Donnerstag, 31. Juli 2008

Sensationelle Exklusivmeldung: Endlich ein sicheres Endlager für radioaktives Material identifiziert!

 
Sie kämpfen gegen Kohlekraftwerke: wg. Klima.
Sie kämpfen gegen Kernkraftwerke: wg. Strahlung.
Doch wenn man ihnen Elektroautos zeigt, strahlen sie selbst: Die Grünen.
 
So jedenfalls nach dem Bericht "Neuer Liebling Elektroauto" von Marlies Uken auf ZEIT online vom 25.6.2008. Auszüge:
"Ungewöhnliche Allianz: Umweltschützer und Autokonzerne haben das Elektroauto entdeckt. Es soll nicht nur Kohlendioxid einsparen, sondern zukünftig sogar ins Stromnetz einspeisen."
"Geht es nach Hans-Josef Fell, dem energiepolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, rollen im Jahr 2020 eine Million Elektrowagen auf Deutschlands Straßen."
"Ende vergangenen Jahres warben sogar E.on und die Grünen gemeinsam für Elektroautos. ... da, wo es gemeinsame Interessen gibt, spricht nichts dagegen, auch gemeinsam zu werben."
"Martin Pehnt vom Institut für Energie und Umweltforschung in Heidelberg ... ist sich sicher, dass es einen Hype um Elektroautos geben wird. Denn sogar für Autofreaks sind sie attraktiv. 'Sie haben ein unglaubliches Drehmoment beim Anfahren.' So wird der Autonarr ... noch zum Umweltschützer."
Nicht nur der Autonarr tut was für unsere Umwelt.
Denn diejenigen Umweltschützer, welche die realen Widersprüche zwischen Gourmandise für Elektroautos und Gourmetise bei der Stromproduktion unter ein und demselben Schädeldach beherbergen können, müssen dort riesige Kavernen haben. Und Schädeldecken, die dem Beschuss durch die Wirklichkeit derart unbeirrbar trotzen, sind zweifellos auch für Nuklearstrahlung undurchdringlich: bei solchen idealen Endlagern strahlt sogar der Atommüll! 
 
 
Nachtrag 01.08.2008:
"Wir Deutschen sind großartig darin zu wissen, was wir nicht wollen. Seit Tschernobyl ist Atomkraft verpönt, obwohl sie in Sachen Kohlendioxidemissionen vorbildlich ist. Windkraft finden wir nur gut, solange die Mammutpropeller nicht vor unserer Haustür stehen oder die Hochspannungsleitungen, mit denen ihr Strom aus dem windigen Norden der Republik in den flautigen Süden transportiert wird, nicht über unseren Garten führen. Kohle halten wir für unangenehm, weil sie subventioniert wird und obendrein das Klima kippen lässt. Und Gas mögen wir nicht, weil es uns komplett von den unberechenbaren Russen abhängig macht" schrieb Andreas Theyssen in seinem Kommentar "Strom? Nein danke!" in der Financial Times Deutschland (FTD) vom 21.04.2008. 
 
 
Nachtrag 09.11.08:
In Großbritannien (Wales) baut man wieder Kohle ab bzw. eröffnet neue 'Bergwerke' (in diesem Falle einen Tagebau): vgl. "The new coal age" von George Monbiot im "Guardian" vom 09.10.2008.
 
 
Nachtrag 04.01.2009
Zum aktuellen (Meinungs-)Stand um die Entwicklung der Elektroautomobile vgl. z. B. den Artikel "Das Elektroauto kommt - aber langsam. Entwicklung läuft mit Hochdruck, doch bis zur Großserie müssen noch Hürden überwunden werden" von Armin Zimny in der Stuttgarter Zeitung vom 02.01.2009. 
 
 
Nachträge 01.02.2009:
 
Mehr über die Aussichten für Elektroantriebe im Automobilbau auch in dem Spiegel Online-Bericht "Spritpreisschock macht Elektroauto-Techniker kreativ" von Alexander Stirn vom 25.06.08. Darin und darunter auch Links zu weiteren (älteren) Artikeln.
 
