Volkswirtschaft benötigt und
gewünscht wird, so wenig kann jemand wissen, was die entsprechend richtigen
Parameter für Geld und Kredit sind. Herausstellen kann sich das nur auf freien
Märkten.“ (2010)
Bei seinem Schwärmen über das
Goldgeld gewinnt man freilich den Eindruck, dass er eben dieses vom Staat
einführen lassen will. Und das wäre das Gegenteil von „freien Märkten“.
Freilich schrieb Baader im selben
Jahr 2010 auch (meine Hervorhebung):
„Free Banking bezeichnet ein Geldsystem ohne Zentralbank, bei welchem
die Ausgabe von Bargeld und Depositengeld Privatbanken überlassen wird – und
dies ohne gesetzliche Vorgaben oder Beschränkungen.“ Und: „Das Free Banking ist ein System, das sich
spontan am Markt entwickelt – eine natürliche Geldordnung. Es bedarf keines Goldstandards und keiner 100%-Deckung der Bankeinlagen.“
Da schau her: Wenn Geld von
Privaten nach Lust und Laune in die Welt gesetzt werden kann, dann braucht es
plötzlich keine Deckung mehr? Dann ist es nicht „betrügerisch“, wenn es aus dem Nichts geschaffen wird? Oder wie
sonst sollen diese Banken nach Baaders Vorstellung Geld schaffen? Darüber hat
er sich offensichtlich keine Gedanken gemacht.
„.Im Wettbewerb der verschiedenen Bankunternehmen beim Free Banking haben
Edelmetalle als Einlösemedien natürlich stets eine Rolle gespielt, und die
Gold- und Silbermünzen haben das System gestützt, aber eines
Reservenautomatismus wie beim Goldstandard bedurfte es nicht. Der entscheidende
Fehler bei unserem Falschgeldsystem, dem fiat Money mit staatsgelenktem
Zentralbankwesen, ist nicht so sehr die Tatsache, dass es sich um Papiergeld
handelt, als vielmehr der Umstand, dass wir es mit einem gesetzlichen
Zwangsgeld zu tun haben, dass es zu ihm also keine Alternative gibt.“
(2010)
Dabei hatte er oben noch
behauptet, im Goldstandard sei das Geld nur deshalb nicht voll gedeckt, weil es
ein staatliches, kein privates System gewesen sei? Jetzt soll plötzlich das
Fiatgeld („Papiergeld“) als solches gar kein Problem sein, sondern lediglich
der Umstand, dass es sich um „gesetzliches
Zwangsgeld“ handelt? Aber das „Falschgeldsystem“
war doch eigentlich das Papiergeldsystem? Wieso ist privat produziertes
Papiergeld plötzlich KEIN „Falschgeld“
mehr?
Konsistenz ist nicht Baaders
Stärke; 2012 heißt es wiederum:
„Bei echtem Geld (Goldgeld) wäre Geld- und Zinspolitik vollständig
überflüssig.“
Hier sind Ausführung von Kristof
Berking, selber ein „Austrian“, interessant. Der hat im August 2011 als freier
Redakteur des Smart Investor Magazins das Sonderheft „Gutes Geld – Wie Geld in die Welt kommt, woran das herrschende System
krankt und was eine gesunde Geldordnung ausmacht“ herausgegeben. Das Heft
besitze ich nicht, jedoch sind das Vorwort (auch bei Amazon nachzulesen),
Inhaltsverzeichnis und - worum es hier geht - der Beitrag „Der Gold-als-Recheneinheit-Standard. Wie eine Vielzahl privater
Währungen mit einer einzigen Recheneinheit vereinbar ist“ von Berking online
verfügbar. Obwohl auch er ein irgendwie am Gold verankertes Geldsystem fordert
(worauf ich hier nicht weiter eingehe) realisiert er immerhin, dass Geld der Wirtschaft dienen und deshalb die
Geldmenge flexibel sein muss – und dass ein Goldgeldsystem im Sinne Baaders
eine Volkswirtschaft vor die Wand fahren würde. Nachfolgend die entsprechenden
Textauszüge (meine Hervorhebungen):
„[Es wird gesagt] Preisdeflation [sei] nicht grundsätzlich etwas Schlechtes. … das
ist richtig, denn wenn Güter durch eine Effizienzsteigerung der Produktion
allgemein billiger werden, wie dies in der industriellen Revolution im 19.
Jahrhundert der Fall war, so ist das nur normal und erfreulich … . ….. Aber: Es
wäre auch nicht richtig, eine Preisdeflation mutwillig herbeizuführen, indem
man die Geldmenge künstlich etwa auf die vorhandene Menge Gold fixiert, während
zum Beispiel die Weltbevölkerung wächst oder die Nachfrage nach einem
allgemeinen Tauschmittel, also Geld, aus anderen Gründen steigt …..“. ….. Wie
groß die Geldmenge sein muss, soll … allein Angebot und Nachfrage bestimmen und
nicht ein Monopol, weder durch ungedeckte Geldmengenvermehrung ….., noch durch Fixierung der Geldmenge auf einen einzigen
Rohstoff, was eine Preisdeflation künstlich verursachen könnte. Bereits
dies ist ein hinreichender Grund, die Wiedereinführung eines gesetzlichen Goldstandards abzulehnen. Es
gibt aber noch weitere Gründe. Wenn der Staat vorschreibt, dass nur Gold als
Geld zu verwenden ist, dann entsteht ….. das
Problem der Hortung. Da in einer arbeitsteiligen Wirtschaft jeder zum
Wirtschaften auf Geld angewiesen ist, wird
es für die Goldbesitzer attraktiv, das Gold zurückzuhalten ….. . ….. Da die
Verfügung über das bereits vorhandene Gold und die Goldminen heute nicht
gleichmäßig über die Welt verteilt ist, wäre es auch aus geopolitischen Gründen
bedenklich, sich der Möglichkeit zu berauben, etwas anderes als Gold als Geld
zu verwenden. ….. Vermutlich ist auch tatsächlich nicht genug Gold vorhanden, um alles Geld der Welt zu decken, ohne dass
dadurch die Kaufkraft des Goldes extrem ansteigen würde. ….. Die Geldmenge muss nach Bedarf der Menschen
und des Marktes wachsen und schrumpfen können. ….. Wie oben ausgeführt, ist
es sehr unwahrscheinlich, dass zu der realistischen, aus der Geschichte
bekannten Kaufkraft des Goldes genügend Gold vorhanden ist, um den globalen
Bedarf an allgemeinem Tauschmittel zu decken, zumal das Goldgeld in gewissem Grade auch als
Wertaufbewahrungsmittel dem
Geldkreislauf entzogen werden kann [und ebenso als Schmuck und zu
technischen Zwecken – erg. br.].“
Ergänzend zu diesem weit
ausholenden Exkurs zum Thema ‚Die Libertär-Austrians und das Geldwesen‘
verweise ich auf meinen Blott „Hat Autor nicht auch Grips beineben, kann
Leser nicht recht glücklich sein. Eine Polemik gegen Monetär-Obskurantisten,
die das Volk im Kerker der Geldirrtümer verschmachten lassen. Und welche
‚Gouverneure‘ vom Monetär-Fetischismus der Austrians profitieren“ vom
13.12.2014.
Darin hatte ich mich mit 3 Büchern
(davon 2 Gemeinschaftsarbeiten) von 5 Austrians auseinandergesetzt und deren
begriffsmagisches Denken kritisiert:
1. Thorsten Polleit [zu diesem
s. a. oben] und Michael Prollius,
"Geldreform. Vom schlechten
Staatsgeld zum guten Marktgeld"
2. Thomas Mayer, "Die neue Ordnung des Geldes. Warum wir eine
Geldreform brauchen", [Mayer
war mal Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Gleichwohl hält er die kreditäre
Geldschöpfung für ein Übel. Ihre ökonomische Ratio (Güterdeckung der
Geldemission durch „Rückleistungsdruck“!) versteht er nicht und will uns
stattdessen mit Willkürgeld „beglücken“.]
3. Philipp Bagus und Andreas Marquart, "Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher
werden ... und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen".
Nach diesem großen „Ausflug“ in
die Welt der „österreichischen“ Geld-Denke verstehen wir (hoffentlich) besser, was
Krall (und Baader) wirklich wollen: Ein Rentiers-Paradies, wo das Geld knapp
ist und sie risikolos und inflationsfrei von anderen Menschen Zinsen
abkassieren können. Für wirkliche Leistungsträger dagegen ist eine leichte Inflation kein
Problem: Als Arbeitnehmer bekommen sie Gehaltserhöhungen; als Unternehmer haben
sie ihr Geld in Fabriken investiert und können die Preise für deren Produkte
(und damit auch ihren „Unternehmerlohn) entsprechend der Inflation erhöhen.
Schauen wir uns Kralls
Vorstellungen aber im Detail an, um zu sehen, ob sie überhaupt realisierbar
wären. Er hatte gefordert, „ein
transparentes und betrugsfreies Geldsystem … etablieren“ (s. o.). Dann
fährt er fort:
(42:44) „Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Wettbewerb oder Goldstandard oder
beides. Geld muss wertstabil, nicht beliebig vermehrbar und knapp sein, sonst
ist es kein Geld, sondern ein Instrument der Beraubung durch Inflation und
Manipulationszins. Es genügt nicht, eine unabhängige Zentralbank zu haben: Der
Bürger muss sich darauf verlassen können, dass es überhaupt keine Zentralbank
gibt, die der Versuchung erliegt, Geldpolitik zu machen. Geldpolitik ist schon
per se und als Idee verwerflich.“
Obwohl beim Goldstandard die in
den Notenbanken vorhandene Goldmenge lediglich die ausgegebenen Banknoten
decken würde, und selbst die nur zu einem mehr oder weniger großen Bruchteil,
wäre er im Prinzip geeignet, die Geldmenge zu beschränken (auch wenn man die
Menge nicht im Voraus berechnen kann). Bei einem „Wettbewerbsgeld“ ist nicht
einmal das der Fall; das wäre genauso beliebig vermehrbar wie das gegenwärtig
„vom Staat“ (also den Zentralbanken) geschaffene Basisgeld und das von den
Banken geschöpfte Bankengeld. (Wobei letzteres allerdings, im Prinzip wie beim
Goldstandard, durch die Menge des Basisgeldes beschränkt ist, aber die Grenze
ebenfalls nicht vorausberechnet werden kann.)
Das „Wettbewerbsgeld“ („Free Banking“) ist ein Mythos der
Austrians. Wirklich intensive Gedanken macht sich darüber kein einziger von
denen – mit einer Ausnahme. Friedrich August von Hayek hatte 1974 einen
Vorschlag für ein Parallelwährungssystem (Konkurrenzwährungssystem) erarbeitet,
dessen Ziel eine bis auf minimale Schwankungen praktisch absolute
Geldwertstabilität ist. Das der freilich nicht so funktionieren kann, wie vom
Autor erwartet, habe ich in meinem Blott „Nobelpreis schützt vor Torheit nicht: Warum
Friedrich August von Hayeks „Denationalisation of Money“ ein ‚Design for
Disaster‘ ist“ (03.02.2017) nachgewiesen.
