Freitag, 24. August 2007

Wie man die Welt in den Wald lockt. Überlegungen und Ideen zum Fremdenverkehr im Bayerischen Wald.


"Der Bayerische Wald hat ein Imageproblem" zitiert der Bayerwaldbote in seinem Artikel "Der Gast denkt nicht in politischen Grenzen" vom 28.06.2007 den Geschäftsführer des Tourismusverbandes Ostbayern (TVO; demnächst wohl: "Tourismusverband Niederbayern-Oberpfalz"), Dr. Michael Braun. (Der Artikel ist leider nicht im Netz, jedoch hat der Landkreises Freyung-Grafenau einen Zeitungsartikel aus der Passauer Neuen Presse vom 21.06.2007 online gestellt: "TVO will Image-Problem der Region jetzt lösen. Geschäftsführer Dr. Michael Braun zu Gast bei den Bürgermeistern." Dort erfährt man Näheres:
"Hauptziel der Bemühungen ist es, das Imageproblem der Region in den Griff zu bekommen und Ostbayern als Urlaubsziel damit wieder attraktiver zu machen. 'Befragungen haben ergeben, dass das Angebot des Bayerischen Walds nicht schlechter abschneidet als das des Schwarzwalds', erklärte der TVO-Geschäftsführer Dr. Michael Braun. Dass die Region dennoch als unattraktiver gilt, ließe auf ein Imageproblem schließen. ..... 'Wir müssen überlegen, mit welchen Inhalten wir die Marke Bayerischer Wald füllen wollen. Die Besetzung durch Grünes Dach Europas reicht nicht mehr aus', sagte [der Marketingleiter Bayerischer Wald des TVO, Alexander] Anetsberger. Zur Markenentwicklung gehört auch eine passende Verkaufsstrategie. Mittelfristig gilt es unter anderem, konsequent alle Synergieeffekte zu nutzen, mit den Big-Playern, also großen Reiseanbietern und den Spezialisten zusammenzuarbeiten. Für moderne Werbung soll auch das Internet mit Bannerwerbung und Weblogs genutzt werden. Langfristiges Ziel des neuausgerichteten Marketings für den Bayerischen Wald ist es, die touristischen Kräfte zu bündeln und zu stärken. Dazu gehört beispielsweise ein multifunktionales Portal, das auch ein Intranet für die interne Kommunikation haben soll. Produktmanagement und Qualitätssicherung gehören ebenso zu den Zielen wie Event-Marketing und eine positive Positionierung gegenüber dem Osten Europas: 'Allein mit Deutschen Urlaubern werden wir es nicht schaffen'." [Hervorhebungen von mir]

Der Rückgang in den Übernachtungszahlen erscheint in der Tat auf den ersten Blick dramatisch. "... gingen die Übernachtungen in den ersten vier Monaten des Jahres [2007 gegenüber 2006] um 9,8% zurück" heißt es in dem bereits zitierten Artikel des Bayerwald-Boten vom 28.06.07. Allerdings relativiert sich diese scheinbare Katastrophenmeldung, wenn man (in dem Artikel "Hat der Bayerwald ein Imageproblem?" der Regionalausgabe Cham der "Mittelbayerischen" vom 07.08.2007) erfährt, "dass es im Winter keinen Schnee gegeben" hat.

Zumindest der Landkreis Regen verzeichnet allerdings bereits im Vergleich der Jahre 2006 zu 2005 einen Rückgang der Übernachtungszahlen um 6,1% (bei den Gästeankünften beläuft sich das Minus auf lediglich 3,8%, d. h. die Feriengäste haben ihre Aufenthaltsdauer verkürzt). (Vgl. den Artikel "Rückgang bei den Übernachtungszahlen: Bedrohlich oder nur Gesundschrumpfen?" des Bayerwald-Boten, gleichfalls vom 28.06.2007 - und ebenso leider nicht online). Eine Marketing-Offensive unter dem Motto "Bayerischer Wald - da muss ich hin" soll es richten, ein eigener Tourismus-Manager für den Bayerwald wurde eingestellt (vgl. auch den oben angeführten PNP-Artikel vom 21.06.07). Dem Gast will man "begreiflich ... machen, was es hier alles zu sehen gibt und wie schön es hier ist".
Das kostet: 1 Mio € pro Jahr stehen dafür zur Verfügung; der Artikel der Mittelbayerischen spricht sogar davon, dass man "2 Millionen Euro gesammelt" habe (verneint allerdings, jedenfalls für den Landkreis Cham, das behauptete Imageproblem).