Dass wir freilich nicht mit einem kurzfristigen Übergang zur (scheinbar) schönen Neuen Welt er Elektroautomobile rechnen dürfen, sagt uns Ulrich Bez in dem Handelsblatt-Interview von Florian Brückner (29.01.09): "Aston-Martin-Chef: Politik trägt Mitschuld an Autokrise". Auszüge (meine Hervorhebungen):
"... heute betreibt die Politik ... eine enorme Verunsicherung bei den Kunden, indem sie diese glauben lässt, dass von kommendem Jahr an alle Autos elektrifiziert sein werden. Dabei wäre es schon ein enormer Erfolg, wenn im Jahr 2020 zehn bis fünfzehn Prozent der 15 Millionen Autos in der Europäischen Union mit Elektroantrieb unterwegs sein würden. Der Verbrennungsmotor wird also auch die nächsten 20 Jahre ein ganz wesentlicher Bestandteil des Automobils bleiben. ... Ich bin überzeugt, dass in der Forderung nach allumfassender Elektrifizierung ein großer Fehler gemacht wird. Ein Kleinwagen mit Elektroantrieb etwa für die Londoner City ist bestimmt eine tolle Sache, aber ob das auch bei einer Reiselimousine oder einem Sportwagen der Fall ist, da habe ich so meine Zweifel. Nicht zu vergessen: 1914 hat Professor Porsche ein Elektroauto mit einer Reichweite von 100 Kilometer bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h gebaut. Heute sind wir leider immer noch nicht wesentlich weiter. Und die Probleme, die es um die hochdichten Energiespeicher gibt, müssen erst einmal bewältigt werden, wovon wir gleichfalls noch weit entfernt sind. ... sollte man die Autofahrer nicht weiter im Glauben lassen, der Strom kommt aus der Steckdose und nächstes Jahr fahren wir alle Elektroautos. [Frage: In der Wirtschaftskrise sollte also der Staat die Entwicklung dieser neuen Technologien finanzieren?] Ja, er kann sich nicht aus seiner Verantwortung stehlen. Denn letztlich hat der Staat die gegenwärtige Misere der Automobilindustrie auch durch seine beständig überzogenen Forderungen an die Branche und die Verunsicherung der Verbraucher mit verursacht. Wir können uns Umwelttechnologien nur leisten, wenn wir auch gut verdienen – und das ist jetzt nicht der Fall."
Manche mögen diese Aussagen als Lobbyismus abtun; tatsächlich aber sind es nicht zuletzt auch viele Automobilhersteller, die uns "im Glauben lassen, der Strom kommt aus der Steckdose und nächstes Jahr fahren wir alle Elektroautos". (Freilich stehen die Hersteller unter Druck, zunächst nicht einmal so sehr dem der Politik, sondern der Öffentlichkeit; der wird von den Politikern lediglich weitergegeben - was ja auch ihre Aufgabe ist.)
Ob Bez mit dem Passus "der Strom kommt aus der Steckdose" auch die Problematik der Versorgungsseite ansprechen wollte, weiß ich nicht; anderweitige Belege dafür fehlen in diesem Interview. Ich glaube aber, dass wir heilfroh sein können und werden, wenn im Jahre 2020 "nur" 10% der Autos mit Elektromotor unterwegs sein werden. Schon das wird uns nämlich riesige Probleme bei der Elektrizitätserzeugung bringen.
Ich bin aber überzeugt, dass unsere Kurzsicht-Umweltfreunde schon eine Lösung dafür in petto haben: Autofahren ist nur noch bei Wind erlaubt. Dann generieren die Windräder ja vielleicht ausreichend Elektrizität. 
 
