Sonntag, 20. Januar 2008

SCHERFOLIEN, SCHERMESSER, PREIS-MESSER oder RÄUBER WINFRIED UND DAS RÄUBERISCHE OLIGOPOL DER HERSTELLER ELEKTRISCHER RASIERAPPARATE

In meiner "autobiographie intellectuelle" bei den e-stories habe ich auch das Lied vom Räuber Winfried erwähnt, das 1974 vom Duo (und Ehepaar) Inga und Wolf aufgenommen wurde. An diesen eingängigen Ohrwurm (Text und Musik: Wolfgang Scholz) [vgl. hier in der „Schweizer Hitparade“. Die Gnome von Zürich haben guten Grund zum Gedenken an Räuber Winfried, allerdings findet sich die die identische Info in den "germancharts" und "austriancharts".] erinnern sich noch heute auch einige andere Menschen und hatten mich um den Text, wenn möglich auch die Musik, gebeten.

Beides besitze ich nicht mehr; beim Umstieg auf CDs oder bei einem von zwei Umzügen ist meine Kassette, auf der ich diesen Song aufgenommen hatte, den Weg alles Irdischen gegangen. Die Musik habe ich freilich noch heute im Ohr und den Text konnten wir – die Anfragenden und ich – einigermaßen rekonstruieren.

Einigermaßen merkwürdig bleibt allerdings, dass anscheinend die Radiosender das Lied einer Art damnatio memoriae aussetzen. Ich jedenfalls, wie offenbar auch die anderen Interessenten, die bei mir angefragt haben, haben es nicht mehr im Radio gehört. Das ist um so verwunderlicher, als man uns mit jeglicher Art von musikalischem Mist reichlich berieselt; hier dagegen war die Melodie ebenso eingängig wie textnah komponiert. Verschwörungstheorien sind weitgehend diskreditiert, und angesichts des geringen Nutzens und großen Risikos sowie des großen Kreises von Personen, die daran beteiligt sein müssten, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass da jemand (irgendein Gnom aus Bankfurt z. B.) „dran gedreht“ hat. Trotzdem bleibt es zu bedauern, das diese Räuberballade aus dem Äther verschwunden ist.

Kommen wir aber zur Sache: zu Räuber Winfried und seiner Rasur. Insoweit erfahren wir zunächst, dass er sich nicht rasierte:

"Im Wald, wo nachts der Uhu krächzt
und wo der Wolf nach Opfern lechzt,
hat bis vor Kurzem Räuber Winfried noch gehaust.
Der war behaart von Kopf bis Fuß" ...


Der Grund dafür wird für uns einsichtig, wenn wir die Preise der Verschleißteile für Elektrorasierer anschauen (und die Kosten für neue Klingen bei den Naßrasierern sind auch nicht von Pappe). Eine lausige Scherfolie - perforiertes und gebogenes Blech mit Plastikrand - kostet hier 14,95 €: reduziert von ursprünglich 19,99 €! Da mag ja dann ein wenig Platin drauf sein, aber die dafür verwendete Menge ist zweifellos noch geringer als der Goldgehalt im Danziger Goldwasser.
Im Kombipack mit einem Schermesser wird es verhältnismäßig günstiger, aber 23,45 sind immer noch ein Haufen Geld für Teile, die man alle 18 Monate auswechseln soll. Die anderen Marken sind jedoch auch nicht billiger.

Das konnte man natürlich mit Räuber Winfried nicht machen: der hat als Profi sofort gemerkt, wenn andere ihn auszuräubern versuchten - und blieb halt unrasiert. Aus Prinzip, denn von seinen Einnahmen her wäre es für ihn überhaupt kein Problem gewesen, die verlangten Räuberpreise für die Scherfolien und Schermesser hinzublättern:
"Nachdem er mehr und mehr gerafft
und ein Vermögen angeschafft ..."


Zugegeben: mein alter Braun Rasierapparat leistet mir schon seit langen Jahren treue Dienste. Ein zwischenzeitlich gekauftes Gerät der Marke "Carrera" gab schon nach ca. 2 Jahren den Geist auf. Aber was nützt mir ein langlebiger Rasierapparat, wenn die Ersatzteile sauteuer sind? Was die Rasierleistung geht, war der Carrera mindestens ebenso gut, oder gar besser, als mein Braun Rasierer (mit freilich altem Messer und Scherfolie). Sollte ich mir also zukünftig immer den Billigrasierer kaufen, wenn er bei Aldi im Angebot ist? Vielleicht hält er ja auch mal länger als 2 Jahre?

