Die Vollgeld-Initiative fordert fiskalische Völlerei, von Nebenwirkungen vermeintlich völlig frei.
In Ziff. 13 ihrer „Fragen und Antworten …“ heißt es unter der Überschrift „Schuldfreie Zuteilung von neuem Geld an Bund, Kantone und Bürgerinnen und Bürger“:
„Wie der gesetzlich
geregelte Mechanismus der Münzen-Geldschöpfung zeigt, wäre es möglich, dem Bund
bzw. der Allgemeinheit grosse zusätzliche Mittel zukommen zu lassen, wenn für
die Noten ein ähnlicher Prozess der Geldschöpfung und der Erst-Inumlaufbringung
angewendet würde. ….. Die Schaffung von Buchgeld als gesetzliches
Zahlungsmittel ….. durch die Nationalbank würde - über die Jahrzehnte und bei
einer Inumlaufbringung ähnlich wie bei den Münzen - Geldschöpfungsgewinne in
der Höhe von über 300 Milliarden Franken zur Folge haben.“
Nur „Schuldgeld“ sorgt
für Ausgleich von Angebot und Nachfrage
Bereits vor einem halben Jahrhundert hatte der deutsche
Notenbänker und Wirtschaftswissenschaftler Otto Veit in seinem
Buch "Reale Theorie des Geldes" (1966, S. 29) beschrieben, auf
welche Weise kreditgeschöpftes Geld gedeckt ist (meine Hervorhebungen):
"….. Kreditgeld ist
volkswirtschaftlich nicht 'ungedeckt', wie manchmal gesagt wird. Bankmäßig liegt
die Deckung in dem Anspruch gegen den Schuldner; volkswirtschaftlich
liegt sie in der antizipierten Güterleistung, die der Schuldner erbringen muss,
um den Kredit einzulösen".
Umgekehrt bedeutet das aber: In einem Fiatgeldsystem
(„Geldschöpfung aus dem Nichts“) kann nur eine Geldschöpfung durch Kreditgewährung dafür sorgen, dass für die neu
geschöpfte Geldmenge auch die entsprechende Gütermenge produziert wird. Diese
Ausgleichsfunktion ist (was nicht nur die Vollgeld-Initiative verkennt) die mikroökonomische Ratio des
„Kreditgeldes“.
„Ein“ Primärkredit kommt immer im Doppelpack
Wer (als Privatmann oder Organisation, z. B. Staat) im
Fiatgeldsystem einen Bankkredit (also einen geldschöpfenden „Primärkredit“) aufnimmt, der verschuldet
sich in Wahrheit ‚doppelt‘:
- Zum einen, das ist offensichtlich, verschuldet er sich mit der und durch die Aufnahme eines Geldkredits in der finanziellen Dimension („Gelddimension") gegenüber der Bank.
- So gut wie unbekannt ist, dass ein (Primär-)Kreditnehmer sich auch in der realwirtschaftlichen Dimension (kurz „Güterdimension“) verschuldet, sobald er mit dem geliehenen (neuen) Geld 'einkaufen geht'. 'Gläubiger' ist in diesem Falle die gesamte Volkswirtschaft.
Was geschieht bzw. was bedeutet es
ökonomisch (nicht auf dem Papier,
sondern in der wirtschaftlichen Realität), wenn die Bank einen Kredit vergibt
und man damit einkaufen geht? Dann hat der Kreditnehmer eine ‚Erlaubnis‘ oder
einen ‚Gutschein‘ vom Markt (von ‚der Volkswirtschaft‘) erhalten, um sich einen
Gütervorschuss aus dem gemeinsamen
Topf (dem Marktangebot) herausnehmen zu dürfen. Aus Sicht der Realwirtschaft
betrachtet ist eine Bank eine Einrichtung, die vom Markt mit der Ausstellung
solcher ‚Gutscheine‘ ‚beauftragt‘ bzw. dazu ‚bevollmächtigt‘ ist.
Aber nach dem Einkauf des „Erstgeldempfängers“ besteht im
‚Gütertopf‘ ein Defizit: Der Kreditnehmer hat eine Ware bzw. Dienstleistung herausgenommen, ohne selbst dafür eine
andere Ware reinzulegen. Das kann kein Dauerzustand sein; am Ende muss es
irgendwie zu einer Art von Tausch kommen, d. h. der ‚Vorschusskäufer‘ muss ein
Äquivalent für das entnommene Gut (zuzüglich Zinsen) in den Topf zurücklegen.
