Dienstag, 17. August 2021

Zwischen Nürnberg und Regensburg mal eben die Welt gerettet

 
Irgendwann Mitte der 70er Jahre unternahm ich mit meiner Frau von Frankfurt aus eine Bahn-Städtereise nach Salzburg. Vermutlich waren wir aus Kostengründen mit Bummelzügen unterwegs; ganz genau weiß ich das nicht mehr. Auf alle Fälle mussten wir u. a. in Nürnberg und Regensburg umsteigen.
In Nürnberg war ein Mann mittleren Alters zugestiegen. Er setzte sich in unser Abteil und im Laufe der Weiterfahrt kamen wir ins Gespräch.
Wir hatten uns einen Weltretter eingefangen. Damals gab es noch keine hysterische Klimadebatte, die alle anderen Umweltprobleme (nicht zuletzt auch  das Problem der Bevölkerungsentwicklung!) einfach ausblendete. Dafür war die Ressourcenverknappung, insbesondere unter dem Aspekt steigender Bevölkerungszahlen, das große Thema.
1972 hatte der "Club of Rome" seine Studie (bzw. seine Prognosen) veröffentlicht: "Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit" (Originaltitel: "The Limits to Growth. A Report for the Club of Rome’s Project on the Predicament of Mankind"). Und 1973 hatte eine "Ölkrise" (Wikipedia: "Ölpreiskrise") die Welt geschockt.
 
Ob nun durch die anschließende Debatte angeregt oder aus älteren Quellen gespeist (schon um 1800 hatte ja Thomas Robert Malthus in seinem "Essay on the Principle of Population" pessimistische Vorsagen für die Ernährungsmöglichkeiten einer wachsenden Bevölkerung gemacht): Jedenfalls wollte unser Weltrettungs-Reisebegleiter uns für seine Lösung missionieren.

Alle Einzelheiten habe ich natürlich nicht mehr im Kopf. Im Prinzip ging es aber darum, dass er jeder Familie eine ausreichend große Bodenparzelle mit einem Häuschen und den nötigen Gerätschaften zuteilen wollte, auf der diese dann quasi autark leben sollte. Sie würde ihre eigenen Nahrungsmittel anpflanzen und ihre eigenen Exkremente als Dünger recyceln.

Meine Frau war gesundheitlich leider nicht gut drauf; daher musste ich ihn beim Umsteigen in Regensburg "abschütteln".
Das habe ich durchaus bedauert, denn ich hätte gerne noch sehr viel länger mit ihm diskutiert - und zwar meine Einwände gegen sein Patentrezept. Einige Beispiele, die mir gerade einfallen und die sich endlos fortsetzen ließen:
  • Wer fertigt die Bekleidung für diese Familie an,
  • wer die Spaten, die ja selbst für die allerprimitivste (heute vorstellbare) Bodenbearbeitung nötig sind?
  • Woraus bestehen die Häuser dieser Familien und wer erstellt sie? Selbst für Holzhäuser benötigt man Sägen, um die Baumstämme zu fällen.
  • Wie gestaltet sich die Wasserversorgung, wenn es nicht möglich ist, einen eigenen Brunnen zu graben (von "Bohren" gar nicht erst zu reden).
  • Gibt es Schulen? (Für Farmer-Familien auf einem derart primitiven Subsistenzniveaueigentlich überflüssig; aber was ist mit Ärzten usw.?)
  • Wenn ja: Woher kommen Nahrung usw. für die Lehrer?
  • Woher kommt das Eisenerz für die Spaten usw.? 
  • Woher kommt das z. B. für Konservierungszwecke erforderliche Salz?
  • Wer zieht uns faule Zähne und ersetzt sie durch ein künstliche; wer entfernt entzündete Blinddärme?
Also ein Rattenschwanz von Fragen, die riesige Fragezeichen hinter sein Modell einer primitiv-agrarischen Kreislaufwirtschaft setzen. Ich bin sicher, dass er alle diese Einwände genauso wenig bedacht hatte, wie heute dass Netzspeicher-Lenchen (Annalena Baerbock: vgl. dazu "Grüne Lösung der Stromspeicher-Frage - oder doch eher Verwechslung?", Webseite Telepolis vom 31.01.2018) die Frage der Energieerzeugung in der "Dunkelflaute", wenn also weder Wind- noch Photovoltaik-Energie produziert werden kann.

Wenn es um "Klimarettung" durch geänderte Energieerzeugung geht, sind die Zusammenhänge und Probleme komplexer als damals in der relativ kurzen Unterhaltung auf der Bahnfahrt von Nürnberg nach Regensburg. Bedacht werden sie aber von den "modernen" Weltrettern ebensowenig. 
Jedenfalls habe ich mein damaliges Erlebnis immer wieder vor Augen, wenn wieder mal ein Laie, Politiker oder auch Fachmann die Welt mit patenten Rettungsplänen beglücken will.


 
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch auf mein Buch hinweisen:
Gesamtschau-Geheimdienst: Wie der Sepia-Haldi die AfD in den braunen Hades laviert: Analyse des "Prüffall"-Gutachtens des VS vom 15.01.2019.
Momentan ist es nur als eBook verfügbar; man braucht jedoch kein Kindle-Gerät, sondern kann die Software für eine Lektüre am PC hier herunterladen.
(Als älterer Mensch mag eigentlich auch ich eher "richtige" Bücher. Der unschätzbare Vorteil einer elektronischen Version ist freilich die Möglichkeit, Internet-Links direkt anzuklicken.)
 
Textstand 17.08.2021

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