Freilich gibt es noch schlimmere Räuber als die Rasierapparatehersteller. Die Hersteller von Tintendruckern, insbesondere denke ich hier an Lexmark (von dieser Räuberfirma habe ich damals leider meinen Drucker gekauft), verstehen es noch besser, die Kunden auszubeuten. Rasiermesser kann man auch länger als 18 Monate benutzen; eine neue Tintenpatrone braucht man sofort, wenn die alte leer ist. Und da schlägt die Fa. Lexmark mit ihren Preisen zu wie die Weltmeister.

Dennoch ärgert es mich, dass Ersatzteile für Rasiergeräte -soweit ich sehen kann von allen Herstellern- derart teuer sind. Ebenso ärgert es mich, dass hauptsächlich das Duopol von Braun und Philipps die Regale füllt, aber das mit einer Fülle wohl hauptsächlich im Aussehen und in funktionalen Kleinigkeiten verschiedenen Geräten, deren verwirrende Vielfalt nur dazu dient, den Kunden gekonnt das Geld aus der Tasche zu ziehen. Manchmal ist auch ein Remington oder Grundig Gerät dazwischen, aber selbst eine renommierte Marke wie Panasonic (die ich gern mal ausprobieren würde) ist nur mit wenigen (und teuren) Apparaten im Elektronikladen präsent.


Räuber Winfried wechselt eines Tages die Fronten (d. h. im Sinne des Liedtextextes legalisierte er lediglich seine räuberischen Aktivitäten):
"... fiel eines Tags ein Prokurist in seine Hand.
Der hat gleich alles durchgecheckt,
...
brachte auch Winfrieds Bücher auf den neusten Stand.
Nun ward geplant und spekuliert,
abschreibungsgünstig investiert
....
Das war der Start zu Winfrieds Geldverleihbetrieb."


Winfried war also Bankbesitzer geworden, und ein Banker muss sich natürlich rasieren. Aber auch da passt er auf, dass er nicht in die Hände der räuberischen Rasierapparate-Hersteller fällt:
"Nur manchmal heimlich in der Nacht
schleift er sein Messer mit Bedacht,
weil er’s am nächsten Morgen braucht – für die Rasur!"

Er rasiert sich also mit einem Messer, und das schleift er auch noch selbst.
Clever, dieser früher kriminelle und später im juristischen Sinne ehrlich gewordene Räuber. Das sollten wir vielleicht alle so machen, um der organisierten Räuberei des Rasierhersteller-Oligopols den Spaß zu verleiden!
Doch solange wir uns nicht wehren, wird uns an allen Ecken und Enden der Produktivitätsfortschritt wieder aus der Tasche gezogen.


Nachtrag 02.02.08
Was ist billiger als Schermesser? Richtig: ein neuer Rasierer! Beim Carrera "Sprint" hält zwar schon die Schutzabdeckung nicht auf der Scherfolie, aber dafür hat er heute im "Globus" auch nur 10,- € gekostet: mit 3 Jahren Garantie.
Einen beweglichen Scherblock hat ein Gerät zu diesem Preis natürlich auch nicht, aber zumindest für Urlaubsreisen wird er wohl ausreichen.
Im übrigen halte ich immer noch Ausschau nach einem preiswerten Panasonic.

Nachtrag 13.02.08
Nun habe ich mir aus lauter Verzweiflung doch ein neues Schermesser und Scherfolie für meinen alten Braun Synchro 7505 (also für die 7000-Serie) gekauft. Kostenpunkt im Kombipack: 27,99 €, also knapp 30,- € - einstmals beinahe 60 DM.
Zum Rasieren brauche ich indes genau so lange wie vorher mit dem alten, vermeintlich abgenutzten Schermesser (ca. 12-15 Minuten).
Das spricht in gewisser Weise für Braun: die Messer sind langlebig. Und auch wieder nicht: wie kommt es, dass das Billig-Gerät von Carrera für 10,- € mindestens genau so schnell, wahrscheinlich sogar noch ein wenig schneller rasiert (jedenfalls nach meinem Empfinden; mit der Stoppuhr habe ich das nicht gemessen)?
Und wieso können die Rasierapparatehersteller kein Gerät produzieren, mit dem man sich in 5 Minuten rasieren kann?


Nachtrag vom 19.04.2008
Soeben hat mich meine Frau verlassen. Wegen Räuber Winfried.
Freilich nicht wegen dessen erotischer Ausstrahlung. Sondern wegen seines Abschreckungspotentials.