Eben das gewährleistet unser Geldsystem durch die Pflicht zur Kredittilgung.
Dazu muss sich der Kreditnehmer (anschaulich
modelliert) den Geldschein, mit dem er anfänglich ‚auf Pump‘ gekauft hat,
zurückholen. Das kann er nur dadurch, dass er irgendwann selber eine Ware am
Markt anbietet – und damit hat er den güterwirtschaftlichen Teil seiner Schuld
getilgt. So bekommt er ‚seinen‘ Geldschein zurück und liefert ihn wieder bei
der Bank ab (plus Zinsen). Dieser einzelne Geld-Güter-Kreislauf („Wirtschaftskreislauf“)
ist damit vollendet.
Abstrakter gesagt: Dass auch das Einkaufen mit geliehenem
Geld (finanzwirtschaftlicher oder Geld-Kredit) seinerseits eine Kreditaufnahme
(realwirtschaftlicher oder Güter-Kredit) darstellt, ergibt sich aus der Tauschlogik (auch) der geldbasierten Wirtschaft:
Realwirtschaftlich oder 'endgültig' hat man eine Transaktion erst dann
'bezahlt', wenn man das Gut (bzw. ein Äquivalent), das man 'dem Markt' ('der
Volkswirtschaft') entnommen hat, wieder in den Topf zurückgelegt und den Kredit
zurückgezahlt hat. Das meint der Begriff „antizipierte
Güterleistung“ im Zitat von Otto Veit.
Würden wir das ach so böse "Schuldgeld"
abschaffen und neues Geld in die Wirtschaft einführen, indem wir es dem Staat
und/oder den Bürgern schenken, dann hätten wir dieselbe Geldform produziert,
wie jeder Geldfälscher auch: Willkürgeld!
Der „Erstgeldempfänger“
als Kreditschwindler
Bekommt der „Erstgeldempfänger“ neu geschöpftes Geld
geschenkt (oder druckt er es sich, als Geldfälscher, gleich unbürokratisch
selber), dann wird er daneben vielleicht trotzdem etwas produzieren bzw.
arbeiten und irgendwann Güter oder Leistungen (etwa seine Arbeitsleistung) 'in
den Topf legen'. Aber den Geldschein, den er dafür erhält, muss er in diesem
Falle nirgends wieder abliefern, weil er sein 'Startkapital' ja für lau
erhalten hatte. Also kann er sich mit demjenigen Geld, mit dem er beim
"Schuldgeld" seinen Kredit hätte tilgen müssen, neuerlich etwas
kaufen. Seinen anfänglich (konkludent) vereinbarten „Güterkredit“ ist er
schuldig geblieben: Er hat dem Topf ZWEI Güter entnommen, jedoch nur EINS hineingelegt.
Ohne eigenes Verschulden wäre der
Erstgeldempfänger damit zum Kreditschwindler geworden.
Weil bei einem solchen Verfahren „zu viel Geld zu wenige
Güter jagt" (Milton Friedman), würde es die Preise in die Höhe treiben.
Insoweit, als Staatsausgaben auf diese Weise „bezahlt“ werden, tragen die
Bürger die Belastung in der verschleierten Form einer sog. Inflationsteuer.
Bleibt noch zu erläutern, dass beim Staat das 'Zurücklegen in
den Topf' etwas anders funktioniert als beim Bürger. Der Staat tilgt (im
Prinzip) Kredite aus dem Steueraufkommen. Auf der Mikro-Ebene kann man sich das
vergnüglich-anschaulich so vorstellen: Ein Bürger hatte gerade etwas am Markt
verkauft und will fröhlich mit dem Geldschein in der Tasche heimgehen. Doch da
versperrt ihm ein Finanzbeamter den Weg und nimmt ihm das Geld ab. Das trägt er
zur Bank und löst für den Staat ein Anleihepapier ein. Abstrakt formuliert
schöpft der Staat durch die Besteuerung die überschüssige Kaufkraft wieder ab,
die er als - kreditärer - Erstgeldempfänger in die Volkswirtschaft eingespeist
hatte.
Wir sehen also (zumindest hoffe ich, dass meine Leserinnen
und Leser das nunmehr nachvollziehen können), dass nicht das sogenannte Schuldgeld
der Skandal ist. Skandalös ist im Gegenteil die Forderung, das Schuldgeld
durch Willkürgeld zu ersetzen. Genau
das wäre aber der Fall, wenn eine Notenbank das Geld kurzerhand „druckt“ (einschl.
