Freitag, 17. Dezember 2010

WELT-Exklusiv: Interview mit luxemburgischem Außenminister Jean Asselborn aus Finanzmarkt-Rotwelsch in Steuerzahler-Deutsch übersetzt!


"Vor EU-Gipfel. 'Theaterauftritte' - Luxemburg holzt gegen Merkel" betitelt WELT Online am 15.12.2010 ein Interview mit dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn. Vorspann:
"Luxemburgs Außenminister Asselborn warnt Deutschland vor einem 'Machtanspruch, der Arroganz ausdrückt'. Die kleinen EU-Länder fühlten sich bevormundet."

Der Text  ist jedoch nur scheinbar verständlich. In Wirklichkeit verwendet Jean Asselborn eine Codesprache, die unterschiedlichen Lesern verschiedene Signale gibt:
Die deutschen Wähler will er weichklopfen, ihre Taschen für die europäischen Schuldenländer, bzw. im Ergebnis für die Finanzinstitute und letztlich für die Besitzenden auszuleeren, ohne ihnen das aber direkt zu sagen.

Die Finanzmarktakteure dagegen, von denen ja viele in Luxemburg sitzen, verstehen genau, dass er ihre Interessen vertritt: die kennen sich aus mit Gaunersprachen wie Rotwelsch, Argot oder Finanzmarktsprech.

Da es die Massenmedien leider versäumen, ihren Leserinnen und Leser derartige Texte (das Asselborn-Interview ist ja nur ein mehr oder weniger zufällig von mir herausgegriffenes Beispiel aus einem Trommelfeuer von getarnter Finanzinteressen-Publicity) zu übersetzen, habe ich mich dieser Aufgabe unterzogen.
Nachfolgend also die wesentlichen Passagen zunächst in Asselborn-Argot, dann (in Kursivschrift) von mir verdeutscht:

Wir müssen uns viel mehr anstrengen und zeigen, dass die Existenzfrage des Euro sich nicht stellt, sondern die Frage der Stabilisierung einer der stärksten Währungen der Welt.
       Wir müssen um jeden Preis alle Mitglieder der Eurozone in dieser halten, um die Finanzmärkte nicht zu enttäuschen. Unsere Gemeinschaftswährung zu stabilisieren bedeutet, dass wir sie auch in Zukunft nach Wunsch und Willen der Märkte rauf und runter gehen lassen, damit die Spekulanten Kasse machen und die Realwirtschaft auch aus diesem Wege ausräubern können. [Im übrigen - denkt Jean Asselborn so bei sich - hat mir der PR-Chef der Daumenschraubenbank gestern gesagt, dass man den Deutschen ständig einhämmern muss, der Euro würde stark, wenn man die deutsche Fiskaldisziplin aufweicht. Die seien angeblich doof genug, solche Märchen zu glauben.]


Mit Eurobonds verbindet sich ja etwas ganz Europäisches: Solidarität. Diese Solidarität würde den Märkten in der Welt zeigen: Die Europäer halten trotz aller Probleme zusammen.
       Die Ausgabe von Eurobonds würde den Finanzmärkten noch mehr als schon die bisherigen Äußerungen und Beschlüsse über Rettungsschirme usw. die Gewissheit geben, dass man in Europa immer Idioten findet, die für anderer Leute Schulden geradestehen.

Ich bin ziemlich sicher, dass die Eurobonds in Zukunft in irgendeiner Form eingeführt werden.
       Eure Regierung mit Angela Merkel an der Spitze verarscht euch doch nur. Früher oder später werden die euer Land auch über Eurobonds in Sippschaftshaftung für Schlendropa nehmen lassen. [Eine leider wohl realistische Beschreibung und Vorhersage des Verhaltens unserer Merkel-Regierung!]


[Eurobonds] können den Ländern, die in Schwierigkeiten stecken, helfen, zu vernünftigen Bedingungen Kredite aufzunehmen.
       Mit Eurobonds können die Schuldenmacherstaaten ihren fiskalischen Schlendrian fröhlich fortsetzen.

