Samstag, 28. Mai 2011

Eins muss man den verzogenen Schnuller-Griechen lassen: In Griechenland gibt es eine Demokratie! Wohingegen in Deutschland der Wählerwille von der Nationalen Einheitsfront einer Konsensdikatur erstickt wird!

Dass sich die griechischen Parteien nicht auf eine Sanierung ihres Staatshaushaltes und ihres Landes einigen können (vgl. z. B. den Handelsblatt-Artikel "Griechenland in der Krise:Papandreou will Sparprogramm alleine durchziehen" vom 27.05.2011: "Das griechische Schuldendrama spitzt sich zu. Die politischen Parteien finden keine Lösung zur Bewältigung der Notlage, ein Krisengipfel ist gescheitert. Der Ministerpräsident stimmt das Volk auf harte Zeiten ein"), ist in ökonomischer Hinsicht natürlich eine schlechte Nachricht. Und für uns auch in fiskalischer Hinsicht, denn zahlen wird unsere Regierung sowieso (auch wenn man sich nach außen hin momentan noch ziert und Einigkeit der griechischen Parteien über den Sparkurs als Voraussetzung für weitere Auszahlungen zu verlangen vorgibt).
Die Finanzmärkte haben das Gelbe in den Augen der Politik gesehen: Angst essen Gehirn auf! Also werden die Verräter - oder wollte ich "Vertreter" sagen? - der deutschen Steuerzahler auch weiterhin unsere Liquidität in das bodenlose Mittelmeerfass versüden.
(Lüder Gerken legt in "Warum Griechenland am Ende ist", Badische Zeitung vom 21.05.11, den Finger präzise in die Wunde -meine Hervorhebung- : "Ein ... Schuldenerlass würde dem griechischen Staat ... allenfalls eine Atempause verschaffen. Denn selbst wenn man ihm heute ... sämtliche Schulden erließe – wenn er also überhaupt keine Kreditzinsen mehr bezahlen müsste –, würde er bereits morgen neue Schulden aufnehmen müssen: Das griechische Haushaltsdefizit hätte 2010 auch ohne Zinszahlungen immer noch fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen".)

Aber genau mit Ihrer Verweigerung, den griechischen Klüngel-Karren gemeinsam mit der Regierungspartei aus dem Dreck zu ziehen, beweisen die Oppositionsparteien andererseits, dass es in Griechenland tatsächlich eine Demokratie gibt!
Gewiss ist es kein Ruhmesblatt für die Griechen, dass sie ihre durch die gesellschaftlichen Pfründen-Verkrustungen und in den bürokratischen Schlendrian bedingten Produktivitätsrückstände von ausländischen Steuerzahlern finanzieren lassen wollen.
Andererseits kämpfen sie, und kämpfen die Oppositionsparteien, für das, was sie selbst für ihr Interesse, und sogar für ihr gutes Recht halten.
Das erste Recht des Steuerzahlers freilich ist es, dass die ihm/ihr abgepressten Steuergroschen letztlich den Steuerzahlern selbst zugute kommen - und nicht verschenkt werden.

Genau das aber tut unsere eigene Regierung, wenn sie den Griechen und den anderen europäischen "PIGS" weiterhin sogenannte "Kredite" gewährt, welche diese ohnehin nicht, oder allenfalls teilweise, zurückzahlen werden.

Doch in Deutschland kann sich kein Wähler gegen diese Veruntreuung von Steuergeldern wehren. Uns nämlich beherrschen Regierungs- und Oppositionsparteien in dieser Hinsicht als eine Nationale Einheitsfront der Konsensdikatur (von wenigen rühmlichen Ausnahmen wie etwa Peter Gauweiler von der CSU oder Frank Schäffler von der FDP abgesehen).
Insoweit besteht in Deutschland ein derart krasses Missverhältnis zwischen politischem Angebot und Wähler-Nachfrage, dass man von einem totalen Marktversagen unserer sogenannten Demokratie sprechen muss.

Wer hat uns verraten?
ALLE (sogenannten) Demokraten!



Nachtrag 29.05.2011
Sehr informativ für die Lage, aber vor allem für die Reaktionen der Bevölkerung (sowie die fehlende Vorbildfunktion der Politiker) in Griechenland scheinen mir die Artikel eines gewissen Wassilis Aswestopoulos bei Telepolis zu sein. Für einschlägig Interessierte eine unbedingt empfehlenswerte Lektüre.


Nachtrag 31.05.2011
Höchst informativ sind die Berichte von Niels Kadritzke (den ich bereits in meinem Blott "Griechenland: Bailout, Bürokratismus, Klientelismus, Korruption, Pleite, Staatshaushalt, Staatspleite, Überschuldung. Saustall- und Hirnilinks" vom 17.01.2010 zitiert hatte) über die verrottete griechische Gesellschaft. Bemerkenswert an seinen Artikeln ist auch, dass hier jemand aus einer linken Perspektive die Schwierigkeiten Griechenlands nüchtern und realistisch anspricht und sich nicht darauf beschränkt, hohle Sprüche gegen die Auflagen von EU und IWF abzulassen, wie andere Linke (und nicht zuletzt "Die Linke") das tun.  Weitere Artikel z. B.:
  • Der kranke Mann Europas, Le Monde Diplomatique 27.01.09 ("Die abgrundtiefe Vertrauenskrise zwischen Gesellschaft und Staat bildet sich längst in Umfragen ab. Die Rangliste der "vertrauenswürdigsten" Institutionen, zum Jahresende in der Tageszeitung Kathimerini publiziert, wird von der Feuerwehr und dem staatlichen Wetterdienst angeführt. Abgeschlagen auf den letzten drei der 48 Plätze liegen die Athener Börse, die Regierung und "die Parteien". Letzteren vertrauen nur 8 Prozent der Befragten.")
  • Griechenland: Alternative zum Totsparen: Die Reichen müssen bluten. (Teil IV einer 5-teiligen Reihe bei den "Nachdenkseiten") vom 16.12.10. Kadritzke beschreibt hier das Scheitern der griechischen Regierung bei dem Bemühen um eine größere Steuergerechtigkeit und um Erhöhung der Einnahmen. Man kann also auch hier wieder feststellen, dass diejenigen Linken  unter uns, die höhere und bedingungslose Transferleistungen nach Griechenland fordern, die objektiven Verbündeten der - in diesem Falle: griechischen - Reichen sind. Ein derartiges objektives 'Bündnis' sehen wir in anderen Bereichen etwa bei der Staatsverschuldung (die von den Linken geforderte höhere Verschuldung öffnet den Besitzenden mehr Anlagemöglichkeiten) oder bei der Einwanderung: Ein Mehr an Humankapital - auch durch Einwanderung - wertet das Realkapital auf (unmittelbar ersichtlich z. B. durch steigende Wohnungsmieten), ein Bevölkerungsrückgang entwertet es (unmittelbar: mangels Nachfrage fallende Wohnungsmieten).
  • Griechenland: Gibt es einen Ausweg aus der Sackgasse? Das ist der 5. und letzte Teil der Reihe bei den Nachdenkseiten (vom 23.12.10 / 02.01.11). Die anderen Teile habe ich nicht gelesen, sie dürften aber ebenso informativ sein. ("Man kann diese Haltung als Resignation oder als Realismus beschreiben. Tatsache ist jedenfalls, dass die große Mehrheit der griechischen Bevölkerung auf die Krise bislang eher apathisch als rebellisch reagiert. Die von vielen erwarteten – und insbesondere im Ausland beschworenen – sozialen Unruhen oder gar Explosionen sind bislang ausgeblieben. ..... [Die] „asoziale“ Fokussierung auf die Familie steht kollektiv artikulierter Solidarität prinzipiell im Wege. Sie ist im übrigen nur die andere Seite jenes „amoralischen Familialismus“, den Sozio-Ethnologen als Hauptursache für die verbreitete Bereitschaft sehen, Korruputionspraktiken mitzumachen oder zu dulden*, sobald sie sich mit dem „Familieninteresse“ legitimieren lassen. ..... Wie lässt sich ein realistischer Blick auf den Zustand der griechischen Gesellschaft und Wirtschaft mit den Postulaten der „internationalen Solidarität“ vereinbaren? Es gibt linke Positionen, die sich diese Frage erst gar nicht vorlegen. In der Diskussion, die im Frühjahr 2010 im Rahmen der Attac geführt wurde, waren Stimmen zu hören, die es verwerflich fanden, den Eigenanteil der griechischen Gesellschaft an ihrer Krise auch nur zu benennen. Solcher freiwilligen, moralisch begründeten Realitätsblindheit ist mit Gramsci entgegen zu halten: Wenn man mit dem Kopf gegen die Wand der Realität läuft, leidet nicht die Wand Schaden, sondern der Kopf. ..... Die Bestrafung der „Couponschneider“, also der Banken und anderen Profiteure an den Bondsmärkten, ist freilich nur die eine Seite des Umschuldungsmodells. Die andere Seite ist die Wirkung für Griechenland. Um die kümmern sich die linken haircut-Fans entweder gar nicht, oder sie betrachten sie sogar als Segen für die griechische Gesellschaft: Das Land aus den Klauen des IWF und der Euro-Partner zu befreien, erscheint als die große Chance des Neubeginns. Diese Annahme ist eine große Illusion. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Darauf hat Lorenzo Bini Smaghi, eine maßgebliche Stimme aus der EZB, in der Financial Times vom 17. Dezember hingewiesen: “Viele Kommentatoren nehmen nicht wahr, dass bei einem Staatsbankrott die Hauptlast nicht etwa die ausländischen Gläubiger zu tragen haben, sondern die Bürger des betreffenden Landes und vor allem die, die am verwundbarsten sind. Sie bekämen die Folgen vor allem als Entwertung ihrer Einkünfte und Vermögenswerte zu spüren.“ " Kadritzke fordert eine Prolongierung der Kredite, aber auch das wird nichts nützen, weil die griechische Gesellschaft reformunfähig ist.
* Ich fürchte allerdings, dass nicht nur der "amoralische Familiarismus" (den ich verschiedentlich als "Clanismus" angesprochen habe) das Problem ist, sondern dass es einfach an Reife mangelt (deshalb: "Schnuller-Griechen"). In den ganzen Verhaltensweisen, die zur griechischen Krankheit geführt haben (und an deren Heilbarkeit ich - auch mit Seitenblick auf Süditalien, italienischen Mezzogiorno, nicht glaube) sehe ich ein erhebliches Maß an Infantilität: fehlende Weitsicht, fehlendes Interesse an einer Erkenntnis der Zusammenhänge, Sichtweise des Staates quasi als Eltern, die mich durchfüttern sollen und müssen und deren ökonomische Leistungsfähigkeit mit meinem eigenen Verhalten nichts zu tun hat. Ebenso wie auch in Süditalien - und anderen Gesellschaften dieser Art - fehlt es an der Einsicht, dass "wir" "der Staat" sind. Ich will nicht ausschließen, dass in solchen Ländern eine Mentalitätsänderung durch die Erfahrung eines totalen Zusammenbruchs, einer schrecklichen gesellschaftlichen Katastrophe, herbeigeführt werden kann. Wahrscheinlich wäre dazu dann aber auch ein Terrorregime nötig. Alles andere wird scheitern; aber während Süditalien vom Norden subventioniert wird, müssten Länder wie Griechenland (auch Portugal? Spanien? Italien?) von uns durchgefüttert werden, und zwar, wie in Italien, auf Dauer. Peter Ehrlich in der FTD ist wenigstens ehrlich, wenn er (am 25.05.11) unter Anspielung auf den bundesdeutschen Finanzausgleich der Länder von "Griechenland - das 17. Bundesland" spricht: "Angela Merkel muss ihren Bürgern gestehen, dass wir das Land für lange Zeit finanzieren müssen". Nicht für "lange Zeit", sondern bis in alle Ewigkeit! (In seinem Kommentar "Solidarität ist doch eine Einbahnstraße" vom 15.04.11 hat Ehrlich die Bürger noch belogen: "Eine Mehrheit glaubt vermutlich immer noch, Griechen, Iren und Portugiesen bekämen großzügig Zuschüsse. Dabei sind es Kredite, es werden Zinsen fällig". Ob er in dem neuen Kommentar immer noch von Krediten spricht, weiß ich nicht, weil der Artikel nicht kostenfrei zugänglich ist. Aus der Überschrift wird aber ersichtlich, dass Ehrlich ganz genau weiß, dass wir Transferleistungen erbringen müssten, selbst wenn diese pro forma eine Zeit lang als "Kredite" getarnt würden. Diese Transferleistungen würden aber, wie in Italien auch, zum Dauerzustand werden. Es ist mir gleichgültig, ob Griechenland die Drachme wieder einführt oder nicht: warum sollen wir den Griechen Vorschriften machen? Es reicht aus, wenn wir weitere Transferleistungen verweigern. Die Hilfe ist - was die große Mehrheit der Bundesbürger schon von Anfang an wusste - ein Fass ohne Boden. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!