So sehr die „Austrians“ dem
„Markt“ huldigen: Dass Geld eine DIENENDE Funktion für die REALWIRTSCHAFT hat, und
dass folglich das Geldsystem flexibel sein muss, um sich den Erfordernissen der
REALWIRTSCHAFT anzupassen, liegt jenseits des „österreichisch-“ libertären Horizontes
(mit Ausnahmen: vgl. oben zu Kristof Berking). Deren Gesichtskreis ist rein
mikroökonomisch und beschränkt sich darauf, selber möglichst viel Geld zu
sparen und damit von anderen irgendeine Form von „Renten“ (Renditen) zu
kassieren. So sehr die „Austrians“ davon schwafeln, dass sich ‚ehrliche Arbeit
wieder lohnen müsse‘, wollen sie doch in Wahrheit nur auf anderer Leute Kosten
reich werden. Und verklären dafür z. B. auch ihre Börsenspekulationen (die
ihnen im Rahmen des derzeitigen Geld- und Ordnungsrahmens gerne gegönnt seien!)
als „Investition“ und als ‚ehrliche Arbeit‘. Nicht wenige von denen spekulieren
freilich darauf, dass Gold auf irgendeine Weise als Geld eingeführt wird und
dann gigantisch an Wert gewinnen würde. Die Kehrseite wäre eine gigantische
Deflation und eine Wirtschaftskrise von nie dagewesenen Ausmaßen.
Und dass Konkurrenzwährungen (ohne
Goldstandard) nicht beliebig vermehrbar wären, ist ein Schmarrn. Auf welche
Weise, wenn nicht ebenfalls „ex nihilo“, sollten die „freien“ Banken denn
überhaupt Geld schöpfen können? Übrigens waren es in den USA die Banken, also
„der Markt“, die auf die Einrichtung einer Zentralbank gedrängt haben (die dann
natürlich der Staat umsetzen musste) – nachdem das Land 1907 knapp an einer
(weiteren) großen Finanzkrise vorbeigeschrammt war!
Dass die Geldpolitik der
Notenbanken in den entwickelten Ländern außerordentlich erfolgreich war, hatte
ich oben schon mehrfach gezeigt: Zwischen 1945 und 2007 gab es in diesen
Ländern keine ernsthaften Finanz- und Wirtschaftskrisen, und die Krise von 2007
haben die Zentralbanken ebenfalls bewältigt. Und das gegen die Prognosen (und
sehr zum Verdruss) der „Austrians“, die ihre kruden „Lehren“ gerne durch einen
großen Crash bestätigt gesehen hätten. (Dessen bisheriges Ausbleiben ihre
gewissermaßen satanistische Erwartungshaltung jedoch keineswegs beeinträchtigt.)
Jedenfalls ist es empirisch
schlicht falsch, wenn Krall behauptet, die Geldpolitik sei erfolglos geblieben:
(43:13) „Geldpolitik ist entweder der Versuch der Beraubung des Sparers, oder
dem Wahn geschuldet, die Zentralbank könne in positiver, nicht zerstörerisch
wirkender Weise auf die Wirtschaft Einfluss nehmen, indem sie das Geld
manipuliert. Das ist ein Aberglaube, der auch nicht dadurch zur
wissenschaftlichen Wahrheit befördert wird, dass wir mit ihm aufgewachsen sind.“
In einer Wahnwelt, welche die
Fakten konstant ignoriert, leben nur der Herr Dr. Krall, die Krallokraten und
die sonstigen libertär-„österreichischen“ Monetärtheologen selber.
(43:32) „Nur ein Goldstandard mit Verfassungsrang und der Macht der Politik
entzogenen Treuhändern oder ein Wettbewerb privat organisierter Währungen, bei
der sich wahrscheinlich auch ein Goldstandard durchsetzen würde, kann dies auf
Dauer garantieren.“
Logisch, dass der Gold-Verhökerer
Krall seinen Jüngern ständig die Karotte des Goldstandards vor die Nase hält:
Auf dessen Einführung und die damit zwangsläufig verbundene gigantische
Preissteigerung ihrer Goldbestände spekulieren diese emsigen „Leistungsträger“
ja. So könnte man über Nacht und ohne Mühe richtig reich werden; dass die
Anbieter von Gütern und Arbeitskraft im Gegenzug dadurch richtig arm würden,
interessiert sie nicht: Eigene Schuld, wenn man zu dumm ist, sich auf anderer
Leute Kosten zu bereichern!
Dass in einem bloßen GoldSTANDARD fast
die gesamte Geldmenge ebenfalls „Betrugsgeld“
wäre, begreifen Krall und die anderen Austrians schon deshalb nicht, weil sie
ihre (unterschiedlichen und sogar kontradiktorischen, aber sämtlich „genialen“) Geldsysteme überhaupt nicht
tiefer durchdenken. Das gilt noch mehr für die geforderten Wettbewerbswährungen:
Hayek hat diese für wünschenswert (und möglich) erklärt, dann passt das schon.
Schließlich hat der doch einen Nobelpreis erhalten? (Dass er sich den mit
jemand anderem teilen musste und dass er ihn keineswegs für eine konkrete
wissenschaftliche Leistung erhalten hat, sondern nur in Anerkennung seines
Lebenswerkes, wird verschwiegen – und ist den allermeisten Adepten sicherlich
nicht einmal bekannt.) Eigenes kritsches Nachdenken? Fehlanzeige!
(43:44) „Damit kommen wir zum Steuersystem und zu den Aufgaben des Staates. In
Deutschland haben wir Dutzende von Steuern und Abgabenarten. Wir besteuern die
Leistungen, also Einkommen und Lohn, Gewinn und damit letztlich Fleiß.“
Nicht überraschend stellt Krall auch
Gewinne als ein Ergebnis von Leistung und Fleiß dar. Damit ist zum einen die
Zurechnung von (ggf. gigantischen) Unternehmensgewinnen auf einen oder wenige
Eigentümer genauso geheiligt, wie leistungslose Einkommen von Erben. Und
ebenso natürlich Spekulationsgewinne. Auch an dieser Stelle zeigt sich also seine
klammheimliche Gleichsetzung von „Leistungsträgern“ mit Reichen. Ob die überhaupt irgendeine eigene
Leistung für ihren Vermögenserwerb aufwenden mussten, interessiert die
Krallisten und Dagobertisten nicht: Sie streben nicht nach Erkenntnis; sie
wollen lediglich Kohle krallen. So viel wie nur irgend möglich, und diese
ungeschmälert an ihre Kinder weitergeben.
(44:13) „Am Beispiel des Tabaks wird das mit den hohen Kosten für die
Krankenkassen begründet. Aber Hand aufs Herz: Fließt etwa die Tabaksteuer in
die gesetzliche Krankenversicherung und würde eine private Versicherung nicht
viel bessere und effizientere Anreize für ein gesundes Leben im
wettbewerblichen Prozess entwickeln als der an seiner überbordenden Weisheit
erstickende Gott der anmaßenden Bürokratie?“
Krall hat Recht, dass bei der
Tabaksteuer Gesundheitsargumente für fiskalische Zwecke vorgeschoben werden.
Aber ansonsten: Private Krankenversicherungen gibt
es längst; in den USA sind die noch weiter verbreitet als hier. Haben diese
Versicherungen hüben und drüben bereits substantielle Anreizsysteme für ein
gesundes Leben entwickelt, Herr Dr. Krall? Und sind sie billiger als
Gesundheitsleistungen der Pflichtversicherung? Beides, soweit ich weiß, Nein! Und das stärker
privatwirtschaftlich organisierte US-Gesundheitssystem verschlingt
exorbitante Teile des Volkseinkommens, weitaus mehr, als unser mehr
staatlich geprägtes Gesundheitswesen. (Zum „Ausgleich“ ist es im
Gesamtergebnis ineffizienter.)
Aber auch hier gilt: Umso
schlimmer für die Fakten, wenn sie sich partout nicht ins ideologieversiffte
Weltbild einordnen wollen!
(44:33) „Das Sammelsurium der Abgaben kommt immer mit dem Mantel einer
angemaßten höheren Moral daher. Seine tiefere Motivation ist aber die Beraubung
der Leistungsträger die Verteilung der Früchte
der Arbeit unter den Faulen im korrupten Tausch gegen deren Wählerstimmen.“
„Leistungsträger“ wird, wie oben gezeigt, in der schönen neuen Krallistensprache
zur Bezeichnung für die Besitzenden. Leistungslose Gewinne sind dementsprechend
„Früchte der Arbeit“.
Die „Faulen“ sind für Krall offenbar alle Transferempfänger, denn denen
will er ja das Wahlrecht klauen. Also Arbeitslose, „Aufstocker“,
BAföG-Bezieher, Kindergeldempfänger, Kranke, Rentner, Wohngeldempfänger usw.
(44:48) „Dieser Vorgang [also die „Beraubung
der Leistungsträger“] degradiert das
demokratische Prinzip und die demokratische Wahl und macht sie zu einem Vertrag
zu Lasten Dritter.“
Auch wenn ich diese Meinung nicht
teile: Für – höhere – Arbeitsentgelte kann man das allenfalls so sehen. Aber
bei Krall besteht „Leistung“ ja schon darin, dass man Gewinne einkassiert – mit
oder ohne irgendeine eigene Leistung. Er unterstellt damit implizit, dass
Eigentümer einen quasi natürlichen Anspruch darauf haben, andere für sich
arbeiten zu lassen und die Gewinne einzusacken. Das ist nicht unproblematisch:
Unabhängig davon, dass beispielsweise ein Bill Gates sehr verantwortungsvoll
und sozial mit seinem Vermögen umgeht: Hat er wirklich seine 100 Milliarden
(oder wie viel auch immer) seiner „eigenen Leistung“ zu verdanken? Da haben
noch einige andere dran mitgeschafft. Und wenn er das (mehr theoretische)
Risiko eines totalen Vermögensverlustes getragen hat: Die Arbeitnehmer hatten
das sehr viel größere Risiko eines Arbeitsplatzverlustes.
Im Eintrag
„Redistribution” (also "Umverteilung") der
Stanford Encyclopedia of Philosophy formuliert der Autor in seiner „Conclusion“ denselben Einwand (meine Hervorhebung):
“….. couching discussions of
distributive justice in terms implied by
redistribution smuggles in associations of forceful takings and rights
infringements ….. . Moreover, focusing on the permissibility of ‘helping’ and
‘aiding’ poorer people through ‘redistributive’ transfers seems tacitly to accept the existing distribution of
holdings as a morally unproblematic benchmark. This focus will tend to
privilege the status quo, and foster resistance to more egalitarian social
arrangements.”
Auf den
Punkt gebracht: Die Verwendung des Begriffs „Umverteilung“ gibt der Debatte von vornherein einen negativen Drall
(„Framing“), weil sie die
Assoziation des Wegnehmens und der Verletzung von (Eigentums-)Rechten
heraufbeschwört.
Indem man
die Debatte auf die „Zulässigkeit“ von „Transfer-“Leistungen einschränkt,
blendet die Frage nach der Legitimität der jeweils präexistenten Vermögens-(und
Einkommens-)Verteilung aus.
(44:54) „Er [der Vorgang, also die angebliche „Beraubung der Leistungsträger“] ersetzt
die Demokratie durch eine Ochlokratie.“
Der Wikipedia-Eintrag erklärt
zum Stichwort „Ochlokratie“: „Der Begriff wurde durch den Historiker
Polybios … in die antike griechische Staatstheorie eingeführt. In seinem
Verfassungskreislauf stellt er die Ochlokratie als Verfallsform oder
‚Entartung‘ der demokratischen Staatsform dar. Dabei geht die Orientierung am
Gemeinwohl verloren, stattdessen bestimmen Eigennutz und Habsucht das Handeln
der Bürger.“
Legt man diese Definition zu
Grunde, dann sind es im Gegenteil die habsüchtigen Krallokraten, welche eine Ochlokratie anstreben. Womit
sie die von Polybios postulierte zeitliche Abfolge perfekt bestätigen würden. (Aber für die Krallisten sind natürlich
nur die Armen habsüchtig; sie selber und die Reichen haben’s ja – und
selbstverständlich alles irgendwie ausschließlich aus eigener Leistung
geschaffen.)