Wenn der Euro zusammenbricht, dann würde das erhebliche Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft haben, die in hohem Maße vom Binnenmarkt, von den europäischen Exportmärkten und natürlich vom Euro profitiert.
       Wenn ihr nicht löhnt, bricht "der Euro" zusammen, und dann geht es euch dreckig. [Hab ich - denkt Jean Asselborn - das jetzt richtig gesagt? Der Chefpropagandist der Daumenschraubenbank hatte mir jedenfalls gestern vorgegeben, dass man den Deutschen ständig einhämmern muss, sie hätten am Euro verdient, und deswegen müssten in Deutschland jetzt hauptsächlich diejenigen, die nix an der Gemeinschaftswährung verdient haben, das unverdiente Geld als Steuer abführen. Er sagte: Wenn die Griechen so etwas sagen würden, würden die Deutschen das wohl nicht glauben. Ansonsten sei dieses Volk jedoch mehrheitlich behämmert genug, um sich von luxemburgischen Politikern ökonomische Schuldgefühle einimpfen und dann ihr Geld abluchsen zu lassen.]


Ich kann das Wort Zahlmeister nicht akzeptieren. Wenn diese Mentalität dominiert, dann ist das Europäische weg.
       Ich kann nicht akzeptieren, dass die Germanen nicht in weitaus größerem Umfang als bisher schon Tribute an "Europa" abliefern wollen. Diese Verweigerungsmentalität zerstört die ganze Geschäftsgrundlage für Europa, die doch entscheidend auf solchen Tributleistungen aufgebaut ist.

Wenn man immer nur rechnet ..... dann gibt man ein falsches Zeichen.
       Die Finanzmarktakteure schätzen es nicht, wenn andere anfangen zu rechen: das Rechnen betrachten sie als ihr ureigenstes Privileg. Das einzige vom organisierten Bankstertum akzeptierte Signal ist deshalb dasselbe wie das vom organisierten Gangstertum erpresste Zeichen: Ohne Zaudern zahlen!

Das Gerede von der Transferunion ist schädlich.
       Fresse zu, Beutel auf: Nur als Vollidioten seid ihr Deutschen willkommene Europäer!

Manchmal habe ich ..... das Gefühl, dass Paris und Berlin nur auf den neuen EU-Vertrag von Lissabon gewartet haben, um zu sagen: Wir haben die größte Last zu tragen, also haben wir auch die größte Verantwortung und die meisten Befugnisse. Das ist ein gefährlicher Weg. .......
Die Marschroute der EU muss von allen 27 gemeinsam getragen und kann nicht von den großen Ländern vorgeschrieben werden.        Wir Europäer sind doch keine Demokraten wie die Amis! Bei uns herrscht die Regel: Big taxation, little representation!

Der europäische Geist war immer, dass Solidarität besteht und jeder seine Stimme zur Geltung bringen kann.
     Bei uns in Europa gilt: Alle sind berufen zu bestimmen, aber nur wenige sind auserwählt, zu bezahlen.

Ich kann Deutschland und Frankreich nur warnen vor einem Machtanspruch, der eine gewisse Überheblichkeit und Arroganz ausdrückt, die das europäische Prinzip der Solidarität missachten.         Wenn ihr nicht ganz schnell die Taschen aufmacht, werden wir euch in Europa als arrogante Fieslinge hinstellen!

Es darf nicht sein, dass Deutschlands und Frankreichs Interessen zum europäischen Interesse gemacht werden.
       Mir und dem Rest Europas ist es scheißegal, ob Deutschland und Frankreich nicht zahlen wollen. [Und dass einige kleinere Länder - Österreich, die Niederlande, Finnland - ebenfalls Widerstand gegen die Haftungsunion leisten, unterschlage ich meinen Interviewlesern wohl besser.]  Was das europäische Interesse ist, definiere ich. Unser luxemburgische Interesse ist es, den parasitären Finanzsektor weiterhin schön aufgebläht zu halten: schließlich blüht in unserem Großherzogtum das organisierte Bankstertum. Und im jetzigen Stadium müssen wir diese ehrenwerten Gesellschaften halt mit den Steuergeldern der "reichen" Völker der Eurozone vollpumpen, weil "der Markt" nicht mehr dumm genug ist, um diese Mischpoke fürderhin vollumfänglich durchzufüttern. [So deutlich soll ich das aber nicht sagen, hat mir vorgestern der PR-Chef der Parasitenbank gesagt. Ich soll immer schön von Europa schwätzen, vom europäischen Interesse und von Friede, Freude Eierkuchen.]

Frau Merkel ist eine kluge Frau. Ich bin sicher, dass sie die richtigen Lehren aus der Vergangenheit zieht. ..... Deutschland wird verstehen, dass diese Theaterauftritte der vergangenen Monate nicht von Nutzen sind.
       Nachdem mit der Griechenlandhilfe die Dämme ohnehin schon gebrochen sind, kann euch die Angela doch gleich reinen Wein einschenken und hat es nicht mehr nötig, euch weiterhin an der Nase herumzuführen. Macht bloß keinen Terz, das lieben die Finanzmärkte nicht. Wenn ihr dagegen schön brav und artig seid, geben sie euch bestimmt ein paar Promille Zuckerpillen.

