Der freilich ist, wie man hier auf der Rückseite des Schutzumschlages nachlesen kann, finster: Bei dem tibetischen Buddhismus handele es sich um einen "im Kern atavistischen, fundamentalistischen, sexistischen und kriegerischen Kulturentwurf, der eine globale Buddhokratie anstrebt und der die 'westlichen Werte' von Demokratie, Meinungsfreiheit, Menschenrechten, Gleichberechtigung der Geschlechter und Humanismus grundsätzlich in Frage stellt, obgleich er sich ständig darauf beruft. Geisterglaube, Sexualmagie, politischer und ritueller Mord, Kriegsideologien, Folterungen, apokalyptische Visionen, Menschenverachtung und eine zutiefst frauenfeindliche Kultur erscheinen auf der tibetisch-buddhistischen Bühne, wenn der pazifistische Vorhang des 'Mitgefühls' weggezogen wird".
Dazu habe ich nun eine ganze Menge anzumerken.
Als Erstes mein rein materialistisches [aus einem Materialisten wie mir wird -zum Glück- nie ein durchgeistigter Buddhist werden] Bedauern, das Buch nicht gekauft zu haben. Es wurde auf dem Altstadtfest in Regen im dortigen Kurpark (in der Flußaue des Schwarzen Regen) am Stand eines karitativen Vereins als Flohmarktartikel angeboten und wäre vermutlich um ein Weniges zu haben gewesen; verschiedene Anbieter bei Amazon verlangen dagegen, für ebenfalls antiquarische Exemplare (neu ist es wohl nicht mehr im Handel), derzeit (08.07.2007) Preise ab 103,25 (!) Euro . Das ist, selbst für 800 Seiten, eine Menge Geld.
Insofern wäre es, hätte ich es erstanden, ein weiterer persönlicher "Schatzfund im Bayerischen Wald" gewesen.
[Die Suche beim ZVAB fördert per 08.07.2007 lediglich andere Werke der Autoren zu Tage.]
Schon aus Zeitgründen hätte ich jedoch das Werk nicht lesen, und es aus Platzgründen in meinen überquellenden Bücherschränken nicht mehr unterbringen können. (Auf Englisch kann man es auf der Webseite des Autorenpaares übrigens kostenlos online lesen.)
Ohnehin steht die Thematik nicht im Fokus meiner Interessen; meine Variation der Apokalypse-Thematik (die ich selbst natürlich nicht unter diesen Titel stellen würde, da ich sie grundsätzlich für nicht kompatibel mit religiösen Lehren oder Phantasien halte) ist naturgemäß materialistisch und bezieht sich auf eine befürchtete Ressourcenverknappung, nicht auf irgendwelche religiösen Doomsday-Prophezeitungen über die erwartete Heraufkunft oder Herankunft eines Jüngsten Gerichts. Deshalb, und auch weil ich den Buddhismus (anders als den Islam und den Islamismus) für unsere Gesellschaft als recht periphere Themen und keinesfalls als ernsthafte Bedrohungen betrachte, würde ich meine Zeit nicht darauf verschwenden.
Es reicht völlig, die verschiedenen Rezensionen anzuschauen, z. B. die (nicht überraschend sehr konträren) derzeit (08.07.2007) -33- Kundenrezensionen bei Amazon.
Ich selbst bedarf eines solchen Buches als "Augenöffner" schon deshalb nicht, weil es mir ohnehin immer suspekt war, dass bei uns der Dalai Lama, immerhin der Repräsentant eines theokratischen Anspruches (zumindest eines Anspruchs auf Herrschaft über Tibet; die Sache mit der buddhistischen Weltbeherrschung oder Weltherrschaft lasse ich hier mal außen vor, zumal ich mir gut vorstellen kann, dass entsprechende Doktrinen und Rituale in tibetischen Buddhismus - deren Existenz ich nicht leugnen will - ihre geschichtliche Entstehung eher defensiven Reaktionen - speziell gegen den gewalttätig andrängenden Islam - verdanken dürften) als moralische Instanz verehrt wird.
Als Person will ich den 14. Dalai Lama gern für integer halten, aber als Repräsentant der tibetischen Spielart des Buddhismus repräsentiert er zwangsläufig eine aus meiner Sicht rückständige Gesellschaftsordnung.