(44:59) „Das Ergebnis ist, dass die Steuern und Abgaben viel zu hoch sind und
mit knapp 1,4 Billionen Euro über 40 Prozent der Wirtschaftsleistung
abschöpfen.“
Im Bereich der ABGABEN kommt es
nur bedingt zu einer Umverteilung. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung geschieht
das allenfalls geringfügig. In der Krankenversicherung kommt es tatsächlich zu
einer „Umverteilung“, weil die Beiträge für jeden in gleicher Höhe erhoben
werden, sondern nach Arbeitseinkommen – und trotzdem alle das gleiche
Schutzniveau haben. Wenn Krall diese Solidarkasse abschaffen will, muss er sich
fragen lassen, ob er überhaupt auch für diejenigen, die wenig verdienen, eine
Krankenversicherung mit vollen Leistungen vorsieht. Und, wenn ja, wer das
bezahlen soll. Das wäre dann eine „Transferleistung“ – und somit wäre dieser
gesamte Personenkreis schon mal vom Wahlrecht ausgeschlossen, weil er ja bei
anderen – Versicherten oder Steuerzahlern – ‚schmarotzt‘. Diese Frage stellt
sich dann nicht nur für Arbeiter und Angestellte, sondern auch für wenig
verdienende Beamte. (Die Frage des Lastenausgleichs für Familien stünde ebenfalls im Raum; die klammere ich aber hier mal aus.)
Und pikanter Weise sind ausgerechnet
diejenigen, die Krall als (tatsächliche und angebliche) „Leistungsträger“
schützen will, aufgrund von Pflichtversicherungsgrenzen bzw. mangels
Beitragspflicht (Krankenversicherung) von dieser Umverteilung ohnehin weitestgehend
ausgenommen.
Vor allen Dingen wäre die
Abschaffung der Sozialabgaben für die Beitragspflichtigen insgesamt ein
Nullsummenspiel: Sie müssten sich dann ja privat versichern. Das wär mit
allerhöchster Wahrscheinlichkeit sogar weitaus teurer, denn „Bürokratie“
gibt es, notwendiger Weise, nicht zu
knapp auch im privaten Wirtschaftssektor. Auch wenn sie dort „Verwaltung“
(„Verwaltungskosten“) heißt. Gewinne sowie Kosten für Werbung kommen hinzu. Bei der Altersvorsorge müssten private Versicherungen zudem ein großes "Schwankungspolster" für konjunkturelle Achterbahnfahrten einbauen.
(45:06) „Zunächst müssen daher alle Steuern ersatzlos abgeschafft, werden, die
den Anreiz zur Leistung mindern. Das betrifft die Einkommensteuer, die
Abgeltungssteuer den Solidaritätszuschlag, die Reichensteuer, die Lohnsteuer,
die Gewerbesteuer, die Körperschaftssteuer und die Kirchensteuer. Das sind 427
Milliarden Euro ….. jährlich. (45:26) Zweitens müssen alle Bagatellsteuern und
Willkürsteuern abgeschafft werden, ….. . Das sind die Biersteuer, die Steuern
auf Kaffee, den Luftverkehr, Wetten und Glücksspiel, und den Schaumwein vulgo
Sekt, und das sind weitere fünf Milliarden Entlastung.“
Die jährlichen Steuereinnahmen
beliefen sich in Vor-Corona-Zeiten auf ca. 800 Mrd. €. Krall will diese um ca.
430 Mrd. € reduzieren; es würden somit nur noch ca. 370 Mrd. € FÜR ALLE
STAATLICHEN EBENEN verbleiben. Die würden aus Verbrauchssteuern (und Zöllen)
finanziert. Davon wären die Unterschichten in doppelter Hinsicht
überproportional betroffen:
- Vom Wegfall der direkten Steuern profitieren sie relativ wenig bis gar nicht, weil sie absolut und prozentual zum Einkommen wenig oder gar keine Einkommensteuern gezahlt haben.
- Die Verbrauchsbesteuerung belastet diejenigen Schichten, die mehr oder weniger ihr gesamtes Einkommen wieder ausgeben müssen, proportional stärker als diejenigen, welche den größten Teil ihres Einkommens sparen.
Das sagt er zwar nirgends; und
wenn man sich auf den Ausdruck „Steuern“ kapriziert, stimmt es auch nicht.
Aber indem er das Schulwesen und
die Infrastruktur vollständig oder weitestgehend privatisieren will, sollte
klar sein, dass die Bürger die insoweit benötigten Leistungen zukünftig bei den
privaten Eigentümern KAUFEN müssen. Das nennt man dann zwar nicht
„Besteuerung“; vom Ergebnis her läuft es jedoch darauf hinaus, dass ein substantieller
Teil der entfallenen Steuern dann in anderer Weise bei den Bürgern als Kosten
anfallen würden. Darüber spricht Krall nicht; er will ja schließlich seine
Anhänger einlullen und nicht mit irgendwelchen Kosten-Nutzen-Analysen
langweilen: Hat Jesus auch nicht gemacht; und in beiden Fällen sind die
Anhänger davon überzeugt, dass ihr Messias sie ins Himmelreich führen wird.
Es ist natürlich ein Märchen, dass
die Besteuerung von Kapitalerträgen irgendeine LEISTUNG ver- oder behindern
würde. Doch mochte der Redner sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen,
seinen Hörern wieder einmal das Mantra der Kapitalinteressen unterzujubeln,
wonach sogar das Couponschneiden eine „Leistung“ sei!
Jenseits aller sozialen
Überlegungen zur relativen Verteilung der Steueraufbringung wäre eine
Höherbelastung der Bessergestellten selbst dann eine Frage der Gerechtigkeit, wenn man diese auf eine Kosten-Nutzen-Betrachtung beschränken wollte.
Wer mehr hat,
profitiert stärker von der inneren und äußeren Schutzfunktion des Staates und
von der Gewährleistung von Rechtstaatlichkeit. Von daher ist es nur recht und
billig, wenn diese Kreise auch höher besteuert werden. Das ist bei einem allein
aus Verbrauchssteuern finanzierten Fiskus nicht der Fall. Zwar darf man
typisierend unterstellen, dass die Wohlhabenden in absoluten Beträgen auch mehr
Geld für ihren Konsum ausgeben als die Ärmeren. Aber das tun sie nicht
notwendig in jenem Lande, aus dem sie ihre Profite ziehen. Vielmehr werden sie
lustig um die Welt reisen und ihr Geld in fernen Ländern lassen. Während daheim
die Arbeitssklaven nicht nur für sie „anschaffen“ sollen, sondern auch noch die
Staatsausgaben überproportional finanzieren, die den Reichen jedenfalls beim Besitzschutz mehr als den anderen zugutekommen.
Mit seiner Forderung nach
Abschaffung der Kirchensteuer beweist sich wieder einmal die Strategie von
Krall & Co., sämtliche gesellschaftlichen Leistungen möglichst für lau mitzunehmen.
Als „treuer und gläubiger katholischer Christ“ benötigt
er die Dienstleistungen dieser Kirche zwar ganz persönlich. Darüber hinaus
benötigt er sie ideologisch
zur metaphysischen Grundlegung von Eigentum: sozusagen im Bündnis von
Tresor und Altar. Aber bezahlen will er dafür nichts, oder allenfalls Pfennige.
Sein gesamtes Sinnen und Trachten ist darauf gerichtet, seine Mitmenschen maximal
auszubeuten. DAS ist auch sonst sein Verständnis von „Freiheit“ und
„Demokratie“: Eine faktisch fast ungehinderte Ausbeutungsmöglichkeit der
Arbeitenden durch die Besitzenden! Denn wer kann bezweifeln, dass Krall das,
was er mit den Politikern und mit seinen Gottesdienern vorhat, auch gegen die
Arbeitnehmer umsetzen will? Denen einfach nur die Sozialleistungen
weitestgehend zu entziehen, reicht den Krallisten noch lange nicht: Die würden,
wenn man sie denn ließe, nicht eher ruhen, bis sie ihren Sklavenstaat nach
antikem Muster verwirklicht hätten. Oder zumindest den Frühkapitalismus wieder
eingeführt hätten.
(45:40) „Abgeschafft werden sollte auch der Rundfunkbeitrag, denn der Staat
braucht keinen sozialistischen Propagandaapparat. Das bringt dem Bürger
geschlagene weitere 9,1 Milliarden Euro zurück.“
Ich bin selber alles andere als
ein Freund derjenigen, die ich häufig als „GEZ-Gebühren-Gier-Ganoven“
bezeichne. Eine komplette Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks würde
allerdings nur der Krallokratie in die Hände spielen: Es läge dann völlig im
Ermessen der Kapitalbesitzer und damit der Eigentümer der Informationsmedien,
mit welchen Informationen sie das Volk versorgen und welche sie ihm
vorenthalten möchten. Von den sonstigen Möglichkeiten der Propaganda und
Gehirnwäsche ganz abgesehen.
Was die Einnahmen aus den
Rundfunkbeiträgen angeht, belaufen sich diese m. W. für 2019 auf ca. 8 Mrd. €. Bei
dem Betrag von 9,1 Mrd. € hat Krall vermutlich die Werbeeinnahmen der Sender
eingerechnet, was natürlich falsch ist.
(45:54) „Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sollten
privatisiert werden, das wird effizienter und besser funktionieren als das Monster der Sozialstaatsbürokratie und eine bessere
Leistung mit einem Bruchteil der Kosten zur Verfügung stellen.“
Diese Tirade gegen den Sozialstaat
basiert auf einer frei zusammenphantasierten Fata Morgana. Faktenferne
Schmähworte („Monster der
Sozialstaatsbürokratie“) sollen über fehlende (und tatsächlich auch gar
nicht erbringbare) Substantiierungen hinwegtäuschen.
In Wahrheit sind private
Krankenversicherungen deutlich teurer als die gesetzliche KV; auf das Negativbeispiel
USA hatte ich bereits hingewiesen. Und der Akquise- und Verwaltungsaufwand
privater Vorsorgesysteme ist prozentual weitaus höher, als die außerordentlich
kostengünstig arbeitende gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland. Man
darf aber im Krall-Klüngel nicht wenige Versicherungsvertreter vermuten, die
sich naturgemäß weniger für das Volk interessieren als dafür, wie sie ihre
Provisionen mehren können.
Gegen eine Privatisierung der
Altersvorsorge, die dann nur in Form eines „Kapitaldeckungsverfahrens“ erfolgen
könnte, spricht zudem die Tatsache, dass die Zinsen schon jetzt gegen Null
gehen. Und dass sie sogar NOCH WEITER SINKEN würden, wenn die Bürger für ihre
Altersvorsorge privat sparen müssten: Weil dadurch das Angebot von Ersparnissen
immens steigen würde. (Geht man vom bisherigen Volumen aus, um weit über 200
Mrd. € jährlich!) Dieser Zusammenhang nennt sich „Marktmechanismus“. Umso
schlimmer für den Markt, wenn die makroökonomischen Wirkzusammenhänge anders
funktionieren, als sie das nach den mikroökomischen Vorstellungen der libertären Intelligenzija
müssten!
(46:05) „Das Maß der persönlichen Vorsorge sollte im Ermessen des Einzelnen
liegen. Er bezahlt, also ist auch mündig genug, das selbst zu entscheiden. Das
reduziert die Abgabenlast von Bürgern und Unternehmen um weitere 564 Milliarden
Euro. Mehr als eine halbe
Milliarde Euro wird so für die private Daseinsvorsorge entfesselt.“
„Ermessen“ klingt wunderbar freiheitlich; dass dann freilich bei der
Kranken- und Pflegeversicherung ein Kleinverdiener genauso viel bezahlen müsste
wie die Gutsituierten, verschweigt Krall. Tatsächlich geht es ihm gar nicht
darum, „die“ Bürger von Lasten zu befreien: Sondern den Bessergestellten noch
mehr Geld zuzuschanzen und die „Kleinen“ noch mehr zu rupfen.
