Schlüchtern, Steinau, Kinzigtal - der Regen erwischt uns jedes Mal. Beim Weihnachtsmarkt. Aber angenehm mild war es am 16.12.06, dem Samstag vor dem 3. Advent, bei unserem dritten Weihnachtsmarkt-Besuch in diesem Jahr (die beiden ersten führten uns nach Cesky Krumlov und Passau), diesmal in Steinau an der Straße: 8 Grad Celsius noch am späten Abend.
Im Tempel treiben sich heutigen Tags keine Wechsler mehr herum. Aber wenn der Herr Jesus C. mal auf die ihm dedizierten Weihnachtsmärkte hernieder käme, würde er sicherlich in Steinau den CD-Verkäufer vertreiben, der am Eingang Schlager abdudeln ließ. Schade, dass ihn nicht schon der Gewerbeverein vertrieben hat, der den Steinauer Weihnachtsmarkt betreibt. (Andererseits gibt es Schlimmeres auf Erden. In Büdingen z. B., wo wir den Weihnachtsmarkt vor Jahren besucht und seitdem gemieden haben, überdudelte unvergessen lärmige Kirmeskarusselmusik auf dem Platz vor dem Schloss die Weihnachtslieder an den stimmungsvollen Buden in den romantischen Gässchen. Gar so laut dröhnten hier die Schlager denn doch nicht.)
Übrigens beschloss ich auf dem Steinauer Weihnachtsmarkt, Parteigründer zu werden. Oder eher eine Bewegung zu gründen.
Es hatte mich eigentlich schon früher umgetrieben. Immer dann, wenn es Bratwurst bei uns gab, fasste ich den festen Entschluss, ein Volksbegehren zu initiieren: zur Rettung der deutschen Salzflöze.
Nun hatten wir die versalzenen Bratwürste schon längere Zeit gemieden.
Da ich andererseits aber auch ein Gefolgsmann der "Rettet-den-deutschen-Holzkohlengrill"-Initiative bin, fühlte ich mich verpflichtet, das hier insoweit reichhaltige Angebot (das heute auf deutschen Weihnachts- und sonstigen Märkten leider selten geworden ist) zu unterstützen. Und aß gleich zweimal Bratwürste.
Erst die zweite bekräftigte meinen festen Entschluss, Deutschlands Salzflöze vor der hemmungslosen Ausbeutung durch die Bratwurst-Massen-Bereiter zu bewahren.
Beide zusammen aber bewogen mich, nunmehr noch die Gründung einer weiteren Bewegung ins Auge zu fassen: zur Rettung der groben Bratwurst.
Oder zumindest zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht.
Aber, auch wenn ich in Sachen Essen manchmal giftig werden kann (bin halt verwöhnt, obwohl ich im Prinzip ja alles esse: es muss halt nur gut schmecken): der Weihnachtsmarkt in Steinau war schon recht nett. Nicht zu groß, nicht zu voll, nicht zu viel Kommerz, sondern die Buden großenteils von den örtlichen Vereinen betrieben (und die Preise entsprechend maßvoll): sicherlich sind wir nicht zum letzten Mal dort gewesen. (Für Händler dürfte der Weihnachtsmarkt uninteressant sein, weil es in der Adventszeit in Steinau -2- Märkte gibt und der als solcher bezeichnete "Weihnachtsmarkt" der zweite ist. Der erste Markt findet -immer?- am 1. Adventwochenende statt, heißt "Katharinenmarkt" und ist eher ein Kram- und Vergnügungsmarkt. Aber auch viele Weihnachtssachen gibt es dort zu kaufen, und das ist gut so: da rücken am eigentlichen Weihnachtsmarkt die kommerziellen Stände in den Hintergrund. Bewundern muss man allerdings die Steinauer, dass die zwei solcher Märkte kurz hintereinander durchstehen.)
Vor dem Hintergrund des ungewöhnlichen Steinauer Schlosses, das großenteils kurz nach 1500 erbaut wurde und sich damals nicht so recht entscheiden konnte, ob es nun Schloss oder Burg sein will (tiefer Graben, Rollen für die Seile der Zugbrücke und andere Wehrelemente sind noch vorhanden) hätte man aber vielleicht noch mehr aus einem solchen Markt machen können.