Seinen Goodwill in der westlichen Welt verdankt er zum einen einer geistigen Situation, die sich für einige Menschen in unseren Breitengraden als unefriedigendes religiöses Vakuum darstellt:
"«Ex oriente lux» – die christliche Verheissung nach Matthäus 2, 2, dass den erlösungsbedürftigen Menschen «aus dem Osten das Licht» komme, entfaltet seit einiger Zeit ihren ironischen Gehalt. Denn inzwischen ist es weniger die Frohe Botschaft der Evangelien, die da leuchtet, als das Heils- und Erleuchtungsversprechen der östlichen Religionen, zumal der verschiedenen Buddhismen. Das ist plausibel angesichts der Anziehungskraft eines authentischen, nicht guruzentrisch und mystagogisch pervertierten Buddhismus. Aber es hat auch den Charakter einer Kompromissbildung, die den ihrer Tradition entlaufenen westlichen Kindern des Christentums gestattet, unter östlichen Vorzeichen ihr metaphysisches Bedürfnis zu befriedigen" schreibt Ludger Lütkehaus in der Zeitung "Neue Zürcher Zeitung" vom 15.07.1999 (hier bei Amazon nachzulesen). [Hier übrigens, zusammen mit (u. a.) der FAZ-Rezension "Da lacht der Lama" von Klaus Natorp, auch auf der Homepage der Trimondis selbst, jeweils mit deren Entgegnungen.]
Und weiter:
"Die Trimondis fallen also nicht über ein harmlos-friedliches Paradies, das für Mentaltouristen so anziehende Shangri-La, her, sondern sie stechen derzeit eher in ein Wespennest. Sie tun das freilich – bei allen Recherchen, mit denen sie ein über 800seitiges Buch füllen – mit einem sehr groben Stachel. Sie stützen fast ihre gesamte Argumentation auf eine vergleichsweise schmale Quellenbasis: auf das Kalachakra-Tantra aus dem 10. Jahrhundert u. Z. Dieser hochgradig interpretationsbedürftige Text, den die Autoren gnadenlos beim Wort nehmen, ohne ihm die hermeneutisch mildernden Umstände angedeihen zu lassen, die die Theologie der Bibel seit je einräumt, ist nur in einer erheblich kürzeren Fassung überliefert. Und auch diese ist bisher nicht annähernd vollständig, wie die Autoren immerhin einräumen, in eine westliche Sprache übersetzt."
[Hervorhebungen von mir; Gegenargumentation der Autoren s. hier]
Die andere Konsensquelle ist die 'Antikolonialistische' Dimension aus dem Themenfeld 'Selbstbestimmung der Völker'. Hierzu bemerken die Trimonds treffend (in ihrer o. a. Erwiderung auf die Buchbesprechung von Holger Lütkehaus in der NZZ):
"Auch wenn ein Volk unterdrückt ist wie das tibetische - wir bedauern dies offen und zutiefst in unserem Buch - so darf man nicht als politischer, religiös und intellektuell verantwortlicher Mensch aus blindem Mitleid die Augen vor den verhängnisvollen Konsequenzen der lamaistischen Doktrin und ihren Praktiken verschließen."
Etwas unsystematisch geb ich nachfolgend noch einige annotierte Auszüge aus Amazon-Kundenrezensionen und anderen Quellen wieder:
Recht interessant ist, und informiert erscheint mir, die Besprechung eines oder einer leider namenlosen Amazon-Kunden-Renzensenten/Rezensentin (Datum 21.02.2001) zu sein, aus der ich hier nur den Schluss zitiere:
"Ich glaube nicht, daß die beiden von den chinesischen Kommunisten oder der Katholischen Kirche eingespannt sind, ich befürchte fast, die beiden meinen es ernst und glauben, sie hätten den großen Wurf gelandet".
Auch ich glaube nämlich nicht, dass die Autoren gewissermaßen 'Einflussagenten' der Regierung der Volksrepublik China sind; dagegen spricht u. a. die Tatsache, dass sie auf ihrer Homepage eine umfassende Kritik verschiedener Religionen betreiben (oder, vielleicht treffender gesagt: dass sie ihre Homepage als Kritik verschiedener Religionen betreiben). Dass dabei jeweils deren apokalyptische Dimensionen als zentral behandelt werden, erscheint mir allerdings etwas fragwürdig.
[Ralf Heiman beschreibt im Redatkionsblog der "Sueddeutsche Zeitung" die Webseite der Trimondis (soweit es um das Thema 'Tibetischer Buddhismus' geht) zutreffend wie folgt:
"Im Internet sammelt das Ehepaar alles, was schwarz auf weiß über ihre Arbeit erscheint. Würde man das gesamte Archiv der Seite www.trimondi.de durch den Drucker schicken, es wären wohl mehrere hundert Seiten. Ein ganzes Konvolut voller Argumente, und voll ebenso vieler Gegenargumente. Das Internetmagazin ist sorgsam gegliedert, die Presseartikel zuweilen samt Leserbriefen abgedruckt."]
[Eine ganze Reihe von teilweise hasserfüllten Kritikern beschimpft Victor und Victoria Trimondi als "Kommunisten" oder "Maoisten". Das ist mit Sicherheit kompletter Unsinn; derartige "Rezensionen" zeigen durchgängig ein niedrriges intellektuelles Niveau.]
