Freitag, 20. Februar 2009

Lässt Klingklax sich klaglos beklauen? Keine Euro-Anleihen zur Rettung der Mittelmeer-Länder! Keine deutschen Steuergelder gen Süden senden!


Im Internet finde ich ihn nicht, den Klingklax, doch bin ich ganz sicher, ihm einst in einem Buch über das Italien zur Zeit des 2. Weltkrieges begegnet zu sein. In den Anfangsjahren, als man einen Sieg der Achsenmächte noch nicht ausschließen konnte, ging dort ein Spruch um, dessen Tenor lautete: "Lasst doch den Klingklax die (Drecks-)Arbeit machen". Der Ausdruck hat die onomatopoetische Anmutung von Stiefelschritten, und tatsächlich bezog er sich in diesem Zusammenhang auf die deutsche Wehrmacht.
Eigentlich aber war es die Markenbezeichnung für ein Abführmittel.

Ums Abführen geht es auch bei den Euroanleihen (d. h. hier nicht "in Euro denominierte Anleihen" sondern "Anleihen, die von den Ländern der Euro-Zone gemeinsam begeben werden").
Die abgewirtschaftete Londoner Finanzwelt wackelt mit der Feder, und gehorsam kotzen uns Deutschlands Publizisten das Wiedergekäute vor die Füße:
Der deutsche Steuerzahler soll zum Dukatenscheißer für die europäischen Südländer werden - Griechenland, Italien, Portugal; vielleicht braucht Spanien ja auch noch Geld: egal, ab damit, sendet unser Geld gen Süden!

Begründung ist, wie schon bei der Bankenrettungsgeldvernichtungsorgie, die unbedingte Notwendigkeit, die Verantwortlichkeit gegenüber Gott und der Welt und, ach ja, auch unseren eigenen Interessen.

Petra Pinzler und Mark Schieritz halten sich im Zeit-Online-Artikel "Euroland. Unglaublich! Wirklich?" noch einigermaßen zurück und berichten eher referierend (meine Hervorhebungen):
"David Marsh, Chef des Beratungsinstituts Oxford und London, prognostiziert daher: "Deutschland müsste in einem solchen Extremfall einspringen, um für das Versagen der anderen geradezustehen." Wohl auch, weil ein Staatsbankrott alle Euro-Länder und ihre Unternehmen hart treffen würde. Nach Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich haben allein die deutschen Banken in Spanien 240 Milliarden Euro verliehen. ...
Warum den Pleitiers nicht direkt helfen? Auf politischer Seite wagt solche Gedankenspiele nur der luxemburgische Premierminister und Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker. Es könne nicht sein, "dass man Ungarn oder Lettland stützt, aber kein Instrument für Länder in der EU hat", sagt er und hält das auch für eine Frage der »Solidarität«. ... Noch ist das nicht nötig. Und damit es nicht so weit kommt, mahnt Juncker "stärkere wirtschaftspolitische Koordination" an. Zudem rät er, sich der Frage der Eurobonds zu nähern. Solche gemeinsamen europäischen Anleihen sollen es kleinen und gefährdeten Ländern ermöglichen, billiger an Geld zu kommen, um damit ihre Wirtschaft anzukurbeln. Vom deutschen Finanzminister kam umgehend ein Veto. "Wie soll ich das den Leuten zu Hause erklären?", fragt Peer Steinbrück. Doch Nein hat Deutschland in Europa in den vergangenen Wochen schon ein paar Mal gesagt, um dann doch still und leise einzulenken."