  • Dass Griechenland schon längst pleite ist, schildert "Die griechische Krise und das Dilemma der Privatisierungen" vom 30.05.11 auf den Nachdenkseiten. "Nebenbei bemerkt, flocht der Moderator im Frühprogramm des griechischen Staatssenders NET am letzten Dienstag ein, seit acht Monaten habe er kein Gehalt mehr bezogen. ..... Im privaten Sektor sind ausbleibende Lohnzahlungen längst die Regel. Die Kassenlage im staatlichen Fernsehen ist eines von vielen Anzeichen dafür, dass der griechische Staat die Grenze zur Zahlungsunfähigkeit bereits überschritten hat. Im öffentlichen Dienst insgesamt beträgt der Gehaltsrückstand durchschnittlich zwei Monate. Ähnlich sieht es bei den Rentenkassen aus: Bis die Rente bewilligt ist, vergehen im Durchschnitt 18 Monate, in denen nur eine Abschlagszahlung geleistet wird. Müsste man die vollen Renten von Anfang an auszahlen, wären einige Berufskassen bereits pleite. Und über die Summen, die der Staat dem privaten Sektor schuldet (z.B. Baufirmen und Krankenhaus-Lieferanten) gibt es nur Schätzungen, die gnädigste liegt bei 10 Mrd. Euro." Auch hier Kritik an linken Spinnereien: "Auf der ersten Ebene lautet die Frage schlicht: Darf und soll ein Staat sein „Tafelsilber“ verkaufen? Die eher „linke“ Lehre sagt: Er darf das auf keinen Fall. Das ist etwa die Position von attac (Privatisierung Griechenland – Zur Plünderung freigegeben), dessen Griechenland-Papier vorwiegend auf der prinzipiellen, moralischen Ebene argumentiert. attac führt m.E. klassisch vor, wie man Prinzipien so hoch halten kann, dass sie in den Wolken verschwinden, sodass die unten liegende Landschaft (die „facts on the ground“), auf die sich die prinzipienfeste Haltung beziehen soll, leider unsichtbar wird." Kadritzkes ausführliche Analyse der Realität gipfelt in der Feststellung: "Im griechischen Fall kommt ein weiterer, sehr spezifischer Umstand hinzu. Der herrschende Klientelstaat (dazu meine ausführliche Analyse auf den NachdenkSeiten vom 16. Dezember 2010 und vom 23. Dezember 2010) hat viele, staatliche und kommunale Unternehmen derart „gesellschaftsfeindlich“ denaturiert, dass ein öffentliches Interesse an deren Aufrechterhaltung gar nicht mehr auszumachen ist. Unter Bedingungen des Klientelstaats kann die Gesellschaft mit einer Privatisierung besser bedient sein, wenn eine Umfunktionierung solcher „öffentlichen“ Betriebe im gesellschaftsfreundlichen Sinne durch die bisherigen Profiteure dieser Unternehmen blockiert wird. Wenn immer über die Privatisierungsproblematik diskutiert wird, ohne das Phänomen des griechischen Klientelsystems zu würdigen, wird die abstrakt vielleicht richtige Forderung nach einer pauschalen Bestandsgarantie des öffentlichen Sektors zur hohlen Phrase. ..... Die „Moral von der Geschichte“: Im Fall Griechenland sind die realen Dilemmata so groß, dass eine rein „moralische“ Betrachtung – wie etwa die von Attac – darauf hinausläuft, die Augen vor der tatsächlichen Misere der griechischen Gesellschaft zu verschließen – und damit vor der Realität zu kapitulieren."

Wir haben unsere eigenen "Griechenländer": Zum Beispiel ist die Freie Hansestadt Bremen  eine Steuergeldvermüllungsanlage, die wir niemals stillegen werden. Die wird auf ewig am Tropf derjenigen Bundesländer hängen, welche die Mittel für den Länderfinanzausgleich aufbringen müssen (also vorwiegend Baden-Württemberg, Bayern und Hessen).
Und Klientelismus (hier eine akademische Hausarbeit zu diesem Thema) gibt es (wenn auch nicht ganz so drastisch wie im Mittelmeerraum) selbst hier bei uns im Ostallgäu (vgl. meinen Blott "Griechenland im Landkreis Ostallgäu? Landrat Johann Fleschhut und Kreistag: solidarisch pro krankes Klinikwesen - und kontra Steuerzahler").
Nachdem sich bei uns nunmehr auch noch eine angstschlotternde Bürgermehrheit und machtgeile Regierungspolitiker die Hände reichen, um unsere Wirtschaft durch die sogenannte "Energiewende", also hauptsächlich mittels Substitution preiswerter Atomenergie (Atomstrom)  durch (trotz gegenteiliger Rechenspiele:) sauteure erneuerbare Energien zu schädigen, kann sich auch unser eigenes Land bald vor dem Weltmarkt "vergriechen" (wie die Sachsen das aussprechen würden).

