Mittwoch, 15. März 2006

Hungerskandal in Wuppertal: Porsche-Fahrer frisst Rentner-Oma die Polenta vom Teller!

 
Ein eigentlich ganz harmloser Bericht im Handelsblatt vom 03.03.2006 unter dem Titel "Chance mit neuen Energien" führt mich wieder einmal in ressourcenpessimistische Gedankengänge.
"Erneuerbare Energien wie Ethanol und Mais haben ein riesiges Zukunftspotenzial" heißt es dort, und diese Meinung wird von Leuten vertreten, die auch sonst als Heuschrecken bekannt sind: Hedge-Fonds-Managern nämlich.
 
Ethanol (genauer: Bioethanol) wird aus z. B. Mais, aber auch aus Getreide, Kartoffeln, Zuckerrohr usw., gewonnen, aus Agrarprodukten also, die man, anstatt sie zu verzehren, nach entsprechender Behandlung verfeuern kann. Den Treibstoff aus den Pflanzen technisch zu extrahieren erfordert allerdings zunächst einmal einen Energieaufwand, und die Energiebilanz – Gewinnungsaufwand minus Energiegehalt des Ethanol - ist nicht sonderlich gut: bei Erdöl ist diese Bilanz weitaus günstiger. Doch was tut (spendiert) der Autofahrer nicht alles, um seinen fahrbaren Untersatz in Bewegung zu bringen (halten)?
 
Nachdem meine mehrfachen direkten und indirekten Anregungen und Mahnungen zur Einrichtung einer Ressourcenerschöpfungsfolgenabschätzungskommission (vgl. Kondratieff, Rothbard und der Sacco di Roma oder Rentensimonie? oder "Flaschenbürstenbohrung - das Wort des Jahres" ) bisher ergebnislos waren, muss ich halt selbst versuchen, mit den Bordmitteln meiner begrenzten Phantasie Szenarien für die Zeit der Ressourcenerschöpfung zu entwickeln.

Finanz-Fachleute glauben (oder geben sie nur vor, dies zu glauben?), dass die Ressourcenknappheit in höchstens 10 Jahren vorbei ist (vgl. "Banken entdecken Rohstoffe", Handelsblatt-Artikel vom 2.3.06). Auf jeden Fall indiziert aber die zunehmende Attraktivität von Rohstoffderivaten eine mindestens auf kurze Sicht zunehmende Ressourcenverknappung. Und dass die nach 3, oder selbst nach 10 Jahren verschwunden ist, halte ich für illusorisch. Hinter den optimistischen Prognosen steht die Annahme, dass steigende Preise einen Anstieg der Explorationstätigkeit zur Folge haben. Das wird zweifellos eintreten, doch müssen zudem im Boden ausreichende Mengen von dem verborgen sein, was die Explorateure suchen: und daran glaube ich eher weniger. Zumal derzeit der Verbrauch von Energie (Erdöl / Rohöl), aber auch von anderen mineralischen Rohstoffen drastisch ansteigt und die Kluft im Lebensstandard und (mehr oder weniger: entsprechend) im Ressourcenverbrauch zwischen den Industrieländern und aufholenden Ländern noch immer riesig ist – wie auch die Bevölkerungszahl der Entwicklungs- und Schwellenländer im Verhältnis zu jener der schon industrialisierten (bzw. der sich langsam schon wieder de-industrialisierenden) Länder.

Die Warenterminbörse "Chicago Board of Trade (CBOT)" hat im August 2005 Futures (also quasi Wetten auf zukünftig erwartete Preissteigerungen) auf Ethanol aufgelegt, der aus Mais hergestellt wird. Die Umsätze sind zwar relativ gering, steigen jedoch langsam an.

Der Markt erwartet also, dass die Nachfrage nach Mais, pardon: nach Ethanol, in der Zukunft steigt. Und vermutlich werden dann nicht nur Mais (und Zuckerrohr) in Kraftstoff umgewandelt, sondern auch andere landwirtschaftliche Produkte, welche man essen könnte, wenn sie nicht im Tank den Ersatz-Tiger machen müssten.
Gleichzeitig wird bei entsprechender Nachfrage der Anbau energiegünstiger Pflanzen den Anbau von anderen Nahrungsmittelpflanzen verdrängen.
 
Eine "Futterkonkurrenz" gab es unter den Menschen in der Geschichte natürlich schon immer. Erst jetzt ist – zumindest in den Industrieländern – "genug für alle da". Die Konsum-Konkurrenz war insoweit auch früher schon auch eine qualitative, als das landwirtschaftliche "Veredelungsprodukt" Fleisch mit einem überproportionalen Verbrauch von Getreide (oder mit einer Flächennutzung als Wiese anstelle von Getreideanbau) verbunden war: die Oberschichten aßen durch ihren Fleischkonsum wohl schon seit Einführung der Viehzucht indirekt einen überproportionalen Anteil der pflanzlichen Nahrungsmittel. Gegenwärtig ist das, für uns jedenfalls, kein Problem mehr. Was aber wird passieren, wenn Rohöl nicht mehr in ausreichender Menge bzw. zur noch zu drastisch erhöhten Preisen zur Verfügung steht?
 
Unser Existenzniveau wird dann gleich von mehreren Seiten in die Zange genommen: 
  • Zum einen sinkt die landwirtschaftliche Produktion, weil eine mechanisierte Bodenbearbeitung dann nicht mehr möglich ist. Das tritt nicht sofort ein; zunächst steigen (was wir ansatzweise ja bereits erleben) die Ölpreise. Wenn ein bestimmtes Niveau überschritten ist, wird der Staat vermutlich eingreifen. Preiskontrollen und Zuteilung können aber die Erdölknappheit nicht beseitigen. 
  • Parallel zur sinkenden landwirtschaftlichen Produktion steigt der Bedarf an deren Produkten, weil die pflanzlichen Produkte dann nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch als Energielieferanten für Automobile und Maschinen benötigt werden. Die Preise der Agrarprodukte werden also in einer ersten Phase ansteigen, bis auch auf diesem Gebiet staatliche Preiskontrollen und Rationierungen eingreifen.
Zunächst kann man an der Knappheit gut verdienen. (Auch später verdienen noch einige, dann freilich in beschränkterem Umfang und mit hohem Risiko, weil illegal. Die entsprechenden Mechanismen der Mangelwirtschaft – Korruption, Schmuggel, Schwarzmarkt - sind vielen aus der Nachkriegszeit zumindest aus Erzählungen der Älteren und aus schriftlichen Berichten noch gut vertraut; vergleichbare Erscheinungen gab es in den "sozialistischen" Ländern bis in unsere Tage.)
Die Reichen werden also in der ersten Phase des Übergangs zur totalen Mangelwirtschaft noch reicher werden. Wie zu Zeiten des "Neuen Marktes" wird es wohl auch zu einer "Dienstmädchenhausse" kommen: zum Schluss fangen auch die breiten Massen an, mit Derivaten (Futures) zu spekulieren. Die Reichen werden in den meisten Fällen rechtzeitig aussteigen, und ihr Geld anderweitig investieren, nämlich in (landwirtschaftlich genutzten bzw. nutzbaren) Grund und Boden.
 
Eine interessante Frage ist, ob es dann zu einer "Latifundienwirtschaft" kommen wird.
[Zum Begriff und zu historischen und zeitgenössischen Latifundienwirtschaften vgl. Wikipedia englisch, der deutschsprachige Eintrag ist jedenfalls derzeit – 11.3.06 - wenig ergiebig, jedoch gibt es unter einem separaten Stichwort Informationen über die Latifundien in Südamerika. Eine ausführliche Darstellung zur antiken Agrargeschichte hat Prof. Dr. Christian Gizewski - mit Beiträgen von Raimund T. Kolb und Erling von Mende - in einem "Lehrveranstaltungsskript" in Buchlänge u. d. T. "Landwirtschaft und bäuerliche Lebensform im Altertum" ins Netz gestellt. Ich habe das 'Buch' nicht gelesen; für den vorliegenden Zusammenhang dürfte insbesondere das Kap. 6: "Grundbesitzverhältnisse und soziale Schichtung auf dem Land. Großgrundbesitz und politische Aristokratie" von Interesse sein.] 
Es gibt genügend Kapitalbesitzer, die das Geld haben (werden), um große Flächen zusammenzukaufen*. Allerdings ist zu vermuten, das landwirtschaftliche Großbetriebe, die (dann wieder) ohne Maschinen auskommen müssen, weniger produktiv sind als Familienbetriebe. Erst die Mechanisierung (bzw. in der Antike der Einsatz von Sklaven) verhelfen zu einer Rentabilitätssteigerung durch Flächenzusammenlegung. 
Wahrscheinlich wird deshalb ein zukünftiges Agrarsystem auf eine Variante des alten Systems (des Feudalismus) hinauslaufen: Reiche Besitzer großer Ländereien verpachten einzelne Parzellen an die Bauern.
* Nachtrag 21.05.08: Potztausend, das von mir vorhergesagte Spiel hat wahrhaftig schon begonnen! In den "Favoriten" meines Browsers habe ich in einem von mir "Menetekel" benannten Dateiordner den Artikel "Wie Bauern gegen den Preis-Schock kämpfen" aus der "Welt" von 20.05.08 abgelegt. Darin erfahren wir u. a.:
"Mit dem Boom in der Landwirtschaft steigen die Preise für Agrarflächen. In diesem Jahr zahlten Großinvestoren in der Region um Groß Luckow [Mecklenburg] 13.000 Euro für einen Hektar Ackerland, wie Hernich berichtet. Das sei zweieinhalb Mal so viel wie vor einem Jahr ... . Grund und Boden werden als sichere Geldanlage immer interessanter. In Notzeiten haben Menschen früher ihr Meißner Porzellan gegen eine Scheibe Speck eingetauscht, sagt Hernich. Solche Zeiten, befürchtet er, werden wiederkommen." [Hervorhebungen von mir] 
 
Im übrigen werden wir natürlich auch, so wie jetzt die Bewohner der Tropen, mehr oder weniger sämtliche Wälder roden. Einerseits um das Holz rasch zu Energie zu machen. Andererseits, um dort schneller nachwachsende Rohstoffe anzubauen. 
Die Landbesitzer – und alle, die es sich sonst noch leisten können – werden weiter im Porsche fahren (oder im Polo, der in Zeiten der Knappheit sicherlich ebenso zu neuen Ehren kommen wird wie der gute alte Holzvergaser). Da Kraftfahrzeuge in Zeiten des Rohölmangels mit Bio-Sprit betrieben werden müssen, kommt es nicht nur zu einer 'Futter-Konkurrenz' zwischen Arm und Reich, sondern außerdem auch zu einer Konkurrenz der Verwendungszwecke Ernährung - Fortbewegung. Mais, Zuckerrohr usw., die man in Ethanol umgewandelt hat, können nicht mehr als Zucker oder Polenta auf den Tisch bzw. Teller kommen. 
 