20.02.2009 , 04:00 Uhr
Ruth Berschens dagegen geht im Handelsblatt vom 20.02.09 in die Vollen. Sie behauptet einen "Zwang zur Solidarität in der Eurozone" .
Da müssen erst mal die Fanfaren ran (meine Hervorhebungen):
"Die Europäische Währungsunion ist eine Schicksalsgemeinschaft."
Die Deutschen Geiz-Geier erweisen sich in einem solchen Schicksalsmoment als elende Schufte, unwillig zu erfüllen, was doch die Vorsehung mit ihnen beschlossen hat:
"Im finanzstarken Deutschland mögen ja manche davon träumen, das auf die Zahlungsunfähigkeit zusteuernde Griechenland einfach fallen lassen, zumal die Regierung in Athen hartnäckig schlecht wirtschaftet."
Dumm gelaufen, die Sache mit dem griechischen Staatshaushalt, aber den hängen wir doch einfach - 'Auferstanden aus Ruinen' - dem doofen Klingklax an den Hals, denn:
"Den Verlust des kleinen Landes an der Ägäis könnte die Währungsunion auch locker verkraften. Doch leider käme ein europäischer Staatsbankrott mit Sicherheit nicht allein. Die Euro-Kette hat noch mehr schwache Glieder. Die Investoren an den Finanzmärkten würden bald kritische Fragen stellen zur Solidität der Staatsfinanzen von Portugal. Auch Italien, das auf einem gigantischen Schuldenberg sitzt, käme ins Kreuzfeuer der Spekulanten."
"Auch für die Griechen selbst ist ein Austritt aus der Gemeinschaftswährung keine Option. ..... Die Euro-Zone muss Griechenland wohl oder übel durchschleppen ...".
Wieso durchschleppen, wenn die doch eh' nicht austreten können (nachdem sie sich ursprünglich mit Statistikfälschungen reingelogen haben)? Ach Mensch, sei doch nicht so kleinlich, du Pfennigfuchser. Alles eine Frage des politischen Schrottanleihenverkaufs. Dass wir unser Geld nicht gar so offenkundig da runterschicken können, dass auch der dümmste deutsche Wähler es mitkriegt, ist klar:
"Eine Milliardenüberweisung aus Berlin und Paris an die Athener Staatskasse kommt nicht infrage."
Nee, ist ja gar nicht wegen Wählerwohlwollen, sondern bloß wg. Paragraphen:
"Der Maastrichter Vertrag verbietet ausdrücklich solche Rettungsaktionen. Den Passus hatte der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel durchgesetzt. Er wollte ausschließen, dass deutsche Steuerzahler für die laxe Haushaltspolitik anderer Euro-Staaten die Zeche zahlen."
Jetzt also haben wir den Übeltäter ausgemacht: Der Theo ist Schuld, dass wir den Schatztempel vom Theodoropoulos auf der Akropoulos nicht einfach unbürokratisch auffüllen können! Pfui, Theo, wie konntest du nur!
"Waigels Nachfolger Peer Steinbrück muss nun erkennen, dass gegenseitiger Beistand in der Euro-Zone doch nicht zu vermeiden ist. Einen Zusammenbruch der Währungsunion kann Steinbrück nicht riskieren, denn die Folgen für die deutsche Wirtschaft wären dramatisch."
Wieso soll die Währungsunion krachen, wenn der griechische Staatshaushalt crasht? Ich dachte, die Griechen kommen sowieso nicht raus aus dem Euro-Haus? Egal, Theo ist kein Finanzminister mehr, jetzt ist Peer Steinbrück Schuld an der griechischen Misere. Warum? Na weil der Lump sich einfach bislang keine Gedanken gemacht hat, wie wir dem Peloponnes mit unserem Geld 'ne goldene Nees aufsetzen könnten:
"Leider wird Steinbrück erst in der Krise bewusst, dass er zur Solidarität mit den schwachen Euro-Staaten verdammt ist."
Klar, auch die anderen Euro-Länder hätten sich schon mal Gedanken machen sollen. Schließlich hat die griechische Regierung ja lange genug Geld in ihre Olympischen Luftwege versenkt; da hätte man doch sehen müssen, dass so was den Staatshaushalt auszehrt! Aber ach:
"... die Währungsunion ... hat das erste gute Lebensjahrzehnt des Euros nicht genutzt, um für den Ernstfall Hilfsmechanismen zu schaffen."
Doch lieber als die Splitter bei anderen zu entfernen, rammt Ruth Berschens die Balken uns selbst ins Auge - mea maxima culpa -:
"An diesem Versäumnis trägt Deutschland die Hauptschuld. Allen seit Einführung des Euros amtierenden Bundesregierungen war nur daran gelegen, das deutsche Steuersäckel vor dem Zugriff aus finanzschwächeren Euro-Staaten zu schützen."
Hey, Sie da, ja Sie sind gemeint, der Sie diese Zeilen gerade lesen: Sagen Sie doch selbst: ist das nicht eine bodenlose Unverschämtheit von unseren Regierungen, dass die nichts Besseres im Kopf haben als den deutschen Steuerzahler vor mediterranen Taschendieben zu schützen? Mein Urteil steht jedenfalls fest: Schuldig! Zahlen!
"Dabei gibt es durchaus intelligente Wege, die Staatsfinanzen schwacher Euro-Staaten zu stützen, ohne den deutschen Steuerzahler zu stark zu belasten. Dazu gehören auch die von Steinbrück bislang strikt abgelehnten Eurobonds."
Bravo, Frau Berschens, genau das brauchen wir: Wege, um dem deutschen Steuerzahler das Geld auf intelligente Weise aus der Tasche zu ziehen! Im Süden hat man in solchen Sachen übrigens schon eine lange Tradition:
"Il birbone sa pelar la gazza senza farla stridere" sagt die italienische Volksweisheit: Der Gauner versteht es die Elster zu rupfen, ohne dass sie schreit.

Ach ja: Warum wettere ich hier eigentlich gegen Euro-Anleihen für die gesamte Eurozone? Weil Deutschland dann höhere Schuldzinsen zahlen muss! Und die holt man sich wieder vom Kleinen Mann.
Die nächste Mehrwertsteuererhöhung kommt bestimmt. Wetten dass?

Klingklax kann schließlich nicht erwarten, das schöne Schauspiel der gleichzeitigen Fütterung von anglophonen Kredithaien und mediterranen Rundum-Sorglos-Regierungen (und Völkern) gänzlich gratis zu genießen, gelle?

Nein, nicht nur die Südländer: Irland ist auch dabei [und wie geht es eigentlich dem schuldenreichen belgischen Staatshaushalt?], erfahren wir im Handelsblatt-Bericht vom 20.2.09 "Länder in Zahlungsschwierigkeiten. Bund sorgt sich um die Euro-Zone"
von Sven Afhüppe, Ruth Berschens und Marietta Kurm-Engels:
"Kanzlerin Merkel ist grundsätzlich bereit, EU-Ländern bei Zahlungsschwierigkeiten als Folge der Weltwirtschaftskrise zu helfen. Sollte es in einzelnen Staaten den Bedarf nach Hilfe geben, sei man zur Unterstützung bereit, sagte Merkel nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Barroso. Das Bundesfinanzministerium prüft offenbar bereits konkrete Hilfen. Im Gespräch sind dabei vier Varianten."
Brav, Angie, brav: du bist ein liebes Schaf!
Du kommst zwar nicht aus Pommernland,
Doch Deutschland ist bald abgebrannt!
Schlaf, Angie, schlaf!

Und dein Kumpan Peer Steinbrück-Knick ist immer gut für'n Täuschungs-Trick!

Aufwachen, ihr germanischen Bärenhautbelieger: tua res agitur.
Oder auf Deutsch: Deine Gelder bewegen sich - gen Süden und gen Westen, die brauchen es am besten. Hahahahaha ... .

P. S.: Kann mir mal jemand erklären, warum wir nicht gleich auch den Isländern mal einige lumpige Euronen-Milliärdchen über'n Atlantik schiffen?


Besteht ein Widerspruch zu meiner in früheren Blotts häufig bekundeten pro-europäischen Einstellung?

Nein. Nur glaube ich nicht, dass unser Kontinent in der gegenwärtigen politischen Konstellation überlebensfähig bzw. sinnvoll aufgestellt ist.
Was Europa bräuchte (aber natürlich nicht bekommen wird) wäre eine kreative Zerstörung.
Die EU wäre auf die ursprünglichen EG-Länder plus Ostseeanrainer (mit Russland enge Zusammenarbeit) plus Nachfolgestaaten der Habsburger-Monarchie plus iberische Halbinsel zu reduzieren; das ist ein ziemlich homogener Kulturraum. Die anderen Länder drum herum könnten, soweit gewünscht, als Satelliten des europäischen Imperiums mit einem verminderten Integrationsgrad assoziiert werden (Die Grundidee dafür nehme ich von Herfried Münkler; vgl. dessen Artikel "Das imperiale Europa" in der WeltOnline vom 29.10.04).
Ökonomisch ist auch die 'Kernzone' sicherlich nicht problemfrei, aber in der Dimension der Probleme noch in den Griff zu bekommen. Dieser Kern sollte staatlich organisiert sein, mit einheitlicher Währung und als offizielle Sprachen lediglich Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Außerdem Englisch, selbst wenn Großbritannien wohl (besser?) nicht dabei wäre. Im Laufe der Zeit würde Englisch wohl die Verkehrssprache eines solchen Staatsgebildes werden.
Auch das würde teuer für uns, aber die gesamtstaatliche Struktur könnte, mit entsprechenden Befugnissen der Zentralregierung und des Parlaments, ein Ende einzelstaatlicher Eskapaden gewährleisten.

