Donnerstag, 5. November 2009

Der Begriffe-Jongleur als Kapital-Fittichist. Zu: Peter Sloterdijk, "Die Revolution der gebenden Hand" (FAZ-Serie "Die Zukunft des Kapitalismus").


Schreiben kann der Mann - das macht ihm so schnell keiner nach. Nicht einmal ich ;-).
Will ich auch gar nicht, und keineswegs nur wegen der "raisins trop verts".

Brillanter Stil ist nicht zwingend mit intellektueller Redlichkeit verknüpft. Es mag sogar sein, dass manch ein blendend Schreibender der Versuchung nicht widersteht, seine weniger klugen Leser zu blenden.

Gleich wie die Glucke schützend ihre Küken nimmt der Karlsruher Philosoph Peter Sloterdijk (hier übrigens seine Homepage) in seinem Essay "Die Revolution der gebenden Hand" , erschienen am 13.06.2009 in der sehr anregenden FAZ-Serie "Die Zukunft des Kapitalismus", die Kapitaleigentümer unter seine Fittiche.

Interessant ist, mit welcher Argumentationsstrategie Sloterdijk seine Tarnkappe für die Kapitalisten konstruiert. Die FAZ-Leser-Kommentatoren äußern sich zwar zum allergrößten Teil ebenfalls ablehnend. Sie analysieren aber seinen Text nur vereinzelt und allenfalls beiläufig hinsichtlich seiner Argumentationsstrategie.
Ein sehr langer Blog-Eintrag findet sich hier; ercheint mir beim Drüberschauen jedoch etwas unfokussiert.


Sloterdijk schildert zunächst, auf welche Weise Philosophen seit Jean Jacques Rousseau das Eigentum als Diebstahl diskreditiert haben. Das ist relativ neutral gehalten; man könnte streckenweise glauben, dass er diese geistesgeschichtliche Entwicklung nachzeichnet um ihr zuzustimmen bzw. um sie als Begründung für eine gleich gerichtete eigene Meinung zu verwenden. Nur gelegentlich lassen Wendungen wie "zu durchschauen glaubt" seine innere Distanz zu diesen Denkrichtungen erkennen. Dennoch etabliert Sloterdijk gegenüber dem Leser seine Glaubwürdigkeit, indem er sich in mehr als der ersten Hälfte seines Aufsatzes gewissermaßen als ein interessenferner, neutraler Referent der geistesgeschichtlichen Entwicklung von Argumenten gegen das Eigentum präsentiert.

Man wartet gespannt, wie er die Wende schafft und stößt dann auf die nachfolgenden Zeilen, die für den Sloterdijkschen Zaubertrick zentral sind:
"Das Movens der modernen Wirtschaftsweise ist ... keineswegs im Gegenspiel von Kapital und Arbeit zu suchen. Vielmehr verbirgt es sich in der antagonistischen Liaison von Gläubigern und Schuldnern. Es ist die Sorge um die Rückzahlung von Krediten, die das moderne Wirtschaften von Anfang an vorantreibt - und angesichts dieser Sorge stehen Kapital und Arbeit auf derselben Seite. Immerhin, in diesen Finanzkrisentagen erfährt man es schon aus den Boulevardzeitungen: Der Kredit ist die Seele jedes Betriebs, und die Löhne sind zunächst und zumeist von geliehenem Geld zu bezahlen - und nur bei Erfolg auch aus Gewinnen. Das Profitstreben ist ein Epiphänomen des Schuldendienstes, und die faustische Unruhe des ewig getriebenen Unternehmers ist der psychische Reflex des Zinsenstresses."

Mit diesen Nebelgranaten hat er die Kapitaleigentümer unsichtbar gemacht. Zwar tauchen zunächst noch "Gläubiger" auf, doch verschwinden die anschließend im Begriff "Kredit".
Sloterdijk trübfischt hier in der heutzutage tatsächlich weitgehend bestehenden Situation einer Trennung von Unternehmern und Kapitaleigentümern (die übrigens keineswegs Großkapitalisten sein müssen).
Die Kapitaleigentümer verschwinden natürlich nicht in der Realität, aber Sloterdijk tarnt sie durch einen weiteren Trick: Er behauptet eine Interessenidentität von "Kapital und Arbeit", die angeblich "auf derselben Seite" stehen. Auf der Gegenseite lässt er - sicher nicht "klug konfus", wie er Marx' Wertheorie nennt, sondern klug kalkuliert, für unser gesellschaftliches 'Feindbild' eine Leerstelle. Die wird er gegen den Schluss hin füllen, aber nicht mit den besitzenden Kreditgebern, sondern mit dem kleptokratischen Steuerstaat einerseits und den von diesem durchgefütterten unproduktiven Habenichtsen andererseits.

