Samstag, 4. Oktober 2008

Natur und Finanzkrise: Der Herbst entfaltet seine Pracht, derweil es an den Börsen kracht!?


Es könnte sein, dass sich Deutschland noch lange an diesen Goldenen Oktober erinnern wird. Oder seinen Verlust betrauern.
Je nachdem, ob und wie stark die aktuelle Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft durchschlägt.













Aufnahmen aus dem Schlosspark (Kurpark) in (Bad) Gersfeld vom 03.10.2008, dem Tag der Deutschen Einheit also (den wir in weiser Voraussicht zu unserem Hochzeitstag gemacht hatten 😁).


Nachtrag Montag, 06.10.08
Wäre ich bloß damals, zu Zeiten des Neuen Marktes, ein ebenso guter Prophet gewesen wie mit meinem vorliegenden Blog-Eintrag, von dessen Titel man das Fragezeichnen heute entfernen darf.(Zugegeben: momentan gehört sehr viel weniger Fantasie oder Sachkenntnis dazu, Kursstürze zu erwarten, als damals).
"Börsenbeben. Dow Jones fällt unter 10.000 Punkte und reißt Dax mit" berichtet die heutige FAZ (ohne Angabe der Uhrzeit). Das Handelsblatt betitelt seinen Marktbericht von heute, 06.10.2008, 17:07 Uhr, mit "Börsen brechen weltweit ein".


Nachtrag 22.06.09
Soeben fiel mir der Spiegel-ESSAY "Blindflug durch die Welt" von Harald Welzer, Untertitel "Die Finanzkrise als Epochenwandel", vom 29.12.2009 wieder in die Hände, der inhaltlich vorzüglich in den von mir mit Text und Bildern konstruierten Zusammenhang passt:
"Dass kaum auffällt, wie radikal sich die Lebenswelt und die zu ihr gehörenden Normen und Selbstverständlichkeiten verändern, liegt auch daran, dass die fühlbaren Veränderungen nur einen Teil, oft einen verschwindend geringen, der gelebten Wirklichkeit betreffen. Es wird chronisch unterschätzt, wie viel die Routinen des Alltags, die gewohnten Abläufe, das Weiterbestehen von Institutionen, Medien, Versorgung dazu beitragen, dass man glaubt, eigentlich würde gar nichts weiter geschehen: Busse fahren, Flugzeuge fliegen, Autos stehen im Feierabendstau, die Geschäfte dekorieren weihnachtlich. .....
In dem Augenblick, in dem Geschichte stattfindet, erleben Menschen Gegenwart. Soziale Katastrophen passieren im Unterschied zu Hurrikans und Erdbeben nicht abrupt, sondern sind ein für die begleitende Wahrnehmung nahezu unsichtbarer Prozess, der erst durch Begriffe wie "Kollaps" oder "Zivilisationsbruch" nachträglich auf ein eruptives Ereignis verdichtet wird. Fragen, warum nicht gesehen wurde, dass eine Entwicklung auf die Katastrophe zusteuerte, stellen Historiker in dem Wissen darum, wie die Sache ausgegangen ist. Sie blicken vom Ende einer Geschichte auf ihren Beginn und erzählen als Retro-Prognostiker, wie es zu diesem oder jenem Ergebnis kam, gar kommen musste.
Mit Prognosen, die die Zukunft betreffen, ist es etwas schwieriger. Bekanntlich wächst mit dem Wissen auch das Nichtwissen an, aber bislang haben wir das mit Karl Popper eher optimistisch gedeutet, als Dauerherausforderung für Wissensgesellschaften. Die sich gegenwärtig addierenden Krisen - Klima und Umwelt, Energie, Ressourcen und Finanzen - machen aber deutlich, dass wir es an vielen Fronten mit einem uferlos gewordenen Nichtwissen über die Konsequenzen unseres Handelns zu tun haben. .....
Stabilitätserwartungen an Systeme sind nicht schon dadurch gerechtfertigt, dass es ein paar Jahrzehnte gutgegangen ist. Das 20. Jahrhundert hat eindringlich vorgeführt, dass wir jederzeit mit extrem beschleunigten gesellschaftlichen Wandlungsprozessen zu rechnen haben. Und dass diese nicht immer gut ausgehen. ...
... niemand [nimmt] die Möglichkeit des kompletten Scheiterns ernst, und in dieser Hinsicht sind Finanz-, Energie- und Klimakrise wahlverwandt. Man hält einen Zusammenbruch des Finanz- und Wirtschaftssystems einfach für unmöglich, und ebenso wenig kann man sich vorstellen, dass die fossilen Ressourcen schon in wenigen Jahren so knapp werden, dass selbst in den reichsten Ländern der Welt Bezieher von niedrigen Einkommen ihre Wohnung nicht mehr heizen können. Und man weigert sich zu glauben, dass bei einem weiteren Anstieg der Erderwärmung das Klimasystem aus der Balance gerät und die Lebensbedingungen schon derjenigen, die heute Kinder und Jugendliche sind, radikal einschränken wird. Es handelt sich um Megaprobleme, für die es derzeit keine Lösungen gibt. .....
Ein Übermaß an Problemen bei gleichzeitig fehlenden Lösungsmöglichkeiten führt zu dem, was die Psychologie kognitive Dissonanz nennt. Sie kann nur reduziert werden, wenn man statt der Probleme die Einstellung zu ihnen bearbeitet. Also: Die Regierung hat die Finanzkrise ja wohl im Griff, für die Energieprobleme wird es schon Lösungen geben, das mit dem Klima kann ja so schlimm nicht kommen. .....
Deshalb wird die Erreichbarkeit der notwendigsten Klimaziele ruiniert, deshalb werden energiepolitisch die Weichen auf Crash gestellt.
Das alles kann man wissen, und aus diesem Wissen ergibt sich die zwingende Notwendigkeit nicht von Korrekturen, sondern eines grundlegenden Richtungswechsels, heraus aus der Sackgasse.
Gerade in der Krise zeigt sich, wie fatal es sich auswirkt, wenn ein politisches Gemeinwesen keiner Idee folgt, was es eigentlich sein will.
[Ob ein Gedankengebäude uns vor solchen Megaproblemen, für welche es nach Welzers eigener Einsicht derzeit keine Lösungen gibt, in irgend einer Weise schützen könnte???] Gesellschaften, die die Erfüllung von Sinnbedürfnissen ausschließlich über Konsum befriedigen, haben in dem Augenblick, in dem mit einer funktionierenden Wirtschaft auch die Möglichkeit wegbricht, Identität, Sinn und Glücksgefühle zu kaufen, kein Netz, das ihren Fall aufhalten würde."


Textstand vom 07.06.2023

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