 
Dennoch: Eine Überschrift wie in meinem vorliegenden Blog-Eintrages werden wir niemals lesen, nicht einmal in der Bild-Zeitung. 
Die darin sinnbildlich verdichtete Konkurrenz zwischen einer Verwendung von pflanzlichen Agrarerzeugnissen für die Nahrungsaufnahme einerseits und als Energielieferanten für Motoren andererseits (man könnte auch sagen: zwischen direkter und indirekter energetischer Verwendung pflanzlicher Produkte durch die Menschen) wird nicht in dieser konkreten Form in Erscheinung treten. 
Gleichwohl wird ein Szenario der hier geschilderten Art sich entfalten, und den Menschen werden diese Zusammenhänge durchaus bewusst sein. 
Der Staat wird mit Ge- und Verboten, Rationierungsmaßnahmen und Kontrollen versuchen, eine gleichmäßigere Verteilung zu erwirken (oder zumindest die Wähler davon zu überzeugen, dass 'die Politiker was für uns tun'), aber die Mangelwirtschaft wird ihre (illegalen) Schleichwege finden, auf denen selbst in Zeiten der Not das "Fett oben schwimmt". 
 
Wo würde ich in Erwartung einer solchen Situation investieren, wenn ich 1) Geld und 2) Kinder hätte? In ein großes Stück Land natürlich. Das ist derzeit vielleicht weniger rentabel als anderweitige Geldanlagen, aber dafür immer eine sichere Versorgungsgrundlage. 
Den Landbesitzern isst niemand die Polenta vom Teller weg. 
 
 
Nachtrag vom 21.03.06: 
Wenn auch Sie Benzin sparen wollen, können Sie sich auf der Webseite "Mobil ohne Fossil. Ethanol statt Benzin" informieren. 
 
 
Nachtrag vom 18.04.06: 
Meine Spekulationen über eine mögliche Konkurrenz zwischen der Verwendung pflanzlicher Rohstoffe als Nahrungsmittel einerseits und als Energieträger andererseits hätte ich mir sparen können. 
Mehr oder weniger ist das alles schon angedeutet in dem (erst heute von mir entdeckten) Handelsblatt-Artikel vom 04.12.05 "Wenn Bauern zu Scheichs werden".


Nachtrag 10.05.06
Unsere Zukunft als Vergangenheit im Labor der Geschichte:
Unter dem Titel "A tale of two countries: How North Korea and Cuba reacted differently to a suddenly diminished oil supply" vergleicht eine gewissen Dale Jiajun Wen ("visiting scholar with the International Forum on Globalization. A native of China, she specializes in China and globalization issues" wird sie am Schluss des Aufsatzes beschrieben) die Art und Weise, wie Nordkorea (erfolglos) und Kuba (erfolgreich) auf ihre jeweiligen "Ölkrisen" reagiert haben (die damals noch nicht auf absolutem Mangel beruhten, sondern sich aus dem Zusammenbruch der UDSSR - und damit dem Wegfall der massiven Unterstützung beider Länder durch diese - ergaben).


Nachtrag vom 28.07.06:
vgl. dazu jetzt auch den Handelsblatt-Artikel vom 26.07.06 "Experten sprechen vom neuen Agrar-Zeitalter".


Nachtrag vom 30.07.06:
George Monbiot möchte die Welt verbessern. Globale Amelorationsprojekte stehen derzeit offenbar nicht hoch im Kurs. Sein Buch "United People. Manifest für eine neue Weltordnung" (die deutsche Ausgabe ist im Riemann Verlag München i. d. R. "One Earth Spirit" erschienen; der Originaltitel lautet: "The Age of Consent") wird in der ersten Auflage (von 2003) derzeit verramscht. Früherer Ladenpreis: 21,- €; jetzt bei Wohlthat in Mainz um einen Euro zu haben.
Nicht, dass ich viel Hoffnung habe, dass andere (oder ich) der Welt quasi von einem imaginären Descartschen Hebelpunkt einen Paradigmenwechsel "zum Guten" verpassen könnte(n). In der Erwartung, vielleicht "Food for Thought" zu finden (oder Futter für's Bloggen?), habe ich den einen Euro dann aber doch spendiert.
Der Name "Monbiot" kam mir bekannt vor, und in der Tat war er bereits in meinen Browser-Favoriten gespeichert.
Ich weiß nicht, ob ich seinen Blog-Eintrag vom 23.11.2004 "Feeding Cars, Not People" früher schon einmal gelesen habe; jedenfalls aber muss ich Monbiot die Priorität zugestehen für die 'Entdeckung', dass die Verwendung von Bio-Treibstoffen zu einem Mangel an Nahrungsmittelmangel führen kann. Einige Zitate:
"If, as some environmentalists demand, it [d. h. der großmaßstäbliche Einsatz von Bio-Treibstoffen] is to happen worldwide, then most of the arable surface of the planet will be deployed to produce food for cars, not people.
This prospect sounds, at first, ridiculous. Surely if there was unmet demand for food, the market would ensure that crops were used to feed people rather than vehicles? There is no basis for this assumption. The market responds to money, not need. People who own cars have more money than people at risk of starvation." [Hervorhebung von mir]
"Green fuel is not just a humanitarian disaster; it is also an environmental disaster."
"It is shocking to see how narrow the focus of some environmentalists can be." [Mein Kommentar: "only of 'some' environmentalists???"]
"We need a solution to the global warming caused by cars, but this isn’t it. If the production of biofuels is big enough to affect climate change, it will be big enough to cause global starvation." [Mein Kommentar: Wir brauchen nicht nur eine Lösung gegen die globale Klimaänderung, sondern vor allem eine Lösung für die Ressourcenerschöpfung. Ich fürchte nur, dass wir hier vor Problemen stehen, für die es keinerlei Lösungen gibt.]
George Monbiot hat dann später noch einen weiteren Kommentar zu diesem Thema verfasst: "Worse Than Fossil Fuel" vom 06.12.06.
Nachtrag (zu Monbiot) vom 17.06.2008:
Der Liste "Must read: Interessante Artikel zu Wirtschaft & Politik" (auf die ich wiederum beim Googeln nach einer ziemlich einmaligen Rede des früheren US-Admirals Hyman Rickover aus dem Jahr 1957 mit der erstaunlichen Warnungen vor 'Peak Oil' geraten war) verdanke ich den Hinweis auf einen weiteren, neueren Aufsatz von George Monbiot zu dem, was man vielleicht "agricaust" oder auf deutsch "Agrokaust" nennen könnte (oder eines Tages nennen wird): "An Agricultural Crime Against Humanity. Biofuels could kill more people than the Iraq war", posted November 6, 2007. Daraus ein Zitat: "... almost all the major agencies are now warning against expansion. And almost all the major governments are ignoring them." 
 
 
Nachtrag vom 27.10.06: 
"Vom Bundestag beschlossen. Höhere Biosprit-Beimischung wird Pflicht" überschreibt das Handelsblatt einen Bericht von heute. 
Nun greift also schon die Politik nach unserer Polenta! 
 
 
Nachtrag vom 08.01.07: 
Zufällig stieß ich heute auf den OstBlog. Während diese Eintragung (über die Liebe im Osten - respektive über den Sex in der DDR) zwar sehr anregend war (und nachdenklich macht), erbeutete ich dort unter dem Titel "Menschen ernähren, nicht Autos!" eine Information, die in den vorliegenden Kontext gehört und, wenngleich weniger stimulierend, uns noch weitaus nachdenklicher machen sollte: "Fünf Umweltnetzwerke, die hunderte Gruppen aus Lateinamerika vertreten, [haben] vor einem Bioenergie-Boom gewarnt" lesen wir dort. 
Unter anderem sorgen sich die Umweltschützer von der Südhalbkugel 
"While Europeans maintain their lifestyle based on automobile culture, the population of Southern countries will have less and less land for food crops and will loose its food sovereignty. We will have to base our diet on imported food, possibly from Europe. 
In other cases, energy crops will be grown in Latin America, as well as in Asian and African countries, at the expense of our natural ecosystems." 
Und fordern: 
"We are therefore appealing to the governments and people of the European Union countries to seek solutions that do not worsen the already dramatic social and environmental situation of the peoples of Latin America, Asia and Africa." 
 
Es erscheint mir übrigens als eine recht optimistische Annahme der Umweltschützer da unten, dass die von uns Europäern was zu essen kriegen, wenn sie uns ihre Bio-Treibstoffe liefern. Eher werden wir wohl Luxus-Limousinen liefern im Austausch für Bio-Kraftstoff - für die dortige Oberschicht. Der Rest von den Völkern wird dann wohl den Gürtel ganz, ganz eng schnallen müssen. Oder geschnallt kriegen. 
Aber das wird auch bei uns geschehen. 
 