An der Apotheose der Kapitalbesitzer arbeitet Sloterdijk mit noch subtileren Mitteln wenn er davon spricht dass "eine Handvoll Leitungsträger* ... mehr als die Hälfte des nationalen Einkommensteuerbudgets bestreitet". [So hatte ich, ohne den Text selbst noch einmal zu überprüfen, aus dem Artikeltext kopiert. Entweder hatte sich beim Kopieren ein Fehler bei mir eingeschlichen, oder die FAZ-Redaktion hat den Begriff zwischenzeitlich berichtigt; jetzt liest man im Original jedenfalls korrekt "Leistungsträger".]
Das ist ein mehrfacher, sozusagen ein "Hattrick":
- Zum einen machen nämlich die Lohn- und Einkommensteuern nur etwa ein Viertel des gesamten Steueraufkommens aus, so dass sich der Gesamtbeitrag dieser (wie auch immer definierten, aber sicherlich mehr als eine "Handvoll" ausmachenden) "Leistungsträger" aus dieser Steuerart (natürlich zahlen sie auch noch andere Steuern) auf etwa ein Achtel reduziert - das klingt schon ganz anders.
- Zum anderen wird jedes Einkommen implizit als das (gerechte) Ergebnis von eigener Leistung definiert. Der Kapitalbesitzer, der Einkommen aus seinem Vermögen zieht (und versteuert) erscheint hier als Leistungsträger - auch wenn er sein Geld (was natürlich in der Praxis keineswegs immer der Fall ist) im Schlaf verdient haben sollte. So mutiert beim Varietézauberer Sloterdijk das leistungslose Einkommen unter der Hand zu einer Leistungsvergütung. In die gleiche Richtung zielt seine Feststellung: "Voll ausgebaute Steuerstaaten reklamieren jedes Jahr die Hälfte aller Wirtschaftserfolge ihrer produktiven Schichten für den Fiskus". Die Kapitalbesitzer sind damit argumentativ fest in der Klasse der Produktiven verankert, obwohl sie möglicher Weise parasitäre Schmarotzer sind, welche die Gemeinschaft gewaltige Summen kosten (Wirtschafts- und Finanzkrise!). (Und, um die gegenwärtigen Erscheinungen mal polemische zuzuspitzen: Von den Schäden, die das Kapital dem Gemeinwohl zufügt, profitiert es sogar noch, nämlich durch den Zinsgenuss für jene 'Zwangsanleihen', welche die Finanzwirtschaft durch ihr Versagen den Staat aufzunehmen zwingt.)

Und wohin geht das Geld nach der Sachverhaltsdarstellung des Autors? An die Nicht-Leistenden. Dass der Staat (zwar sehr hohe Sozialtransfers leistet, aber) auch einige andere Aufgaben erledigt, für welche die Steuerzahler in ihrem ganz unmittelbar egoistischen Interesse so oder so (ggf. privat) bezahlen müssten, blendet Sloterdijk aus:
"Was freilich die Aktivitäten der nehmenden Hand angeht, so haben sich diese seit ihrer Monopolisierung beim nationalen und regionalen Fiskus überwiegend in den Dienst von Gemeinschaftsaufgaben gestellt. Sie widmen sich den sisyphushaften Arbeiten, die aus den Forderungen nach „sozialer Gerechtigkeit“ entspringen. Allesamt beruhen sie auf der Einsicht: Wer viel nehmen will, muss viel begünstigen."
Innerhalb von zwei Sätzen hat unser Philosoph uns unvermerkt die Gemeinschaftsaufgaben polemisch in einer auf Sozialtransfers reduzierten Form untergejubelt. Da kann man nur kommentieren: Chapeau für den Zylinder-Zauberer!

Noch einmal werden die Wohlhabenden pauschal der Klasse der Produktiven zugewiesen, wenn Sloterdijk eine "Ausbeutungsumkehr" konstatiert (meine Hervorhebung):
"Autoren liberaler Tendenz waren es ..., die zuerst darauf hinwiesen, dass den heutigen Bedingungen eine Tendenz zur Ausbeutungsumkehrung innewohnt: Lebten im ökonomischen Altertum die Reichen unmissverständlich und unmittelbar auf Kosten der Armen, so kann es in der ökonomischen Moderne dahin kommen, dass die Unproduktiven mittelbar auf Kosten der Produktiven leben - und dies zudem auf missverständliche Weise, nämlich so, dass sie gesagt bekommen und glauben, man tue ihnen unrecht und man schulde ihnen mehr."
Die Rede von "Umkehrung" impliziert eine Symmetrisierung der für die Antike und die Jetztzeit in unterschiedlichen Begriffen diagnostizierten Sachverhalte:
Die Armen sind dann die Unproduktiven, die Reichen die Produktiven.

Nicht von Erkenntnisinteresse getragen ist Sloterdijks Umgang mit dem Begriff "Unproduktive". Vielmehr fügt er auch diese Feder sorgsam instrumentalisierend in die geistigen Schwingen seines Kapital-Fittichismus ein, mit denen er die Existenz und die gesellschaftliche bzw. ökonomische Relevanz von Kapitaleigentum gegen kritische Blicke zu bedecken sucht.

Zunächst verschweigt Sloterdijk seinen Leserinnen und Lesern, aus welchen Teilmengen sich die Klasse der Unproduktiven zusammensetzt. "Die Faulenzer" sind das, wird und soll der flüchtige Leser denken. Tatsächlich besteht sie aber nur zum kleineren Teil aus Arbeitslosen (deren Mehrheit zudem keineswegs arbeitsunwillig ist). Den größeren Teil machen die noch nicht produzierenden Kinder aus (darunter z. B. auch Sloterdijks Studenten) sowie am anderen Ende die produktiv gewesenen Rentner.

