Sonntag, 29. November 2009

O alte Gratisherrlichkeit: wohin bist du entschwunden? Handelsblatt hegt "Premium Content" ein.

Dubai hat es voll erwischt - und mich hat es bei Dubai erwischt. Nicht, dass ich dort investiert hätte: jene Groschen, welche ich allenfalls als Kleinstanleger in einen geschlossenen Immobilienfonds hätte stecken können, habe ich schon vor einigen Jahren auf dem Altar des Neuen Marktes als Rauchopfer dargebracht.

Indes hätte ich gern den Kommentar "Staatsfinanzen: Dubai zeigt die Probleme billiger Liquidität" vom 26.11.2009 gelesen. Beim Anfang geht das noch:
"Hohe Haushaltsdefizite und ultra-niedrige Zinsen haben viele Märkte gepusht und dazu beigetragen, die globale Rezession zu beenden. Dubais Probleme zeigen allerdings, dass der staatlich geführte Blitzkrieg nicht alle Exzesse des Kreditbooms ausradieren kann. Ein gefährlicher Nebeneffekt der Politik des leichten Geldes zeigt sich auch im Kursverfall des Dollar."
Doch dann kommt der Zaun:
"Dieser Artikel ist Teil unseres Premium-Contents, der nur für registrierte Premium-Kunden zur Verfügung steht. Um keinen der Vorteile von Handelsblatt Premium zu verpassen, registrieren Sie sich noch heute!"

Eine ganze Reihe von anderen Artikeln zum Thema ist frei zugänglich, z. B. (alle vom 27.11.2009):
- "Ökonomen-Warnung: Dubai-Krise könnte neuen globalen Crash auslösen";
- "Geschlossene Fonds: Dubai-Anleger zittern um ihr Geld";
- "Hintergrund: Wer hinter Dubai World steckt" und eine Bildstrecke:
- "Dubai vor Staatsbankrott: Das Ende von Tausendundeiner Nacht": "Noch vor kurzer Zeit galt Dubai als Synonym für großes Geld – und noch größere Bauten. Doch nun steht das Emirat vor der Pleite. Ausgerechnet die Immobilienbranche, in der Vergangenheit das Zugpferd von Dubais Wirtschaft, droht zu zerfallen – und versetzt die weltweiten Märkte in Angst und Schrecken."

Weitere Artikel folgten am 28.11.09:
- "Krise im Emirat: Daimler hält an Dubai fest, DIHK warnt" [für mich ein nicht sehr erhellender Titel, denn es geht nicht um eine Investition von Daimer, sondern darum, dass die Firma arabische Großinvestoren hat: "Daimler setzt ungeachtet der Dubai-Krise weiter fest auf seine beiden arabischen Großaktionäre". Hier setzen allenfalls die Investoren auf Daimler; welche Meinung die Firma dazu äußert, ist ausgesprochen gleichgültig!] und
- "Finanzspritzen: Abu Dhabi gibt sich bei Dubai-Hilfe wählerisch"

Aber eine ganze Reihe von Berichten und Kommentaren zum Thema Dubai (bzw. aus dem thematischen Umfeld) (und natürlich auch zu anderen Themen) ist nur gegen Bares zu haben (die Veröffentlichungsdaten sind auf den jeweiligen Einstiegsseiten nicht angegeben, wenn man auf der Hauptseite über die Suchfunktion kommt sieht man aber, dass es sich um Artikel aus dem Oktober bzw. November 2009 handelt):
- "IWF sieht neuen Bauboom am Golf" ("KONJUNKTUR- AUSBLICK: Der gestiegene Ölpreis führt zu Wachstum und Überschüssen in den Haushalten") und, genau konträr (einige Tage später erschienen):
- "Dubais Büromarkt droht Kollaps Im Emirat am Persischen Golf steht bald die Hälfte aller Büros leer. Die Mieten fallen rasant."
- "Dubai World: Gläubiger mit schwachen Händen": "Die Restrukturierung bei der wichtigsten Dachgesellschaft des Emirats, Dubai World, ist die größte, die der Golf je erlebt hat. Die wenigen vorangegangenen Ereignisse ähnlicher Art in Kuwait und Saudi-Arabien werden Geldgebern wenig Trost spenden, denn Gläubiger hatten mit widrigen Gesetzen zu kämpfen und zudem Schwierigkeiten, Ansprüche auf Kreditsicherheiten durchzusetzen." (Ein Kommentar von breakingviews).

Gern hätte ich auch den Kommentar "Dubai zahlt für übermäßigen Ehrgeiz": "Das Emirat ist hoch verschuldet und könnte seine Kreditwürdigkeit verspielen. Jetzt muss es umdenken, auf solide Wirtschaftsentwicklung statt auf Glitzereffekte setzen" zur Kenntnis genommen, denn schon immer fand ich das Kalkül hinter der Wirtschaftspolitik von Dubai ausgesprochen doof.

Die Erwartung war ja: 'Bis das Öl alle ist, sind wir ein attraktives Touristenzentrum geworden'.
Das ist, wenn man in einer geistigen Engführung eingespannt ist, eine vernünftige Überlegung; freilich lautet sie dann (und so haben sich das die Dubaier - Dubaitis? Dubaianer? - wohl auch gedacht): 'Wenn wir kein Geld mehr an der Ölförderung verdienen, weil unsere Vorräte verbraucht sind, wollen wir Geld an Touristen verdienen.'
Das ist nicht sonderlich intelligent, weil es danach allenfalls noch wenige Jahre dauern kann, bis die Ölvorräte auch anderswo zur Neige gehen.
Und die Auswahl von Urlaubsdestinationen wird nach dem Erreichen des Ölfördermaximums (Peak Oil) die allergeringste Sorge der Menschen sein.
Ausdauernde Leser meines Blogs bzw. meiner Blotts kennen freilich schon eine Vielzahl von Beispielen für inkonsequentes bzw. widersprüchliches Denken.