Nachträge 09.-11.05.07:
Die britische Zeitschrift "The Ecologist", nach eigener Einschätzung "the world’s most respected environmental affairs magazine", hat im März einen "Ecologist Special Report: Biofuels" veröffentlicht. Unter verschiedenen Aspekten (Regenwaldrodung für den Anbau von Pflanzen für die Treibstoffproduktion, negative Energiebilanz der Biotreibstoffe usw.) wird darin nachgewiesen, dass eine großmaßstäbliche Verwendung von Biosprit keinen Gewinn für die Umwelt bringt.
In seinem darin enthaltenen Aufsatz "Biofuels Report: Against the Grain" weist Robin Maynard in dem Kapitel "Feeding cars, not people" (sehr zurückhaltend) auch auf die Konkurrenz zwischen der Verwendung der Agrarrohstoffe für die Treibstoffproduktion einerseits und die Nahrungsmittelproduktion andererseits und die daraus resultierenden Gefahren hin. Dabei präsentiert er einige Daten, aus denen erkennbar wird, dass die vorhandene Agrarfläche gar nicht ausreicht, um die für eine ausreichende Treibstoffgewinnung benötigte Biomasse anzbauen.
Unter der Überschrift "Polenta oder Biodiesel. Footprint und die Herausforderungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft" [na, wie kam denn nur die Polenta in seinen Artikel? Was bei mir durch Alliteration gerechtfertigt ist, wirkt bei ihm zusammenhanglos ("Brot oder Biodiesel" wäre griffiger gewesen), es sei denn, man nimmt an, dass ...] schreibt ein gewisser Wolfgang Pekny wider die angebliche energetische Wunderwaffe Biotreibstoffe.
Ein Jürgen Maier wägt u. d. T.: "Energie aus Biomasse – Konkurrenz zur Nahrungsproduktion?" die Frage eher vorsichtig ab.
Ganz allgemein habe ich den Eindruck, dass die Frage "Speise oder Sprit" bislang hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt unserer "Fürsorgepflicht" für die Länder des Südens, der Dritten Welt, gesehen wird (vgl. z. B. "Vom globalen Agrarhandel und dem Hunger in der Welt"). Ich fürchte indes, dass uns die Konkurrenz der Anbauzwecke auch sehr direkt hier daheim treffen könnte und der Hunger keineswegs ein undeutliches Grummeln aus fernen Ländern bleiben wird. 
 
In der ZEIT vom 28.12.06 ist Fritz Vorholz zwar nur begrenzt, aber dennoch vielleicht zu optimistisch bezüglich der positiven Auswirkungen für die Entwicklungsländer, insbesondere Afrika: "Eldorado im Armenhaus. Der Boom der Biotreibstoffe kommt den Agrarländern zugute – vielleicht". 
 
Einen Einstieg in die Welt der Bio-Kraftstoffe (die weitaus vielfältiger -und damit auch komplizierter- ist, als ich mir das vorgestellt hatte) bietet das Wikipedia-Stichwort "Biokraftstoff", von dem aus man zu den zahlreichen Varianten verzweigen kann: 
  • Bioethanol: Ethanol, das aus Biomasse oder dem biologisch abbaubaren Teil von Abfällen hergestellt wird und für die Verwendung als Biokraftstoff bestimmt ist, 
  • Biodiesel: Methylester eines pflanzlichen oder tierischen Öls mit Dieselkraftstoffqualität, der für die Verwendung als Biokraftstoff bestimmt ist, 
  • Biogas: Brenngas, das aus Biomasse oder aus dem biologisch abbaubaren Teil von Abfällen hergestellt wird, durch Reinigung Erdgasqualität erreichen kann und für die Verwendung als Biokraftstoff bestimmt ist, oder Holzgas, 
  • Biomethanol: Methanol, das aus Biomasse hergestellt wird und für die Verwendung als Biokraftstoff bestimmt ist, 
  • Biodimethylether: Dimethylether, der aus Biomasse hergestellt wird und für die Verwendung als Biokraftstoff bestimmt ist, 
  • Bio-ETBE (Ethyl-tertiär-Butylether): ETBE, der auf der Grundlage von Bioethanol hergestellt wird. 
  • Bio-MTBE (Methyl-tertiär-Butylether): Kraftstoff, der auf der Grundlage von Biomethanol hergestellt wird. 
  • Synthetische Biokraftstoffe (BtL-Kraftstoff): synthetische Kohlenwasserstoffe oder synthetische Kohlenwasserstoffgemische, die aus Biomasse gewonnen wurden, 
  • Biowasserstoff: Wasserstoff, der aus Biomasse oder aus dem biologisch abbaubaren Teil von Abfällen hergestellt wird und für die Verwendung als Biokraftstoff bestimmt ist, 
  • Reines Pflanzenöl: Öl, das durch Auspressen, Extraktion oder vergleichbare Verfahren aus Ölsaaten gewonnen wird, roh oder raffiniert, jedoch chemisch unverändert, sofern es für den betreffenden Motorentyp geeignet ist und die entsprechenden Emissionsanforderungen erfüllt."
 
Ralf Streck hat in der Online-Zeitschrift "Telepolis" des Heise-Verlages am 29.01.2007 einen Artikel über die "Tortilla-Krise in Mexiko" publiziert (und am 12.04.07 einen weiteren einschlägigen Artikel "Biosprit und die Angst vor steigenden Bierpreisen", den ich aber nur überflogen habe). 
Man könnte meinen, dass mich am dem Aufsatz über die Tortilla-Teuerung in Mexiko insbesondere die Bestätigung meiner Vorahnungen über eine Flächenkonkurrenz zwischen den Verwendungszwecken Kraftstoff für Autos und Nahrungsmittel für Menschen interessiert. Wichtiger ist mir jedoch die intellektuelle Sauberkeit von Texten, und da hapert es bei Streck jedenfalls in diesem Falle. 
"Mit dem Beitritt von Mexiko zum Freihandelsabkommen Nafta konnten viele Bauern nicht mehr mit dem hoch subventionierten Mais aus den USA konkurrieren. Deshalb geriet das Land immer mehr in die Nahrungsmittelabhängigkeit vom reichen Nachbarn
berichtet er. Das kann ja nur bedeuten, dass der Mais für die Mexikaner nunmehr billiger zu kaufen war, sie also Wohlfahrtsgewinne gemacht haben (bzw. die Städter; die Mais anbauende Landbevölkerung hatte natürlich den Schaden). 
Und weiter schreibt Streck: 
"Da dort [also in den USA] die Nachfrage nach dem Korn zur Produktion von Bioalkohol für Autos steigt, können viele Mexikaner das Grundnahrungsmittel zur Herstellung der Tortillas nun kaum noch bezahlen." 
Das müsste ja die mexikanischen Kleinbauern erfreuen und ihre Erträge wieder steigern, aber das ist Streck (wie verständlicher Weise auch den Mexikanern, die die höheren Maispreise bezahlen müssen) anscheinend auch wieder nicht recht, oder nicht wichtig, oder (die wahrscheinlichste Variante) er reflektiert die logischen Widersprüche zwischen seinen Sätzen gar nicht. 
Kann man beide Welten haben: einen auskömmlichen Verdienst für Kleinbauern und gleichzeitig niedrige Maispreise? Klar, geht auch - aber das zahlt dann der Steuerzahler. Wie das Land als Ganzes dabei profitieren soll, ist schleierhaft, aber das war den Menschenfreunden noch nie wichtig, die sehen immer nur die niedrigen Preise. (Das Geld kommt, wenn es der wohltätigen Regierung mal ausgeht, vom Rest der Welt -wie offenbar auch in der Vorstellung des amerikanischen Ökonomen Joseph Stiglitz-: vom IWF, der Weltbank, von der Aktivierung irgendwelcher scheinbar schlummernder Währungsreserven, die scheinbar niemand vermissen würde und für die niemand zu bezahlen bräuchte, oder von ebenso gedachten Kunstwährungen.) 
Das sagt Streck natürlich nicht, und darüber macht er sich auch keine Gedanken. Bei ihm lesen wir lediglich: 
"Nach 13 Jahren zeigt sich, dass der so genannte Freihandel zur Verarmung breiter Bevölkerungsschichten führte und Mexiko zudem von den USA abhängig gemacht hat. Denn bis in die 90er Jahre deckte das Land seinen Bedarf an Mais noch aus der eigenen Produktion. Doch 1994 trat das Land dem Freihandelsabkommen Nafta mit den USA und Kanada bei. Die Regierungen unter Carlos Salinas de Gortari und Ernesto Zedillo beendeten damit ein System aus Landwirtschaftshilfen für Kleinbauern und eines festgesetzten subventionierten Preises für Mais." [Hervorhebung von mir] 
Ziemlich am Ende und ganz beiläufig erfahren wir dann noch, dass die Maiseinfuhr nach Mexiko trotz Freihandelszone mit Zöllen belegt wird: 
"Der Staatschef hat zudem verfügt, insgesamt 650.000 Tonnen Mais zollfrei [!]einzuführen, um den Preis zu stabilisieren." [Hervorhebung von mir] 
Die oberflächliche Kernbehauptung seines Artikels, nämlich dass der Mais teurer geworden ist, halte ich zwar durchaus für glaubhaft. Was aber die angebliche allgemeine Verarmung Mexikos durch den Beitritt zur Freihandelszone angeht (und darin sehe ich die eigentliche argumentative Stoßrichtung seines Artikels: gegen die USA, gegen Freihandel, gegen Subventionsabbau: die übliche Leier der gutmenschlichen Zauberkünstler halt), sind mir seine Zahlenangaben allzu fragmentarisch und erscheinen allzusehr im Hinblick auf ein bereits bestehendes Voruteil selektiert, um Streck Vertrauen zu schenken. 
 
Lester R. Brown vom Earth Policy Institute beschreibt in einem Artikel vom 13.07.06 die Situation und Entwicklung in den USA "Supermarkets and Service Stations Now Competing for Grain". 
Der gleiche Aufsatz wurde auch auf dieser Webseite publiziert; dort finden sich auch einige interessante Leserkommentare (für und gegen seine Position). Interessant ist, im Zusammenhang mit dem o. a. Telepolis-Artikel betreffend die "Tortilla-Krise" bzw. meiner Kritik daran, das Posting von "mosolar": 
"Just wondering out loud here: For years the US has also been demonized for 'dumping' corn and other grains on the world market and wreaking havoc with the agricultural economies in developing countries. Is there any chance that using more corn for ethanol could be good for farmers in poorer countries who don't get the same kind of subsidies that US farmers get for growing corn? Normally, if demand goes up so too will price, which in turn will drive up investment and opportunity. Like I said, just thinking out loud here." 
 
