Mittwoch, 25. März 2009

Endlich ehrlich! Klaus F. Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), bricht eine Lanze für die Astrologie!

In seinem Handelsblatt-Gastbeitrag vom 20.03.2009 "Warum Prognosen die Krise verschärft haben" begründet Professor Klaus F. Zimmermann u. a. den Nutzen von Horoskopen:
"Horoskope können auch zu Verhaltensänderungen der Wirtschaftssubjekte führen, die die Vorhersagen ungültig machen - oder sie bestätigen. In diesem Fall ist es aber nicht mehr so wichtig, ob Voraussagen tatsächlich eintreffen. Es kommt nur darauf an, dass sie von den Akteuren als informativ angesehen werden, und ihre Entscheidungen verbessern. Dann sind mehr Horoskope wünschenswert, auch wenn sie schlussendlich wegen der Anpassungsreaktionen als falsch gemessen werden. ..... Wirtschaftshoroskope sind immer unsicher. Sie werden gemacht, um Orientierung zu bieten und die vorhandenen Informationen zu kondensieren. Die oft kritisierte Voraussagevielfalt ist nützlich, denn sie misst den jeweils vorhandenen Grad an Unsicherheit unter den Astrologen. Wichtig ist nicht, ob eine Vorhersage eintritt, sondern ob sie zu positiven Verhaltensänderungen führt."
Gell, das meine ich doch auch: wenn in der Zeitung steht "Mars und Venus sind zur Ruhe gekommen, gute Voraussetzungen, um das Rauchen aufgeben", dann ist das doch sehr positiv: vielleicht legt die eine oder andere (heutzutage sind es eh' vorwiegend die Frauen, die noch rauchen) daraufhin die Glimmstengel auf ewig beiseite?
Freilich ist Prof. Zimmermann keineswegs unkritisch gegenüber den Ökastrologen:
"Horoskope beeinflussen Stimmungen, Stimmungen prägen Verhalten, Verhalten gestaltet die Wirtschaftsentwicklung. Auch der Stellenwert von Vorhersagen muss deshalb hinterfragt werden dürfen. In Zeiten vermuteter großer Krisen oder bereits einsetzender schwerer Krisen können Horoskope brandgefährlich sein."
Sicher, haben wir ja beim König Krösus von Lydien erlebt: "Wenn Du den Fluß Halys überschreitest, wirst Du ein großes Reich zerstören" hatte das Orakel dem prophezeit. Und wer weiß, was irgendeine Wiener oder Münchener Pythonia dem Adolf vorhergesagt hat? Vielleicht: "Du wirst ein großer Führer werden"? Man sieht, Astrologen wie z. B. der Giovanni Battista Seni, sind wirklich gefährliche Leute.

Okay, schon möglich, dass mir als Laien bei der Transskription des Textauszuges aus dem Aufsatz von Prof. Zimmermann die eine oder andere Begrifflichkeit durcheinander geraten ist.
Tatsächlich, wenn ich mir den Urtext nochmal durchlese: da steht gelegentlich "Prognose", wo mir ein Horoskop oder eine Vorhersage aus der Feder gerutscht ist, oder Prognostiker, wo ich "Astrologe" gelesen hatte.

Solche Verwechslungen können vorkommen; schließlich haben ja beide Disziplinen, diejenige der Konjunkturprognosen und diejenige der Astrologie, mit Konjunkts zu tun: die Astrologie halt mit Konjunktionen. Und auf Konjekturen, wenn auch in einem etwas anderen Sinne, bauen sie beide auf.


Was Konjunkturen sind, wissen wir; den Begriff Konjunktion finden wir z. B. in dem Astrologielexikon auf der Webseite "Astrologie mit Herz" erläutert:
"Besonders starker Hauptaspekt, bei dem die beteiligten Planeten an der gleichen Stelle im Tierkreis stehen und daher einen 0-Grad-Winkel bilden. Bei der Konjunktion verschmelzen die beiden Planeten zu einer neuen Wesenseinheit und bilden eine Art Zwitter. Es lassen sich daher die Qualitäten der einzelnen Planeten nicht mehr in reiner Form feststellen. Ob die Konjunktion eher harmonisch-konstruktiv oder disharmonisch-destruktiv erfahren wird, hängt vor allem von der charakterlichen Kompatibilität der beiden Planeten ab." [Zum Begriff "Aspekt" s. Wikipedia-Eintrag.]