Dass wir reinfallen, halte ich für sicher. Denn sogar schon in der Bild-Zeitung vom 21.02.09 lesen wir: "Euro stürzt ab! Müssen wir für unsere ärmeren Nachbarn Milliarden blechen? Sorge um den Euro: Hält die 16-Staaten-Währung der Krise stand?". Mit anderen Worten: unsere Regierung bereitet uns schon mal medial auf den geplanten Taschenraub vor.
Ich halte es für Unfug, dass Deutschland Probleme bekommen würde, wenn Griechenland den Staatskonkurs anmelden müsste. Wenn in den USA Kalifornien pleite ginge, würde weder die US-Bundesregierung haften, noch wäre der Dollar bedroht. Wieso soll das im Euro-Raum anders sein?
Letztlich wohl deshalb, weil den Finanzinvestoren (halbwegs) solide Schuldner, und insgesamt höhere Anleihezinsen, lieber sind. Da wird möglicherweise ein finanzielles Erpressungsmanöver gefahren; leider ist unsere Regierung dumm genug, darauf einzugehen. Und unsere Öffentlichkeit ist leider zu träge oder vertrauensselig, um sich zu wehren.

FAZ.net berichtete am 20.02.09:
"Staatsverschuldung. Berlin sorgt sich um Euro-Schuldenländer " (meine Hervorhebungen):
"Die Bundesregierung verfolgt mit Sorge, dass einige Mitgliedstaaten des Euro-Raums an den Kapitalmärkten nur noch immer teurere Kredite erhalten. Das Bundesfinanzministerium sieht Anzeichen für spekulative Übertreibungen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sprach davon, dass die Europäische Union in ihrer Gesamtheit helfen müsse, wenn ein Euro-Land in gravierende Zahlungsschwierigkeiten geriete. Ausdrücklich nannte er Irland, das sich in einer "sehr schwierigen Lage" befinde. [Aha, die Griechen sind gar nicht die am meisten Gefährdeten?]
Aus seinem Ministerium hieß es, Steinbrück habe Spekulationen an den Märkten vorbeugen wollen. Dahinter stehe keine Änderung der Grundposition; in der Vergangenheit hatte sich Steinbrück stets vehement gegen Überlegungen ausgesprochen, hoch verschuldeten Ländern wie Irland und Griechenland zu helfen, etwa durch gemeinsam aufgelegte Anleihen. Ein solches Vorgehen würde für Deutschland höhere Zinskosten von bis zu 3 Milliarden Euro bedeuten.
"
Finanzminister Peer Steinknick wird langsam zum Ärgernis. (Was allerdings keineswegs bedeutet, dass unsere Steuerzahlerinteressen bei Kanzlerin Angela Merkel besser aufgehoben wären.

Ach ja: wenn wir die Eurozonen-Anleihe durchgezogen haben, kommt als nächstes das Hilfspaket für Mittel- und Osteuropa auf die Agenda.
In dem österreichischen Online-Magazin "profil.at" meint bzw. berichtet Georg Hoffmann-Ostenhof u. d. T. "Engstirnig und kurzsichtig" Folgendes (meine Hervorhebungen):
"Dass die österreichische Regierung in der Sache Recht hat, wenn sie ein großes EU-Hilfspaket für Ost- und Mitteleuropa anmahnt, wurde Mitte vergangener Woche erst so richtig klar. Das Absacken der dortigen Währungen und die kolportierte Perspektive, die Ökonomien der ehemals kommunistischen Staaten im Osten Europas könnten demnächst in sich zusammenbrechen, ließ die westeuropäischen Börsen weiter dramatisch abstürzen.
Nicht nur Andreas Treichl von der Erste Bank und Christian Konrad von Raiffeisen haben also allen Grund, schlecht zu schlafen. Nicht nur die österreichische Regierung muss zittern. ..... Inzwischen geht auch in Brüssel und den anderen EU-Metropolen die Angst vor einem osteuropäischen Kollaps um. Diese Perspektive ließ offenbar auch Steinbrück eine Kehrtwende vollziehen. Bisher lehnte er stets schnoddrig ab, dass die Union Not leidenden Mitgliedsländern zu Hilfe eilt, und versteifte sich auf die Ansicht, dass jeder für sich selbst und seine eigenen Schulden verantwortlich sei. Vergangene Woche erklärte nun der deutsche Finanzminister, einem Bankrott eines EU-Landes werde die EU nicht tatenlos zusehen können.
"

Während ich hier schreibe, sind offenbar die Eurozonenanleihen schon längst beschlossene Sache. Diesen Eindruck jedenfalls gewinne ich bei der Lektüre des Reuters-Berichts von heute, 21.02.09: "Kreise - Euro-Zone-Anleihe nimmt langsam Formen an".


Nun ja: in der Politik ist es ebenso wichtig wie im Finanzwesen, die eigene Position zu hedgen. Für den Fall eines evtl. erforderlich werdenden Meinungswechsel habe ich mir prophylaktisch schon mal eine zündende Parole ausgedacht. Angesichts unserer wiewohl nicht immer ruhmreichen, so doch jedenfalls kampfreichen Vergangenheit wird dieser Slogan die Steuersubjekte ganz gewiss zu neuen großen Taten begeistern:
Deutscher Bürger, sei ein Held -
Blute für das Glück der Welt!

New York und London werden deinen Pappsarg mit Girlanden umwickeln, und mit einer gerateten Wahrscheinlichkeit von B-o-a-h legt Frankfurt dir 'ne Strohblume oben drauf.

Übrigens hat es der von mir in anderer Hinsicht durchaus geschätzte Blogger "weissgarnix" (Thomas Strobl) schon lange im Voraus gewusst (und es, aus meiner Sicht leider, auch befürwortet), dass die Euro-Gemeinschafts-Anleihen kommen: "Die Eurozone-Anleihe kommt!" schrieb er am 20.1.09 unter Bezugnahme auf seine noch weitaus früheren Äußerungen auf einer anderen Webseite.

