Sonntag, 27. Juli 2008

Über die multistabile Wahrnehmung klimaschützender Kernkraftgegner


Manche Texte enthüllen, wenn man sie wie ein Vexierbild liest, mehr Wahrheiten, als ihren Verfassern lieb sein dürfte. 

In dem Bericht "Nuklearer Wunderglaube" bei n24 wird Klaus Töpfer u. a. mit folgendem Satz zitiert: "Um überhaupt etwas für den Klimaschutz zu erreichen, müssten weltweit schon Tausende Kernkraftwerke zusätzlich gebaut werden. Das ist nicht realistisch ...". 
Das Problem liegt nicht darin, dass dieser Satz falsch wäre, sondern dass eine solche (zweifellos nicht nur von Töpfer vertretene) Meinung leider absolut zutrifft. Das aber erlaubt es uns (bzw., wenn wir uns intellektueller Redlichkeit und umweltpolitischem Realismus verpflichtet fühlen: zwingt uns), Töpfers rhetorische Kippfigur umzudrehen. Wir erhalten dadurch die folgende Botschaft:
"Um überhaupt etwas für den Klimaschutz zu erreichen, müssten wir weltweit eine Menge an Strom bzw. an Energie einsparen, welche der Produktion von Tausenden von Kraftwerken entspricht."

Dazu sage ich nur: Die Umweltdebatte ist die Varietébühne der Zauberkünstler! Und welche Schlussfolgerungen ziehe ich daraus? Muss ich mir am Ende etwa eingestehen, dass z. B. George W. Bush (in diesem Punkt) gar nicht so böse ist wie gedacht - sondern nur nicht so blöd wie wir Europäer?


Nachtrag 01.08.08
Dass das Klima sowieso nicht mehr zu retten ist, bestätigt auch Claudia Kempfert, Abteilungsleiterin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung - DIW - und Professorin für Umweltökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. In dem Bericht "Claudia Kemfert berechnet die Zukunft unseres Klimas" auf 3sat.online (22.03.2007) wird sie wie folgt zitiert:
"Der Klimawandel ist höchstens noch abzumildern. In Deutschland werde er riesige Kosten verursachen. Bei einem Anstieg der globalen Oberflächentemperatur bis 2100 um 4,5 Grad Celsius über den Stand vor Beginn der Industrialisierung entstünden in Deutschland bis 2050 Kosten von 800 Milliarden Euro, erläuterte die Umweltexpertin. 
Es sei davon auszugehen, dass die globale Erderwärmung über die kritische Grenze von 2 Grad hinausgehe und sich extreme Wetter-Lagen mit Wirbelstürmen, Überschwemmungen und Dürreperioden verstärkten, sagte Kemfert zur Basis der DIW-Kostenberechnungen.
Von einer Erderwärmung von 2 Grad, wie sie die Wissenschaft bis 2100 allgemein als Obergrenze zur Beherrschung des Klimawandels ansehe, sei kaum noch auszugehen ... . Auch die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels zur Senkung des CO2-Ausstoßes um 20 Prozent bis 2020 sowie zum Ausbau Erneuerbarer Energien und zur Energie-Effizienz um je 20 Prozent 'werden den Klimawandel nicht aufhalten'. ... Da China und Indien ihr Wachstum verstärken wollten, sei die Klima- Stabilisierung nur schwer zu erreichen. 'Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass der Klimawandel sich eher beschleunigt'."
(Freilich frönt Frau Professor Kemfert auf anderem Gebiet ihrer eigenen Variante des Optimismus: "Eins meiner Forschungsergebnisse belegt, dass die fossile Ressource Öl nur noch 15 Jahre zur Verfügung stehen wird, um die gesamte Energienachfrage der Welt zu decken", heißt es kess am Anfang des Textes. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Menschheit noch bis nach 2020 Erdöl in ausreichender Menge haben wird (ich gehe vom Eintreten einer ernsthaften Ölverknappung bereits nach 2010 aus, aber auch ich kann mich irren - und wäre sogar froh darüber). "Belegt" im Sinne von wissenschaftlich nachgewiesen ist jedenfalls eine ausreichende Ölversorgung bis nach 2020 nicht; allenfalls mag das die von ihr aus den ihr verfügbaren bzw. von ihr verwerteten Daten gewonnene Überzeugung sein.)

Textstand vom 01.08.2008

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