Wenn freilich die Gierschlünde
ihre Hälse ums Verrecken nicht voll genug kriegen könnten, dann könnte es eines
Tages passieren, dass die anderen, die Opfer, ein wenig an diesen Hälsen zu
drehen beginnen. Eben das prognostiziert der US-Milliardär Nick Hanauer in
seinem eindringlichen Appell „Beware, Fellow Plutocrats, The Pitchforks Are
Coming“ (hier wohl Text
der Video-Inhalt als ausgedruckter Text). Seine sozioökonomische Weltsicht bezeichnet Hanauer als „middle-out economics“ (meine
Hervorhebung): Middle-out economics
rejects the old misconception that an economy is a perfectly efficient,
mechanistic system and embraces the much more accurate idea of an economy as a complex ecosystem made up
of real people who are dependent on one
another.”
Ich halte es für wahrscheinlich,
dass Kralls libertäre Rafferpropaganda AM ENDE eher den Boden für mehr
Sozialismus bereitet (weil sie einen berechtigten Hass bei den breiten Massen
auslöst) und somit geradezu kontraproduktiv wirkt. Dazu noch einmal die Warnung von Nick Hanauer: “Dear 1%ers, many of our fellow citizens are starting to believe that
capitalism itself is the problem. I disagree, and I’m sure you do too.
Capitalism, when well managed, is the greatest social technology ever invented
to create prosperity in human societies. But capitalism left unchecked tends
toward concentration and collapse. It can be managed either to benefit the few
in the near term or the many in the long term”. Auch in
den USA haben immer mehr Bürger die Schnauze voll von einer Gesellschaft, die
immer undurchlässiger wird und die die Eltern als „Humankapitalsparer“ maximal
ausbeutet, damit die Sachkapitalsparer maximalen Nutzen aus dem arbeitenden
Volk ziehen können.
Mit seiner Ankündigung, auch die „Abgabenlast“ der Unternehmen würde sich
verringern, verrät Krall seine Absicht, die Arbeitgeberanteile zu den
gesetzlichen Sozialversicherungen zu streichen. Folglich will er die
Arbeitnehmer um diese Anteile prellen. Danke für diese Aufrichtigkeit, Herr Dr.
Krall!
„Entfesselt“ würde in der Krallokratur nur eines: Die Kreativität
der „freien Wirtschaft“, sich von diesem Kuchen möglichst dicke Scheiben
abzuschneiden. Dummerweise stünde den privaten Versicherern dafür jedoch nur der HALBE „Kuchen“ zur
Verfügung; die Arbeitgeberanteile will Krall den Arbeitssklaven ja krallen.
(46:24, meine Hervorhebung) „Die Zahlung der bestehenden Rentenansprüche
sollte grundlegend reformiert werden. Da das System darauf beruht, dass jeder glaubt, anderer Leute Kinder würden
im Zuge des sogenannten Generationenvertrages seine Rente bezahlen, sollten
auch nur diejenigen eine volle gesetzliche Rente beziehen, die ihre
Funktionsvoraussetzungen erfüllt und mindestens zwei Kinder bis zum Ende der
Ausbildung großgezogen haben. Was da noch verbleibt, sollte aus
einer privat geführten Rentenkasse gezahlt werden, die mit einer
Totalprivatisierung aller staatlichen Vermögenswerte aufgefüllt wird.“
Nur Einfaltspinsel und skrupellose
Gauner glauben bzw. wollen ihren uninformierten Mitbürgern weismachen, dass die
Erträge im Kapitaldeckungsverfahren von der Anzahl der ‚Kinder‘ [genauer: der
Arbeitskräfte; aber das sind ja, wenn Einwanderung ausschließt, die früheren
Kinder] in einer Gesellschaft unabhängig seien. Das ist ökonomischer
Schwachsinn in Potenz: Vielmehr benötigen BEIDE Renten-Finanzierungswege (also Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren) eine ausreichende Anzahl von
Arbeitskräften und damit von früheren ‚Kindern‘. (Vgl. dazu näher meinen Blott
„Rentendebatte: Lug und Trug der
KDV-Klinkenputzer“ vom 06.03.2020.) Freilich würde ein
Eingeständnis, dass auch das KDV auf „anderer
Leute Kinder“ angewiesen ist, offenlegen, dass eben nicht „das Geld“
arbeitet: Sondern Menschen. Die für eine erfolgreiche Arbeit in einer modernen
Wirtschaft natürlich Maschinen usw., also Realkaptal, benötigen. Welche jedoch
ihrerseits überhaupt nur im Zusammenspiel mit „Humankapital“ Erträge liefern
können und somit nur dadurch einen Wert bekommen. Die Kapitalbesitzer haben
aber natürlich jedes erdenkliche Interesse daran, ihr Angewiesensein auf
„Humankapital“ maximal zu vernebeln.
Recht und Gesetz gelten für Krall offenbar
nur dann, wenn es um die Belange seiner eigenen Klientel geht. Kinderlosen
Rentnern will er die rechtlich bestehenden Ansprüche kurzerhand streichen. Das
ist ein skrupelloser Eingriff in bereits BESTEHENDE RENTENANSPRÜCHE, die nach
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen eigentumsähnlichen
Charakter haben (begründet durch die früheren eigenen Beitragsleistungen).
Wollte der Staat die BESITZENDEN derart berauben, wäre das für Krall ein
unerhörtes Sakrileg. Kein Problem hat er mit einem solchen Diebstahl dann, wenn
es um die Arbeitssklaven geht. So müsste z. B. ich als Kinderloser mir mit meinen 74 Jahren in der
schönen neuen Welt der Krallokratie eine Arbeit suchen,
weil ich keine oder lediglich eine drastisch geminderte Rente bekäme. Ob er die
Rentner zu den „Transferempfängern“ rechnet, weiß ich nicht. Aber insoweit, als
Rentner mit weniger als 2 Kindern im Krallokraten-Kosmos ggf. auf Sozialhilfe
angewiesen wären, wären sie dann auf jeden Fall solche und somit
praktischer Weise vom Wahlrecht und damit von der politischen Mitbestimmung
ferngehalten.
(46:55) „Post, Bahn, große Teile der Verwaltung, Immobilien, Wald- und
Grundbesitz, Industriebeteiligungen, Sparkassen, Landesbanken, Infrastruktur,
Straßen, Häfen, Flughäfen, Autobahnen Lizenzen, und andere Vermögenswerte
werden meistbietend privatisiert, um das zu finanzieren. So wird die nächste
Generation von der Last eines unerfüllbaren Generationenvertrages befreit, den
sie ohnehin nie unterschrieben hat.“
Von dieser Last sind sie
mitnichten befreit. Jedenfalls die nach dem Krall-Cut noch verbleibenden
Altansprüche an Renten würden faktisch aus neuen „Privatsteuern“ finanziert.
Aufgrund der von Krall für die Bezahlung der Altrenten vorgesehenen Privatisierung
von Staatseigentum müssten die Bürger für vorher mautlose Verkehrswege usw. Benutzungsgebühren
entrichten, was einer Besteuerung wirtschaftlich gleichkommt. [En passant: Genau das ist
übrigens auch das Problem bei bzw. der Trick hinter den propagandistisch
hochgejubelten „Public-Private-Partnerships“: Im Ergebnis sind diese nichts
anderes als eine versteckte Kreditaufnahme des Staates, die von den Bürgern mit
versteckten „Privatsteuern“ finanziert wird.]
Ich glaube nicht, dass Krall diese
Zusammenhänge vorsätzlich verschweigt: Er denkt schlicht nicht so weit. Das
macht die Sache für ihn natürlich nicht besser; es entlarvt seine hämischen
Tiraden gegen die Politik(er) als das, was sie sind: Dümmlich-arrogantes
Gefasel eines Menschen, welcher die Welt ausschließlich aus seiner
Froschperspektive als Goldhöker wahrzunehmen vermag.
Ganz unabhängig von seinem o. a.
Finanzierungsweg für Altansprüche ist Kralls Behauptung, dass die arbeitende
Generation durch den Wegfall des Umlageverfahrens von der Rentenlast befreit
wäre, ein Schmarrn. Vielmehr ist es IMMER diese Generation, die dasjenige
erarbeiten – und, auf welche Weise auch immer, „abgeben“ - muss, was die Alten
verbrauchen wollen. Vom ökonomischen Gesamtergebnis her unterscheiden sich
daher Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren gar nicht. Klassisch formuliert ist
dieser Sachverhalt in der berühmten „Mackenroth-These“. Die kennt Krall offenbar nicht bzw.
glaubt, dass die freie Marktwirtschaft die Flüsse bergauf fließen könnte, wenn
nur der böse Staat sie nicht an solchen Wundertaten hindern würde.
(47:12) „Die Kernaufgaben des Staates bestehen in der Sicherung der Freiheit des
Einzelnen als freier Teilnehmer am gesellschaftlichen, sozialen und
marktwirtschaftlichen Geschehen und der Gewährleistung von innerer und äußerer
Sicherheit.“
Das Ideal von Krall und der hinter
ihm stehenden Kapitalinteressen ist also das, was man im 19. Jahrhundert als „Nachtwächterstaat“
bezeichnete. Der soll sich im Wesentlichen gefälligst darauf beschränken, die
Beute der Krallokraten nach innen und außen zu schützen und eine weitgehend
ungehinderte Ausbeutungsfreiheit der Arbeitssklaven zu garantieren.
(47:23) „Er [der Staat] darf auch eine
soziale Komponente haben, die sich aber auf die wirklich Bedürftigen, nicht die
lautstarken Faulen konzentriert.“
Die gnädige Herrschaft überwindet
sich wahrhaftig, dem einen oder anderen armen Hund gelegentlich mal eine
Brotkruste hinzuschmeißen!
Wer freilich die „wirklich
Bedürftigen“ einerseits und wer die „lautstarken Faulen“ andererseits sind:
Darauf bleibt Krall die Antwort schuldig. Die ergibt sich freilich schon aus
seinem Gesamtkonzept, den Sozialstaat komplett abzuschaffen und nur eine
„Armenfürsorge“ nach Art der frühen Neuzeit (und bis in die Kaiserzeit) zu
dulden. Im Zweifel sind die Antragsteller „Faule“ – damit es nicht zu teuer
wird.
(47:31) „Der Staat darf auch kritische Infrastruktur entwickeln, die zur inneren
und äußeren Sicherheit beiträgt. Aber für all das zusammen braucht ein
funktionierender Staat nach historischer Erfahrung maximal 15 Prozent der
Wirtschaftszeitung des Landes. Er wendet sie im Wesentlichen auf für
Verteidigung, Innere Sicherheit und Justiz.“
Was eine „kritische“ Infrastruktur sein soll, weiß ich nicht. Wahrscheinlich
Polizeipräsidien, Kasernen; Truppenübungsplätze und dergleichen. Denn das, was
man normaler Weise unter „Infrastruktur“ versteht, soll der Staat ja an die
Privatwirtschaft verscherbeln? Jedenfalls geht es auch hier um die Sicherung des
Eigentums der Kapitalbesitzer, nicht um irgendeine ökonomische Infrastruktur.
Beim historischen Staatsanteil
des BIP bezieht sich Krall wohl erneut auf das Deutschland der
Kaiserzeit. Das ist absolut willkürlich: Zu anderen Zeiten hat der „Staat“
zweifellos noch weniger verbraucht. Dass sich aber seither die
Komplexität der Gesellschaft enorm erhöht hat und dadurch auch das
Staatshandeln komplexer und entsprechend kostenaufwändiger werden musste: Dafür
lässt Kralls Traum keinen Raum.