Gegen unsere eigene Regierung hetzte Wolfgang Münchau, FTD- und FT-Kolumnist, in der Financial Times Deutschland vom 04.02.09: "Das nächste Spekulationsopfer":
"In den angelsächsischen Ländern fragen die Investoren mittlerweile nicht mehr, ob die Europäische Währungsunion zusammenbricht. Ihre Frage ist vielmehr: Wann ist es soweit? .... mit der antieuropäischen Haltung unserer Regierung schon jetzt echte Kosten verbunden sind."

Die Iren gehen auf die Straße: "100 000 demonstrieren in Dublin wegen Finanzkrise" meldet das Handelsblatt vom 21.02.09.
Es wird wohl Zeit, dass wir auch mal auf die Straße gehen?


Nachtrag 24.02.09
Wenig begeistert über die Aussicht, dass der deutsche Steuerzahler auch für Europa blechen muss, berichtet Hans Sedlmaier bei Focus Money Online: "Währungsunion: Wird der Euro scheitern?" Zweifel, dass man uns wieder mal in die Tasche packen wird, hat auch er allerdings nicht (meine Hervorhebung):
"Zehn Jahre nach seiner Einführung steckt der Euro in der Krise. Griechenland und Spanien sind hoch verschuldet, die Währungsunion droht zu zerbrechen. Eine Rettung dürfte deutsche Steuerzahler Milliarden kosten. .......
Alles graue Theorie [der von einigen erwartete bzw. erhoffte Zerfall der Eurozone], findet Hans-Jörg Naumer, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei Allianz Global Investors: „Innerhalb der Euro-Zone wird man teilnehmende Länder nicht in den Konkurs stürzen lassen. Denn das hätte einen starken Vertrauensverlust des Marktes mit massiven Kapitalabflüssen zur Folge.“ Schwächelnden Ländern könne man mit Überbrückungskrediten helfen.
Ohne Euro würden alle schlechter fahren – „auch die, die heute unter hohen Risikoaufschlägen leiden“. Für Naumer ist daher klar: „Auf das Auseinanderbrechen der Währungsunion können Sie bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten.“ Für Naumers Argumente spricht Steinbrücks jüngster Vorstoß. Offenbar sollen deutsche Steuerzahler erneut Retter spielen – diesmal nicht für Banken, sondern für Staaten. Es geht, so heißt es, um drei Milliarden Euro – fürs Erste.
"


Nachtrag 24.02.09
"Irgendwann ist Zahltag" mahnt ein Autorenkollektiv (8 Personen) in einem langen Artikel bei Spiegel Online vom 26.01.09:
"Die Rettungspakete für die Wirtschaft werden stetig teurer. Sie drohen viele Länder finanziell zu überfordern. Die Folgen treffen jeden Bürger: Eine schleichende Geldentwertung ist unausweichlich, Staatspleiten werden nicht mehr ausgeschlossen. Könnte selbst der Euro-Raum zerfallen?"
Ungefähr in der Mitte (S. 5 ff. in meinem Ausdruck) wird auch recht ausführlich die Frage der Kollektivhaftung bzw. Solidarhaftung der Mitglieder der Eurozone füreinander erörtert. Ein weiterer langer Abschnitt am Schluss (S. 8 - 10) befasst sich mit der Frage, ob sich der Staat seiner Schulden durch Inflation entledigen wird.


Nachtrag 26.02.09
Wolfgang Münchau, u. a. Kommentator der Financial Times Deutschland, sieht eine absolute Marktpanik kommen, falls ein Land der Eurozone pleite gehen sollte. In einem "Comment on Wyplosz's column" auf der Webseite VOXEU("VoxEU.org is a policy portal set up by the Centre for Economic Policy Research (www.CEPR.org) in conjunction with a consortium of national sites. Vox aims to promote research-based policy analysis and commentary by leading scholars. The intended audience is economists in governments, international organisations, academia and the private sector as well as journalists specializing in economics, finance and business.") schrieb der dazu am 25.02.09:
"A decision to allow a euro area member state to declare default would risk an even greater catastrophe. Within seconds of such a decision, the financial markets will have launched a full-blown speculative attack on the bond markets of every southern European country plus Ireland, either directly or via credit default swaps, the perfect speculative instrument for such occasions. Within hours, Italy would have warned that it will not be able to roll over its debts. Moody’s and S&P would have downgraded all southern European bonds to junk-grade level, and may downgrade Germany by a notch or two, on the grounds that bailing out a insolvent banking sector plus five or six European governments simultaneously might be touch ambitious."
Eine Spekulation kann man aussitzen: die Spekulanten haben keinen unbegrenzt langen Atem. Wenn die Rating-Agenturen ihre Investment-Grade an den Marktpreisen orientieren, haben sie den letzten Beweis ihrer Überflüssigkeit geliefert. Schließlich sollte es doch ihre Aufgabe sein, die Bonität des Schuldners - im Falle von Staaten also das Verhältnis von Steuereinnahmen zu Schuldentilgung - zu beurteilen. Natürlich können die Marktkurse bei der Beurteilung von Banken eine wichtige Rolle spielen: deren "Assets" verlieren ggf. an Wert, wenn die Kurse sinken. (Wobei das auch eine Frage der Buchungsmethode ist. Wenn eine Bank Anleihen hält oder Kredite vergeben hat, die auch am Markt gehandelt werden, und der Markt fällt aus irgendwelchen markttechnischen oder marktpanischen Gründen, können die Anleihen oder Kredite durchaus mehr wert sein als ihre Kurse vorspiegeln.) Ein Staat jedenfalls hat solche Probleme nicht. Freilich kann er Probleme haben, neue Kredite zu bekommen. Insoweit wäre es Sache der Regierungen, Vorsorge zu treffen: durch Ausgabe möglichst langfristiger Anleihen, und indem sie neue Anleihen nicht erst dann auflegen, wenn der Finanzbedarf akut wird. Das kostet dann etwas mehr, aber Risikovorsorge ohne Kosten gibt es halt nicht. Wieso die Agenturen dann auch Deutschland abwerten sollten, ist mir völlig schleierhaft. Aber selbst wenn: wem sonst, wenn nicht einem noch halbwegs finanziell soliden Staat, wollen die Kapitalbesitzer ihr Geld verleihen? An Opel? Oder Zimbabwe? Eine Marktspekulation gegen solide Staaten der Eurozone würde in die Hose gehen, weil auf die Dauer nicht durchzuhalten. Ein Bailout für die Verschwender-Länder ist deshalb so überflüssig wie ein Kropf.


