Der Text ist eigentlich als Kommentar zu dem heutigen Handelsblatt-Artikel "Starker Staat? Planloser Staat" entstanden. Indes wies ihn das Programm als fehlerhaft (ich vermute: zu lang) zurück. Drum also jetzt hier exklusiv für Sie ;-):
Es geht ja nicht nur um die Extra-Euronen für's Personal. [Bei dem HB-Bericht ging es hauptsächlich um Tarifforderungen für den Öffentlichen Dienst.] Das noch größere Problem dürfte die Tilgung der Staatsschulden werden. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und prognostiziere, dass die Welt auf lange Zeit ein Wachsen der Staatsschulden auf Futschi-Yama-Höhen sehen wird.
Einen großartigen Aufschwung wird es heute so wenig wie 1929 ff. geben, weil dafür heute wie damals 'eigenmonetäre' Basis fehlt, d. h. den Verbrauchern und dem Staat fehlt es an EIGENEM Geld. Liquiditätsinfusionen helfen nicht dauerhaft, wenn sie erneut im Kreditwege erfolgen und die Schulden nur noch erhöhen.
Wir erleben derzeit, was ich als Artos-Phagen-Ökonomie modellhaft visualisiert habe ( http://beltwild.blogspot.com/2010/01/die-okonomie-der-artos-phagen-warum.htmlv ):
1) Bauer baut Getreide an und verkauft es an Müller; bekommt 1.000,- €.
2) Müller mahlt Mehl und verkauft dieses an Bäcker; erhält 2.000,- €.
3) Bäcker backt Brot (altgriech. "artos") im Wert von 3.000,- € und verkauft davon für jeweils 1.000,- € an Bauer und Müller; den Rest im Wert von 1.000,- verputzt er selbst.
Kassenstand meiner 3 (selbständigen) Wirtschaftssubjekte (WSE) danach:
4) Müller 1.000,- €; Bäcker 2.000,- €
So leben die 3 WSE glücklich und zufrieden bis zur nächsten Erntesaison; dann heißt es erneut:
5) Müller zahlt 1.000,- an Bauer,
6) Bäcker zahlt 2.000,- an Müller ...
ein perfekter Geldkreislauf!
Denken wir uns nunmehr die Warenmengen und Geldsummen verdoppelt, dann bleibt noch was über für, zum Beispiel, einen Kapitalisten.
Diesem gehören Äcker, Mühe und Backofen; bei jeder Transaktion greift er z. B. 20% ab.
Wenn er dafür selbst in vollem Umfang Brot kauft, ist das kein Problem, weil er das Geld wieder in Umlauf bringt. Hortet er das Geld (teilweise, denn konsumieren muss er ja auch was), stockt die Wirtschaft und kann auf Dauer mangels Geld überhaupt nicht mehr funktionieren.
Damit habe ich bewiesen, dass eine geldbasierte Eigentumswirtschaft nicht funktionieren kann - im Basismodell.
Da sie offensichtlich doch über lange Zeiten ganz gut funktioniert, muss es Elemente geben, die diese "Blutentnahme" durch den Kapitalisten neutralisieren. Zumindest auf folgenden Wegen wird das entzogene Geld wieder in den Kreislauf eingespeist:
- Investitionen des Kapitalisten in die Realwirtschaft (speist Geld wieder in Kreislauf ein)
- Inflation (entwertet sein ggf. gehortetes Geld, während gleichzeitig die Wirtschaftswelt von Kippern, Wippern, oder Bernanken mit frischen Prägungen, Grünzeug oder Digital-Nullen gefüllt wird.
- Steuern.
Wirtschaftswachstum und Giralgeldschöpfung komplizieren das Bild natürlich, aber das Modell liefert -2- nützliche Vermutungen, eine heuristische und eine realitätsbezogene:
- Wir kommen den Krisenursachen nicht auf den Grund [viele wollen das zweifellos auch gar nicht], wenn wir die 'Krankheit' untersuchen. Nicht diese ist erstaunlich; verwundernswürdig ist im Gegenteil die langjährige Gesundheit des Kapitalismus.
Wenn wir erforschen, warum funktioniert hat, was 'eigentlich' nicht funktionieren kann, können wir die nächste Frage stellen:
- Welches von denjenigen Elementen, die den funktionsunfähigen Kapitalismus in Funktion gehalten haben, ist momentan weggefallen bzw. zu schwach geworden, und aus welchen Gründen?
Die Antwort liegt, zumindest im Sinne eines "anecdotal evidence" auf der Hand (und ist gewiss keine "Entdeckung" von mir): Das Geld hat sich zunehmend zu den Kapitalbesitzern hingezogen gefühlt, die Wirtschaft ist ausgetrocknet bzw. läuft nur noch mit Leihkapital. ("Theorie des monetären Vampirismus" möchte ich das nennen.)
Offensichtlich waren die o. a. Counterbalances zu schwach (Stagnationsphase des Kapitalismus: Marx, Keynes ...).
Da sich auch momentan keine großartigen Investitionsmöglichkeiten anbieten, muss der Geldentzug immer größer werden, der Staat wird immer mehr die Nachfragelücke ausfüllen müssen.
[En passant: ich bin kein Ökonom und kein Keynes-Kenner; frage daher die Leser: wie hat sich der John Maynard eigentlich das Finale vorgestellt? Selbsttragender Aufschwung bei schuldenverkrüppeltem Staat? Wie das? Wie kommen die WSE an Eigengeld, wenn die Kapitaleigner keine Anreize haben, die Kohle wieder - über Investitionen - als Eigengeld - statt Leihgeld - für andere in Umlauf zu bringen?]
Folgerung: Wir müssen die Staatschulden durch eine konfiskatorische Besteuerung tilgen; teilweise weggesteuert werden müssen (zeitweise) das Geldkapital und alles was "Zinsen" im weitesten Sinne bringt (Gewinne, Mieten, aber auch Gewinne aus einem Betrieb; der Begriff Zins ist also vorliegend noch etwas breiter gefasst als z. B. in dem einschlägigen Wikipedia-Artikel).
Inflation ist dafür untauglich, weil sie nur die Geldbesitzer trifft, nicht die Eigentümer von Sachwerten. Und bei den Geldbesitzern schädigt eine Inflation selbst jene, die nur brav auf ihrem Sparkonto für einen Autokauf ansparen - was kaum erwünscht sein kann. Konfisziert werden muss aber nicht, was letztlich ohnehin für den Konsum bestimmt ist,sondern ein Teil des 'Entzugspotentials', d. h. der Gewinnquellen der Kapitalbesitzer (nicht der Kleinsparer, die für Auto, Haus oder Alter Geld zurücklegen).
Ich will übrigens gar nicht prinzipiell "gegen die Reichen" vorgehen: meinetwegen kann auch die Villa im Tessin im Wert von 100 Mio. € steuerfrei bleiben.
Entscheidend ist, dass wir die Absaugschläuche des Geldkapitals aus der Realwirtschaft vorübergehend (nicht auf Dauer, das wäre motivationsfeindlich und systemwidrig, und das kapitalistische System möchte ich, faute de mieux, keinesfalls beseitigen) abschnüren.
Ich sehe keine andere Methode um das zu gewährleisten (Inflation oder Freigeld treffen einseitig die Geldbesitzer, die aber nicht die alleinigen Geldscheffler sind), als eine konfiskatorische Besteuerung.
Textstand vom 07.10.2019.
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