(47:49) „Die Justiz kann durch eine radikale Reduzierung der Gesetze und
Regulierungen verschlankt und entlastet werden. Ihre
Hauptaufgabe ist nicht das Miet- oder das Arbeitsrecht, sondern die Sicherung
der Vertragsfreiheit und die Durchsetzung von Verträgen, sowie der Schutz der
Menschen vor Verbrechen.“
Logo: Für Krallokraten ist es ganz
und gar nicht die Aufgabe der Justiz, Verbraucher, Arbeitnehmer oder Mieter zu
schützen. Nur beim Börsenrecht, Banken-Beratungsrecht usw.: Da sehen die das
mit Sicherheit anders. Aber ansonsten gilt: Haie an die Front; juristische
Grenzschützer abziehen!
Natürlich: Für die Durchsetzung
von Verträgen dürfte ihm die Justiz immer dann gut genug sein, wenn es um Kapitalinteressen geht. Jedenfalls in seiner Theorie.
Doch wehe, ein cleverer Kapitalist hätten ihn selber, in der Rolle des gutgläubigen
Verbraucher, über den Tisch gezogen (und seine eigenen Reformen hätten ihn des Schutzes der Gesetze, etwa des AGB-Rechts, beraubt): Da wäre sein Wehklagen und Beklagen von "Ungerechtigkeit" groß!
Nicht bestreiten will ich freilich,
dass es der Staat, und obendrauf noch die Rechtsprechung, mit dem Schutz der
„Underdogs“ gelegentlich übertreiben. Aber Krall geht es nicht um die Korrektur
von Auswüchsen: Solchen Leuten passt die ganze Richtung nicht.
(48:03) „Dazu [also zu den Staatsaufgaben] kommt Infrastruktur und Soziales, und auch ein schlanker Staat muss den
Schwachen helfen und denen, die unverschuldet in Not kommen und sich nicht
selbst helfen können. Das betrifft vor allem alte und behinderte Menschen. Und
alles, was sozial ist, findet aber dann in den Kommunen statt und wird von den
Bürgern vor Ort entschieden.“
Konsistent ist das nicht: Eben
noch wurde die Infrastruktur meistbietend verscherbelt (und der Staat sollte
nur noch „kritische“ Infrastruktur, zu Sicherheitszwecken) entwickeln dürfen.
Plötzlich ist er doch wieder ganz allgemein für die Infrastruktur zuständig?
Alte Menschen sollten keiner
besonderen Sozialleistungen bedürfen: Für deren Absicherung ist schließlich die
Rente da. Ach so: Bei Krall entfällt ja der Arbeitgeberanteil; dadurch ist
Altersarmut en masse garantiert. Zusammen mit der zugehörigen politischen
Entrechtung. Sozialleistungen für Behinderte: Ja, die braucht es in der Tat.
Aber was ist mit Arbeitslosen?
Sind die Schuld daran, wenn plötzlich ihr Arbeitgeber pleitegeht?
Will er die gesetzliche Unfallversicherung privatisieren? Kontrollieren die
Privatversicherungen dann auch die Betriebe wegen Einhaltung der
Unfallverhütungsvorschriften? Und wer erstellt diese? Entfällt die gegenwärtige Freistellung des Arbeitgebers von allgemeinen Haftungsansprüchen?
Was ist mit der
Krankenversicherung, die für weite Teile der Arbeitnehmer unbezahlbar wird,
weil dann a) jeder denselben Beitrag
entrichten muss und b) der
Arbeitgeberanteil auch dort entfällt? (Entsprechend für die
Pflegeversicherung.)
Und Verbrechensopfer? Nimmt man
auch denen das Wahlrecht weg, wenn sie wegen eines Verbrechens auf
Sozialleistungen angewiesen sind?
Welche „Umverteilung“ bezahlen nur
die Versicherten, obwohl die eigentlich eine Aufgabe der Gesamtgesellschaft wären
(z. B. familienbezogene Leistungen)?
Sind Zahlungen für Familien überhaupt
„Sozialleistungen“?
(48:25) „Schließlich die Verwaltung: Der schlanke Staat braucht höchstens
100.000 Beamte, die ihn verwalten und nicht X Millionen.“
Weil es Krall um die
Personalkosten geht muss man unterstellen, dass er das Wort „Beamte“ im
umgangssprachlichen Sinne verwendet, also für ALLE Staatsbediensteten
(rechtlich: Beamte – nur ca.
35%! -, Angestellte und – falls es die überhaupt noch gibt – Arbeiter sowie
Soldaten). Deren Gesamtzahl beläuft sich in Deutschland auf ca. 4,8 Millionen. Davon
sind lediglich ca. 500.000 beim Bund beschäftigt; da Krall von X Millionen
spricht, meint er also den Gesamtstaat.
Allein beim Bund sind knapp
300.000 in der Bundeswehr (knapp 240 Tsd.) sowie im Bereich Öffentliche
Sicherheit und Ordnung (gut 50 Tsd.) tätig. Der Polizeiapparat (Länderebene und Bundespolizei) beschäftigt knapp
330.000 Personen. Die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher
(kommunale Ebene) beläuft sich auf gut
230.000. Einige hunderttausend Personen dürften im Justizbereich arbeiten
(Staatsanwaltschaften, Gerichte, Gefängnisse). Auch von denen werden sich nur
relativ wenige (etwa die Finanzgerichte) einsparen lassen.
Nachdem Krall diese Bereiche ja
nicht wegfallen lassen will (eher wird man sie in der Krallokratie noch
ausbauen), erweist sich die Behauptung, der Staat brauche höchstens 100.000
Beamte, als purer Unsinn. Selbst wenn es nur um die Verwaltung im engeren Sinne
geht, ist diese Zahl ein Phantasieprodukt. (Und ohnehin gibt es davon nicht „X
Millionen“; dieser Wert errechnet sich nur, wenn man ALLE Staatsbediensteten
einbezieht.)
Deutschland hat knapp
11.000 Gemeinden. Setzt man als Durchschnittswert für alle – großen
und kleinen – Kommunen 10 Personen für die reine Verwaltung an, sind die
100.000 schon überschritten. Und dazu kommen noch Bund und Länder. Dabei man
unterstelle ich, dass die Zwischenebenen – Landkreise und Regierungsbezirke –
im Lande Krallistan abgeschafft werden. Allerdings würden auch dort Aufgaben
verbleiben und müssten diese Bedienstete auf Landes- oder Gemeindeebene
weiterarbeiten.
Adam Riese hätte also keine Freude
an den Rechenkünsten des Herr Dr. Krall. Hoffen wir, dass er besser rechnen
kann, wenn es um das Goldhandelsunternehmen geht, dessen Geschäfte er führt.
Sonst hat der Eigentümer keine Freude an ihm.
Die Sozialversicherungen
beschäftigen ca. 2,4
Mio. Menschen. Deren Abschaffung (als staatliche Einrichtungen)
sowie die Entlassung der Beschäftigten des Schul- und Hochschulwesens (zusammen
gut 1,5
Millionen!) durch Privatisierung wäre natürlich nicht mit einem Wegfall der
Kosten verbunden: Die müssten dann privat bezahlt werden, von arm und reich
gleich. Und wären, weil Private Gewinne erzielen wollen sowie im Wettbewerb für ihr Unternehmen werben müssen, mit großer Wahrscheinlichkeit sogar höher
als bisher.
Kralls „Kostensenkungsprogramm" ist
in diesem Bereich also ebenso wirksam wie das
Verfahren von Till Eulenspiegel. Der hatte einstmals einen fetten
Beraterauftrag erhalten, um die Kosten eines Nürnberger Spitals zu senken. Er
drohte den Kranken, dass er den Kränksten verbrennen werde, um aus ihm einen
Extrakt zur Heilung der anderen zu gewinnen. Natürlich rannten alle
schnellstens weg; drei Tage später aber war das Spital so voll wie zuvor. Till
Eulenspiegel hatte jedoch sein fürstliches Beraterhonorar bereits kassiert und
sich aus dem Staube gemacht. (Auf ähnliche „geniale“ Weise „sanierte“ der
Magier Cagliostro gegen Ende des 18. Jahrhunderts vorübergehend ein Straßburger
Spital.)
(48:42) „Diese ganz große Steuerreform wird nämlich die Existenz von
Finanzämtern überflüssig machen.“
Somit können nur noch
Verbrauchssteuern erhoben werden; damit werden, wie ich oben bereits schrieb,
diejenigen überproportional besteuert, die ihr gesamtes Einkommen verbrauchen
(müssen). Und die Besitzenden entlastet. In der Tendenz erfolgt die
Versteuerung dann nicht mehr nach Leistungsfähigkeit, sondern geht in Richtung
einer für alle gleichen Kopfsteuer.
(48:47) „Die verbleibenden indirekten Steuern können über eine zentrale
Finanzverwaltung digital administriert werden.“
Das können sie nur dann, wenn das
Bargeld abgeschafft ist und das gesamte Geldwesen digitalisiert ist – was Krall
mit Sicherheit NICHT will.
(48:52) „Die in jeder Stadt
stehenden Zwingburgen mit dem Namen Finanzamt werden dichtgemacht und
abgeschafft. Bei dieser Gelegenheit sollten alle Akten vernichtet werden, die
der Staat in Jahrzehnten der Schnüffelei beim Bürger angesammelt hat. Alle
Einkommensteuerakten, alle Daten über die Steuerbarkeit von Leistungen, die der
Bürger erarbeitet hat, alles, was der Schnüffelstaat über Einkommen und
Vermögen jedes einzelnen Bürgers weiß, bis auf die letzte Seite, auf den
letzten Datensatz und Aktenschrank, bis zum letzten bit & byte geschreddert
vernichtet gelöscht und aus dem institutionellen Gedächtnis der Nation
entfernt. Tabula rasa des Raubstaats, das größte Osterfeuer der Geschichte. Die Verfassung sollte zudem festlegen, dass der Staat solche Daten nicht haben, nicht erheben, nicht erschleichen und nicht speichern darf."
Unter „Leistungen, die der
Bürger erarbeitet hat“ subsumiert Krall hier kurzerhand die Kapitalerträge –
die ANDERE für einige Bürger erarbeitet haben (welche teilweise auch selber
dafür gearbeitet haben, zu großen Teilen aber auch nicht).
Eine „tabula rasa des Raubstaates“ wäre das nur dann, wenn die indirekte
Besteuerung kein „Raub“ (im Sinne der libertären Terminologie) wäre. Aber warum
sollte das so sein?
Die Besitzenden (und nur scheinbar auch
die Arbeitnehmer, denen die Abschaffung der direkten Steuern im Endeffekt
jedoch schadet) sollen durch die Abschaffung der Finanzämter auf alle Ewigkeit
davor behütet werden, durch direkte Besteuerung einen angemessenen Anteil zur
Staatsfinanzierung beitragen zu müssen.
(49:39, meine Hervorhebung) „Wie verschlanken wir dann die Verwaltung, um
mit diesem Programm Schritt zu halten? Da der Fisch immer vom Kopf her stinkt,
muss man auch dort anfangen. Die Reduzierung
der Ministerien auf vier: Inneres und Justiz, Äußeres, Verteidigung und
Finanzen, und die Liste der Ministerien, die wir nicht mehr brauchen, ist
dafür umso länger. Das Wirtschaftsministerium geht im Finanzministerium auf; das
Justizministerium geht im Innenministerium auf und beschränkt sich auf die
Zuarbeiten zur inneren Sicherheit.“
Welche Funktion soll in einem
Minimalstaat, bei dem die private Marktwirtschaft sowieso alles bestens regelt,
ein Wirtschaftsministerium eigentlich noch haben? Die geplante Beschränkung der
Aufgaben des (ins Innenministerium integrierten) ehemaligen Justizministeriums
auf „Zuarbeiten zur inneren Sicherheit“
zeigt, dass Krall mit einem Rechtsstaat, so, wie wir ihn heute verstehen, nicht
viel am Hut hat. Wer kümmert sich um die obersten Bundesgerichte, wer
beispielsweise um das gerichtliche Verfahrensrecht?