Nachträge 27.02.09:

Adel verpflichtet: Robert von Heusinger trommelt im Zeit-Blog "Herdentrieb" für Süd-Solidarität: "Oh, Du verdammter Stabilitätspakt".
Irgendwie sind die deutschen Ökonomen einfach zu doof. Nur gut, dass es in Amerika von lauter klugen Kerlchen nur so wimmelt: Inflations-Mann Krugmann, ein Hubschrauber-Ben der Nominalzins und Realzins tautologisch definiert, Alan Greenspan, der erst die regulatorischen Deiche eingerissen und dann die Flutwelle abgelassen hat: das sind die Richtigen!

Bundesbankpräsident Axel Weber pflegt die bürgerliche Tugend der Sparsamkeit. Im Welt-Interview "Drohende Staatsbankrotte. Bundesbank-Chef plädiert für Osteuropa-Nothilfe" vom 25.02.09 sagt der Mann knallhart:
"Wir müssen aufpassen, dass die Politik nicht dem Helfersyndrom unterliegt. Man muss nur nach Hilfe rufen und schon springen andere mit einem Milliardenkredit bei. Das kann nicht gut gehen."
Bravo Herr Weber, bravissimo! Bieten Sie den bravi unseres Staatshaushaltes die Stirn! Und hier einige weitere Zitate (meine Hervorhebungen):
"Ein Eurobond wäre genau der falsche Weg. Eine gemeinschaftliche Haftung für die nationalen Staatsfinanzen ist nicht wünschenswert ... . Es muss klar sein, dass die einzelnen Nationalstaaten die Verantwortung für ihre Fiskalpolitik tragen. ... Die derzeitigen Zinsaufschläge bedeuten noch lange nicht, dass eine Zahlungsunfähigkeit droht. Die höheren Finanzierungskosten erhöhen aber zu Recht den Druck auf Anpassungen in den betroffenen Ländern, ... . Ich werde hier nicht die Lage in einzelnen Ländern kommentieren. Richtig ist, dass die verschiedenen Euroländer vor unterschiedlichen Problemlagen stehen. Hier wurden in der Vergangenheit teilweise entgegen den europäischen Vereinbarungen notwendige Reformen ... nicht eingeleitet. Diese Länder stehen jetzt in der Krise unter besonderem Druck ... . Die Ausstellung eines Blanko-Schecks wäre aber definitiv falsch. Wären bei einer extremen Zuspitzung der Lage gezielte Hilfen für einzelne Mitgliedstaaten angesichts außerordentlicher Notsituationen unumgänglich, so müssten diese zwingend mit strikten Anforderungen und Auflagen verbunden werden."
Da fragt sich natürlich nicht nur WELT ONLINE: "Also würde man sich doch stützen." Da wird der Herr Weber dann doch ein wenig weich (kann wohl auch nicht anders, denn wenn er den Investoren die Karotte der Hoffnung auf europäische Schuldensolidarität verbal wegziehen würde, käme es sicher in kürzester Zeit zur Währungskrise - und Weber, nicht den Defizitsündern, würde daran die Schuld gegeben werden):
"Dies kommt letztlich auf die konkrete Situation an. Jeder Regierung und der Bevölkerung, die andere Länder zur Hilfe ruft, muss aber klar sein, dass eine eventuelle Hilfe an strenge Auflagen gebunden ist. Es muss dabei gewährleistet sein, dass diese dann auch eingehalten werden und das Land wieder auf den richtigen Weg zurückfindet. Dies wäre auch für die politische Akzeptanz in den helfenden Ländern entscheidend."
Wer ständig herausgehauen wird, wird sich wenig um strenge Auflagen scheren. Dazu brauchen wir nicht einmal den Daumen gen Süden zu senken: Das können wir schon daheim in Bremen und Berlin beobachten.

Prof. Wilhelm Hankel, schon früher wackerer Kämpfer gegen den Euro, wurde von Robert Heusinger für die Frankfurter Rundschau interviewt. "Euro blockiert Kampf gegen die Krise" (Meine Hervorhebung):
"Die Finanzmärkte rechneten damit, dass die Währungsunion zerbricht, warnt Wilhelm Hankel. Klüger sei, den Euro geordnet abzuwickeln – und die Mark wieder einzuführen."

Eine Fülle von Daten und Informationen zur historischen Entwicklung des Euro bzw. der Euro-Zone bietet Dr. Joachim Jahnke "Deutschland im Würgegriff des Euro."


Nachtrag 11.03.09
FTD-Kommentarchef Christian Schütte äußert sich zur Bailout-Frage in der Financial Times Deutschland von 23.02.2009 u. d. T. "Wer soll das bezahlen?" eindeutig:
"Deutschland darf nicht für Schulden der Nachbarn haften. ... Otmar Issing, der frühere Chefvolkswirt der Bundesbank und der EZB, hat recht: Es wäre eine Katastrophe für die Währungsunion, wenn die neuesten Gedankenspiele der Bundesregierung darauf hinauslaufen würden, dass künftig alle Euro-Länder gemeinschaftlich für nationale Schulden einiger Mitgliedsstaaten bezahlen müssten.
Eine solche Kollektivhaftung, nach der etwa Deutschland, Frankreich oder die Niederlande die Rechnung begleichen würden, falls Griechenland, Italien oder Irland ihren Zahlungsverpflichtungen einmal nicht mehr nachkommen können, wäre eine Einladung zum finanzpolitischen Freibier in ganz Euroland.
"
Allerdings ist das nur die eine Hälfte seiner Meinung zu Thema. Die andere:
"Gerade deshalb sind aber Kredit- und Konjunkturhilfen nötig. Wenn Krisenländer erst einmal radikale Auswege suchen, ist das Regelwerk der Euro-Zone in Gefahr. ... Das Prinzip der Nichtübernahme von Schulden muss weiterhin strikt gelten. Es wird sich in der großen Finanzkrise aber nur dann verteidigen lassen, wenn andere Mittel der wechselseitigen Unterstützung jetzt ausgebaut werden: zusätzliche Kreditmöglichkeiten für Mitgliedsländer, die am Kapitalmarkt in Bedrängnis geraten; dazu eine gemeinsame Expansionspolitik gegen den Einbruch der Realwirtschaft.
Was derzeit mit Sicherheit nichts nützen und die Gefahr sogar noch erhöhen würde, wären Reaktionen nach dem Prinzip schwäbische Hausfrau: Wir geben nix, wir sparen.
"