 
Nachtrag 17.02.09
Über aktuelle Entwicklungen i. S. Elektroauto berichtet Markus Fasse im Handelsbatt von heute: "Herausforderung Elektroauto. Industrie spielt das Elektroauto durch":
"Wir gehen davon aus, dass sich eine signifikante Anzahl von Elektroautos in das bestehende Stromnetz integrieren lässt", sagt Gernot Spiegelberg, Leiter eines Forscherteams zur Elektromobilität beim Technologiekonzern Siemens. In den kommenden 12 Jahren sieht der Professor ein mögliches Potential für 4,5 Mio. Elektroautos in Deutschland. Damit würde jedes zehnte Auto hier zu Lande ohne Benzin fahren können. ... Die Einführung des Elektroautos mache besonders dann Sinn, wenn der Strom überwiegend regenerativ gewonnen werde, sagt Siemens-Vordenker Spiegelberg. Doch Windkraft oder Solarenergie stehen nur unregelmäßig zur Verfügung. ... "Alternative Energiequellen erzeugen nicht nur dann Strom, wenn wir ihn brauchen", beschreibt Spiegelberg die Herausforderung. "Deshalb ist ein Zwischenspeicher nicht nur sinnvoll sondern sogar notwendig."
Die Lösung könnte im massenhaften Einsatz des Elektroautos liegen. "Das Stromnetz und die Elektroautos müssen aufeinander abgestimmt werden", fordert Spiegelberg. "Lassen sich die Elektroautos sowohl auf- als auch entladen, dann wird das Auto zu einem mobilen Stromspeicher". ... Ausgestattet mit moderner Regeltechnik werde das Auto zu einem integralen Bestandteil des Stromnetzes, weil es je nach Tageszeit Strom ziehen oder spenden kann".
Aber auch hier hören wir wieder, was man in beinahe allen Artikeln zum Thema liest:
"Schwachpunkt ist derzeit noch die Batterietechnik". 
 
 
Nachtrag 08.03.2009
Die Grünen wollen, wenn kann es wundern, "Elektromobilität umfassend fördern" (Pressemeldung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen vom 16.02.2009).
"Elektromobilität nur ein neuer Hype?
In der zweiten Panel-Diskussion sah der energiepolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion Hans-Josef Fell das Fragezeichen im Veranstaltungstitel als überflüssig an. Das Auto der Zukunft fahre elektrisch und es gehe nur darum, dies durch geeignete Rahmenbedingungen staatlicherseits zu beschleunigen. Widerspruch kam von Gert Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclub Deutschland. Die Grünen sollten sich nicht verleiten lassen, nach dem Wasserstoff-Brennstoffzellen-Hype und der Ernüchterung, die nach der ursprünglichen Biokraftstoff-Euphorie, mittlerweile eingesetzt hat, nun auf einen technischen Pfad zu setzen, der ökologisch auch kontraproduktiv sein kann, wenn er z. B. zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken oder den Bau neuer Kohlekraftwerke missbraucht wird. Der geladene Vertreter der Energiewirtschaft konnte darauf leider nicht antworten, da er krankheitsbedingt kurz zuvor absagen musste. Tomi Engel von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie stellte eine Studie vor, derzufolge eine Million Elektrofahrzeuge/Plug-In-Hybride nur eine Steigerung des deutschen Stromverbrauch um 2 Terrawattstunden zur Folge hätte bei einem Gesamtverbrauch von rund 600 TwH."
Aufhalten lässt sich aber die Gemeinde der Ökostromgläubigen von solchen Marginalien nicht, und auch nicht zu einer tieferen Debatte bewegen. In dem ansonsten sehr detaillierten Antrag "Umfassende Förderstrategie für Elektromobilität mit grünem Strom entwickeln" der Bundestagsfraktion vom 16.02.2009 an den Deutschen Bundestag spielt die Stromproduktion insoweit keine Rolle, als "der Strombedarf für Fahrstrom in den ersten Jahren sehr gering ist" (S. 8).
Und danach kommt die Energie vom Weihnachtsmann, gelle? 
 
 
Nachtrag 02.04.2009:
Lektüre (nicht) für Traumtänzer: "E-Autos erwartet langes Nischendasein". Kristina Spiller berichtet in der Financial Times Deutschland (FTD) von heute über eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey:
"Die hohen Erwartungen an das Elektroauto im Kampf gegen Kohlendioxidabgase werden sich selbst in Jahrzehnten nicht erfüllen. Rein strombetriebene Pkw dürften 2030 erst drei Prozent der weltweiten Neuwagen ausmachen. .....
"Es gibt derzeit einen Hype um das Elektroauto - da wird in nächster Zeit eine Ernüchterung einkehren. .....
Das dürfte die Hoffnungen vieler Politiker dämpfen, die in den noch gar nicht marktreifen E-Autos schon die Heilsbringer für die Umwelt sehen." 
 