Deutschland sitzt auf dem absteigenden Ast -
Und beschleunigt seinen Fall durch die Schuldenlast.
Die Griechen plaudern am Strand und lachen:
Lasst die Barbaren nur Schulden machen!



Nachtrag 01.06.2011
Rainer Hank sagt auf FAZ.net vom 29.05.11 unter "Die Griechen-Pleite", was Sache ist (meine Hervorhebungen):
"Das Leugnen wird leiser: Ein Jahr lang haben die griechische Regierung, die Europäische Kommission (inklusive der deutschen Bundesregierung, angeführt vom Mustereuropäer Wolfgang Schäuble) und der Internationale Währungsfonds der Welt weismachen wollen, dass die Griechen ihre Schulden weiter bedienten, würde ihnen die Solidargemeinschaft nur ein wenig mit billigen Zinsen unter die Arme greifen...... Noch mögen die Staats- und Regierungschefs des Euroraums das Wort „Staatsbankrott“ nicht in den Mund nehmen, technisch vornehm spricht man lieber von „Schuldentragfähigkeit“, die bei den Griechen nicht mehr gegeben sei. Doch das ist nur eine Vernebelung der Tatsache, dass die Griechen nicht nur ein Liquiditäts-, sondern auch ein Insolvenzproblem haben. ..... Europa und der IWF haben billig Geld verliehen, das sie aller Voraussicht nach nicht mehr wiedersehen werden: verschenktes Geld der Steuerbürger, das noch nicht einmal etwas genützt hat**. Stattdessen nehmen Chaos in Griechenland und Kapitalflucht aus dem Land stetig zu. ..... Europa und der IWF haben billig Geld verliehen, das sie aller Voraussicht nach nicht mehr wiedersehen werden: verschenktes Geld der Steuerbürger, das noch nicht einmal etwas genützt hat. Stattdessen nehmen Chaos in Griechenland und Kapitalflucht aus dem Land stetig zu. ..... Dass fast alle Politiker bis heute diesen Rechtsbruch leugnen und die Gerichte** feige schweigen, ist nicht nur schändlich, sondern trägt auch bei zur wachsenden Entfremdung zwischen Eliten und Bevölkerung in Europa. Ein Ausweg scheint je länger, desto schwerer. Wahrscheinlich wird jetzt einfach nur neues Geld schlechtem Geld nachgeschmissen, ohne dass dies das Elend lindern würde."
 * 'Nichts genützt'? Falsch! Selbstverständlich hat unser Geld genützt: den Reichen in Griechenland, dass sie weiterhin keine Steuern zahlen, und auch den weniger Reichen, dass sie (trotz harter Einschränkungen) immer noch besser leben - und auf ihre Art den Staat im Kleinen ausplündern - können, als wenn es zu einem Staatsbankrott gekommen wäre. "Genützt" hat unser Geld also schon, nur eine (notwendige) mentale und strukturelle Revolution bei den Mediterranen hat es nicht bewirkt und wird es auch nicht bewirken: wir werden für die parasitären Südgesellschaften blechen bis in alle Ewigkeit!
** Im Klartext beschuldigt Hank also das Bundesverfassungsgericht der Feigheit. Man kann darüber streiten, ob er damit Recht hat - oder ob man nicht, falls das Bundesverfassungsgericht die gegen die Rettungsschirme gerichteten Klagen zurückweisen sollte, sogar von Rechtsbruch sprechen müsste. Zunächst bleiben natürlich die Gerichtsentscheidungen abzuwarten; dass sich die Verfassungsrichter mit ihren Entscheidungen über einen derart dringlichen Sachverhalt Zeit lassen, kann man allerdings schon mal als Feigheit bewerten. Und als ein Indiz dafür, dass das Verfassungsgericht, wie auch immer die Urteile dann formuliert sein werden, es nicht wagen wird, der vorsätzlichen Veruntreuung riesiger Steuermittel durch unsere Regierung (und durch die Opposition) entgegenzutreten.

 Unter der Überschrift "Das griechische System ist schlichtweg marode" nimmt auf FAZ.net vom 31.05.11 Wolfgang Schultheiss, früherer deutscher Botschafter in Athen, die Griechen gegen den Vorwurf der Faulheit in Schutz:
"Der Vorwurf an die Griechen, sie seien faul, geht also fehl. Richtig ist hingegen, dass das ganze System marode ist und dass den Griechen das Verhältnis zum Staat fehlt, das wir haben (und das von uns in der Vergangenheit auch übertrieben worden ist)."
Zweifellos ist es das klientelistische Gesellschaftssystem 'des Südens', das strukturell parasitär ist. Und dass die Griechen grundsätzlich faul wären, glaube ich auch nicht. Andererseits scheinen sie, soweit im Staatsdienst tätig, dort nicht allzu schaffensfreudig zu sein. Das trifft man auch bei uns, aber bei weitem nicht in diesem Ausmaß.


Nachtrag  03.06.11
Widerstand regt sich endlich auch in den Medien. Walter Roller kommentiert in der Augsburger Allgemeinen vom 02.06.2011: "Ein Fass ohne Boden. Noch ein Euro-Rettungspaket für Griechenland" (meine Hervorhebung).
"So dramatisch ist die Lage, dass der mit 30 Milliarden engagierte Internationale Währungsfonds (IWF) mit der Einstellung seiner Zahlungen droht. Europa reagiert darauf, indem es ein neues Rettungspaket (diesmal rund 65 Milliarden!) schnürt und dem schlechten Geld gutes Geld hinterherwirft. So wird Griechenland zum Fass ohne Boden, das auch den deutschen Steuerzahler eines Tages teuer zu stehen kommen wird. Einen Ausweg aus der Schuldenfalle bietet im Grunde nur noch die Umschuldung Griechenlands. Auch diese würde viel Geld kosten, weil dann auf einen Schlag Milliarden-Bürgschaften verloren gingen und etliche Banken ins Trudeln gerieten. Es wäre ein Ende mit Schrecken statt eines Schreckens ohne Ende."


Nachtrag 05.06.2011
Die FAZ (in diesem Falle erstaunlicher Weise deutlicher als die Bild-Zeitung!) sagt wie es ist:
"Hilfe für Griechenland. Verschenkte Milliarden" (Patrick Bernau, 05.06.11; meine Hervorhebung):
"50 Milliarden Euro hat die EU gezahlt, um Griechenland ein Jahr lang vor der Pleite zu bewahren. Jetzt bekommt das Land schon wieder neues Geld. Obwohl es die Sparauflagen nicht erfüllt. ..... Tatsächlich kann ... die Troika ... ihren guten Bericht nur deshalb so formulieren, weil sie die schlechte aktuelle Situation weitgehend ignoriert. Stattdessen verweist sie auf neue Spar- und Privatisierungsprogramme, die Griechenland in Zukunft retten würden. Das erinnert an den luxemburgischen Premierminister Jean-Claude Juncker, der noch im Mai über die Griechenland-Diskussionen sagte: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.
Am gleichen Tag kommentiert Rainer Hank "Schuldenkrise. Ach Europa" (meine Hervorhebungen):
"Griechenland ist pleite. Das ist die nackte Wahrheit. Die „Rettung“ mit beinahe 170 Milliarden Euro ist kein Akt der europäischen Solidarität. Das Gegenteil ist der Fall. So wird Europa wirklich zerbröseln. .....Griechenland ist pleite. ..... Trotzdem bekommt das Land jetzt sogar noch mehr Geld von der EU und vom Internationalen Währungsfonds (insgesamt wohl 170 Milliarden Euro), welches genauso versickern wird wie die 50 Milliarden Euro, die bislang schon geflossen sind."


Das einzige Spiel, was die Griechen wirklich mit voller Leidenschaft zu spielen scheinen, ist der Betrug: "Betrieb eingestellt: Griechischer Fußballverband zieht die Reißleine" meldet das Handelsblatt am 03.06.11:
"Der griechische Fußball wird seit Monaten von Gewalt und Skandalen heimgesucht. Zahlreiche Mannschaften haben sich mit gefälschten Dokumenten ihre Beteiligung an den verschiedenen Wettbewerben verschafft."