Will man die Unproduktiven nicht verrecken lassen, muss der Lebensunterhalt für beide Gruppen, wie für die Unproduktiven insgesamt, unabhängig von der Finanzierungsform (durch die Eltern, durch staatliche Transferleistungen oder durch Zinstransfer von den Arbeitenden z. B. bei einer sogenannten "kapitalgedeckten" Rentenversicherung) von den Produktiven erarbeitet werden. Die Mackenroth-These hat noch niemand wiederlegt (und sie wird wohl auch von keinem seriösen Ökonom angezweifelt): "Nun gilt der einfache und klare Satz, daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein "Sparen" im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand." Ich vermute mal, dass insoweit kein bewusstes Verschweigen Sloterdijks vorliegt, sondern dass er diesen Sachverhalt auch für sich selbst verdrängt.

Der dritte Sloterdijksche Taschenspielertrick im Zusammenhang mit dem Begriff "Unproduktive" ist die Insinuation, dass alle Unproduktiven vom Staat unterhalten werden. Tatsächlich zahlen für die Kinder hauptsächlich deren Eltern. (Insoweit sind übrigens die Eltern von den Realkapitalsparern Ausgebeutete, weil sie auf ihre Investitionen in Humankapital keine - jedenfalls keine exklusive - Rendite erhalten. Die fließt den Realkapitalsparern zu die insoweit - was die Eltern als "Investoren" betrifft - das für die Verwertung ihres Sachkapitals unverzichtbare Humankapital für lau bekommen. Vgl. dazu näher in meinem "Rentenreich").


Auf andere Weise perfide ist das Schlusskapitel "Verschuldete Zukunft". Dem Staat, der in der aktuellen Finanzkrise vom Kapital düpiert und durch die Eskapaden der Kapitalbesitzer (d. h. auch der für die Eigentümer tätigen Kapitalverwalter) zu wahren Verschuldungsorgien gezwungen wurde, wird diese Verschuldung vorgeworfen. Das Verschulden des Kapitals an der Verschuldung des Staates vertuscht er nach dem Motto "Der Angriff ist die beste Verteidigung".

Eher Erschreckend ist für mich dagegen, dass ein Philosoph wie Peter Sloterdijk den Eingriff in das Leben der kommenden Generationen auf einen finanziellen reduziert. Denn anders kann die Rede von der "Ausplünderung der Zukunft durch die Gegenwart" im Kontext nicht verstanden werden:
"Ob Abschreibung, ob Insolvenz, ob Währungsreform, ob Inflation - die nächsten Großenteignungen sind unterwegs. Schon jetzt ist klar, unter welchem Arbeitstitel das Drehbuch der Zukunft steht: Die Ausplünderung der Zukunft durch die Gegenwart. Die nehmende Hand greift nun sogar ins Leben der kommenden Generationen voraus - die Respektlosigkeit erfasst auch die natürlichen Lebensgrundlagen und die Folge der Generationen."
Die Wirtschaft ist es (natürlich einschließlich der "nehmenden Hand"), welche die Zukunft in einer sehr viel realeren und gefährlicheren Weise ausplündern: indem sie unwiederbringliche Rohstoff-Ressourcen mit vollen Kräften verfeuern.
Vor diesem Hintergrund (und dem Klimawandel) ist die Verschuldung eher irrelevant.


Eines möchte ich allerdings klarstellen: Meine Demontage von Sloterdijks Text will keineswegs inhaltlich für einen hypertrophen Staat eintreten. Auch ich bin der Meinung, dass wir dem Ausufern des staatlichen Wirkens entgegen treten müssen. Und das keineswegs nur mit der unmittelbar egoistischen Zielsetzung, selbst mehr Geld in der Tasche zu behalten. Auch die gesellschaftlichen Folgeschäden von Hängematten aller Art (denjenigen für die Armen ebenso wie denjenigen für die Reichen) gilt es kritisch zu durchleuchten. (Die gleiche Meinung findet sich jetzt sogar in - der Frankfurter Rundschau! "Debatte Sloterdijk. Die neuen Sozialliberalen" von Franz Sommerfeld (21.10.2009):
"Heute sind sich so unterschiedliche Protagonisten wie der Präsident des ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, und der sozialdemokratische Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, darin einig, dass in Deutschland während der vergangenen 20 Jahre eine Unterschicht entstanden ist. Sie nennen die Dinge beim Namen und stellen zu Recht die Frage, inwieweit die bisherige Sozialpolitik zur Bildung und Verfestigung dieses Milieus beigetragen hat.
Die Beschäftigung mit den tatsächlichen Verhältnissen ist der erste Schritt zu ihrer Veränderung. ..... Wer versucht, mit alten Mustern Diskussionen abzuwürgen, der scheitert. Das haben Axel Honneth und Christoph Menke erfahren müssen, zwei der renommiertesten Kritiker Sloterdijks, als sie dessen Anstöße - wie der Literaturwissenschaftler und "Merkur"-Herausgeber Karl-Heinz Bohrer spitz bemerkte - als faschistoid zu brandmarken suchten. Die so bewährte und beliebte "Antifa-Keule" versagte den Dienst. Auch ..... Richard David Precht irrt, wenn er im neuen "Spiegel" drei Seiten braucht, um den Sloterdijk-Streit als abgestandene Erinnerung an alte Zeiten abzutun. ..... Der Geist der Zeit, schreibt Sloterdijk, sendet neue Signale. Es wäre fatal, sie nicht empfangen zu wollen."
(Wir müssen allerdings aufpassen, dass uns der Zeitgeist nicht Signale zeitverzögert sendet, die aus den USA kommen und dort schon wieder überholt sind.)