Buchgeld) und an den Staat und/oder die Bürger verschenkt.
Wieso darf die
Regierung Münzen prägen, aber keine „Scheine drucken“?
Nun behauptet allerdings die Vollgeld-Initiative, dass bei
der Münzen-Geldschöpfung genau das passiert: Der Staat produziert (mit meist
erheblich geringeren Kosten als dem Nennwert) Münzen und kauft kurzerhand damit
ein. Er säckelt also die ganze Differenz zwischen Herstellungskosten und
Kaufkraftwert der Münzen ein. Stimmt das? Und, wenn ja: Warum sollte er das
nicht mit „Geldscheinen“ (inkl. Buchgeld) ganz genauso machen dürfen?
Ja, das stimmt: Münzen sind (in Höhe des staatlichen
Reingewinns) tatsächlich „Willkürgeld“:
Der Staat geht damit einkaufen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen (am
Markt, d. h. gegen Bezahlung; alle anderen Leistungen des Staates für seine
Bürger zählen in dieser Hinsicht
nicht!). Und ebenso wenig schöpft er die durch sein ‚Falschgeld‘ in Umlauf
gebrachte Kaufkraft durch Besteuerung und Rückzahlung wieder ab. Der
Unterschied zum ‚Scheinchenverschenken‘ liegt nicht im Prinzip, sondern in der
Dimension.
Volkswirtschaften, zumal in hochentwickelten
Industrieländern, haben enorme Elastizitäten: etwa in Form von
Kapazitätsreserven oder dadurch, dass Geldbesitzer ihr Geld nicht ausgeben,
sondern sparen. Deswegen schlagen sich Schwankungen in der Geldmenge nicht
zwangsläufig in den Preisen nieder. Und das Münzgeld macht (ebenso wie
Falschgeld) einen derart geringen Anteil an der gesamten Menge von Bargeld plus
Buchgeld aus, dass man in der Realwirtschaft keine Auswirkungen (also keinen
Preisauftrieb) verspürt.
Kommen nur Primärkredite im „Doppelpack“?
Ja. Eine 'doppelte' Verschuldung (finanz- und güterwirtschaftlich)
findet nur bei Primärkrediten statt,
also bei Geldschöpfung. Bei Sekundärkrediten
aus schon vorhandenem Geld, wie sie z. B. von Versicherungen oder Bürgern beim
Kauf von Anleihen an den Staat oder an Unternehmen vergeben werden, wird existierende
Kaufkraft transferiert. Die realwirtschaftliche Gegenleistung für die
Güterentnahme des Kreditnehmers hat der Kreditgeber bereits vorher erbracht (er
hatte etwas verkauft, um an das Geld zu kommen). Daher hat es keinerlei
Auswirkungen auf das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage, wenn ein Sekundärkredit
nicht getilgt wird: Geschädigter ist in diesem Falle ausschließlich der
Kreditgeber, nicht die Volkswirtschaft insgesamt.
Allerdings trägt auch bei Primärkrediten nicht die
Volkswirtschaft, sondern der Kreditgeber den Schaden. Bzw. letztlich die
‚Solidargemeinschaft‘ der anderen Kreditnehmer, welche Ausfälle über die im
Kreditzins enthaltene Versicherungskomponente abdecken (müssen): Denen wird jene
Kaufkraft entzogen, die der Pleitier verjubelt hatte. Ansonsten müsste diese
dann überschüssige Kaufkraft durch Geldentwertung (Inflation) abgeschöpft
werden.
Keinen realen Ausgleich enthält eine
Volkswirtschaft freilich dann, wenn eine Zentralbank Verluste macht, die nicht
vom Steuerzahler ausgeglichen werden oder wenn sie einfach Geld druckt, um etwa
Banken zu retten. Man kann darüber nachdenken, ob bestimmte Maßnahmen der EZB
(Staaten- und Bankenrettungen durch Anleihekäufe bzw. Beleihung minderwertiger
„Wert“papiere) und anderer Notenbanken nicht in Wahrheit eine solche (verschleierte)
Produktion von Willkürgeld darstellen. Aber das wäre ein Thema für sich und ist
ein weites Feld ….. .
Textstand 02.01.2016
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