(50:02) „Und wenn sie mich fragen, wer schreibt denn dann in Zukunft die ganzen
Gesetze, so lautet meine Antwort: gar Niemand! Umso weniger neue Gesetze, desto
besser. Und für die ist nur noch das Parlament zuständig.“
D. h. völlig unerfahrene
Abgeordnete sollen im Akkord (2 - 3 Monate pro Jahr!) die Gesetze selber
schreiben! Auch in dieser Regelung enthüllt sich die totale Infantilität von
Kralls Gesellschafts- und Politikverständnis. Wie natürlich auch in der
Meinung, dass ein Großteil der Gesetze überflüssig sei.
(50:12) „Das Arbeitsministerium wird mit der Privatisierung der Sozialversicherung
abgeschafft.“
Arbeitsrecht, Arbeitsschutz: Alles
kein Thema mehr. Für das frühkapitalistische Krallistan.
(50:15) „Ernährung und Landwirtschaft sind private Aktivitäten, sie brauchen
keinen Staat.“
Auch die private Wirtschaft
braucht Regulierung. Wenn es beispielsweise um Entschädigungen für Wolfsrisse
geht, um Fischfangquoten zur Stabilisierung der Bestände oder darum, die Bezeichnung "Thüringer Bratwürste" ausschließlich für dort hergestellte Würste zu reservieren, dann werden sogar die
Unternehmen selber lauthals nach dem Staat schreien.
Aber um solche Details zu bedenken, müsste man die eigenen puerilen Tagträume kritisch hinterfragen können und wollen: Damit wäre der Geschwätzpolitiker Dr. Krall überfordert.
(50:19) „Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist als Ministerium das Kondensat
einer Geschwätzwissenschaft, welche sich anmaßt, sich in das Leben der Familien
einzumischen. Seine ersatzlose Abschaffung wird keine Lücke hinterlassen.“
Wenn also Kinder von ihren Eltern
misshandelt werden, soll sich der Staat raushalten?
Und was ist mit Kindergeld und
sonstigen familienbezogenen Leistungen? Mit „Geschwätzwissenschaft“ hat das
ganz sicher nichts zu tun! Wäre das Kindergeld in der Krallokratie eine
„Transferleistung“, mit deren Inanspruchnahme die Eltern das Wahlreicht einbüßen?
Oder will Krall den Lastenausgleich für Familien überhaupt streichen? Letzteres
ist zu vermuten, denn tatsächlich hätte der Staat gar kein Geld mehr dafür.
Die Eltern sind, bei richtiger volkswirtschaftlicher Betrachtungsweise, jedoch INVESTOREN: sozusagen „Humankapitalsparer“. Denen ihre Aufwendungen zu ersetzen ist überhaupt keine „Sozialleistung“; das ist der Ausgleich eines Marktversagens (weil der
Markt den Eltern keine Kompensation für ihre "Investition" gewährt).
Aber auch deren Leistung wollen
sich die Krallokraten kostenlos krallen. Für die Kapitalbesitzer wäre dieses (ich sage mal: ) „amerikanische
Modell“ ideal. Sie müssten zwar die Arbeitskräfte bezahlen. Aber den Eltern
nicht einen Pfennig für DEREN Aufwendungen erstatten. Sie würden sich (und tun
das beispielsweise in den USA weitgehend schon jetzt!) die „Humankapitalinvestitionen“
der Eltern für lau krallen.
Es sind eben keineswegs nur die kinderlosen Rentner, die von „anderer
Leute Kinder“ profitieren. Sondern ALLE KAPITALBESITZER. Ohne Arbeitnehmer
hätten die keine Rendite. Und ohne die „Humankapitalinvestitionen“ von Eltern
gäbe es keine Arbeitnehmer.
Für die Kapitalbesitzer hinterlässt
eine Abschaffung des Familienministeriums in der Tat keine Lücke. Für die
Eltern, und ebenso die Kinder, schon.
(50:29) „Das Gesundheitsministerium hat nur eine relevante öffentliche Aufgabe,
den Schutz vor Seuchen. Das kann auch im Verteidigungs- oder Innenministerium
eingegliedert werden; der Rest wird gestrichen.“
Ich habe keinen vollständigen Überblick darüber,
was das Gesundheitsministerium tut. Aber beispielsweise Regelungen für und eine
Überwachung der Leistungserbringer, die Finanzierung allgemeiner medizinischer Forschung
usw.: Das wird man schon staatlich gewährleisten müssen; der Markt bietet nur
das an, womit sich - möglichst rasch - Geld verdienen lässt.
Wir hätten dann Zustände wie im US-amerikanischen
Gesundheitswesen, dessen Kosten weltweit die höchsten sind – und wo
dennoch die Lebenserwartung geringer und die Kindersterblichkeit höher ist als
zehn anderen Ländern mit ähnlicher Wirtschaftsleistung. Und wo sich die
Pharmahersteller ohne Ende bereichern und „Arzt- und Krankenhausrechnungen … die
Hauptursache für Privatinsolvenzen“ sind.
(50:38): „Infrastruktur ist Aufgabe der Kommunen und der privaten Wirtschaft; das
Ministerium kann also weg.“
Ähnlich wie sie derzeit bei der
Digitalisierung baut die private Wirtschaft Straßen usw. nur dort, wo sie davon
profitiert. Es sei denn natürlich, sie bekäme vom Staat einen Ausgleich für
entgangene Gewinne. Dann kann freilich der Staat die Autobahnen auch gleich
selber errichten.
Auf sich allein gestellt, würde die Privatwirtschaft
ÜBERHAUPT KEINE Bahnlinien, Flughäfen usw. bauen. Aus dem einfachen Grunde,
weil es immer einige Grundbesitzer geben wird, die ihr Land gar nicht oder nur zu
exorbitanten Preisen hergeben wollen - und in Krallistan keine Enteignungsmöglichkeit.
Und wer erstellt einen Verkehrswegeplan
für das ganze Land? Konkurrierende Konzerne? Bauen die dann drei Autobahnen
nebeneinander?
(50:44) „Beim Digitalen hat der Staat ohnehin komplett versagt, das ist eine der
Aufgaben, die nur der Karriereplanung von Berufspolitikern dienen.“
Stellt sich die Frage, was die
Privatwirtschaft – „der Markt“ – dort bisher geleistet bzw. warum die (in der Fläche)
„versagt“ hat?
(50:49) „Das Umweltministerium kann um 90 Prozent verkleinert und als
Abteilung ins Innenministerium zurückintegriert werden.“
Dann kann das Fracking im
Oberrheingraben endlich losgehen. Die Umweltverschmutzung wird man in den
Vierteln der politisch Entrechteten konzentrieren; die können sich ja nicht
wehren. Zumindest nicht demokratisch. Und Gewaltanwendung ist dem Volk selbstverständlich
verboten. Auch lästige Demos des Pöbels kann man verbieten: Wer die Macht hat,
hat das Recht.
(50:55) „Bildung und Forschung sind private Aufgaben.“
Heißt: Schulen usw. werden
privatisiert; der Bürger tauscht seine Steuerersparnis gegen Gebührenpflicht
ein. Weil auch diese Kosten dann für jedes Kind mehr oder weniger gleich sind,
werden Geringverdiener ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken. DAS freilich
wird den Arbeitgebern gar nicht recht sein, denn in der heutigen komplexen
Arbeitswelt sind solche Arbeitskräfte nicht mehr zu gebrauchen.
Grundlagenforschung wird es keine
mehr geben: Daran ist nichts zu verdienen.
Hierzu ein Zitat von einem Manager, der es deutlich weiter gebracht hat als der Goldhöker Krall. In seiner (auch sonst lesenswerten!) Autobiographie "Die Macht der Freiheit. Erinnerungen" (2000; Taschenbuch 2002) berichtet Hans-Olaf Henkel, in seiner höchsten unternehmerischen Karrierestufe Europachef des (damals noch strahlenden) IBM-Konzerns über ein Erlebnis als Trainee 1964 in New York. Dort durfte er einen Computer vorführen, der russische Texte ins Englische übersetzte - und dessen Entwicklung vom US-Militär finanziert worden war. Aus späterer Sicht verallgemeinert er dann (S. 90/91, meine Hervorhebung):
"Nebenbei bemerkt: Die Entwicklung eines solchen Computers konnte nur vom Staat finanziert werden - aus Produkt auf dem Markt wäre er viel zu teuer gewesen. Das heißt aber auch, dass es ohne einen offiziellen Auftrag diesen Sprachcomputer, durch den wiederum die gesamte technologische Entwicklung einen Schritt weitergebracht wurde, vielleicht nie gegeben hätte. Heute kommen viele Projekte nur deshalb nicht zur Ausführung, weil sie sich 'nicht rechnen'. Was nicht [ich ergänze: VORHERSEHBAR] auf dem Markt besteht, wird auch nicht angefasst. ..... Ließe man ausschließlich die Industrie über alles entscheiden, würde es zu vielen Durchbrüchen in Forschung und Technik gar nicht kommen. Gerade deshalb ist eine staatliche Forschungsförderung unverzichtbar."
"Nebenbei bemerkt: Die Entwicklung eines solchen Computers konnte nur vom Staat finanziert werden - aus Produkt auf dem Markt wäre er viel zu teuer gewesen. Das heißt aber auch, dass es ohne einen offiziellen Auftrag diesen Sprachcomputer, durch den wiederum die gesamte technologische Entwicklung einen Schritt weitergebracht wurde, vielleicht nie gegeben hätte. Heute kommen viele Projekte nur deshalb nicht zur Ausführung, weil sie sich 'nicht rechnen'. Was nicht [ich ergänze: VORHERSEHBAR] auf dem Markt besteht, wird auch nicht angefasst. ..... Ließe man ausschließlich die Industrie über alles entscheiden, würde es zu vielen Durchbrüchen in Forschung und Technik gar nicht kommen. Gerade deshalb ist eine staatliche Forschungsförderung unverzichtbar."
Und das alles gilt weitaus mehr für Grundlagenforschung, bei der sich (noch) keinerlei Anwendungs- und damit Verkaufs- und Gewinnmöglichkeit abzeichnet.
(50:57) „Das Entwicklungshilfeministerium kann weg. Als Entwicklungshilfe
geplante Finanzbereicherung korrupter Eliten in diktatorisch geführten Ländern
wird damit abgeschafft.“
Da stimme ich Krall zu.
(51:06) „Und die fast 100 Bundesbehörden und Körperschaften des Öffentlichen
Rechts ebenso wie die mehreren hundert Bundesbeauftragten für Schappes und
Schmonzes sollten auch alle ersatzlos abgeschafft werden.“
Auch die BaFin?
Bundesgrenzschutzbehörden? Geheimdienst? Bundestagsverwaltung? Bundesrechnungshof?
Bundesarchiv? Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe kann
auch weg? Bundeskriminalamt? Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie? Bundesstelle
für Seeunfalluntersuchung? Bundeskartellamt? Weitere kann man sich hier
raussuchen. Die Bundesbeauftragten sind in diesem
Wikipedia-Eintrag aufgelistet; davon sind allerdings auch für mich viele verzichtbar!