Nun, die letzte ökonomische Konjunktion von Finanz- und Wirtschaftskrise war, bzw. ist noch, leider eine solche der disharmonisch-destruktiven Sorte.
Ich halte es für sicher, dass es sich um eine Spätfolge der letzten "Großen Konjunktion", der Luftmutation von 1980, handelt.
Immerhin wurde Ronald Reagan im Jahre 1981 Präsident der USA und ich gehe davon aus, dass seine Reaganomics das konjukturelle Unheilspendel angestoßen haben.

Rüdiger Plantiko jedenfalls informiert uns in seiner Studie "Die letzten 1200 Jahre im Lichte der Grossen Konjunktionen" über die letzte Große Konjunktion, eben die Luftkonjunktion von 1980:
"Auch in dieser Luftzeit ist wieder die Ausdehnung eines Reiches denkbar, das danach wie eine Seifenblase zerplatzt."
Genau: die konjunkturelle Konjunktion der "Great Moderation" ist am Ende. Adepten mit vertieften Esoterik-Kenntnissen kann das nicht überraschen, denn die lesen bei Plantiko:
"Zu beachten ist der sehr enge Orbis der Konjunktion von nur 17 Bogenminuten, der dem Denken eine noch größere Engstirnigkeit verleiht."


Während wir uns also zufrieden zurücklehnen können, weil wir nunmehr den wahren Ursachen der Welt-Wirtschaftskrise II auf die Schliche gekommen sind, streiten die Ökastrologen oder Konjunkturprognostiker wie die Kesselflicker.

"Heftiger Ökonomenstreit über Horrorprognosen" meldet das Handelsblatt vom 20.03.09:
"Die Schwarzmalerei bei den Schätzungen zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland geht inzwischen nicht nur der Bundesregierung auf die Nerven. Auch in der Ökonomenzunft regt sich Widerstand gegen die ständigen Horroszenarien: Der DIW-Chef Zimmermann liest seinen Kollegen ordentlich die Leviten und kassiert dafür heftige Prügel."
Also, was die Levitenlese angeht habe ich doch bei Zimmermanns Artikel eher den Eindruck, dass er subtile Rechtfertigungen für die ökonomische Kaffeesatzleserei der Wirtschaftsforscher sucht: die leben ja schließlich davon - genau wie die Astrologen von der ihren.
Und wenn seine Co-Clairvoyanten den Zimmermann verprügeln, dann ist das eher eine Art Mönchsgezänk. Von der Kristallkugel will keiner lassen.

Immerhin wollen sie doch nicht so weit gehen wie der FDP-Vize Rainer Brüderle. In dem Handelsblatt-Bericht "Debatte um Regierungsvorhersagen. Brauchen wir häufigere Prognosen?" vom 24.03.09 wird dessen Forderung wiedergegeben, dass
"... die Bundesregierung in kürzeren Abständen offizielle Wachstumsprognosen abgeben [sollte]. "Halbjahreszahlen sind schnell veraltet. Politische Entscheidungen müssen aber besonders in wechselvollen Zeiten wie diesen auf möglichst aktuellen Zahlen und Prognosen beruhen. Deshalb sollte die Regierung darüber nachdenken, ihre Konjunkturprognose in jedem Quartal zu aktualisieren", sagte Brüderle dem Handelsblatt."

"Alle Ökonomen haben die Krise unterschätzt" titelt das Handelsblatt am 23.03.09. Nun ja, alle wohl nicht, aber die allermeisten schon.