Nachträge  07.06.2011
Wie zu erwarten, sind für die Griechen die Deutschen Schuld an ihrer Misere: s. FAZ.net "Die Feinjustierung der Daumenschrauben" vom 06.06.11.
Und wenn es nicht die Deutschen sind, dann halt andere Andere: die EU, der Internationale Währungsfonds, die Regierung.
Ein Motto der griechischen Massendemonstrationen, erfahren wir in dem FAZ.net-Bericht "Keine Parteien, nur empörte Bürger" vom 07.06.11, lautet:Wir haben keine Schulden gemacht, wir zahlen nicht. Wenn sich das griechische Volk die Schulden seines States nicht zurechnen lassen will, stellt es sich selbst als unzurechnungsfähig hin. Rechtsgeschäfte mit Unzurechnungsfähigen sind unwirksam; auch unter diesem Gesichtspunkt dürfen wir also keine weiteren Zahlungen an Griechenland leisten!
Mein Bielefelder 'Landsmann' Prof. Hans-Werner Sinn (mit dem ich ansonsten keineswegs immer einer Meinung bin) hält Kurs gegen die Verschleuderung von Steuermitteln durch unsere Regierung; vgl. dazu den Bericht vom 04.06.11 über ein Interview mit der Wirtschaftswoche "Schuldenkrise. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn: Dreht Griechenland den Geldhahn zu" auf den Internetportal der WiWo*. Selten beachtet wird der von Sinn pointiert herausgearbeitete Interessenstandpunkt des Chefs der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker als Ministerpräsident von Luxemburg und damit eines jener Länder, die (wie Irland, Großbritannien, die Schweiz und in anderer Form auch die USA) einen Großteil ihres Sozialprodukts aus dem parasitären Finanzsystem generieren. SO würde Sinn das natürlich nicht sagen und nicht einmal denken, deshalb hier die einschlägige Passage aus dem WiWo-Artikel:
"Hans-Werner Sinn hält den luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker für die falsche Besetzung an der Spitze der Euro-Gruppe. „Die luxemburgischen Banken haben eine Bilanzsumme in Höhe des 18-fachen des Luxemburger Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland haben wir nur das Zweieinhalbfache. Der Vertreter eines solchen Landes kann nicht für Europa sprechen und den Steuerzahlern sagen, sie müssten bitte einen Bail-out des Bankensystems vornehmen“, kritisiert Sinn im Gespräch mit der WirtschaftsWoche.Juncker, sagt Sinn, „ist viel zu sehr Partei. Luxemburg ist mit Finanzinstitutionen überfüllt, ein Schiff, das bis zum Himmel mit Containern voll beladen wurde und bei der kleinsten Turbulenz umkippen kann“."
*Erg. 9.6.11: Das  Interview ist heute, am 9.6.11, online u. d. T. "Griechenland ifo-Chef Sinn: Immer mehr Geld hilft nicht". Der Mann ist knallharter Realist! Und vor allen Dingen kann er kurz und prägnant darlegen, aus welchen Gründen weitere Transferzahlungen an Griechenland schädlich sind.


Nachträge 08.06.11
In den Medien wie in meinem eigenen Denken über Griechenland unterbelichtet sind die dortigen Probleme mit illegaler Einwanderung. Grundsätzlich wusste ich zwar, dass es (ich glaube:) 1 Mio. Gastarbeiter in Griechenland gibt (oder vor der Krise gab) (und von denen man wohl sagen kann, dass deren Arbeit für die Griechen von den Gläubigern finanziert wurden). Dazu kommen aber noch sehr viele Illegale. Der griechische Schlendrian hat wohl auch diese Form der Einwanderung ermöglicht bzw. erleichtert. Auf einer rechten Webseite wurde am 16.05.2011 die Problematik unter dem Titel "Der Bürgerkrieg von Athen etwas ausführlicher thematisiert.

Einen längeren Bericht über die Lage in Griechenland bietet auch die Webseite "Capital": "Euro-Krise. Drachme oder Tod?" von Andrzej Rybak (06.06.11).


Nachtrag 09.06.2011
Unter der Überschrift "Griechenland spart sich kaputt" hat der FOCUS-Online-Autor Simon Che Berberich am 17.05.2011eine beeindruckende Liste der griechischen Spar- und Sanierungsmaßnahmen zusammengestellt. Auf der Webseite der Rechtsanwälte Kosmidis & Partner ("Partner deutscher und österreichischer Unternehmen in Griechenland") findet sich eine gleichfalls Ehrfurcht einflößende Übersicht der "Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung in Griechenland".
Die Anwälte geben einfach eine Auflistung der Maßnahmen, allerdings "Stand Mai 2010". Unklar ist, ob diese zum damaligen Zeitpunkt überhaupt schon geltendes Recht waren, oder erst Gesetzesvorschläge usw. der Regierung. Aber gut: die Liste auf der Anwalts-Webseite hat ja nicht die Funktion, allgemein interessierten Bürgern zu erklären, warum Griechenland immer tiefer im Schuldensumpf versinkt.
Als Journalist (oder, da das im Grunde ein Einzelner gar nicht leisten kann, eine Zeitung usw.) wäre indes verpflichtet, Informationen nicht einfach prima facie irgendwoher zu nehmen und unkritisch zu bejubeln. Focus-Autor Simon Che Berberich ist aber leider nicht der einzige, der die Sparmaßnahmen der armen, armen Griechen mitleidsvoll bejammert, ohne die nahe liegende Frage zu stellen, weshalb die offenbar nicht greifen?
Wäre das alles wirklich konsequent umgesetzt worden, stände Griechenland mit Sicherheit besser dar - trotz Rezession. Und das Team der Troika hätte sich nicht derart lange geziert (und mutmaßlich erst unter dem Druck der Politik den Griechen Sanierungsfähigkeit bescheinigt), wenn das alles umgesetzt worden wäre. Denkbar ist auch, dass der Staat zwar auf bestimmten Gebieten gespart, jedoch an anderen Stellen - gewissermaßen als Ausgleich - mehr Geld rausgehauen hat. Man findet eine Menge Berichte über Einschnitte, Demonstrationen und Geschäftsschließungen. Ebenfalls findet man Informationen über die Höhe der Ausgaben und die Höhe (den Rückgang) der Einnahmen. (Auch dieser Einnahmerückgang kann, trotz Rezession, nur so gedeutet werden, dass die Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung entweder gar nicht erst beschlossen, oder aber nicht umgesetzt wurden.)
Jedenfalls habe ich noch nirgends handfeste Daten darüber gefunden, in welchen Bereichen der griechische Staat seine Ausgaben zurückgeführt hat, wo das planwidrig nicht gelungen ist und wo ggf. Ausgaben überplanmäßig gesteigert wurden. Die Troika hat das mit Sicherheit überprüft; schön wäre es, wenn deren Bericht - am besten nicht nur die Endfassung, sondern die ungeschminkten Rohfassungen - mal "gewikileakt" würde.
Wie auch immer: Ich habe den starken Verdacht, dass die Rezession in Griechenland nicht so sehr auf die staatlichen Einsparungen zurückzuführen ist, sondern auf Kapitalflucht der Geldbesitzer, und darüber hinaus vielleicht auch ein "Angstsparen" der breiten Bevölkerung.
Gegen beides kann und darf man freilich keine deutschen Steuergelder verschleudern, sonst "entspart" man das eigene Volk, um die Sparguthaben eines anderen Volkes zu schonen.
Genau das ist es aber, was unsere eigene Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble momentan mit uns machen!

Die deutschsprachige Wikipedia enthält einen eigenständigen Eintrag "Griechische Finanzkrise". Es ist nicht als Vorwurf gegen die emsige Wikipedia-Gemeinschaft gemeint, wenn mir auch da bei den aufgezählten Spar- und Reformmaßnahmen eine klare Unterscheidung fehlt zwischen dem, was die Regierung beschlossen hat, dem, was davon Gesetz geworden ist und schließlich ob das im Verwaltungsvollzug tatsächlich umgesetzt (oder, wie in einigen Zeitungsberichten - allerdings eher abstrakt - geschildert wird, wo die Verwaltung die Umsetzung schlichtweg boykottiert). Wikipedia-Autoren müssen sich, wie auch ich als Blogger, auf das verlassen, was sie in der Zeitung zu lesen bekommen. Von Journalisten dagegen muss ich erwarten, dass sie nahe liegenden Fragen nachgehen. Aber investigativer Journalismus ist nur begrenzt bei deutschen Medienmachern zu finden. Leider fehlt mir die Zeit um im Internet nachzuforschen, ob die angelsächsischen Medien in Sachen Griechenland-Misere tiefer schürfen.


Nachträge 12.06.2011
Über das 'Rundschreiben' von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble an die EZB, die EU-Kommission und die Finanzminister der anderen Euroländer urteilt Werner Mussler auf FAZ.net vom 08.06.11 zutreffend: "Nebelkerzen":
"... spricht wenig dafür, dass es am Ende so kommen wird wie vom Minister gefordert. Der erkennbare Hintergrund des bewusst öffentlich gemachten Briefs ist der zunehmende Widerstand gegen weitere Griechenland-Hilfen in Deutschland. ..... Schäuble erweckt den Eindruck, dass er das jetzt durchsetzen werde. Doch dieser Eindruck trügt: Über Symbolik wird die Beteiligung Privater kaum hinausgehen."