Was gibt es überhaupt zu sehen im Bayerischen Wald? Immerhin -4- Pflanzenarten: Buchen, Fichten, Heidelbeeren und Springkraut. Ehrlich: die haben wir alle mit eigenen Augen gesehen!
Was wir z. B. nicht gesehen haben war, dass (wie im Wikipedia-Artikel "Deggendorf" behauptet wird) die Eisenbahnlinie Plattling – Bayerisch Eisenstein („Bayerische Waldbahn“) "eine der landschaftlich schönsten Eisenbahnstrecken Deutschlands" ist. Da waren die Fichten und Buchen davor. Gut, ich kann verstehen, dass man nicht ganze Wälder abholzen will, um den (im Vergleich zu den Autofahrern ohnehin nicht allzu zahlreichen) Bahnreisenden schöne Panoramen zu bieten. Aber wenigstens hier und da könnte man das Gehölz für Durchblicke lichten.

Wenn ich mir die Liste der Sehenswürdigkeiten anschaue, welche die Wikipedia akribisch aufgelistet hat, komme ich zu dem Schluss: Man kann dort im Urlaub einiges unternehmen, auch für Familien (vgl. z. B. diesen "Testbericht" aus Bodenmais von Familie Schmelcher-Pohl) mit kleinen und etwas größeren Kindern gibt es Abwechslung. Aber mich persönlich haut nichts aus der u. a. Aufstellung vom Hocker:

  • Das Museumsdorf Bayerischer Wald am Dreiburgensee
  • Die Buchberger Leite zwischen Freyung und Ringelai
  • Die Burgruine Weißenstein bei Regen (Stadt)
  • Der Gläserne Wald in Regen (Stadt)
  • Das Landwirtschaftsmuseum in Regen (Stadt)
  • Das Bergwerk am Silberberg bei Bodenmais
  • Die Saußbachklamm bei Waldkirchen [Fotos - well ...]
  • Das Tierfreigelände bei Neuschönau
  • Das Freilichtmuseum von Finsterau
  • Das Keltendorf Gabreta bei Ringelai [Homepage]
  • Der Teufelstisch bei Bischofsmais
  • Die Trinkwassertalsperre Frauenau [Wikipedia-Eintrag]
  • Das Glasmuseum von Frauenau (Homepage)
  • Die Kirche Maria Himmelfahrt (Frauenau) [Wikipedia-Stichwort]
  • Das wildromantische Tal der Ilz (Wikipedia-Text)
  • Der Wildpark in Ludwigsthal
  • Der Bayerwald-Tierpark in Lohberg
  • Das historische Silber- und Flussspatbergwerk "Fürstenzeche" in Lam
  • Kleiner und Großer Arbersee

Dass man auch die "Wikipedia" als touristisches Informationsmedium nutzen könnte, hat die Bayerwald-Werbung -wie viele andere auch- offenbar noch nicht kapiert.
Anzahl der Druckseiten für die verschiedensprachigen Eintragungen "Bayerischer Wald" per 26.08.2007:
Deutsch = 7 S.; Dänisch Fehlanzeige; Englisch = 1 S.(!!!); Finnisch Fehlanzeige; Französisch = 3 S.; Italienisch Fehlanzeige (aber Italiener wird man eh nicht als Urlauber in den Wald locken können); Niederländisch 1 S.(!!); Norwegisch 1 S.; Polnisch 2 S.; Russisch 1 S.; Schwedisch 1 S.; Tschechisch anscheinend Fehlanzeige (jedenfalls führt kein Verweis dorthin).
Für einen innerdeutschen Vergleich hier noch die Druckseiten-Zahlen der deutschsprachigen Wikipedia-Einträge für einige andere Landschaften Deutschlands:


Interessant ist, was bei den weiter oben aufgelisteten Sehenswürdigkeiten fehlt: großartige Burgen (Weißenstein habe ich nicht aus der Nähe gesehen; nach Bildern zu urteilen, ist die Lage wohl das Interessanteste an der Burg), aber, und das erstaunt, auch großartige Natur scheint es recht wenig zu geben. Das Tal der Ilz kenne ich leider nicht; die Arberseen sind vermutlich sehenswert. Aber sonst? Der Bayerische Wald ist ein Stiefkind der Geologie, die ihn recht eintönig ausgestattet hat: Granit - that's it (mostly) (habe ich jedenfalls den Eindruck, nach allem, was ich gelesen habe. Den Quarzit -Weißer Pfahl- natürlich ausgenommen). Spektakuläre Höhlen oder Wasserfälle fehlen offenbar. Vor allem ist der hauptsächlich saure Boden zwar gut für Pilze (und Heidelbeeren), lässt aber ansonsten keine allzu artenreiche Vegetation zu.
Schlösser, Kirchen: gibt es dem Namen nach zwar auch, doch halten sie alle keinen Vergleich mit der barocken Pracht derartiger Bauwerke in Niederbayern und Böhmen aus. Auch die Städte haben (den Beschreibungen und Bildern nach zu urteilen, und im Falle von Regen und Zwiesel auch nach meinem Augenschein) wenig historische Substanz; schon ursprünglich waren sie eher bescheiden, und im Laufe der Zeit ist (z. B. in Zwiesel durch Stadtbrände) das Allermeiste davon verloren gegangen.

Die Fotos, die in den Wikimedia Commons vom Bayerischen Wald eingestellt sind, wirken größtenteils recht nüchtern.

Im offiziellen Tourismusportal des TVO für den gesamten Bayerischen Wald sucht man vergeblich nach einer Fotogalerie. Ist man beharrlich, und klickt sich z. B. zum "Blockmeer am Lusen" durch, wird man durch ein briefmarkengroßes Bild belohnt. Für eine attraktive Webseitengestaltung ist von der Euro-Million wohl nichts mehr übrig geblieben.

Private Fotografen leisten dem Wald-Image bessere Dienste (vgl. z. B. den Tag "Bayerischer Wald" bei Flickr; dort weitere Bilder unter "Bayerwald"). Die Aufnahmen sind wenigstens groß (bzw. vergrößerbar) und oft mit nicht geringen ästhetischen Ansprüchen fotografiert. Auch sie zeigen allerdings, dass es ganz große "Sights" im Wald nicht gibt.
Bei PBase besetzen die Luchse derzeit (08/2007) die erste Ergebnisseite. Die sind ja ganz nett, aber als etwas größere Ausgabe der Stubentiger, die man im Freiland ohnehin nicht (und oft nicht einmal im Gehege) zu sehen bekommt, sind sie auch nicht gerade erstrangige Renner im Reisegeschäft.
Auch die "Fotocommunity" hostet eine Sammlung attraktiver Fotografien, aber solches Wurzelwerk z. B., zwar eindrucksvoll aufgenommen, wird keine Besucherscharen anlocken; Vergleichbares kann man auch in anderen Wäldern bewundern.

Bei mir persönlich hatte (und hat) der Bayerwald als Reiseziel kein durchschnittliches, sondern eher ein unterdurchschnittliches Image. Seine großen Trümpfe sind Preiswürdigkeit, Freundlichkeit der Menschen und die Lage zwischen Böhmen und Niederbayern, welche Ausflüge in beide Richtungen erlaubt. Wir selbst waren hauptsächlich deshalb hingefahren, um die Eignung der Gegend als eventuellen Ruhesitz für die Rente zu testen. Dennoch empfinde ich es als reizvoll, ein wenig über die Möglichkeiten einer touristischen Aufwertung dieses Urlaubsgebiets zu phantasieren.