Zimmermanns Wirtschaftsforschungsinstitut in Berlin ist der Prognosequalität auf den Grund gegangen und hat eine Studie in Auftrag gegeben. Darüber berichtet Dietmar Neuerer im Handelsblatt vom 24.03.09: "Studie zweifelt an Qualität von Prognosen":
"Soviel Selbstkritik ist selten: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), wegen zu optimistischer Konjunkturvorhersagen selbst in die Kritik geraten, geht in die Offensive und zieht gegen das Prognosewesen der Ökonomen zu Felde. Dazu ließ das Institut eigens eine Studie erstellen mit dem vernichtenden Ergebnis: die Prognostiker haben versagt – nicht einmal, sondern eigentlich schon immer."
Und weiter lesen wir, dass:
"Prognosen "systematisch zu positiv ausfallen". Die Experten führen das darauf zurück, dass Abschwünge nicht nur zu spät erkannt würden, sondern auch deren Stärke unterschätzt werde. "Dass war auch mit Blick auf die gegenwärtige Rezession der Fall – und zwar weltweit", schreiben die Ökonomen in ihrer Expertise.
Die Experten erneuerten in diesem Zusammenhang, die von DIW-Präsident Klaus Zimmermann vor einigen Wochen erhobene Forderung nach einem vorübergehenden Prognosestopp. "Da (...) es um die Aussagekraft der Konjunkturprognosen nicht gerade zum Besten bestellt ist, sollte man auf das Verkünden angeblicher Wahrheiten verzichten und mehr Zurückhaltung bei der Präsentation von Konjunktureinschätzungen zeigen", heißt es in der Studie. Dabei unterstellen die DIW-Experten, dass Prognosen immer mit dem "Phänomen der sich selbst erfüllenden Prophezeiung" verbunden seien. "Gerade in einer Krise wie der jetzigen kann das zu einem Problem werden, wenn die Prognostiker, auch dem Herdentrieb folgend, immer düstere Einschätzungen abgeben", so ihr Fazit
."
Solche tiefschürfenden Erkenntnisse hätten die sich für weniger Geld auch vom Astrologen holen können. Und bei mir sogar für lau.

Dass das Prognose-Thema in jenen Tagen gerade Hochkonjunktur hatte erkennt man daran, dass das Handelsblatt am 24.03.2009 einen weiteren einschlägigen Artikel brachte: "Bericht: Berlin zieht mit Negativ-Prognose nach".


Wie auch immer, eines muss zum Abschluss dieser Analyse festgestellt werden: Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen Astrologen und Konjunkturforschern. Das zu konstatieren, ist eine Sache der Fairness - gegenüber den Astrologen.
Im Gegensatz zu vielen Wirtschafts-Weissagern werden die nämlich nicht aus unseren Steuermitteln finanziert.


Zum Thema Konjunkturprognosen verweise ich auch auf meinen Blott "Finanzkrise: Linksammlung von Prognosen".


Nachtrag 27.03.09
Ein weiterer Artikel im Zusammenhang mit der Artikel-Cluster' in Sachen Konjunkturprognosen war "Konjunktur. Wirtschaftspolitiker kritisieren Horrorprognosen" im HB vom 22.03.09.


Nachtrag 07.04.09
Unter dem Titel "Konjunkturausblick. Krise setzt Ökonomen unter Zugzwang" thematisiert Axel Schrinner im Handelsblatt vom 06.04.2009 die Prognose-Pleiten:
" „Knapp vorbei ist auch daneben“, heißt eine alte Fußballweisheit. Für Konjunkturforscher wäre „knapp daneben“ dagegen ein riesiger Erfolg. Denn weder Sachverständigenrat, noch Forschungsinstitute oder Konjunkturreferate in Ministerien und Banken haben das Unheil aufziehen sehen, dass sich im Herbst über Deutschland zusammengebraut hat. Die Weltrezession wurde zum Desaster für die gesamte Makroökonomie."
Und schließt mit einer bissigen Bemerkung (in der Tendenz meiner oben geäußerten Kritik vergleichbar):
"Vielleicht muss auch das Konzept für die Gemeinschaftsdiagnose erneut überdacht werden. Derzeit zahlt das Wirtschaftsministerium vier Konsortien aus acht Instituten insgesamt 3,8 Mio. Euro für sechs Gutachten. Die nächste Ausschreibung ist für Sommer 2010 geplant. Es sei verfrüht, schon jetzt Änderungen vorzusehen, heißt es aus dem Ministerium. „Sie bleiben aber grundsätzlich auch nicht ausgeschlossen.“ Treffsicherheit scheint kein Erfolgskriterium zu sein."



Textstand vom 25.01.2022

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