Michael Martens blickt ebenfalls bei FAZ.net am 11.06.11 zurück auf die Verschlechterung der griechischen Ökonomie (und berichtet auch von frühzeitigen Warnungen aus dem Land selbst): "Griechische Tragödie".


Nachträge 13.06.2011
Die "Junge Freiheit" nennt in dem Artikel "FDP-Abgeordneter Schäffler kritisiert neue Griechenland-Hilfe" vom 10.06.2011 die Namen derjenigen Abgeordneten aus der Regierungskoalition, die gegen den Griechenland-Bailout eingetreten sind (wobei sich das aber wohl nur auf die Vorab-Abstimmungen innerhalb der Koalitionsfraktionen beziehen kann, denn zumindest bei der FDP ist ja in der Bundestags-Abstimmung über die Resolution für die gewünschten Bedingungen der Griechenlandhilfe lediglich Frank Schäffler konsequent geblieben) (meine Hervorhebungen):
"Statt weiterer Rettungsmaßnahmen schlug Schäffler vor, sich mit der „pathologischen Überschuldung von Staaten und Banken“ zu beschäftigen. Das staatliche Geldsystem habe zu einer Überschuldungskrise geführt und werde in einem „planwirtschaftlichen Europa“ münden. Der Erklärung Schäfflers schlossen sich die FDP-Abgeordneten Sylvia Canel und Jens Ackermann an. Aus der CDU/CSU-Fraktion protestierten Klaus-Peter Willsch, Manfred Kolbe, Veronika Bellmann, Alexander Funk, Peter Gauweiler und Christian Hirte gegen die Rettungsmaßnahmen der Regierung. Sie forderten einen echten Schuldenschnitt, der die griechischen Staatsschulden halbiere. Bisher sei es noch keinem Land der Welt gelungen, einen Schuldenberg wie den griechischen abzutragen."

Der FREITAG schickt mit Michael R. Krätke einen Ökonomen an die Schuldenfront: "Am Abgrund. Rette uns, wer kann!" titelt er seinen Beitrag vom 13.06.11. Krätke ist lt. Wikiepdia-Eintrag Professor für politische Ökonomie (was immer man darunter zu verstehen hat) an der Universität Lancaster und Mitherausgeber von "spw – Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft". Wie ich schon mehrfach bemerkt habe, sind die Sozialisten treue Verbündete der Kapitalinteressen; daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Krätke sich nicht gegen Griechenland-Hilfen ausspricht. Was er genau will, verrät der den Freitags-Lesern lieber nicht; anscheinend einen Marschallplan für Griechenland, also: noch mehr deutsche (und andere - aber die andere interessieren mich hier weniger) Steuergelder in der Ägäis versenken!
Erstaunlich ist freilich seine Begründung für die Gefahren, die seiner Meinung nach aus einem Zusammenbruch Griechenlands drohen. Bei einem Professor sollte man eigentlich ein gewisses Grundverständnis von Logik erwarten; von Logik aber ist diese Passage absolut frei:
"Da ein griechischer Zahlungsausfall sowohl die Zukunft der Eurozone als auch die Gesundheit der Weltwirtschaft bedroht, hätte das ernstere Konsequenzen als der Lehman-Crash."
Logischer Gehalt: "Weil die Konsequenzen schlimmer wären als der Zusammenbruch der Lehmann-Bank, wären sie schlimmer als der Lehmann-Zusammenbruch."
(Auch an anderer Stelle liefert Krätke keine Begründung; aber da er im angelsächsischen Raum tätig ist darf man wohl annehmen, dass die Gehirnwäsche durch die dortigen Medien, die zweifellos großenteils den Finanzinteressen verpflichtet sind, ihre Wirkung auch bei diesem deutschen sozialistischen Volkswirt nicht verfehlt haben.)

Massiv (und weitgehend geschlossen) protestiert die Mannschaft der FAZ gegen die europäische Transferunion. So etwa Rainer Hank am 13.06.11 in seinem Kommentar "Das Drama der Solidarität":
"Das Griechenretten nützt nichts. Es schadet nur. Der Rechtsstaat erodiert. Aus aufrechten Europäern wird eine Bande von Bestechern und Erpressern."


Nachträge 14.06.2011
In einem geradezu wundervoll komponierten Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung unter der Überschrift "Notenbank zur Schuldenkrise in Griechenland. Keine weiteren Risiken!" erläutert heute der neue Bundesbank-Präsident Jens Weidemann die Position der BuBa. Mit "Risiken" sind hier allerdings nicht die Risiken für den Steuerzahler gemeint. Vielmehr wehrt sich Weidemann (verständlicher Weise) dagegen, der Europäischen Zentralbank, also der Geldpolitik, weitere Hilfen (über die schon geleisteten hinaus) für Griechenland abzuverlangen. Seine Argumente sind nachvollziehbar, und aus der Frage, ob man Griechenland weiterhin helfen oder das Land pleite gehen lassen sollte, hält er sich letztlich weise heraus.
Natürlich muss er bezüglich der Sanierungsfähigkeit Griechenlands in Optimismus machen:
"Über den Erfolg des Anpassungsprogramms wird letztlich in Griechenland entschieden werden. Ich halte eine erfolgreiche Konsolidierung und Reform im Rahmen eines Hilfsprogramms weiter für möglich und erkenne die Anstrengungen der Regierung ausdrücklich an. Auch bin ich mir sehr bewusst, welch große Lasten dies den griechischen Bürgerinnen und Bürgern aufbürdet. Auch ist ein langer Atem erforderlich, um die tiefsitzenden Ursachen der Probleme, darunter nicht zuletzt der Mangel an wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit, zu beseitigen." Aber wenigstens verschweigt er nicht (meine Hervorhebung):
"Ein Jahr nach Programmbeginn steht fest, dass Griechenland zwar erhebliche Anstrengungen unternommen hat, gleichwohl aber hinter dem vereinbarten Programm zurückgeblieben ist, und dass beträchtlich nachgesteuert werden muss."
Besonders wichtig sind aber eine andere Passagen seines Aufsatzes (meine Hervorhebungen):
"Die aktuelle Krise ist keine Krise des Euro. ..... Solidarität ist keine Einbahnstraße, sondern beruht auf Gegenseitigkeit. Würde sich ein Land entscheiden, die mit den Hilfen verbundenen Verpflichtungen nicht zu erfüllen, so entfiele die Basis für Hilfen. Das Land müsste dann eine deutlich abruptere Anpassung bewältigen. Das Prinzip der nationalen Eigenverantwortung legt eine derart gravierende Entscheidung letztlich in die Hände der dort politisch Verantwortlichen. Doch würden auch die anderen Mitgliedsstaaten erhebliche Unsicherheit, Risiken und zusätzlichen Stabilisierungskosten zu tragen haben. Der Euro würde aber auch diese, keinesfalls wünschenswerte Belastungsprobe überstehen."
Zwar haben auch schon EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und ebenso Angela Merkel eine Krise des Euro bestritten. Dennoch wird uns die Rettung der Schuldensünder in den Medien immer wieder als "Euro-Rettung" verkauft. Hier haben wir erneut ein Zitat einer geldpolitischen Autorität, das wir zukünftig gegen die Desinformationspolitik ins Feld führen können!

"Griechenland" ist aber nicht nur in der Ägäis: Griechenländer gibt es auch bei uns zu viele. In meinem Parallel-Blog "Der Schwanbürger" habe ich ein "Griechenland im Landkreis Ostallgäu" identifiziert (klientelistisches Durchschleppen hochdefizitärer Krankenhäuser). Und Heike Göbel kritisiert heute in der FAZ wieder einmal die demotivierenden Wirkungen des bundesdeutschen Länderfinanzausgleichs u. d. T. "Strapazierte Solidarität". Dabei vergisst sie auch nicht, die Nutzanwendung auf europäischer Ebene zu ziehen:
"Die deutsche Finanzverfassung mit ihrer faktischen Bail-out-Garantie sollte daher allen eine Warnung sein, im Euroraum einen ähnlichen Transfermechanismus einzurichten: Einmal eingeführt, haben die Zahler kaum eine Chance, einer wachsenden Inanspruchnahme zu entgehen. Dass sich die Spannungen, die dieses System zwangsläufig erzeugt, in Deutschland in Grenzen halten, liegt daran, dass sich die Bürger - verbunden auch über gemeinsame Sprache - als Nation verstehen und daher bereit sind, Verzicht für den Mitbürger zu üben. Diese Bereitschaft sollte man weder für die EU noch für den Euroraum voraussetzen."