(51:16) „Durch die radikale Reduzierung der Regulierung - ich wage die These 99
Prozent der seit 1970 gemachten Gesetze und Regulierungen sind überflüssig –
und die Rückabwicklung der Energiewende verkleinern wir den Bürokratieaufwand
massiv und entlasten Wirtschaft und Bürger um weitere 400 bis 500 Milliarden
Euro an Kosten.“
Ich wage die These, dass die
Krallisten nach Gesetzen schreien werden, sobald auch nur ein Blatt vom Nachbarbaum in
ihren Garten fällt. Es ist ja keineswegs nur, und vielleicht nicht einmal
vorrangig, eine Regelungswut von Politikern und Behörden, die uns mit einer in
der Tat enormen Regulierungsdichte überzieht: Es sind die Bürger selber, die
für jeden Sch. zum Gericht rennen oder ihre Politiker einspannen, um ihre teils
mehr, teils weniger legitimen Interessen zu sichern. Dadurch werden alte
Selbstverständlichkeiten ausgehebelt oder in schriftliche Regeln gegossen, unser
Leben wird immer mehr formalisiert und bürokratisiert. Das ist nicht schön;
aber wer dagegen ankämpfen will, muss eine REALISTISCHE Vorstellung von den
Triebkräften hinter solchen Entwicklungen haben.
(51:33) „Die Aufgaben der Bundesländer zwischen einem verschlankten Bund und
gestärkten Kommunen werden sich auf wenige Aufgaben beschränken: die Sicherstellung
der Volkssouveränität durch die Vertretung im Bundesrat, die Festlegung von
Mindeststandards im Bildungswesen und Ausbau des dualen Systems der
Handwerkerausbildung. Damit fallen auch dort fast alle Ministerien ersatzlos
weg. Und wissen sie was? Kein Mensch wird das bemerken, dass all das nicht mehr
da ist ….. .“
Wieso braucht es einen Bundesrat,
um die Volkssouveränität sicherzustellen? Reicht dafür nicht der Bundestag? Und
welche Aufgaben genau hätte dann der Bundesrat?
Die Frage, ob die Überwachung
der Bildungsstandards nicht besser auf der Bundesebene angesiedelt wäre, hatte ich bereits
oben aufgeworfen.
Was am dualen System der
Handwerkerausbildung ausgebaut werden müsste, wüsste ich nicht. Ebenso wenig
erschließt sich mir die Begrenzung auf die HANDWERKERausbildung: Einen weitaus
größeren Teil des dualen Bildungssystems dürften die Lehrberufe in der
Industrie und im tertiären Sektor ausmachen. Aber auch insoweit stellt sich
dann natürlich die Frage einer einheitlichen Regelung auf Bundesebene. Und wollte Krall die Bildung nicht eigentlich privatisieren???
(52:06) „Dann kommt der Staat kurzfristig mit 15 und langfristig mit zehn
Prozent Anteil am Bruttosozialprodukt aus. Dann wird der Bürger frei sein; er
wird den Karren nicht nur aus dem Dreck ziehen, in den ihn die Politik
hineingeritten hat: Er wird ihn nachgerade aus dem Dreck katapultieren, ihn
putzen, polieren, mit Blattgold verzieren und auf die Schienen des
gesellschaftlichen und technischen Fortschritts setzen. Er wird wahrhaft eine
Republik der Freiheit errichten.“
Frei ist der Bürger dann keineswegs:
Vielmehr wird er allerorten von Unternehmen abkassiert: Auf den Straßen, in Kindergärten,
Schulen, Hochschulen usw. Und hat sich, als Kunde oder als Arbeitnehmer, den
Regularien der Anbieter zu unterwerfen: So will es seine hehre „Vertragsfreiheit“.
ZUSTÄNDE WIE IM NEUEN KRALLISTAN
Begeben wir uns auf eine Studien-Zeitreise
ins Land der Krall-Künstler.
Bei unserer Analyse der politischen
Strukturen fällt uns eine dauerhaft verfestigte Schicht von nicht
Wahlberechtigten auf; insoweit eine Entsprechung zur Sklavenschicht der Antike,
die für Krall ja offenbar die Idealdemokratie ist. Weil sich die Menschen vor
Beginn jeder Legislaturperiode entscheiden mussten, ob sie ggf. später
Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollten, und weil niemand sein Schicksal
(Krankheit, Arbeitslosigkeit?) vorhersehen kann, wählte die breite Masse die Existenzsicherheit
anstelle der politischen Mitbestimmung.
Bettler sieht man keine in
Krallistan. Allerdings berichtete man uns, dass kurze Zeit nach der Gründung
des Staates die Straßen voll vom Bettelpack gewesen seien – bis man jegliches
Betteln strikt untersagt habe. Das sei nicht ohne einige heftige Diskussionen
abgegangen; schließlich stehe die Staatsidee doch für persönliche Freiheit und
insbesondere für freies Unternehmertum. Es habe sich dann aber die Auffassung
durchgesetzt, dass Betteln keine unternehmerische Tätigkeit sei. Ehemalige
Maoisten hätten schließlich den erweiterten Gewaltbegriff der Linken ins Spiel
gebracht: Das Betteln sei eine Form von psychischer Gewaltausübung gegen die Bürger;
daher sei ein Verbot im Rahmen der neuen Staatsideologie nicht nur
gerechtfertigt, sondern sogar zwingend geboten. Hinter vorgehaltener Hand
erzählten uns andere, dass das Bettelverbot im Parlament heiß umstritten
gewesen sei, und dass es einiger monetärer Transferleistungen von einigen
bekannten Großindustriellen an einige linksliberale Abgeordneter bedurft hätte,
um dem Gesetz eine Mehrheit zu verschaffen.
Diesen Kreisen ging es nicht
wirklich um die Belästigung durch die Bettler. Sondern darum, dass sich ihre
Arbeitskräfte nicht vor der Arbeit drückten, indem sie ihr Auskommen durch
anderer Leute Wohltätigkeit fanden: Also, brutal gesagt, um eine
Disziplinierung der Arbeitssklaven.
Wie übrigens schon bei den Bettelverboten der frühneuzeitlichen Feudalstaaten.
Auf unserer Reise wurde wir auch
Zeuge einer erschreckenden Szene: In einem der „Volksviertel“ (wie man in
Krallistan die Elendsviertel beschönigend bezeichnete) hatte ein Mann an einem
Kiosk eine Zeitung gestohlen und war weggelaufen. Eine vorbeikommende
Polizeistreife – von denen es übrigens auffallend viele in diesen Vierteln gab
– hatte die Verfolgung aufgenommen und ihn, als er auf Anruf nicht stehenblieb,
erschossen. Uns erinnerte das fatal an rassistische Vorkommnisse in der
US-Polizei, die in früheren Zeiten auf ähnliche Weise mit den Schwarzen in den
USA umgesprungen war.
Überhaupt wurde von einer seit der
„libertären Wende“ enorm angestiegenen Kriminalitätsrate berichtet. Vor allem
waren Streikaktionen häufig und die Betriebe wurden beklaut wie im - Sozialismus! Die totale Ausrichtung der neuen Ideologie auf das
Geldverdienen sowie (nicht zuletzt) auf das bloße Geldbesitzen nahm den
Arbeitnehmern den Stolz und die Freude, Mitarbeiter erfolgreicher Unternehmen
zu sein und zu deren Erfolg beizutragen: Das alles war ja kein Wert mehr, was
zählte, war einzig und allein die Höhe des (materiellen) Verdienstes.
In vergleichbarer Weise, wie
George Soros das in seinem Essay „The Capitalist Threat“ für
einen hypertrophierten Kapitalismus (insbesondere Finanzkapitalismus)
beschrieben hatte, war nun auch Krallistan dabei, jene Wertegrundlagen zu
eliminieren, auf denen die vorangegangene Schmarotzokratie (wie man jetzt die
Demokratien alten Stils verächtlich nannte) den Wohlstand ihrer Gesellschaften
geschaffen hatten.
Mit den vorangegangenen
Reiseskizzen aus Krallhynien will ich keineswegs leugnen, dass der Sozialstaat tatsächlich
eine Tendenz zur Übertreibung in sich trägt. Das hat aber eher mit dem
„Fürsorge-Trieb“ in unserer Kultur zu tun als mit Wählerkorruption (die es freilich sehr wohl
gibt). Schon 1787 hatte
Goethe, mit Bezug auf Herders „Ideen zur
Philosophie der Geschichte der Menschheit“, in einem Brief aus Italien an
Frau von Stein geschrieben:
„Auf Herders dritten Teil freu' ich mich sehr. Hebet mir ihn auf, bis
ich sagen kann, wo er mir begegnen soll. Er wird gewiss den schönen Traumwunsch
der Menschheit, dass es dereinst besser mit ihr werden solle, trefflich
ausgeführt haben. Auch, muss ich selbst sagen, halt' ich es für wahr, dass die
Humanität endlich siegen wird, nur fürcht' ich, dass zu gleicher Zeit die Welt
ein großes Hospital und einer des andern humaner Krankenwärter sein werde."
Den Brief verfasste er in Neapel;
als Erfahrungshintergrund darf man jedoch wohl seinen vorangegangenen
Aufenthalt in Rom ansehen. Im damaligen Vatikanstaat wurden z. B. die
Getreidepreise streng reglementiert – mit den erwartbaren negativen Folgen für
den Fleiß der Bauern. Auf der anderen Seite gab es anscheinend eine ausgeprägte
Wohltätigkeit von Klöstern, die ebenfalls nicht unbedingt zur Eigenleistung
motivierte. Dieses System wurde um 1800 von Reiseschriftstellern des Öfteren
kritisiert. Wir sehen hier, dass „Sozialismus“ (bzw. „Etatismus“) keine
Erfindung der Neuzeit ist und exzessive Wohlfahrtsleistungen keine Demokratie
voraussetzen.
Und gerade aktuell müssen wir
zuschauen, wie die Massenimmiggression aus breiten Kreisen Beifall erhält
(„Bahnhofsklatscher“) – obwohl sie den deutschen Steuersklaven (darunter auch den "Bahnhofsklatschern" selber!) zig Milliarden
Euro aufbuckelt. Die Motivationsstruktur der Menschen ist eben etwas komplexer,
als sich Libertär-Austrians wie Dr. Krall (deren Motivationsstruktur vielleicht
etwas simpler ist) vorstellen können.
Eindeutig untergräbt der Wohlfahrtsstaat
seine eigenen wirtschaftlichen Voraussetzungen dann, wenn er so
üppig ausgebaut wird, dass sich arbeiten kaum noch lohnt (oder wenn die
aufgespannten sozialen Hängematten Millionen von Eindringlingen anlocken).
Die libertär-“österreichische“
Sektenideologie freilich kämpft nicht vorrangig gegen den (real kaum noch
existierenden) Sozialismus, sondern hetzt gegen den Sozialstaat als solchen (den
sie kurzerhand als „sozialistisch“ verunglimpft). Und das unabhängig davon, ob
die Sozialleistungen als „Clubgüter“ nur an diejenigen verteilt werden, die sie
mit erarbeitet haben, oder an jeden, der es über die (unbewachten) deutschen
Grenzen schafft und der das Zauberwort „Asyl“ aussprechen kann.
Mit ihrem völlig aus der Zeit
gefallenen Gesellschafts- und Wirtschaftsverständnis sind diese Kreise keine
ernst zu nehmende politische Kraft und in keinster Weise geeignet,
sozialstaatlichem Wildwuchs wirksam entgegenzutreten. Solche eher bösartigen
Kläffer halten die Karawane nicht auf.
Es ist an uns, den Vernünftigen im
Lande, unter grundsätzlicher Bejahung des modernen Wohlfahrtsstaates immer
wieder zu fragen, wo dessen Notwendigkeit aufhört und wo die Gefahr einer demotivierenden
Überversorgung beginnt. (Für mich wäre etwa das bedingungslose Grundeinkommen
ein solcher Fall.)
Dazu braucht es freilich sehr viel
mehr, als Kralls Krakeele. Umgesetzt werden seine Forderungen zwar nie. Aber seine
Rede ist pure Volksverdummung, bzw. eine Bestätigung und Verstärkung der im
Volke längst vorhandenen Vorurteile gegen die Politik. Hier gibt es keinerlei
Appell zum Mitdenken, zur kritischen Reflexion auch der eigenen Positionen,
inwieweit die vielleicht nicht die Lösung sind, sondern zu Problemen beitragen.