Nützlich erscheint mir auch in der Kundenrezension von Andreas Gruschke (v. 06.06.2000) die Bemerkung:
"... Bei einem wohlwollenden Blick auf die gute Darstellung der Geschichte Tibets unter einem weniger verklärten Blickwinkel, der kritischen Betrachtung der Aktivitäten der exiltibetischen Regierung und der ihnen leider oft nach dem Munde redenden Tibet Support Groups sowie eine seit langem dringend nötige Zusammenfassung der verklärten westlichen Tibetbilder, wie sie auf den Seiten 300 bis etwa 460 gegeben wird, bleibt als vehementer Kritikpunkt die fragwürdige Interpretation einer esoterischen Schrift. ..."
Für glaubwürdig halte ich die Bewertung des Kundenrezensenten Bernhard C. Reck Dipl.sc.pol.(Univ) (Datum 01.05.1999):
"Anhand der empirischen Fakten läßt sich jedenfalls, die besonders gegen Ende des Werkes heftig vorgetragene "Verschwörungstheorie" eines den Westen untergrabenden Buddhismus, nicht nachvollziehen. Gut tut, daß die Autoren von der sonst üblichen Beweihräucherung des XIV Dalai Lamas abrücken, eher dünn erscheinen dagegen die Belege, die ihn als gefährlichen "Weltenherrscher" herausstellen wollen. Die Gefahr für unsere Kultur dürfte eher darin liegen, die Grundlagen und den Wert unseres westlichen Weltbildes nicht mehr zu erkennen und beides einer Beliebigkeit preiszugeben. So besteht das große Verdienst dieses Buches in der scharfen Analyse eines reaktionären Weltbildes, das auf die Fragen unserer heutigen Welt keine brauchbaren Antworten mehr geben kann." [Hervorhebungen von mir]
Umfangreiche Ausführungen widmet ein gewisser Ruediger Suenner dem Buch; sowohl auf seiner eigenen Homepage als auch -doppelt hält besser- unter einer Internetpräsenz naturreligiöser Menschen [ts, ts, was es nicht alles gibt!], des "Rabenclan e. V.".
Hier nun beginnen meine Gedanken sich zu verzweigen: in die Autobiographie der Autoren und die Biographie des (vermutlich) Haupt-Autors Victor Trimondi (geb. 1940), eines Altlinken der 68-er Bewegung -meine Generation also-, der 2004 seinen ursprünglichen Namen Herbert Röttgen änderte, und damit auch in meine eigene Lebensgeschichte.
Insoweit werde ich, wenn es meine Zeit erlaubt, diesen Eintrag vielleicht fortsetzen. Momentan möchte ich mir den Rest dieses schönen Sonn(en)tages nicht mit weiterem Hocken vorm Monitor versauen und verabschiede mich bis auf weiteres von meinen Leserinnen und Lesern.
Nachdem ich meine Niederschriften der Urlaubserlebnisse und Reflexionen über unseren Urlaub 2007 in Zwiesel im Bayerischen Wald bzw. über unser Urlaubsgebiet mittlerweile auf mehrere Einträge verteilen musste und nun langsam Gefahr laufe, selbst die Übersicht zu verlieren, habe ich eine Liste der einschlägigen Beiträge erstellt unter dem Titel:
"Bayerischer Wald: Übersicht meiner Blog-Einträge über unseren Urlaub in Zwiesel".
Nachtrag 10.03.2011
Verkehrte Welt: Während die Massen im arabischen Raum für Demokratie demonstrieren bzw. sogar kämpfen (Libyen), will der Dalai Lama seinen Landsleuten die Theokratie abgewöhnen. Heute meldete der Tagesspiegel unter der Überschrift "Rückzug auf Raten":
"Schon wiederholt hatte er es angekündigt, doch nun scheint es ihm ernst: Nach über 60 Jahren will der Dalai Lama als politisches Oberhaupt der Tibeter zurücktreten. Bereits bei der am Montag beginnenden Sitzungsperiode des Exil-Parlaments im indischen Dharamsala will er entsprechende Änderungen vorschlagen, um seine Befugnisse an einen gewählten Regierungschef abzugeben."
Und so reagiert das Volk bzw. die gewählten Volksvertreter:
"Es seien Tausende Bitten eingegangen, dass er seinen Rückzug verschiebe, sagte der derzeitige Exil-Premierminister Samdhong Rinpoche. Auch er zeigte sich hochbesorgt. Die gewählte Regierung und die Tibeter fühlten sich noch nicht reif genug, die Führung selbst zu übernehmen, meinte er. Er schloss auch nicht aus, dass sich Widerstand gegen den angekündigten Rückzug formieren könnte. Es sei unklar, ob das Exil-Parlament den Plänen des Dalai Lama zustimmen werde, sagte er."
Textstand vom 10.03.2011
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