Nachtrag 17.06.2011
Unter der Überschrift "Papandreous wachsende Einsamkeit" berichtet Michael Martens in der FAZ am 16.06.11 insbesondere über die politische Strategie des  Oppositionsführers Andonis (Antonis) Samaras (Bild) von der konservativen Volkspartei Nea Dimokratia (ND):
"Während es den Regierungen in anderen Euro-Staaten zum Teil nur mit viel Mühe gelang, dass 110-Milliarden Euro-Hilfspaket an Griechenland durch ihre Parlamente zu peitschen, ließ Samaras seine Partei in Athen gegen die Sparmaßnahmen votieren, zu denen Griechenland sich als Gegenleistung für die ausländische Hilfe verpflichten musste. Nur die frühere Außenministerin Dora Bakogiannis - seine unterlegene Konkurrentin im Kampf um den Parteivorsitz - stimmte für die Reformen, woraufhin Samaras sie aus der Partei ausschließen ließ. Seither betreibt er eine Obstruktionspolitik, als treffe seine Partei nicht die geringste Schuld an der griechischen Misere - obwohl es die Nea Dimokratia war, die als allein regierende Partei zwischen 2004 und 2009 Griechenlands Weg an den Abgrund noch einmal beschleunigt hatte. „Statt sich ihrer Mitverantwortung an der Verschuldungskrise als ehemalige Regierungspartei zu stellen, fährt die ND mit Samaras bisher einen Kurs der klaren politischen Abgrenzung, der allerdings eher einer Realitätsverweigerung gleichkommt“, urteilt der Griechenlandfachmann Jens Bastian."Objektiv hat Bastian zweifellos recht mit dem Vorwurf der Realitätsverweigerung; allerdings zahlt sich für Samaras sein perfides parteipolitisches Taktieren offenbar aus, denn wir erfahren auch, dass seine Partei "laut Umfragen seit kurzem auch wieder die erste parteipolitische Kraft im Lande" ist.
Der Vorwurf der Realitätsverweigerung trifft also in Mehrheit der Griechen - oder auch wieder nicht. Denn es würde mich gar nicht überraschen, wenn die Griechen mit Forderungen nach "Nachverhandlung" der Sparanforderungen durchkämen. Wie anders soll ich es deuten wenn ich erfahre, dass jetzt sogar der deutsche "Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter in einem Gespräch mit der in Bielefeld erscheinenden Neuen Westfälischen an die europäischen Regierungen [appelliert], Rücksicht auf 'die emotionale Befindlichkeit der griechischen Bevölkerung zu nehmen'?" Zumindest in Griechenland wird man seine Worte so verstehen.
Im Übrigen ist es allerdings relativ gleichgültig, welche Auflagen man den Griechen macht: einhalten wird dieses Volk davon sowieso wenig. Das weitere Verschenken zukünftiger [momentan leihen wir uns ja selbst jene Gelder, die wir in Griechenland verplempern!] deutscher Steuergelder in gigantischen Dimensionen ist also vorprogrammiert.
Erg. 17.06.11: s. dazu auch Werner Mussler auf FAZ.net v. 17.06.11 unter "Währungskrisen-Kommentar. Europäischer Offenbarungseid":
"Ein Offenbarungseid ist Rehns [EU-Währungskommissar Olli Rehn] Appell an die griechischen Parteien, sich gemeinsam zu den Reformen zu bekennen, die mit einem neuen Programm verknüpft sind. Warum sollten sie das tun, wenn die Auszahlung weiterer Kredite schon zugesagt ist? "

Die (mangelhaften) Aktivitäten der anderen Seite, nämlich des griechischen Premierministers
Giorgos Papandreou beleuchtet Florian Hassel heute in der WELT u. d. T. "Athen vor dem Kollaps":
"Papandreou zögerte immer wieder, nach innen wie nach außen. Bis heute scheut der Regierungschef die überfällige Konfrontation mit Griechenlands zäh ihre Pfründen verteidigenden, seit Jahrzehnten mit Pasok eng verbundenen Gewerkschaften GSEE und Adedy. Und der Regierungschef verschob die Entmachtung reformunwilliger Pasok-Mitglieder. Gegner von Reformen ..... blieben im Kabinett. Immer wieder verschob Papandreou eine schon seit dem Sommer 2010 geforderte Regierungsumbildung. Auch Reformschritte wie eine seit Januar 2010 immer wieder angekündigte Privatisierung des reichlich vorhandenen Staatsbesitzes blieben aus. Vergeblich forderten in den vergangenen Wochen selbst amtierende Minister Papandreou öffentlich auf, Reformgegner endlich aus der Regierung zu werfen und generell mehr Führungskraft zu zeigen."
Auch Papandreou wendet sich also nicht entschieden genug von jenem Populismus ab,  der den griechischen Sozialisten (Pasok) im Herbst 2009 zum Wahlsieg in Griechenland verhalf: "Freilich hatte sich Papandreou seinen Wahlsieg unter anderem mit dem Versprechen gesichert, es sei genug Geld für neue Wohltaten da ..... "

Eine Umschuldung Griechenlands fordert auch Dorothea Siems in der WELT vom 16.06.11. Unter "Europas Steuerzahler finanzieren absurdes Theater" äußert sie auch eine Mutmaßung über den politischen Sinn der Verzögerungstaktik unserer Regierung bei der Entscheidung über ein weiteres Hilfspaket:
"Hieß es bislang in Berlin und Brüssel, ohne ein weiteres 100-Milliarden-Hilfspaket drohe Hellas im Juli der Staatsbankrott, wiegelt man jetzt wieder ab. Eine Rettungsaktion sei erst im September nötig. Bis dahin ließe sich Griechenland noch mit den bereits bewilligten Krediten über Wasser halten. Die Wandlung ist wohl vor allem der Hoffnung der Bundesregierung geschuldet, dass hierzulande das öffentliche Interesse an der Eskalation in Griechenland schon bald wieder nachlässt und weitere Rettungsaktionen dann beim Bürger weniger Unmut erzeugen."

Auch Michael Thumann kritisiert in der ZEIT vom 16.06.11 unter "Euro-Krise Griechenlands Politiker sind ein Problem" :
"Oppositionsführer Samaras verhält sich in der Krise verantwortungslos. Er steht für die populistisch-charakterschwache Politklasse des Landes."
Nur ist die Politklasse nichts, was völlig losgelöst wäre vom Nationalcharakter.
Erg. 26.6.11: Am 21.06.11 legte Thumann noch einmal nach: "Streiten bis zum Untergang": "Griechenland retten? Ohne uns! Wie die Athener Politiker sich weigern, ihrem Land zu helfen."


Täusche ich mich oder mehren sich jetzt auch in der ZEIT die Stimmen gegen weitere Griechenland-Hilfen?
 Mark Schieritz zwar bleibt unbelehrbar und verkündet beharrlich das Märchen von der  Griechenland-Krise als einer Krise des Euro: "Euro-Krise. Die List des Geldes": 
"Griechenland I: Wir müssen den Euro retten, um das Projekt Europa zu retten."
Der Volkswirtschaftler Heribert Dieter dagegen ist Realist wenn er unter "Währung. Auszeit vom Euro" schreibt (16.06.11):  
"Die Rückkehr Griechenlands zur Drachme ist ein Horrorszenario, aber die Alternativen sind noch schlimmer."
Erg. 26.6.11: Nein, ich habe mich nicht getäuscht. Josef Joffe, Herausgeber der ZEIT, schreibt über "Hartz IV für Hellas": "Die Pleite kommt sowieso. Ein Schuldenschnitt gleich wäre besser". Joffe war allerdings von Anfang an kritisch. Bereits am 30.04.10 sah er unter "Euros in die Ägäis" richtig voraus (meine Hervorhebung): "Der Staatsbankrott muss ..... nicht in den Orkus führen. Aber bis dahin werden noch einige Euros in der Ägäis versinken."


Einen sehr ausführlichen Bericht zur aktuellen Situation bringt heute das Handelsblatt: "Schuldenkrise: Eurogruppen-Chef fordert Turbo-Rettung für Griechenland".


Nachtrag 19.06.11
Zu dem in meinem Begriff "Schnuller-Griechen" implizierten politischen Infantilismus vgl. auch den Artikel "Pleite? Macht doch nichts!" von Jens Bastian in der Welt Am Sonntag vom 10.01.2010 (meine Hervorhebung):
"Griechenlands Finanzen sind völlig marode - doch die Griechen hat das lange überhaupt nicht gestört. Regeln gelten in dieser instabilen Gesellschaft nicht viel. Analyse eines infantilen Gemeinwesens."
(Den Bastian-Bericht hatte ich, neben vielen anderen, bereits in meinem Blott "Griechenland: Bailout, Bürokratismus, Klientelismus, Korruption, Pleite, Staatshaushalt, Staatspleite, Überschuldung. Saustall- und Hirnilinks" vom 17.10.2010 verlinkt; mein erster Blott "Lässt Klingklax sich klaglos beklauen? Keine Euro-Anleihen zur Rettung der Mittelmeer-Länder! Keine deutschen Steuergelder gen Süden senden!" gegen Griechenland-Bailouts datiert vom 20.02.2009.)