Aber momentan steht für mich ein anderes Thema im Fokus, und dafür hätte ich halt gern den Kommentar über die Probleme billiger Liquidität (ebenfalls von "breakingviews") informiert.

Ich arbeite nämlich an einem Text unter dem Arbeitstitel: "Wie hat der Rentner seinen Tod überlebt". Unbefangene Leser werden von dort zur Niedrigzinspolitik nicht leicht eine Brücke schlagen können; worum es geht, habe ich in zwei Kommentaren (unter dem Pseudonym Cangrande) vorab angedeutet:
- Im Blog "Freiheit360°" von Sven Scheffler auf den Handelsblatt-Webseiten u. d. T. "Wir müssen den Kapitalismus vor den Kapitalisten retten" ("“Lesetipp: Roger de Weck, Nach der Krise. Gibt es einen anderen Kapitalismus?”") vom 26.11.2009 ("Cangrande") und am 24.11.09 zu dem Beitrag
- von Norbert Reuter "Erwiderung auf den Beitrag von Elmar Altvater" im Blog "Diskurs. Die DGB-Debatte".

Es geht um meine Verwunderung darüber, dass bzw. angesichts der offenkundigen Kapitalschwemme die Geldkapitalbesitzer überhaupt noch beachtliche Renditen erzielen können. John Maynard Keynes hatte die Kapitalüberfülle vorhergesehen und für diese Situation die "euthanasia of the rentier" vorausgesagt; die erste deutsche Übersetzung von Fritz Waeger im Jahre 1936 hatte daraus (und darauf bezieht sich der Titel meines derzeitgen Überlegungsprojektes) einen "sanften Tod des Rentners" gemacht. (Mittlerweile hat Jürgen Kromphardt Keynes Hauptwerk "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" - "The General Theory of Employment, Interest and Money" - neu ins Deutsche übertragen und aus dem "Rentner" einen "Rentier" gemacht.)

Der Handelsblatt-Artikel über die Auswirkungen des leichten Geldes auf den Bauboom in Dubai, d. h. wohl über die Folgen von Fehlanreizen eines allzu niedrigen Zinssatzes, hätten mich insofern interessiert, als ich u. a. auch der Frage nachgehe, ob es denn (aus anderer Perspektive betrachtet, denn grundsätzlich bin natürlich auch ich keineswegs glücklich über die leistungslosen Einkommen der Rentiers) überhaupt wünschenswert ist, einen niedrigen Zinssatz (speziell: einen negativen Realzins, also einen Zinssatz unterhalb der Inflationsrate) zu haben.

Davon später mehr, wenn ich die Frage geklärt habe, wie der Rentner seinen Tod überlebt hat. ;-)


P. S.: Die neue Handelsblatt-Strategie, den Inhalt der Webseiten teilweise nur noch zahlenden Abonnenten zugänglich zu machen, kann ich in ihrer ökonomischen Logik durchaus nachvollziehen. Allerdings konterkariert sie in gewissem Umfang das Bestreben des Blattes, möglich oft von Bloggern referenziert zu werden (vgl. meinen Blott "Twingly als teuflische Versuchung: Intellektuelle Jingle Mail von mir zum Handelsblatt?").
Auf jeden Fall bedaure ich, dass ich nun vieles nicht mehr werde lesen können:
"... nie kehrst du wieder, gold'ne Zeit,
wo ich surft' frei und ungebunden
."
However: It certainly was fun while it lasted!


Links betr. "Dubai-Krise":

"Dubai Broken Dreams" im Blog Blick Log vom 29.11.09.

"Weissgarnix" (Thomas Strobl) macht seinem Namen alle Schande und erzählt uns, was er (eben doch!) über Dubai weiß: "Erinnerungen an Schon-Morgen-Pleiteland". (Dazu auch eine teilweise recht informative Folgediskussion, deren Kommentatoren auch Links zu anderen einschlägigen Quellen einbringen; ein "piaster" verlinkt z. B. zu der sehr kritischen Dubai-Betrachtung von Frank Davis aus dem Jahr 2006 "FEAR AND MONEY IN DUBAI". Diesen langen Artikel möchte ich Lesern, die einen Blick hinter die Glitzerkulissen werfen möchten, sehr herzlich ans Herz legen!!!
(Von dort führt ein Link zu dem anscheinend interessanten - teilweise auch pikanten - Blog "Secret Dubai diary".)
"Kreditgetriebene Fata Morgana" titelt Steffen Bogs seinen Eintrag vom 28. November 2009 im Blog "Wirtschaftsquerschüsse". Auch er hat eine Reihe von Zahlen aus dem Internet zusammengetragen (und, was besonders erfreulich, und leider nicht selbstvertändlich ist, auch zu den jeweiligen Quellen verlinkt).

Handelsblatt-Bericht vom 18.03.2008 von Pierre Heumann: "Gastarbeiter: Ganz unten in Dubai":
"Sie haben wenige Rechte, hausen in Baracken und müssen auch noch bei 40 Grad Hitze sechs Tage die Woche ran: Arbeiter in Dubai werden von ihren Chefs ausgebeutet und häufig auch um ihren Lohn gebracht. Das Leben der Gastarbeiter in der Wüstenwunderstadt."



Textstand vom 30.11.2009. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
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