Krall adressiert nicht den Verstand des mündigen Bürgers, sondern die
dumpfen Vorurteile derjenigen, die nicht über ihren eigenen Tellerrand
hinausblicken können oder wollen. Alles ist mundgerecht vorgekaut (und spricht
ohnehin nur das aus, was die Zuhörer sowieso über Staat und Politik denken). Das
Publikum wird behandelt wie Kinder im Kasperletheater.
Dieser Krallismus ist, in seiner
materiellen Gier wie in der Simplizität seiner Weltsicht, Teil einer beängstigend
anschwellenden Infantilisierung der Gesellschaft. Brandaktuell hat
Alexander Kissler konstatiert und kritisiert (meine Hervorhebungen):
„In unserer gegenwärtigen Gesellschaft stoßen
wir auf viele machtvolle Infantilismen.
Teils dienen sie politischen, teils wirtschaftlichen Interessen. ….. Erwachsene
….. greifen zu vorreifen Verhaltensweisen, um ewig unverbindlich spielen zu
können. Und werden so zum Spielball der anderen. Darin liegt die Nachtseite von
so viel Kinderei, die Gefahr. Der
kindische Mensch wird schnell zum manipulierten Bürger – oder zum skrupellosen
Machthaber. ….. Am gravierendsten
zeigen sich die Tendenzen der Infantilisierung in der Politik. ….. Auf der
Vorderbühne herrscht eine demoskopisch angeheizte Stimmungsdemokratie, während
im Maschinenraum der Macht entschieden wird. So könnte die Republik ihren
republikanischen Geist verlieren. Dagegen hilft nur der Mut zur Erwachsenheit. ….. Um die
Lage wirklich zu bessern, für sich und für andere, um der Verschleuderung
unserer Gaben ebenso zu entkommen wie ihrer Zurichtung zu fremden Zwecken, müssen wir Erwachsenen noch einmal
erwachsen werden.“
Nachtrag: Eine Einordnung von Kralls Demokratie-Demontage in das libertäre Denken anderer (Friedrich August von Hayek, Hans-Hermann Hoppe) bietet Andreas Kemper in seinem Blott "Markus Kralls Demokratiefeindlichkeit" vom 04.09.2020.
Nachtrag 30.09.2020
Interessante Information zur Rentabilität von Goldanlagen (Quelle):
"Eine Studie der Investmentbank Credit Suisse und der London Business School hat ergeben: In den vergangenen 50 Jahren brachten weltweite Aktien jährlich 5,3 und Anleihen 4,4 Prozent an jährlicher Rendite ein. Das vermeintlich sichere Gold dagegen: 0,7 Prozent."
Nachtrag 01.10.2020
Erst jetzt stelle ich fest, dass die Idee vom Atlas, der ein Bäuerchen macht, vor mir schon anderen eingefallen war. U. a. in einer köstlich humorvollen Anekdote u. d. T. "Atlas Burped. Or: Ayn Rand, Saint Nick, and the Peculiar Economics of Canoe Trip Beer".
Nachtrag 11.10.202
In einem Facebook-Beitrag vom 09.10.2020 schreibt Dr. Markus Krall:
"Welche Hohlbirne hat sich eigentlich das angebliche "Wunder von Wörgl" und das angeblich so tolle Schwundgeld von Silvio Gsell ausgedacht?
Würden sie [recte: Sie] ein Geld FREIWILLIG annehmen, das sich in Luft auflöst. Was für ein hanebüchener Schwachsinn!Das haben wir! #Negativzins"
Richtig ist daran, dass negativ verzinstes Geld ein Schwundgeld ist. (Das gilt freilich genauso für positiv verzinstes Geld, wenn die Inflationsrate den nominalen Zins überschreitet, also der Realzins negativ ist!)
Was dagegen das "angebliche" Wunder von Wörgl angeht, ist es einigermaßen erschütternd zu sehen, wie Krall hier sogar die historischen Fakten leugnet, weil sie nicht in seine sado-libertäre Ideologie passen.
Das Wörgeler Freigeld (Schwundgeld) war (in dem begrenzten Raum und der begrenzten Zeit, für die dieses Experiment - leider - nur möglich war) tatsächlich ein Erfolg: Für die Gemeinde und für diejenigen Arbeitslosen, welche auf diese Weise damals in Arbeit und Brot gebracht werden konnten. Und die örtlichen Kaufleute usw. haben dieses Geld auch angenommen. Möglich, dass ihnen Schillinge lieber gewesen wären. Aber besser als gar nichts waren die "Arbeitswertscheine" allemal für sie. Das zeigt auch eine sehr detaillierte Befragung, die seinerzeit ein Schweizer Kantonalrat bei einigen ausgewählten Repräsentanten der örtlichen Bevölkerung vorgenommen hatte. Die Ergebnisse sind abgedruckt als Anhang zur (Diplom?)arbeit "Umlaufgesicherte Komplementärwährungen. Gelingen und Scheitern in der Praxis" von Thomas Schneegans.
Informationen über dieses Experiment liefern u. a.
- Der sehr ausführliche (82 S.) Text "Der Welt ein Zeichen geben. Das Schwundgeldexperiment von Wörgl/Tirol 1932/33" von Gebhard Ottacher.
- Wohl nicht online verfügbar ist die von Ottacher häufig herangezogene Diplomarbeit von Thomas Wendel: "Gesellschaftspolitische Bedeutung und technische Funktionsweise umlaufgesicherter Zahlungsmittelsysteme. Die Schwundgeldexperimente von Wörgl 1932 und Cabricán 1994 im Vergleich. Diplomarbeit, FU Berlin, Fachbereich Politische Wissenschaft, 1994."
- Weitere Diplomarbeiten hier (Suchwort "Wörgl")
- "Der Geldzauberer" lautet ein Bericht von Thomas Wendel (wohl der Vf. der o. a. Diplomarbeit) im Magazin brandeins aus dem Jahr 2003.
- Die Wikipedia
- Das Unterguggenberger-Institut (hier und dort)
- "Freigeld Wörgl. Das Wunder von Wörgl" auf der Gemeindewebseite. (Verfasserin ist Veronika Spielbichler, Obfrau, also Vereinsvorsitzende, des vorerwähnten "Unterguggenberger Institut Wörgl e.V.".)
Nachtrag 06.11.2023
Zu jüngeren biographischen Entwicklungen bei Krall vgl. z. B. den Bericht "GOLDHANDEL. Degussa-Chef Markus Krall: Abgang eines Untergangspropheten", CAPITAL 30.11.2022.
Nachtrag 09.12.2023
In dem Bericht "Libertäre Wende in Deutschland? Markus Kralls neue politische Ideen und Ideale" in der "Epoch Times" vom 07.12.2023 sind Kralls Ideen für die aktuelle Lage dargelegt. Danach will er eine eigene Partei gründen und mit dieser zur Bundestagswahl 2025 antreten und dann mit der AfD koalieren.
Nachtrag 09.03.2024
Mittlerweile hat sich die neue Partei gegründet; es ist die WerteUnion (WU). Bis dahin war die WU ein Verein von (größtenteils) CDU-Mitgliedern die mit dem "Merkelismus" der Christen-Union haderten. Dieser Verein besteht auch weiterhin, unter dem Namen "WerteUnion Förderverein". Wer immer jetzt über "die WU" spricht, muss also klarstellen, WELCHE WU er überhaupt meint: den Verein - oder die Partei.
Dass die deutsche LÜGENPRESSE das nicht nötig hat, zeigen zahlreiche Meldungen über Kralls angeblichen Austritt aus "der" WerteUnion:
- "Kurz nach Gründung. Prominente Mitglieder verlassen Werteunion" t-online 21.02.2024
- "NEUE MAASSEN-PARTEI. Werteunion: Zwei prominente Mitglieder treten nur drei Tage nach Parteigründung aus" STERN 21.02.2024
- Noch falscher heißt in der taz vom 21.02.24: "Abgänge aus Maaßen-Partei Werteunion. Splittern am rechten Rand"
- Ebenfalls "richtig" falsch titelt die Alpen-Prawda (alias Süddeutsche Zeitung - SZ) am 21.02.24: "Rechtsaußen-Partei: Werteunion verliert prominente Mitglieder"
Korrekt berichtet, gleichfalls am 21.02.24, (nur?) das "Westfernsehen" unter den Medien, die NZZ.
Nach der Überschrift "«Völlig egal, wer uns zur Mehrheit verhilft»: Die Werteunion ringt um ihren Umgang mit der AfD" informiert der Verfasser Alexander Kissler: "Mit Max Otte und Markus Krall verlassen zwei prominente Mitglieder den Verein Werteunion."
"... Parteigründung [erfolgte] mit handverlesenen Teilnehmern. ... Ich war nicht eingeladen, offenbar ebenfalls auf Betreiben der neu dazugekommenen ehemaligen CDU- und FDP-Funktionäre im Vorstand"
Hätte man ihn nur selber ebenfalls eingeladen, hätte er zweifellos nichts gegen die "Handverlesung" der Teilnehmer einzuwenden gehabt!
"...das Wirtschaftsprogramm, das eigentlich von mir geschrieben werden sollte, ist eine Sammlung von Copy-paste Texten aus den Programmen der anti-marktwirtschaftlichen Altparteien, nur notdürftig korrigiert an den Stellen, wo ich lautstark genug protestiert habe."
Dass im Hinterzimmer ausgekungelt wird, wer das Wirtschaftsprogramm für die neue Partei schreibt: DAS findet der Edeldemokrat selbstverständlich völlig normal!
Nachträge 27.09.2024
Lt. Mitteilung der Partei "Bündnis Deutschland" vom 03.09.24 ist der Herr Dr. Markus Krall dem BD beigetreten.
Damit ist auch diese Partei für mich unwählbar geworden.
Unter "Parteien. Ärger über Ex-Goldhändler Krall" meldete der SPIEGEL am 13.09.24, dass die Kleinpartei "Wir Bürger" (ursprünglich die Lucke-Abspaltung von der AfD - Wikipedia) wegen dieser Personalie die geplante Fusion mit dem BD gestoppt hat.
Bereits an 05.09.24 hatte die Webseite "Freilich" darüber berichtet, dass Kralls Beitritt auch in der BD selber negative Folgen hatte: "Kleinpartei Bündnis Deutschland: Interne Konflikte nach Kralls Beitritt".
ceterum censeo
Wer alle Immiggressoren der Welt in sein Land lässt, der
ist nicht "weltoffen":
Der hat den A.... offen!
Textstand
vom 27.09.2024
Ich glaube Krall verschweigt nichts. Der hat einfach vom gesamten Staatswesen absolut keine Ahnung. Das sind einfach wild zusammengesponnene Ideen ohne Bezug zur Realität.
AntwortenLöschenP.S. Haben ca. 0,8 Mio Lehrer und 1,1 Mio Krankenpfleger - alles Öffdienst. Von Kralls "Millionen" an "Beamten" die eingespart werden können bleibt nichts übrig.
Nun, diese Dienstleistungen will Krall ja privatisieren. Damit fallen diese Kosten nicht mehr in den Staatshaushalten der verschiedenen Ebenen an.
LöschenDumm nur, dass die Aufgaben selber, und damit auch die Kosten, bleiben; Krall verlagert sie lediglich auf eine andere Ebene. Zumindest teilweise wird das sogar teurer.
Jedenfalls bei der Rentenversicherung arbeitet eine Behörde kostengünstiger als viele konkurrierende Privatbetriebe das können (und ist das Umlageverfahren generell effektiver als das Kapitaldeckungsverfahren).
Aber auch bei der Krankenversicherung ist z. B. das weitgehend private US-System nicht gar so glänzend, wie seine Propagandisten dem Volk vorlügen.