 
Nachtrag 08.05.2009
Erst jetzt kommt mir der lange Zeit-Artikel "Traum auf vier Rädern" von Dietmar H. Lamparter und Fritz Vorholz, DIE ZEIT, 03.07.2008, zu Gesicht, dessen Aussage am Beginn so zusammengefasst ist:
"Eine Koalition aus Politikern, Autobauern und Stromkonzernen bauscht das Potenzial des Elektroautos maßlos auf. Tatsächlich wird es wohl ein Nischenprodukt bleiben."
Auch wenn ich den Co-Autor Fritz Vorholz schon mal verlästert habe, weil ich in Sachen Atomkraftwerke anderer Meinung bin, schätze ich ihn als kenntnisreichen und tief bohrenden Autor zu Energiefragen, der auch schein-ökologische Positionen sehr kritisch hinterfragt. Hier einige für mich zentrale Auszüge aus dem Artikel (meine Hervorhebungen):
"Viele beschwören das Stromauto, darunter solche, die gestern der Autogemeinde noch Wasserstoff und Biosprit als saubere Alternativen zum Benzin verschreiben wollten. Kaum hat sich der Sprit vom Acker als desaströse Therapie gegen die Ölabhängigkeit erwiesen, schwärmen sie ebenso unbekümmert vom Strom und nähren die Hoffnung, damit ließe sich die gewohnte individuelle Mobilität auf vier Rädern kostengünstig und umweltschonend sichern, quasi auf ewig. .......
»unsere besten Verbündeten sind die Grünen«, sagt ein Spitzenfunktionär des Verbandes der hiesigen Stromwirtschaft. .......
Kommt allerdings Atomstrom in den Elektrotank, hat der Umweltminister ein Problem. CO2-frei führe das Elektroauto zwar auch dann noch, nur eben politisch nicht korrekt – jedenfalls nicht, solange die SPD am Atomausstieg festhält. Die Sache mit dem Elektroauto sei deshalb »ein Spiel mit dem Feuer«, sagt einer von Gabriels Mitarbeitern. Doch das ist das geringste Problem, wie man erfährt, wenn man sich in der Fahrzeugindustrie genauer umhört. »Der Knackpunkt ist die Batterie« ..... .
Aber könnte nicht vielleicht der nächste Technologiesprung das Problem lösen? Der sei unwahrscheinlich, meinen Experten. Der rein batterieelektrische Betrieb habe Grenzen, sagt Herbert Kohler, Daimlers oberster Antriebsforscher. Natürlich werde es noch Optimierungen geben können, aber bei etwa 200 Kilometer Reichweite sei auf absehbare Zeit Schluss. Ein ähnlicher Sprung wie von der alten auf die neue Batterietechnik sei nach der Logik der Elektrochemie schlicht nicht mehr zu erwarten ... .
Nicht nur ein Autozulieferer, auch die Gesellschaft muss sich also überlegen, ob sie ihr Geld und ihre Energie aufwendet, um spritsparende Benziner zu entwickeln – oder um auf den Hoffnungswert E-Auto zu setzen."
Und zum Schluss ziehen die Autoren einen Vergleich mit früheren (und früher schon von mir karikierten) Hoffnungen auf Biosprit:
"Der Biosprit-Hype war noch kürzer. Im Januar 2005 kündigte George W. Bush bei seiner Rede an die Nation an, den Benzinverbrauch bis zum Jahr 2010 um 20 Prozent verringern zu wollen, hauptsächlich durch Beimischung von Biokraftstoff. Tatsächlich ersetzen Bioethanol und Biodiesel in Nordamerika und Europa mittlerweile rund eine Million Fass Erdöl pro Tag. Doch als Folge sind die Getreidepreise explodiert, Hungeraufstände der Armen machen Schlagzeilen, und eine weltweite Allianz gegen den Sprit vom Acker ist aktiv. Die Euphorie hat sich vollständig verflüchtigt." 
 
 
Nachtrag 30.07.09
Dass ein Shell-Mitarbeiter Interview Elektroautos keine große Zukunft vorhersagt, kann von der Interessenlage her nicht überraschen. Nur muss seine Prognose nicht schon deswegen falsch sein, weil es den Konzerninteressen entspricht. Also einfach selber lesen: "Shell-Experte: Elektroauto ist ein Hype", ein Handelsblatt-Interview vom 30.07.09 von Florian Brückner mit Wolfgang Warnecke:
"Warnecke ist Leiter der weltweiten Kraftstoffentwicklung von Shell. Im Interview mit Handelsblatt.com erklärt Warnecke, warum das Elektroauto aus Sicht von Europas größtem Ölkonzern ein kurzfristiger Hype ist, wie Shell darauf reagieren will und wieso Biosprit noch ein großes Comeback erleben wird." 
 