Z. B. mit geschmackvoller Musik im Schlosshof. "Feliz Navidad" heißt zwar auch "Frohe Weihnachten", aber Musik, die nur aus dem Wummern von Bässen besteht, hört man das ganz Jahr über überall.
Also schon wieder gallig. Vielleicht hatten wir einfach übertriebene Erwartungen an einen Weihnachtsmarkt in einem Renaissance-Schloss. Jedenfalls hätte uns ein teurer Mittelalter-Markt oder ein mit kostspieligen Kunst- und Kunsthandwerks-Waren beschickten Markt auch nicht gefallen.
[Nebenbei bemerkt: schöne Aufnahmen von Schloss und Stadt hat auch ein Fotografierender aus Polen gemacht. Knipsen eigentlich keine Deutschen und keine Steinauer den bzw. ihren Ort?]
Wen der Herr liebt, den züchtigt er: so gesehen mag meine Krittelei gerade der Beweis dafür sein, dass ich den Steinauer Weihnachtsmarkt eigentlich mag. Z. B. den einfachen Kamin (Eisenblech an 3 Seiten, vorn offen und das Ganze nach oben kaminförmig zulaufend), in welchem einige aufrecht stehende Holzscheite brennen und der die Luft mit einem angenehmen Duft erfüllt.
Und lebende Schafe gab es auch. Und erst den Apfelwein mit Honig - probier'n Sie mal: das lohnt sich! (Zumal dann, wenn man nur 1,20 € dafür bezahlen muss.)
Und das Schmalzbrot, um einen halben Silberling von den Mittelalterleuten erstanden, war groß, großzügig bestrichen und schmackhaft.
Was dagegen die Steinauer Kleingärtner betrifft, so haben die mit ihrem Schmalzbrot-Angebot den (Raub-)Vogel abgeschossen (was mir schon 2 Jahre früher auf dem Katharinenmarkt aufgefallen war). An deren Stand erhält man nämlich für einen halben Euro nur eine halbe Brotscheibe. Und bestrichen ist die, als ob noch die Rationierungsmaßnahmen aus der Zeit unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg in Kraft wären. [Hier übrigens der gleiche Blickwinkel in einem Foto von heute.] Doch sogar für diese Schlankheitsschnitten finden sich Abnehmer.
Wenn ich schon mal am Meckern bin: in den öffentlichen Toiletten in Steinau sind die Urinale in einer Höhe angebracht, bei der Kinder allenfalls mit Druck in der Blase und in Form einer Fontäne von unten in hohem Bogen reinpinkeln könnten. Man hätte doch meinen sollen, dass der Magistrat einer Märchenstadt auch an die Bedürfnisse von Kindern denkt.
Aber gut, regen wir uns wieder ab, trinken für 1,50 € einen großzügig bemessenen heißen Apfelwein (0,3 L) an der Marktbude irgendeines örtlichen Vereins und marschieren dann (nun regnet es richtig, und einer von uns beiden hat den Regenschirm daheim gelassen, weshalb sich derjenige, der ihn nicht vergessen hat, eine Plastiktüte über den Kopf hält) den Berg hinauf zum Bahnhof zurück.
Nächstes Jahr, wenn wir wieder kommen: dann bringen wir jeder seinen Regenschirm mit. Und ziehen nicht ganz so dicke Wintersachen an wie diesmal.
P. S.
Würde ich nicht so ein abgrundtiefes Misstrauen gegen die guten Absichten der Google-Tochter Blogspot hegen, hätte ich es jetzt leichter. Ich würde einfach zur Beta-Version wechseln und könnte dann alle Einträge über Weihnachtsmärkte mit dem Begriff "Weihnachtsmarkt" taggen.
Nachtrag 25.12.09
Inzwischen habe ich mein Misstrauen überwunden und meine Blotts getägt. Und eine neue leistungsfähigere Digitalkamera erlaubt es mir nunmehr auch, Fotos bei ungünstigen Lichtverhältnissen zu machen. Einige dieser Aufnahmen vom Steinauer Weihnachtsmarkt 2009 finden Sie in meinem Blott "Toy to the world - the Canon is come!".
Textstand vom 25.12.2009. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
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