Als erstes müsste man (nicht nur:) im Bayerischen Wald lernen, dass öffentliche Mittel ein knappes Gut sind. Ein großzügig ausgebautes Wellenbad wäre eine wichtige Attraktion im Wald. Aber die Rentabilitätskalkulationen bzw. Rentabilitätsgutachten (wenn es überhaupt welche gibt), die für einen Bau des mittlerweile insolventen Arberwellenbades in Bayerisch Eisenstein erstellt wurde, würde ich gern mal sehen.
Der (Grenz-)Ort hat ca. 1.000 Einwohner; Regen und Zwiesel, die nahe beieinander lieben, haben zusammen über 20.000 EW, also mehr als zwanzig mal so viel wie Bayerisch Eisenstein. Übernachtungszahlen 2006 (lt. Artikel "Rückgang bei den Übernachtungszahlen: Bedrohlich oder nur Gesundschrumpfen?" im Bayerwald-Boten vom 28.06.2007):
Bayerisch Eisenstein ca. 130.000; Regen ca. 190.000 und Zwiesel ca. 300.000 Übernachtungen. Regen und Zwiesel gemeinsam kommen also auf knapp 500.000 Übernachtungen in 2006, beinahe vier mal so viel wie in Bayerisch Eisenstein.
Informationen über das Pleite-Bad (oder vielmehr über die Schwimmbad-Pleite) sind im Internet kaum zu finden, und wenn, dann auf deutschsprachigen Webseiten aus Tschechien. (Das zeugt, beiläufig bemerkt, nicht von einer intensiven Diskussionskultur im Wald.) Jedenfalls frage ich mich, welche Entscheidungsprozesse angesichts der o. a. Daten, die eindeutig für einen Bau des Bades in Zwiesel oder Regen sprechen würden (alternativ käme allenfalls Bodenmais in Betracht, das zwar nur gut 3.000 Einwohner zählt, aber mit ca. 700.000 Übernachtungen zumindest im Landkreis Regen das mit weitem Abstand führende Reiseziel ist), zum Bad-Bau in Bayerisch Eisenstein geführt haben. Vielleicht die bessere Verfügbarkeit von EU-Fördermitteln für den Grenzort?

Vorbei; unnütz, vergangene Fehler als solche zu beklagen. Doch für die Zukunft sollte man was draus lernen (und nicht etwa weitere Fördermittel der Europäischen Union usw. z. B. in ein Museumsprojekt 'in the middle of nowhere' versenken.)

Sinnvoller wäre es, das Geld in eine Aufwertung der Vegetation (außerhalb des Nationalparks natürlich) zu investieren. Auf der Webseite "Waldwildnis" (Geographie / Böden und Wälder) bzw. mit identischem Text auf der Seite des Naturpark-Bayerwalderfahren wir:
"Die Einführung der staatlichen Forstwirtschaft, in der Mitte des 19. Jahrhunderts regelte die Holzentnahme. Zugleich veränderte sich das Waldbild erneut: Fichtenmonokulturen sind es nun, die den Wald als Forst bestimmen. Neben der Tristesse für das Auge bringen sie weitere Probleme mit sich: die einseitige Waldzusammensetzung begünstigt Schädlingsbefall, Sturmschäden und saure Böden." [Hervorhebung von mir]

Die Eiche ist historisch ein wenig diskreditiert, weil sie mit deutschem Nationalismus in Verbindung gebracht wurde. Ironischer Weise ist aber gerade sie ein ausgesprochen "demokratischer" Baum: ihre Krone lässt weitaus mehr Licht durch als die Buche, so dass sich in Eichenwäldern auf dem Waldboden weitaus mehr an Vegetation entfalten kann, als in Buchenwäldern. (Vgl. dazu in "Waldwildnis": "Buchen vermögen sich die konkurrierende Vegetation vom "Leibe" zu halten, einerseits durch Beschattung des Waldbodens mit ihrem dichten Blätterdach, andererseits durch Giftstoffe in ihrem Fallaub, das sich auf dem Waldboden in mitunter dichten Lagen sammelt."

Durch lichte, weite Eichenhaine wandern: wo wird einem dieses Erlebnis geboten? Mir war es bisher noch nicht beschieden. Ahornbäume wären ebenfalls vorteilhaft, und zwar gleich doppelt:
Sie "tolerieren auch ärmste Böden" informiert uns die "Waldwildnis" über den Bergahorn, und im Herbst färbt sich ihr Laub besonders stark: "Indian Summer" im Bayerischen Wald: damit könnte man sich etwa vom Schwarzwald und ähnlichen langweiligen Forstgebieten deutlich absetzen.

Das kostet natürlich Geld; vielleicht nicht einmal so sehr die Anpflanzung, als vielmehr der Verlust von Einnahmen, die sich aus den dichten Fichten-
Monokulturen schneller erzielen lassen. Wenn aber - wie ich vermute - der Großteil der Wälder ohnehin in Staatsbesitz (Landesbesitz) ist, könnte man öffentliche Mittel auch in solche Projekte lenken, statt pompöse Museen usw. quasi als "Kathedralen in der Wüste" in den Wald zu setzen.
Ein Problem könnte allerdings das Bewusstsein sein: an Nutzungswald hat man sich gewöhnt; an eine bewusste touristische Nutzung des Waldes nur insoweit, als die Forstverwaltungen zwar Schutzhütten bauen, Hinweistafeln aufstellen und Wanderwege anlegen, aber die ästhetische Umwandlung einer Landschaft: davon hat die Welt noch nichts gehört, das hat es noch nie gegeben - also gibt es das auch in Zukunft nicht.

