Dienstag, 24. März 2009

Wasser nur aus Plastikflaschen ist besser als Wasser im Gehirn! Warum Günter Seuferts Zeit-Artikel zum Weltwasserforum Cangrande zum Brodeln bringt


Offener Brief an Günter Seufert, Verfasser des Zeit-Artikels "Weltwasserforum. Wasser nur aus Plastikflaschen" vom 24.03.2009 über das Weltwasserforum in Istanbul.
("Experten haben in Istanbul über die Wasserprobleme der Welt diskutiert. Die Teilnehmer mussten nicht weit schauen, um gravierende Missstände zu entdecken. .....")


Lieber Herr Seufert,

Ihr Bericht fängt mit Plastikflaschen (bzw. der Tendenz nach: gegen Plastikflaschen) an und hört auf mit Staudämmen bzw. genauer: mit der obligaten Staudammkritik von Leuten, die keine Talsperren brauchen, weil das Wasser bekanntlich aus dem Hahn kommt.

Wie schafft man das: synchron über den Mangel an trinkbarem Leitungswasser (hier: in der Türkei) und über den Bau von Staudämmen zu jammern?

Ganz einfach: man macht einige interessante Beobachtungen; die reichen für einen Artikel nicht aus. Weil man auch nicht nachdenken will (das könnte eigene Vorurteile zerstören) schaltet man auf den umweltpolitisch korrekten Autopiloten im Gehirn um und lamentiert, natürlich, über den Bau von Staudämmen. (In Ihrem Artikel geht es um die Türkei, aber sicherlich hätten Sie den gleichen Singsang vom Stapel gelassen, wenn das Weltwasserforum in China, Indien oder Thailand zusammengekommen wäre).

Ich kann nur staunen über jene (für mich: unerträgliche) Leichtigkeit des Seins, welche das Denken so problemlos ausschalten kann.

Gewiss mag es sein, dass diese Staudämme nicht oder nicht in erster Linie der Trinkwasserversorgung dienen sollen. Aber die Zerstörung eines Naturschutzgebietes für einen Staudammbau ist in keiner Weise negativ korreliert mit dem geforderten Menschenrecht auf Wasser.

Ich habe bereits in einem früheren Blott ("terreur-des-sommes") auf die Widersprüche aufmerksam gemacht, in welche sich wohlmeinende Wasserbau-Widersacher verwickeln.
Die wollen ohne Rücksicht auf Verluste alles bekämpfen: den Hunger, die Unwissenheit, die Krankheiten, den Trinkwassermangel, die Verwendung nicht-erneuerbarer Ressourcen für die Energiegewinnung - und die Staudämme.

Wo z. B. Ägypten heute wäre ohne den Assuan-Staudamm: dieser Frage stellen sich diese Schmetterlings-Schützer nicht. Lieber spinnen sie sich ein in ihre heile-Welt-Kokons, in ihre feuchten Träume von glücklichen Primitiven, die selbstverständlich ein Recht auf moderne Gesundheitsfürsorge haben. Diese mentalen Seidenraupen leben in einer Welt, welche mit Menschen proppevoll gefüllt ist und die sogar (auch dank ihrer mitleidigen Hilfe) ständig voller wird. Das verantwortungsenthobene Volk der Traumtänzer schert sich nicht drum, mag auf keinen Fall wider die Stachel der Widersprüche im eigenen Denken löcken. Lieber reitet man in einer Kavalkade der intellektuellen Verantwortungslosigkeit auf Traumpfaden zu neuen Menschenbeglückungsturnieren.

Macht doch nichts, wenn die Länder keine erneuerbare Energie (aus Wasser) gewinnen oder ihre Felder nicht bewässern können: dann müssen wir denen halt helfen, ihre Völker zu nähren, kleiden, ihnen sauberes Trinkwasser, hygienisch einwandfreie Toiletten und eine State-of-the-Art-Gesundheitsbetreuung zu beschaffen. Schließlich sind "wir" sind ja sooooo reich, da können wir doch massig was abgeben? (Und außerdem ist es sowieso unsere Schuld, wenn die sich so fruchtbar mehren: die wo wir nicht kolonialisiert haben, denen haben wir die Hygiene gebracht.)


Meine herzliche Bitte an alle, deren Bereitschaft zu einem vernetzten (Friedrich Vester) Denken lediglich "di aqua" (Pietro Aretino) ist:

Berauscht euch an dem (freilich um den Preis des Anthropomorphisierens) sprachlich wunderschönen Wassertext von Elfriede Jelinek aus ihrem Roman "Gier":
"Wildes, grandioses Wasser, fällst mit hocherhobenem Köpfchen, auch wenn man Dich bereits gezähmt hat! ....."
Und lasst ab von der Vergiftung unserer diskursiven Umwelt mit romantischer Naturträumerei auf dem intellektuellen Niveau der Gartenlaube!

Nein: auch ich bin nicht glücklich über die Zerstörung von Natur. Nur sehe ich bei denen, die ständig darüber klagen, nicht die mindeste Bereitschaft, dem eigentlichen Problem ins Auge zu schauen: der zügellosen Vermehrung der Menschheit. Ganz im Gegenteil sind diese "guten" Menschen meist die ersten, die ein besseres Leben (d. h. im Ergebnis: mehr Ressourcen- und Umweltverbrauch) für die 3-Welt-Länder fordern usw.
Doch wenn die dortigen Menschen ihre Chancen realisieren wollen (genau so, wie wir das gemacht haben und immer noch machen: einst z. B. indem wir die Lüneburger Heide entwaldet haben, worauf wir heute sogar noch stolz sind!), dann bläst dieses Volk gewaltig die Backen auf!


Ich aber höre besser auf, mich weiterhin über jene Denkentwöhnten zu echauffieren: auf dass nicht der Strom meines heiligen Zorns mich in die Gullys der Verbalinjurien hinabspüle!


Nachtrag 25.03.09
Weiterer Artikel in der ZEIT zum Thema: "Weltwassertag. Der politische Wille fehlt"
v. Marianne Alker und Matthias Krause, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik 24.3.2009:
"Grenzübergreifende Maßnahmen zum Schutz unseres Trinkwassers sind immer noch die Ausnahme".


Textstand vom 01.06.2024

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