Nicht als Gegenrede gegen Peter Sloterdijks "Revolution der gebenden Hand" angelegt ist der zwölfte Beitrag der Reihe, vom 12.07.2009. Der trägt den Titel "Ohne Aufstiegswille kein Kapitalismus", wurde von dem Soziologien Christoph Deutschmann verfasst und ist ein ein vorzügliches Gegengift gegen Sloterdijks Interessenpatronage der Kapitaleigentümer. Hier weht uns der kalte Windhauch der Wirklichkeit an, der intellektuellen Heißluftballons jeglicher Couleur sofort den Auftrieb abdreht.


Nachtrag 07.11.09
Bei den "Blogjournalisten" hat ein "Wittkewitz" am 22.10.2009 den Sloterdijk-Essay bebloggt: "Sloterdijk versucht Manifest der Leistungspfleger – Libertär is’ schwer". Sprachlich originell; verstehen tue ich freilich wenig davon. Und insoweit halte ich es mit Warren Buffet: Ich 'kaufe' nur Werte, die ich kapiere.

Christian Geyer erklärt (wie implizit auch ich das getan habe) in seinem FAZ-Kurzkommentar vom 2.11.09 "Wer ist er?" zur Sloterdijk-Debatte diesen zum "philosophierenden Harlekin" und wertet (für mein Gefühl allzu verharmlosend) dessen Beitrag zur Eigentumsdebatte (oder Kapitalismus-Debatte) als "philologische Aufbrezelung":
"Natürlich kann man sich fragen, was es bedeutet, wenn Sloterdijks philologische Aufbrezelungen als Philosophie wahrgenommen werden. Da liegt tatsächlich der Pferdefuß dieser „nicht existenten Debatte“ (Martin Seel), zu der sich künftig lieber Steuerrechtler zu Wort melden sollten, damit noch eine rechtschaffene Debatte daraus wird. Dass Deutschland - anders als der englischsprachige Raum - keine ausgeprägte Tradition des populären Philosophierens hat, ist wahr. Aber es gibt Erfolgsautoren wie Peter Bieri oder Rüdiger Safranski, die den existentiellen Ernst des philosophischen Fragens mit einem hohen Unterhaltungswert zu verbinden wissen. Soll als Lagebericht nur heißen: Um unser Land ist's nicht schlecht bestellt. Auch in Deutschland gibt es gute populäre Alternativen zu den schäumend philosophierenden Harlekinen." [Mit den philosophischen Harlekinen ist wohl auch David Richard Precht gemeint:
"Richard David Precht, hervorgetreten weniger als Philosoph denn als Bestsellerautor zu überpsychologisierten Sujets wie dem Ich oder der Liebe, findet die Auseinandersetzung um Sloterdijks zentrale These „Geben ist seliger als nehmen“ nicht weiter wichtig, gibt aber genau dieses Nicht-weiter-wichtig-Finden dem „Spiegel“ noch einmal gewichtig zu Protokoll."]


Nachtrag 08.11.2009
Der "Freitag" hat den Sloterdijk durchschaut. Joachim Petrik schreibt am 03.11.2009 in der Kolumne "Lach Fragen herbei" u. d. T. "Peter Sloterdijk, nicht Brecht & Precht, der Nostradamus unser Zeit?" u. a.:
"Anders als Rousseau, neigt Peter Sloterdijk nicht dazu, sich mit offenem Visier als Streitbarer Kampfhahn durch die Arenen, Talk Shows unserer Einen Welt jagen zu lassen. .....
Nein! Peter Sloterdijk will später berechtigt ohne Brecht & Precht, Meilen weit vor Alex Honneth, belegbar sagen können, ich habe den nächsten Moneten Mauerfall geahnt, ohne, bereits heute als Mauer- Specht identifiziert, dafür als Sozialdemokrat verantwortlich und als Professor haftbar gemacht werden zu können.
Es soll ja dieses Mal um eine weitere friedliche Moneten Revolution per Mauerfall gehen, die nicht nur Europa, sondern die ganze Welt erfasst.
"
Während Richard David Precht (lt. Petrik) im Spiegel geschrieben hatte:
Wer Sloterdijks Schriften nicht nur kennt, sondern verfolgt, weiß ohnehin: “Peter Sloterdijk tut nichts, der will nur spielen“. Diese Einschätzung hält Petrik (und halte auch ich) jedoch für eine verharmlosende Unterschätzung der Sloterdijkschen Intentionen.


Nachträge 09.11.2009 ff.