Selbst die Verurwaldung des Waldes im Nationalpark ist den Einheimischen unheimlich. Als die Verwaltung des Nationalpark Bayerischer Wald beschloss, den durch den Orkan Kyrill in der Nacht zum 19.01.2007 verursachten umfangreichen Windwurf nur teilweise aufzuarbeiten [eigentlich hätte man ihn überhaupt nicht aufarbeiten dürfen, wenn man Ur-Wald will!], kamen massive Proteste. Verständlich ist zwar, dass die privaten Forstbesitzer nicht begeistert waren. Sie mussten befürchten, dass sich die Borkenkäfer im Totholz im Nationalpark massenhaft vermehren und dann an den Privatforsten gütlich tun würden. Es scheint aber so, dass das Unbehagen am "Nichtstun" der Nationalparkverwaltung weitere Kreise der Einheimischen erfasste. Wahrscheinlich ist es die gleiche Mentalität, die das Unkraut in Nachbars Garten nicht dulden will: "Ich plage mich hier ab, und der lässt die Pflanzen einfach so wuchern" ist vermutlich der geheime Gedanke vieler, die den Samenflug vom nachbarlichen Unkrautacker als Argument für den Eingriff in die Nachbar-Vegetation vorschützen. Die "Pflicht" zur Nutzbarmachung der Natur steckt tief in unserem kulturellem Erbe drin; das sollten wir uns bewusst machen und bewusst versuchen, die Natur als Natur zu akzeptieren. Nicht nur dort, wo wir anderen Völkern vorschreiben wollen, dass sie ihre Tropenwälder nicht wirtschaftlich nutzen (und ggf. abholzen) dürfen.
Die Parkverwaltung versucht, dieser Anti-Urwald-Mentalität der Wald-Bewohner durch sachliche Informationen gegenzusteuern. Dem Bayerwald-Boten vom 30.06.2007 lag z. B. eine umfangreiche Beilage "Unser wilder Wald. Informationsblatt Nationalpark Bayerischer Wald Nr. 21. Sonderausgabe Orkan Kyrill" bei. (Hier sind -etwas schwer zu finden - die letzten Beilagen, darunter auch Nr. 21, auf der Webseite der Parkverwaltung online; zumindest die Nr. 21 ist eine interessante Lektüre!)

Darin erinnert der Leiter Karl-Friedrich Sinner u. d. T. "Kyrill - Waldzerstörer oder lebendiges Naturereignis?" u. a. an eine Reihe von großenteils abwegigen bis abstrusen Prognosen (z. B. "In wenigen Jahren wird der gesamte Bayerwald entwaldet sein"), die in den Jahren 2000 und 2001 von einer Bürgerbewegung (in einer ähnlichen Situation?)aufgestellt worden waren und die natürlich nicht eingetreten sind.

In einem Gemeinschafts-Beitrag "Wilder Wald - was bedeutet das für seine Bewohner?" fordern die Autoren Jörg Müller, Claus Bässler und Christoph Moning:
"Wir sollten uns daran erfreuen, dass gegen den menschlichen Ordnungssinn im Nationalpark ein für uns unvorstellbares Mosaik an Lebensräumen entsteht." [Hervorhebung von mir]
[Bei derartigen Überlegungen lasse ich allerdings meinen Ressourcenpessimismus außen vor. In Wirklichkeit könnte es durchaus passieren, dass wir auch die geschützten Wälder bald wieder nutzen - müssen.]