Kurz zuvor empfing ich eine Audiodatei. Mit einer launigen Mail dabei:
"Heute kann ich mein Versprechen ... einlösen. 'Räuber Winfried' wurde verhaftet - auf der Festplatte und auf mehreren Sicherungsdatenträgern. Gut verschnürt kommt 'Räuber Winfried' nun auch zu Ihnen, und lassen Sie ihn nicht wieder frei."

Und nachdem ich das Lied zum X-ten Mal abgespielt hatte, hat meine Frau mich verlassen.
Und ist in ihr Zimmer gegangen. ;-)


Nachtrag 01.06.09
Neulich habe ich ihn gekauft: den Panasonic Pro Curve ES7036S503 Elektro-Rasierer. Bei der Fa. comtech.de (das soll keine Werbung sein; ich habe natürlich über Preisvergleichsseiten nach dem aktuell billigsten Angebot gesucht).
39,- € hat er gekostet: da kann kein Ladengeschäft in der Innenstadt mithalten (abgesehen davon, dass sie in aller Regel von Braun und Philipps Rasierern überschwemmt sind und Panasconic überhaupt nicht oder nur in einer sehr beschränkten Auswahl führen). Wenn ich mich richtig erinnere, kostete der Panasonic Pro Curve ES 7036 bei Saturn Hansa im Laden über 70,- €, also nahe am Doppelten des Internet-Preises (bei dem allerdings noch der Versand hinzukommt).
Auch solche Kalkulationen sind ein Grund, weshalb ich die Versenkung von Steuergelder zur Rettung des Arcandor-Konzerns (d. h. zur Sanierung der Karstadt-Kaufhäuser) ablehne: Die Ladenverkäufe ganz allgemein werden zurück gehen, weil mehr und mehr Menschen entdecken, dass sie beim Einkaufen über das Internet enorm sparen können.
Und mehr Auswahl haben; das recht große Karstadt-Kaufhaus in Frankfurt am Main z. B. führt überhaupt keine Panasonic-Elektrorasierer. Aber warum soll ich mich von der Marketing-Power der Firmen Braun und Philipps rasieren lassen?
Es stellt sich natürlich die Frage, ob ich mit dem Panasconic-Gerät zufrieden bin. Nun ja: ein Wunder-Rasierer ist auch der nicht. Glatt Rasur will auch bei Panasonic, zumindest bei diesem Modell, Weile haben. Recht schwer ist er auch, so schwer wie mein alter Braun, obwohl der neue Rasierapparat das Ladegerät nicht integriert hat. Entweder ist der Akku so gewichtig, oder aber man hat das Gerät extra schwer konstruiert (etwas Eisen oder Blei eingebaut), weil deutsche Verbraucher das Gewicht als ein Qualitätsmerkmal ansehen (was es oft natürlich auch ist). (Vgl. dazu den Handelsblatt-Artikel "Absichtlich schwere Waschmaschinen" vom 25.02.2009 über Panasonic-Waschmaschinen für Deutschland.)
Angenehm ist die blinkende Anzeige, die rechtzeitig (d. h. man kann sich dann durchaus noch zu Ende rasieren) vor der totalen Entleerung des Akkus warnt. (Eine Ladeanzeige gibt es natürlich auch). Das bekommt man bei den anderen Rasierer-Marken zu diesem Preis wohl kaum.
Gleichfalls erfreulich ist der Umstand, dass eine Akku-Ladung für ca. eine Woche reicht; es kann aber natürlich sein, dass der Akku mit der Zeit an Kapazität verliert.
Auch wenn sich meine etwas naive Hoffnung, dass ein Panasconic-Gerät Wunder vollbringen und meine Bartstoppeln in fünf Minuten radikal abrasieren könne, nicht erfüllt hat, bin ich doch insgesamt einigermaßen zufrieden; nicht zuletzt natürlich mit dem günstigen Preis.
Für Ersatzteile freilich muss man auch bei dieser Firma richtig Geld hinlegen: Ein "Panasonic WES9012 Combo Pack Schermesser und Scherfolie", das ich gleich mit bestellt hatte, kostete 22,90 EUR (und ist anscheinend auch anderswo kaum billiger zu haben).
Insoweit halte ich für (vermutlich) alle Rasierapparatehersteller das Verdikt "Räuberfirmen" aufrecht.




Textstand vom 06.06.2009. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
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