Getrieben von den Furien staatlicher Steuereintreibung weiß Peter Sloterdijk zumindest für sich persönlich durchaus Rat. So wie Komponisten der Barockzeit (Bach und Vivaldi, z. B.), gehetzt von den zahlreichen Produktionsverpflichtungen (für ihre jeweiligen Ämter und/oder für Opernunternehmer) ihre Musikstücke zu recyceln pflegten (dabei allerdings i. d. R. nur einzelne Stücke in neue Kompositionen einbauend) wiederverwertet Sloterdijk seine Wortkomposition. In der Juli-Ausgabe des Magazin "Cicero" hat er den FAZ-Artikel in kürzerer Form (ohne die philosophische Herleitung) auf den Kern seines Interessenplädoyers gebracht. Das demonstriert schon der Titel "Kleptokratie des Staates". Einführung der Redaktion:
"Die Weltwirtschaftskrise hat dem Etatismus ein Comeback beschert. Die helfende Hand des Staates wird plötzlich wieder geschätzt. Deutschlands populärster Philosoph mahnt aber: Staaten können genauso räuberisch sein wie Märkte."

Nun habe ich endlich auch den langen Aufsatz "Fataler Tiefsinn aus Karlsruhe. Zum neuesten Schrifttum des Peter Sloterdijk" von Axel Honneth in der ZEIT vom 25.09.2009 gelesen, der (mit langer zeitlicher Verzögerung) aus dem Sloterdijk-Artikel eine Sloterdijk-Debatte überhaupt erst gemacht hat. Wie so viele andere Beobachter Sloterdijks konstatiert auch Honneth (einleitend) dessen Potemkin-Präsenz: wo immer man ihn bei etwas heikleren Aussagen verorten will, will er nicht gewesen sein. Honneth formuliert das so:
"Ein kämpferischer Ton der Unangepasstheit sorgte ..... dafür, dass ihm von vielen Seiten ehrfürchtige Bewunderung entgegenschlug: Endlich hatte hier, wie schon die Kritik der zynischen Vernunft (1983) zu signalisieren schien, erneut ein Freigeist die intellektuelle Bühne betreten, der es mit der einsamen Entschlossenheit und Radikalität eines Nietzsche mit all den Denkgewohnheiten aufnahm, die unserer Epoche schon lange eine kaum zu ertragene Fadheit verliehen hatten.
Wo dieses Kalkül einmal danebenging, weil Sloterdijk moralisch gut begründete Prinzipien verletzt hatte, da wurden von ihm schnell Nebelkerzen hinterhergeschossen, die das Ungeheuerliche nur noch weiter verdunkelten und ins grandios Ungedachte steigerten. Schwer war es im Verlauf der Jahre daher, dem moralisch-politischen Charakter des Sloterdijkschen Denkens auf die Schliche zu kommen.
"
[Deutlich kürzer und amüsanter formuliert Eckhard Fuhr auf WELT Online vom 27.10.09 u. d. T. "Peter Sloterdijk kann die SPD derzeit entbehren" den Sachverhalt: "Wer schon einmal versucht hat, einen Aal vom Angelhaken zu nehmen, der hat einen ungefähren Begriff davon, wie schwer es ist, den Philosophen Peter Sloterdijk auf eine Position fest zu legen."]
Im übrigen fokussiert Honneth seine Aufmerksamkeit auf das, was zwar vermutlich auch für Sloterdijk selbst der Kern seiner Aussage war, nämlich den Steuerstaat, bzw. die Legitimation für (hohe) Steuern. Die mutmaßliche Stoßrichtung von Sloterdijks politischen Intentionen ist aber keineswegs identisch mit dem Kern der Zumutung (wenn man will: des Skandals) in Sloterdijks Text, nämlich der oben von mir diagnostizierten verbalen Verbergung der Eisberge des Kapitalbesitzes.
Honneth nimmt Sloterdijk einerseits unangemessen ernst, und unterschätzt ihn andererseits, wenn er hier einen Denkfehler zu sehen glaubt:
"Diese unausgegorenen Überlegungen, in denen an keiner Stelle geklärt wird, warum ein etwa durch Vererbung oder finanzielle Spekulationen erworbenes Vermögen im Sinne irgendeiner Leistung rechtmäßig »verdient« sein soll, ... ."
Mit dieser Formulierung attestiert Honneth Sloterdijks Text implizit ein (wenn auch verunglücktes) Erkenntnisstreben. In Wirklichkeit haben wir es hier aber gar nicht mit einer philosophisch erarbeiteten, sondern vielmehr mit einer propagandistisch präparierten Position zu tun.