Nachtrag 13.03.09
Helfen möchte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Beklauen lassen will der sich allerdings ebenso wenig wie ich. Am Schluss seines heutigen Handelsblatt-Artikels "Ordnungspolitischer Einspruch. Euro-Zone im Schlechtwettertest" sagt er (meine Hervorhebungen):
"Da ein Austritt aus der Währungsunion allenfalls theoretisch skizzierbar ist, aber unter den obwaltenden Umständen als Offenbarungseid gelten würde, müssen die Südländer Reputation und Glaubwürdigkeit importieren. Das können nur Hilfen der starken Länder – allen voran Deutschland – bewirken. Freilich steht dem Artikel 103 des EG-Vertrages entgegen, der ein „Bail-out“ innerhalb der Währungsunion ausschließt. ..... Artikel 100 Absatz 2 EG-Vertrag bietet jedoch die Möglichkeit des Beistands bei schweren Belastungen.
Die Krise kann als eine solche Situation gewertet werden. Denkbar wären temporäre Garantien, aber auch Kredite starker Volkswirtschaften, die mit einem Zinsaufschlag – aber deutlich unterhalb der Risikoprämien des Marktes – zu bedienen wären. Nicht geben darf es allerdings Euro-Staatsanleihen, die disziplinierte Länder zugunsten disziplinloser belasten würden. In jedem Fall müssen die Hilfeempfänger sich durch ein „European Stability Commitment“ strikt zur Konsolidierung nach der Krise verpflichten.
"
Freilich bin ich ein wenig skeptisch, was die Selbstverpflichtungen auf zukünftiges Handeln angeht. Unterschreiben würden die Schuldnerländer solche Papierchen sicherlich problemlos. Aber glaubt denn Hüther ernsthaft, dass Griechenland, das sich bereits in die Eurozone gelogen hat, solche Verpflichtungen ernst nehmen wird? Selbst wenn man (kühn) guten Willen der Regierung unterstellen würde: der fehlt die Kraft und Autorität, um Einschränkungen und harte Sparmaßnahmen durchzusetzen. Und ich vermute mal, das gilt nicht nur für die aktuelle Regierung, sondern auch für zukünftige - egal welcher Couleur. Aber auch die anderen Länder werden tausend gute Gründe generieren, warum sie zwar selbstverständlich sparen wollen, aber nicht gerade heute, morgen oder übermorgen.


Nachtrag 13.03.09:
Auch Joachim Fritz-Vannahme auf ZEIT ONLINE v. 11.3.2009 versteht nicht, wieso die Insolvenz eines Mitgliedslandes der Eurozone Probleme für den Euro insgesamt nach sich ziehen müsste. In seinem Artikel "Irland / Kalifornien. Der schöne Schein der Peripherie" [nun ja: Kalifornien als Peripherie? Das ist wohl eine sehr Europafixierte Perspektive!] meint er (meine Hervorhebung):
"Kleine Pointe am Rande: Wenn Kalifornien siech am Strand liegt, dann ruft das keine Untergangspropheten auf den Plan, die mit Blick auf die Bedeutung des Golden State für die United States gleich dem Dollar das Totenglöcklein läuten. Wenn hingegen das kleine Irland in stürmischer See Wasser schluckt, zerbrechen sie sich in Europa sehr wohl den Kopf darüber, ob der Euro das nun aushält. Dabei sind die Spielregeln in den Vereinigten Staaten von Amerika ziemlich genau dieselben wie in der EU: Seine marode Wirtschaft muss jeder Bundesstaat, pardon, jedes Mitgliedsland gefälligst selbst in Ordnung halten zuerst."


Nachtrag 15.03.09
In einem außerordentlich interessanten Meinungsartikel zur Finanzkrise äußert sich ein gewisser Kajetan Hinner (bereits am 21.10.2008) beiläufig auch zu den Spannungen in der Eurozone:
"Wenn der Euro Bestand haben soll, muß sich die Währungsunion für eine kurze Zeit aufspalten: Einige Länder müssen den Euro-Raum für eine Weile verlassen, weil das Defizit der öffentlichen Hand letztendlich von anderen Mitgliedsstaaten finanziert wird und dies nicht unbegrenzt so weitergehen kann."


Nachtrag 18.03.09
Der Mann wird mir ständig sympathischer (auch wenn ich kein Verständnis dafür habe, dass er partout positive Realzinsen will). Unter dem Titel "Euroländer. Weber sieht keine Gefahr des Zahlungsausfalls" berichtet das Handelsblatt vom 17.03.09"
"Bundesbank-Chef Axel Weber hat Ängste beschwichtigt, verschiedenen Euroländern drohe der Bankrott. Sorgen vor einem Zahlungsausfall der Euroländer wies er als "unbegründet und rein hypothetisch" zurück." Nun ja, das muss er natürlich auch sagen; dieser Teil ist sozusagen die "Pflicht". Aber dann in der "Kür" zeigt er sich erneut als ein hartnäckiger Verteidiger deutscher fiskalischer Interessen:
"Zugleich pochte Weber auf die Einhaltung des EU-Vertrages, in dem eine gegenseitige Haftung von EU-Staaten ausgeschlossen ist. Dies sei ein unverzichtbares Instrument, um ein allzu risikobehaftetes Verhalten der Mitgliedstaaten zu verhindern. "Blanko-Schecks auszugeben, wäre definitiv der falsche Weg" mahnte Weber."
Allerdings sagt er auch:
"Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Staaten doch Nothilfe bräuchten, müssten die Stützungsmaßnahmen an klare Bedingungen geknüpft werden."
Müssen wir also am Ende doch zahlen?


Nachtrag 22.03.09
Auf einem (möglicher Weise interessanten) Blog "Lost Generation" werden unter dem Stichwort "Länderrisiken" die Credit Default Swap (CDS) Prämien präsentiert, die jene zu zahlen haben, die ihre Ausfallrisiken beim Kauf von Staatsanleihen versichern wollen.