 
Nachtrag 25.08.2009
Der KKW-Gegner Sigmar Gabriel, derzeit (aber wohl nicht mehr lange) noch Bundesumweltminister, setzt, wie bei einem Mann von seinem Grad an Intelligenz und/oder an intellektueller Redlichkeit nicht anders zu erwarten, voll auf Elektroautos. Unter der Überschrift "Nationaler Aktionsplan. Kaufanreize für Elektroautos" berichtet die ZEIT ONLINE am 19.8.2009:
"Wer sich ein Elektroauto kauft, kann ab 2012 mit staatlicher Unterstützung rechnen. Bis 2020 soll auch ein Netz von Stromtankstellen entstehen. .....
Die Branche der Erneuerbaren Energien hofft derweil, dass vor allem die Abnahme von Ökostrom gefördert wird.
Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel wirbt für das Sparpotenzial von Elektroautos. Die Spritpreise würden sich für die Verbraucher mehr als halbieren, sagte der SPD-Politiker. Sicherheitsfragen seien noch zu klären. Laut Gabriel ist es das Ziel, Elektroautos mit erneuerbaren Energien zu koppeln, und die Schwankungen der erneuerbaren Energien im Netz durch die Batterien und Speicher zu lösen."
Traumtänzer! Aber anscheinend bietet er dem Narrenvolk genau diejenige Vorstellung, die es haben will.
Die Menschen sind nicht selten selber daran Schuld, wenn sie von Politikern getäuscht werden. 
 
 
Nachträge 03.09.2009
 
FTD-"Dossier" von Nora Schlüter vom 31.08.2009: "Exportbeschränkung: Rohstoffmangel bedroht Hybridautos" (meine Hervorhebungen):
"Der Siegeszug umweltfreundlicher Technologien könnte in den nächsten Jahren durch Engpässe in der Rohstoffversorgung gebremst werden. Gefährdet ist der Nachschub an sogenannten seltenen Erden, einer Klasse von Metallen, die unter anderem zum Bau von Windkraftanlagen und Hybridautos benötigt wird.
Besonders die Elemente Lanthan und Neodym spielen eine wichtige Rolle bei der Herstellung leistungsfähiger Magnete und Batterien für Windturbinen und Elektromotoren.
Nun plant Marktführer China, den Export dieser Rohstoffe stark zu beschränken. Stattdessen will die chinesische Regierung die Vorkommen für den Eigenbedarf nutzen. Damit droht Peking, nicht-chinesischen Produzenten von Industriegütern wie zum Beispiel Autokonzernen, Handyherstellern und Kraftwerksausrüstern von der Versorgung mit wichtigen Grundstoffen abzuschneiden. Dies könnte die Wettbewerbsbedingungen zu Gunsten heimischer Firmen verschieben.Für die Metalle Yttrium, Thulium und Terbium soll gar ein vollständiges Exportverbot gelten. Für andere seltene Erden wie Neodym, Lan-than, Zer und das in Lasern eingesetzte Europium ist eine Gesamtexportquote von 35.000 Tonnen pro Jahr geplant. ... usw."
Viel Spaß unseren elektrisierten Automobilträumern! (Und den Windkraft-Freaks natürlich ebenfalls!)
 
Ergänzung 6.9.09: Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Handelsblatt-Artikel "Rohstoffe. Harter Kampf um Titan" von Markus Fasse und Regine Palm vom 08.05.09 (in dem es um Seltenmetalle überhaupt geht, nicht nur um Titan):
"Seltene Erze und Metalle werden knapp. Hersteller von Solaranlagen, Elektroautos oder Halbleiterproduzenten brauchen immer mehr der wertvollen Rohstoffe. Längst ist ein harter Verteilungskampf entbrannt. Die deutsche Industrie reagiert noch zu langsam."
 
Ergänzung 09.09.09: Zur chinesischen Rohstoffpolitik vergleiche auch den Bloomberg-Bericht "China Considers Rare-Earth Reserve in Inner Mongolia" vom 02.09.2009 über Produktionseinschränkungen und Exportbeschränkungen für seltene Erde (Minerale, Metalle):
"China, holder of the world’s largest rare-earths deposits, may build a strategic reserve in Inner Mongolia, strengthening its control over materials used in technology ranging from iPods to guided missiles."
 