Sloterdijk selbst erweist sich äußerst undankbar für den ihm von Honneth durch die philosophische Hochstilisierung erwiesenen Dienst. Offenbar hatte die ZEIT ihn eingeladen, auf deren Seiten Honneth zu erwidern. Statt dessen reagiert am (am 27.10.09) mit einem Offenen Brief "Sloterdijk antwortet. Das elfte Gebot: die progressive Einkommenssteuer" in der FAZ. Unter anderem schreibt er:
"Sie nennen den Vorgang einen „scharfen Angriff“, und ich ahne, was Sie meinen, obschon ich in dem, was vorgebracht wird, mehr Dumpfheit als Schärfe zu beobachten glaube.
In dieser Situation schlagen Sie etwas vor, was unter günstigen Bedingungen zu einer erkenntnisfördernden Auseinandersetzung vor großem Publikum führen könnte: Eine Erwiderung des Angegriffenen auf die Vorwürfe des Kontrahenten und eine Einladung weiterer Diskutanten zu einer „großen Debatte“. .....
Leider sind die Prämissen für eine solche „Kontroverse“ im aktuellen Fall nicht gegeben. Das Publikum der „Zeit“ kennt ja größtenteils den inkriminierten Artikel nicht - dieser hätte also fürs erste fairerweise nochmals vollständig abgedruckt werden müssen, damit die Leserschaft Ihrer Zeitung eine Chance erhielte, zu erfahren, wovon die Rede ist.
"
Seine Forderung nach einem Abdruck seines Artikels in der ZEIT erscheint mir im Zeitalter des Internets einigermaßen arrogant; auf FAZ.net kann jeder Interessierte ihn aufrufen. Und was beinahe jeder Kommentator aus seinem Aufsatz herausgelesen hat, will Sloterdijk plötzlich gar nicht geäußert haben: eine Kritik des Steuerstaates:
"Der moderne Steuerstaat hat das Zeitalter der einseitigen Plünderung der Armen durch die Mächtigen beendet - eine Tatsache, die schlechthin niemand auf der Welt bedauern dürfte. Der Proudhonsche Satz: „Eigentum ist Diebstahl“ hatte die alte Ordnung der Dinge polemisch auf den Begriff gebracht. Seither hat die politische Moderne ein weltgeschichtlich beispielloses System der Umverteilung erarbeitet, in dem der zugleich liberale und soziale Staat sich Jahr für Jahr rund die Hälfte aller Wertschöpfungsergebnisse der wirtschaftenden Gesellschaft aneignet und diese nach Maßgabe seiner Funktionen und Pflichten neu verteilt - in der BRD macht die Abschöpfungsmasse seit dem Jahr 2.000 regelmäßig eine Summe von etwa 1.000 Milliarden Dollar aus. Der „nehmende Staat“ beruft sich - zumindest auf dem linken Parteienspektrum - noch heute auf die Überzeugung, dass gegen den ungerechten primären Diebstahl nur ein korrigierender gerechter Gegendiebstahl Abhilfe schafft ..... .
Mein Aufsatz nimmt gegenüber dieser Entwicklung eine bedingungslos bejahende Perspektive ein. Seit Jahren werde ich nicht müde, auf einschlägigen Konferenzen meine Überzeugung zu bekennen, dass die progressive Einkommenssteuer die maßgeblichste moralische Errungenschaft seit den Zehn Geboten darstellt. Weil ich die Denkfigur des Gegendiebstahls wichtig, um nicht zu sagen: epochal bedeutsam finde (sie hat von Rousseau über Marx und Lenin bis hin zu Steinbrück Geschichte gemacht), verwende ich für sie gelegentlich auch das provozierende Wort „Kleptokratie“ - ein Ausdruck, der geeignet ist, Habende und Nichthabende aus ihrem dogmatischen Schlummer zu wecken
."
Wahrscheinlich soll das irgendwie ironisch gemeint sein, aber kann man jemandem über den Weg trauen, der als Begriffspaar in der Steuerdebatte nicht "arm und reich" verwendet, sondern, vermutlich nicht ohne (wie auch immer gedachte) Bedacht, davon spricht, dass die Ausplünderung der (meine Hervorhebung) "Armen durch die Mächtigen" durch den Steuerstaat "beendet" und der davon spricht, dass gegen einen "ungerechten primären Diebstahl nur ein korrigierender gerechter Gegendiebstahl Abhilfe schafft". Oder hat er doch nicht davon gesprochen, sondern insoweit nur Überzeugungen "auf dem linken Parteispektrum" referiert? Dann fragt sich allerdings, welche Aussage er selbst als Subjekt seiner Affirmation angesehen wissen will: die Entwicklung zum Steuerstaat oder deren Begründung im linken Parteispektrum?
Da mag es dann wirklich (wie Honneth am Schluss seines Aufsatzes, in anderem Zusammenhang, sagt) "nur wenige ... geben, die ... nicht in ein Grübeln darüber verfallen, ob unsere demokratische Kultur nicht inzwischen einen Grad an Verspieltheit, an Ernstlosigkeit und Verquatschtheit erreicht hat, der ihren eigenen Ansprüchen Abbruch tut".
Dagegen fährt Sloterdijk schweres Geschütz auf; das donnert wie die Dicke Bertha, z. B. so:
"Die Wahrheit ist doch, unser Professor hat in Bezug auf meine Arbeit einen Lektüre-Rückstand von, freundlich geschätzt, sechstausend bis achttausend Seiten - was sinngemäß besagt, dass er wahrscheinlich weniger als zehn Prozent meiner Publikationen kennt, möglicherweise nicht einmal so viel und selbst diesen Rest nur flüchtig und ohne guten Willen zum adäquaten Referat. Gegen solche Defizite hilft auch das hastige Herumblättern und das zufällige Zitieren aus willkürlich aufgeschlagenen Büchern nicht - eben dies ist das Verfahren, das er in dem „Zeit“-Artikel an den Tag legt, um Kenntnisse vorzutäuschen. Alles, was der Autor des polemischen Artikels aus meinen Schriften anführt, sind typische Last-minute-Zitate; seine Kommentare sind durchwegs von enttäuschendem Niveau und meistens schon auf der simpelsten Verständnisebene falsch. Aus seinen Bemerkungen zu meinem Werk spricht allein eine moralisch relevante Tatsache: dass er zu desinteressiert, zu müde und zu humorlos ist, als dass er sich dem Anspruch meiner Arbeiten aussetzen könnte. Niemand hat ihn dazu gezwungen, über meine Bücher eine Meinung zu haben - aber wenn er eine solche äußern möchte, sollte er sie auf Grund von Kenntnissen vortragen und nicht unter dem Einfluss von automatischen Abwehrreflexen. .....
Was lernt man aus der ganzen Affäre? Ich denke: nichts, was nicht längst offenkundig war. Ich besitze seit längerer Zeit eine beachtliche Sammlung an Beispielen dafür, wie weit manche abgehängte Kollegen bei der Zurschaustellung ihrer Stagnation und Frustration zu gehen bereit sind. Nun hat unser unglücklicher Frankfurter Professor ein neues Beispiel hinzugefügt. Enthält es eine neue Information? Ich sehe keine, außer vielleicht dieser: So, wie es kein staatlich festlegbares Limit für die Gier von Finanzmanagern gibt, so gibt es auch keine legale Obergrenze für Giftkonzentrationen in glücklosen Philosophieprofessoren.
."
[Es ist wirklich bloßer Zufall, dass ich folgenden Nachtrag am 11.11. poste:]
Unser hermetischer Poesoph verhält sich, scheint mir, einigermaßen inkonsequent, wenn er überhaupt Aufsätze in irgendeiner Zeitung publiziert, welche nicht zuvor mindestens 6.000 Seiten von ihm veröffentlicht hat. Da ja nach seinem eigenen Bekunden seine Texte aus sich heraus unverständlich sind, kann es für eine verständige Lektüre keinesfalls ausreichen, bloß seinen Debattenstarter gelesen zu haben.