Nachtrag 31.03.09
Heute erst entdecke ich den FTD-Kommentar "Staatspleite allerorten"" von Lucas Zeise vom 03.02.2009:
"Deutschland lebt von seinen Ausfuhren: Darum wird der Staat die Exportmärkte im übrigen Euroland mitfinanzieren - über kurz oder lang."
Neben einem Seitenhieb auf die Ratingagenturen und den Hinweis, dass Spanien verhältnismäßig weniger verschuldet ist als Deutschland:
"Auch die Ratingagenturen sind wieder beliebt. Ihr Urteil folgt dem der Märkte. Da die Renditen auf spanische Staatsanleihen stark stiegen, folgerte S&P, Spanien verdiene das alte "Triple A" nicht mehr. Wie man im Zuge der Finanzkrise ja erkannt hat, arbeiten Ratingagenturen stets zuverlässig und korrekt. Auf ihr Urteil ist Verlass. Da tut es auch nichts zur Sache, dass die Verschuldung des spanischen Staates auch relativ zum eigenen Bruttosozialprodukt weit geringer ist als die des deutschen"
prognostiziert er eine alsbaldige Beklauung des Klingklax:
"Ich wette, dass der deutsche Staatshaushalt alsbald zur Aufpäppelung der Absatzmärkte in Europa angezapft wird. Und zwar schneller, als Weber und Steinbrück das heute für möglich halten. Da wären ein paar EU-Anleihen eigentlich eine billigere Lösung."
Wieso eigentlich? Wenn der Staat pleite geht, sind deswegen doch nicht seine Bürger insolvent. Und schließlich sind ja die es, die unsere Exporte abnehmen, nicht die Regierungen. Panik ist ein schlechter Ratgeber, und Ratingagenturen aus der angelsächsischen Welt sind noch schlimmer. Die italienische Regierung hat aus ihren Bürgern noch immer Kredite rausgekitzelt, und ein eventueller Staatsbankrott Griechenlands wird unsere Ausfuhren gewiss nicht beeinträchtigen.
Kettenreaktionen? Wo wollen die Kapitalbesitzer ihr Geld denn in Pension geben? Klar kriegen die USA von ihren hauseigenen Bewertungsagenturen immer erstklassige Noten; wer Geld genug hat, um den zu erwartenden Verfall des Außenwertes einer inflationierten Währung zu tragen, mag sich gern mit Dollars eindecken. Großbritannien? Viel Spaß auch da!
Gar so schlecht steht, im Verhältnis, Italien in Wirklichkeit gar nicht da. Und jene, die unseren beflissenen Meinungs-Marionetten die Melodie vom Staatsbankrott soufflieren, wollen lediglich höhere Zinsen bei größerer Sicherheit kassieren: Euro-Zonen-Anleihen mit bundesdeutscher Bonität aber weit höherer Verzinsung. Das sollten die deutschen Kommentatoren erkennen, statt den financial wizards vom anderen Ufer des Kanals und des Ozeans auf andere Weise wieder einmal auf den Leim zu gehen - und unseren eigenen Politikern und Finanzleuten, die unsere Interessen vertreten, in den Rücken zu fallen (wie das auf anderem Gebiet leider z. B. auch Wolfang Münchau tut).


Nachtrag 02.04.2009
Wie schon mehrfach betont, bin ich über den deutschen Weltmeistertitel im Export keineswegs überglücklich. Allen jenen aber, die behaupten, Deutschland sei durch seinen großen Exportüberschuss mitschuldig an den weltweiten Ungleichgewichten (bzw. dem riesigen US-Handelsbilanzdefizit) empfehle ich einen Blick auf die Handelsbilanz der Eurozone. Auf der Webseite des Europäischen Statistikamtes Eurostat erfahren wir nämlich: "Januar 2009. Handelsbilanzdefizit der Eurozone bei 10,5 Mrd. Euro". Und für 2008 hieß es sogar: "Erste Schätzung für 2008. Handelsbilanzdefizit der Eurozone bei 32,1 Mrd. Euro". Da mag es Korrekturen gegeben haben; eine Recherche nach den exakten Daten ist mir zu mühsam. Auf jeden Fall zeigt sich, dass die Eurozone als Ganzes ein erhebliches Handelsbilanzdefizit hat. Wollte Deutschland seinen Handelsüberschuss außerhalb der Eurozone zurückfahren (oder würde er durch Verschlechterung der Konkurrenzfähigkeit oder eine Aufwertung des Euro vermindert), hätten der Euro und die Eurozone ein Problem. Mit anderen Worten: Deutschlands Überschuss im Handel außerhalb der Eurozone (den ich mal unterstelle) gleicht lediglich Handelsbilanzdefizite anderer Euroländer aus. Die Eurozone hat KEINE Handelsbilanzüberschüsse. Das trifft natürlich nur insgesamt zu; bilateral im Verhältnis zu den USA dürfte ein erheblicher Überschuss bestehen. Aber das ist ja die Essenz des freien Welthandels, dass dieser sich per Saldo ausgleichen sollte, nicht direkt zwischen einzelnen Ländern. Es ist nicht Schuld der Länder der Eurozone oder Deutschlands, wenn es den USA nicht gelingt, ihre Außenhandelsbilanz gegenüber der Welt insgesamt in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten.


Nachtrag 07.04.09
Was eigentlich haben Außenstehende - jene, die weder Bürger noch Gläubiger eines insolventen Staates sind - von einer Staatsinsolvenz zu befürchten? Was muss es mich interessieren, oder auch unsere Regierung wenn, zum Beispiel, Griechenland pleite gehen sollte? In der Regel schüren die Schreiberlinge nur diffuse Ängste (oder nutzen solche aus).
Prof. Dr. Hans Peter Grüner, trägt in seinem Blog im Handesblatt ("Das Grüner-Blog") in einem Eintrag vom 17.03.09 u. d. T. "Wie verlässt man geordnet eine Währungsunion?" erst einmal die Fakten vor:
"Zunächst zur Lage: Das Verhältnis aus Staatsschulden und Bruttosozialprodukt liegt in Griechenland noch unter 100% (bei etwa 92 % in 2008). Diese Staatsschulden können wohl noch etwas anwachsen, bis zu es zu einer wirklich bedrohlichen Staatskrise kommt. Daher ist die Lage zwar ernst, aber nicht hoffnungslos."