Die Parkverwaltung unternimmt übrigens außerordentlich viel, um das Gebiet für Urlauber attraktiv zu machen. So hat man bei der (ebenso urigen wie preiswerten) Waldgaststätte "Schwellhäusl" (manchmal auch "Schwellhäusel" geschrieben; hier eine schöne Aufnahme) einen Urwald-Rundweg angelegt, wobei der Urwald freilich ein solcher erst noch werden will.
Eine mit 10 Mio. Euro nicht ganz billige Investition ist das "Haus zur Wildnis" bei dem Lindberger Ortsteil Ludwigsthal (Bahnstation -s. Karte- an der "Waldbahn" der "Regental Bahnbetriebs-GmbH"). Dort kann man in Freigehegen Wildpferde und Auerochsen besichtigen; wenn man Glück hat auch Wölfe und Luchse, aber die zeigen sich nicht jedem (uns nicht).
Eindrucksvoll ist die Nachbildung der erst 1994 entdeckten Steinzeithöhle "Grotte Chauvet" im Ardèchtal in Südfrankreich (hier die Google-Bildsuche zum Original).
Das Haus zur Wildnis selbst ist sehr geräumig und beherbergt außer einem Restaurant [warum eigentlich nicht Selbstbedienung?] eine Dauerausstellung über andere Nationalparks in Deutschland und über den Bayerischen Wald (mit Mikroskopen zum Betrachten von Mineralien usw.; vermutlich interessant, wir hatten leider keine Zeit). Außerdem machen Wechselausstellungen auch mehrfache Besuche lohnend (bei unserem Besuch wurde eine Ausstellung über Amazonien gezeigt).

Derartige Informations- bzw. Infotainment-Angebote gibt es aber natürlich auch anderswo; sie stellen (als Kategorie betrachtet), kein "Alleinstellungsmerkmal" für den Bayerischen Wald dar.
Um solche Merkmale zu erarbeiten, wäre nicht einmal so sehr mehr "Knete", als mehr Kreativität erforderlich.

Auf dem Feld der Reiseveranstaltungen kam mir als besondere Attraktion das Angebot von "Eisenbahnkreuzfahrten" in den Sinn. "Nur 7 Google-Treffer: das ist ja was ganz Rares", dachte ich mir. Das ist freilich ein Irrtum; die Branche nennt das "Schienenkreuzfahrten" und mit diesem Zauberwort spuckt Google gleich 52.600 Treffer aus (wobei es nicht gerade für die Klugheit der Werbetext-Autoren spricht, dass sie nicht auch andere Begriffe, unter denen Laien so etwas suchen könnten, in ihre Beschreibungen einbauen!).
Immerhin, für Deutschland ist die Idee keineswegs abgenutzt, auch wenn es z. B. in Schleswig-Holstein ein solches Angebot bereits gibt.
Wehmütig konstatiere ich zwar den Wegfall einer ganzen Reihe von Schienenstrecken, wenn ich die Eisenbahnkarte meines Grieben-Reiseführers von 1956 mit dem derzeitigen Schienennetz vergleiche. Aber noch sind genügend Trassen in Betrieb, insbesondere dann, wenn man auch einige Reiseziele in Niederbayern und Böhmen einbezieht. Idealer Weise sollten Unterbringung und Frühstück im Zug erfolgen; falls es aber an geeignetem "Rollenden Material" dafür fehlt, oder logistische Schwierigkeiten entgegen stehen, käme als Notlösung auch die Unterbringung in einem Standquartier im Hotel (wie in Schleswig-Holstein in Bad Bramstedt) oder in wechselnden Quartieren in Betracht. Eine zielgruppenspezifische Differenzierung (Themenreisen z. B. für Familien, Senioren, Singles, für Geschichtsfreunde und Naturkunde-Interessierte, Weihnachts- und Neujahrsreisen usw.) würde die Anziehungskraft vermutlich noch steigern. Selbst wenn sich diese Veranstaltungen wirtschaftlich nicht voll tragen würden, könnte man mit begleitender PR-Arbeit wahrscheinlich eine große Werbewirkung erzielen und das Image des Waldes deutlich aufwerten.
Nachtrag 20.05.08: Wenn mir schon mal eine Idee kommt, hat sie ein anderer längst gehabt. In Wolkenstein, im Erzgebirge gelegen, kann man nämlich in einem "Zughotel" übernachten; es soll allerdings das einzige in Deutschland sein.

Überhaupt frage ich mich, ob das Dunkle und Finstere, das leicht mit dem Wald und Waldwildnis assoziiert wird, nicht eher negativ für den Bayerwald wirkt. Wie könnte man dem Bild mehr Fröhlichkeit geben, die ihm m. E. gut tun würde?