So, und jetzt drehen wir der Ressourcenverknappung den Rücken zu und kurbeln unsere Konjunktur wieder kräftig an! Wie? Ganz einfach kräftig Geld ausgeben:
"McKinsey-Studie: Elektroautos bescheren Herstellern Kostenlawine" berichtete die Financial Times Deutschland ebenfalls am 31.08.09 (meine Hervorhebungen):
"Dass die Einführung von Elektroautos nicht billig wird, dürfte bekannt sein. Eine Studie rechnet jetzt genau vor, welche Kosten auf die Hersteller zukommen - und die Verbraucher.
Auf die deutschen Autohersteller und Verbraucher rollt wegen der Klimaschutzziele der EU einer Studie zufolge in den kommenden Jahren eine Kostenlawine zu. Vor allem die Entwicklung und Produktion sparsamerer Verbrennungsmotoren sowie elektrischer Antriebe dürften bis 2020 rund 114 Mrd. Euro verschlingen, heißt es in einer am Montag vorgestellten Studie der Unternehmensberatung McKinsey. Pro Fahrzeug entspräche dies Mehrkosten von bis zu 1900 Euro."
 
Klar, dass bei solchen Kosten der Steuerzahler gefragt ist. Den will die Christenunion rupfen (denn natürlich haben auch die, dem Gesetz von gesellschaftlicher Nachfrage und parteipolitischem Angebot entsprechend, ihr Herz für den Elektroauto-Hype entdeckt):
"Elektromobilität: Union geht vor Wahl auf Öko-Trip" berichteten Claudia Kade und Andreas Theyssen bereits am 27.08.09 in der FTD (meine Hervorhebungen):
"Die Union will im Fall eines Wahlsiegs die staatliche Förderung von Elektroautos verdreifachen. Der CDU/CSU Fraktionschef Volker Kauder verspricht 1 Mrd. Euro mehr an Fördergeldern.
"Der Staat muss mit Investitionen in Forschung und Entwicklung helfen, damit die Elektromobilität vorankommt", sagte CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder im FTD-Interview. Dabei gehe es vor allem um die Batterietechnologie, die bislang im Rahmen der Konjunkturpakete mit 500 Mio. Euro staatlich unterstützt wird. "Ich kann mir vorstellen, dass eine neue Bundesregierung dafür noch mal etwa 1 Mrd. Euro zur Verfügung stellt, um die Batterietechnologie voranzubringen"."
Immerhin: ganz so schlimme Steuerverschwender wie der rote Erzbengel Gabriel sind die Schwarzen doch nicht:
"Kauder schloss aber direkte Verkaufshilfen aus - etwa einen staatlichen Zuschuss in Höhe von 5000 Euro pro Elektroauto, wie sie Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgeschlagen hatte. "Das Elektroauto muss sich schon allein am Markt durchsetzen", sagte der CDU-Politiker."
 
 
Nachtrag 23.02.2010:
Auf SpiegelOnline berichtete Joachim Hoelzgen am 18.09.2009 über "Rares Element. Lithium-Mangel bedroht die Auto-Revolution":
"Autobauer beschwören den Elektroantrieb als Technik der Zukunft. Doch ebenso wie Regierungen und Rohstoffkonzerne übersehen die Hersteller ein Problem: Es gibt auf der Erde zu wenig Lithium, um die geplanten Flotten von Hybrid- und Elektroautos anzutreiben."
 
 
Nachtrag 27.02.2010
In der (linken) Wiener Zeitschrift Streifzüge, Ausgabe 46/2009 (01.07.2009) Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Energiewende zwischen infantilen Phantasien und Ernüchterung" stampft ein Bruno Kern (ansonsten auch auf der Webseite "Ökosozialismus.net" aktiv) die Träume von Elektroautos und (mehr oder weniger) unbegrenzter Verfügbarkeit von alternativen Energien mit ziemlichem Schwung als Makulatur ein.
 
 
Nachtrag 06.03.2012
Vgl. zu den (nicht besonders guten) Erfolgschancen von Elektroautos auch den heutigen Artikel "Zweifel am E-Auto. Der Kater nach dem Elektrorausch" in der Financial Times Deutschland (FTD). 
 
Textstand vom 03.10.2022

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