Es gibt in verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften und auf Blogs noch einen kleinen Rattenschwanz von Folgekommentaren, doch scheint es mir nicht nur deshalb nicht lohnenswert, diese hier zu verlinken, weil meine Statistikauswertung so gut wie keine Zugriffe zum vorliegenden Blott zeigt. Vielmehr wurde das abschließende (und zugleich kürzeste) Wort bereits am Anfang gesprochen, von Jürgen Kaube auf FAZ.net am 25.09.2009. Unter "Honneth contra Sloterdijk. Der Vermögensverwalter" lesen wir dort u. a. (meine Hervorhebungen):
"... weil es Ideen sind und nicht Tatsachen, ja nicht einmal Theorien, sondern nur Werteindrücke, die man sich hier gegenseitig vorhält, wird der Streit zu nichts führen. .....
Zwei Philosophen stellen sich Wirtschaft und Gesellschaft vor. Von der Klugheit des John Maynard Keynes und der nachfolgenden Makroökonomik, die Umverteilung unter funktionalen Aspekten zu betrachten, also nicht zu fragen, ob sie moralisch ist, sondern, wozu sie führt und ob sie funktioniert, sind beide weit entfernt. Von einer politischen Soziologie des Wohlfahrtsstaates auch. Sie sind wie die Lilien auf dem Felde: Sie forschen nicht, sie bilden sich nicht weiter, doch das Gerücht, man komme auch so zu sinnvoller Kritik, ernährt sie doch. Man könnte ... fast von einem Fall unproduktiven geistigen Eigentums sprechen.
An dieser Stelle ist allerdings ein Unterschied zwischen Honneth und Sloterdijk festzuhalten. Letzterer denkt auf eigene Rechnung, was leicht schiefgehen kann und auch die Vorteile von Spezialisierung unterschätzt. Und die Nachteile einer Sprache, die man nur selber spricht. Honneth hingegen, der ihm vorwirft, er koche nur längst Widerlegtes wieder auf und kenne auch die neuere Forschungsliteratur zu seinen Themen nicht, muss sich einen etwas anderen Maßstab gefallen lassen. Der führt zur Frage, was die Kritische Theorie denn im Angebot hat, um die gegenwärtige Gesellschaft nicht nur zu bewerten, sondern erst einmal zu begreifen?
..... Wenn Sloterdijk über die Gesellschaft phantasiert, ist das die Sache eines Autors. Wenn Honneth die Gesellschaft umgeht, um sich nur bei Moralfragen und allen erdenklichen Normen aufzuhalten, ist das ein Konkursantrag.
"


Nachtrag 16.11.2009
Ein bemerkenswerter (und längerer) Beitrag zur Sloterdijk-Debatte stammt von dem auch sonst immer interessanten Rudolf Maresch auf Telepolis (08.10.2009): "Ich bin auch noch da.Im Streit mit Peter Sloterdijk demonstriert Axel Honneth, dass die Kritische Theorie 3.0 außer Zorn und Wut intellektuell nicht mehr viel zu bieten hat.". Einleitung:
"Nein, "albern" oder gar "belanglos" ist die Debatte nicht. Da haben weder der SZ-Kommentator noch "unser Mann" in Stanford Recht. Philosophisch mag sie es ja sein, kultur- und gesellschaftspolitisch aber gewiss nicht. Dafür sind der Einsatz und der Aufwand, den der Kontrahent und seine Auftraggeber betreiben, doch zu groß. Und dafür steht auch zu viel auf dem Spiel. Immerhin prallen hier zwei vollkommen unterschiedliche Geisteshaltungen, Weltsichten und intellektuelle Lebensstile aufeinander, die, seitdem wir auf eine Re-Ideologisierung von Politik und Kultur zusteuern, um die Meinungsführerschaft in den Redaktionsstuben ringen."