Zum einen die Vegetation "aufheitern" (s. o.). Ein Schmetterlingspark, wie sie zwar in vielen anderen Gegenden auch schon existieren, wäre auch für den Bayerischen Wald ein Gewinn, zumal er besonders für den Familienurlaub eine geeignete Attraktion darstellt.

Man könnte auch weiter gehen und die Häuser farbig streichen (z. B. über Prämien-Wettbewerbe anzuregen: "Unser Dorf soll bunter werden"), aber Farbe am Bau ist für die Deutschen eine gewöhnungsbedürftige Vorstellung, besonders für die Eigentümer.

Sicherlich ließe sich aber aus dem "Megathema" "Glas" mehr herausholen, als z. B. seltsame Gebilde -bunte Kugeln auf Stöcken-, die man in den Garten stecken soll. Farbige Hausnummernschilder aus (frostresistentem) Glas für den Anfang. Und dann weiterer Glas-Schmuck für die Fassaden: Fenster- und Tür-Umrahmungen, oder auch farbige Glastüren.

Dass auch der Internet-Auftritt durchaus Raum für Verbesserungen lässt, habe ich oben für die Wikipedia-Einträge illustriert und ausführlicher in meinem Eintrag "Der Bayerische Wald - Werbung für Fremdenverkehr im Internet" thematisiert.

Freilich kämpft der Bayerische Wald nicht als einziges deutsches Reisegebiet mit einem Rückgang der Übernachtungszahlen. Ein gewisses Auf und Ab gibt es selbst dort, wo an erstrangingen Attraktionen (jedenfalls im innderdeutschen Vergleich) kein Mangel herrscht. Der Landkreis Berchtesgaden z. B. musste Schwankungen zwischen über 5 Mio. und unter 4 Mio. Übernachtungen verkraften (vgl. S. 65 der Studie "ZUKUNFTSORIENTIERTE TOURISMUSENTWICKLUNG IM LANDKREIS BERCHTESGADENER LAND"), wobei die Spitzenwerte in den Jahren 1991 - 1993 wohl der Wiedervereinigung zu verdanken sind.
Dennoch muss der Bayerische Wald (wie auch jede andere Region) natürlich im Konkurrenzkampf "am Ball bleiben".

Ich vermute mal, dass man Touristen am ehesten aus Flachlandgebieten und Großstädten holen könnte, wo man den Forst für Wald hält. Die Stadt Zwiesel sieht das ähnlich und ist eine Patenschaft mit der Stadt Brake an der Unterweser eingegangen (vgl. den Artikel "Löwen auch in Brake auf Besucherfang. Zwieseler Delegation besuchte das Kajen- und Stadtfest in der Partnerstadt" im Bayerwald-Boten vom 21.06.07); die Patenschaft ist allerdings erst im Aufbau begriffen.

Neben Norddeutschland, Berlin und dem Ruhrgebiet könnten auch Holland und Dänemark interessant sein (bzw. der Wald für die Niederländer und Dänen ein interessantes Urlaubsziel). Aber die Ansprache dieser potentiellen Gäste lässt nicht nur in der Wikipedia arg zu wünschen übrig. Wie wir in dem PNP-Artikel (Bayerwald-Bote) vom 28.06.07 "Rückgang bei den Übernachtungszahlen: Bedrohlich oder nur Gesundschrumpfen" lesen, war die Reaktion auf "Mystery Checks", fingierte Anfragen "ausländischer" Urlaubsinteressenten, "auf englische Anfragen ... gleich Null, auch in den guten Häusern".
Man muss ja nicht gleich Niederländisch oder Dänisch lernen (die sprechen weitgehend Englisch, viele Niederländer auch Deutsch), aber grundsätzlich wird man auch ausländische Reisegäste für den Wald gewinnen können - wenn man Informationen in den Landessprachen (und attraktive Bilder!) ins Netz stellt und Anfragen, zumindest englischsprachige, beantwortet.
Von den Arbeitslosen-Zahlen her hätte man es (derzeit) zwar nicht nötig: die liegt im Landkreis Regen, im tiefsten Bayerischen Wald also, mit 4,6% sogar noch unter dem mit 5% schon guten Bayerischen Durchschnitt (und weit unter dem Bundesdurchschnitt von 8,8%). (Quelle: "Arbeitslosenquote im Sinkflug: Landkreis im Juni erstmals unter der Fünf-Prozent-Marke"; Bayerwald-Bote vom 29.06.07). Doch dürfte diese Quote großenteils nur über ein Auspendeln nach Niederbayern, aber auch durch eine dauerhafte Abwanderung der Wald-Bewohner im erwerbsfähigen Alter, erreicht worden sein.