Man sollte auch nicht wieder ..... generell von der Haftung des Privatsektors reden.
        Findet euch endlich mit dem ab, was die Finanzwirtschaft beschlossen und die Politik durchgesetzt hat: Ihr Steuerzahler zahlt die Schulden, die Finanzgeier kassieren die Zinsen.


Wir müssen unser Versprechen von 2003 einlösen und alle Westbalkanstaaten in den kommenden zehn Jahren in die EU aufnehmen. Und ein Beitritt der Türkei würde das strategische Gewicht Europas in der Welt deutlich erhöhen.
       'Hätte ich das jetzt besser nicht sagen sollen?' fragt sich Jean Asselborn nach dieser Äußerung. Aber dann beruhigt er sich wieder: 'Diesen Nachtmützen-Michels kann man ruhig noch mehr aufpacken - an kulturellen wie finanziellen Belastungen. Diese Esel mucken nur am Stammtisch auf, ansonsten schlucken sie allen Müll, den wir ihnen hinwerfen. Und die Finanzmärkte wünschen nun mal eine Mitgliedschaft der Kosovo-Mafia in der EU, um den Drogenschmuggel und die Geldwäsche effizienter abwickeln zu können. Außerdem können wir durch eine EU-Aufnahme der Balkan-Bagage die deutschen Steuergroschen auch noch für deren Staatsschulden  in den Höhlen und Schluchten des Balkans versenken.'


Abschließende Bemerkung des Übersetzers:
Herr Asselborn, wir danken Ihnen für dieses offenherzige Gespräch! Die Wahrheit tritt nicht immer nur bei Wikileaks zutage; manchmal reicht schon ein Blick ins Lexikon der Gaunersprache.


Nachtrag 25.05.2011
Dass der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn auch Klartext reden kann, beweist er (für einen anderes Politikfeld) in dem Spiegel-Online Interview "Netanjahus Absage ist selbstherrlich und arrogant" vom 24.05.11. Auszüge:
"Netanjahus Absage an einen Frieden auf Basis der 67er-Grenzen ist selbstherrlich und arrogant. ..... man kann nicht nur der palästinensischen Seite Bedingungen stellen. Die Gewalt geht ja nicht nur von den Palästinensern aus. ..... Im Westjordanland bauen die Israelis weiter Siedlungen auf enteignetem Land. Das ist eine konstante Provokation. ..... Zunächst einmal muss die EU mutig und in größter Geschlossenheit Obama unterstützen. Große Teile der republikanischen Partei und dort vor allem die Tea-Party-Bewegung wollen keine Zwei-Staaten-Lösung. Das darf sich nicht auf Europa übertragen. Nur wenn wir geschlossen auftreten, können wir die Israelis vielleicht an den Verhandlungstisch zurückbringen. ..... Wenn die deutsche Bundeskanzlerin öffentlich ausschließt, dass sie in der Uno-Versammlung für einen Palästinenser-Staat stimmt, dann nimmt das jeglichen Druck von der israelischen Regierung. ..... Obama sagt und tut das Richtige, doch im nächsten Jahr sind in den USA Wahlen, und da nimmt erfahrungsgemäß der Mut amerikanischer Präsidentschaftskandidaten ab, sich gegen die israelische Regierung zu stellen. Die Pro-Israel-Lobby in den USA ist sehr stark. Wir Europäer sind diesem Druck nicht in dem Maße ausgesetzt. ..... Wir wollten 2008 den Wünschen Israels nach einem Upgrade entsprechen. Wir haben das Upgrade allerdings abgängig gemacht von Fortschritten im Friedensprozess. Diese sind leider nicht eingetreten. Jetzt haben wir die Situation, dass die israelische Regierung alles macht, um neue Verhandlungen zu verhindern. Wir sollten uns daher in der EU überlegen, ob wir die Beziehungen zu Israel so weiterlaufen lassen können wie bisher. Wenn die Israelis stur bleiben und wir ihnen freie Hand lassen, könnte das zu einem neuen Krieg führen. Wir Europäer müssen ein Zeichen setzen, nicht nur mit Worten, sondern notfalls auch mit Taten. Wir müssen gegebenenfalls über politische Konsequenzen nachdenken."

Textstand vom 11.06.2011

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