 
Nachtrag vom 04.07.2007: 
Na also: nun macht sich sogar schon die deutsche Brauwirtschaft Sorgen um die Lebensmittelversorgung der Menschheit angesichts der konkurrierenden Verwendung von Bio-Rohstoffen für die Energiegewinnung. 
In Pressemeldungen (mir lag z. B. ein Artikel in der Passauer Neuen Presse/Bayerwald-Bote vom 15.06.2007 u. d. T. "Brauer: Bierpreis wird um 40 Prozent steigen" vor) wurde ein Zusammenhang zwischen angekündigten Bierpreiserhöhungen und einer verknappungsbedingten Steigerung der Preise für Braugetreide hergestellt (vgl. z. B. auch die Meldung "Bier wird deutlich teurer" in "Die Welt" vom 10.06.2007). 
Die Landwirtschaft hat sofort bestritten (vgl. z. B. Artikel in der Passauer Neuen Presse/Bayerwald-Bote vom 18.06.2007 u. d. T. "Sonnleitner: Landwirte sind keine Preistreiber"): "Da wird maßlos überzogen. ... Bei einem Kasten Bier würde die [Preis-]Steigerung für Braugerste höchstens fünf oder zehn Cent ausmachen. ... Dort, wo Braugerste produziert wird, haben wir fast keine Biogasanlagen." Immerhin räumt er ein: "Die Rohware in der Landwirtschaft werde zwar teurer". (Vgl. auch Landwirtschaftliche Zeitung, Meldung vom 22.06.2007: "Brauer übertreiben maßlos"; agrarheute.com vom 19.06.07: "Bauernpräsident hält Warnung vor Bierpreisanstieg für übertrieben"). 
 
Von "Greenpeace" darf man wohl annehmen, dass die sich freuen, ihren Mitgliedern und Anhängern die Lobby-Botschaft des Bauernpräsidenten verkünden zu können (schon am 17.06.2007) "Bauernpräsident hält befürchteten Bierpreisanstieg für übertrieben"). 
Wenn die da mal nicht allzu kurzfristig denken! 
 
Ich selbst habe zwar auch keinen Zweifel daran, dass die aktuellen Preissteigerungen für Braugerste tatsächlich nur die von Gerhard (Gerd) Alfons Jakob Sonnleitner , Präsident des "Deutschen Bauernverband", behaupteten relativ geringen Auswirkungen auf den Bierpreis haben (hier die Pressemitteilung direkt vom Bauernverband). 
Die Sorge des Brauerbundes gilt jedoch mehr der Zukunft und wird auch von anderen Verbänden geteilt. Das "feedmagazine" berichtete unter dem Titel "Bioenergieförderung verzerrt Wettbewerb" am 02.07.2007: 
"Die staatliche Förderung von Bioenergie müsse neu ausgerichtet werden. Dazu fordern acht Verbände der Lebensmittelwirtschaft, die sich zum Netzwerk Lebensmittel-Forum zusammengeschlossen haben, die Bundesregierung und die EU-Kommission auf. Mit der jetzigen staatlichen Förderung werde praktisch eine Bioenergie-Marktordnung geschaffen. Die Auswirkungen dieser politisch vorgegebenen Wettbewerbsverzerrung seien eine drastisch verschärfte Flächen- und Rohstoffkonkurrenz und wirtschaftlicher Druck auf die landwirtschaftliche Tierhaltung und die Ernährungsindustrie. Das Lebensmittel-Forum befürchtet Engpässe bei der Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Lebensmitteln aus heimischer Erzeugung. Deshalb sollten für die Bioenergieerzeugung nur Rohstoffe eingesetzt werden, die weder für den menschlichen Konsum noch für die Nutzung als Futtermittel geeignet sind. So sollte sich die Förderung auch bei einer Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) auf solche Rohstoffe wie zum Beispiel Abfälle und Nebenprodukte konzentrieren." [Hervorhebung von mir] 
 
Auch Äußerungen und Pressemitteilungen der Brauerei-Lobbyisten "Deutscher Brauer-Bund e. V." machen deutlich, dass es hier nicht darum geht, fadenscheinige Begründungen für Preisanhebungen zu fabrizieren. 
In seiner Rede vom 14.06.2007 führte Dr. Richard Weber, Präsident des Deutschen Brauer-Bundes, zu diesem Thema aus: 
"2. Braugetreide versus Bioenergien 
Der Markt für Braugerste hat sich wie die Märkte für Getreide und pflanzliche Agrarrohstoffe in den vergangenen 18 Monaten dramatisch bewegt. Er ist von einem knappen Angebot und drastisch gestiegenen Preisen geprägt. Braugetreide weist eine Preissteigerung von ca. 50 Prozent auf. Die Ursache liegt in einem schlechten Ernteergebnis im Jahr 2006 und in einer Umnutzung der Anbauflächen. Es besteht derzeit in Deutschland ein Fehlbedarf an Braugerste von 500.000 Tonnen. Die Entwicklung aus dem Spiel der Marktkräfte heraus wird überlagert und dramatisch zugespitzt durch einen politisch festgelegten Einflussfaktor in Form der zusätzlichen Getreide- und Flächennachfrage für die Bioenergieprodukte. Die Novellierung des erneuerbaren Energie-Gesetzes hat bekanntlich viele Investitionen in Biogasanlagen ausgelöst. Die gesetzlich garantierte Einspeisevergütung und der Bonus, den Landwirte für nachwachsende Rohstoffe erhalten, die zur Biogaserzeugung angebaut werden, hat zu einem sprunghaften Anstieg der Zahl der Biogasanlagen geführt (z. Z. 3.500 Anlagen). Der Energiesektor und der Nahrungsmittelsektor konkurrieren zunehmend um ein und dieselben Agrarrohstoffe bzw. Anbauflächen. Auf die Brauwirtschaft hat diese Konkurrenz unmittelbar negative Folgen. Das ist jedoch nicht die Folge einer originären Marktentwicklung, sondern das Ergebnis einer einseitigen öffentlichen Förderung der Bioenergie bzw. einer politisch induzierten Wettbewerbsverzerrung. Die deutsche Brauwirtschaft ruft daher die politisch Verantwortlichen zu einer realistischen Einschätzung der Bioenergiepolitik auf. 
Die aktuellen Marktentwicklungen zeigen, dass die Förderung des Bioenergiesektors mit Nachteilen und Lasten für andere Wirtschaftbereiche erkauft wird. Wir fordern daher eine unverzügliche Abschaffung der obligatorischen Flächenstilllegung, die Streichung der Energiepflanzenprämie, den Wegfall der Beimischung von Bioethanol. Wir erklären, dass die energetische Verwertung von pflanzlichen Rohstoffen, die für menschliche und tierische Ernährung geeignet sind, nicht geeignet ist, energiepolitische Ziele zu erfüllen. 
Die Politik, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene, fordern wir auf, ihre energiepolitischen Ziele umgehend zu überdenken. Die EU-Kommission beabsichtigt nämlich, den für 2010 vorgeschrieben Zielwert von 5,75 Prozent beim Einsatz von Kraftstoffen durch Biokraftstoffe für das Jahr 2020 auf 10 Prozent zu anzuheben. Dadurch erhofft man sich, negative Auswirkungen auf das Klima verringern zu können. Fundierte Erkenntnisse belegen jedoch, dass Biokraftstoffe (Biodiesel und Bioethanol) weitaus mehr Probleme verursachen, als sie lösen. Die Einsparung von Kohlendioxidemissionen werden durch den Ersatz von Diesel durch Biodiesel deutlich mit höheren Treibhausgasemissionen erkauft. Die tatsächlichen Einsparungen an CO2 sind weitaus geringer als erwartet. Ferner wird für die Zielerreichung mehr Anbaufläche benötigt, als überhaupt vorhanden. Wir prognostizieren eine dramatische Verschlechterung der Lebensmittelversorgung. Etwa 15 Prozent der Weltbevölkerung sind chronisch unterernährt. Die angestrebte Halbierung dieser Zahl bis 2015 ist selbst ohne Biokraftstoffproduktion kaum absehbar. Um einer Weltbevölkerung von 8,2 Milliarden Menschen im Jahr 2030 ausreichende Nahrungsenergie zur Verfügung zu stellen, wären ohne Energieproduktion entweder 37 Prozent mehr Anbaufläche oder eine um 37 Prozent gesteigerte Produktivität des Anbaus erforderlich. 
Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es nicht um die Frage geht, um wie viel das Glas Bier sich verteuert, sondern viel mehr um eine grundsätzliche Problematik, um eine falsche Weichenstellung, unter der nicht nur die deutsche Brauwirtschaft zu leiden hat. 
Dieserhalb führen wir sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene Gespräche. Es ist ein Irrglaube, dass es sich bei der Bioenergie in Ansehung der Subventionen um einen neuen Markt handelt. Richtigerweise geht es um ein Weniger an Wettbewerb durch staatliche Eingriffe, dass heißt, um die negativen Auswirkungen einer neuen Marktordnung, der Bioenergiemarktordnung." [Hervorhebungen von mir] 
 