Textstand vom 08.11.2010. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
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3 Kommentare:

  1. Was für ein Aufschrei, bloß weil Sloterdijk die Realität beschreibt, vor allem aus der Ecke der "Unproduktiven" und "Zeitreichen". Es ist doch offensichtlich, dass eine immer kleiner werdende Klasse (produktive Klasse) eine immer größer werdende Klasse (unproduktive Klasse) ernährt. Mit der Unproduktiven Klasse sind eben nicht die kleinen Leute gemeint, sondern vor allem diejenigen die mit 5.000 € Pension (konkretes Beispiel aus meiner Praxis, Beamter Abteilungsleiter deutsche Rentenversicherung) 40 Tagen Urlaub im Jahr und mich vor lauter Langerweile von volkswirtschaftlicher Wohlfahrt mit Bürokratie überziehen. Wenn auf Baustellen mittlerweile mehr Leute "rumturnen" die alle sagen wie es richtig zu machen ist und die eigentliche Wertschöpfung, die Bauarbeiter in geringerer Anzahl sind. Wenn in ostdeutschen Städten die Angestellten des öffentlichen Dienstes und Beamten im Schnitt doppelt so viel verdienen (kriegen). Ich habe in meiner Praxis noch nicht einen selbständigen Millionär gesehen, viele aber die ihre Mitarbeiter zahlen und selbst nichts für sich übrig behalten. Die Sozialtransfers an die unterste Klasse sind daher vor allem eine "Stillhalterprämie" der herrschenden Klasse um sich weiter ihre Previlegien zu sichern und so fürsorglich tun. Denkt mal drüber nach und von wem werdet ihr denn hier alle bezahlt? Selbst erarbeitet oder beim Staat angestellt?

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  2. Das ist aber ein wenig widersprüchlich: dass Sie noch nie einen Selbständigen (wen schließt das ein/aus? Was sind Unternehmer für Sie?) gesehen haben, der Millionär ist - gleichzeitig aber die
    "Sozialtransfers an die unterste ... vor allem eine "Stillhalterprämie" der herrschenden Klasse um sich weiter ihre Previlegien zu sichern"
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    Aus wem besteht denn für Sie die herrschende Klasse?
    Bürokratie verdankt sich vielleicht auch, aber sicherlich nicht nur den Bürokraten. Sondern vorwiegend der steigenden Komplexität unserer Gesellschaft sowie unserer gestiegenen Sensibilität. Ein (etwas extremes) Beispiel: Der Bombenkrieg 1943 - 1945 war schrecklich. Psychologische Hilfe damals? Fehlanzeige. Nach heutigen Standards müssten damals eigentlich alle Deutschen verrückt geworden sein. Heute werden nicht nur die Katastrophenopfer (außer medizinisch auch:) psychologisch versorgt, sondern auch die Helfer brauchen anschließend Betreuung.

    Bilanzprüfung: Nach einigen (letztlich recht wenigen) Skandalen werden inzwischen auch die Prüfer geprüft.

    Waffenrecht: Ein einziger Amokläufer bringt gleich die ganze Gesetzgebungsmaschinerie ins Rollen.

    Also bitte, lieber Anonymus, nicht nur auf den öffentlichen Bediensteten herumhacken (ob Sie es glauben oder nicht: auch dort muss man u. U. - wenn auch vielleicht nicht überall - ganz schön in die Hände spucken!). Sondern die gesellschaftlichen Ursachen analysieren.

    Das ist freilich etwas mühsamer, als lieb gewordene Klischees zu pflegen.

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  3. P. S.: Was ist übrigens (nicht nur:) mit den Banker-Boni? Und dem ganzen (insbesondere in Großbritannien und den USA) aufgeblähten Finanzsystem mit seinen zahlreichen Beschäftigten, die hauptsächlich Geld hin- und herschieben und sich neue Finanz"produkte" ausdenken, mit denen sie die Anleger über den Tisch ziehen können?

    Das ist zwar ein Teil der "freien Wirtschaft", aber, selbst wenn man von der Finanzkrise absieht, doch wohl weitaus parasitärer als der Staat, der immerhin eine Reihe von Dienstleistungen anbietet, auf welche wir nicht verzichten können und die bei Privaten letztlich nicht billiger wären.
    (Was nicht heißen soll, dass wir gegenüber der "richtigen" Bürokratie nicht ebenfalls wachsam sein müssten. Nur sind das eben nicht die einzigen - potentiellen - Verschwender unserer Wirtschaftsleistung.)

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