Die derzeit laufende Bayerische Landesausstellung "Bayern - Böhmen. 1500 Jahre Nachbarschaft" hat vielleicht dem Reisegeschäft speziell in Zwiesel etwas Auftrieb gegeben (vielleicht aber mehr beim Tagestourismus aus der näheren Umgebung als bei den Übernachtungen). Eine dauerhafte (Image-)Aufwertung wird man sich davon nicht versprechen können; dazu ist das Thema denn doch nicht "weltbewegend" genug.
Frage ist, was man mit dem Ausstellungsgebäude (hinter der katholischen Stadtpfarrkirche) später und auf Dauer anfangen könnte.
Bayern besitzt zwar Kunstwerke "en masse", doch die sind sämtlich schon in festen Händen; kein Museum und keine Stadt würde die rausrücken. Kunstwerke von Weltrang wären, würde man sie (Gemälde etwa) im Bayerischen Wald aufhängen, ohnehin allzu versteckt platziert. Zweit- und drittrangige Werke wiederum setzen keine Besuchermassen in Bewegung; jede Großstadt bietet heute Vergleichbares.
Indes beherbergt das Bayerische Nationalmuseum in München eine Krippensammlung, die dort angesichts der Fülle der Kunstschätze eher ein Dornröschen-Dasein führt. Würde man die in den Bayerischen Wald, etwa nach Zwiesel, verlagern, könnte sie ein echter Besuchermagnet werden. München würde dadurch keinen einzigen Urlaubsgast verlieren; der Bayerische Wald aber enorm gewinnen. Überhaupt könnte ein solcher Schachzug einen stärkeren Ausbau der Weihnachtsthematik im Bayerischen Wald anregen, z. B. die Produktion von beleuchtetem Weihnachtsdekor (aus Glas) für Hausfassaden. Das würde zwar die Konkurrenzsituation zum Erzgebirge verschärfen, aber Wettbewerb ist nun einmal kein Schattenboxen.
Die Krippen selbst kommen zwar wohl eher aus den Alpengebieten (allerdings hat auch Straubing einen "Krippenweg") und würden anfänglich im Bayerwald etwas "verschleppt" wirken, aber daran gewöhnen sich die Menschen; schließlich hat Leonardo da Vinci seine Mona Lisa auch nicht für den Louvre gemalt.

Administrativ würde eine Zusammenlegung von Kreisen wahrscheinlich eine verbesserte Mittelfokussierung erlauben; andererseits ist allerdings die Konkurrenz unter den Landkreisen wahrscheinlich ein durchaus stimulierendes Element für die Fremdenverkehrswerbung.


Nun ja, das waren Phantasien eines Unbefugten. Die Profis werden es schon richten. Sie werden weiter auf Bewährtes setzen - und nach Kräften die staatlichen Mittelquellen abzapfen. Solange sich die Deutschen rupfen lassen wie die Schafe, und klaglos Steuererhöhungen wie bei der Mehrwertsteuer hinnehmen, weil der Staat doch so arm ist, kann man es sich auch zu Zukunft (nicht nur im Bayrischen Wald) leisten, Geld statt Ideen in die Fremdenverkehrswerbung zu stecken.


Nachdem ich meine Niederschriften der Urlaubserlebnisse und Reflexionen über unseren Urlaub 2007 in Zwiesel im Bayerischen Wald bzw. über unser Urlaubsgebiet mittlerweile auf mehrere Einträge verteilen musste und nun langsam Gefahr laufe, selbst die Übersicht zu verlieren, habe ich eine Liste der einschlägigen Beiträge erstellt unter dem Titel:
"Bayerischer Wald: Übersicht meiner Blog-Einträge über unseren Urlaub in Zwiesel".


20.05.08: Einige Nachträge betr. Internet-Werbung für den Bayerischen Wald habe ich heute dahin verschoben, wo sie hingehören, nämlich in den Blott "Der Bayerische Wald - Werbung für Fremdenverkehr im Internet".
Textstand vom 20.05.2008

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