Während es in dieser Rede hauptsächlich um Marktverzerrungen durch Subventionen geht, stellt eine Pressemitteilung des Hauptgeschäftsführers Peter Hahn vom 29.06.2007 u.d. T. "Wettbewerbsverzerrungen durch Bioenergieförderung stoppen. Verschlechterung der Lebensmittelversorgung befürchtet" auch die Risiken einer energetischen Nutzung von Lebensmittelpflanzen für die Nahrungsmittelversorgung etwas stärker heraus: 
"Verbände der Lebensmittelwirtschaft (Netzwerk Lebensmittel-Forum) fordern Bundesregierung und Europäische Kommission dringend auf, die staatliche Förderung des Bioenergiesektors neu auszurichten. „Diese massiven Subventionen dürfen nicht einseitig zu Lasten der Lebensmittelerzeugung gehen. Sie sind ein unzulässiger Eingriff in den Markt zu Lasten der Lebensmittelwirtschaft und der Verbraucher“, erklärt Rechtsanwalt Peter Hahn im Namen von acht Verbänden. Diese befürchten Engpässe bei der Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Lebensmitteln aus heimischer Erzeugung. Deshalb sollten insbesondere zur Erzeugung von Biotreibstoffen und zur Biogasnutzung nur Rohstoffe zum Einsatz kommen, die weder für den menschlichen Konsum noch für die Nutzung als Futtermittel geeignet sind. „Mit der jetzigen staatlichen Förderung wird praktisch eine Bioenergie-Marktordnung geschaffen. Die Auswirkungen dieser politisch vorgegebenen Wettbewerbsverzerrung sind eine drastisch verschärfte Flächen- und Rohstoffkonkurrenz und wirtschaftlicher Druck auf die landwirtschaftliche Tierhaltung und die Ernährungsindustrie. 
Dabei ist die Nachhaltigkeit der Bioenergieförderung im Hinblick auf den Klimaschutz fragwürdig, so das Netzwerk Lebensmittel-Forum. Die Einsparung von CO2-Emissionen werde weltweit mit neuen, deutlich höheren Treibhausgasemissionen auf der Produktionsseite erkauft. Der zunehmende weltweite Bedarf an Rohstoffen, z.B. für die Produktion von Biokraftstoffen und die Importabhängigkeit der EU von diesen Rohstoffen, erhöht den Druck, neue Agrarflächen zu schaffen. Das bedroht auch die bestehenden Regenwälder in Südostasien und im Amazonas-Gebiet, die heute einen wichtigen Anteil an der Reduktion weltweiter CO2 - Emissionen haben. Werden diese Flächen reduziert und vernichtet, können mehrere Jahrhunderte vergehen, bis die CO2-Emissionen kompensiert sind. 
Auch für die Versorgung der rasch wachsenden Weltbevölkerung mit Lebensmitteln habe ein verstärkter Einsatz von Biokraftstoffen schwerwiegende Konsequenzen: Die aufgekommene Rohstoff- und Flächenkonkurrenz zwischen der Erzeugung von Nahrungsmitteln und der Bereitstellung von Energie werde das Ziel verfehlen, ein ausreichendes Nahrungsangebot für alle sicherzustellen. Global nähmen die Ackerflächen zur Erzeugung von Rohstoffen für Biokraftstoffe zu, obwohl gleichzeitig immer mehr Menschen auf der Welt leben, die mit Nahrungsmitteln versorgt werden müssen. Die Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe und Lebensmittel würden daher zwangsläufig immer weiter steigen. Nicht einmal die Energieunabhängigkeit Deutschlands sei durch Bioenergie nicht zu erreichen: Alle Ackerflächen in Deutschland könnten nur 20 Prozent des Mineralöls ersetzen, aber damit Deutschland die komplette Ernährungsbasis entziehen. Bezogen auf die Europäische Union sei mehr als das Anderthalbfache der zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Nutzungsfläche erforderlich, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Das Netzwerk Lebensmittel-Forum hat sich daher an Bundeswirtschaftsminister Glos und Bundesernährungsminister Seehofer gewandt und mit Blick auf eine Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gefordert, die EEG-Förderung auf Rohstoffe und Substrate zu konzentrieren, die nicht als Lebensmittel oder Futtermittel genutzt werden, d.h. auf Abfälle und Nebenprodukte. Die Förderung von Biokraftstoffen gehört auf den Prüfstand; ebenso die agrarmarktpolitischen Instrumente der Flächenstilllegung und der Energiepflanzenprämie, die in entkoppelten Marktordnungen ihre Berechtigung verloren haben. 
„Der eingeschlagene Weg im Bereich der Bioenergie ist ein Irrweg“, erklärt Hahn in Übereinstimmung mit den genannten Verbänden. Die Politik greife massiv in die Struktur der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft ein. Diese ineffiziente Förderpolitik sei volkswirtschaftlich und umweltpolitisch schädlich. Statt wieder in der überhitzten Bioenergiekonjunktur staatliche Förderungen für Rohstoffe vorzunehmen, hält das Netzwerk Lebensmittel-Forum es für richtiger, in bereits bestehende alternative, erneuerbare Energiekonzepte (z.B. Solar-, Windenergie) und nicht in Agrarpflanzen zu investieren, da diese deutlich effektiver sind in Bezug auf die Produktion von Bioenergie." [Hervorhebungen von mir] 
 
Im Zusammenhang mit meinen o. a. Recherchen bin ich noch auf den Artikel "Die Kraft der Körner. Bioenergie ist der Wachstumsmarkt der Landwirtschaft. Das lässt die Lebensmittelpreise steigen" in der Berliner Zeitung vom 23.01.2007 gestoßen. Auch dort wird, unter dem Zwischentitel "Tankstelle oder Supermarkt?", das Problem der Verwendungskonkurrenz von Nahrungspflanzen angesprochen: 
"Was die Energieindustrie freut, ärgert die Lebensmittelbranche. "Wir müssen darauf achten, dass wir für das Geld, das wir an der Tankstelle sparen, nicht im Supermarkt draufzahlen müssen", sagte der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Jürgen Abraham. Weil die landwirtschaftlichen Rohstoffe, insbesondere Rapsöl, verstärkt im Energiebereich eingesetzt werden, seien die Preise gestiegen und die Rohwaren knapp geworden. Er forderte deshalb dazu auf, beim Einsatz nachwachsender Rohstoffe zur Energieerzeugung darauf zu achten, ob diese ausreichend für die Lebensmittelverarbeitung zur Verfügung stehen. 
Auch die deutschen Brauer befürchten höhere Bierpreise wegen des zunehmenden Anbaus von Energiepflanzen. Die Ackerfläche für Braugerste sei von über einer Million Hektar im Jahr 1991 auf knapp 548 000 Hektar im vergangenen Jahr geschrumpft. Die Versorgung mit hochwertiger Gerste sei damit nicht mehr überall gewährleistet, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Peter Hahn. Die Rohstoffkosten beim Brauprozess hätten sich bereits verdoppelt. Nicht nur die Industrie hat ihre Probleme mit dem Boom der Bioenergie. Auch die Verbraucherschützer fürchten eine Konkurrenz zwischen "Brot und Energie", wie es die Chefin vom Verbraucherzentrale Bundesverband, Edda Müller, formuliert hat." [Hervorhebung von mir] 
 
 
Nachtrag 15.08.07: 
Carsten Dierig berichtet in "Die Welt" vom 28.07.2007 u.d. T. "Die Ernte gehört nicht in den Tank" über die Klagen der Lebensmittelindustrie wegen der Preissteigerungen bei landwirtschaftlichen Produkten und die Warnungen vor einer Verwendung agrarischer Rohstoffe als Automobil-Treibstoff. 
 
 
Nachtrag 13.10.07: 
Die Wirtschaftswoche vom 12.10.07 berichtet u. d. T. "Die globale Inflation kehrt zurück" u. a. auch über (heftige) Preiserhöhungen bei Lebensmitteln. Nicht als einziger, aber als einen der Gründe wird auch die Verwendung von Bio-Treibstoffen identifiziert. Die entsprechende Passage hier im Zitat: 
"Ein weiteres Phänomen treibt die Lebensmittelpreise nach oben: Aufgrund des hohen Ölpreises verkaufen die Bauern rund um den Globus Raps und Mais lieber an die Hersteller von Biotreibstoffen als an die Lebensmittelindustrie, weil sie dabei höhere Gewinne kassieren. Die Folgen bekamen die Mexikaner schon im Sommer zu spüren. Weil sie das Maismehl für ihre Tortillas nicht selbst herstellen, sind sie auf Importe aus den USA angewiesen. Dort verkaufen aber immer mehr Farmer ihren Mais an die Ethanolfabriken. Die Folge: Zwischen Juli 2006 und April 2007 sprangen die Weltmarktpreise für Mais um 58 Prozent nach oben. Entsprechend stieg der Preis für Tortillas, die in Mexiko zur Grundernährung gehören, und damit die Inflation. Daher protestierten neben den Armen auch die Hausfrauen aus der Mittelschicht gegen die Teuerungswelle lautstark auf der Straße." 
 
 
Nachtrag 15.10.2007:

 

 



Menetekel? (Gesehen an der Eisdiele in Waechtersbach) 
 
 
Nachtrag 29.10.07: 
Solide Daten über die (Begrenztheit der) Substitutionsmöglichkeiten für Öl und über die biologische 'Tragfähigkeit' Deutschlands bei einer Wirtschaftsweise ohne Erdöl liefert ein Blogger (und Physiker) namens Bernd Ohm in einem auch sprachlich vorzüglich formulierten Aufsatz vom 20.11.2006 u. d. T. "Grassierender Kinderwahn. Warum unsere Geburtenrate noch viel zu hoch ist." Er kommt auf einen Wert von 22 Millionen Einwohnern, wobei er jedoch einräumt, dass einige der limitierenden Faktoren noch nicht einmal berücksichtigt sind. 
Nachtrag 10.02.08: Ohm (hier seine Homepage) macht sich auch durch die Übersetzung der Webseite "Wolf at the Door" des Engländers Paul Thompson um die Erweiterung unseres Energiehorizontes verdient. 
 
 
Nachtrag 05.11.07: 
Die Indizien für krisenhafte Tendenzen bei der Nahrungsmittelproduktion mehren und die Berichte verdichten sich. In dem Bericht des Handelsblattes vom 30.10.2007: "Preise steigen schnell. Agrarboom mit Nebenwirkungen" von Jan Dirk Herbermann wird u. a. auch die Verwendung von Treibstoffen auf pflanzlicher Basis als einer der Gründe für die Verteuerung angegeben. Zwar sollen die Preise nach dem Jahr 2011 möglicher Weise wieder sinken; da aber gleichzeitig auf die Risiken hingewiesen wird, welche die wahrscheinliche Klimaänderung für die Agrarwirtschaft mit sich bringt (mehr Trockenperioden), halte ich eine Entspannung der Nahrungsmittelpreise in einigen Jahren für äußerst unwahrscheinlich. 
 
Hinweis vom 11.11.07 (ja, ja, heute fängt der Karneval an - aber anscheinend ist die Party bald over?) auf "Üben Sie den Gebrauch von Werkzeugen aus der Frühsteinzeit!"von Craig Morris, am 09.11.2007 bei Telepolis erschienen. 
 
 
Nachtrag 13.12.07:
Daten über den Energieverbrauch im Zusammenhang mit der Produktion und Verfügbarmachung von Lebensmitteln liefert, auf die USA bezogen, der Artikel "Oil and Food: A Rising Security Challenge" von Danielle Murray vom 09.05.2005 auf der Webseite des "Earth Policy Institute". Gut möglich, dass die Werte in Europa niedriger sind, aber vom Grundsatz her gilt auch bei uns, dass es ohne Erdöl kein (bzw. sehr viel weniger) Futter geben wird. 
(Da kann man sich in der englischsprachigen Wikipedia schon mal mit der "List of famines", einer -unvollständigen- Aufstellung historischer Hungersnöte, vertraut machen.) 
 