Nachtrag 23.06.2011
Doch, es gibt auch ehrliche Griechen. Der griechische "investigative Journalist" Tasos Telloglu schrieb in der ZEIT am 17.06.2011 (meine Hervorhebungen):
"Kann Griechenland noch gerettet werden? Unter Aufsicht der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds (IWF) soll die griechische Regierung das Land komplett neu erfinden: Sie soll einen anderen Staat aufbauen, ..... Schlanker, effektiver, moderner soll dieser Staat werden. Das ist gut gedacht. Doch haben die Europäer einen entscheidenden Umstand übersehen: In Athen wirken heute noch genau dieselben Politiker und Beamten, die das Land an den Rand des Abgrunds gebracht haben. Diese Funktionäre weigern sich, ..... ein System einzureißen, das griechische Beamte über Jahrzehnte, ja seit dem 19. Jahrhundert aufgebaut – und von dem sie stets profitiert haben. ..... Das derzeitige politische Personal und die real existierende griechische Verwaltung werden dieses Programm nicht umsetzen. Sie glauben schlicht und einfach nicht daran. Sie werden höchstens so tun, als wollten sie die Vorgaben erfüllen. Genau das haben sie auch in den vergangenen zwölf Monaten seit dem Rettungspaket für Griechenland getan. ..... Die Kritiker des Sparprogramms behaupten, das verordnete Sparen habe die griechische Rezession nur weiter verschärft. Sie sagen, das Sparen brauche viel mehr Zeit, damit die Früchte der Anstrengungen in der Wirtschaft und für die Bürger sichtbar würden. Diese These stimmt jedoch allenfalls zum Teil. Denn sie lässt die Strukturprobleme des Landes völlig außer Acht. Griechenland ist stark von Klientelismus und Vetternwirtschaft geprägt. ..... Alle wissen: Damit Griechenland mittel- und langfristig Überschüsse erwirtschaftet, um die Schulden abzubauen, müssen das Geschäftsmodell der Wirtschaft und die Funktionsweise des Staates radikal umgebaut werden. ..... Die Politiker in Athen dürfen keine Möglichkeit mehr haben, sich ihrer persönlichen Verantwortung zu entziehen. Sie müssen für die Erfüllung eines verabredeten Programms geradestehen. Bei Nichterfüllung muss die nächste Kreditrate ausfallen. Und die Verantwortung dafür darf sich nicht nur auf die derzeitige Regierungspartei beschränken. Auch die Opposition muss für den Rettungspakt einstehen, damit sie nicht in unverantwortlicher Weise dagegen Stimmung machen kann. ..... Das Land, seine politischen Parteien und seine Verwaltung werden diese Krise aus eigenen Kräften ... nicht meistern können".
In seiner Analyse ist Tasos Telloglu also schonungslos ehrlich. Verständlicher Weise hofft er als Grieche dennoch auf eine Rettung der griechischen Wirtschaft; deshalb lautet der Titel seines Beitrages auch "Bitte lasst uns nicht im Stich!". Dennoch macht sich etwas vor wenn er glaubt, dass eine Art von 'Fremdherrschaft' (EU-Beamte in leitenden Positionen der griechischen Ministerien!) das Land retten kann. Kranken, die ihre Medizin nicht schlucken wollen, ist nicht zu helfen. Dieses Land ist nicht zu retten, bzw. allenfalls durch eine dramatische Rosskur - indem man die Krankheit zum Ausbruch kommen lässt und den Patienten dann vor die Wahl stellt: "Schluck oder stirb!". Nicht besonders nett, aber die Alternative ist eine "Rettung" zu unseren Lasten also! Das heißt: "gerettet" wird 'Griechenland dadurch auch nicht; es wird sich einfach in die europäische Hängematte legen und dauerhaft durchfüttern lassen.
So wird es leider wohl kommen: die Griechen sitzen wie Jungvögel im Nest und schreien, und Deutschlands Steuerzahler fliegen Futter ein.
Es ist zum Kotzen. Wann jagen wir unsere gesamten Konsensokraten endlich zum Teufel?


Nachtrag 24.06.11
Wow: es gibt ja noch einen Griechen, der seinen Landsleuten noch ungeschminkter die Meinung sagt. Michael Martens, Athener Korrespondent der FAZ, berichtet in seinem Artikel "Griechenlands Regierungsgegner. Denn sie wissen, was sie tun" vom 21.06.11 über einen Takis Michas, den er als einen der bekanntesten Publizisten Griechenlands bezeichnet
"Schon vor einem Jahr, ..... hatte der ..... Kolumnist des 'Wall Street Journal' und mehrerer griechischer Medien nämlich prophezeit, dass es so kommen werde [d. h. dass große Teile des griechischen Volkes den Geldgebern keineswegs danken, sondern diese sogar noch für ihre Misere verantwortlich machen würden]. Die Geldgeber sollten darauf beharren, dass die Nothilfen nur dann ausgezahlt werden, wenn auch die größte Oppositionspartei sowie die wichtigsten Gewerkschaften die Reformen in Griechenland ausdrücklich unterstützen, warnte er damals. Aber es kam anders. Weder die Nea Dimokratia, die größte Oppositionskraft im Parlament, noch die Gewerkschaften wurden in die Pflicht genommen. ..... „Die Griechen haben ein hohes Anspruchsdenken. Sie sind der Ansicht, bestimmte Dinge stünden ihnen zu, ganz losgelöst von der Frage der Produktivität ihrer Wirtschaft. Also versuchen sie jetzt, noch mehr herauszuholen.“ Oppositionsparteien und Gewerkschaften haben derzeit laut Michas keinerlei Anreiz, dem zweiten Rettungspaket von EU und IWF zuzustimmen, im Gegenteil. Sie versuchen, sich die wachsende Unzufriedenheit griechischer Bürger zunutze zu machen, indem sie hervorkehren, sie seien schließlich schon immer gegen die Reformen gewesen. „In oppositionellen Kreisen ist man der Ansicht, die Bedingungen für Griechenland könnten günstiger ausfallen, wenn man nur genügend gegen die Sparmaßnahmen protestiert. Diese Leute haben genau registriert, dass die ausländischen Geldgeber sich vor der Kettenreaktion fürchten, die eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands angeblich auslösen kann. Deshalb sind sie sich sicher, dass man das griechische Defizit immer weiter finanzieren wird, auch ohne Reformen in Athen.“ ..... „Sie [die konservative Partei und die Gewerkschaften] wissen, dass ihre ablehnende Haltung keine negativen Folgen für sie hat, weil sie der Ansicht sind, dass Griechenlands Gläubiger ohnehin keine andere Wahl haben, als das Land weiter zu stützen“, kommentiert Michas ein solches Verhalten. Eine ähnliche Sichtweise kommt in einem Artikel der regierungsnahen Athener Zeitung „To Vima“ zum Ausdruck: Wenn die EU sich durchgerungen habe, Athen abermals durch Notzahlungen zu unterstützen, so liege das auch an den Protesten, kommentiert das Blatt. Michas sieht eine Mitschuld für die Entwicklung bei der EU. „Wenn alle sagen, dass Griechenland um jeden Preis gestützt werden müsse, kann man Oppositionskräften wie der griechischen Kommunistischen Partei oder den Gewerkschaften nicht vorwerfen, dass sie sich so verhalten. Indem sie sich dem Sparprogramm verweigern, handeln sie zwar zutiefst unmoralisch, aber zugleich vollkommen rational. Sie wissen nämlich, dass sie damit durchkommen". "
Mir und zahlreichen anderen deutschen Bloggern und Bürgern war das von Anfang an klar; indes kann es nicht schaden, wenn wir uns diese Ansichten von einem Griechen bestätigen lassen.


Nachtrag 25.06.11
Darüber, wie die europäischen Regierungsschefs den griechischen Oppositionsführer Antonis Samaras in Brüssel ins Gebet genommen haben, berichtete Nikolas Busse am 24.06.11 in dem FAZ-Artikel "Mehr als eine außergewöhnliche Debatte". Samaras blieb jedoch unbeugsam. Dazu schreibt (bei einem anderen FAZ-Bericht) der Leser-Kommentator Hans-Jörg Rechtsteiner treffend und trefflich:
"Nichts Besseres könnte uns passieren als die Weigerung des griechischen Parlaments, die Konsolidierungsauflagen von EU und IWF zu erfüllen. Das würde es nämlich den Geberländern beträchtlich erschweren, ihre desaströse Bailout-Strategie aufrechtzuerhalten."