Und erörtert dann ein Szenario, das einen Bailout (durch andere Länder) erforderlich machen könnte (meine Hervorhebung):
"Kann es dazu kommen, dass Griechenland innerhalb der Währungsunion teilweise darauf verzichtet, Staatsschulden zurückzubezahlen? Das ist durchaus denkbar. Die betroffenen Gläubiger müssten dann für ihr Vertrauen gegenüber Griechenland bezahlen. Allerdings wird dies in Zeiten der Finanzkrise möglicherweise doch wieder Staatseingriffe erfordern, soweit die Gläubiger systemisch relevant sind. Eine solche Lösung ist übrigens nur dann günstiger als ein vollständiger Bail-Out des gesamten Landes wenn diese Gläubiger schnell identifiziert werden können."
Mit anderen Worten: nur dann, wenn eine Bank (oder eine andere systemisch wichtige Finanzinstitution) einen derart hohen Anteil an (z. B.: griechischen) Staatsanleihen hält, dass deren (Teil-)Ausfall zur Insolvenz führen würde, wäre eine Stützungaktion Außenstehender mehr oder weniger zwingend.
Das aber möge unsere transusige Bankenaufsicht doch hoffentlich verhindert haben: dass unsere Finanzinstitute jetzt, faute de subprime-Anleihen, ihre Bücher jetzt mit Staatsanleihen eines einzigen Landes, und noch dazu eines Risiko-Landes vollstopfen. Das dürfte wegen des Klumpen-Risikos gar nicht zulässig sein, und so dumm können nicht einmal Landesbanken bzw. deren internes Risk-Management sein, dass sie alles auf eine Karte setzen.
Mit anderen Worten: Wir brauchen keinen Bailout, denn es wird kein systemisch wichtige Finanzinstitut pleite gehen, wenn ein Staat (meinetwegen auch 2 oder 3) ihre Anleiheschulden (realistisch nur: teilweise) nicht zurück zahlen.


Nachtrag 02.12.09
Für die Euro-Länder mit sehr hoher Staatsverschuldung gibt es einen (wenig schmeichelhaften) Sammelnamen: PIGS (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien) (eigentlich müssten die ja PIIGS heißen?). Wundert mich nur, dass Belgien nicht in dieser Gruppe vertreten ist; die hatten doch, wenn ich mich richtig erinnere, ebenfalls eine hohe Staatsverschuldung?

In der Wirtschaftswoche hatte Roland Tichy am 28.02.2009 die Situation kommentiert: "Chefsache Zahlen für den Euro":
"Was passiert, wenn sich Deutschland weigert, die Schulden der PIGS zu finanzieren, und deren Regierungen zu schwach sind, unpopuläre Reformen durchzusetzen, so wie es Irland mit einer Kürzung der Beamtengehälter um rund sieben Prozent gerade versucht? Dann wird der starke Euro für die PIGS zur Belastung. Vor dem Euro konnten sie in ähnlichen Lagen einfach ihre Lira oder Drachme abwerten und so ihre Wettbewerbsfähigkeit künstlich stärken. Deshalb wird längst diskutiert, ob es für die PIGS nicht besser wäre, die Euro-Zone zu verlassen. Der Preis wäre hoch – sie müssten ihre heute in Euro aufgenommenen Schulden morgen trotzdem in Euro zurückbezahlen. Es sei denn, sie erklären den Staatsbankrott und weigern sich, Schulden zu begleichen. Damit katapultieren sie sich zwar aus der wirtschaftlichen Vereinigung Europas zurück in eine Re-Nationalisierung wie vor dem europäischen Einigungsprozess.
Aber auch Deutschland würde mit dem Scheitern des Euro in einen Strudel aus Entwertungen riesiger Anleihebestände und der Zerstörung gewachsener Märkte gerissen. Zudem wäre Deutschland von Ländern umgeben, die ständig ihre Währungen abwerten und damit die Exportchancen der deutschen Industrien unterlaufen.
Für Deutschland stellt sich eine hässliche Alternative: zähneknirschend zahlen – oder das Scheitern des Euro riskieren.
"
Auch Tichy überschätzt m. E. die Gefahren für Deutschland. Es wird beim Länder-Bailout genau so laufen wie beim Banken-Bailout: aus Angst wird man den Moral Hazard stärken. Und zur Angst kommt natürlich das Interesse der Anleihebesitzer.
Am 07.03.2009 fragte Bert Losse in der WiWo: "Boom and bust. Wer zahlt für die PIGS?"
Er beurteilt den Sachverhalt realistischer als die Hilfswilligen (meine Hervorhebungen):
"Die bisher kursierenden Vorschläge [zur Unterstützung der 'PIGS'] – gemeinsame Euro-Anleihen oder gar die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds nach dem Vorbild des IWF – überzeugen nicht, vor allem nicht aus Sicht Deutschlands, das mit ziemlicher Sicherheit der größte Zahlmeister solcher Aktionen würde. Die Sorgenkinder der Euro-Zone haben in den vergangenen Jahren massiv von der Währungsunion (vor allem von niedrigen Realzinsen) profitiert. Fiskalpolitisch aber haben viele über ihre Verhältnisse gelebt und überdies wichtige Strukturreformen verschleppt. Dass nun jene Staaten, die noch Vertrauen der Märkte genießen, für die Versäumnisse anderer geradestehen sollen, ist eine ebenso bittere Pille wie Milliardenhilfen für Zockerbanken. Doch so dürfte es am Ende wohl kommen. EU-Kommissionschef Barroso hat bereits angedeutet, dass die EU keinen Staatsbankrott in ihren Reihen hinnehmen und notfalls mit Kredithilfen einspringen will.
Das aber macht (wenn überhaupt) nur Sinn, wenn das Staaten-Bail-Out mit harten wirtschafts- und finanzpolitischen Auflagen verbunden ist. Sonst stehen bald die nächsten Bittsteller vor der Tür – oder die gleichen in der nächsten Krise. Auch sollte sich die EU nicht von unterschwelligen Drohungen aus den PIGS-Staaten beeinflussen lassen, bei einer Eskalation die Währungsunion zu verlassen. Diese Schmach wird sich keine Regierung antun. Es wäre für die betroffenen Staaten auch ökonomisch kontraproduktiv. Zwar könnten sie ihre neue (alte) Währung abwerten und sich so Vorteile im Export verschaffen. Doch die hohen Zinsen und Risikoaufschläge wären sie nicht los, im Gegenteil. Dass Anleger begeistert niedrig verzinste Staatsanleihen in Drachme und Lira kaufen würden, ist kaum zu erwarten.
"


Textstand vom 12.08.2019

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