 
Nachtrag 14.12.07 
Auch du, mein Soja? Siehe: "Preise steigen. Soja-Angebot schrumpft": Handelsblatt-Artikel vom 02.10.07 von Alexander Busch, und zwar in der Rubrik "Erneuerbare Energien"(!) 
Am 21.11.07 erschien dort ein Artikel "Biokraftstoffe. In den Tank soll noch mehr Acker" [Treffender Titel!]. Auszüge daraus: 
"Benzin und Diesel müssen in Deutschland in Zukunft noch mehr Treibstoffe aus Pflanzen enthalten: Die Bundesregierung hat eine deutliche Erhöhung der Beimischungsquote von Biosprit verfügt. Importierte Treibstoffe vom Acker dürfen nur noch unter einer Bedingung in den Tank. 
Künftig soll importierte Biomasse nach dem Willen der Bundesregierung nur aus umweltfreundlichem Anbau zugelassen werden. „Es kann nicht sein, dass anderswo auf der Welt Wälder gerodet und Moore trockengelegt werden, um Palmöl anzubauen, das dann bei uns als vermeintlich klimafreundlicher Rohstoff eingesetzt wird“, sagte Gabriel. Kriterien für eine Umweltfreundlichkeit nannte Gabriel aber nicht." 
 
 
Nachträge vom 23.02.08: 
"Test.de" der Stiftung Warentest berichtet in der Ausgabe 02/2008 unter der Überschrift "Lebensmittelpreise. Billig war einmal" über die Hintergründe der aktuellen Preissteigerungen und macht dafür neben anderen Faktoren auch die Umnutzung von Agrarflächen für die Gewinnung von Biosprit verantwortlich: 
"Das deutsche Bäckerhandwerk appelliert: Es werde zu viel Getreide durch Biosprit entzogen, Lebensmittel müssten Vorrang haben. Von einer Knappheit kann allerdings bis jetzt keine Rede sein, auch wenn die Konkurrenz zwischen Tank und Teller spürbar ist und weiter zunehmen wird. Zwei Millionen Hektar werden bei uns momentan für Biosprit genutzt, 2020 sollen es schon vier bis fünf Millionen sein – also gut ein Drittel der deutschen Ackerfläche. Ein Fünftel des Benzins und Diesels soll dann aus Raps, Roggen, Mais, Weizen und Zuckerrüben hergestellt werden. Die ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln könne auch dann noch garantiert werden, sagt die Bundesre­gie­rung und verweist auf Studien. Sie fördert den Anbau alternativer Energiequellen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sieht das kritisch: Ihr zufolge führt diese staatliche Förderung zu rapide steigenden Lebensmittelpreisen." [Hervorhebung von mir] 
Diesen Artikel fand ich nur zufällig; eigentlich hatte ich nämlich nach einem kurzen Bericht der Zeit gesucht, denn ich heute (in Frankfurt, im "Starbucks"-Café an der Börse) gelesen hatte: "Nährstoff statt Treibstoff" titelt Harro Albrecht und berichtet, dass auch in Afrika das Biosprit-Fieber ausgebrochen sei. In Uganda möchte der Präsident ein Drittel des geschützten Mabira-Regenwaldes abholzen, um dort Zuckerrohr anzubauen. In Mosambik gab es bereits Krawalle, weil unter anderem die steigende Nachfrage nach Biosprit die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe treibt. Rhetorisch fragt Albrecht: "Müssen die afrikanischen Massen bald hungern, während über ihnen die Reichen ihr Mittagessen verfliegen?" und weist darauf hin, dass am kommenden Sonntag (also morgen, am 24.02.2008) die Fluggesellschaft Virgin Atlantic zum ersten Mal ein Passagierflugzeug mit Biosprit auf die Reise schicken wolle. 
Mein Kommentar: Erst wird das Mittagessen der Armen in den armen Ländern verfeuert; irgendwann landet dann auch das Essen der Armen in den reichen Ländern im Tank! 
[Was allerdings die Situation in jenen Ländern angeht, in denen sich die Bevölkerung stark vermehrt, kommt früher oder später Mr. Malthus auch ohne Biosprit bei denen zu Besuch!] 
 
Dass und weshalb die derzeitige Förderung von Biotreibstoffen aber auch aus verschiedenen anderen Blickwinkeln unsinnig ist, erfährt man in dem Zeit-Artikel (vom 23.11.06) "Viel Mist gemacht. Biomasse soll fossile Energieträger wie Öl und Gas ersetzen und so die drohende Klimakatastrophe abwenden. Die Politik fördert diese Strategie – leider auf unsinnige Weise" von Dirk Asendorpf. 
 
 
Nachtrag 29.02.08: 
Auch die angesehene britische Wirtschaftsmagazin Economist weiß, woher der Wind weht. 
In einem Bericht vom 6.12.2007 "The end of cheap food. Rising food prices are a threat to many; they also present the world with an enormous opportunity" werden u. a. auch die Biotreibstoffe für den drastischen weltweiten Preisanstieg bei Nahrungsmitteln verantwortlich gemacht: 
"But the rise in prices is also the self-inflicted result of America's reckless ethanol subsidies. This year biofuels will take a third of America's (record) maize harvest. That affects food markets directly: fill up an SUV's fuel tank with ethanol and you have used enough maize to feed a person for a year. And it affects them indirectly, as farmers switch to maize from other crops. The 30m tonnes of extra maize going to ethanol this year amounts to half the fall in the world's overall grain." [Die im Titel erwähnten Chancen betreffen die Bauern, deren Einkommensrückstand gegenüber der Stadtbevölkerung sich nach Meinung des Autors nun verringern könnte. Das allerdings verhindern häufig Preisstopps, mit denen die Regierungen die Teuerung zu bekämpfen versuchen: "Where they can, these governments should subsidise the incomes of the poor, rather than food itself, because that minimises price distortions. Where food subsidies are unavoidable, they should be temporary and targeted on the poor. So far, most government interventions in the poor world have failed these tests: politicians who seem to think cheap food part of the natural order of things have slapped on price controls and export restraints, which hurt farmers and will almost certainly fail."] 
 
 
Nachtrag 17.03.08: 
Ebernso hat der ADAC eine Aversion gegen Biosprit. 
In seiner Ausgabe Nr. 3 vom März 2008 [wieder mal ein glücklicher Fund in der Bundesbahn] betitelt das Mitglieder-Magazin ADACmotorwelt die Cover Story: "Biosprit: Fluch oder Segen. Er rettet das Klima und zerstört die Natur, er spart CO2 und kostet mehr Geld. Millionen Autos vertragen ihn nicht. Alles über den geplanten E10-Kraftstoff". (Text S. 52 ff.; wer sich anmeldet, kommt anscheinend auch übers Internet rein.) Zugleich äußert sich Chefredakteur Michael Ramstetter in einem Leitartikel kritisch über eine staatliche vorgeschriebene Steigerung der Beimischung von Biosprit. 
Dem ADAC geht es zwar in erster Linie um die Verträglichkeit für die Motoren und mögliche Schäden sowie um die höheren Preise. Aber auch die Autofahrer-Lobby hat ein Herz für die Umwelt oder verschmäht Umwelt-Argumente zumindest dann nicht, wenn sie Wasser auf die eigenen Mühlen leiten. So darf Brigitte Behrens, Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, die Ablehnung (wegen negativer Umwelt-Folgen und wegen der Konkurrenz mit dem Anbau von Nahrungsmitteln) von "Agrosprit" in einem eigenen Beitrag begründen. 
Und zwei wichtige (für mich neue) Informationen im Zusammenhang mit der Agrarflächenkonkurrenz bringt der Artikel ebenfalls (S. 58):
" 'Voller Teller oder voller Tank' - im Bewusstsein dieser Konkurrenz verzichtet Südafrika inzwischen auf Biosprit aus Mais. Die chinesische Regierung hat alle Großprojekte für nachwachsende Rohstoffe zur Ethanolherstellung eingestellt. Klar ist: je größer der Bedarf an Biokraftstoff, desto stärker der Wettbewerb um die begrenzten Anbauflächen für Nahrungsmittel." 
 
 
Nachtrag 04.04.08: 
Neue Linkfunde zum Themenkomplex 'Biokraftstoffe gefährden die Ernährungssicherheit' 
Angelika Kröber hat im Juni 2005 an der Universität Greifswald eine Diplomarbeit u. d. T. "Energetische Getreidenutzung in Deutschland. Diskursive Technikbewertung unter Berücksichtigung ethischer Aspekte" fertiggestellt. Dazu gibt es noch einen Anhang 1 und einen 
 
Die Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften hat im Jahr 2006 eine Tagung über das Thema "Nachwachsende Rohstoffe im Pflanzenanbau" veranstaltet und die Vorträge und "Poster" im Internet eingestellt. 
 
Matthias Christoph Pröfrock hat an der Universität Tübigen im Jahre 2007 eine Dissertation u. d. T. "Energieversorgungssicherheit im Recht der Europäischen Union/ Europäischen Gemeinschaften" erstellt (im weiteren Sinne kann man auch das als Information zu meinem vorliegenden Thema ansehen). 
 
"Die (Fraktion der?) Grünen / Europäische Freie Allianz" im Europäischen Parlament hat oder haben (wann?) ein "Positionspapier über Ernährungssicherheit und Pflanzenkraftstoffe" unter dem Motto "Food first. Nachhaltige Landwirtschaft kann die Welt ernähren, - aber nicht unsere Autos" vorgelegt. 
Kapitel 1 ist überschrieben: " 'Bio'-Diesel-Euphorie - eine Bedrohung für die globale Ernährungssicherheit". 
 
Das Umweltinstitut München e. V., ein "Verein zur Erforschung und Verminderung der Umweltbelastung", wettert in der Ausgabe Dezember 2007 seiner Zeitschrift "Münchner Stadtgespräch" heftig gegen den "Agro Sprit" und die "verheerende Bilanz der Energiepflanzen". 
 