Nachtrag 27.06.2011
Der (auch von einigen Meinungsmachern in Deutschland) verbreiteten Mär von der Unschuld des griechischen Volkes an der dortigen Staatsverschuldung tritt Vizeregierungschef Pangalos entgegen:
"Für die hohen Staatsschulden sind nach Ansicht des Vizepremiers nicht allein die Regierungen des Landes, sondern auch die Griechen insgesamt verantwortlich: „Der größte Teil des Defizits geht auf die Ausgaben für Beamtengehälter und Renten zurück“, sagte Pangalos. 'Das politische System in Griechenland funktionierte jahrelang so, dass man Leute im Tausch gegen Wählerstimmen zu Staatsbediensteten machte. Die Wähler haben ihre Stimmen verkauft und sind daher mitverantwortlich'.“ ("Abstimmungen in Griechenland. Athen hält den Atem an", FAZ v. 26.06.11). Sehr realistisch ist auch seine Schilderung eines Szenarios ohne weitere europäische Geldzuwendungen:
Wenn wir bis zum 12. Juli das Geld (aus der nächsten Tranche des Hilfspakets) nicht bekommen, werden wir dasselbe grauenhafte Szenario bekommen, das wir bei einem Verlassen der Euro-Zone und einer Rückkehr zur Drachme erleben müssten“ ..... . „Die Banken wären umringt von Menschen, die ihr Geld abheben wollen. Die Armee müsste die Geldinstitute mit Panzern schützen, weil die Polizeikräfte nicht mehr ausreichen würden. Im ganzen Land gäbe es Aufstände.“ So würde es in der Tat kommen; aber auch das rechtfertigt es für mich nicht, den Griechen unsere Steuergelder ins Milliardengrab zu werfen.



Nachträge 30.06.2011
Die Griechen haben uns hängen lassen - sozusagen. Indem das Parlament das Sparpaket angenommen hat, hat es unseren Regierungen den Vorwand geliefert, die Sanierungsfähigkeit des Landes zu behaupten, und weitere "Kredite" zu zahlen. (Mit ziemlicher Sicherheit hätten die Europäer aber sogar auch dann gezahlt, wenn das Athener Parlament das Sparpaket abgelehnt hätte; jedenfalls hatte man sich in Brüssel - auf der Fachebene - offenbar auch darauf schon vorbereitet.) Am heutigen Donnerstag müssen die Griechen noch einige Ausführungsgesetze verabschieden, aber auch da wird mit einem Abstimmungssieg der Regierung gerechnet.
In Deutschland gibt es immer noch genug Dumme, die daran glauben, dass wir momentan nur vorübergehende Zahlungen leisten, und nur Kredite. Tatsächlich hat der Einstieg in die Transferunion begonnen, doch wollen insbesondere in den linksliberalen Blätter die Meinungsmacher den Bürgern immer noch Sand in die Augen streuen. Und manchmal sogar sich selbst. So beispielsweise Christiane Schlötzer, wenn sie in der Süddeutschen Zeitung vom 29.06.2011 von den Griechen fordert: "Und jetzt bitte eine Revolution". Gemeint ist nicht ein Aufstand gegen das Sparpaket, sondern eine Umwälzung der gesellschaftlichen Realitäten im Lande. Dass die nicht kommen wird, weiß sie in lichten Momenten sogar selbst:
"Tatsächlich bräuchte das Land eine Radikalkur, aber die wäre so schmerzhaft, dass sie in absehbarer Zeit wohl nicht gelingen kann."
Trotzdem will sie Griechenland nicht aus der EU verstoßen (was im Kontext des Artikels lediglich ein Euphemismus für 'weitere Zahlungen an Griechenland leisten' heißen kann). Ihr Heilungsrezept im Schlussatz  ist freilich jämmerlich:
"Wenn die EU den empörten Griechen wirklich helfen will, dann sollte sie den Politikern in Athen künftig - rechtzeitig und öffentlich - sagen: Geht nicht so mit eurem Land um."
Pure Palliativ-Medizin für Griechenland, aber ein Alibi-Schnuller für eventuelle am Helfersyndrom erkrankte Leser ihres Artikels (und natürlich für sie selbst.
Unter den Ökonomen ist der Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Homburg einer der wenigen, welche die Griechenland-Rettung konsequent ablehnen. Und das mit überzeugenden Begründungen, nachzulesen bei SpiegelOnline am 27.06.11 in dem Interview "Euro. Das System wird gesprengt".


Nachtrag 02.07.2011
Eine vorzügliche Zusammenfassung der Gründe für und gegen eine Unterstützung Griechenlands bietet der "Wirtschaftsphilosoph" in seinem Blog-Eintrag "Gründe für und gegen Insolvenzvermeidung" vom 23.06.11. Was mir bei den Kontra-Argumenten allerdings noch fehlt:
- das Moral Hazard Problem (ein möglicher negativer Anreiz für andere Staaten dadurch, dass wir für Griechenland die Hängematte aufgespannt haben) und
- das Risiko, dass die Rettungsaktion(en) noch weitaus teurer werden, als erwartet (wie wir es bei Griechenland ja schon erlebt haben: dem ersten Rettungspaket im Umfang von 110 Mrd. Euro folgt ein zweites in gleicher Höhe, und das wird nach meiner Einschätzung keineswegs das letzte bleiben!


Nachtrag 04.09.2011
Der griechische Pädagoge Wassilios Fthenakis bestreitet, dass seine Landsleute sich infantil verhalten: vgl. das WELT-Interview von Andrea Seibel (04.07.2011): "Griechen sehen Merkel als neue Margaret Thatcher":
"Welt Online: Herr Fthenakis, was sagen Sie als Kinderpsychologe, wenn Sie auf die griechische Gesellschaft und ihre Proteste blicken?
Wassilios Fthenakis: Das Bild, das Griechenland gegenwärtig nach außen vermittelt, ist stark beeinflusst von einer Gruppe von Anarchisten und den bislang starken Gewerkschaften, deren Einfluss schwindet. Es dominieren Wut, Enttäuschung und die Angst vor der Zukunft des Landes. Spricht man jedoch mit Griechen, gewinnt man den Eindruck, dass sie bereit sind, die von der Regierung auferlegten drakonischen Sparmaßnahmen hinzunehmen, wenn ihnen eine Perspektive gezeigt wird. Von Unreife kann also nicht die Rede sein. Ganz im Gegenteil!"
Aber das kennen wir ja auch aus unserem eigenen Land: dass die Leute vernünftig reden, sich aber an den Wahlurnen dann doch für die Rattenfänger entscheiden. Und für die Beurteilung einer Gesellschaft als (un)reif ist allein die tatsächliche politisch-gesellschaftliche Situation von Belang, nicht das Nachplappern "erwachsener" Redensarten.


Nachtrag 04.11.2011
Zu meinem Begriff "Schnuller-Griechen" vgl. jetzt auch den Blog-Eintrag (18.10.11) "Greece as a Striking Nation" des in Washington lebenden griechischen Bloggers Nikos Tsafos. Auszug:
"A strike is what you resort to when all arguments, bargains and negotiations have failed. Unless you are Greek, of course. In that case, you go on strike first; then you start talking. A strike is an appetizer in Greece, not even the main course, much less the dessert. So what does it say about Greece that people go on strike so often?
A society without restraint. The speed with which Greeks go on strike is as damning as the frequency with which they do so. If rights also entail responsibilities and if maturity is knowing when to not do something, then the Greek people have so abused this right that they can hardly claim it any more. Like the kid who cries wolf every time, a strike says nothing about the righteousness of the cause or the desperation of the victim. And so when the real wolf comes, no one listens. Taming impulses is supposed to be the hallmark of a civilized society and of a civilized person.
A society without institutions. Frequent strikes are a symptom of a weak political system – they show the lack of mechanisms through which to bargain and compromise
."






Ich habe mich entschlossen, meinen Blotts jeweils ein "ceterum (oder eher: 'zeterum'?) censeo"  anzuhängen:
 POPULISTISCHES MANIFEST:
Ein Gespenst geht um in Deutschland - das Gespenst einer europäischen Transferunion.
Im Herzland des alten Europa haben sich die Finanzinteressen mit sämtlichen Parteien des Bundestages zu einer unheiligen Hatz auf die Geldbörsen des Volkes verbündet: die Schwarzen wie die Roten, die Grünen, Blauen und die Blutroten (welch letztere unsere Steuergelder gerne auflagenlos, also in noch größerer Menge, gen Süden senden möchten).
Wo ist die Opposition im Volke, die nicht von unseren Regierenden wie von deren scheinoppositionellen Gegnern als Stammtischschwätzer verschrien worden wäre, wo die Oppositionspartei, welche sich der Verschleuderung der dem Volke abgepressten Steuern über die europäischen Verschwendungsbrüder an die unersättlichen Finanzmärkte widersetzt hätte?
Zweierlei geht aus dieser Tatsache hervor:
Das Volk wird von fast keinem einzigen Politiker als Macht anerkannt.
Es  ist hohe Zeit, dass wir, das Volk, unsere Anschauungsweise, den Zweck unserer Besteuerung und unsere Tendenzen gegen die fortgesetzte Ausplünderung durch das Finanzkapital und seine politischen Helfershelfer vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen von der Dummheit dieses unseres Volkes die Volksfaust selbst entgegenstellen.

Textstand vom 04.11.2011. Gesamtübersicht der Blog-Einträge (Blotts) auf meiner Webseite http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm.

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