Die deutsche Firma "Environmental Protection and Encouragement Agency (EPEA) Internationale Umweltforschung GmbH" hat einen "Abschlussbericht" (offenbar von einem Forschungsprojekt) aus dem Jahr 2007 mit der Überschrift "Nahrungsmittel als Kraftstoffe? Eine wissenschaftliche Bewertung von ökologischen und sozialen Auswirkungen von Biokraftstoffen der ersten Generation" ins Netz gestellt. Das Inhaltsverzeichnis zeigt die Tendenz der Forschungsergebnisse:
"A. Die Produktion von Biokraftstoffen der ersten Generation erzeugt große Mengen an Treibhausgasen
B. Die tatsächlichen Einspaarungen an Kohlendioxidemissionen sind weitaus geringer als die erwarteten [Einsparungen]
C. Biokraftstoffe der ersten Generation verschlechtern die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln [!!!]
D. Biokraftstoffe der ersten Generation verstärken die Armut
E. Biokraftstoffe der ersten Generation benötigen mehr als die vorhandenen Anbauflächen, um positive Auswirkungen auf das Klima zu erzielen
F. Biokraftstoffe der ersten Generation tragen zur Degradation der Böden bei
G. Biokraftstoffe der ersten Generation beschleunigen den Abbau der biologischen Vielfalt
H. Biokraftstoffe der ersten Generation beschleunigen den Abbau seltener Ressourcen
I. Biokraftstoffe der ersten Generation sind keine kosteneffektive Option zur Bekämpfung von Kohlendioxidemissionen"
Ein Anhang mit "Hintergrundinformationen" vertieft die vorstehenden zusammenfassenden Feststellungen. Im übrigen ist es wissenschaftlich zweifellos korrekt, wenn sich der Bericht auf Aussagen über das beschränkt, was sein Gegenstand war, nämlich "Biokraftstoffe der ersten Generation". Ich fürchte nur, dass die ständige Betonung dieses Sachverhalts nun bei vielen die Illusion erzeugen wird, mit der 2. (oder 3. usw.) Generation von Biokraftstoffen würde alles ganz anders und besser werden. 
 
Der Begriff der Autarkie wird sicherlich schon bald (und ständig zunehmend) wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein treten. Es ist eine interessante Frage, auf welche Ebene sich die Debatte fokussieren wird: lokal, regional, national oder EU-bezogen? Die Diplomarbeit "Autarke Strukturen. Möglichkeiten und Grenzen der Autarkie auf einem Kleinbauernhof in Süddeutschland" war im Jahre 2003 thematisch ihrer Zeit noch ein wenig voraus, aber das wird sich bald ändern. Der Horizont ist hier natürlich das einzelne Gehöft. Gut möglich, dass die gesellschaftliche Organisation eines Tages tatsächlich auf die Ebene der Kernfamilie* zurückfallen wird (aber das ist natürlich nicht die Perspektive, unter welcher der Autor Manfred Burghardt seine Arbeit an der TU Berlin verfasst hat). 
 
[*Wie mich ein zufälliger Blick in die dtv-Taschenbuchausgabe (2002) von Francis Fukuyamas "Der Große Aufbruch" (S. 138 ff.) lehrt, ist die Kernfamilie keineswegs eine Erfindung der Neuzeit, sondern es gab sie an verschiedenen Orten auch schon früher in der Menschheitsgeschichte.] 
 
Langsam wacht die Politik auf. Wie von der Tarantel gestochen tanzen nun auch die Proletarierfreunde der Linke die Umwelt-Tarantella - vgl. die Dezember-Ausgabe der "Tarantel". Die Konsistenz der umweltpolitischen Zielsetzungen mit ihren sonstigen Wünschen ist bei diesen Traumtänzern zweifellos noch weitaus geringer als bei den (im Grunde bourgeoisen und saturierten) Grünen. Die Annahme, dass man alle Annehmlichkeiten unserer Zeit haben oder gar noch weiterhin generös sozialpolitische Wohltaten an die zu kurz gekommene Klientel ausschütten könne ohne die Umwelt zu belasten, kommt bei der Wählerschaft sicher gut an: Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Sie ist jedoch entweder dumm oder verlogen. Und für dumm halte ich weder Gregor Gysi noch Oskar Lafontaine.
Dieser (von einem fremden Suchzugriff induzierte) Nachschlag an Link-Informationen zum Thema Nahrungsmittelverknappung mag für heute genügen.
 
 
Nachtrag 13.08.2008:
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel frönt einem fröhlichen Optimismus. Unter dem Titel "Gabriel: Biosprit-Ziel trotz hoher Nahrungsmittelpreise machbar" referierte die Nachrichtenagentur Reuters am 12.08.2008 die Minister-Meinung:
"Trotz der weltweit steigenden Nahrungsmittelpreise steht das Ziel der EU, mehr Kraftstoff aus Pflanzen zu gewinnen, nach Ansicht von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nicht in Frage. Doch müssten Standards gesetzt werden, um einen Konflikt zwischen Biospritproduktion einerseits und Nahrungsmittelversorgung sowie Umweltschutz andererseits zu vermeiden. 'Wir können die zehn Prozent in der Europäischen Union mit Rohstoffen abdecken, die nicht zu Nahrungsmittelkonkurrenzen führen und die nicht aus Regenwäldern kommen', sagte Gabriel ... . Die zunehmende Verarbeitung von Weizen, Mais, Zucker oder Palmöl zu Biosprit wird aber als eine Ursache der weltweit steigenden Nahrungsmittelpreise gesehen. Nach Ansicht Gabriels können die Agrarkraftstoffe aber nicht für die Verteuerung von Getreide verantwortlich gemacht werden. 'Die große Konkurrenz findet nicht statt zwischen Biomasse zur Energiegewinnung und Nahrungsmitteln, sondern zwischen Futtermitteln und Nahrungsmitteln', sagte er. Der wachsende Wohlstand weltweit führe dazu, dass mehr Anbauflächen für Tierfutter genutzt würden. Doch bisher seien die Europäer 'zu faul und zu feige', sich dem Konflikt von Futtermittel- und Nahrungsmittelanbau zu stellen. 'Wir brauchen Anbaustandards auch für den Futteranbau, weltweit oder zumindest in Europa.' " Was dürfen wir uns unter solchen Anbaustandards vorstellen? Dass wir auf Fleisch verzichten, um unsere Weide-Tiger in die Tanks packen zu können?
Ich halte das für exkulpierendes Gerede einer ratlosen Politiker-Kaste (in einer freilich mindestens ebenso ratlosen Gesellschaft). Wer diese Entwicklungen richtig verstehen will, muss sich einen Reim drauf machen. Meiner lautet:
Gabriel der Engel / Frisst den Halm vom Stängel!
Und nun bitte deinen Reim dazu?!?!!!


Nachtrag vom 20.04.2008:
Die Chinesen sind exkulpiert. Jedenfalls berichtet Georg Blume, Chinakorrespondent der Zeit, aus Peking in dem ersten von drei unter der Überschrift "China, Klima, Gentechnik - drei Irrtümer der Hungerdebatte" zusammengefassten Artikeln ("Die Nahrungsmittelpreise steigen, weil die Chinesen alles wegessen! Falsch"), dass die Chinesen großenteils sogar Agrarprodukte und Fleisch exportieren, und dass der Bedarf dort nicht dramatisch zunehmen wird. Resümee von Blume: "Bisher stimmt es einfach nicht, dass die Chinesen dem Rest der Welt das Essen vom Teller klauen."
Außerdem hat die dortige Regierung Pläne zur Verwendung von Biodiesel gestoppt (auch wenn sie für uns als Prügelknabe in unserem recht problematischen Menschenrechts-Engagement für ein theokratisch regiertes Tibet herhalten muss, ist sie offenbar zumindest in bestimmten Belangen weitaus intelligenter und weitsichtiger als unsere Politiker - und als unsere Bevölkerung sowieso).
Quelle: "Noch hungern nur die Armen"; daraus Zitat: "Xue Guangjian von Greenpeace in Peking lobt Chinas Verzicht auf Biodiesel". (Dieser sehr lange Artikel von Karin Ceballos Betancur und Thomas Fischermann aus DIE ZEIT Nr. 17 vom 17.04.2008 bietet naturgemäß auch sonst für den vorliegenden Themenzusammenhang zahlreiche aktuelle Informationen.)


Nachtrag 26.04.08: Weitere Zeitungsartikel zum Thema Agrosprit vs. Nahrungsmittelproduktion
Im FAZ.net vom 15.04.08 Biotreibstoffe kritisiert Konrad Mrusek "Biogene Illusionen". Auszug:
"Ist Biosprit eine Verirrung?
Auch wenn biogene Treibstoffe bisher zur Preissteigerung noch nicht viel beitrugen, so wird sich der Nutzungskonflikt verschärfen. ..... Müssen sich die Menschen in den entwickelten Ländern also zwischen Teller und Tank entscheiden, ist Biosprit eine Verirrung? Einige wiegeln ab und sagen, ein Drittel der Felder sei schon immer für Hafer und damit für Zugtiere verwendet worden. Der Vergleich ist hanebüchen. Autos haben heute ganz andere Pferdestärken, einen anderen Verbrauch und ein anderes Verhältnis in der Nutzung. Die Vernunft gebietet, erst weitere Methoden zur Verringerung des Benzinverbrauchs zu erkunden und auf Treibstoffe aus biologischen Reststoffen oder hydriertem Pflanzenöl zu warten, die weniger wertvollen Acker brauchen." (Hervorhebung von mir)

Im "The Independent" berichtete am gleichen Tage Daniel Howden über die Umwandlung von Zuckerrohr in Ethanol in Brasilien: "Brazil's experience testifies to the downside of this energy revolution".
Der Bericht baut anscheinend weitgehend auf seinem Artikel vom 05.03.2007 auf: "The Big Green Fuel Lie. George Bush says that ethanol will save the world. But there is evidence that biofuels may bring new problems for the planet".
Wie rosig sah die Biosprit-Welt doch noch ein Jahr früher aus: In "When the crude runs out: Life after oil" vom 05.02.2006 beschränkte sich Geoffrey Lean darauf, die hoffnungsvollen Perspektiven der Agrarsprit-Promoter zu referieren. 
 
 
Nachtrag 21.05.08
Ein umfangreiches Dossier der "Zeit" zum Thema Nahrungskrise findet sich hier.
 
 
Nachtrag 01.06.2008
Für den vorliegenden Themenzusammenhang vgl. u. a. auch meine Blotts
und


Nachtrag 03.06.2008
Wieder etwas Neues entdeckt: "spektrumdirekt – die Wissenschaftszeitung im Internet". Die Artikel dort sind aber nur teilweise gratis; "Agrarkraftstoffe. Blut für Öl. Hunger und Unrecht durch Benzin vom Acker" von Daniel Lingenhöhl vom 07.12.2007 gehört dazu. (Ansonsten kann man ihn auch dort lesen, wo ich ihn zunächst fand, nämlich auf der Webseite "Tropenwaldnetzwerk Brasilien". Der sehr ausführliche Report schildert die Probleme, welche sich insbesondere in Indonesien und in Brasilien (aber auch einige andere südamerikanische Länder werden behandelt) für die Menschen aus dem Anbau von "Agrokraftstoffen" ergeben. Eine Inhaltsbeschreibung erübrigt sich: der Titel ist aussagekräftig genug.
 
Gleichfalls lesenswert ist der Welt-Online Artikel (06.12.2007) von Ulli Kulke: "Der Fluch des Biosprits. Warum der exzessive Einsatz nachwachsender Rohstoffe als Ersatz für Benzin die Umwelt zerstört und zu einer Explosion der Lebensmittelpreise führen könnte". Daraus zwei Textstellen:
"Wollten die USA auch nur die Hälfte jenes 20-prozentigen Anteils, der bei uns Pflicht wird [im Jahr 2020], als Biosprit in den Tank kippen, müssten sie die gesamte Mais- und Sojaernte der Nahrungsproduktion entziehen." Und:
"Subventionen für Biosprit richten sich extrem gegen die Menschen in den armen Ländern, weil sie indirekt als Steuern auf deren Grundnahrungsmittel wirken."
 

Nachtrag 18.06.08:
"Agrarmärkte im Boom, Welternährung in der Krise" ist ein INFO-BRIEF von Helmut Goeser vom wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages betitelt ("Abschluss der Arbeit: 19.05.2008").
 

Nachtrag 25.06.08: 
Hier eine hübsche Karikatur zum Thema 'Sprit für den Teller oder für den Tank'. Falsch jemand Schwierigkeiten hat, den Text in der Sprechblase zu lesen: "Excuse me, I'm going to need this to run my car".
Gefunden habe ich sie ursprünglich bei dem Blogger "kristall". Wer immer das sein mag - er oder sie macht auf mich den Eindruck einer soliden fachlichen Kompetenz in Sachen "Energieträger". Seinen langen Eintrag vom 28.03.08 u. d. T.
"Erneuerbare Energien
Neues Zeitalter
Solare Revolution
Neue Technologien
die Menschheit bricht auf...
Solche Parolen regieren die Pressekonferenzen und Zeitungen, seit der Ölpreis eine Jahrhunderthürde nach der anderen nimmt. Mit religiösem Eifer werden neue Technologien angepriesen, die uns „aus der Energiekrise“ führen sollen. Dabei muss alles sehr schnell gehen, das Thema gewinnt mehr und mehr Aufmerksamkeit und rückt in den Fokus einer immer breiteren Gesellschaftsschicht. Die Lösungsvorschläge, die fast ausschließlich auf dem Einsatz immer neuer Technik beruhen, verschärfen eine schwierige Situation jedoch nur noch weiter." [Hervorhebung von mir]
Zum Thema Bioenergie weiß "kristall":
"Das starke Wachstum von Biodiesel, seit der Ölpreis durch die Decke geht, ist hier die größte Katastrophe. Seit die USA, weltweit der größte Getreide-Exporteur, ein sechstel ihrer Ackerfläche zum Anbau von Energiepflanzen einsetzen, gab es schon Unruhen in Mexiko, dem größten Getreideabnehmer der USA. Weltweit steigen die Lebensmittelpreise dramatisch durch die Substitution Treibstoff statt Nahrung. Energie, die aus dieser Quelle gewonnen wird, ist mit Hungertoten in den ärmeren Ländern bezahlt. Jedes Auto, das mit Energie fährt, die einmal Nahrung war, ist mit Schuld an Hungernden in Afrika und Asien. Dass diese Form der Energie rasant wächst, ist kein Zeichen für ein neues Zeitalter, sondern Ausdruck eines gnadenlosen Egoismus. Das fossile Zeitalter ohne moralische Grenzen, wie sie alle Kulturvölker kannten, zeigt hier nochmal seine hässliche Fratze. Das Wachstum von Biodiesel ist der erste echte Krieg unserer Maschinen gegen die Menschheit. Der Kuchen geht langsam zur Neige und nun beginnt die Umverteilung, statt einfach nur die Verteilung. Biodiesel fällt des Weiteren auch dadurch als Revolutionskandidat aus, da es nur sehr begrenztes Wachstumspotential hat. Schneller vielleicht, als wir meinen, werden wir vor den ersten Hungerrevolten, auch hier in Europa, stehen, die diesem Irrsinn Grenzen setzen." [Hervorhebung von mir] 
 
 
Nachtrag vom 14.07.2008
In der Internet-Zeitung "guardian.co.uk" berichtete Aditya Chakrabortty am 04.07.2008 über eine geheim gehaltene Studie der Weltbank, derzufolge der Anstieg der Nahrungsmittelpreise zu 75% auf die Herstellung von Treibstoffen aus Pflanzen zurück zu führen ist: "Secret report: biofuel caused food crisis. Internal World Bank study delivers blow to plant energy drive". (Deutsche Zusammenfassung bei heise online u. d. T. "Biotreibstoffe stehen hinter Anstieg der Lebensmittelpreise").


Nachtrag 26.10.2009:
Spiegel Online berichtet am 23.10.2009 über eine "Neue Studie. Biokraftstoffe sind klimaschädlich":
"Biokraftstoffe sind nicht klimafreundlich, sondern werden den Ausstoß von schädlichen Klimagasen noch verschärfen. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler anhand von Simulationen. Sie fordern einen Stopp des Anbaus."
 
 
Nachtrag 03.12.09:
Lesenswert einige Artikel des österreichischen Journalisten Robert Poth aus dem Wiener Magazin "Südwind" von 2007, hier und (besser) dort auf seiner Webseite verlinkt ("Südwind-Thema Biokraftstoffe"):
Die Geister sind gerufen
Alter Wein in grünen Schläuchen
Potenzial mit Fragezeichen
Biokraftstoffe - Fakten (plus Grafiken) sowie Weblinks
Zukunftsvisionen
Tank oder Magen
Klein, fein, visionär
Und ein Fremdbeitrag: "Palmöl: Katastrophaler Fehlschlag": "Der Treibstoff der Zukunft ist das Desaster der Gegenwart" von Hermann Klosius.


Nachtrag 14.12.2009
Eine Reihe vermutlich interessanter Informationen zur Thematik des vorliegenden Blotts fördert (wie ich gerade eben bei der Rückverfolgung eines Gast-Suchzugriffs feststelle) die Google-Suchanfrage "Biotreibstoffe versus Nahrungsmittelproduktion" zutage.
 
 
Nachtrag 30.12.09
Ein langer informativer Beitrag zum Thema Biotreibstoffe, mit einem gewissen Schwerpunkt auf den Auswirkungen des Anbaus von Energiepflanzen auf indigene Völker (Regenwaldrodung!) war der Artikel "Klimaschutz. Milchmädchenrechnung Biokraftstoff" von Michael Odenwald im FOCUS vom 03.12.08 (Reihe "Mehr wissen":.
"Jetzt ist es sozusagen amtlich: Die Erzeugung von Biokraftstoffen ist so, wie sie heute stattfindet, weder nachhaltig noch taugt sie zum Klimaschutz."


Nachtrag 10.01.2010
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es jetzt einen BioÖkonomieRat (Bio-Ökonomie-Rat), der die Bundesregierung beraten soll:
"Food, Feed, Fibre, and Fuel: Die Bioökonomie ist ein neuartiges Konzept zur Nutzung natürlicher Ressourcen. Der BioÖkonomieRat ist das unabhängige Beratungsgremium der Bundesregierung in allen Fragen der Bioökonomie. Ihm gehören Experten aus universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, der Ressortforschung des Bundes und der privatwirtschaftlichen Forschung an.
Der Rat ist administrativ bei der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) angesiedelt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) unterstützt."
 
 
Nachtrag 31.01.2010
Mein Lieblingsökonom ist Prof. Dr. Hans-Werner Sinn ganz gewiss nicht; auf meiner Webseite "Rentenreich" habe ich mich unter dem Titel "Sinn substituiert die Konjunktion: rettet er die Renten durch ökonomische Akzeleration" äußerst kritisch mit dem (u. a.) von ihm propagierten Kapitaldeckungsverfahren zur Finanzierung der Altersrenten auseinander gesetzt.
Indes: wo er Recht hat, hat er Recht. In seinem Cicero-Artikel "Das grüne Paradoxon" (er hat auch ein Buch mit dem gleichen Titel geschrieben), geißelt er die Inkonsequenz einer Reihe von (scheinbar) "grünen" Forderungen. Ob seine Ausführungen im Detail zutreffen, habe ich nicht bzw. konnte ich nicht überprüft/überprüfen. Tendenziell trifft seine Kritik jedoch den Nagel auf den Kopf.


Nachtrag 22.08.2012
Es ist mal wieder an der Zeit, diesen Blott, wenn er auch uralt ist (oder gerade deshalb), zu aktualisieren. Was ich damals vorhergesagt habe, materialisiert sich gerade: Lebensmittelknappheit wegen massiver Verwendung von Getreide (insbesondere Mais) als alternativer Energieträger - im Tank, bzw. in der Biogasanlage.
Die FAZ hat am 20.08.12 Politlügen der Grünen entlarvt. Unter dem Titel "Förderung von E10. Die grüne Wende beim Biosprit" erfährt man dort, wie Renate Künast die Öffentlichkeit mit einer für sich genommen wohl zutreffenden Aussage zu täuschen versucht: 
"Wir waren immer schon gegen E10"
und spekuliert darauf, dass die Masse der flüchtigen Leser liest
"Wir waren immer schon gegen Biotreibstoff".
Dem gegenüber belegt der Artikel (von Jan Grossarth), dass die Grünen den Biotreibstoff als solchen früher massiv begrüßt und gefördert haben.

 
Textstand vom 03.10.2022

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